Akzente. 01/2021 Corona-Pandemie Wirtschaft Kunst & Kultur - Wir können es viel besser
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Akzente. 01 /2021 Schwerpunkte Andreas Mailath-Pokorny Wir können es viel besser Corona-Pandemie ÖH-Wahl Wirtschaft Sara Velic - VSStÖ Kandidatin Kunst & Kultur Wien 100 Tage rot-pinke Koalition
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3 Editorial Wir können es viel besser Die Gesundheitskrise, die zu einer politischen Krise wurde. von BSA-Präsident Dr. Andreas Mailath-Pokorny Vor fast genau einem Jahr wurden wir in einen ersten Lockdown de Kultur, die weit über die Frage hinausgeht, ob einzelne Häuser geschickt. Die Prognose war eine verheerende. Die Testkapazitäten auf- oder zusperren. Dabei geht es eben nicht um Liebhaberei, son- waren gering, es musste mit mindestens eineinhalb bis zwei Jah- dern um die Grundlagen unserer Gesellschaft, also das, was von ren Wartezeit auf einen Impfstoff gerechnet werden. Dem hat eine uns übrigbleibt. erstaunliche wissenschaftliche und öffentliche Anstrengung entge- gengewirkt. Eine auf öffentliche Förderung basierende Grundlagen- Schritt zu halten mit der schieren Anzahl von Skandalen und Kor- forschung hat es ermöglicht, dass bereits die ersten Bevölkerungs- ruptionsvorwürfen, mit denen es die immer weniger geneigte Öf- gruppen geimpft werden, aber auch, dass sich Jeder zu jeder Zeit fentlichkeit zu tun hat, ist zu einer großen Herausforderung für alle testen lassen kann, und das kostenlos. geworden. Laptops, die spazieren gehen, ein Innenminister, des- sen Apparat an der Verhinderung eines Terroranschlags geschei- Ein Happy End, zumindest für Österreich, wäre angerichtet. In Ös- tert ist und die Untätigkeit einzelner Regierungsmitglieder, führen terreich wurden nicht nur neue Testmethoden erforscht, sondern zu keinen bis geringen Konsequenzen – und wenn, zumeist zu Las- auch eine der notwendigen Technologien, die für die neu entwickel- ten der Beamtenschaft. Während das mediale Echo in den letzten ten RNA-Impfstoffe von Biontech und Pfizer benötigt werden. Die Monaten ein schwaches war, nimmt der mediale Gegenwind aktuell Realität aber ist eine andere. Eine auf PR-Maßnahmen spezialisierte Fahrt auf. Kommunikationsinteressierte wissen, zuerst dreht sich Bundesregierung, ohne jegliche Erfahrung und Fachexpertise, ver- die Meinung der Medien, danach die Meinung der Bevölkerung. Ei- steht sich in den vergangen Mnaten darauf, diese Vorteile nicht nes jedenfalls zeigt diese Berichterstattung ganz klar: Der Lack der nur zu verspielen, sondern Österreich immer tiefer in die Krise zu türkis-grünen Regierung ist ab und auch ihre Perspektive ist nicht ziehen. außerordentlich erbaulich. Eine Entwicklung, die sich langsam aber kontinuierlich in sinkenden Umfragewerten niederschlägt. Diese Bundesregierung ist fachlich und in ihrem Erfahrungshorizont schlicht überfordert. Es zeigt sich, dass gut einstudierte PR-Strate- Die Bevölkerung hat ihr Vertrauen in die Bundesregierung und de- gien zur Bewältigung einer Krise nicht ausreichen. Durch ihr Miss- ren Managementfähigkeiten verloren. Ökonomische und sozia- management hat sich die Gesundheitskrise zu einer politischen Kri- le Folgen dieser Gesundheitskrise müssen politisch gestaltet, Mas- se ausgewachsen. Doch wir könnten es so viel besser. Unser aller senarbeitslosigkeit und eine Wirtschaftsdepression verhindert wer- Fokus müsste darauf liegen, alles zu tun, was notwendig ist, da- den. Und gerade deshalb gestalten wir das BSA-Jahr 2021 unter mit sich diese politische Krise nicht zu einer allumfassenden ökono- dem Vorsatz, den intellektuellen Diskurs mischen und sozialen Krise auswächst. Eine Bundesregierung die wiederzubeleben. Nehmen wir diesbezüglich zu lange ausschließlich auf die (eigene) Vermarktung uns vor, gemeinsam an Themen- und auf die falschen Projekte und Nebelschlösser gesetzt hat, hat stellungen und Lösungsansät- ihre Glaubwürdigkeit endgültig verspielt. zen zu arbeiten, um sie all jenen anzubieten, die bis dato von der Die Angriffe von Sebastian Kurz auf die europäische Union sind ei- scheiternden Bundesregierung nes Regierungschefs nicht würdig. Zugegeben, die Rolle der Euro- nicht gehört wurden. päischen Union bei der Impfstoffbeschaffung war keine glorreiche. Die aktuelle Anti-EU Kampagne des Bundeskanzlers ist aber so be- Es geht um Themenführerschaft rechenbar wie gefährlich. Während sich Wien mit einer irrationalen zur Lösung einer fundamentalen DOLESCHAL und immer gefährlicher werdenden Protestwelle aus allen Bevölke- Krise, an der die gegenwärtige Bun- rungsschichten, aber auch von nationalistischen und rechten Grup- desregierung scheitert. pierungen, konfrontiert sieht, gefährdet der Bundeskanzler durch eben solche Renationalisierungsversuche den Zusammenhalt in Europa. Diesem dient jedenfalls auch der als „Kunstverliebtheit“ diskredi- tierte und weithin vernachlässigte Bereich der Kultur. Unsere zivi- lisatorischen Werte, wie Aufklärung, Humanismus und Diversität können, müssen und werden auch weiterhin über die Kunst defi- niert. Was nicht verloren gehen darf, ist die eigentliche grundlegen-
Akzente. 01 /2021 4 Inhalt VSStÖ PID/ David Bohmann Sozial. Mutig. Nachhaltig. Es ist Zeit für ein Menschlich. Modern. – 100 Tage bisschen mehr Fortschrittskoalition für Wien Zukunft in unserem Hochschulsystem Wir ziehen Bilanz über 100 Tage rot-pinke Koalition in Wien. Besonders über- schattet ist die Regierungszeit von der Corona-Pandemie. Wien als Millionen- metropole steht, im Vergleich zu anderen österreichischen Städten, vor beson- Die Spitzenkandidatin des VSStÖ für die ders schwierigen Herausforderungen. Was konnte die Stadtregierung unter der diesjährige ÖH-Wahl schreibt über die Zu- Führung von Bürgermeister Dr. Michael Ludwig voran bringen und was ist be- kunft des Studierens und den Zeitgeist an reits in Planung? den Universitäten. Über zukunftsfitte Unis und die aktuelle Bundesregierung. 12 Gregor Hofbauer 8 PID/ David Bohmann Manfred Matzka schreibt in sei- nem neuen Buch über Hofräte, Fragen & Antworten zu Einflüsterer, Spin-Doktoren COVID-19 mit Dr. Wenisch Manfred Matzka, Kenner des politischen Betriebs in Hofburg und In unserer Online-Fragestunde mit dem Motto „Frag Kanzleramt, holt die grauen Eminenzen vor den Vorhang. Von den eineN ExpertIn“ hat Dr. Wenisch Eure Fragen zu Coro- Beratern Maria Theresias bis zum Expertenkabinett von Kanzlerin na und der Impfung beantwortet. Einige interessante Bierlein erhellt Matzka in ebenso tiefgehenden wie kurzweiligen Fragen haben wir für euch ausgesucht und auf Seite Porträts ihre Strategien und analysiert den Einfluss moderner Bera- 10 festgehalten. ter: der anonymen Spin-Doktoren und Consulter. 10 14
5 6 Wer zahlt die Krise? 12 Sozial. Mutig. Nachhaltig. Menschlich. Wer gestaltet den Aufschwung? Modern. – 100 Tage Fortschrittskoalition von Johann Moser | BSA WirtschafterInnen für Wien 7 Für politisches Kleingeld bekommt 14 Über Hofräte, Einflüsterer, man keine Impfstoffe Spin-Doktoren von Günther Sidl | EU-Abgeordneter | BSA NÖ von Manfred Matzka 8 Es ist Zeit für ein bisschen mehr 16 „Doch die Menschen liebe ich Zukunft in unserem Hochschulsystem über alles“, Rosa Jochmann. von Sara Velic | VSStÖ Spitzenkandidatin Eine Biographie in Briefen von Rudolf Müller 9 Gefährliches Spiel mit dem Rechtsstaat 18 SPÖ fordert ein Arbeitsmarktpaket von Florian Horn | BSA JuristInnen für Frauen 10 Fragen & Antworten mit Dr. Wenisch 19 Die Kunst und die Kraft der Demokratie von Ludwig Kramer | BSA-ÄrztInnen von Matthias Vavra | BSA Döbling 11 50 Jahre Alpen-Adria-Universität 20 Was war von Rudolf O. Zucha | BSA PPP 21 Was kommt | BSA Termine w en mehr zum leben. www.wienholding.at KULTUR IMMOBILIEN LOGISTIK MEDIEN 210x93_anzeige_akzente_0221_rz.indd 1 24.02.21 15:01
Akzente. 01 /2021 6 BSA VGW | Schwerpunkt Wirtschaft Wer zahlt die Krise? Wer gestaltet den Aufschwung? von Johann Moser Unbestritten befinden wir uns derzeit gende Beschäftigung, aber auch steigende vielen Bereichen möglich ist, daher sollten im stärksten ökonomischen Einbruch Spekulationen. Nachdem das einmal funk- Szenarien erarbeitet werden welche Aus- gemessen am Bruttoinlandsprodukt tionierte wiederholte sich diese Lösung bei wirkungen das auf künftigen Bürobedarf der Nachkriegszeit. allen Wirtschaftskrisen bis letztendlich alles und Nachfrage nach Mobilität hat. 2008 zerplatzte. Der Ausweg aus der Krise Somit sollte der Fokus bei Investitionen in Der „Ölpreisschock“ führte 1974 zu einem 2008 wurde durch die Abwrackprämie ge- Innovationen, dem Ausbau der Strom- und wirtschaftlichen Einbruch von -0,4% und funden. Der Effekt dieser Lösung war, dass Telekommunikationsnetze sowie der kli- zog dauerhafte strukturelle Veränderun- wir derzeit einen völlig aufgeblähten Auto- maneutralen Energieproduktion liegen, gen am Arbeitsmarkt nach sich. 2009 war sektor haben. dazu aber auch bei einer Renationalisierung ein Einbruch von -3,8% zu beobachten Insgesamt lag der wirtschaftspolitische Fo- lebenswichtiger Produktionen (Gesundheit, (Weltbank, Datenset). Im Rahmen der CO- kus auf einer geldpolitischen Perspektive Pharmazie, Hygiene). Gleichermaßen er- VID-19 Krise ist das BIP im 2. Quartal 2020 und hat bewirkt, dass bestehende Vertei- fährt der Arbeitsmarkt einen strukturellen real um zirka 14% gesunken, im 3. Quartal lungsprobleme innerhalb Österreichs, aber Wandel. um 4% (ÖNB, Datenset). auch die Verwerfungen innerhalb der Euro- Ebenso lang wie die Historie von Krisen im päischen Union gestiegen sind. Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit: Kapitalismus ist die Geschichte der fehlge- Auf den richtigen Blickwinkel bei der leiteten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, Jetzt ist ein nachhaltiger Wachs- Umsetzung zukunftsfähigen wirtschaf- die, um eine Krise zu überwinden, neue tumskurs aus der Krise gefragt, der tens kommt es an. Blasen und Instabilitäten schaffen. nicht die Fehler der letzten Krisen Mit dem Ende des Kalten Krieges reduzier- wiederholt. Neben diesem Fokus auf das Setzen der ten sich auch die Rüstungsausgaben, die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, bedarf zu steigender Arbeitslosigkeit, vor allem in Bisher wird dieser Forderung nicht entspro- es in der derzeitigen Krise jedoch mehr, es den USA führten. Der Ausweg wurde in ei- chen. Die gesetzten Maßnahmen der Bun- bedarf des Blicks auf die Zivilgesellschaft. ner „Häuserbauoffensive“ gefunden, der desregierung zielen auf das kurzfristige Ab- Die in der kapitalistischen Wirtschaftsweise durch einen vollständig liberalisierten Ban- federn des konjunkturellen Einbruchs ab. unserer Industriestaaten an oberster Stel- kenmarkt finanziert wurde. Der Effekt, stei- Das führt zur Förderung von spekulativem le stehende Freiheit des Wirtschaftens, die Kapital (z.B. Profiteure der Aktienkursent- den unternehmerischen und schöpferischen wicklungen der letzten Quartale), während Geist beflügeln soll, stößt in der derzeitigen die Gruppen und Akteure, die den realen Krise an ihre physischen Grenzen. In vielen Aufschwung gestalten nicht langfristig ge- Bereichen ist es nicht möglich, dem Wirt- fördert werden. schaftsleben nachzugehen. Dies schafft Un- Es müssen daher unmittelbare Maßnahmen sicherheit und unterstützt auch weitere zi- zur nachhaltigen Unterstützung von Haus- vilgesellschaftliche Verwerfungen. halten und KMUs erfolgen, denn die aktu- elle Krise führt auf Grund der unzähligen Lockdowns zu Gehaltseinbußen und damit zu einem geringeren Konsum. Das wird je- doch nicht nur kurz- sondern auch mittel- Vor diesem Hintergrund veranstal- und langfristig anhalten. Somit wird auch tet der VGW eine Diskussionsreihe zu die Nachfrage nach „Luxusgütern“ wie dem “Wer zahlt die Krise – wer gestaltet eigenen Auto sinken. den Aufschwung?“ Wir laden Euch ein, Daher sind Lösungen gefragt, die nicht die mit uns konkrete wirtschaftspolitische, Fehler der Vergangenheit wiederholen. Die- solidarische Vorschläge und Forderungen se sind z.B. die Steigerung von Nachfra- für die Gestaltung des ökonomischen Auf- ge in Sektoren, die ohnedies nur in einem schwungs zu entwerfen. geringen Ausmaß von der Krise betroffen Termine: www.bsa.at sind. Zudem sind mögliche Veränderungen BSA Mag. Johann Moser der Gesellschaft, des Verhaltens bzw. der Vorsitzender BSA WirtschafterInnen, Wirtschaft insgesamt vorwegzunehmen. Abgeordneter zum Nationalrat a.D. Die aktuelle Krise zeigt, das Homeoffice in
7 Schwerpunkt EU Für politisches Kleingeld bekommt man keine Impfstoffe von Günther Sidl Wer nichts kauft bekommt auch nichts wie wichtig die Vorsorge ist – nicht nur in Gesundheitsausschuss, steht dabei auch - das gilt nicht nur bei Impfstoffen. der Medizin, sondern eben auch in der fest, dass der Sonderausschuss auch auf Gesundheitspolitik. Themen eingehen muss, die über Gesund- Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich auf ei- heitsfragen hinausgehen. Wir müssen fest- nen Verteilungsschlüssel entsprechend der EU muss aktive Rolle zur Krisenbewäl- legen, in welchen Bereichen ein gemeinsa- Bevölkerungszahl geeinigt - allerdings wur- tigung beibehalten mes Vorgehen der gesamten EU sinnvol- den nicht von allen Staaten auch alle an- ler ist – das ist aus heutiger Sicht natürlich gebotenen Impfdosen angekauft. So wur- Trotz der anhaltenden Debatte in Öster- der Einkauf und die Verteilung von Arznei- de zuletzt auch bekannt, dass Österreich reich, ist die aktive Rolle lobenswert, die die mitteln, Medizinprodukten sowie Schutz- von den angebotenen 3,9 Millionen Impf- EU Kommission inzwischen bei der Eindäm- ausrüstungen, aber auch die Frage nach dosen von Johnson&Johnson nur 2,5 Milli- mung der Pandemie, etwa durch die ge- Grenzschließungen und Verkehrsbeschrän- onen bestellt hatte. Natürlich war die Impf- meinsame Beschaffung der Impfstoffe ein- kungen. Solche Maßnahmen könnten in Zu- stoffbeschaffung auch mit Risiken behaftet, genommen hat: Ohne die Marktmacht aller kunft auch durch ein europäisches Krisen- weil die Wirksamkeit der unterschiedlichen EU-Staaten wäre es für kleine Länder wie management gesetzt werden. Vakzine im Vorfeld nicht bekannt war. Aber Österreich viel schwerer sich auf dem Welt- zuerst weniger Impfdosen zu bestellen und markt Impfstoffe zu beschaffen. Da hat die sich dann über die Verteilung zu beschwe- EU gezeigt, welche wichtige Funktion sie in ren geht nicht. Das ist nichts anderes als einer solchen Krise einnehmen kann. Auch der Versuch die Impfstoffdebatte für politi- die sichtbaren Anstrengungen für die ra- sches Kleingeld zu nutzen - aber dafür be- sche Zulassung neuer Impfstoffe wie zu- kommt man eben keine Impfstoffe. letzt den von Johnson&Johnson sind be- grüßenswert. Die EU-Kommission war zu Kurz erweist sich immer mehr als Pro- Beginn der Krise in vielen Fragen zu zöger- blemfaktor für die europäische Idee. lich. Die aktuellen Entwicklungen gehen in die richtige Richtung, aber von einem ech- Die nationalen Alleingänge gehen in die völ- ten Krisenmanagement sind wir noch weit lig falsche Richtung – was wir jetzt brau- entfernt. chen ist ein gemeinsames Vorgehen aller Mitgliedsstaaten um die wirtschaftlichen Sonderausschuss zur Corona-Krise und sozialen Folgen der Corona-Pande- mie aufzufangen. Gefordert ist die strategi- Wir dürfen keine Zeit verlieren. Sobald die sche Ausrichtung der EU auf die kommen- Gesundheitsgefährdung der Menschen ge- den Herausforderungen und die kollektive bannt ist, muss die parlamentarische Ar- Rückkehr zum Vorsorgedenken. Die ver- beit in die nächste Phase gehen. Mit einem gangenen Monate haben gezeigt, dass jene Sonderausschuss des EU-Parlaments kön- Länder, die ihre Gesundheitssysteme nicht nen wir alle Aspekte der aktuellen Krise be- Büro Sidl privatisiert oder kaputtgespart haben, we- leuchten und gemeinsam für einen besse- sentlich besser durch die Krise gekom- ren Schutz der Gesundheit aller Menschen Dr. Günther Sidl, MEP men sind. Das verdeutlicht einmal mehr, in Europa sorgen. Für mich, als Mitglied im Abgeordneter zum EU-Parlament
Akzente. 01 /2021 8 Schwerpunkt ÖH-Wahlen Es ist Zeit für ein bisschen mehr Zukunft in unserem Hochschulsystem von Sara Velic Zweifellos verändert sich die Studie- tausend Euro an Studiengebühren bezahlt. Zeit für Zukunft heißt auch Zeit für Ent- rendenrealität entlang des gesell- Wofür? Dafür, dass wir uns die technische tabuisierung, wie zum Beispiel bei un- schaftlichen Wandels permanent – Ausstattung an Laptops und Co. selber kau- serer psychischen Gesundheit. Als Stu- doch wenn man sich in die selben Hörsä- fen müssen? Studiengebühren halten nicht dent_in steht man ständig unter Druck le reinsetzt, mit derselben technischen nur Kinder aus Familien ohne Akademiker_ – Zeitdruck, finanzieller Druck, Leistungs- Ausstattung wie vor der Jahrtausendwen- innen von den Unis fern, sondern bewirken druck belasten uns Tag für Tag. Es ist höchs- de, und mit Lehrplänen, die manchmal äl- auch keinerlei Verbesserungen in der Qua- te Zeit für einen gratis Zugang zur Psycho- ter wirken als man selbst, kommt es einem lität der Lehre. Wenn wir wirklich die chro- therapie für alle Studierenden in Österreich. so vor, als wär der Zeitgeist in den österrei- nische Unterfinanzierung der Hochschulen Denn man kann uns nicht die ganze Zeit chischen Hochschulen seit Langem stehen stoppen wollen, dann muss die Bundesre- zu noch mehr Leistung zwingen und dann geblieben. Selbst die plötzliche „Zwangsdi- gierung lernen, dies auch im Staatshaushalt wegschauen, wenn wir nicht mehr weiter gitalisierung“ des Studierens durch die Co- als Priorität zu setzen. können. Weil die Wurzeln dieser Probleme ronapandemie hat in vielen Fällen nicht viel Großteils im Hochschulsystem selbst liegen, mehr gebracht, als dass dieselben Proble- Damit der Zeitgeist in den Unis nicht müssen wir genau deshalb auf jeden Fall die me, mit denen wir Studierende in Hörsä- mehr stehen bleibt, müssen wir es wa- Sicherheit haben, Solidarität und Hilfe zu len konfrontiert wurden, nun zu uns nach gen, an den Studienbedingungen zu bekommen, sollten wir an unsere Grenzen Hause getragen wurden: Unfaire Prüfungs- rütteln. Studieren ist zum nächsten logi- stoßen. bedingungen, zu eng geschnürte Stunden- schen Schritt nach der Schule geworden, pläne, veraltete Frontalmethoden und allem um als „erfolgreich“ in der Gesellschaft ge- Zeit für Zukunft heißt Zeit für VSStÖ! voran die vielen sozialen Barrieren, die sich sehen zu werden. Dabei werden die inhalt- Schaut man sich die Bundesregierung an, durch Corona vermehrt haben. Eine Studie lichen Ziele eines Studiums total verfehlt. bekommt man eher nicht das Gefühl, dass der Statistik Austria hat ergeben, dass le- Wir Studierende brauchen einen gewissen sie die österreichischen Hochschulen zu- diglich 22% der Kinder aus Arbeiter_innen- Freiraum, um selbst zu entscheiden, wie wir kunftsreif gestalten werden. Gerade des- Haushalten ein Bachelorstudium beginnen. was studieren wollen und um unser Studi- halb braucht es eine starke Interessensver- Den Master beginnen wiederum nur 7% um mit unserem Job oder sonstigen Verant- tretung von uns Studierenden, die der Po- und bis zum Beginn des Doktorats (PhD) wortungen vereinbaren zu können. Deshalb litik zeigt, wo die Probleme liegen und mit schaffen es nicht einmal 1% der Arbeiter_ ist es Zeit für ein Teilzeitstudium. Wir sollten welchen Lösungen wir unsere Unis in die innenkinder. Es liegt also eindeutig eine so- Semester für Semester entscheiden kön- Zukunft bringen wollen. Die österreichische ziale Schieflage vor. Man müsste meinen, nen, wie viel wir eigentlich studieren wollen. Hochschüler_innenschaft soll genau jenes die Politik sei schon längst alarmiert über Also ob wir Vollzeit (30 ECTS) oder Teilzeit Sprachrohr sein, das wir als Verband sozi- diese Missstände, aber hört wer einen Auf- (16 ECTS) studieren wollen, oder ob wir un- alistischer Student_innen (VSStÖ) mit den schrei? Von der türkis-grünen Bundesre- ser Studium für das kommende Semester genannten Forderungen und Projekten (und gierung nehmen wir nämlich entweder nur lieber pausieren, um eventuell Vollzeit zu vielen mehr!) bilden wollen. Von 18.-20. Mai leere Funkstille wahr oder wir werden mit arbeiten etc – ohne, dass uns die Mindest- 2021 finden die ÖH-Wahlen statt, bei denen weiteren Verschärfungen bedroht, wie der studienzeit auf den Kopf fällt. entschieden wird, in wessen Händen die Einführung von Mindeststudienleistungen. Zukunft von uns Studierenden liegt. Soll- Wenn wir über zukunftsfitte Unis re- test du an den Wahltagen verhindert sein, Wir wollen aber nicht länger warten bis den wollen, landen wir beim Thema kannst du auch einen Stimmzettel per Brief- von der Regierung doch endlich ein- Digitalisierung. Digitalisierung soll mehr wahl anfordern. Für mehr Informationen mal Unterstützung kommt. Es ist Zeit, heißen als Fernlehre mit eintönigen on- schau unter www.vsstoe.at vorbei. laut zu werden. Es ist Zeit für Zukunft! Es line Streams. Viel mehr geht es darum, das sollen nämlich alle studieren können - egal, Beste aus beiden Welten (Präsenz und digi- Nutze deine Stimme für unsere woher sie kommen oder ob ihre Eltern stu- tal) zu vereinen. Doch damit überhaupt alle Zukunft, diert oder eine Lehre abgeschlossen haben. den Zugang zum digitalen Studium bekom- Bildung ist ein Menschenrecht und so auch men, braucht es auch hier wieder finanzi- Sara Velic die Hochschulbildung. Wir müssen uns also elle Sicherheit in Form eines 300€ Digitali- VSStÖ-Spitzenkandidatin von den Studiengebühren verabschieden. sierungsbonus, den alle Student_innen ein- Studierende, die seit Beginn der Pandemie mal jährlich bekommen, um zumindest die Studiengebühren bezahlen, haben inklusive Kosten für WLAN und kleineren Zubehör dem Sommersemester 2021 bereits über abzudecken.
9 BSA JuristInnen | Schwerpunkt Corona Gefährliches Spiel mit dem Rechtsstaat von Florian Horn In der letzten Ausgabe dieses Magazins Dabei besteht ein Muster. Die Aufhebung halten wird. Und schließlich soll das Vorge- habe ich bereits die Meinung vertreten, erfolgt regelmäßig erst nach dem Außer- hen durch ein Nachziehen der Gesetze le- dass von der derzeitigen Regierung der krafttreten der konkreten Maßnahme, weil galisiert werden, mit dem Argument des Rechtsstaat im Allgemeinen und die Ge- es so häufige Änderungen der Normen Faktischen, dass es ohnedies schon immer richtsbarkeit im Besonderen nur mehr als gibt. Die Nachfolge-Maßnahme enthält oft so war. „Ausrede“ verwendet wird. Die Ereignis- die gleichen Bestimmungen nur in höherer se der letzten Wochen haben mich in dieser Komplexität, quasi als „Mutante“ der alten Dies ist höchst demokratiepolitisch höchst Befürchtung bestärkt. Bestimmung. Und die politischen Entschei- gefährlich. Es zeigt sich, dass wir eine Imp- dungsträger immunisieren sich vor ech- fung unseres Rechtsstaates gegen diese Den klassischen Anforderungen an die Ge- ter Kontrolle, indem sie im Verfahren nicht Gefahren brauchen. Was bedeutet das: 1. setzgebung werden kaum mehr beach- einmal Akten vorgelegt werden, wodurch Ermöglichung der Ministeranklage gegen tet. Überlegungen, dass entworfene Nor- die inhaltliche Prüfung unmöglich wird. Ein gesetzwidrig handelnde Bundesminister men ungesetzlich, verfassungswidrig oder Großteil der Entscheidung des VfGH trägt als Minderheitenrecht, 2. Schnellverfahren gar nur unzweckmäßig sind, werden häufig zur Klärung daher wenig bei, sondern findet beim VfGH bei unmittelbaren und weit ver- mit dem Argument weggewischt, dass es „nur“ einen eklatanten Verstoß gegen das breiteten Grundrechtseingriffen, 3. mehr die „Sache“ erfordert. Diese „Sache“ kann Legalitätsprinzip im Allgemeinen. Wir befin- Transparenz und 4. eine wirksame Haftung die Covid 19-Krise sein, oder ein Terroran- den uns damit in einem Reproduktionszyk- für ideelle Schäden auch bei legislativem schlag in Wien, oder die „Notwendigkeit“ lus von Verfassungswidrigkeit. Unrecht. dem Rechtsstaat selbst durch die Abschie- Die tiefere Gefahr ist hier, dass dieses Trei- bung von Schulkindern zum Durchbruch zu Seit März dieses Jahres geht die Infekti- ben sonst normalisiert und auf Dauer blei- verhelfen. Dies wird zur Beruhigung gerne on des Rechtsstaats nun noch tiefer. Nach- ben wird. mit dem Hinweis verbunden, dass ja das dem eine hinreichende Abstumpfung durch ganze Tun und Handeln ohnedies der Kon- unzählige Durchläufe immer neuer ge- trolle der Gerichte unterliegt. setzwidriger Verordnungen erreicht wur- de, schickte sich das Gesundheitsministeri- Tatsächlich sind die Gerichte auch Teil des um an, die gesetzlichen Grundlagen nach- Rechtsstaats, aber eben nur ein Teil. Da- zuziehen.2 Im ersten Entwurf wurden die her ist es richtig, dass es ein Zeichen eines Voraussetzungen für Ausgangsbeschrän- funktionierenden Rechtsstaates ist, wenn kungen überhaupt implizit abgeschafft und die Gerichte oder insbesondere der VfGH sollten Treffen von 4 Personen bereits als als Höchstgericht Behördenentscheidungen möglicherweise anzeige- oder meldepflich- bzw gesamte Verordnungen der Regierung tige Veranstaltung gelten. Es gingen unzäh- aufheben. Doch ist dies ausreichend? lige kritische Stellungnahmen ein.3 Und es bleibt abzuwarten, ob es eine ausreichen- Um in der Terminologie der Covid 19-Krise de Reparatur gibt. Auch dies ist aber nur die zu sprechen, beobachten wir hier die Im- Arbeit der Immunreaktion und kein beson- munreaktion des Rechtsstaats gegen eine ders gutes Zeichen. massive Infektion. Dies macht aber den An- griff an sich nicht weniger verwerflich. Es Die Arbeitsweise dieser Scheibchentaktik soh Photography macht auch eine rechtswidrige Verordnung ist die Desensibilisierung der Öffentlichkeit nicht weniger verwerflich, nur weil sie im durch offenkundige Rechtswidrigkeiten. Die Nachhinein vom VfGH aufgehoben wurde. fachliche Reaktion gegen die Rechtswidrig- Dies betraf in Leitentscheidungen bereits ei- keit hält sich dabei deswegen in Grenzen, MMag. Florian Horn nen Großteil der Bestimmungen. 1 weil die Rechtswidrigkeit so offenkundig ist, Rechtsanwalt dass sowieso kaum eine Strafe im Ergebnis 1 zB VfGH V 411/2020, V 363/2020, E 1262/2020, V 392/2020, V 405/2020, V 2 Begutachtungsverfahren 98/ME XXVII. GP. 428/2020, V 429/2020, G 271/2020, G 3 Unter anderem meine eigene mit der Num- 272/2020, V 436/2020, V 530/2020m V mer 31333/SN-98/ME von mehr als 35.000 573/2020. Stellungnahmen.
Akzente. 01 /2021 10 BSA ÄrztInnen | Schwerpunkt Corona Fragen & Antworten mit Dr. Wenisch Dr. Wenisch hat in seiner BSA-Fragestunde mit un- serem Vorsitzenden der BSA-ÄrztInnen, Dr. Lud- wig Kramer, Eure Fragen beantwortet. Hier veröf- fentlichen wir die Antworten für Euch. Nachzusehen ist die Fragestunde auf www.bsa.at. 1. | Ich habe gehört, dass die Antigentests, die derzeit in unse- ren Teststraßen angeboten werden, die neuen Varianten des Virus nicht erkennen und daher ein anderes Testverfahren, das kosten- pflichtig ist (100 Euro) nötig sei? David Bohmann Antwort: Virusvarianten aus England und Südafrika erzeugen Ver- änderungen im Spike-Protein. Für Antigen-Schnelltests spielen diese Veränderungen direkt keine Rolle. Diese Tests zielen auf ein ganz anderes Virus-Eiweiß ab: die Nukleokapsid-Proteine. gen würde durch vorangehenden Test auf Antikörper weitere Kos- ten und Komplexität erzeugen. Re-Infektionen bei Menschen die 2. | COVID-19-Genesene die immer noch über eine hohe Anzahl bereits eine COVID-19 Infektion hatten, sind selten, aber doch bei an Antikörpern verfügen: a.): Kann davon ausgegangen werden, 0.02% aufgetreten, zudem erweitern Impfungen die Immunität dass eine hohe Anzahl an Antikörpern eine ähnliche Wirkung hat auf gewisse Mutationen. wie eine Impfung? Wenn nein, warum nicht? c.) Ist es sinnvoll, Covid-19-Genesene in einem Alter von 60 Jah- Antwort: Ich gehe davon aus, dass Sie eine ausreichende Im- ren oder höher zu impfen? Wenn ja, warum? munität haben. Die Immunreaktion besteht nicht nur aus humo- ralen (durch Antikörperbestimmung inzwischen in der Routine er- Antwort: Weil auch Mutationen damit abgedeckt werden können. fassbar) sondern auch aus zellulären Faktoren (Memory B – Zellen, Eine Studie an Primaten hat gezeigt, dass die mRNA-Impfung ei- Memory CD8+ und CD4+ T Zellen). Diese werden in der Routine nen mindestens dreifach höheren Pegel an neutralisierenden An- nicht erfasst, verbleiben aber oft jahrelang nach der Infektion im tikörpern induziert als in humanem Rekonvaleszentenserum vor- Organismus. handen. Es ist deshalb vorstellbar, dass die Impfung besser schützt als eine durchschnittliche Infektion. In einer weiteren Studie konn- b.) Ist es notwendig, dass Personen mit hohen Antikörpern geimpft te die Impfung mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 von Bion- werden? tech eine 7-fach stärkere Immunität als eine Infektion mit SARS- CoV-2 erreichen. Dieser „Vorsprung“ könnte ausreichen, die 3-fach Antwort: Der Antikörperstatus gegen den Erreger ist in den we- schwächere Immunität gegen die neue südafrikanische Variante nigsten Fällen verfügbar. Die schon komplexe Logistik der Impfun- B.1.351 auszugleichen. Kursprogramm 2021 TÜV AUSTRIA Akademie | Kursprogramm 2021 Kursprogramm 2021 O über 70 Online-Kurse und E-Learnings Sicherheit | Technik | Umwelt | Qualität O mehr als 450 Präsenzseminare O Expertentage O Inhouse-Trainings, ganz nach Ihrem Geschmack O international anerkannte Personenzertifikate JETZT O Fachbücher, Skripten, E-Books u.v.m. Ziel. Sicher. bestellen! Ziel. Sicher. www.tuv-akademie.at akademie@tuv.at
11 3 | Definition Impfstoffwirksamkeit: Bei Angabe „67% Wirksam- Medizin ausgesprochen ungewöhnlich. Es reicht bereits, wenn der keit“ – ist damit gemeint, dass 67 % der PCR-bestätigten Infekti- Trend deutlich positiv ist, um die weitere Verbreitung der Virusin- onen vermieden werden, oder ist damit gemeint, dass 67% aller fektion zu verhindern. symptomatischen Erkrankungen vermieden werden? 5 | Wie sieht es mit der Biontech/Pfizer Wirksamkeit bei der Antwort: Uns liegen im Grunde genommen nur sehr vorläufige Südafrika-Mutation? Daten mit wenigen Erkrankten vor – es wurden immer nur schwere Erkrankungsfälle in einer geimpften und ungeimpften Gruppe ver- Antwort: Die Impfung mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 von glichen und daraus eine „Wirksamkeit“ in Prozent berechnet. Ein Biontech konnte eine 7-fach stärkere Immunität als eine Infekti- Patient mehr oder weniger in der Impfgruppe kann gleich einige % on mit SARS-CoV-2 erreichen. Dieser „Vorsprung“ könnte ausrei- Unterschied in der Wirksamkeit bedeuten. Beispiel: Im Studienzeit- chen, die 3-fach schwächere Immunität gegen die neue südafrika- raum traten insgesamt in beiden Gruppen 170 Covid-19-Fälle auf, nische Variante B.1.351 auszugleichen. Allerdings werden bereits 162 in der Placebogruppe und 8 in der Impfstoffgruppe. Daraus er- angepasste mRNA –Impfungen produziert. gibt sich durch einfache Prozentrechnung die Wirksamkeit von 95 Prozent (100/170 = 0,588; 0,588x162 = 95). 6 | Wenn ich 2 x geimpft bin, kann ich dann jemanden anderen mit COVID-19 anstecken? 4 | Laut. Hersteller können mit dem AstraZeneca-Impfstoff 100% der „schweren Verläufe“ verhindert werden. Ist dies auch seriös Antwort: Theoretisch ja, aber das Risiko sinkt nach der Impfung belegt? deutlich ab. Aufgrund der hohen Sensitivität der PCR Methode kann es auch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob tatsächlich eine in- Antwort: Aufgrund der Notfallzulassungen sind noch nicht genü- fektiöse Dosis oder nur ein Restbestand an nicht replikationsfähi- gend Erkrankungsfälle in den Studien publiziert. 100% sind in der gen Virushüllen in der Nase nachweisbar waren. 50 Jahre Alpen-Adria-Universität von Rudolf O. Zucha Am 21. Jänner 1970 erfolgte die parlamen- Der Gründungsrektor Walter Schöler von Mai 1961 verließ er DDR endgültig. Er wur- tarische Verabschiedung des Bundesge- 1970 bis 1974 de 1963 in Aachen habilitiert. 1968 wech- setzes über die Gründung der Hochschu- selte er an die Hochschule für Welthandel le für Bildungswissenschaften in Klagen- „Von Schwaan nach Klagenfurt, vom in Wien, ab 1970 baute er als Gründungs- furt. Den Antrag dazu brachte der damalige Neulehrer zum Gründungsrektor einer rektor die Hochschule für Bildungswissen- Nationalratsabgeordnete und spätere Bür- Universität“ schaften in Klagenfurt mit auf. germeister von Klagenfurt Leopold Gug- Er veröffentlichte mehr als 100 Schriften genberger (1918 – 2017) ein. Unmittelbar Der deutsch-österreichische Unterrichts- auf historischem, erziehungstheoretischem danach konstituierte sich der Gründungs- wissenschaftler Walter Schöler ist am 20. und didaktischem Gebiet und betreute als ausschuss als Leitungsorgan der Hochschu- August 1928 in Schwaan (Meck-lenburg) Professor mehr als 50 Dissertationen und le für Bildungswissenschaften unter dem geboren und am 23. Mai 1994 in Wien Habilitationen. Vorsitz des Gründungsrektors Walter Schö- gestorben. ler (1928 – 1994). Der heutige Rektor ist Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wur- Literatur von Walter Schöler (Auswahl) der promovierte Psychologe Oliver Vitouch de er als Neulehrer für Deutsch und Ge- • Geschichte des naturwissenschaftli- (geb. 1971 in Wien). schichte ausgebildet. Ab 1952 studierte er chen Unterrichts im 17. bis 19. Jahr- Pädagogik an der Universität Rostock und hundert Habilitationsschrift, Aachen, Die Fakultäten der Alpen-Adria-Universität: wurde im Jahr 1955 an der Ernst-Moritz- 1967 • Fakultät für Interdisziplinäre For- Arndt-Universität Greifswald zum Dr. paed. • Geschichte der Pädagogik schung und Fortbildung promoviert; in seiner Dissertation befass- Weimer, Hermann. - Berlin, New York : • Fakultät für Kulturwissenschaften te er sich mit „dem Einfluss des Philanthro- de Gruyter, 18., vollst. neubearb. Aufl. • Fakultät für Technische Wissenschaften pismus auf das niedere Schulwesen“. Unter von Walter Schöler, 1976 • Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Fritz Müller war er ab 1957 an der Universi- • Wirkungssysteme und Reformansätze tät Rostock als Leiter der Abteilung Unter- in der Pädagogik Aktuell studieren ca. 12.000 Studierende in 18 richtsmethodik tätig und begründete u. a. Frankfurt am Main : Lang, 1988 Bachelorstudien, 26 Masterstudien, 13 Lehr- die Zeitschrift Unser Ostseebezirk. Beiträge amt Unterrichtsfächern und 5 Doktorats Studi- für die sozialistische Erziehung in Geschich- Walter Schöler war Redaktionsbeirat der en. Die Universität beschäftigt 1.500 Mitarbei- te und Staatsbürgerkunde, ein Baustein ei- „Zeitschrift für Sozialpsychologie und Grup- terInnen, davon 80 ProfessorInnen. nes heimatgeschichtlichen Konzeptes, um pendynamik“ der ersten Stunde. Walter den DDR-Patriotismus zu stärken. Am 2. Schöler bleibt uns in dankbarer Erinnerung!
Akzente. 01 /2021 12 Schwerpunkt Wien Sozial. Mutig. Nachhaltig. Menschlich. Modern. 100 Tage Fortschrittskoalition für Wien Am 3. März ist die neue Wiener Stadt- halb zum Ziel gesetzt, gestiegene Arbeits- PID/DAVID BOHMANN regierung seit 100 Tagen im Amt – Zeit losigkeit, die Verfestigung von Langzeitbe- für einen Rück- und Ausblick. schäftigungslosigkeit in besonders betrof- Vergangenen November hat Bürgermeis- fenen Branchen und den Lehrstellenmangel ter Dr. Michael Ludwig einen mutigen neu- zu bekämpfen. Insgesamt wurde zu die- en Weg gewagt und zusammen mit den sem Zweck bisher ein 600-Millionen-Euro- NEOS die Tür für die erste sozial-liberale schweres Konjunkturpaket geschnürt. Da- Fortschrittskoalition Österreichs geöffnet. bei wurde unter anderem die Fortsetzung Das Regierungsprogramm trägt eine deut- der „Joboffensive 50plus“ beschlossen, mit lich sozialdemokratische Handschrift, ange- der ältere Langzeitarbeitslose wieder echte reichert mit neuen Ideen der NEOS. Die Ko- Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen. alition startet in einer Zeit großer Heraus- Um auch der jungen Generation Perspekti- forderungen. Die Corona-Pandemie und ven zu bieten, wird im Rahmen einer Lehr- ihre gesundheitlichen, sozialen sowie wirt- lingsoffensive die überbetriebliche Lehr- schaftlichen Auswirkungen haben unsere lingsausbildung ausgebaut. Gezielte För- Gesellschaft fest im Griff und werden uns derungen für Ein-Personen-Unternehmen noch einige Zeit begleiten. Gerade in die- und Kunst- und Kulturschaffende, helfen in ser Zeit haben die Wienerinnen und Wiener Branchen, die von der Krise besonders be- aber gezeigt, dass sie fest zusammenhal- tiv reagiert wurde. Bereits im Jänner 2020 troffen sind. Infrastrukturprojekte sollen ten und jede Krise meistern können. Basie- hat Bürgermeister Dr. Michael Ludwig ei- die Bauwirtschaft und den Arbeitsmarkt an- rend auf dem starken Zusammenhalt in un- nen medizinischen Krisenstab eingerichtet, kurbeln. Wien investiert hier speziell in den serer Stadt hat sich die Fortschrittskoalition der sich mit den gesundheitlichen Folgen öffentlichen Verkehr mit der neuen U2 und aus SPÖ und NEOS das Ziel gesetzt, Wien der Pandemie befasst. Diesen Weg geht U5, und auch Schulen, Sportstätten und sicher durch diese Krise zu führen, aber auch die neue Wiener Stadtregierung wei- Eventhallen sollen saniert und ausgebaut auch den Klimawandel zu bekämpfen, für ter. Das erfolgreiche Wiener 3-Säulen-Mo- werden. leistbaren Wohnraum zu sorgen, die beste dell, das auf Testen, Contact-Tracing und Bildung für alle zu garantieren, für Transpa- Impfen fußt, hat dafür gesorgt, dass Wien Nicht nur die unmittelbaren Auswir- renz und Offenheit zu sorgen und die Le- als bisher einziges Bundesland auf der „Co- kungen der Corona-Pandemie ste- bensqualität aller Wienerinnen und Wiener rona-Ampel“ von rot zurück auf orange ge- hen auf der Agenda der neuen Wie- nachhaltig zu sichern und zu verbessern. stuft wurde. Das Testangebot wird laufend ner Stadtregierung, vielmehr soll Wien ausgebaut, so gibt es inzwischen bereits 7 auch langfristig die lebenswerteste Wien ist im Vergleich zu anderen Städ- Teststraßen in ganz Wien, in denen sich die Stadt der Welt bleiben – ein Titel, den ten relativ gut durch die Corona-Krise Wienerinnen und Wiener schnell, unkompli- sie in der renommierten Mercer-Studie gekommen. Das liegt zum einen an un- ziert und gratis testen lassen können. Auch bereits seit 11 Jahren in Folge trägt. serem leistungsstarken öffentlich finan- die Kapazitäten beim Contact-tracing wer- Deswegen wird besonderes Augenmerk auf zierten Gesundheitssystem, zum anderem den laufend ausgebaut. Und bereits Ende den Kampf gegen den Klimawandel gelegt. aber auch daran, dass in Wien auf die dro- vergangenen Jahres ist mit der Impfung Wien zur Klima-Musterstadt machen, das hende Gesundheitskrise schnell und effek- der Hochrisikogruppen die Wiener Impf- PID/DAVID BOHMANN strategie gestartet. Langfristig hat es sich PID/CHRISTIAN FÜRTHNER die Fortschrittskoalition für Wien zum Ziel gesetzt, das öffentliche Gesundheitssys- tem nachhaltig zu sichern und auszubau- en, etwa mit der erst kürzlich im Gemein- derat beschlossenen Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe. Die Corona-Pandemie ist nicht nur eine Gesundheits- sondern auch eine Wirt- schaftskrise. Die Folgen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt sind verheerend, un- zählige Menschen haben infolge der Krise ihre Jobs verloren oder sind in Kurzarbeit. Die neue Stadtregierung hat es sich des-
13 ist das erklärte Ziel der Wiener Stadtregie- men nun bis zu zehn weitere Standorte hin- Stadtverwaltung, aber auch die Verbesse- rung unter Bürgermeister Dr. Michael Lud- zu. Gleichzeitig werden der qualitative und rung der bisher „analogen“ Versorgungs- wig. Unsere Stadt hat bereits jetzt öster- quantitative Ausbau der Kindergartenplätze infrastruktur sowie von Bildungs- und Wis- reichweit die niedrigsten CO2-Emissionen und die Bildungscampus-Neubauprogram- senschaftsangeboten. So soll Wien zur Di- pro Kopf und eines der weltweit dichtesten me fortgesetzt. Ziel der Fortschrittskoaliti- gitalisierungshauptstadt werden, in der der Öffi-Netze. Bis zum Jahr 2040 soll die Stadt on ist es, dass Wien die kinder- und jugend- Mensch im Mittelpunkt steht. CO2-neutral werden, etwa durch den Aus- freundlichste Stadt der Welt wird – und bau von erneuerbaren Energien wie der So- zwar mittels Umsetzung der Wiener Kinder- Denn was Wien immer schon ausge- larenergie. Bereits in den nächsten 5 Jah- und Jugendstrategie. macht hat, ist der hohe soziale Zu- ren will die Stadt den Strom aus Solarener- sammenhalt. Wien ist eine Stadt der So- gie verfünffachen. Auch der technologische Fortschritt lidarität, in der niemand zurückgelassen ist der neuen Fortschrittskoalition für wird. Eine Sozialpolitik, die Menschen zu Wenn es darum geht, Wien zukunftsfit Wien ein Anliegen. Wien ist eine „Smart einem selbstbestimmten Leben ermäch- zu machen, darf auch das Thema Bil- City“, die hohe Lebensqualität, radikale tigt, hält nicht nur unsere Gesellschaft zu- dung nicht vergessen werden. Die Fort- Ressourcenschonung und umfassende In- sammen, sondern ist auch die Grundlage schrittskoalition hat es sich zum Ziel ge- novation vereint. Die Smart City Wien be- für den wirtschaftlichen Erfolg Wiens und setzt, das Wiener Bildungssystem so wei- gegnet so aktiv den Herausforderungen steht im Zentrum der Arbeit von Bürger- terzuentwickeln, dass unseren Kindern alle der Klima und Umweltkrise, dem rasanten meister Dr. Michael Ludwig und der neuen Zukunftschancen offenstehen. Vor mehr technologischen Wandel und der umfas- Wiener Stadtregierung. Klar ist: Wien wird als zehn Jahren wurde in Wien der Gra- senden Digitalisierung. Zu den wichtigsten auch in Zukunft eine lebenswerte, moder- tis-Kindergarten eingeführt. Vergangenen Projekten zählen die Etablierung einer Da- ne und weltoffene Metropole bleiben, in der Herbst wurde an 70 Standorten die Gra- tenstrategie für Wien, noch mehr Daten- sozialer Zusammenhalt und ein respektvol- tis-Ganztagsschule etabliert. Pro Jahr kom- sicherheit, die weitere Digitalisierung der les Miteinander großgeschrieben werden. PID/DAVID BOHMANN V.l.n.r.: Jürgen Czernohorszky (Stadtrat für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal), Peter Hacker (Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport), Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Stadtrat für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz), Ulli Sima (Stadträ- tin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität), Bürgermeister Michael Ludwig, Veronica Kaup-Hasler (Stadträtin für Kultur und Wissen- schaft), Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál (Stadträtin für Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen) und Peter Hanke (Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke)
Akzente. 01 /2021 14 Schwerpunkt Literatur Über Hofräte, Einflüsterer, Spin-Doktoren von Manfred Matzka „Berater, Sonderberater, Kabinettschef, Generalsekretär, Consulter, Spin-Doctor, Think-Tank-Leiter – die Bezeichnungen für jene, die hinter den Kulissen die Regierenden beeinflussen, sind vielfältig. Sie treten selbst nicht in das Licht der Öffent- lichkeit, sie sind intelligent, gebildet, wissen viel oder Spezielles, sind bereit, hinter dem Chef zurückzustehen und ihm zu- zuarbeiten. Sie werden von diesem geschätzt und gefördert, kennen das Umfeld, dessen Strukturen, die Abläufe und die handelnden Personen bis ins kleinste Detail. Seit es Verwaltung im heutigen Verständnis gibt, seit es Minister gibt, sind sie von solchen Personen abhängig.“ In der Corona-Krise haben Regie- aufbaut, der kriegstreiberisch den schwa- Gregor Hofbauer rungsexperten und Kanzlerberater mit chen Minister Berchtold gängelt und wie der zunehmenden Hilflosigkeit der Re- er in einer verhängnisvollen Doppelintrige gierung wieder einen hohen Stellen- zwischen Berlin und Wien im Juli 1914 den wert erhalten. Das Buch beschreibt sofortigen Kriegsbeginn erreicht. Ganz an- anschaulich, wie sich die grauen Emi- ders die Wirkung des besten Juristen sei- nenzen am Ballhausplatz in drei Jahr- ner Zeit, Hans Kelsen, in der Wende 1918. hunderten entwickelt hat. Der Autor Die kaum bekannte Rolle, die er in den letz- selbst kommt darin nicht vor. ten Tagen der Monarchie für die Regierung Lammasch spielt, wird ebenso nachge- Es beginnt mit dem alten Bartenstein zeichnet, wie das, was er zum B-VG in For- und wie er die Zusage Karl VI. zwei sei- mulierungen und im Grundsätzlichen bei- ner drei Töchter an Spanier zu verheira- getragen hat. ten, grandios wegargumentiert, als eine davon stirbt. Er coacht die 23-jährige Ma- Sein finsteres Pendant ist Sektionschef ria Theresia, bevormundet nicht, schmei- Hecht, der im Zusammenwirken von politi- chelt nicht, sondern stärkt ihr den Rücken schem Willen und willfähriger Juristerei die gegen Preußen - letztlich erfolgreich. Der Demokratie beseitigte: Er grub das Kriegs- brillante Fortschrittsgeist Sonnenfels berät wirtschaftliche Ermächtigungsgesetz aus, anders: Der Bub eines Rabbiners aus der Prof. Dr. Manfred Matzka bastelte das Regieren mit Verordnungen, be- Präsidialchef des Bundeskanzleramts a.D., Provinz dient sich Maria Theresia geschickt Autor an und kämpft dann einen tollen Kampf ge- gen die Folter. In der entscheidenden Pha- se fällt er vor der Kaiserin auf die Knie, pa- Wer berät Franz Joseph ? Mit 18 Jahren auf riert alle Intrigen der Konservativen, nutzt dem Thron, nicht der Hellste, ist er der Auf- seine Freimaurer-Kontakte, bildet Netz- gabe nicht gewachsen und wird von sei- werke und ist schließlich erfolgreich. Ohne ner Mutter Sophie gegängelt. Sie macht ihn den Einsatz dieses Giganten des Wortes zum Kaiser und resümiert stolz: „Wir haben wären Folter und Todesstrafe nicht abge- einen guten Kampf gekämpft, wir schwa- schafft worden. chen Weiber“. Sie bestellt seine Ratgeber, umschwärmt ihn glühend und erst mit 42 Friedrich Gentz wird schon in seiner Jugend kann er sich emanzipieren. Berater des al- als grandioser Formulierer international be- ten Franz Joseph ist Graf Kielmannsegg. Ein kannt. Er wird von Österreich eingekauft großartiger Verwaltungsmann, Kanzler ei- und hat seine große Rolle als Sekretär des nes Beamtenkabinetts, aber die zwei Alten Wiener Kongresses, auf dem er zu Papier reden nur über Uniformknöpfe, Beflaggung, bringt, was die Potentaten meinen, ohne Nobilitierungen und die hässlichen Bau- es selbst sagen zu können. Der fulminante ten Wagners. Das Kleinkarierte des Kaisers Stratege entwickelt hier das neue Konzept wird konkret greifbar. Europas. Daneben scheffelt er Geld, nimmt mit 65 die blutjunge Fanny Elßler zur Freun- Spannend ist, wie Alexander Hoyos vor din – und hinterlässt 5 Gulden. 1914 einen kleinen Klüngel im Außenamt
15 reitete Parteienverbote vor, formulierte den BKA und Chef des CV, perfektionierte die bei einer alles überstrahlenden Figur ganz Spin von der „Selbstauflösung“ des Parla- Macht des CV in der Verwaltung, das Netz- spezifische Formen annahm. ments und besorgte die Legistik des Verfas- werk und die Techniken der Infiltration des In den 2000er-Jahren werden Inhalte im- sungsbruchs 1933. Ein ähnlicher Geist zeigt Staatsapparats. Und die Episode, dass er mer bedeutungsloser, Verkauf immer wich- sich beim Berater Walther Kastner, der als il- sich in das offizielle Bild vom Staatsvertrag tiger – daher braucht man keine Politbe- legaler Nazi 1938 Chef-Arisierer der Indust- hineinmalen ließ, ist wirklich köstlich. rater mehr, dafür kommen die Consulter, rie wurde, nach 45 aber gleich wieder da war, für die in den letzten 20 Jahren insgesamt rehabilitiert von VP-Minister Krauland, der Der Kontrast zu ihm ist Hans Thalberg, der 2 Mrd. Euro ausgegeben wurden. Im letz- ihn zum Chefrestituierer der von ihm arisier- stillste Berater im Buch. Jude, vertrieben, ten Kapitel, das bis zum „Covid-19 Future- ten Betriebe machte. Daneben baute er sich Widerstandskämpfer, während sich andere Operations-Clearing-Board“ geht, lesen eine riesige Kunstsammlung auf. im Inland duckten oder Mitläufer wurden. wir über das Wechselspiel zwischen totaler Der Jungdiplomat wird von diesen beiden message control und Beamtenregierung, Ihm folgt im Buch Heinrich Wildner, der Gruppen angefeindet, dann aber wichtiger die verhängnisvolle Machtzunahme der Mi- 1945 das Kanzleramt wieder arbeitsfähig Adviser Bruno Kreiskys, insbesondere in nisterbüros, die Zerschlagung und „Säube- macht und mit feiner Klinge die Spannun- der Nahostpolitik. Das folgende Kapitel über rung“ gewachsener Verwaltungsstrukturen, gen zwischen Kanzler (Renner, Figl) und die „Republik der Sekretäre“ beschreibt die das missglückte Experiment der Generalse- Außenminister (Gruber) nutzte. Er weiß Rolle der Kabinette von Klaus (die jungen kretäre, die Dominanz der Pressekonferen- zB. die Wahrheit über Waldheim schon Reformer von Mock bis Klestil und Graff) zen und der Medienberater über das Recht 1946 - und übersieht geflissentlich. Eduard und von Kreisky - wo Beratung von Lacina und den intransparenten Einfluss von Chaloupka, gleichzeitig Präsidialchef des bis Petritsch, Jankowitsch bis Kirchschläger Geldlobbies. Buchtipp Otto Bauer Der Aufstand der österreichischen Arbeiter Inhaltsbeschreibung: Otto Bauer (1881 – 1938) hat die öster- reichische Sozialdemokratie in der Ersten Republik geprägt. Er war Mitbegründer des Austromarxismus und verstand sich als Demokrat ebenso wie als revolutionä- rer Wegbereiter des Sozialismus. Nach dem unglücklichen Aufstand gegen die austro- faschistische Diktatur schrieb er im Exil die Broschüre „Der Aufstand der österreichi- schen Arbeiter“. Sie sollte die Haltung der österreichischen Sozialdemokratie erklä- ren und den Widerstand gegen das Regime befeuern. Der ÖGB-Verlag publiziert diese Schrift unter Berücksichtigung des im Archiv der Sozialistischen Internationale in Amsterdam aufgefundenen Originalmanu- skripts neu. Die Herausgeber kommentie- ren Otto Bauers Darstellung im Lichte der aktuellen historischen, juristischen und politikwissenschaftlichen Erkenntnisse und Debatten.
Akzente. 01 /2021 16 Schwerpunkt Literatur Rainer Mayerhofer, „Doch die Menschen liebe ich über alles“, Rosa Jochmann. Eine Biographie in Briefen von Rudolf Müller Der Titel des vorliegenden Bandes ist der erwähnten Personen andererseits erläutert er 1938 „die Mörder begrüßt hat“, ohne Schlusssatz eines von Rosa Jochmann be- wird, vermitteln ein atemberaubendes Pan- dafür zumindest die Bedingung zu stellen, sonders geliebten Gedichtes von Georgi La- orama über das Leben einer der prägends- die politisch Inhaftierten der ersten Stun- donstschikow, welches sie mitunter ihren ten Persönlichkeiten in der Geschichte der de („1. Dachau-Transport“) aus dem KZ zu Briefen beigelegt hat. Und er wird dem We- Sozialdemokratie und der zweiten Republik. entlassen (491). sen von Rosa Jochmann, wie es sich in ih- ren Briefen entfaltet, sehr gerecht. Abge- Es werden mehrere Generationen und Pe- Was das Verhältnis zur KPÖ betrifft, so wa- sehen von zwei kleineren Publikationen aus rioden der Zeitgeschichte beleuchtet, von ren Rosa Jochmanns vielfältige Querverbin- den Achtzigerjahren gab es zu Lebzeiten den großen alten Damen der Sozialdemo- dungen politisch nicht unheikel: Trotz ihrer zwar manches über, aber wenig Biographi- kratie, wie Adelheid Popp (Jochmann pflegt stets ungebrochenen Loyalität zur SPÖ wur- sches von Rosa Jochmann. Sie war bekannt sie die „Erweckerin der österreichischen de von rechten Hardlinern in der SP, von de- dafür, dass sie wenig davon hielt, sich mit Frauen“ zu nennen) oder Gabriele Proft bis nen Oskar Helmer wohl einer der schlimms- ihrer eigenen Biografie zu beschäftigen, es zur damals jüngeren Generation in der Par- ten war, stets der Verdacht genährt, dass sei denn, es ginge um die Überlieferung der tei wie zB Maria Emhart, Rudolfine Muhr, sie in „gewissen Kreisen“ (gemeint: kom- Geschichte des Frauen KZ Ravensbrück, in Helene Potetz und Frieda Nödl. Es zeigt ein munistischen) verkehre, womit zum Aus- dem sie inhaftiert war, oder um andere zeit- berührendes Bild vom Denken der „alten“ druck gebracht wurde, dass sie auch mit geschichtlich wichtige Ereignisse, die sie der Sozialdemokratie und den Konflikten, die diesen Kreisen sympathisiere. Jugend vermitteln wollte. dieser „linke“ Teil der SPÖ mit der ganz an- deren und weniger skrupelhaften Denkwei- Die auch in diesem Zusammenhang in ei- Sie war die wahrscheinlich letzte passionier- se eines Oskar Helmer und den „Parteirech- nem Brief aus 1956 erfolgte politische Ab- te Briefschreiberin vor der Überschwem- ten“, zB betreffend den Umgang mit der rechnung Rosa Jochmanns mit Oskar Hel- mung der Gesellschaft durch die digitalen FPÖ und den Umgang mit den jüdischen mer (413 ff), der nicht nur Frauenfunk- sozialen Medien und hinterließ glücklicher- Vertriebenen (Oskar Helmer-Zitat: ich bin tionärinnen, sondern auch ehemalige weise tausende Briefe, in denen sich die dafür die Sache in die Länge zu ziehen) aus- KZ-Häftlinge nicht ausstehen konnte, weil erste Republik, die politische Verfolgung im zutragen hatte. sie offenbar sein Harmoniebedürfnis mit Ständestaat und unter dem NS-Regime bis den Rechten störten, zählt zu den Highlights hin zum KZ Ravensbrück und dann der Wie- Rosa Jochmann war über die Parteigren- dieses Buches. Allerdings schwingt auch Re- deraufbau Österreichs einschließlich seiner zen hinaus überaus geschätzt: Die Brie- signation mit, wenn sie schreibt, „du und Vergangenheitsbewältigung widerspiegeln. fe zu runden Geburtstagen von Rosa Joch- ich sind zwei Welten…aber deine Meinung Das Leben der Rosa Jochmann erschließt mann, die an den Beginn der Biographie teilen die meisten in der Partei auf die es sich aber auch aus ihren Reden, wie man gestellt sind, zeigen, dass sich die Zeit- ankommt und wir sind eine verschwinden- aus den früheren Publikationen sieht. Das genossen ihrer Bedeutung bewusst wa- de Minorität“. Fehlen der Reden im vorliegenden Band ist ren: sie sei schon eine „Zierde der dem Konzept des Herausgebers geschuldet, Arbeiterhochschule“gewesen, heißt es da Das Leben der Rosa Jochmann nach 1945 das nicht zu kritisieren ist, mag dieser Um- unter anderem. Der Band enthält zahlreiche wurde von ihren Erlebnissen im KZ ent- stand da und dort auch störend wirken .1 Zeugnisse enger und ungetrübter Freund- scheidend geprägt: dies gilt für die Über- schaften (mit Maria Emhardt, und vorallem windung der Gräben des Jahres 1934 zur Die von Rainer Mayerhofer getroffene und Josefine Muhr) und Briefe aus der und in die ÖVP ebenso wie für ihre kompromisslose mit Zwischentexten versehen Auswahl, in Haft Rosa Jochmanns im Ständestaat, ver- Ablehnung der FPÖ, die Rosa Jochmann be- denen den historischen Hintergrund einer- einzelt auch bei der GESTAPO und schließ- harrlich als Nachfolgepartei der NSDAP ein- seits und die Biographie der in den Briefen lich im KZ. Besonders beeindruckend sind gestuft hat. Sie bezeichnet ihre Erlebnisse Rosa Jochmanns Bemühungen um den im KZ als „Zeit, mit der ich NIEMALS fertig 1 So zB im Falle der Auseinandersetzung Rücktransport der in Ravensbrück befreiten werden kann“ (an Maria Sporrer, 548). Rosa Jochmanns mit dem VdU-Abgeordneten österreichischen Überlebenden. Stüber, dem sie aus Anlass ihrer Rede zur Parlamentseröffnung am 9.11.1949 in Beant- Dankbarkeit war eine wichtige Kategorie im wortung seiner Entschädigungsforderungen für Die Auseinandersetzung mit den Epigonen Leben der Rosa Jochmann. Dass Dankbar- Entnazifizierte die Leviten gelesen hat: aner- der Nazis nach 1945 führt sie kompromiss- keit in der Politik hingegen keine Katego- kennende Briefe auf diese Rede finden sich im vorliegenden Band (314 ff), Jochmanns Rede los. Da machte ihre Kritik auch vor verdien- rie ist, musste sie selbst bitter erfahren: Ihr (also das eigentliche Ereignis) muss andernorts ten Parteigenossen nicht halt: „Niemals“ nicht ganz freiwilliger Abschied aus dem Na- nachgelesen werden (zB bei Sporrer/Steiner, 1983, 130ff). wollte sie es Karl Renner verzeihen, dass tionalrat, bei dem sie zwischen zwei Fron-
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