Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier

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Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier
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Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt

                                            Unternehmensmagazin
                                                      März 2015

Chancen und Risiken der Generation Smartphone
Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier
inhalt

                                                         4                                                               10
 4 I m Netz zu Hause
   Unsere Kleinen beherrschen die
   Medien wie die Grossen. Die Chancen
   und Risiken der Digital Grown Ups –
   und die damit verbundene Heraus­
   forderung für Eltern und Medien.
10 D
    ie Tage danach
   Nach dem Attentat auf «Charlie
   Hebdo» berichten sie für Blick aus
   Paris: Adrian Meyer und Philippe
   Rossier. Ein Making-of.
12 Ein neugieriger Clown tritt ab
   In seiner satirischen Nachrichtenschau
   erklärt Jon Stewart die Realität.
   Jetzt hört er auf. Eine Rückschau.
16 Blickpunkt Ringier
   Die besten Pressefotos des Quartals.

                                                                                                                                                                                          24
18 Interview
   Das Frauenmagazin «Flow» ist das
   Juwel im Hause Gruner + Jahr. Warum
   diese Zeitschrift unter ihren Leserinnen
   als «Brainspa» gilt, erklärt Chefredak­
   torin Sinja Schütte.

                                                                                                  26                                                               20
20 Digitaltrends 2015
    Den Hipster-Bart oder Hoodie sucht
    man beim CEO von Ringier Digital
    vergebens. Um Trends und Geschäfts­

                                                                                                                                                                                               12
    ideen aufzuspüren, ist Thomas Kaiser
    still und unaufgeregt unterwegs.
24 Inhouse
    Sie sind unser ganzer Stolz – und schon
    werden sie uns untreu: Ringier
    Journalistenschüler berichten von
    ihren Gastredaktionen im Ausland.
    ingier trifft Stars
26 R
    George Clooney küsst und umarmt sie.
    Dass er ihren Namen nie weiss,
    verzeiht ihm Ringier Hollywood-­
    Korrespondentin Marlène von Arx
    grosszügig.
    ichael Ringier
28 M

                                                                                                                                                              16
    Der Tod des Journalismus – eine
    Erkenntnis nach 70 Minuten auf dem
    Crosstrainer.
    alk
29 T
    Fragen ans Management.
    nter uns
30 U
    Nachruf / Dienstjubiläen / Buch-Tipps.
Cover: Gian Paul Lozza / 13Photo

                                                                                                                                                                    FEEL CONNECTED
Impressum
Herausgeber: Ringier AG, Corporate Communica-
tions. Leitung: Edi Estermann, CCO, Dufourstras-
se 23, 8008 Zürich. Chefredaktorin: Bettina

                                                                                                                           4
Bono. Redaktionelle Mitarbeit: Ulli Glantz
(visuelle Umsetzung), René Haenig, Peter Hossli,
Adrian Meyer, Nina Siegrist. Übersetzer: Xavier
Pellegrini/Textes.ch (Französisch), Claudia Bodmer
(Englisch), Ioana Chivoiu (Rumänisch), Lin Chao/Yuan

                                                                                                                                                                                     18
Pei Translation (Chinesisch). Korrektorat: Regula
Osman, Peter Hofer, Kurt Schuiki (Deutsch), Patrick
Morier-Genoud (Französisch), Claudia Bodmer
(Englisch), Mihaela Stănculescu (Rumänisch).
Layout /Produktion: Nadia Lattmann, Zuni
Halpern, Basilius Steinmann (Schweiz), Jinrong
Zheng (China). Bildbearbeitung: Ringier
Redaktions Services Zürich. Druck: Ringier Print
Ostrava und SNP Leefung Printers. Nachdruck (auch
auszugsweise) nur mit Einverständnis der
Redaktion. Auflage: 12 400 Exemplare. DOMO
erscheint in Deutsch, Französisch, Englisch,
Rumänisch und Chinesisch.
                                                       Fotos: Getty Images, Philippe Rossier, Charly Hug, Keystone, Adrian Bretscher, Dirk Schmidt, Handout                                    DOMO – März 2015   | 3
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Kinder und Medien

  Generation Smartphone

  Im Netz
  zu Hause
  Unsere Kleinen beherrschen die neuen Medien wie
  die Grossen. Umgeben von Bildschirmen, wachsen sie
  zu «Digital Grown Ups» heran. Chancen und Risiken
  einer neuen Welt.
  Text: Nina Siegrist

4 |   DOMO – März 2015                                 DOMO – März 2015   | 5
Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier
Kinder und Medien
V    or nicht allzu langer Zeit war doch
     alles noch ganz anders: Jungs
bauten Städte aus Lego, trugen Auto-
                                                           •
                                                    Sara Signer
                                                                                                                                                                                                                         Wann gebe ich meinem Kind ein
                                                                                                                                                                                                                         eigenes Handy?
                                                                                                                                                                                                                         Im Moment bekommen viele eines ab
                                                  erforscht die
rennen auf der Carrera-Bahn aus. Auf          Mediennutzung                                                                                                                                                              der Oberstufe. Wichtig ist eine kont-
dem Pausenplatz balgten sie sich mit              von Kindern.                                                                                                                                                           rollierte Finanzierung – mit Prepaid-
Kameraden, nur um wenig später den              Sie arbeitet als                                                                                                                                                         oder Kinderabos. Der Stress der
mitgebrachten Znüni mit ihnen zu            wissenschaftliche                                                                                                                                                            permanenten Verfügbarkeit ist nicht
                                              Mitarbeiterin im
teilen. Mädchen experimentierten mit         Bereich Medien­                                                                                                                                                             zu unterschätzen, gerade bei Teen-
Mamas Make-up, sehnten sich nach            bildung der Päda­                                                                                                                                                            agern, die in ihrer Identität noch
einem dieser «Willst du mit mir              gogischen Hoch­                                                                                                                                                             nicht gefestigt sind. Depressionen,
gehen?»-Zettel, die so oft unter den            schule, vertritt                                                                                                                                                         Müdigkeit und schlechte Schulleis-
                                            die Schweiz beim
Schulbänken kursierten, und harrten            internationalen                                                                                                                                                           tungen werden vermutlich künftig
aus, bis endlich mal wieder «Dirty         Forschungsprojekt                                                                                                                                                             zunehmen.
Dancing» im Fernsehen kam. Und               «EU Kids Online»                                                                                                                                                            Ist das die Hauptgefahr für die
heute? Heute bauen die Jungs immer               und ist Mutter                                                                                                                                                          «Digital Natives»?
                                            einer dreijährigen
noch Städte und messen sich auf                        Tochter.                                                                                                                                                          Persönlich befürchte ich auch, dass
Rennpisten. Allerdings virtuell, auf                                                                                                                                                                                     wir hier eine Generation «heranzüch-
Tablets, Smartphones oder Compu-                                                                                                                                                                                         ten», die eine sehr tiefe Frustrati-
tern, mit Hilfe von Games wie «Mine-                                                                                                                                                                                     onstoleranz hat. Jedes Bedürfnis, sei
craft» oder «Need for Speed». Die                                                                                                                                                                                        es Langeweile, Einsamkeit oder
Mädchen posten das Foto vom neuen                                                                                                                                                                                        Spieltrieb, wird medial sofort befrie-
Look auf Facebook, Mamas Make-up
sei Dank. Und während sie darauf                                   «Digital Natives werden                                                                                                                               digt. Warten mag niemand mehr –das
                                                                                                                                                                                                                         sehe ich täglich bei meiner dreijähri-

                                                                   eine tiefe Frustrations-
warten, dass ER sie endlich anchattet                                                                                                                                                                                    gen Tochter.
(und zwar ausserhalb des Gruppen-                                                                                                                                                                                        Gibt es Daten zur Internetnutzung
chats auf WhatsApp oder Kik!), sehen                                                                                                                                                                                     von Kindern?
sie sich auf YouTube ein paar Tanz-
Filmchen an. Von Taylor Swift – wer
zur Hölle schaut denn noch «Dirty
                                                                   toleranz haben»                                                                                                                                       Im Rahmen des Projekts EU Kids
                                                                                                                                                                                                                         Online, das in 33 Ländern durchge-
                                                                                                                                                                                                                         führt wurde, haben wir erhoben,
Dancing»? Ach ja, die Schulhof-Rau­                                Frau Signer, einige Medienpädago-          men sollte man schauen, was dem                                                                            dass die 9- bis 16-Jährigen durch-
fereien, die gibt es immer noch. Mit                               gen empfehlen die 3-6-9-12 Regel:          Entwicklungsstand entspricht: Ein                                                                          schnittlich 88 Minuten pro Tag im
Cyber-Mobbing trifft man den Gegner                                Kein Bildschirm unter 3 Jahren,            dreijähriges Kind hat eine Aufmerk-                                                                        Internet sind. Spannend: Die mobile
allerdings noch härter – diffamierende                             keine eigene Spielkonsole vor 6, kein      samkeitsspanne von fünf bis zehn                                                                           Nutzung steigt stark an, Kinder sind
Bilder und Bemerkungen und ein paar                                Internet vor 9 und kein unbeaufsich-       Minuten, es hält Medieninhalte für                                                                         «on the go» permanent im Internet.
Klicks reichen. Den Znüni teilt man                                tigtes Internet vor 12. Sind Sie damit     real, versteht keine Dramaturgien                                                                          Damit wird es auch immer schwie-
dann lieber in Form eines Bildes auf                               einverstanden?                             oder Dialoge. Filme oder Filmchen                                                                          riger, Regeln durchzusetzen. Was
Instagram – Social-Network-Freunde                                 Ich halte diese Regel für realitätsfern    schauen macht deshalb vor fünf                                                                             sagen Sie, wie lange dürfen z. B. 7- bis
muss man schliesslich ebenso bei                                   – sie basiert auf einer bewahrpädago-      Jahren wenig Sinn. Es sei denn, es                                                                         16-Jährige pro Tag Medien nutzen?
Laune halten wie die «echten».                                     gischen Grundhaltung, die Kinder           sind einfache Inhalte, die wiederholt                                                                      Wenn ein Kind pro Tag drei Stunden

                                                                                                                                                                                                                                                                                                               •
                                                                   vor den bösen Einflüssen von Medien        werden. Kleine Kinder brauchen                                                                             freie Zeit hat, dann finde ich es in       deren Eltern Bücher als unverzicht-                              die auf diesen breiten Strassen lauern,

                                                                                                                                                       Foto: Brian Finke, Geri Born, Rita Palanikumar/13Photo, Handout
Das Handy als Spielkamerad                                         beschützen will. Medien sind aber          nämlich nicht ständig was Neues,                                                                           Ordnung, wenn es eine Stunde am            bar bezeichnen, das Buch selbst auch                             sind nicht virtuell, sondern real.
und Begleiter                                                      mittlerweile integraler Bestandteil        sie können 100 Mal das Bärenlied-                                                                          Tag TV schauen, gamen oder chatten         als wichtiges Medium betrachten.           Kleine Kinder         Bewegen sich Kinder im Internet zu
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               imitieren ihre
Das Leben der «Digital Natives», jener                             unseres Lebens. Eltern nutzen an-          Filmchen anschauen, verstehen                                                                              darf. Die Breite der Freizeitaktivi­       Gibt es sinnvolle Regulierungsmass-        Eltern – und wol­     furchtlos?
Generation, der das Internet quasi in                              dauernd Medien. Zum Beispiel die           ­jedes Mal ein neues Detail.                                                                               täten darf sich einfach nicht nur auf      nahmen, wie eine Anzahl iPad-              len deshalb auch      Tatsächlich sind die Ergebnisse hier
die Wiege gelegt wurde, ist gleichzei-                             Mütter, die mit dem Smartphone auf          Was sagt die Forschung, ab wann                                                                           Mediennutzung konzentrieren. Der           Halbstunden-Gutscheine pro Woche?          Medien nutzen.        besorgniserregend: 25 Prozent der
tig einfacher und komplizierter gewor-                             dem Spielplatz nicht selten Familie         nutzen Kinder heute Smartphones                                                                           Mix machts!                                Dem Kind so eine gewisse Eigenver-         Verbote bringen       von uns befragten 9- bis 16-Jährigen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               da nichts.
den. Neue Medien sind omnipräsent,                                 und Job organisieren. Kinder sehen          oder Tablets?                                                                                             Was, wenn man Kinder trotz ver-            antwortung zu geben, macht Sinn. Am                              in der Schweiz kommen übers Inter-
in den USA besitzen 78 Prozent der                                 Eltern als Vorbilder – und wollen           Eine amerikanische Studie hat erho-                                                                       einbarten Limits nicht vom TV oder         wichtigsten ist aber, dass Eltern sich                           net in Kontakt mit Fremden. 7 Pro-
12- bis 17-Jährigen ein eigenes Handy,                             deshalb auch Medien nutzen. Verbo-          ben, dass die Anzahl Kinder unter                                                                         Smartphone wegkriegt?                      dafür interessieren, was Kinder für                              zent haben gar schon Fremde getrof-
in der Schweiz sind es 2014 sogar                                  te bringen da nichts.                       acht Jahren, die bereits mobile Gerä-                                                                     Das werde ich von Eltern oft gefragt.      Games spielen, welche Chats sie wie                              fen – rund zwei Drittel der Eltern
98 Prozent der 12- bis 19-Jährigen. Bei                            Es ist also in Ordnung, wenn ein drei-      te nutzen, sich in den letzten zwei                                                                       Und dann frage ich immer zurück,           nutzen und was sie im Internet ma-                               wussten nichts davon. Und: Oft
fast allen handelt es sich um ein                                  jähriges Kind mit einem iPhone spielt?      Jahren auf 72 Prozent fast verdoppelt                                                                     was denn die Eltern in der Freizeit so     chen. Man muss nicht permanent da-                               fanden die Treffen nicht in öffentli-
Smartphone. Die Internetnutzung hat                                Natürlich gibt es Einschränkungen:          hat. In Europa dürfte das ähnlich                                                                         machen. Viele sitzen nämlich selbst        neben sitzen, aber es ist wie damals,                            chen Räumen statt, weil die Jugend-
längst den Fernsehkonsum überholt.                                 Je jünger Kinder sind, desto wichti-        sein, in Asien wären die Zahlen ver-                                                                      den ganzen Abend vor dem Fernse-           als wir in unserer Kindheit aus dem                              lichen sich sehr bewusst sind, dass
Während Medienkritiker lange Zeit                                  ger ist es, dass sie mit möglichst un-      mutlich noch etwas höher. Und in                                                                          her oder am Tablet. Wie soll ein Kind      Haus gingen: Wir mussten sagen, wo                               sie das nicht machen dürften. Es ist
die warnenden Zeigefinger hochhiel-                                terschiedlichen Sinnen die Welt er-         Afrika, wo das Smartphone oft den                                                                         lernen, sich anders zu beschäftigen,       wir hingehen, mit wem und was wir                                deshalb eine elterliche Pflicht, sich
ten, ist man heute liberaler. Schliess-                            kunden – Dinge riechen, ertasten. Bei       Computer ersetzt, steigen die Han-                                                                        wenn Eltern ihm keine Alternativen         da machen. Auch das Internet ist eine                            dafür zu interessieren, was das eige-
lich bringt der technologische Fort-                               der Wahl von Medien und Program-            dynutzungs-Zahlen.                                                                                        zeigen? Es ist erwiesen, dass Kinder,      Tür nach draussen, und die Gefahren,                             ne Kind im Internet macht.
schritt auch Vorteile. In einem Punkt
sind sich Medienwissenschaftler,
Politiker, Pädagogen und Psychologen
aber einig: Medienkompetenz wird           Die beliebtesten
in der digitalisierten Welt zur Über­
lebensstrategie. Und um diese bei
                                           Apps im
Kindern und Jugendlichen zu fördern,       Kinderzimmer
braucht es Bildung, elterliche Fürsor-                                                  Kik – chatten unter   Skipe – plaudern    Snapchat – Fotos                                                                       YouNow – online      Instagram – digita­   Facebook – sozia­   WeChat – versen­       Viber – Alternative   YouTube – das           WhatsApp – SMS
ge und ganz viel neues Wissen.                                                          Freunden              mit Livebild        für den Augenblick                                                                     posieren             les Fotoalbum         les Netzwerk        den, teilen, spielen   zu Skype              Portal für Filme        per Internet

6 |   DOMO – März 2015                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  DOMO – März 2015   | 7
Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier
Kinder und Medien
Soll man Kinder und Jugendliche
Spiele, TV-Programme und Internet-                                                                                                              DIE ONLINE-KIDS UND
                                                                                                                                                IHRE GEWOHNHEITEN
seiten selbst auswählen lassen?
Am besten studiert man mit seinen
Kindern das TV-Programm, wählt
gezielt Sendungen oder Filme aus.
Diese Aushandlungsprozesse kön-
nen anstrengend sein, gehören aber
zum Lernprozess. Bei Spielen emp-
fehle ich Eltern, sich z. B. auf der
Homepage Pegi.info darüber zu in-
formieren, worum es im Spiel geht,
für welches Alter es geeignet ist und
ob man im Spiel online mit anderen,
fremden Spielern in Kontakt kommt.
Bei der Internetnutzung sind Abspra-
chen wichtig. Von «Kindersicherun-
gen», die problematische Seiten
sperren, halte ich nichts. Das erhöht
den Reiz – und irgendjemand aus der
Klasse hat immer freien Internet­
zugang. Besser, man besucht mit
dem Kind auch mal eine ungeeignete                                                                                                              Lars Niedermann, 12                      Jianqi He, 15                          Celine Adu, 14
Seite und klärt es auf. Gleiches gilt
z. B. für die «Tagesschau»: Sie ist                                                                                                             Sohn von Iso Niedermann, Leiter          Sohn von Lillian He,                   Teilnehmerin eines Jugendpro-
voller Krieg, Konflikte, Katastrophen                                                                                                           Sportredaktion Schweizer Illustrierte,   Kommunikationsverantwortliche,         gramms von Cecilia Dei-Anang,
und abstrakter Inhalte. Man sollte                                                                                                              Ringier Schweiz                          Ringier China                          President Ringier Ghana
sein Kind langsam an dieses Format                                                                                                              Meine Eltern haben mir vor kurzem        Seit ich etwa zehn Jahre alt bin,      Morgens lese ich auf meinem Smart-
heranführen und Gesehenes bespre-                                                                                                               ein Samsung Galaxy geschenkt. Ich        nutze ich mein Smartphone für alle     phone Bücher – nicht während der
chen.                                                                                                                                           lasse es aber während der Schule         möglichen Dinge, die Spass             Schule, aber in der Pause. Ich mag
Ab 13 Jahren kann man bei Facebook                                                                                                              zu Hause, im Unterricht müsste ich       machen: Ich chatte und spiele          Romantik-, Abenteuer- und
einen Account eröffnen. Zu früh?                                                                                                                es sowieso abgeben. Oft chatte ich       Games. Mein Lieblingsspiel heisst      Fantasy-Geschichten. Den Compu-
Tatsache ist, dass Kinder durch-                                                                                                                mit Freunden über eine App               Modern Wars. E-Mails schreibe          ter nütze ich für die Hausaufgaben,
schnittlich mit neun Jahren erstmals                                                                                                            namens Kik. In der Klasse gab das        ich eigentlich nie. Ich habe auch      um Mails zu schreiben und Filme zu
im Internet unterwegs sind und mit                                                                                                              schon Ärger – weil ein Mitschüler        einen Laptop, aber den benutze ich
zehn oder elf Jahren oft schon ein                                                                                                                                                       nicht, er ist alt und langweilig. Im   DAS SAGT DIE MUTTER:
Profil bei einem Social Network ha-                                                                                                             DAS SAGT DER VATER:                      Internet besuche ich Seiten wie
ben. Wenn alle Klassenkameraden                                                                                                                                                          Renren oder WeChat. Ich glaube         «Alle meine Kinder
                                                                                                                                                «Lars geht sehr
irgendwo Mitglied sind, sollten El-                                                                                                                                                      nicht, dass meine Eltern kontrollie-
                                                                                                                                                                                                                                nützen das Internet
                                                                                                                                                vernünftig mit
                                         •

tern ihr Kind nicht ausschliessen,                            der Anteil der Kinder, die nie Bücher     werden in anderen Ländern auch
indem sie es ihm verbieten. Man                               lesen – in Deutschland sind es            von Erwachsenen oft genutzt. War-                                                DAS SAGT DIE MUTTER:                   sehr verantwor-
sollte den Account aber gemeinsam        Ein Viertel der      23 Prozent. Gelesen werden vor al-        um keine Kids-News-Seite in Gratis-     Medien um. Er hält
einrichten, klarmachen, was es für
                                         9- bis 16-Jährigen
                                                              lem Gratiszeitungen. Interessant:         zeitungen?                                                                       «Jianqi nutzt Medien                   tungsbewusst.
Konsequenzen hat, wenn man Bilder
                                         in der Schweiz
                                                              Bereits ein Fünftel aller Jugendli-                                               sich an Regeln und
                                         kommen übers                                                   Fürchten Sie sich vor dem Tag, an dem
                                                                                                                                                                                         verantwortungs-                        Das Einzige, was mir
bei Facebook oder Instagram hoch-        Internet in Kon­
                                         takt mit Fremden.
                                                              chen über 14 Jahren liest Bücher und      Ihre Tochter ihr erstes eigenes Handy
                                                                                                                                                schaltet die Geräte
lädt: Man gibt seine Rechte für dieses
                                         7 Prozent haben
                                                              Zeitungen nur noch digital.               bekommt, chattet und Social-Media-                                               voll. Schade ist, dass                 manchmal Sorgen
Bild ab und hat keine Kontrolle mehr     gar schon Fremde     Haben Medienhäuser eine Verant-           Accounts eröffnet?                      nach der vereinbar-
darüber, wo und wie es verwendet         getroffen – rund     wortung ihren jüngsten Konsumenten        Nein. Ich kenne mich ja gut aus. Nur                                             er News nicht mehr                     bereitet, ist die Zeit,
wird.                                    zwei Drittel der     gegenüber?                                hoffe ich, dass die dann erhältlichen   ten Zeit aus.»
Liest die junge Generation überhaupt     Eltern wussten
                                         nichts davon.
                                                              Was ich vermisse, sind explizite          Virtual-Reality-Brillen irgendeine                                               gedruckt liest. Die                    die sie vor dem TV
noch?
Der Kinder- und Jugendbuchabsatz
                                                              Kinderangebote. Ich frage mich,
                                                              warum niemand in der Schweiz
                                                                                                        Möglichkeit bieten, dass ich als
                                                                                                        ­Mutter mit ihr zusammen diese vir-
                                                                                                                                                darauf gemobbt wurde. Über
                                                                                                                                                Mittag lese ich Zeitungen, vor
                                                                                                                                                                                         digitalen Medien                       verbringen.»
steigt! Gleichzeitig steigt aber auch                         Kindernachrichten macht – diese            tuellen Räume besuchen kann.          allem den Sportteil. Am TV gucke         vermitteln Informa-
                                                                                                                                                ich «Simpsons» und «Galileo», eine                                              schauen. Fernsehen darf ich nur am
                                                                                                                                                Wissenschaftssendung. Ich lese           tionen nur bruch-                      Wochenende, nie unter der Woche.
                                                                                                                                                gerne Comics und Krimis. Pro Tag                                                Ich darf keine Horrorfilme schauen
                                                                                                                                                                                         stückhaft.»
Know-how für die                         Webseiten für Eltern www.jugendundmedien.ch,
                                         www.mpfs.de (Infoset Medienkompetenz).
                                                                                             Kurse in der Schweiz:
                                                                                             www.swisscom.ch/medienkurse,
                                                                                                                                                darf ich eine Stunde gamen. Am
                                                                                                                                                liebsten spiele ich Minecraft auf
                                                                                                                                                                                                                                und keine, die als «PG-16» oder älter
                                                                                                                                                                                                                                eingestuft werden. Social Network
Grossen – Tipps                          Englisch: www.kidsrisk.org/images/MediaGuide.pdf,
                                         www.pbs.org/parents/childrenandmedia
                                                                                             www.projuventute.ch/
                                                                                             Medienkompetenz.2092.0.html
                                                                                                                                                der Xbox. Manchmal filmen ein
                                                                                                                                                Freund und ich uns mit dem iPod
                                                                                                                                                                                         ren können, was ich da tue, sie
                                                                                                                                                                                         haben ja auch keinen Zugang zu
                                                                                                                                                                                                                                Accounts habe ich nicht. Aber mit
                                                                                                                                                                                                                                meinem Handy chatte und texte ich
und Links                                Ratgeber Medien-Kids. Bewusst umgehen mit allen     Wissenschaftliche Ergebnisse                       Touch beim Gamen – wenn ich ein          meinem WeChat-Freundeskreis.           gerne. Anderen Kindern würde ich
                                         Medien – von Anfang an (Eveline Hipeli).            www.eukidsonline.ch,                               Filmchen auf YouTube lade, frag          Zeitungen und Zeitschriften lese       raten, nicht mit Fremden zu chatten
                                         Englisch: Mapping the Media. A Media Literacy       www.netchildrengomobile.eu                         ich aber vorher meine Eltern. Im         ich nicht. Nachrichten schaue ich,     und keine persönlichen Details zu
                                         Guidebook (Hoffmann, Gregg).                        Smarte Apps für Kids Fiete, Wonderkind,            Internet bin ich bisher unsichtbar,      aber ich lade lieber TV-Serien oder    verraten. Ansonsten sind Medien
                                         Kurse Kinder- und Jugendorganisationen sowie        Dr. Panda, Kindergarten EduPlay Lite, Bubl Tap.    es gibt nur ein Foto von mir auf         Basketball-Videos runter. Was          und Chats nicht so schlecht, wie
                                         Telekomanbieter bieten immer öfter Medienkompe­     Siehe auch www.apps-und-moritz.ch,                 Instagram, und das sehen nur             Kinder nicht tun sollten? Erwach-      viele denken – man kann oft was
                                         tenz-Workshops für Kinder, Eltern und Lehrer an.    www.commonsensemedia.org/app-lists                 Leute, denen ich das erlaube.            senen-Videos runterladen.              lernen.

8 |   DOMO – März 2015                                                                                                                                                                                                                           DOMO – März 2015   | 9
Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier
Je suis Charlie

Paris, 7.1.2015
Die Tage danach
Nach dem Attentat auf «Charlie Hebdo»:                                                                                                                       A     m Mittag des 7. Januars, bei der
                                                                                                                                                                   ersten Eilmeldung, da verstan-
Adrian Meyer und Philippe Rossier fahren für                                                                                                                 den wir im Blick-Newsroom in Zürich
                                                                                                                                                             zunächst nicht, wie einschneidend
die Schweizer Boulevardzeitung Blick nach                                                                                                                    die Attacke in Paris sein sollte.
                                                                                                                                                             ­«Pariser Satiremagazin: Verletzte bei
                                                                                                                                                                                                       Die Attentate in
                                                                                                                                                                                                       Paris wurden von
                                                                                                                                                                                                                              ner Fisch. Gegen T  ­ V-Mannschaften
                                                                                                                                                                                                                              wie CNN hatten wir keine Chance bei
                                                                                                                                                                                                                                                                        andere Journalisten vor Ort sahen
                                                                                                                                                                                                                                                                        und hörten. Filterten aus einem vor-
Paris. Ein Making-of bewegender Tage.                                                                                                                         Schiesserei in Zeitungsredaktion».
                                                                                                                                                              Eine Meldung unter vielen. Aus Ver-
                                                                                                                                                                                                       den Medien so nah
                                                                                                                                                                                                       begleitet wie kaum
                                                                                                                                                                                                                              der Jagd nach Breaking News. Des-
                                                                                                                                                                                                                              halb fokussierten wir uns nicht auf
                                                                                                                                                                                                                                                                        gefilterten Abbild der Wirklichkeit
                                                                                                                                                                                                                                                                        Geschichten heraus. Und bildeten
Text: Adrian Meyer                                                                                                                                            letzten wurden Tote, ermordet von        eine Tragödie          die flüchtigen Attentäter oder das        eine blosse Medienrealität ab.
                                                                                                                                                              islamistischen Fanatikern. Zwölf         zuvor. Social Media    zweite Attentat in e  ­ inem jüdischen    Dass diese nicht immer der eigent­
                                                                                                                                                              Tote in der Redaktion von «Charlie       spielten eine          Supermarkt, sondern suchten Hinter-       lichen Realität entspricht, merkten
                                                                                                                                                              Hebdo», als Rache für deren Moham-       entscheidende          grundgeschichten.                         wir vor Ort. Wir erhielten von der
                                                                                                                                                              med-Karikaturen. Noch sprachen           Rolle: Via Twitter     Die unzähligen Journalisten verharr-      Redaktion den Auftrag, in den Pari-
                                                                                                                                                              wir es in der Blick-Redaktion nicht      und Facebook           ten am Tatort. Dabei konnten wir          ser Banlieues eine Moschee zu be­
                                                                                                                                                              aus, aber wir dachten es: Das ist        verbreiteten           keine 50 Meter weiter ungestört           suchen, in denen sich die Attentäter
                                                                                                                                                              ­Europas 9/11.                           Journalisten und       ­Gespräche mit Trauernden führen.         angeblich radikalisiert hatten. Frei-
                                                                                                                                                                                                       Augenzeugen             Mehrere Male brachen die Menschen        lich: Die Moschee existierte nicht
                                                                                                                                                             Paris, am Tag danach                      laufend Bilder von      mitten im Gespräch in Tränen aus.        mehr, sie war vor neun Jahren ab­
                                                                                                                                                             Gegen 16 Uhr kam der Anruf der            der Jagd nach den       Sie konnten nicht fassen, was gesche-    gerissen worden, wie wir feststellten.
                                                                                                                                                             Blick-Chefredaktion. Ich solle nach       Attentätern.            hen war. Und noch weniger, warum.        Handy und Internet liessen uns
                                                                                                                                                             Paris. Hektik. Um 17.30 Uhr ging der      Erstaunlich, mit        Die ersten Bilder übermittelten wir      ebenfalls in einem kritischen Mo-
                                                                                                                                                             letzte TGV des Tages. Ein Fotograf        welcher Sorgfalt:       am Mittag der Redaktion, so, wie wir     ment im Stich: Als sich 1,5 Millionen
                                                                                                                                                             musste her. Blick-Fotograf Philippe       Gerüchte wurden         das die folgenden Tage stets taten:      Menschen am Sonntag, dem 11. Janu-
                                                                                                                                                             Rossier sagte sofort zu. Das Sekreta-     als solche              indem wir in einem Café oder Res-        ar zum Gedenkmarsch bei der Place
                                                                                                                                                             riat reservierte Tickets und Hotel. Ein   gekennzeichnet,         taurant das WLAN anzapften. Die          de la République versammelten,

                                                            Fotos: Philippe Rossier, Joel Saget/AFP, Sean Gallup/Getty Images, Julien Warnand/EPA/Keystone
                                                                                                                                                             kurzes Briefing mit der Chef­             gröbere Falschmel-      Dateien waren für Daten-Roaming zu       brach das Handynetz zusammen.
                                                                                                                                                             redaktion. Und ab auf den Zug. Erst       dungen blieben          gross. Nach einer kurzen Pause ging      Wir steckten mitten in der Masse
                                                                                                                                                             während der Fahrt nach Paris konn-        aus. Der grösste        es wieder auf die Strasse.               fest, konnten uns kaum vorwärts­
                                                                                                                                                             ten wir in Ruhe über die nächsten         Schnitzer lieferten                                              bewegen, mussten aber dringend
                                                                                                                                                             Tage nachdenken: Wo gehen wir als         die Medien mit         Nah dran dank Twitter                     unsere Geschichte und Bilder über-
                                                                                                                                                             Erstes hin, mit wem sprechen wir,         dem Bild der           Dank Social Media und einer Arbeits-      mitteln.
                                                                                                                                                             welche Geschichte erzählen wir? Wie       Staatschefs, die       kollegin im Blick-Newsroom stiessen       Mühevoll kämpften wir uns aus der
                                                                                                                                                             lange wir in der Stadt bleiben wür-       nur scheinbar den      wir noch am gleichen Abend auf eine       Menge und landeten zufällig in
                                                                                                                                                             den, wussten wir nicht. So lange wie      Trauermarsch           zweite Geschichte. Wir trafen eine        ­einem Internetcafé. Ein schmudde-
                                                                                                                                                             nötig. Am Ende waren es vier Tage.        anführten. Vor Ort     junge Muslimin, die nach dem Atten-        liges Lokal, wie man es in Zeiten
                                                                                                                                                             Wie geht es Paris, am Morgen nach         war allen klar, dass   tat auf offener Strasse bedroht wur-       drahtlosen Internets nur noch selten
                                                                                                                                                             dem Attentat? Diese Frage führte uns      die Politiker nicht    de, weil sie ein Kopftuch trug. Sie        findet. Dessen Festnetz war unsere
                                                                                                                                                             Richtung Tatort im 11. Arrondisse-        mitten unter den       wohnte wenige Hundert Meter neben          Rettung. In einer muffigen, mit
                                                                                                                                                             ment, zur unscheinbaren Rue Nicolas-      Leuten gingen.         der Redaktion von «Charlie Hebdo»          dunklem Holz verkleideten Telefon-
                                                                                                                                                             Appert. Der Tatort war von der Polizei    Doch die mediale       und traute sich nicht mehr auf die         kabine meldeten wir uns in Zürich.
                                                                                                                                                             weiträumig abgesperrt. Vor der Ab-        Inszenierung war       Strasse. Ihre Erlebnisse beschrieb sie     Am Abend, nach der überwältigen-
                                                                                                                                                             sperrung empfingen uns niedergeleg-       offenbar wichtiger     auf Facebook. Diesen Post sah unse-        den Demonstration für die Rede­
                                                                                                                                                             te Blumen, brennende Kerzen und           als die Realität.      re Kollegin zufällig. Sie war mit der      freiheit, verliessen wir die Stadt mit
                                                                                                                                                             trauernde Menschen. Und eine Horde                               Muslimin befreundet und schickte           einem versöhnlichen Gefühl. Die
                                                                                                                                                             Journalisten. Sobald jemand Blumen                               uns ihren Kontakt.                         Angst vor Europas 9/11 war verflogen.
                                                                                                                                                             niederlegte, stürzten sich die TV-Ka-                            Smartphone und Social Media waren          Denn lauter als die Verteufelung aller
                           Adrian Meyer und Philippe                                                                                                         meramänner auf die Szene. Ein un­                                während der Reportage unverzicht-          Muslime waren in den Tagen stets die
                           Rossier mitten im Trauermarsch                                                                                                    gestörtes Gespräch mit trauernden                                bar. Via Twitter verfolgte ich die Jagd    Beschwichtigungen: dass man isla-
                           (ganz oben). In Paris war nach                                                                                                    Bürgern war dort unmöglich. Jene,                                nach den Attentätern, sah, was ande-       mistische Fanatiker nicht mit dem
                           dem Attentat die Medienwelt                                                                                                       die etwas sagen wollten, wurden von                              re Journalisten in Paris berichteten,      Islam an sich verwechseln solle.
                           versammelt. Die beiden                                                                                                            Journalisten umzingelt. Es war klar:                             welche Gerüchte die Runde machten.         Europa reagierte auf den Terror
                           Blick-Reporter suchten deshalb                                                                                                    Der Schweizer Blick ist im Vergleich                             Ich sah dasselbe wie die Blick-Redak-      erstaunlich besonnen. Der grosse
                                                                                                                                                                                                                                                                         ­
                           vor Ort die Nische.                                                                                                               zu den anwesenden Medien ein klei-                               toren Zürich. Sie beschrieben, was         Rachefeldzug blieb aus. 

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Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier
Fernsehen

Ein neugieriger
Clown tritt ab
Keiner erklärt die Realität besser als Jon Stewart in seiner satirischen
Nachrichtensendung. Jetzt hört er auf. Eine Rückschau.
Text: Peter Hossli

Ü                                                                                 •

                                                                                                                                              Foto: Benjamin Lowy/Getty Images, Jason Reed/Reuters. UPI Photo/Imago, Handout, Scott Gries/Picture Group/face to face, Getty Images (3)
     ber seine Eitelkeit stolperte der   heit. Was seit 16 Jahren sein Marken-                        York Times» als «begabten Clown mit
     Anchorman. Brian Williams, 55       zeichen ist. Jeweils um elf Uhr nachts                       grosser Neugierde». Ein Clown sagt
und Moderator beim US-TV-Sender          verwebt er Spott und Schalk zu einer     Perfektionist:      stets die Wahrheit, und er bringt die
                                                                                  Jon Stewart vor
NBC, überhöhte einen Einsatz als         halbstündigen Nachrichtensendung.        der Sendung.        Menschen dann zum Lachen, wenn
Reporter im Irak. Der Hubschrauber,      Mit ­immer gleichem höherem Ziel:                            es zum Weinen nicht reicht.
in dem er damals flog, sei im Früh-      die Wahrheit so gut wie möglich zu                           Doch damit ist bald Schluss. Einen
ling 2003 von Granaten getroffen         schildern.                                                   Tag nach der Sendung zu Brian Wil-
                                                                                  •

worden. Was den Piloten zu einer                                                                      liams kündigte Jon Stewart – unter
Notlandung in der Wüste zwang.           Lachen statt Weinen                      Auftritt zweier     Tränen – seinen eigenen Abgang an.
                                                                                  Grossen: Barack
Die Geschichte tönt heldenhaft und       Damit änderte er den Journalismus.       Obama war der       Wohl im Herbst hört Stewart auf. «Wo
spektakulär. Nur: Sie ist erfunden.      Stewart, Moderator einer Witz-Sen-       erste amtierende    soll ich mich künftig allabendlich
Ein anderer Helikopter geriet unter      dung, hat seit Jahren mehr Glaub-        US-Präsident,       informieren?», twitterte dazu auf­
Beschuss und musste sofort landen.       würdigkeit als herkömmliche Repor-       der Jon Stewarts    geregt und treffend der ehemalige
                                                                                  «Daily Show» be-
Just zerfetzten US-Journalisten Wil-     ter. Komplizierte Themen erklärt er      suchte. Zu seinen   US-Präsident Bill Clinton, 68.
liams, bezichtigten ihn tagelang als     verständlich. Bigotte Politiker ent-     Gästen gehörten     Was Stewart tut, weiss er noch nicht.
Lügner. Letzten Februar trat er ab,      larvt er, ebenso korrupte Manager.       auch Bill und       Vielleicht geht er nach Hollywood.
seine Ehre wohl für immer verloren.      Treffend beschreibt ihn die «New         Hillary Clinton.    2013 nahm er eine Auszeit und führte

Heuchelei entlarven
Einer aber sah das Gezänk um Wil-
liams etwas anders – wie so oft. Jon
Stewart, 52 und Anchorman der
«Daily Show», entlarvte die Heuche-
lei der Ankläger – der Journalisten.
Sicher, über Williams machte sich
Stewart lustig: Wie andere föhnfri-
sierte Moderatoren sei er vor allem
von sich selbst eingenommen, glau-
be, Teil der Geschichte zu sein. Dann
aber zeigte Stewart auf, wie die
­US-Medien vor dem Einmarsch in
 den Irak die Lügen der US-Regierung
 verbreitet hatten. Was über einer
 Million Menschen das Leben kostete.
 Die Invasion ist ein zentraler Grund
 für das heutige Chaos im Nahen und
 Mittleren Osten. «Endlich wird einer
 zur Rechenschaft gezogen wegen
 Lügen zum Irakkrieg», sagte Stewart
 und verdichtete mit bitterbösem
 Sarkasmus messerscharf die Wahr-

12 |    DOMO – März 2015
Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier
Fernsehen
                                                          •
Regie bei einem Spielfilm. «Ich habe
einige Ideen», sagte er am TV. Und
                                                                                                                                                                                                                                    •                  Der tiefe Fall eines
                                              Demonstration
                                                                                                                                                                                                                                                       amerikanischen
warum hört Stewart auf? «Weil ich                                                                                                                                                                                                   «Ich habe mehr
                                           für mehr Vernunft                                                                                                                                                                        Minarette auf
unter der Woche wieder mal mit                    in den USA:                                                                                                                                                                       meinem Auto als
meiner Familie essen möchte», sagte             Ende Oktober
                                               2010 luden die
                                                                                                                                                                                                                                    in der Schweiz
                                                                                                                                                                                                                                    stehen»:
                                                                                                                                                                                                                                                       Fernsehstars
der Vater von zwei Kindern. «Mehre-
re Quellen haben mir versichert, dass           Kabarettisten                                                                                                                                                                       Jon Stewart        Journalisten haben in einer
                                             Stephen Colbert                                                                                                                                                                        verhöhnte das
das ganz nette Menschen sind.»                     (l.) und Jon                                                                                                                                                                     Schweizer Verbot   Demokratie eine grosse Verant-
                                           Stewart zur «Rally                                                                                                                                                                       von Minaretten     wortung. Sie müssen die Wahrheit
«Stop hurting America»                      to Restore Sanity                                                                                                                                                                       in der «Daily      sagen, lügen dürfen sie nicht.
Er hinterlässt ein Publikum, das lie-      and/or Fear» nach                                                                                                                                                                        Show» im           Weil er log, hat Brian Willams, 55,
                                                 Washington.                                                                                                                                                                        November 2009.
ber lachend als ernsthaft die Nach-                                                                                                                                                                                                                    seinen Job verloren. Er war der
richten erfährt. Das aber sehr wohl                                                                                                                                                                                                                    Star unter den amerikanischen
versteht, wie Medien funktionieren                                                                                                                                                                                                                     Nachrichtenmoderatoren. Seit
– dank Stewart. Er hat ihnen aufge-                                                                                                                                                                                                                    dem 2. Dezember 2004 führte er
zeigt, wie dümmlich TV-Sender zu-                                                                                                                                                                                                                      durch «NBC Nightly News», die
weilen Quoten bolzen. Wie sie sich in                                                                                                                                                                                                                  Hauptabendnachrichten des
dumpfem Zank verstricken, statt                                                                                                                                                                                                                        US-Senders NBC. Dafür erhielt er
echte Debatten zu führen. So bodig-                                                                                                                                                                                                                    jährlich ein Salär von 10 Millionen
te er mit einem Auftritt im Herbst                                                                                                                                                                                                                     Dollar. Williams war sein Geld
2004 die CNN-Talk-Sendung «Cross-                                                                                                                                                                                                                      wert. Mit durchschnittlich
fire». Bei dieser Sendung kläffen sich                            ja nicht immer die Fische liefern.»     Letterman, 69, verschaffte ihm beim      zeigte Empathie für die Opfer, war      Landes verschandeln. «Vermutlich                            9,3 Millionen Zuschauern steht
ein linker und ein rechter Talker ge-                             Selbstkritisch fügt er an: «Er erhält   MTV 1993 eine eigene Sendung. Sie        selbst eines. New York, die Stadt, die  gibt es einfach ganz viele Minarette                        die Sendung an der Spitze der
genseitig an. «Warum tut ihr das?»,                               sehr viele Fische von uns.»             floppte. Sechs Jahre später erhielt er   er so liebt, war angegriffen worden.    in der Schweiz.» Der Komiker liess sie                      amerikanischen News-Shows.
fragte Stewart die Kläffer. Und er trat                                                                   die «Daily Show» bei Comedy Central      US-Präsident Bush behauptete spä-       zählen. Und kam auf vier Türme.                             Seit 10. Februar moderiert Brian
nach: «Stop hurting America», bat er                              Ein Junge aus New Jersey                – und veränderte das amerikanische       ter, der Irak hätte ein Arsenal Mas-    Stewart zuckte die Schultern, rollte                        Williams nicht mehr. Sein Lohn ist
sie, «hört auf, Amerika weh zu tun.»                              Stewart wuchs in New Jersey auf, in     Fernsehen wie die US-Politik.            senvernichtungswaffen – und mar-        die Augen. «Ich habe mehr Minarette                         sistiert. Weil er Glaubwürdigkeit
So löste er eine Debatte mit Folgen                               Sichtweite Manhattans. Er studierte     Wochenlang rangen nach den Präsi-        schierte nach Bagdad. Die meisten       auf meinem Auto montiert», sagte es                         und Vertrauen verloren hat.
aus. CNN setzte «Crossfire» ab.                                   Psychologie. «Mein wichtigster Ent-     dentschaftswahlen im Herbst 2000         Journalisten marschierten gedank-       – und blendete einen mit Minaretten                         Der gross gewachsene Kerl hatte
Stewart beschmutze die Presse und                                 scheid war aber der Umzug nach New      George W. Bush, 68, und Al Gore, 66,     lich mit, stellten jahrelang nur zahme  verzierten Chevy ein. Seufzend                              seine Einsätze als Kriegsreporter
die Politik nicht mit Dreck, schrieb                              York», sagte er in einem Radio­         um Stimmen in Florida. Stewart aber      Fragen. Nicht so Stewart. Niemand       wandte er sich an alle Schweizer:                           überhöht dargestellt. Während
die «New York Times». Er zeige nur,                               interview. Auf der anderen Seite des    zeigte, wie brüchig und letztlich        zeigte deutlicher, wie die US-Regie-    «Wie ist es möglich, dass ihr so be-                        der Irak-Invasion 2003 war
wie dreckig die Politik und die Presse                            Hudson Rivers eröffnete sich ihm        unfair die Demokratie in den USA ist.    rung das Volk vor dem Krieg anlog.      kannt seid für eure Neutralität – und                       Williams ein «embedded report-
wirklich seien. «Wenn Stewart Fische                              eine neue Welt. Auf schummerigen        Dass Wahlen mit Geld und nicht mit                                               jetzt unternehmt ihr trotzdem einen                         er», reiste mit US-Soldaten.
in einem Bottich angelt», zitiert das                             Club-Bühnen witzelte er als Kabaret-    Argumenten gewonnen werden.              Ein linkischer Liberaler                derart aggressiven Schritt?»                                Damals berichtete er korrekt, ein
Blatt den Fox-News-TV-Journalisten                                tist, jobbte in Bars, moderierte bei    In der ersten Sendung nach den Ter-      Er steht zu seiner Vorliebe für libera- Bissige Beobachtungen bescherten                            vor ihm fliegender US-Helikopter
Greg Gutfeld (50), «müssen wir ihm                                «Comedy Central». TV-Legende David      roranschlägen von 9/11 weinte er,        le Demokraten in den USA, seiner ihm grossen Erfolg. Erfolg, der ihn                                sei beschossen worden. Zwölf
                                                                                                                                                   Abneigung der konservativen Repu- reich machte. Laut «TV Guide» ver-                                Jahre später, Williams war
                                                                                                                                                   blikaner. Gleichwohl kritisiert er die diente Stewart zuletzt zwischen 25                           mittlerweile nicht mehr Journalist
ER WAR IHR ZIEHVATER UND VORBILD: DIESE DREI KABARETTISTEN                                                                                         Linken. Er verspottete US-Präsident und 30 Millionen Dollar jährlich – so
                                                                                                                                                   Barack Obama, 53, weil er im Januar viel wie kein anderer Anchorman.
                                                                                                                                                                                                                                                       sondern Moderator, erzählte er die
                                                                                                                                                                                                                                                       Geschichte anders. Sein Hub-
VERDANKEN JON STEWART IHREN ERFOLG.                                                                                                                am Marsch für die Opfer des Atten- Allein schaffte Stewart das nicht.                               schrauber sei ins Visier geraten
                                                                                                                                                   tats auf die «Charlie Hebdo»-Redak- Er förderte etliche andere Kabarettis-                          und musste nach einem Treffer
                                                                                                                                                                                                             ten und verhalf ih-                       notlanden. Soldaten, die mit ihm
                                                                                                                                                                                                             nen zu grossen Kar-                       flogen, dementierten. Just kamen
                                                                                                                                                   «Wo soll ich mich künftig                                 rieren (siehe Box).                       andere Berichte von Williams
                                                                                                                                                                                                             Stephen Colbert, 50,                      unter Verdacht, die Realität nicht
                                                                                                                                                   allabendlich informieren?»                                war einer seiner
                                                                                                                                                                                                             Korrespondenten
                                                                                                                                                                                                                                                       richtig abgebildet zu haben.
                                                                                                                                                                                                                                                       Zu viel für NBC. Der Sender stellte
                                                                                                                                                   Bill Clinton , US-Präsident 1993 - 2001                   und startete 2005                         Williams für vorerst sechs Monate
                                                                                                                                                                                                             «The Colbert Re-                          frei. Kaum jemand glaubt, dass der
                                                                                                                                                                                                             port». Darin gibt er                      gefallene Star seine Ehre retten
                                                                                                                                                   tion fehlte. Und weil er sich zu wenig ­einen erzkonservativen Nachrichten-                         und jemals zurückkommen kann.
                                                                                                                                                   um Veteranen kümmerte, die aus Moderator, den er genüsslich persif-
                                                                                                                                                   dem Irakkrieg Heim kehrten.             lierte.
Stephen Colbert, 50                               Bassem Youssef, 40                               John Oliver, 37                                 Die Schweiz nahm er auf die Schippe, Allein beim Hohn blieb es nicht. Ste-
Noch vor Jon Stewart kam Stephen Colbert          Ende Januar 2011 kam der Arabische Frühling      Als Jon Stewart im Sommer 2013 einen            als sie im November 2009 an der Urne wart und Colbert schrieben gescheite
1997 zur «Daily Show». Er war einer der satiri-   von Tunesien nach Ägypten. Der ägyptische        Spielfilm drehte, überliess er dem Briten       Ja zu einem Bauverbot für Minarette Bücher und zogen Ende Oktober 2010
schen Korrespondenten, die mit fabrizierten       Herzchirurg Bassem Youssef versorgte auf         John Oliver den Job als Moderator. Der          sagte. Mit Lob begann der böse Spott: nach Washington – zur «Rally to Res-
Nachrichten die Welt erklärten. Colbert gab       dem Tahrir-Platz Verwundete. Inspiriert von      Kabarettist aus Birmingham kam im Juli          «Schweizer können alles», so Ste- tore Sanity and/or Fear», einer De-
einen erzkonservativen Journalisten – und         Jon Stewart, begann er eine satirische           2006 zur «Daily Show». Sein trockener,          wart. «Dass sie auch hassen können, monstration, bei der die Vernunft
verhöhnte so erzkonservative Journalisten.        Nachrichtensendung auf YouTube. Millionen        glasklarer britischer Humor war oft das         war bisher mir nicht bekannt.» Mina- hergestellt und die Angst beendet
2005 erweiterte er die Figur zur Sendung          schauten zu. Youssef startet die TV-Sendung      Highlight der Sendung. HBO gab ihm 2014         rette?, höhnte er. «Minarette, Kirch- werden soll. Mit ihnen marschierten
«The Colbert Report». Diesen September            «Al-Bernameg» – «Das Programm» –, in der         eine eigene Sendung: «Last Week Tonight         türme – die Architektur ist meine 215 000 Menschen. Es seien zehn Mil-
entsteigt Colbert der Fiktion und übernimmt       er die Politiker Ägyptens verhöhnte. 2014        with John Oliver». Höchst satirisch befasst     liebste Sache an der Religion.» Natür- lionen hier, mokierte sich Stewart über
von David Letterman die «Late Show».              setzte er die Sendung ab – aus Angst.            er sich darin mit sehr ernsthaften Themen.      lich würde er Verständnis zeigen, andere Demos. Colbert twitterte so-
                                                                                                                                                   wenn die Bauwerke die Skyline eines gar: «Es kamen sechs Milliarden.» 

14 |   DOMO – März 2015                                                                                                                                                                                                                                            DOMO – März 2015   | 15
Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier
BLICKPUNKT RINGIER                                                                                                                     An dieser Stelle stellt DOMO regelmässig die besten Fotos vor, die im vergangenen Quartal in Ringier-Titeln publiziert wurden.

Ringier Fotos des Quartals
Vier Bilder aus China, Deutschland und der Schweiz. Ein rockender Bundesrat,
ein Fotograf als «Pilzexperte» und ein Weltmeister auf lauten Sohlen.

SEDRIK NEMETH                    Fotograf    Illustrierte im Backstage-Bereich bei         Wenzhou, einer Stadt im Süden Chinas.                                                                                                                                 1
JULIE BODY                   Bildredaktion   der alljährlich stattfindenden                «Mir gefiel dieses Blau-Weiss des
                                              Verleihung der Swiss Awards gelungen.         Holzes», sagt Fotograf Yu. Er hatte das

1  In einem alten deutschen Kinderlied
   heisst es: «Zeigt her eure Füsse, zeigt
her eure Schuh ...» Wenn man die Füsse
                                              Die sind so etwas wie eine Mischung
                                              aus Oscar und Nobelpreis (natürlich
                                              nicht so bedeutend). «Das war nur
                                                                                            Holzbrett von einer seiner Geschäfts-
                                                                                            reisen mitgebracht – und konnte es
                                                                                            nun für seine Food-Fotoproduktion
und die Schuhe auf diesem Bild sieht,         möglich, weil ich Bastian Baker schon         verwenden.
das im Westschweizer Wochenmagazin            auf einer Tournee durch Japan
L'Illustré erschien, stutzt man               begleitete», sagt Bretscher. Auch Baker
automatisch. Zum einen wegen der              und Burkhalter kennen sich (beide sind        ANDREAS MÜLLER                 Fotograf
ungewöhnlichen Perspektive – zum              Westschweizer), und als der Musiker
anderen gerade wegen dieser Schuhe.           den Politiker zu einer spontanen              ANTJE BERGHÄUSER Bildredaktion
Für eine Serie über Weltmeister in
Randsportarten porträtierte Fotograf
Sedrik Nemeth unter anderem auch
                                              Jam-Session einlud, bot sich der
                                              Fotograf an, den Politiker kurz in
                                              Bakers Künstlergarderobe zu lotsen.
                                                                                            4    Oft ist es so, dass Fotografen mit
                                                                                                 ihren Bildern dazu beitragen, über
                                                                                            Missstände aufzuklären. Es gibt aber
Daniel Leveillé aus Genf. Der 19-Jährige      Dort angekommen, gabs erst mal ein            auch Momente, wo Fotografen
ist Champion im Stepptanz, und die            Bier für jeden, und nach kurzer Zeit          praktische Aufklärungshilfe leisten.
Schuhe sind sein wichtigstes                  lockerte sich die Stimmung auf.               So geschehen bei Andreas Müller, der
Sportgerät. «Ich wollte nicht einfach         Während Burkhalter und Ehefrau                für die Titelgeschichte «Fluchtpunkt
eines dieser unzähligen typischen             lauthals «My baby and I; Oh down to           Deutschland» im Magazin Cicero eine
Stepptanzfotos reproduzieren», sagt           the river we ride» sangen, machte sich        Flüchtlingsfamilie und deren Kleinkind
Nemeth. Zudem störten ihn die Spiegel         Bretscher still ans Fotografieren. Sein       im bayerischen Erding besuchte. Die
im Tanzstudio ungemein. Fotograf              Bild wurde anschliessend vom Büro             kleine Uranus ist neun Monate alt, seit
Nemeth darf nicht selbst im Spiegel zu        des Bundesrats sogar hochoffiziell zum        vier Monaten hustet das Mädchen
sehen sein, er will Bewegung ins Bild         Abdruck freigegeben!                          ständig. Ihr Vater Sahed kommt aus
bekommen, und er möchte diese                                                               Afghanistan, ihre Mutter Nada aus
speziellen Schuhe zeigen. Er bittet                                                         Syrien. Zwei Kriegsflüchtlinge, die sich
Daniel, sich auf den Boden zu setzen,         BIN YU                           Fotograf
                                                                                            in Deutschland kennen- und lieben
ihm seine Füsse entgegenzustrecken                                                          lernten. Mit der Kleinen leben sie jetzt
und dazu ein zweites Paar seiner              KAISER WANG                  Bildredaktion
                                                                                            in einem sechs Quadratmeter kleinen
Schuhe wie ein Jongleur in die Luft zu
werfen. Und was macht der Fotograf?
Er legt sich auf den Bauch und drückt
                                              3   «So ein bisschen Gemüse
                                                  fotografieren – was ist das schon?»,
                                              mag sich manch einer denken. Nun, es
                                                                                            Raum. Küche und Bad teilen sie sich
                                                                                            mit drei weiteren Flüchtlingsfamilien.
                                                                                            Insgesamt wohnen zwölf Menschen
wie in «Schlafposition» ab. «Ist doch         wird grosser Aufwand für Food-Foto-           auf knapp 80 Quadratmetern. Im
eigentlich ganz einfach», scherzt             grafie betrieben. Auch bei Betty’s            Verlauf des Interviews berichtet der
Nemeth. Wir finden: ein grossartiges          Kitchen in China. Dort gibt es eine           Vater der kleinen Uranus, dass es in
Bild!                                         Rubrik, in der Leser regelmässig              ihrem Zimmer überall Schimmelpilz
                                              verraten, wie sie ihren Backofen              habe – an den Wänden, unterm
                                              verwenden, um Kuchen und Brot zu              Fussboden. Und er erzählt, dass er alles
ADRIAN BRETSCHER                 Fotograf
                                              backen oder Gerichte zuzubereiten.            mit Wandfarbe überstrichen habe, der
                                              Fotograf Bin Yu wollte für das Gericht        Schimmel aber immer wieder
NICOLE SPIESS                Bildredaktion
                                              aus gebratenem Gemüse die Farben              durchdringe. Der Fotograf ist

2   Ein Rockstar und ein Ex-Bundes-
    präsident sowie Vorsitzender der
OSZE, der mit seiner Ehefrau zum Song
                                              der frischen Karotten und Spargeln
                                              hervorheben. So entschied er sich für
                                              ein schwarzes Backblech. Allerdings ist
                                                                                            schockiert. Vor allem darüber, dass
                                                                                            diesen Leuten keiner hilft und ihnen
                                                                                            sagt, wie man so ein Problem lösen
«The River» von Bruce Springsteen             sein Objekt der Deckel einer Keksdose.        kann. «Der Mann hatte wirklich keine
abrockt! Wann bekommt man so etwas            Die erhitzte Yu so mit Feuer, bis sie sich    Ahnung, dass man die Wände zuerst
schon zu sehen? Noch dazu in der eher         schwarz färbte und wie ein altes              mit einem Schimmelpilzentferner
beschaulichen Schweiz, wo seit jeher          Backblech aussah. Das Holz, auf dem           behandeln muss. Ich sagte ihm, dass
eine besondere Zurückhaltung geübt            das Blech liegt, hat ebenfalls eine           man ein solches Mittel in der Apotheke
wird. Adrian Bretscher ist dieser             spezielle Geschichte. Es stammt von           kaufen könne. Er war mir so dankbar
Schnappschuss für die Schweizer               einem verlassenen Schiff aus                  dafür.»

16 |    DOMO – März 2015                                                                                                                                                                                                                    DOMO – März 2015   | 17
Flow: Ein Frauenmagazin erobert den Markt - Chancen und Risiken der Generation Smartphone - Ringier
BLICKPUNKT RINGIER           An dieser Stelle stellt DOMO regelmässig die besten Fotos vor, die im vergangenen Quartal in Ringier-Titeln publiziert wurden.
                     2   3                                                                                                                              4
Interview
                                                          Sie ist das Juwel aus dem Verlagshaus
                                                                                                                                                                                     INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE - ANSTÖSSE - INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE

                                                                                                                                                                                        3 EXTRAS
                                                                                                                                                                                      ✻ 1 ILLUSTRIERTER
                                                                                                                                                                                       WOCHENPLANER
                                                                                                                                                                                         ✻ 2 FENSTER-

                                                          Gruner + Jahr: Die «Flow». DOMO blickt hinter
                                                                                                                                                                                            STICKER

                                                          das Geheimnis des Frauenmagazins, das als                                                                                                           Kreativität erfordert den Mut,
                                                                                                                                                                                                                Sicherheiten loszulassen.
                                                                                                                                                                                                                               ERICH FROMM (1900 –1980)

                                                          «Brainspa» gilt.                                                                                                                                                                        PSYCHE Warum uns Achtsamkeit
                                                                                                                                                                                                                                                  in der Partnerschaft gelassen macht
                                                                                                                                                                                                                                                  SIMPLIFY Alleinsein fällt uns oft
                                                                                                                                                                                                                                                  schwer, dabei kann es so schön sein

                                                                                                                                                                                                                                                  KREATIVITÄT Kleine Zeichenstunde

                                                                                                                                                                        NUMMER 2
                                                                                                                                                                                                                                                 THEMA: MUT & VERLETZLICHKEIT

                                                          Text: Bettina Bono. Fotos: Dirk Schmidt
                                                                                                                                                                                                                            Duits0213_CoverlabelDL_NEU.indd 1                              03-01-14 10:46

                                                                                                         Das stimmt. Aber unser Zugang ist
                                                                                                                                                                                   INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE - ANSTÖSSE - INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE

                                                                                                                                                                                      2 EXTRAS
                                                                                                                                                                                     ✻ ILLUSTRIERTER
                                                                                                                                                                                     BRIEFUMSCHLAG
                                                                                                                                                                                     ✻ ACHTSAMKEITS-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   2000 konzentrierte sich der Mensch
                                                                                                         anders. Unsere Texte sind entrüm-                                                                                                                                                                         im Schnitt zwölf Sekunden auf ein
                                                                                                                                                                                       SCHREIBBUCH

                                                                                                         pelt. Wir versuchen nicht, Gedan-                                                                                                                                                                         Thema. 2013 sind es noch acht.
                                                                                                         ken zu verdichten. Im Gegenteil:                                                                  Manche Dinge lernt man am besten
                                                                                                                                                                                                            in der Stille, manche im Sturm.                                                                        «Flow» zählt 140 Seiten – das ist viel
                                                                                                         Wir nehmen die Leserinnen mit auf                                                                                                                                                                         für ein paar Sekunden.
                                                                                                                                                                                                                            WILLA CATHER (1873 – 1947)

                                                                                                         eine Gedankenreise. Wir liefern An-                                                                                                                                                                       Das genau könnte das Geheimnis
                                                                                                                                                                                                                                               VERÄNDERUNG Was dich dazu bringt,
                                                                                                                                                                                                                                               deine Komfortzone zu verlassen
                                                                                                                                                                                                                                               PSYCHE Wie Schreiben gegen Grübeln
                                                                                                                                                                                                                                               hilft, den Kopf klärt und uns stärkt

                                                                                                         stösse, zeigen andere Sichtweisen                                                                                                                                                                         von «Flow» sein. «Flow» verschafft
                                                                                                                                                                                                                                               SELBER MACHEN Schöne Scherenschnitte

                                                                                                                                                             NUMMER 3
                                                                                                                                                                                                                                               THEMA: WAGEN & AUSRUHEN

                                                                                                         auf, aber erklären nicht das Leben.                                                                                                                                                                       den Menschen einen Flow – einen
                                                                                                                                                                                                                         Duits0314_Covercard_Def.indd 1                                 02-04-14 10:12

                                                                                                                                                                 Duits0314_Cover_Def.indd 3                                                                                                       02-04-14 10:11

                                                                                                                                                                                   INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE - ANSTÖSSE - INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE

                                                                                                         Unsere Sprache ist entspannt,                                              EXTRAS
                                                                                                                                                                                     ✻ 1 GIRLANDE
                                                                                                                                                                                    ✻ 27 MACH-DIR-                                                                                                                 Tätigkeitsrausch, den Zustand
                                                                                                         nichts Appellatives. Ausrufezeichen                                                                                                                                                                       völliger Vertiefung. Daher auch
                                                                                                                                                                                    KEINE-SORGEN-
                                                                                                                                                                                        KARTEN

                                                          Bettina Bono (l.) zu Besuch bei «Flow»-Chef-
                                                          redaktorin Sinja Schütte (r.) in Hamburg.      finden Sie pro Ausgabe drei Stück.                                                                                                                                                                        der Name dieses Heftes. «Flow»
                                                                                                                                                                                                             Wahre Größe zeigt sich darin,
                                                                                                                                                                                                             auch im Kleinen groß zu sein.
                                                                                                                                                                                                                     CHARLES SIMMONS (1893 – 1975)
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   entschleunigt – und das ist wahr-
                                                          Frau Schütte, es gibt Dinge, die               Auch sonst scheinen Sie alle gängigen                                                                                                                                                                     scheinlich unbezahlbar.
                                                          vergisst man nie: den ersten Kuss. Die         Regeln, die allgemein für Frauen­
                                                                                                                                                                                                                                           PARTNERSCHAFT So fühlt sich der
                                                                                                                                                                                                                                           Alltag nach einer Trennung an
                                                                                                                                                                                                                                           ZEITGEIST Warum es vollkommen egal
                                                                                                                                                                                                                                           ist, was andere über dich denken
                                                                                                                                                                                                                                           SELBER MACHEN Granny Squares häkeln

                                                          erste Zigarette. Die erste «Flow»?             magazine gelten, zu ignorieren.                                                                                                                                                                           Welche Bedeutung kommt den diver-

                                                                                                                                                      NUMMER 5
                                                                                                                                                                                                                                           THEMA: KLEIN & GROSS

                                                          Ich erinnere mich sehr gut an den              Wir machen in vielem das Gegen-                                                                                                                                                                           sen Papiersorten zu, die Sie für das
                                                          Moment, als die erste deutsche                 teil: keine Frauen auf dem Cover,
                                                                                                                                                                                   INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE - ANSTÖSSE - INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE

                                                                                                                                                                                     EXTRAS
                                                                                                                                                                                    ✻ 5 POSTKARTEN
                                                                                                                                                                                    ✻ 365-TAGE-FLOW-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Heft verwenden?
                                                          «Flow» fertig war. Mir wurde                   keine fetten Schlagzeilen, keine                                                                                                                                                                          Wir drucken auf bis zu acht ver-
                                                                                                                                                                                        KALENDER

                                                          bewusst, wie schmerzhaft es für                Beauty, keine Mode – dafür Illustra-                                                                                                                                                                      schiedenen Papieren. Das Cover,
                                                          mich wäre, wenn die Fachpresse                 tionen und viel Text.                                                                            Die Musik steckt nicht in den Noten.
                                                                                                                                                                                                           Sondern in der Stille dazwischen.                                                                       die Papiergeschenke, und je nach
                                                          dieses Produkt zerreissen würde.                                                                                                                                                                                                                         Themenschwerpunkt verwenden
                                                                                                                                                                                                                 WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756 – 1791)

                                                          Da steckte so viel von mir drin –              Warum stellen Sie ältere Bücher vor?                                                                                                                                                                      wir raues offenporiges, samtiges
                                                                                                                                                                                                                                           GUTE ORTE Wie Frauen Treffpunkte
                                                                                                                                                                                                                                           für Kreative schaffen
                                                                                                                                                                                                                                           ZEITGEIST Warum es so guttut,
                                                                                                                                                                                                                                           sich an schöne Momente zu erinnern

                                                          «Flow» ist mein Baby.                          Weil sie wichtig und toll sind – nicht                                                                                                                                                                    oder glänzendes Papier. Wir gehen
                                                                                                                                                                                                                                           IDEE Fotos machen für dein Blog

                                                                                                                                                  NUMMER 6
                                                                                                                                                                                                                                           THEMA: ZUSAMMEN & ALLEIN

                                                                                                         weil sie neu sind. «Flow» muss                                                                                                                                                                            davon aus, dass sich Menschen ger-
                                                                                                                                                                                                                      Duits0614_Covercard_02.indd 1                                  14-10-14 13:19

                                                          Wie hat «Flow» Ihr Herz gewonnen?              man nicht kaufen, um mitreden zu                                                                                                                                                                          ne mit Papier befassen. Besonders
                                                                                                                                                                                   INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE - ANSTÖSSE - INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE

                                                                                                                                                                                      EXTRAS
                                                                                                                                                                                    ✻ HANDLETTERING-

                                                          Über das gute Gefühl, wenn man                 können. Wir nehmen die Aktualität                                                                                                                                                                         Frauen lieben Blöcke, Schreibhefte,
                                                                                                                                                                                       ÜBUNGSBUCH
                                                                                                                                                                                        ✻ BÜCHER-
                                                                                                                                                                                        KÄRTCHEN

                                                          das Heft anfasst und anschaut. Die             bewusst raus.                                                                                                                                                                                             Briefpapier ... Papier ist etwas sehr
                                                          Texte konnte ich leider nicht lesen.                                                                                                   Ich achte nicht auf die Vernunft. Sie empfiehlt
                                                                                                                                                                                                   immer nur, was ein anderer gern möchte.                                                                         Sinnliches.
                                                          Denn «Flow» wurde von zwei Hol-                Warum soll ich denn «Flow» kaufen?
                                                                                                                                                                                                                      ELIZABETH GASKELL (1810 –1865)

                                                          länderinnen erfunden. Das Konzept              «Flow» ist das Magazin, das sich                                                                                                                                                                          Gleichzeitig ist «Flow» auf Social
                                                          ist sehr durchdacht: Schriften,                Zeit nimmt. Ein Magazin für Frau-                                                                                                                                                                         Media aktiv. Kein Widerspruch?

                                                                                                                                                        NUMMER 7
                                                          Farben, Bildsprache, Papier greifen            en, die in der Rushhour des Lebens              Duits0714_Cover_DEF.indd 3                                                                                                              08-12-14 16:16
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Unsere Leserinnen sind keine
                                                          sehr fein ineinander und wirken                stecken und versuchen, Ruhe zu                                            Seit 2008 ist                                                                                                                   ­Papier-Nerds. Sie sind online.
                                                          zusammen auf vielen Ebenen. Man                finden – für sich zu erkennen, was                                        «Flow» auf dem                                                                                                                   Anstelle einer grossen Webseite
                                                          spürt sofort die positive Stimmung             wirklich wichtig ist.                                                     niederländischen                                                                                                                 setzten wir von Anfang an auf
                                                          des Heftes.                                                                                                              Markt erfolgreich.                                                                                                               Facebook und Instagram. Die Blog-
                                                                                                         Männer lesen keine «Flow»?                                                Im November 2013                                                                                                                 ger besprachen die neue «Flow»
                                                          Sie vertrauten darauf, dass es ande-           Doch, schon. Viele sagen das aber                                         lancierte G+J die                                                                                                                lange und ausgiebig. Das half uns
                                                          ren auch so geht.                              nicht gerne laut. Auch hier im                                            erste deutsche                                                                                                                   enorm. Es war wie ein Lauffeuer.
                                                          Ich war mir sicher, dass dieses lie-           Verlag sprechen einige männliche                                          Ausgabe als                                                                                                                      Wir waren mit dem ersten Heft
                                                          bevolle Konzept ankommen würde.                Kollegen lächelnd vom Bastelheft.                                         Lizenzausgabe von                                                                                                                technisch ausverkauft, sodass die
                                                          G+J steht für intelligenten Inhalt                                                                                       Sanoma Media                                                                                                                     erste Ausgabe noch während der
                                                          und hochwertige Zeitschriften.                                                                                           Netherlands. 2015                                                                                                                Angebotszeit auf eBay für € 25,–
                                                          «Flow» war wie ein kleiner Schatz,             persönlich                                                                werden erstmals                                                                                                                  versteigert wurde. Auf Instagram

                   Sinja Schütte, «Flow»-Chefredaktorin
                                                          der unserer Philosophie entspricht.                                                                                      acht Ausgaben pro                                                                                                                haben wir heute 10 000 Follower.
                                                          Wir wussten, wenn wir 40 000                   Geburtsdatum: 14. 9. 1970                                                 Jahr erscheinen.                                                                                                                 Diesen Account pflege ich zum

                   «Wir machen das
                                                          Stück verkaufen, kommen wir ohne               Familie: Ehemann Sven (Fotograf,                                          Die Druckauflage                                                                                                                 Grossteil selbst.
                                                          Anzeigen aus. Dass es so viele mehr            Journalist, Filmemacher), Töchter                                         beträgt 220 000
                                                          anspricht, war eine Überraschung.              Frida, 8, und Emmi, 4                                                     Stück. «Flow» hat                                                                                                               Dann wissen Sie sicherlich, was Ihre
                                                          Ich erhielt Leserbriefe, die sagen:            Karriere: Kam 1998 als Trainee zu G+J,                                    25 000 Abonnen-                                                                                                                 Leserinnen so posten?
                                                          «Endlich gibt es ein Heft, das mich            baute «Living at home online» auf,                                        ten. Ein Heft kostet                                                                                                            Erscheint eine neue «Flow», posten
                                                          versteht. Ihr sprecht mir aus dem              arbeitete zehn Jahre für «Brigitte»                                       € 6,95.                                                                                                                         sie oft «Flow»-Bilder und schreiben

                   Gegenteil»
                                                          Herzen.» Wir scheinen hier wirklich            (u. a. Redaktionsleiterin «Brigitte                                                                                                                                                                       darunter: «Ich freu mich so. Wenn
                                                          einen Zeitgeist getroffen zu haben.            Balance»), seit Juni 2013 Chefredakto-                                                                                                                                                                    ich heute Abend nach Hause
                                                                                                         rin «Living at home» und «Living                                                                                                                                                                          komme, dann lege ich mich mit der
                                                          Dabei schreiben Sie über Familie,              online», seit November 2013 zusätzlich                                                                                                                                                                    Flow ins Bett.» Sehen Sie, genau das
                                                          Freundschaft, Kochen, Reisen,                  Chefredaktorin von «Flow»                                                                                                                                                                                 war die ursprüngliche Idee dieses
                                                          porträtieren Menschen – Themen, die            Ohne kann ich nicht sein: Süsses –                                                                                                                                                                        Heftes: Es will das Dieser-Moment-
                                                          auch andere Zeitschriften behandeln.           Kekse, es muss im Kopf krachen                                                                                                                                                                            gehört-mir-Gefühl auslösen.

18 |   DOMO – März 2015                                                                                                                                                                                                                                                                                                         DOMO – März 2015    | 19
Digitaltrends

                          Ringiers Mann
                                                                                                                                        dafür. «Ich bin stets unterwegs, gehe
                                                                                                                                        auf Firmen zu, bin dort, wo Projekte
                                                                                                                                        angeschoben, diskutiert und weiter-
                                                                                                                                        gebracht werden.» Büro? Ablage?
                                                                                                                                        Braucht er nicht mehr. Vor fünf Jah-

                          fürs Digitale
                                                                                                                                        ren hörte er auf, Dokumente auszu-
                                                                                                                                        drucken. «Ich speichere alles in der
                                                                                                                                        Cloud, teile es dort mit Kollegen, die
                                                                                                                                        jederzeit darauf Zugriff haben.» Als
                                                                                                                                        er kürzlich einen neuen Laptop be-
                                                                                                                                        nötigte, dauerte es wenige Minuten,
                                                                                                                                        diesen einzurichten. «Früher musste
                          Eine «Start-up»-Garage sucht man bei Thomas Kaiser                                                            da einer mindestens einen halben
                                                                                                                                        Tag lang Dateien herumschieben.»
                          vergebens. Ebenso Hipster-Bart oder den im Silicon                                                            Intelligente Blumentöpfe
                          Valley obligaten Hoodie. Der CEO von Ringier Digital ist                                                      «Nichts ist vor Vernetzung sicher»,
                                                                                                                                        titelte die «Frankfurter Allgemeine»
                          eher still und unaufgeregt unterwegs – um Trends auf-                                                         kürzlich. Wer hat sich nach der Rück-
                                                                                                                                        kehr aus dem Urlaub nicht schon
                          zuspüren und neue lukrative Geschäfte zu erschliessen.                                                        geärgert, weil die Zimmerpalme
                                                                                                                                        vertrocknet war. Das französische
                          Text: René Haenig. Fotos: Karl-Heinz Hug                                                                      Unternehmen Parrot, eher bekannt
                                                                                                                                        für Fahrzeugelektronik und Droh-

                          W       enn Thomas Kaiser, 48, seinen
                                  Blick aus dem Fenster schwei-
                          fen lässt, dann hat der Chief Execu-
                                                                     sität St. Gallen), beschäftigt sich seit
                                                                     1995 mit der Entwicklung von Unter-
                                                                     nehmen im Bereich neue Medien.
                                                                                                                •
                                                                                                                Thomas Kaiser am
                                                                                                                                        nen, stellte auf der CES einen intelli-
                                                                                                                                        genten Blumentopf vor. Er besitzt
                                                                                                                                        einen integrierten Wassertank sowie
                                                                                                                Sitz von Ringier
                          tive Officer (CEO) von Ringier Digital     Als CEO verantwortet er derzeit On-        Digital in Flamatt.     Sensoren, die Feuchtigkeit, Tempe-
                          derzeit verschneite Hügel und Wäl-         line-Marktplätze wie Autoscout24.                                  ratur, Licht und Düngemittelstand
                          der vor Augen. Kaisers aktueller           ch, Jobs.ch und Immoscout24.ch;                                    messen. Eine dazugehörige Smart-
                          ­A rbeitsplatz in Flamatt FR ist, wenn     eCommerce-Unternehmen wie Dein-                                    phone-App verfügt über eine Daten-

                                                                                                                •
                           man so will, die «Start-up-Garage»        deal.ch, Geschenkidee.ch und Qua-                                  bank mit den Licht- und Wasserbe-
                           des international tätigen Medienhau-      lipet Digital sowie Digital-Marketing-     Sesam, öffne dich!      dürfnissen Tausender von Pflanzen.
                           ses Ringier. Nur ist die «Garage» in      Dienstleister wie Omnimedia. Sein          Im Hotel der Zu-        Die Pflanze im Topf wird so automa-
                           diesem Fall ein hochmoderner vier-        Rüstzeug holte er sich bei Bertels-        kunft, das derzeit      tisch bewässert, der Besitzer kann es
                                                                                                                am Fraunhofer-
                           stöckiger Bau, der neben der Auto-        mann und Burda in Deutschland.             Institut in Stuttgart   aber auch manuell per Smartphone
                           bahn A12 liegt. Die führt von der         Kaiser ist up to date, was die digitale    erprobt wird, benö-     steuern.
                           Hauptstadt Bern nach Vevey – quasi        Entwicklung angeht. Auf sein Büro          tigen Gäste keine       Kaiser ist immer wieder in den USA
                           in den «wilden Westen» der Schweiz.       könnte er verzichten. «Das klassische      Schlüssel mehr –        zwischen Ost- und Westküste unter-
                                                                                                                und den Champag-
                           Und während im legendären Silicon         Denken, dass man seinen festen Ar-         ner serviert künftig    wegs, informiert sich in Blogs und bei
                           Valley, dem damaligen Wilden Wes-         beitsplatz hat, verschwindet», ist er      der Roboter aufs        Events über Trends. «Ich schaue
                           ten der USA, einst Büffel weideten,       überzeugt. Er selbst ist ein Beispiel      Zimmer.                 Leuten permanent über die Schulter.
                           grasten in Flamatt früher vor allem
                           Milchkühe. Die Zeiten ändern sich –
                           und Kaiser hat in Flamatt vor allem
                           eines vor Augen: die digitale Zu-
                           kunft!

                          Internet verlässt Bildschirm
                          Die Entwicklung geht schnell voran
                          – und smart. «Smart Living», «Smart
                          Entertainment», «Smart Mobility»
                          lauten die Schlagworte. Nicht erst
                          seit der Konsumgütermesse CES in
                          Las Vegas spricht alle Welt vom
                          «Internet der Dinge». Kaiser sagt:
                          ­
                          «Das Internet, wie wir es kennen,
                          verlässt den Bildschirm und schlüpft
                          in Alltagsgegenstände hinein.» Es
                          gibt aktuell viele Entwicklungen –
                          sinnvolle und weniger sinnvolle –,
                          die das Alltagsleben angenehmer
                          und einfacher machen werden. Eine
                          riesige Geschäftschance – auch für
                          Ringier.
                          Kaiser, studierter Betriebswirtschaf-
                          ter der renommierten HSG (Univer-

20 |   DOMO – März 2015                                                                                                                              DOMO – März 2015    | 21
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