FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
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FAIR WOHNEN JUNI 2022 DAS MAGAZIN DER MIETERVEREINIGUNG ÖSTERREICHS Große MVÖ-Umfrage: So mietet Österreichische Post AG - MZ 02Z033986 M - Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien Österreich CO2-Steuer muss die Richtigen treffen MVÖ fordert Gerechtigkeit Bestellerprinzip: Verbesserung nötig Analyse zum Maklergesetz Was gilt bei Kurzzeitvermietung? Rechtstipps für Mieter Kleine Wohnung, große Rückzahlung Mieter bekommt Geld zurück
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FAIR WOHNEN INHALT OGH »Jede Mieterhöhung heizt die Teuerung weiter an« Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Instituts, im Inter- view mit MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler. Seite 4 So mietet Österreich Die große Mitglieder-Umfrage der MVÖ zeigt, wie Österreich mietet und was es braucht, um Liebe Leserin, lieber Leser, leistbares Wohnen zu sichern. Seite 12 wie kommen wir raus aus Gas, aus Heizöl, aus fossilen Energien? Grundsätzlich ist eine CO2-Besteuerung kein CO2-Steuer muss schlechter Ansatz – wenn sie die Richtigen die Richtigen treffen trifft. Doch im Juli startende CO2-Steuer trifft MVÖ, SPÖ und Volkshilfe for- im Fall von Mietern die Falschen. Mieter kön- dern, die Vermieter in die nen sich ihr Heizsystem nicht aussuchen und Pflicht zu nehmen und die ohne die Zustimmung des Vermieters auch CO2-Steuer fair zu gestalten. nicht ändern. Seite 18 Damit löst sich auch der intendierte Len- kungseffekt der CO2-Steuer in Luft auf. Denn Endlich: »Wohnschirm« für Mieter ist da Vermieter werden nicht zum Austausch ihrer Fonds zur Delogierungsprävention gestartet 9 Heizungsanlagen angehalten, da die Mehrkos- Vertragliche Wertsicherungsvereinbarung: ten durch die neue Steuer zur Gänze vom Mie- Was darf der Vermieter wirklich? 10 ter getragen werden müssen. Bestellerprinzip: Verbesserungen nötig MVÖ analysiert Entwurf zum Maklergesetz 20 Eine ernsthafte Klimapolitik muss da anset- MVÖ OÖ: Über 1,8 Millionen Euro für Mitglieder erkämpft zen, wo die Investitionsentscheidung getrof- Bericht über die Landeshauptversammlung 22 fen wird – beim Vermieter. Das neue deutsche Was gilt bei Kurzzeitvermietungen? Modell, wonach Vermieter an den CO2-Kos- Die aktuelle Situation in Wien am Beispiel Airbnb 24 ten beteiligt werden, wäre ein mögliches Vor- Betriebskosten: Kontrolle der Abrechnung lohnt sich bild. Je schlechter die Energiebilanz eines Ge- Worauf Mieter achten sollten 26 bäudes ist, desto mehr CO2-Kosten trägt der Mietervereinigung trauert um Franz Böck Vermieter (siehe Artikel auf Seite 18). Ein sol- Vizepräsident der Mietervereinigung verstorben 27 ches System schafft Anreize, in klimafreundli- 2 Kilo Mietrecht, bitte! che Heizformen und energetische Sanierun- Schwergewicht zum Lesen und Nachschlagen 28 gen zu investieren. Kleine Wohnung, große Rückzahlung MVÖ holt über 3.000 Euro für Mieter zurück 29 Die extremen Preissteigerungen bei Energie Recht auf Reparatur und die jüngste Erhöhung der Richtwert- und Hannes Heide über den Reparaturbonus 30 Kategoriemieten haben Mieter überproportio- Plus: nal belastet. Die Regierung ist nun dringend MVÖ intern ... 32 AGB ... 34 Servicestellen ... 36 gefordert, die CO2-Steuer noch vor ihrem Start Wie ist das eigentlich? ... 38 MVÖ historisch ... 39 neu, fair, und klimapolitisch wirkungsvoll zu reparieren – sonst werden ab Juli die letz- IMPRESSUM ÖAK ten Reserven der Mieter buchstäblich sinnlos Herausgeber, Medieninhaber, Redaktion: Druckauflage: 32.375 Exemplare Österreichische Mietervereinigung Österreichs, (ÖAK, Jahresschnitt 2021) Auflagenkontrolle verheizt. Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, Coverfoto: istockphoto.com Tel. 05 01 95, Fax Dw 92000 Zur besseren Lesbarkeit werden in FAIR WOHNEN Herzlichst, Ihr E-Mail: zentrale@mvoe.at, www.mietervereinigung.at personenbezogene Bezeichnungen, die sich zugleich Geschäftsführung: Georg Niedermühlbichler auf Männer und Frauen beziehen, in der im Deutschen Chefredaktion: Georg Niedermühlbichler üblichen männlichen Form angeführt, also z. B. Redaktion: Elke Hanel-Torsch, Martin Ucik »Mieter« statt »MieterInnen« oder »Mieterinnen und Georg Niedermühlbichler Produktion: Martin Ucik Mieter«. Dies soll jedoch keinesfalls eine Geschlechter- Anzeigenleitung: Monika Jurisic diskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheits- Hersteller: Walstead NP Druck GmbH grundsatzes zum Ausdruck bringen. FAIR WOHNEN 2/22 3
»Jede Mieterhöhung heizt die Teuerung weiter an« Im großen Fair-Wohnen-Interview spricht Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Instituts, mit MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler über Teuerung, Mietpreis-Spirale und Möglichkeiten, die explodierenden Wohnkosten in den Griff zu bekommen. Georg Niedermühlbichler: Die In- der überall – in allen Produkten, Gü- Die Europäische Zentralbank, die flation liegt in Österreich bei 7 Pro- tern und Dienstleistungen – direkt kurzfristige Zinsen setzt, steckt in zent, im Euroraum sogar noch dar- oder indirekt drinnen steckt. So wie einem Dilemma. Erhöht sie die Zin- über. Warum steigen die Preise der- das Blut den Körper versorgt, so treibt sen, würgt sie die Wirtschaft ab. Ir- zeit so stark an? Energie die Weltwirtschaft an. Bleiben gendwann sinkt dadurch auch die In- die Energiepreise lange genug hoch, flation, aber zu welchem Preis? Wirt- Oliver Picek: Der Schuldige an der ak- geben die Unternehmen ihre gestie- schaftseinbruch, hohe Arbeitslosigkeit, tuellen Teuerung ist letztlich Wla- genen Kosten weiter an die Preise. sinkende Kaufkraft. dimir Putin. Schon vor dem Angriff Manche schlagen noch ein Körberl- Russlands auf die Ukraine hat er weni- geld drauf für Extra-Gewinne, wie ge- Im Moment spekuliert die Zentral- ger Gas nach Europa geliefert, nur die rade mancher Stromversorger oder bank darauf, dass die hohen Energie- langfristig vereinbarte Liefermenge. Ölkonzern. preise von selbst einen Wirtschafts- Das hat zur Verfünffachung der Gas- einbruch verursachen und die Teue- preise geführt, das zieht den Strom- Wie lässt sich die Rolle der Europäi- rung von selbst sinkt. Und vielleicht preis mit nach oben. Auch der Ölpreis schen Zentralbank (EZB) in der ak- hofft sie auch, dass der Krieg bald vor- und damit die Treibstoffpreise sind tuellen Entwicklung einschätzen? bei ist. Dann sinken die Rohstoffprei- stark gestiegen, weil Russland zweit- Ist eine Zinserhöhung im Euroraum se wieder. Dann muss sie nicht mit der größter Ölexporteur der Welt ist. ein Mittel, um die Lage in den Griff »Zinskeule« kommen und selbst ein- zu bekommen? mal fest auf die Wirtschaft hinhauen - Warum steigen auch andere Preise mit allen Kollateralschäden wie höhe- wie die für Lebensmittel? rer Arbeitslosigkeit. »Die Europäische Oft steckt in dem Preis eines Produkts Gas oder Strom drinnen, das zur Pro- Zentralbank, die Preissteigerungen treffen nicht alle gleich. Wen trifft die Inflation am duktion verwendet wird. Zumindest Treibstoff aber ist für den Transport kurzfristige Zin- stärksten? überall drinnen. Neben menschlicher sen setzt, steckt in Die Preiserhöhungen sind im Mo- Foto: MVÖ Arbeitskraft, Kapital und Land ist Ener- ment für Reiche wie Arme recht ähn- gie der vierte große Produktionsfaktor, einem Dilemma.« lich. Nur klar ist: Arme können mit FAIR WOHNEN 2/22 5
FAIR WOHNEN IM GESPRÄCH den Teuerungen schlechter umgehen. Also zum Beispiel einen Mindestlohn Leute mit viel Geld können sich ent- bei 1.800 Euro durch die Kollektivver- scheiden: Konsumieren sie ihren Le- träge einziehen, und die niedrigen »Stromerzeu- bensstandard einfach weiter und spa- ren etwas weniger, oder tun sie das Einkommen bei den Lohnsteigerun- gen besser aussteigen lassen. ger und Mineral- nicht. Arme haben diese Reserven oder Ersparnisse gar nicht, auf die sie Drittens: Die Teuerung direkter an- gehen. Die Regierung könnte einen ölkonzerne ver- zurückgreifen können. Preisdeckel auf den Grundbedarf dienen sich gera- Bei den Reichen fällt der Treibstoff eines Haushalts bei Strom und Gas verordnen, einen Preisdeckel bei den de eine goldene mehr ins Gewicht, weil die mehr Autos besitzen. Bei den Armen fal- Mieten, und auch die Gewinnspan- nen der Mineralölkonzerne deckeln. Nase mit ihren len dagegen die Lebenshaltungskos- ten ins Gewicht – Lebensmittel, Strom, Stromerzeuger und Mineralölkonzer- ne verdienen sich gerade eine golde- Preissteigerungen, Gas, Miete. Wer jetzt gerade am Land ne Nase mit ihren Preissteigerungen, während viele wohnt, weit mit dem Auto in die Arbeit während viele nicht mehr wissen, wie pendelt, und in einer schlecht ge- sie mit der Teuerung zurechtkommen nicht mehr wis- dämmten Wohnung noch eine Gas- oder Ölheizung hat, der hat ein gewal- sollen. sen, wie sie mit der tiges Problem. Sind Einmal-Gutscheine ein proba- tes Mittel? Teuerung zurecht- Wie könnten Menschen entlastet werden, die besonders unter den Das Problem bei Gutscheinen ist, dass kommen sollen.« Preissteigerungen leiden? jeder gleich viel bekommt. Der mit 5.000 Euro brutto im Monat im aus- gezeichnet isolierten Eigenheim mit niedrigen Energiekosten genauso wie die Alleinerzieherin mit 1.600 Euro in der schlecht isolierten Wohnung mit teurer Gastherme. Ist es also die best- mögliche Maßnahme? In Zeiten einer Teuerung nicht. Da geht es darum, den am stärksten Betroffenen am meisten zukommen zu lassen. Das Kriterium erfüllen Gutscheine nicht. Mit Mai steigen die Richtwert- und Kategoriemieten um fast 6 Prozent – das ist die größte Erhöhung seit der Einführung der Richtwertmieten im Jahr 1994. Wie wirkt sich die Stei- gerung der Mieten auf die Inflation aus? Jede Mieterhöhung heizt die Teue- rung weiter an. Aber man muss auch Oliver Picek im Gespräch mit Georg Niedermühlbichler in der MVÖ-Zentrale. aufpassen. In der allgemeinen Teue- rungsrate, die wir alle zwei Wochen Zunächst einmal müssten die Sozial- in der Zeitung lesen, spielen Mieten leistungen steigen – Mindestpension, eine zu geringe Rolle. Deren Anteil ist Mindestsicherung, Arbeitslosengeld nur ein Zwanzigstel, weil es auch Be- und Notstandshilfe. Es gibt eine Gren- sitzer von Eigentumswohnungen oder ze – die Armutsgefährdungsschwelle – Häusern gibt. In der Realität ist das für über die man arme Haushalte heben alle Mieter viel mehr - fast jeder Mie- müsste, damit sie mit Krisen wie einer ter muss mehr als nur ein Zwanzigstel Pandemie oder einer solchen Teue- seines monatlichen Einkommens für rung besser umgehen können. die Miete ausgeben. Die Inflationsra- Fotos: MVÖ Das zweite wäre, die Löhne im unteren te der Mieter wird daher deutlich hö- Bereich vor der Teuerung zu schützen. her ausfallen. 6 FAIR WOHNEN 2/22
Droht uns eine Mietpreis-Spirale? muss. Aber auch einen Teil der Ener- giekosten des Vermieters. Wir sind seit schon seit Jahren mit- tendrin. In den letzten 10 Jahren wur- Für Mietverträge müsste daher gel- de der Warenkorb, den wir im Durch- ten: Die Energiepreise müssen in Zei- schnitt konsumieren, um rund ein ten einer so hohen Teuerung aus dem Fünftel teurer. Aber die Mieten sind Verbraucherpreisindex herausgerech- um die Hälfte gestiegen. Sie haben net werden, der in den Mietverträgen daher auch die Teuerung insgesamt üblicherweise als »Wertsicherung« die in die Höhe getrieben. Während der Mieterhöhung festlegt. So lässt sich die Pandemie gab es eine Pause, die Mie- Teuerung zumindest etwas dämpfen. ten stiegen kaum mehr. Aber jetzt geht es wieder voll los. Zunächst die Richt- wertmieten, und jetzt ziehen die Pri- vatvermieter nach. Wer zum Beispiel Mitte August einen Mietvertrag abgeschlossen hat mit einer »Wertsicherungsklausel«, der hat mittlerweile eine Mieterhöhung von über 10 Prozent am Tisch. Bei einer Miete von 1.000 Euro macht das 100 Euro zusätzlich aus. Das wird in den nächsten Monaten einen or- dentlichen Preisschub bedeuten, der dann die Grundlage für einen Teil der nächsten Mieterhöhung ist. Ist die Koppelung der Mieten an den Verbraucherpreisindex überhaupt sinnvoll? Gäbe es andere Indikato- ren wie zum Beispiel Kerninflation oder Baukostenindex, die gerechter oder treffsicherer wären? Beim Interview in der MVÖ-Zentrale: Georg Niedermühlbichler und Oliver Picek. Zum einen könnte man die Mieterhö- hung herausrechnen, sodass nicht Die Mieten sind schon über die letz- »Der Vermieter die jetzige Mieterhöhung schon zur ten Jahre deutlich stärker gestiegen nächsten beiträgt und so die Miet- als die Inflation und fressen einen wälzt einen Teil preisspirale durchbrechen. Fast noch wichtiger sind aber die Energiepreise, immer größeren Anteil des Einkom- mens. Vielen Menschen bleibt also seiner Energie- die laut Verbraucherpreisindex den größten Anstieg ausmachen. Durch weniger Geld für andere Ausgaben. Wie wirkt sich das gesamtwirtschaft- rechnung auf den steigende Preise für Gas und Öl wird das ganze Land ärmer, weil wir das lich aus? Mieter ab.« aus dem Ausland zukaufen müssen. Es verteilt um. Hohe Mieten nehmen Der Kuchen wird kleiner; ein Kuchen- den Menschen mit wenig Einkommen stück fehlt künftig, solange die Preise Geld weg, und geben es jenen mit viel hoch sind. Den Verlust des fehlenden Geld. Wieso? Wer besitzt die Immobi- Stücks muss man gerecht aufteilen. lien, die Wohnungen, die Häuser? Das Doch berechnet man die Mieterhö- sind hauptsächlich Menschen, die viel hung aufgrund der allgemeinen Teue- Geld haben und hohe Einkommen er- rung, sind die Energiekosten drinnen. zielen. Diese Menschen bekommen dann höhere Zahlungen von Leuten, Was passiert dann? Der Vermieter die viel weniger Geld haben als sie. wälzt einen Teil seiner Energierech- Das ist ein großes Verteilungsprob- nung auf den Mieter ab. Der Mieter lem. Es schwächt auf Dauer auch die zahlt doppelt. Seine eigenen höheren Wirtschaft als Ganzes, weil Menschen Energiekosten, die er sowieso zahlen mit wenig Geld mehr davon ausgeben FAIR WOHNEN 2/22 7
FAIR WOHNEN IM GESPRÄCH müssen. Das sorgt für Konsum und Grundbedürfnis, das wir alle haben. Arbeitsplätze. Dieses Grundbedürfnis darf nicht als Wertanlage missbraucht werden. Was Was ließe sich gegen die unverhält- kann man tun? Zum Beispiel die Wert- nismäßig steigenden Wohnkosten steigerung von Wohnungen, Immo- unternehmen? bilien und Grundstücken für Private und Firmen zu 100 Prozent besteuern. Um die unmittelbaren Symptome zu Dann kann eine Immobilienfirma nur bekämpfen: Die Mieterhöhungen jetzt Gewinn machen, wenn sie Wohnun- einmal für 1-2 Jahre aussetzen. Nicht gen auch vermietet, aber nicht wenn nur die im Altbau, in Gemeinde- und sie auf eine Wertsteigerung spekuliert Genossenschaftswohnungen, son- und so die Preise hinauftreibt. Das gilt dern auch die in privaten Neubauver- auch für Private. Vielleicht sollte man trägen - sonst galoppiert uns die Teue- so weit gehen, dass ich als Bewohner rung tatsächlich davon, wenn die Bun- einer Stadt nur eine Wohnung oder desregierung nicht direkter eingreift. nur ein selbst bewohntes Haus besit- Man könnte auch überlegen, erneut zen darf. eine Mietpreisbremse einzuziehen für alle aktuellen Mietverhältnisse – wie Das zweite Problem ist ja, dass pri- bei den Altbaumieten. vate Firmen viele teure Eigentums- »Vielleicht sollte wohnungen, die sich immer weni- Um die Ursachen zu bekämpfen, ger Menschen leisten können, bauen. man so weit braucht es zunächst eine realistische Analyse. Gemeinde- und Genossen- Stattdessen bräuchte es leistbare Miet- wohnungen. Dafür brauchen die Ge- gehen, dass ich als schaftswohnungen dämpfen die Mie- ten zwar etwas, aber sie konnten die nossenschaften und Gemeinden billi- ge Grundstücke. Eigentlich sollte man Bewohner einer generelle Explosion der Mieten nicht ein Vorkaufsrecht der Stadt einfüh- Stadt nur eine verhindern. Es braucht also stärkere ren bei jedem Verkaufswunsch eines Eingriffe des Staates. Grundbesitzers in einer Stadt. Mit Wohnung oder nur Welche können das sein? einer Steuer von 100 Prozent auf Wert- steigerungen wären dann für die Stadt ein selbst bewohn- Der Grundsatz müsste sein, das spe- oder für die Republik auch genug Ein- nahmen da, um den Privateigentü- tes Haus besitzen kulative Finanzkapital aus dem Woh- nungsmarkt herauszuhalten. Geeig- mern die Grundstücke abzukaufen. darf.« neter Wohnraum ist ein wichtiges Danke für das Gespräch. Oliver Picek und Georg Niedermühlbichler beim Fair-Wohnen-Interview in der Zentrale der Mietervereinigung. 8 FAIR WOHNEN 2/22
FAIR WOHNEN AKTUELL OGH Endlich: »Wohnschirm« zu verhindern und Personen mit Mietrückständen finanziell zu unterstützen. Seitens des Mi- für Mieter ist da nisteriums geht man davon aus, dass bis Ende 2023 5.500 Haus- halte unterstützt werden. Aufstockung gefordert Ob die Dotierung des »Wohn- schirms« ausreicht, wird sich Schon vor zwei Jahren – kurz nach Beginn der zeigen. Bei Bedarf müsse die- Pandemie – hat die Mietervereinigung einen ser jedenfalls aufgestockt bezie- hungsweise über 2023 hinaus Fonds zur Delogierungsprävention gefordert. verlängert werden, erklärt MVÖ- Nun steht der »Wohnschirm« endlich bereit. Präsident Niedermühlbichler. Auf der einen Seite ist die Pan- A demie noch nicht vorbei, auf der m 16. März 2020 trat in Ös- weiter Druck für den Hilfsfonds, anderen Seite setzt die Rekord- terreich der erste Corona- eine Pressekonferenz im Feb- Teuerung mit explodierenden Lockdown in Kraft. Am 23. ruar 2021 folgte; parallel wur- Energiepreisen und weiter stei- März forderte die Mietervereini- de in Abstimmung mit weiteren genden Mieten (Richtwerterhö- gung (MVÖ) erstmals die Ein- Organisationen wie der Volks- hung) den Mietern zu. richtung eines neuen, bundes- hilfe die Schaffung des Fonds FAIR WOHNEN SEPTEMBER 2020 DAS MAGAZIN DER MIETERVEREINIGUNG ÖSTERREICHS weiten Solidarfonds, der Mieter vorangetrieben. Laut Statistik Austria stellen die mit Zahlungsschwierigkeiten Wohnkosten bereits jetzt für Österreichische Post AG - MZ 02Z033986 M - Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien vor dem Verlust ihrer Wohnun- Arbeit der MVÖ wirkt Mietervereinigung fordert rasches Handeln: Sicher-Wohnen- 825.000 Menschen in Österreich Fonds gegen gen bewahrt. Im Juni erneuerte Reichlich spät, aber immerhin Wohnungskrise eine schwere finanzielle Belas- die MVÖ angesichts alarmieren- doch kündigte schließlich im MVÖ erkämpft Sieg für Mieter vor OGH Voller Einsatz für Mieterrechte »Wien hält zusammen« tung dar. Bei 228.000 Menschen der Zahlen - 500.000 Menschen Juni der damalige Sozialminis- (das sind rund 9 Prozent aller Michael Ludwig im Interview Wohnen mit Hund und Katz Tipps für Tierfreunde Der neue Betriebs- waren arbeitslos, 1,3 Millionen ter Wolfgang Mückstein an, 24 Mieter) kam es in den letzten 3 kostenspiegel Preistreiber im Fokus in Kurzarbeit – die Forderung in Millionen Euro für einen Fonds Fair-Wohnen-Titel Monaten zu Mietrückständen. einer großen Pressekonferenz. bereitzustellen, um Delogierun- vom September 2020. Weitere 732.000 Menschen rech- gen im Zuge der Corona-Kri- nen in den kommenden 3 Mo- Die September-Ausgabe von se zu verhindern. Die hartnä- naten mit Zahlungsschwierig- Fair Wohnen brachte den Si- ckige Arbeit der MVÖ hat sich keiten bei ihren Wohnkosten. cher-Wohnen-Fonds als Titel- nicht nur für betroffene Mieter geschichte, im Oktober ging bezahlt gemacht – auch gesamt- So funktioniert der Schirm die MVÖ in einer gemeinsa- gesellschaftlich ergibt sich eine Der »Wohnschirm« soll Kos- men Pressekonferenz mit SPÖ- positive Bilanz, denn ein Euro ten decken, die zur Sicherung Wohnbausprecherin Ruth Be- aus dem Hilfsfonds vermeidet der Wohnung notwendig sind cher erneut in die mediale Of- Folgekosten von über 12 Euro. – also Mietrückstände, Anwalts- fensive. Die Bundesregierung Wohnschirm und Gerichtskosten, sofern die- reagierte jedoch (noch) nicht, »Wohnschirm« aufgespannt Infos im Internet: se nicht selbst gedeckt werden weshalb MVÖ-Präsident Georg Die Einrichtung des Hilfsfonds können. Die Höhe der Leistung Niedermühlbichler im Dezem- sollte schließlich länger als ist nicht gedeckelt. Wenn die ber einen Appell an die Verant- Mücksteins Amtszeit dauern. Wohnung auf Dauer nicht mehr wortlichen richtete: »Die Regie- Erst am 5. Mai 2022 stellte dessen leistbar ist, kann der Umzug in rung muss nun rasch handeln, Nachfolger Johannes Rauch den eine vorhandene, leistbarere sonst riskiert sie Delogierungen nun »Wohnschirm« genannten https://wohnschirm.at Wohnung unterstützt werden. und Obdachlosigkeit.« Fonds vor. Bis Ende des Jahres Betroffene Mieter können sich 2023 stehen nun also bundes- österreichweit an 28 Anlaufstel- Gemeinsam mit der Arbei- weit 24 Millionen Euro zur Ver- len wenden – Details dazu siehe terkammer machte die MVÖ fügung, um Wohnungslosigkeit https://wohnschirm.at. FAIR WOHNEN 2/22 9
FAIR WOHNEN STEIERMARK FALL Vertragliche Wertsicherungs- vereinbarung: Was darf der Vermieter wirklich? Warum es sich für Mieter lohnen kann, bei einer Erhöhung der Miete einen Blick in den Mietvertrag zu werfen und die Wertsicherungsvereinbarung zu überprüfen, erklären die Experten der Mietervereinigung Steiermark. 10 FAIR WOHNEN 2/22
V or weg ist festzuhal- keiner gültigen Rechtsgrundla- den Vermieter geltend gemacht ten, dass folgender Arti- ge beruht. Dadurch konnte der werden. Vorsicht: Ein Verzicht kel nicht auf die gesetzli- Familie künftig die Bezahlung der Geltendmachung durch che Wertsicherung (Kategorie- eines monatlichen Betrages von den Vermieter stellt keinen Wi- und Richtwertsystem) eingeht, insgesamt Euro 168,09 Euro er- derruf der Vereinbarung dar, wo eine genaue Anpassung der spart werden. weshalb der Vermieter, natür- Miete, wie der Name schon sagt, lich unter Voraussetzung einer durch Gesetz erfolgt. Damit man von einer rechts- gültigen Vereinbarung, jeder- konformen vertraglichen Wert- zeit eine Anpassung der Haupt- Die Mietervereinigung Steier- sicherungsvereinbarung ausge- miete für die Zukunft vorneh- mark prüfte kürzlich den Miet- hen kann, sollten folgende Kri- men kann. Wichtig ist zu beach- vertrag einer Jungfamilie und terien erfüllt sein: ten, dass bei Mietverhältnissen stellte fest, dass keine Wertsi- außerhalb des MRG (betrifft in cherung im Mietvertrag veran- Der Mietvertrag muss, wie be- erster Linie Mietverträge über kert war. Der Vermieter richtete reits erwähnt, über eine aus- Ein- und Zweifamilienhäusern) bloß ein Schreiben an die Mieter, drückliche Regelung der Wert- bzw. bei teilweiser Anwendung indem er erklärte, dass er auf- sicherung verfügen. Bei münd- des MRG (betrifft unter ande- grund der gegenwärtigen allge- lichen Mietverträgen sollte es rem Mietverträge über Neu- meinen Teuerung nunmehr die Mag. Marion Raidl darüber eine schriftliche Verein- bauten ohne Verwendung öf- Hauptmiete anheben wird. Wei- ist Juristin der barung geben. Selbstverständ- fentlicher Förderungsmittel), Mietervereinigung ter führte dieser begründend Steiermark. lich sind auch mündliche Abre- der Vermieter die Erhöhung der dazu aus, dass der Mietvertrag den zwischen den Mietparteien Hauptmiete auch rückwirkend, bereits im Jahr 2014 abgeschlos- zulässig, doch aufgrund einer innerhalb eines Verjährungs- sen wurde und es noch nie zu möglichen erschwerten Beweis- zeitraumes von drei Jahren, gel- einer Erhöhung der Hauptmiete führung im Falle eines Rechts- tend machen und nachverrech- kam, weshalb es jetzt an der Zeit streits, wenig empfehlenswert. nen kann. Bei Mietverhältnissen sei, die Miete dahingehend zu Weiters muss angegeben wer- im Vollanwendungsbereich des erhöhen. Die Mietervereinigung den, in welchem Ausmaß eine MRG (betrifft vorwiegend Miet- Steiermark konnte die Familie Hauptmieterhöhung zu erwar- verhältnisse über Altbauten, die beruhigen, indem sie dieser klar Rat & Hilfe ten ist. Für Mietverhältnisse vor dem 1.7.1953 errichtet wur- machte, dass das Schreiben auf Angebot und Außen- mit einem fix vereinbarten Be- den und aus mehr als zwei Miet- stellen der Mieterver- trag, der neben der Hauptmie- gegenständen bestehen), ist einigung Steiermark: te auch die Betriebskosten und eine solche Rückforderung nicht die Umsatzsteuer umfasst (Pau- erlaubt. schalmietzins), wird der ge- samte Pauschalbetrag wertge- Schließlich ist noch zu bemer- sichert. Bei fast allen Mietver- ken, dass Mieter Rückforde- hältnissen wird als Grundlage rungsansprüche hinsichtlich mietervereinigung.at/738/ Leistungsumfang-Zustaendigkeit der Wertsicherung der Haupt- unberechtigter bzw. unrichtiger miete die Veränderung des Ver- Hauptmieterhöhungen im Rah- braucherpreisindex (VPI) ver- men der Wertsicherung durch einbart. Dieser wird monatlich den Vermieter haben. Diese ver- aufgrund der Entwicklung der jähren gem. § 1486 Z 4 ABGB in- allgemeinen Lebenskosten von nerhalb von drei Jahren. der Statistik Austria berechnet bzw. verlautbart (ist unter www. Fazit: Der geschilderte Fall be- statistik.at im Internet abruf- weist, dass es sich immer lohnt, bar) und ist in der Vereinbarung einen Blick in den Mietvertrag zu nennen. Schließlich muss zu werfen. Bei Unsicherhei- noch das Ausgangsmonat bzw. ten, ob die durch den Vermieter Ausgangsjahr, von dem aus geltend gemachte Wertsiche- die Berechnung vorzunehmen rung zulässig ist oder nicht bzw. ist, festgelegt werden. Zumeist ob diese auch richtig berech- ist dies das Monat und Jahr der net wurde, lassen Sie sich ger- Mietvertragsunterzeichnung. ne bei unseren Beratungsstellen aufklären. Wenn all diese Formerfordernis- se erfüllt sind, liegt eine gültige vertragliche Wertsicherungsver- einbarung vor und kann durch FAIR WOHNEN 2/22 11
FAIR WOHNEN THEMA 12 FAIR WOHNEN 2/22
So mietet Österreich Die große Mitglieder-Umfrage der Mietervereinigung zeigt, wie Österreich wohnt und mietet. Die Ergebnisse machen deutlich, wo die größten wohnpolitischen Bau- stellen liegen und was es braucht, um leistbares Wohnen zu sichern. Ö sterreich gilt international Die Gruppe der Mieter unter- als Land der Mieter. Mit teilt sich in drei größere Sekto- einer Mietquote von 43 ren: 16% leben in Gemeinde- Prozent liegt man im europäi- wohnungen, 40% in Genossen- schen Spitzenfeld – nur in der Durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung in m2 schaftswohnungen und 44% in Schweiz (58%) und in Deutsch- meist privaten Mietwohnungen. land (49%) gibt es anteilig Hauseigentum 142 (siehe Grafik unten). mehr Haushalte, die zur Miete wohnen. Miete nach Segmenten, Wohnungseigentum 84 Anteil in Prozent Was die Wohnsituation betrifft, bestehen zwischen Mietern und Gemeindewohnung 61 61 16 Haus- bzw. Wohnungseigentü- Gemeindewohnung mern signifikante Unterschiede. Hauseigentümer wohnen hier- Genossenschaftswohnung 70 70 44 zulande durchschnittlich auf Private Hauptmiete doppelt so großer Fläche wie die Private Hauptmiete 70 Quelle: Statistik Austria Mieter (siehe Grafik rechts). 0 30 60 90 120 150 40 Umgekehrt stellt sich die Situa- Genossenschaftswohnung tion bei den Wohnkosten (Miete, Anteil der Wohnkosten am Haushalts-Einkommen in Prozent Quelle: Statistik Austria Betriebskosten, Zinsen für Kre- Quelle: Statistik Austria dite, Heizung, Energie, Instand- Hauseigentum 11 haltung) dar. Haushalte in pri- Die Mietervereinigung hat im vaten Mietwohnungen geben im Schnitt 30% ihres Einkom- Wohnungseigentum 16 Herbst 2021 mehr als 1.400 Mit- glieder in einer großen, ano- Foto: istockphoto.com, Grafiken: MVÖ mens fürs Wohnen aus, Genos- nymisierten Online-Umfrage senschafts- und Gemeindemie- Gemeindewohnung 25 von Reichmann Research Con- ter rund ein Viertel, während sulting zu ihren Wohnverhält- Wohnungseigentümer mit 16% nissen befragt. Wie hoch sind und Hauseigentümer mit 11% Genossenschaftswohnung 24 die tatsächlichen Wohnkosten? anteilig die geringsten Aufwen- Empfinden die Mieter die Höhe dungen stemmen müssen (siehe Private Hauptmiete 30 ihrer Miete als gerechtfertigt? Grafik rechts). Die Antworten sprechen für sich. 0 5 10 15 20 25 30 FAIR WOHNEN 2/22 13
FAIR WOHNEN THEMA Wohnkosten Die Ergebnisse der MVÖ-Um- frage zeigen in Bezug auf die Wohnkosten (Miete inkl. Be- triebkosten, Heizung, Strom) deutliche Unterschiede zwi- schen den Sektoren Gemein- Monatliche Wohnkosten nach Wohnverhältnis, in Prozent de-, Genossenschafts- und Pri- vatwohnungen. Zwei von drei Haushalten, die in einer Ge- < 700 € > 900 € meindewohnung mieten, haben Gemeinde- Wohnkosten von bis zu 700 Euro wohnung 64 16 20 im Monat – in Genossenschafts- und Privatwohnungen bleibt < 700 € > 900 € nur einer von drei Haushalten Genossenschafts- unter dieser Grenze. Der Anteil wohnung 32 33 35 jener, die über 900 Euro pro Mo- nat an Wohnkosten stemmen < 700 € > 900 € müssen, liegt bei den Befrag- Private ten bei 16% in Gemeindewoh- Hauptmiete 34 23 43 nungen, steigt bei Genossen- 0 20 40 60 80 100 schaftswohnungen auf 35% und Quelle: MVÖ-Umfrage erreicht in Privatwohnungen gar 43% (siehe Grafik rechts). Befristungen Monatliche Wohnkosten nach Art des Mietvertrags, in Prozent Eklatant unterscheiden sich die Wohnkosten auch zwischen befristeten und unbefristeten Mietverhältnissen. Befristungen sind fast ausschließlich im pri- < 700 € > 900 € vaten Segment anzufinden, wo Befristeter 22 24 54 im Bestand beinahe schon jeder Mietvertrag zweite Vertrag befristet ist (47%). Der Anteil an Befristungen im Bestand steigt von Jahr zu Jahr, denn drei von vier neuen priva- < 700 € > 900 € ten Mietverträgen werden nur Unbefristeter noch befristet abgeschlossen. Mietvertrag 38 25 37 Marginal ist der Befristungsan- 0 20 40 60 80 100 teil in Wohnungen von Gemein- Quelle: MVÖ-Umfrage den (3%) und gemeinnützigen Bauvereinigungen (6%). Befristete Mietverträge sind Finden Sie die Höhe Ihrer Miete gerechtfertigt? Angaben in Prozent deutlich teurer als unbefriste- te. In der MVÖ-Umfrage muss- Befristeter Mietvertrag Unbefristeter Mietvertrag te mehr als die Hälfte der Mie- ter mit einem befristeten Vertrag mehr als 900 Euro an Wohnkos- ten stemmen, während dies bei 23 unbefristeten Verträgen nur 37% Miete angemessen betraf (siehe Grafik rechts). 45 Nur 23% der Befragten mit 55 Miete zu hoch Miete angemessen einem befristeten Vertrag be- Miete zu hoch werten die Höhe ihrer Miete als angemessen, 77% finden sie zu 77 hoch. Bei Mietern mit unbefris- tetem Vertrag liegt das Verhält- Quelle: MVÖ-Umfrage nis bei 45:55 (siehe Grafik rechts). 14 FAIR WOHNEN 2/22
Angemessene Wohnkosten? Bis zu welchem Betrag emp- finden Mieter in Österreich die Höhe ihrer Wohnkosten insge- samt als angemessen? Die MVÖ- Umfrage zeigt, dass Wohnkos- ten von bis zu 700 Euro von der Finden Sie Ihre monatlichen Wohnkosten gerechtfertigt? Angaben in Prozent Mehrheit noch als gerechtfertigt bewertet werden. Ihre Wohn- kosten von bis zu 500 Euro be- Betrag zu hoch angemessen weiß nicht, k.A. werten nur 14% der Befrag- ten als zu hoch, 75% jedoch als < 500 € 14 75 11 angemessen. 501-700 € 38 59 In der Bandbreite von 501-700 Euro steigt der Anteil jener, die 701-900 € 52 33 5 ihre Wohnkosten als nicht an- gemessen empfinden, auf 38%. 901-1.100 € 64 33 Ab 701 Euro steigt dieser Anteil auf 52% und erreicht bei Wohn- > 1.100 € 76 23 kosten jenseits der 1.100-Euro- 0 20 40 60 80 100 Marke bereits 76% (siehe Grafik Quelle: MVÖ-Umfrage rechts). Der MRG-Effekt Bei einer Analyse nach Bau- Wohnkosten gerechtfertigt? Wohnkosten nach Bauperioden, Angaben in Prozent perioden der Miethäuser zeigt sich – schwach, aber doch – der preisdämpfende Effekt des Baujahr zu hoch angemessen weiß nicht, k.A. Mietrechtsgesetzes (MRG). In vor 1945 errichteten Gebäuden vor 1919 40 52 8 (sogenannten »Altbauten«) hält eine knappe Mehrheit der Mie- 1919-1945 48 49 ter ihre Ausgaben fürs Wohnen für angemessen. Danach kehrt 1946-1970 50 46 sich dieses Verhältnis um. Einen Hinweis, dass seit Jahrzehnten 1971-2000 57 41 zu wenige leistbare Mietwoh- nungen auf den Markt kommen, ab 2000 70 30 liefern die Daten ab 2000: Für 0 20 40 60 80 100 70% der Mieter sind die Wohn- Quelle: MVÖ-Umfrage kosten in diesen Häusern »viel zu hoch« bzw. »zu hoch« (siehe Grafik rechts). Belastung durch Wohnkosten nach Wohnverhältnis, in Prozent Belastung durch Wohnkosten Bei der Wohnkosten-Belastung der befragten Haushalte zeigt groß spürbar gering k.A. sich, dass diese für mehr als Gemeinde- zwei Drittel der Mieter im pri- wohnung 20 33 42 vaten und im gemeinnützigen Sektor groß bzw. spürbar ist. In groß spürbar gering Gemeindewohnungen stellen Genossenschafts- die Wohnkosten für jeden Fünf- wohnung 17 56 26 ten eine große, für jeden Dritten eine spürbare Belastung dar; für 42% und damit die größte groß spürbar gering Private Gruppe im Vergleich bleibt die 16 53 29 Grafiken: MVÖ Belastung hier jedoch gering Hauptmiete 0 20 40 60 80 100 bzw. nicht spürbar (siehe Gra- Quelle: MVÖ-Umfrage fik rechts). FAIR WOHNEN 2/22 15
FAIR WOHNEN THEMA Gleichwertige Wohnung verfügbar? Ein deutliches und gleichzeitig alarmierendes Ergebnis lieferte unsere einfache Frage: »Wenn Sie am Ende des Monats ihre Wohnung wechseln müssten, Könnten Sie zum selben Preis eine gleichwertige Wohnung beziehen? Angaben in Prozent könnten Sie Ihrer Ansicht nach zum selben Preis eine gleich- Wohnkosten als angemessen empfunden Wohnkosten als zu hoch empfunden wertige Wohnung beziehen?« Hier antworteten insgesamt 83% 2 Ja der Befragten mit einem klaren 5 k.A. 13 Nein. Gar nur 2% jener Mieter, Ja die ihre Wohnkosten als ange- messen bewerteten, konnten sich vorstellen, eine gleichwer- 14 tige Wohnung zu finden! 93 73 k.A. Nein Nein Selbst jene, die ihre Wohnkos- ten in der aktuellen Wohnung als (viel) zu hoch einschätzten, rechneten im Fall eines Woh- Quelle: MVÖ-Umfrage nungswechsels zu 73% mit einer Verschlechterung (siehe Grafik rechts). Erhalten Sie Betriebskostenabrechnungen? Angaben in Prozent Betriebskostenabrechnungen Mieter haben ein gesetzliches Recht auf Betriebskostenab- ja nein, k.A. rechnungen. Wie die Praxis der Gemeinde- MVÖ zeigt, kann es sich lohnen, wohnung 95 3 die Abrechnung zu kontrollie- ren (siehe Artikel auf Seite 26 in ja nein, k.A. diesem Heft). Dazu muss man Genossenschafts- sie freilich überhaupt erst erhal- wohnung 95 3 ten haben. Sowohl im Gemein- debau als auch im geförderten ja nein, k.A. Wohnbau wird fast allen Mie- Private tern die Abrechnung zugäng- Hauptmiete 74 23 lich gemacht, wie die MVÖ-Be- 0 20 40 60 80 100 fragung ergab. Rund jeder vierte Quelle: MVÖ-Umfrage Privatmieter gab jedoch an, kei- ne Abrechnungen zu erhalten (siehe Grafik rechts). Zufriedenheit mit der Hausverwaltung, in Prozent Hausverwaltung Mietern werden zwar die Kosten für die Hausverwaltung verrech- zufrieden wenig zufrieden nicht zufrieden k.A. net, ein Mitspracherecht bei der Gemeinde- Bestellung dieser haben sie aber wohnung 23 41 33 nicht. Im Anwendungsbereich des MRG können für die Haus- zufrieden wenig zufrieden nicht zufrieden verwaltung 3,80 Euro je Quad- Genossenschafts- ratmeter Nutzfläche und Jahr wohnung 41 38 19 verrechnet werden – das macht bei einer 70-Quadratmeter- zufrieden wenig zufrieden nicht zufrieden k.A. Wohnung immerhin 293 Euro Private im Jahr aus. Nur rund ein Drittel Hauptmiete 35 32 26 der Mieter ist mit der Leistung 0 20 40 60 80 100 ihrer Hausverwaltung zufrieden Quelle: MVÖ-Umfrage (siehe Grafik rechts). 16 FAIR WOHNEN 2/22
Umfrage zeigt Fachleute vor Probleme stellt. MVÖ tritt dafür ein, dass ein Handlungsbedarf auf Die MVÖ tritt daher für kla- Makler vom Auftraggeber (in der Die große MVÖ-Umfrage unter- re und nachvollziehbare Miet- Regel ist das der Vermieter) be- mauert, dass Wohnen vor allem zinsobergrenzen ein. In einem zahlt wird. im privaten Sektor zunehmend Zu- und Abschlagskatalog sol- Das Justizministerium hat vor unleistbar wird. Ein Grund len die Zuschläge auf maximal kurzem einen Gesetzesentwurf dafür ist, dass bereits bei der 25% vom Richtwert gedeckelt vorgelegt, der das Bestellerprin- Mehrzahl aller privaten Miet- werden. zip in Österreich verankern soll. verhältnisse das Mietrechtsge- Doch der Entwurf bietet in sei- setz (MRG) mit seinen ohne- Außerdem treten wir für die Ab- ner Erstfassung Umgehungs- hin schwammigen Preisgren- schaffung des Lagezuschlags möglichkeiten. Die MVÖ hat zen nicht mehr zur Anwendung ein, der nur die Infrastruktur- deshalb in einer Stellungnahme kommt, da der Geltungsbereich leistungen der Gemeinde wi- Änderungen eingefordert (sie- des Gesetzes auf einen längst Mitglied werden derspiegelt, aber keinen per- he Artikel auf Seite 20 in diesem vergangenen Errichtungszeit- Unterstützen Sie unse- sönlichen Leistungseinsatz des Heft). raum der Gebäude (1945!) ab- re Arbeit für leistbares Liegenschaftseigentümers. Wohnen durch eine stellt. Dadurch wird der Anwen- Mitgliedschaft: Kautionskosten senken dungsbereich des Gesetzes im Um die Teuerungsspirale im Be- Allein die Kaution verschlingt Verhältnis zum Wohnungsange- reich der Mieten anzuhalten, derzeit drei bis sechs Brutto- bot immer kleiner. soll die automatische Valorisie- Monatsmieten. Kautionen sol- rung gestoppt werden. len der Höhe nach mit maximal Ein zweiter Grund ist die ra- zwei Bruttomonatsmieten be- sante Zunahme der befristeten mietervereinigung.at/709/ Für alte Möbel, deren wirt- schränkt werden. Mietverträge, die Mietern nicht RegistrierungsModule schaftliche Lebensdauer über- nur wichtige Rechte nehmen, schritten ist, soll keine Möbel- Faire Rechtsdurchsetzung sondern auch die Wohnkos- miete mehr verrechnet werden Der Weg zum Recht darf nicht ten in die Höhe treiben. Bei je- dürfen. durch bürokratische und finan- dem Wohnungswechsel werden zielle Hürden versperrt sein. Die unter anderem Kosten für Um- Einschränkung der Durchsetzung sämtlicher Rech- zug, Kaution, Provision, Ummel- Befristungsmöglichkeiten te und Pflichten aus dem Wohn- dung etc. fällig. Gesichertes und leistbares Woh- recht muss ohne Kostenrisiko nen ist eine Grundvorausset- im Außerstreitverfahren abge- Zentrale Forderungen zung, um am sozialen Leben wickelt werden können. der Mietervereinigung einer Gesellschaft teilhaben zu Konkrete Vorschläge, wie Woh- können. Befristungen bedeu- Leerstandsabgabe nen wieder leistbar werden ten nicht nur Unsicherheit für Durch lang leer stehende Woh- könnte, liegen seitens der Mie- die Mieter, sondern steigern nungen wird der verfügba- tervereinigung seit langem auf außerdem die Gesamtwohnkos- re Wohnraum künstlich ver- dem Tisch. Zentrale Forderun- ten. Die MVÖ fordert eine Min- knappt. Die MVÖ fordert, dass gen sind: destvertragsdauer von 5 Jahren. Leerstände nach sechs Mona- Außerdem soll der Befristungs- ten verpflichtend gemeldet wer- • Ein Mietrecht für alle mit kla- abschlag mindestens 50 Prozent den müssen und eine Abgabe ren Mietzinsobergrenzen, betragen und Mieter sollen je- für Wohnungen und Geschäfts- derzeit kündigen können. räumlichkeiten, die unbegrün- • eine Einschränkung der det länger leer stehen. Befristungsmöglichkeiten, Betriebskosten senken Jahr für Jahr werden den Mie- Strafen bei Mietwucher • sowie eine Senkung der Be- tern Kosten, die eigentlich der Im Normalfall werden Vergehen triebs- und Kautionskosten. Hauseigentümer zu tragen hät- gegen Gesetze auch geahndet. te, weiterverrechnet. Grund- Das Mietrecht soll hier keine Ein Mietrecht für alle steuer, Versicherungsprämien Ausnahme darstellen. Derzeit Der Anwendungsbereich des und Verwaltungshonorar sollen gibt es für Vermieter, die über- MRG soll auf alle Mietverhält- aus dem Betriebskostenkatalog höhte Mieten verlangen, außer nisse ausgedehnt werden. entfernt werden. einer drohenden Rückzahlung keine Konsequenzen. Die MVÖ Klare Mietzinsobergrenzen Maklerprovision für fordert daher für vorsätzlich und Das Fehlen von klaren gesetz- Mieter abschaffen wiederholt überhöhte Mieten lichen Richtlinien für Zu- und Der Abschluss eines Mietvertra- Verwaltungsstrafen. Die einge- Abschläge im Richtwertsystem ges kommt Mieter teuer. Mak- hobenen Beträge sollen für so- hat zu einem Wildwuchs von lerprovisionen erhöhen die tat- zialen Wohnbau zweckgebun- Zuschlägen geführt, der selbst sächlichen Wohnkosten. Die den werden. FAIR WOHNEN 2/22 17
FAIR WOHNEN AKTUELL FALL CO2-Steuer muss die Richtigen treffen Ab Juli startet in Österreich die neue CO2-Steuer. Geht es nach der Bundes- regierung, bleiben die entstehenden Mehrkosten zur Gänze an den Mietern hängen. Während die Mieter ihr Geld buchstäblich verheizen müssen, bleibt ein klimapolitischer Lenkungseffekt aus. Mietervereinigung, SPÖ und Volkshilfe fordern, die Vermieter in die Pflicht zu nehmen. N achdem die Bundesregie- rung seit Monaten sämt- liche Appelle, die von den Teuerungen ohnehin stark Mieter haben es nicht in der Hand Während Haus- und Wohnungs- eigentümer die Möglichkeit ha- die Mieter ihr Heizsystem gar nicht ändern können. Die Ver- mieter, die dies ändern könnten, würden jedoch von Mehrkosten belasteten Mieter zu entlas- ben, CO2-Mehrkosten durch gar nicht berührt. »Die zahlen ten, nachhaltig ignoriert und den Wechsel auf nicht-fossile keinen Cent. Somit löst sich der damit rund 500.000 Haushal- Heizsysteme zu vermeiden, ha- Lenkungseffekt in Luft auf. Das ten in Österreich im Mai eine ben es Mieter nicht selbst in der Konzept muss repariert werden. satte Mieterhöhung von fast Hand. Der Mieter kann die Hei- Es müssen jene zur Kasse gebe- 6 Prozent beschert hat, klopft zung gegen den Willen des Ver- ten werden, die es auch in der das nächste Teuerungspaket, mieters nicht tauschen, bleibt Hand haben.« schönfärberisch als »ökosozia- aber auf den CO2-Mehrkosten le Steuerreform« bezeichnet, sitzen. Allein in Wien sind rund Mieter haben wenig 100 schon an der Tür. Die neue CO2- 500.000 Mietwohnungen mit Einfluss auf Verbrauch Steuer wird Wohnen vor allem Gasheizungen ausgestattet. MVÖ-Präsident Georg Nieder- die rund 1,5 Millionen Haushal- mühlbichler erklärte »zum oft te, die mit Öl oder Gas heizen, Euro Mehrkosten In einer gemeinsamen Presse- gehörten zynischen Rat, man sukzessive verteuern. werden durch die konferenz kritisierten Mieter- solle doch beim Verbrauch spa- CO2-Steuer auf einen vereinigung (MVÖ), SPÖ und ren: Beim Verbrauch zu spa- durchschnittlichen Ab Juli gilt: eine Tonne CO2 kos- Haushalt im Altbau Volkshilfe die CO2-Steuer als ren durch Verhaltensänderung, tet 30 Euro. Dieser Preis wird ab zukommen. »weder sozial noch ökologisch« etwa Sparen beim Heizen, beim 2023 jährlich steigen und 2025 und forderten die Bundesre- Duschen, durch das Abdichten bereits 55 Euro betragen. Je nach gierung auf, das Gesetz noch zugiger Stellen macht nur rund Sanierungsgrad und Energieef- vor Inkrafttreten zu reparieren 10 Prozent aus. Der überwiegen- fizienz des Gebäudes und des und Vermieter in die Pflicht zu de Teil der Heizkosten hängt da- Heizsystems wird das Mietern nehmen. von ab, wie die Heizungsanlage ordentlich Geld kosten. Wer mit ist, wie die Wärme verteilt wird Gas heizt, wird anfangs in einer Vermieter in die und wie der Dämmzustand 60-Quadratmeter-Wohnung in Pflicht nehmen des Gebäudes ist - und das ist einem durchschnittlichen Wie- SPÖ-Klimasprecherin Julia Herr Vermietersache.« ner Altbau rund 100 Euro Mehr- sagte, dass die CO2-Steuer »dem kosten pro Jahr haben. 2025, Klima gar nichts bringen« wür- »Es kann nicht sein, dass auf der wenn der CO2-Preis auf 55 Euro de, weil sie die Falschen tref- einen Seite Mieter über die CO2- gestiegen ist, werden die Mehr- fe. Die Regierung argumentie- Steuer mehr bezahlen müs- kosten bereits rund 180 Euro re mit Lenkungseffekten – diese sen, damit sich auf der anderen ausmachen. würden jedoch ausbleiben, weil Seite Vermieter zurücklehnen 18 FAIR WOHNEN 2/22
SPÖ-Klimasprecherin Julia Herr, Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger und MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler: »Die CO2-Steuer muss die Richtigen treffen!« und Investitionen in klima- Deutsches Stufen-Modell gespart. Das soll Anreize für freundlichere Heizformen und Eine mögliche Lösung zeigt eine energetische Sanierung energetische Sanierungen er- Deutschland gerade vor. Dort von Wohnungen setzen. In wel- sparen können«, kritisierte sollen ab Anfang 2023 die Ver- che Stufe die eigene Mietwoh- Niedermühlbichler. mieter an den CO2-Kosten be- nung fällt, sollen Mieter jährlich »Die CO2-Steuer schafft hier kei- teiligt werden. Je schlechter die mit der Heizkostenabrechnung ne Lenkungswirkung. Es ist un- Energiebilanz eines Gebäudes erfahren. Geprüft wird, ob das gerecht und auch klimapolitisch ist, desto mehr soll künftig der Modell perspektivisch auf Daten völlig verfehlt, wenn der CO2- Vermieter einen Teil der CO2- in den Energieausweisen umge- Preis für den Betrieb dieser Hei- Kosten für ein Wohngebäude stellt werden kann. zungen den Mietern aufgebür- übernehmen. det wird.« »Es braucht eine faire Lösung« Die Abstufung der Kosten erfolgt In einem ersten Schritt muss 90% Soziales und Ökologisches in zehn Stufen. Je schlechter das aber die Bundesregierung den gemeinsam denken Gebäude gedämmt und je älter Grundfehler der CO2-Steuer be- Volkshilfe-Direktor Erich Fen- die Heizung ist, umso höher fällt heben: Der CO2-Preis muss vom ninger betonte, dass die Ein- die CO2-Last für den Vermieter der CO2-Kosten bei Vermieter getragen werden, der führung der CO2-Bepreisung aus und umso größer die Entlas- Wohnungen mit Einbau und Austausch der Hei- die Ärmere, Pensionisten und tung für Mieter. Bei Wohnungen schlechter Energie- zung in der Hand hat. bilanz sollen die Ver- Arbeitslose am stärksten treffe. mit einer besonders schlechten mieter übernehmen, Soziales und Ökologisches müs- Energiebilanz übernehmen die sieht das deutsche In einem zweiten Schritt kann se immer gemeinsam gedacht Vermieter 90 Prozent und die Modell vor. es dann darum gehen, die Kos- werden: »Zehn Prozent der Men- Mieter 10 Prozent der CO2-Kos- ten je nach Energiebilanz des schen belasten die Wohnkosten ten. Nur noch Mieter in sehr gut Gebäudes aufzuteilen. »Die Foto: Elisabeth Mandl extrem stark, für weitere 50 Pro- gedämmten Häusern, die dem Vermieter müssen an den Kos- zent sind sie eine große Heraus- Energiestandard EH55 entspre- ten beteiligt werden. Es braucht forderung. Die CO2-Steuer ist chen, sollen den vollen CO2- eine faire Lösung. So wie es jetzt etwas für die Eigentümer, nicht Preis selbst zahlen – dort wird ist, darf es nicht bleiben«, for- für die Mieter.« aber auch bei der Heizenergie derte Niedermühlbichler. FAIR WOHNEN 2/22 19
FAIR WOHNEN ANALYSE Bestellerprinzip: Verbesserungen nötig Eine Novelle des Maklergesetzes soll dafür sorgen, dass Mieter ab 2023 nur noch dann eine Provision an den Makler bezahlen müssen, wenn sie diesen selbst beauf- tragt haben. Damit steht eine langjährige Forderung der Mietervereinigung (MVÖ) vor der Umsetzung. Doch der vom Justizministerium vorgelegte Gesetzesentwurf hält (noch) nicht, was er verspricht – wie eine Analyse der MVÖ-Experten zeigt. A b 2023 soll in Österreich Wohnungssuche beauftragt hat, Vorbild Deutschland für Mieter das sogenann- keine Provision mehr zahlen. Erklärtes Ziel des Gesetzesent- te »Bestellerprinzip« bei Das Justizministerium legte im wurfs ist es, zur Entlastung der Maklerprovisionen gelten. Da- März einen Gesetzesentwurf Wohnungssuchenden beizutra- 55 mit ist gemeint, dass derjenige, vor und rechnet damit, dass gen. Der einfachste Weg wäre der einen Makler beauftragt die- sich Mieter jährlich rund 55 Mil- also, einen an Mieter gerichteten sen auch bezahlt –in den meis- lionen Euro an Maklerprovision Provisionsanspruch des Mak- ten Fällen ist das der Vermieter. sparen. Millionen Euro lers generell auszuschließen. Bisher konnte der Makler vom pro Jahr sollen In Deutschland, wo das Bestel- Mieter im Regelfall zwei Mo- Entwurf mit Lücken Wohnungssuchende lerprinzip 2015 eingeführt wur- in Österreich durch natsmieten an Provision kassie- Die MVÖ-Experten haben den das Bestellerprinzip de, besteht für Makler ein Provi- ren, auch wenn er vom Vermie- vorliegenden Gesetzesentwurf künftig sparen. sionsverbot gegenüber Mietern. ter beauftragt wurde. gründlich geprüft, einige Lü- Nur bei Vorliegen einer Ausnah- cken gefunden und in einer Stel- me darf doch eine Provision ver- Künftig soll der Mieter, wenn lungnahme Anfang Mai Verbes- einbart werden: wenn der Mie- er den Makler nicht mit der serungen eingemahnt. ter den Makler selbst schriftlich 20 FAIR WOHNEN 2/22
i Bestellerprinzip in Deutschland Das deutsche System wirkt. Einer Studie im Auftrag des Berliner Justizministeriums zufolge ist empirisch keine Überwälzung der Makler- kosten auf die Miete zu er- kennen. Auch die Anzahl an öffentlich zugänglichen Inseraten für Mietwohnun- gen blieb konstant. Weitere Effekte: Vermieter setzten vermehrt auf Selbstvermark- tung (der Anteil stieg von 29% auf 52%). Die anfangs auch in Deutschland geäu- ßerte Befürchtung, die Bera- tungsqualität bei der Anmie- tung einer Wohnung nehme für Mieter tendenziell ab, hat beauftragt hat und der Mak- Auftrag des Mieters tätig wird. sich nicht bestätigt. »Die Zu- ler aufgrund dieses Auftrags tä- Die Beweislast sollte den Mak- friedenheit der Mieter mit tig wird und eine Wohnung be- ler treffen. der Beratungsqualität ist bei schafft, über die schließlich der Vermietung durch den auch ein Mietvertrag zustande Raum für Umgehungen Vermieter oder Vormieter kommt. Die Beweispflicht für Der österreichische Entwurf sogar höher als durch den diesen Ablauf trifft den Makler. lässt leider auch breiten Raum Makler«, hält die Studie fest. für Umgehungsversuche. So Kein Provisionsverbot Studie: Aus- sieht der Entwurf vor, dass der Der Gesetzesentwurf des öster- wirkungen des Makler dann eine Provision vom reichischen Justizministeriums Bestellerprinzips in Mieter verlangen kann, wenn er heißt. Das wird in der Praxis Deutschland zieht kein Provisionsverbot eine zu vermietende Wohnung vom Mieter kaum zu beweisen mit vom Makler zu beweisen- ohne Einverständnis des Ver- sein. der Ausnahme ein – stattdessen mieters inseriert. Es ist gängi- wird formuliert, dass der Makler ge Praxis, dass Makler und Ver- MVÖ fordert Verbesserungen mit dem Mieter eine Provision mieter – wenn nicht ohnehin Die MVÖ fordert, dass bei einer vereinbaren kann, wenn ihn eine unmittelbare oder mittel- Provisionsforderung des Mak- dieser als »erster Auftraggeber« https://www.bmj.de/DE/ bare Beteiligung am Unterneh- lers diesen auch die Beweis- Ministerium/ForschungUnd mit der Vermittlung des Miet- Wissenschaft/Evaluation_ men des anderen besteht – oft pflicht für das Vorliegen einer Mietrechtsnovellierungsge- vertrages beauftragt hat. Die Be- setz/MietNovG_Eval_node. über eine langjährige Zusam- Ausnahme des Provisionsver- weislast, dass der Makler schon html?fbclid=IwAR1n6B- menarbeit in einem Nahever- botes trifft. Außerdem sollten dKSgOI2aBWEz5l53hO- vom Vermieter beauftragt wurde, DeJvZGOBl3PKHof- hältnis zueinander stehen. Es ist sämtliche Streitigkeiten zwi- WuF7GVwYufoghlBch2I8 trifft denjenigen, der sich darauf also durchaus denkbar, dass der schen Mietern und Maklern be- beruft. In der Praxis wird dies Vermieter dem Makler diver- treffend der Provision im wohn- der Mieter sein, dem die Erbrin- se Objekte zur Kenntnis bringt, rechtlichen Außerstreitverfah- gung des Beweises jedoch kaum ohne das ausdrückliche Einver- ren geregelt werden können, möglich ist. ständnis zum Inserieren oder damit ein einfacher Zugang zum anderweitigen Bewerben zu er- Recht ohne Prozesskostenrisiko Die MVÖ fordert, dass sich die teilen. Dann wäre der Mieter geschaffen wird. Regelung am funktionierenden provisionspflichtig. Die Provi- Foto: Kerkez/istockphoto.com (siehe Info-Kasten rechts) deut- sionspflicht für den Mieter ent- Wird der vorliegende Geset- schen Bestellerprinzip anlehnt: fällt nur dann, wenn er bewei- zesentwurf nicht überarbeitet, ein klares Provisionsverbot für sen kann, dass Vermieter und dann ist fraglich, ob es über- Makler gegenüber dem Mie- Makler »zumindest ansatzwei- haupt zur gewünschten Entlas- ter – mit der Ausnahme, dass se« zusammenwirken, wie es in tung von Wohnungssuchenden der Makler im schriftlichen den Erläuterungen zum Entwurf kommen wird. FAIR WOHNEN 2/22 21
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