Streife - Begegnungen mit und ohne Respekt! - Polizei NRW
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04 | 2020 Magazin für die Polizei in Nordrhein-Westfalen
Streife
Begegnungen
mit und ohne Respekt!
Nachts in Bochum und Bielefeld –
von Provozieren und Ertragen (müssen)
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Foto: Tim Wegner
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EDITORIAL
Streifzug d
■ DÜSSELDORF Susanna Heusgen (53)
Liebe Leserin, lieber Leser,
diskutiert mit dem 30-jährigen Dominic
das Ansehen der Polizei Nordrhein- Riege am Beispiel der Düsseldorfer Alt-
Westfalen hat einen Schaden durch stadt, wie sich der Job verändert hat. Sie
die Fälle von Fremdenfeindlichkeit ist wütend, wenn Riege davon spricht,
und Rechtsextremismus erlitten. von Bürgern angespuckt zu werden.
Doch eines ist klar: Die übergroße
Mehrheit der Beschäftigten ist de-
4 17
mokratisch und rechtsstaatlich. Und
genau für die und ihr Ansehen müs-
sen wir mit aller Entschlossenheit
gegen die üblen Machenschaften
von Extremisten vorgehen. Ich habe
Ihnen ja schon in einer Mail im Sep-
tember versprochen: Diese Fälle
werden restlos aufgeklärt. Dieses
Versprechen erneuere ich hiermit.
Zuletzt ist mir ein paar Mal die Hut-
schnur geplatzt. Nämlich immer
dann, wenn ich auf angeblich struk-
turellen Rechtsextremismus bei der
Polizei angesprochen wurde. Bei mir
hört jedes Verständnis auf, wenn da-
mit die Arbeit und die Haltung von ■ BOCHUM/BIELEFELD
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Menschen in Zweifel gezogen wer- Tim Richter (34) ist einer ■ MÖNCHENGLADBACH
den, die sich tagein, tagaus mit aller der Beamten, mit denen un- Detlev Boßbach hat die EK „Takim“ in
Kraft für die Gesellschaft einsetzen ser Reporter-Team in Bo- Mönchengladbach geleitet, in der
und bisweilen im Dienst sogar ihr chum unterwegs war, um 20 Beamte aus ganz NRW zusammen-
Leben riskieren. vor Ort zu sehen, wie weit es arbeiteten und schließlich die Mitglieder
her ist mit dem Respekt einer hochgefährlichen islamistischen
Es gibt viel zu beleuchten, zu hinter- beim Einsatz auf der Straße. Terrorzelle von Tadschiken festnahmen.
fragen und zu analysieren. Die Re-
daktion der „Streife“ arbeitet des-
halb an einer Schwerpunktausgabe.
… und durch Landesoberbehörden und Kreispolizeibehörden
Ein Thema, das mir sehr am Herzen
liegt, greift diese Ausgabe auf: Es 15 Eingriffstechniken: Was wird gelehrt, 22 Waffenrecht: Neue Vorschriften
geht um den Respekt, der der Polizei, was darf man wie und wann einsetzen? 23 Nachwuchs: Mit viel Respekt den Eid
der Feuerwehr und den Rettungs- Handgriffe und Taktiken aus dem tägli- gesprochen
kräften viel zu oft auch vorenthalten chen Schulungsplan beim LAFP in Selm. 24 NRW: Noch mehr Neueinstellungen bei
wird. 16 Namen und Nachrichten: Respekt-Pins der Polizei
ans Revers 26 Innovation: Waffenvernichtung
Einiges stimmt mich mit dem Blick 20 Karriere: Der Pfad zu internationalen 28 Wanderausstellung: „Kraftraum“ und
auf die Topstory sehr nachdenklich. Missionen „Grenzgang“ auf Reisen
22 Kampagne: Sicher im Alter
Die Lektüre lohnt sich auf jeden Fall.
Ihr Herbert Reul
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g durch NRW …
■ DÜSSELDORF Fabian zur Linden
■ NEW YORK Stefan Schwarz ist mal wie- freut sich über jede Innovation, die seinen
der unterwegs. Dieses Mal hat der Kölner Polizeiberuf einfacher macht. Seit zwei
für New York gepackt, wo er Jahren nutzt der 28-Jährige in Düsseldorf
in den nächsten zwei Jahren für die schon die Bodycam, die seit Juni 2020
Vereinten Nationen Polizisten aus 80 Län- landesweit zur Ausstattung gehört.
dern für internationale Missionen schult.
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Foto: mb-mediaworld
20 34 ■ AACHEN Tagsüber ermittelt
■ MÜNSTER Der in Herford geborene er, abends steht er auf der
Sozialdemokrat Carl Severing war Bühne: Kriminalhauptkommissar
Reichsinnenminister der Weimarer Oliver Schmitt aus Aachen ist ein
Republik und preußischer Innenminister. Freizeitschlagerstar. Bei der
Er hat die Polizei bürgernah gemacht. Vereidigungsfeier auf Schloss
Das Bildungszentrum des LAFP in Augustusburg sang der
Münster trägt seinen Namen. 50-Jährige die Nationalhymne.
den Impressum
28 Investitionen: Das Land gibt 680 Millio- Frücht, Ingo Wünsch, Michael Schemke, Herausgeber:
nen Euro für neue Quartiere und Ein- Gerrit Weber und Martin Beils tragen in Ministerium des Innern
des Landes Nordrhein-Westfalen,
richtungen der Polizei. Zukunft noch mehr Verantwortung.
Friedrichstraße 62-80, 40217 Düsseldorf
36 Namen und Nachrichten: Quizmaster 42 Politik: Fußball und Polizei Hand in
Verantwortlich:
Alexander Bommes holt die „Streife“ Hand gegen Gewalt im Stadion Martin Beils (V.i.S.d.P.)
als Frage in seine Sendung „Gefragt – 43 Vorschau: Die nächste „Streife“ Redaktion:
Gejagt“. kommt als Schwerpunktausgabe zum Iris Wüster, Samira Jawaid
40 Aus unseren Reihen: Ein „Fanmobil“ Thema Rechtsextremismus. Agentur:
geht in Bochum in Rente, in Mettmann BEST CONTENT Communications, Düsseldorf
stehen Kühe im Autohaus und Christine Druck:
JVA druck+medien
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BOCHUM UND BIELEFELD
»AUCH WIR B
Polizeiarbeit auf der Partymeile am Wochenende: ein schwieriger Job in außergewöhnlichen Zeiten
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R BRAUCHEN RESPEKT«
E
in neues Feierverhalten ist in sich. Die Polizei in NRW kontrolliert
den Innenstädten ausgebro- mittlerweile die Szene intensiv und
chen. Nicht in Clubs und Knei- ist dabei immer wieder Anfeindungen
pen, sondern unter freiem Himmel. ausgesetzt. Am ersten Wochenende
Das junge Partyvolk bringt Alkohol, im September haben wir die Kollegin-
Fotos: Tim Wegner
Musikanlagen und Drogen mit. Die nen und Kollegen in Bochum und
Beschwerden der Anwohner häufen Bielefeld zu den Hotspots begleitet.
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ir unterstützen mit meint der Einsatzleiter. „Es ist gut, zeioberkommissar Tim Richter heu-
20 eigenen Kräften dass wir von der Polizei dabei sind.“ te ihre Uniform angezogen. „So
das Ordnungsamt der können wir einheitlich auftreten.“
Stadt“, erläutert Poli- Die Klagen wegen Ruhestörung und Die drei werden durch fünf Teams
zeihauptkommissar Björn Schüler des zurückgelassenen Mülls haben der verschiedenen Bochumer Poli-
den Sondereinsatz am Freitagabend in den vergangenen Wochen weiter zeiwachen und durch eine Abord-
in Bochum. Er sitzt in einem Aufent- zugenommen. Aus der Menge heraus nung aus dem Einsatztrupp und
haltsraum des Bochumer Polizei- kam es zu Sachbeschädigungen, Schwerpunkdienst verstärkt. In den
präsidiums, das direkt neben dem Raubdelikten oder Körperverletzun- vergangenen Wochen sei es an den
Deutschen Bergbau-Museum liegt. gen. Häufig sind auch Verstöße gegen kritischen Orten oft „sehr turbulent“
Die Stadt, in der schon lange keine das Jugendschutzgesetz dabei. „Wir gewesen, fasst Schüler die Lage zu-
Kohle mehr gefördert wird, gehen mit Augenmaß vor“, betont der sammen.
schwimmt nicht gerade im Geld. 43-jährige Beamte des Einsatztrupps.
Die hochsommerliche Hitze, die eine
nervöse Umtriebigkeit bei den Ju-
Wir gehen mit Augenmaß vor. gendlichen erzeugte, hat sich gelegt.
Björn Schüler „Es ist recht kühl. Vielleicht wird
nicht viel los sein. Wir haben aber
keine Glaskugel, um vorherzusehen,
Das Ordnungsamt patrouilliert mit Ausnahmsweise haben Schüler und was passiert“, meint Uebel, ein klas-
weiß lackierten Kleinwagen. Das seine beiden Partner Polizeihaupt- sischer Kumpeltyp aus dem Ruhrge-
flößt nicht allzu viel Respekt ein, kommissar Henning Uebel und Poli- biet. „Seit Anfang Mai sind immer
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Nur ein paar Schritte entfernt von der Bielefelder Polizei-
wache Ost, in der sich früher das Polizeipräsidium befand,
verunglimpft ein Sprayer alle Polizisten als Mörder.
mehr Jugendliche und junge Er- de. „Permanent wird uns neuerdings Amerika ist überhaupt nicht mit uns
wachsene aus allen Schichten zu- Rassismus unterstellt.“ Der 34-Jäh- vergleichbar. Ausbildung und Kultur
sammengeströmt. Die Stimmung ist rige schüttelt darüber den Kopf. „Ob sind dort völlig anders.“
zuletzt ziemlich aggressiv gewe- die Leute blau, grün, lila oder orange
sind, ist mir völlig Der Respekt vor allen Bürgern gehö-
Wir kennen unsere Klientel egal.“ Man han-
dele, wenn ein
re zur DNA der deutschen Polizei,
hebt Uebel hervor. Fehlverhalten von
und die kennt uns. Einschreiten ge- Kolleginnen und Kollegen werde
Tim Richter boten sei. „Da konsequent geahndet und sei die
darf die Hautfar- Ausnahme. „Das wird in der Diskus-
sen.“ Die Klientel an den Hotspots be keine Rolle spielen.“ Als Angehö- sion leicht vergessen.“
provoziere gern und wolle stunden- riger eines Einsatztrupps sei man
lang diskutieren. „Trotzdem ist ir- gegenüber den Streifenpolizisten im Inzwischen sei es fast normal, „dass
gendwann Schluss. Der Beschwer- Vorteil. „Wir kennen unsere Klientel uns beim Einsatz auf der Straße der
deweg steht selbstverständlich und die kennt uns.“ Das verschaffe Stinkefinger gezeigt wird“, ärgert
jedem offen“, sagt der 46-jährige ein Plus an Autorität. sich der Bochumer. Das mache
Familienvater. Schule. Personalien würden verwei-
Über die von einigen Medien unter- gert und manche wehren sich vehe-
Seit die Gewalt auf den Straßen der stellte Gleichsetzung mit den Ver- ment gegen eine Überprüfung. „Wird
USA eskaliert ist, ist die Situation in hältnissen in den Vereinigten Staa- dann Zwang angewendet, beschimp-
Bochum angespannter geworden, ten kann sich Kollege Uebel nur fen uns die Umstehenden und dre-
findet Tim Richter, der Dritte im Bun- wundern. „Das nervt. Die Polizei in hen Handyvideos.“
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Die in den sozialen Netzwerken ver-
breitete Festnahme-Sequenz vom
August aus der Düsseldorfer Altstadt,
als ein 15-Jähriger nach Widerstand
in Gewahrsam genommen wurde, ist
für Einsatzleiter Schüler ein typi-
sches Beispiel. „Im Netz sieht das
beinahe wie in Minneapolis aus.“
Doch ein Video aus einer anderen
Perspektive zeige klar, dass der Kopf
vorschriftsmäßig fixiert worden sei.
Es ist 22 Uhr. Der Einsatz beginnt.
An Tim Richters Uniform ist eine
Bodycam befestigt. „Auf diese Wei-
se dokumentieren wir, was pas-
siert“, erklärt er. „Das kann polizei-
rechtlich wie strafprozessual von
Bedeutung sein.“
Am Musikforum haben sich vor al-
lem Jugendliche versammelt. Es ist
ruhig. Man sitzt auf Stufen, unter-
hält sich, trinkt. Die Mitarbeiter des
Ordnungsamtes – auch in Uniform –
checken die Ausweispapiere und
mahnen zum baldigen Aufbruch.
„Wir haben Nachtruhe. Is klar, ne“,
sagt einer von der Stadt väterlich.
„Und räumt die Sachen zusam-
men.“ Die Mädchengruppen lachen.
„Wie geht es?“, rufen einige beson-
ders Übermütige den am Rand ste-
henden Polizisten zu. Zwei Jungs,
schon mit schwerer Zunge, haben
Einwände, wissen aber nicht so
recht, wie sie die artikulieren sollen.
Am Schauspielhaus ist es deutlich
voller. Mitternacht rückt näher. Ein
alkoholisierter Mann spricht Björn
Schüler, Henning Uebel und Tim
Richter an. „Ich will keinen Ärger
machen, aber warum kontrolliert ihr
hier?“, nuschelt der Youngster. Im-
mer wieder stichelt er und versucht,
die Polizisten in ein Gespräch zu
verwickeln. Die drei bleiben gelas-
sen. Schließlich zieht ein Junge im
blauen Hoodie den Angetrunkenen
weg.
In Bochum ist die Situation angespannt. Der Polizei kontrolliert besonders am Wochenende
die Hotspots. Seit den Übergriffen in den USA wird den Einsatzkräften pauschal Rassismus
unterstellt.
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Der 15-Jährige versteht die Polizei. haben Unbekannte an eine Haus-
„Die passen auf, dass hier keine wand „Bullen sind Mörder“ ge-
Scheiße passiert“, argumentiert er. sprüht.
„Das ist schon okay.“ Es ist nun
24 Uhr. Pünktlich lösen Ordnungs- Polizeikommissarin Mosler erzählt,
amt und Polizei den Menschenpulk dass man auch als Frau beleidigt
vor dem Schauspielhaus auf. Auch wird. „Als ich vor ein paar Tagen zur
im berühmten Bermudadreieck, wo Wache ging, rief mir jemand zu: Geh
sich Kneipen und Clubs aneinander- doch was Anständiges arbeiten, du
reihen, bleibt es ru-
hig. „Das war erfreu-
lich friedlich heute“,
Geh doch was Anständiges
resümiert Einsatz- arbeiten, du Polizistenschlampe.
leiter Schüler. „Da
haben wir schon andere Nächte Polizistenschlampe.“ Das war nicht
erlebt.“ gerade ein herzliches Willkommen
für die Münsteranerin, die gerade
Am nächsten Tag begleiten wir in erst in die Stadt gewechselt ist.
Bielefeld Polizeikommissarin Nicole
Mosler und Polizeikommissar Chris- „Ich mag es nicht, wenn gegen uns
toph Lücking. Auch hier in Ostwest- die Rassistenkeule geschwungen
falen hat sich einiges aufgestaut. In wird“, kommentiert die 25-Jährige.
Bielefeld gab es im Sommer Tumul- „Meine Vorfahren stammen aus Po-
te. Nur ein paar Meter von der Poli- len und trotzdem habe ich mich nie
zeiwache Ost entfernt, die beson- benachteiligt gefühlt.“ Die Mini-Ma-
ders die Altstadt ins Visier nimmt, chos, die sie beschimpfen, sind oft
Gut gerüstet zum abendlichen Einsatz in Bielefeld: Die Beamten erfahren oftmals nur wenig Respekt, dafür werden sie beschimpft und schlimm beleidigt.
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noch minderjährig. Sie weist die so lückenlos kontrolliert, dass einige eine Flasche Wodka in einer Tasche
Jungs gern darauf hin, dass sie für Intensivtäter für heute die Lust ver- mit sich herumträgt, lamentiert
sich selbst doch stets Respekt ein- loren haben könnten. Fünf Streifen lautstark, als er um seinen Personal-
fordern. „Respekt brauchen auch stehen aber vorsichtshalber zur Ver- ausweis gebeten wird. Ein Blonder
wir Polizisten“, macht Mosler klar. fügung. schmeißt mürrisch eine Zigarretten-
Einige Rabauken würden dann still kippe auf den Boden und erhält
und verlegen. Am Kunsthallenpark gegenüber dafür eine Ordnungsstrafe von
dem altehrwürdigen Ratsgymnasi- 50 Euro. „Sauber bleiben“, ruft
Die an diesem Samstagabend star- um stehen um 22.30 Uhr vielleicht Polizeikommissar Lücking den Ju-
tende Aktion im Rahmen des Kon- 90 Personen im Halbdunkel. Viele gendlichen beim Abschied zu.
zepts „Sichere Innenstadt“ leitet sind offensichtlich unter 18. Polizei
Christoph Ramsbrock. Der erfahre- und Ordnungsamt bewegen sich all- Der 33-Jährige aus dem Kreis Her-
ne Polizeihauptkommissar strahlt mählich zu den Gruppen. Ein kind- ford bedauert, dass die Polizei zum
Zuversicht aus. Gestern habe man lich wirkender Schwarzhaariger, der Buhmann geworden sei. „Ich kann
Am berühmten Bochumer Bermuda-
dreieck sitzen und stehen viele
Menschen vor den Lokalen. Doch es
bleibt ruhig.
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nicht mehr atmen“, werde mittler-
weile fast standardmäßig gerufen,
wenn jemand in Gewahrsam genom-
men werden müsse. „Und dann sind
noch zehn Handykameras auf einen
gerichtet.“
Im Juni hat ein Zwischenfall in Biele-
feld landesweit für Aufsehen ge-
sorgt. Als die Polizei auf dem als
Drogenumschlagplatz bekannten
Kesselbrink sechs Personen kontrol-
liert, eskaliert das Geschehen. Ein
23-jähriger Asylbewerber aus Burki-
na Faso weigert sich, seine Papiere
zu zeigen, und unterstellt den
Beamten Rassismus. Er schlägt und
tritt um sich, weil er die Feststellung
seiner Personalien verhindern will.
Plötzlich stürmen 50 Menschen, die
sich in der Nähe befunden haben,
auf die Einsatzkräfte zu und bewer-
fen sie mit Glasflaschen. Die Beam-
ten setzen sich mit Pfefferspray zur
Wehr. Der Afrikaner wird mit zur
Wache genommen und nach Fest-
stellung der Personalien wieder ent-
lassen.
Tage später tauchen am Kesselbrink
30 Plakate mit Porträts der Polizis-
tinnen und Polizisten auf, die an der
Aktion beteiligt waren. Sie sind ge-
filmt worden und werden nun mit
den Worten „Rassistische Gewalt
hat Gesichter“ an den Pranger ge-
stellt.
So denunziert zu werden, sei
schrecklich, meint Polizeikommissar
Lücking. Die Kollegen hätten ja nur
das Nötige getan, um die öffentliche
Ordnung wiederherzustellen. „Ich
habe den Beruf ergriffen, weil ich ein
Freund und Helfer sein möchte“,
sagt Nicole Mosler. „Es ist traurig,
völlig grundlos zur Hassfigur ge-
macht zu werden.
THOMAS ZORN
In Bielefeld treffen sich vor allem Jugendliche am Kunsthallenpark, rauchen und trinken.
Die Streife kontrolliert die Ausweispapiere und ahndet Verstöße.
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Fotos: Tim Wegner
Wir haben einen Rückgang von respektvollem Umgang miteinander: Polizeikommissar Dominic Riege.
DÜSSELDORF
VERLETZT, BELEIDIGT,
PROVOZIERT!
„Ich bin ein Kind der Altstadt, nicht privat, aber dienstlich“, sagt Polizeikommissar
Dominic Riege (30). Seit sechs Jahren versieht er im Zentrum von Düsseldorf
seinen Dienst. Auch die Erste Kriminalhauptkommissarin Susanna Heusgen (53)
hat hier einige Jahre gearbeitet. Ein Generationengespräch über Spucken, Mes-
serstechereien, Vandalismus – und Respekt.
Werden Sie als Polizistin und Poli- mischt haben. Aber damit konnte ist das mit Sicherheit nicht mehr so.
zist respektvoll behandelt? man in der Regel umgehen.
Riege: In meinen Augen ist es ein
Heusgen: Nicht immer. Es hat Und heute? gesellschaftliches Phänomen, dass
sich einiges verändert. Als ich vor wir einen Rückgang von respektvol-
20 Jahren in der Altstadt gearbeitet Heusgen: Heute wird ein Video mit lem Umgang haben. Das ist an Klei-
habe, hatten wir nicht die sozialen dem Handy aufgenommen. Die Fil- nigkeiten festzumachen. Wer steht
Medien um uns herum. Es gab keine me – oder auch nur Sequenzen dar- noch für eine ältere Dame in der
Handys, mit denen Filmaufnahmen aus – werden dann ins Internet ein- Bahn auf? Wer hilft ihr über die Stra-
gemacht wurden. Was wir hatten, gestellt. Damals kam es vor, dass ße? Für mich bedeutet Respekt Ach-
waren die Leute, die sich drum her- Leute am nächsten Tag auf die Wa- tung und Anerkennung für andere
umgestellt und gepöbelt haben, die che gekommen sind und sich für ihr Personen oder Sachen. Vandalis-
alkoholisiert waren und sich einge- Verhalten entschuldigt haben. Heute mus, Sachschäden an Autos beim
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Damals kam es vor, dass die Leute sich am nächsten Tag auf der Wache entschuldigt haben: Erste Kriminalhauptkommissarin Susanna Heusgen.
Rangieren – da entziehen sich die Heusgen: Manchmal höre oder Heusgen: Das gab es auch schon
Leute. lese ich, dass Leute sagen, Polizis- vor 20 Jahren. Ich war im „Einsatz-
ten müssen damit umgehen können, trupp Jugend“. Da hatten wir häufig
Wie nehmen Sie die Altstadt wahr? dass sie angespuckt werden. mit Jugendlichen mit Migrationshin-
Angespuckt zu werden, ist absolut tergrund zu tun. Und wir sind mitun-
Riege: Über Tag ist die Altstadt flo- erniedrigend und eklig. Wir sind ter im Team von drei Frauen im Ein-
rierend, lebendig, freundlich. Wir be- auch Menschen, wir möchten nicht satz gewesen. Da haben wir oft
kommen viel Zuspruch gerade von angespuckt werden, wir möchten gehört: „Von Frauen lassen wir uns
älteren Menschen, die uns loben, nicht angegriffen werden und wir gar nichts sagen.“ Pech für ihn, dass
unsere Arbeit anerkennen und sich sind die Letzten, die sich mit irgend- er es gerade mit drei Frauen zu tun
bedanken. Nachts wendet sich das jemandem prügeln wollen. Wir hatte. Da mussten wir dann auch
Blatt, gerade wenn der Alkoholpegel wollen keine Gewalt anwenden. mal eine klare Ansage machen.
steigt. Ab 1 oder 2 Uhr, vor allem Aber uns bleibt manchmal nichts
freitags und samstags. Der Alkohol anderes übrig, weil die Leute ag- Beobachten Sie respektloses Ver-
enthemmt und wir sehen erschre- gressiv sind. halten verstärkt bei jüngeren
ckende Bilder. Wir werden von der Jahrgängen?
Seite angesprochen, werden geduzt, Machen Polizistinnen andere
es wird keine Distanz mehr zur Uni- Erfahrungen als männliche Heusgen: Früher waren es Leute im
form gewahrt. Wenn man an kleinen Kollegen? Alter von 20 bis 40 Jahren. Aber in
Gruppen vorbeigeht, wird einem den letzten Jahren wurden sie im-
hinterhergepfiffen, Tiergeräusche Riege: Es gibt sicherlich kulturell mer jünger.
werden imitiert, man wird ins Lä- bedingt Gruppen, die Kolleginnen
cherliche gezogen. ignorieren und nicht als gleichbe- Riege: Die Delinquenten werden
rechtigte Personen wahrnehmen. heute immer jünger. Das geht bis zu
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Zwölf-, Elf-, Zehnjährigen. Sie folgen Riege: Aber heute ist es persönlich. Riege: Ich bin ein Kind der Altstadt,
polizeilichen Anweisungen nicht nicht privat, aber dienstlich. Wer
mehr. Vielleicht orientieren sie sich Heusgen: Und verletzend und belei- hier gearbeitet hat, kann sehr sou-
an älteren Brüdern oder Älteren im digend. Nur weil ich eine Uniform verän in jedem anderen Bezirk in
Freundeskreis. Das ist erschreckend, anhabe, muss ich mir das nicht ge- Nordrhein-Westfalen arbeiten.
wie jung die sind und welche Polizei- fallen lassen. Viele Sachen sind lan-
erfahrung sie mitbringen. Die wis- ge toleriert worden. Da ist einiges Heusgen: Rückblickend war für
sen, was sie ausreizen können, und zur Anzeige gebracht worden, aber mich die Altstadt gerade von den
kennen sich im Groben mit der Ge- es ist nichts passiert. Kollegen her die schönste Zeit. Es
setzeslage aus. war anstrengend, gerade wenn sie
Hatten Sie schon einmal Angst im die „Schweinewoche“ mit vier Spät-
Heusgen: Das Einschreiten des Poli- Dienst? und drei Nachtdiensten hatten. Das
zeibeamten wird immer mehr in Fra- ist vom Arbeitsvolumen her schon
ge gestellt. Wenn Sie vor 20 Jahren Riege: Nein, Angst wäre ein schlech- sehr viel. Das ist sehr herausfor-
eine Entscheidung als Polizeibeam- ter Ratgeber. Aber viele Situationen dernd. Man weiß nie, was kommt. Es
kann sehr schnell sehr brutal wer-
den. Es ist heute nicht mehr so, dass
aufgehört wird, wenn einer am Bo-
den liegt. Nein, da wird noch drauf-
getreten. Oder man nimmt die abge-
brochene Bierflasche und sticht
noch einmal zu.
Was kann man tun, damit das
Miteinander wieder respektvoller
wird?
Heusgen: Das fängt bei Schulkin-
dern an. Wie sich schon Sechs- und
Siebenjährige im Bus auf dem Weg
zur Schule oder zum Sport die
ter getroffen hatten, wurde diese in darf man nicht unterschätzen. Heu- Schimpfwörter an den Kopf werfen
den meisten Fällen akzeptiert und te haben viele Messer dabei. Und die und miteinander umgehen, ist
selten vor Ort hinterfragt oder dis- werden auch eingesetzt. Es gab Zei- schon manchmal erschreckend. Wer
kutiert. Das hat höchstens der ten, da hatten wir hier freitag- und ist denn eigentlich für die Erziehung
Rechtsanwalt später mal gemacht. samstagnachts eine Messersteche- und die Wertvermittlung zuständig?
Heute werden die Kollegen auch von rei nach der anderen. Die Eltern – aber offenbar findet
völlig Unbeteiligten vor Ort kritisiert dies nicht mehr in vielen Familien
und die Rechtmäßigkeit der Maß- Heusgen: Früher hatte der eine statt. Diese Aufgabe wird gern wei-
nahmen wird angezweifelt. oder andere mal ein Messer dabei, tergereicht an die Schulen, die Jus-
um einen auf dicke Hose zu machen. tiz und natürlich auch an die Polizei.
Riege: Vielleicht haben wir über Jah- Aber dass es tatsächlich eingesetzt
re viel zu oft die Kommunikation ge- wurde, das war die absolute Aus- Riege: Wir können nur für Recht und
sucht, was ich eigentlich für richtig nahme, da haben wir tagelang von Gesetz einstehen und dazu beitra-
halte. Aber das Gegenüber sucht jetzt erzählt. Heute ist es die Regel. gen, dass sich die Bürgerinnen und
die Kommunikation und provoziert. Bürger, die sich anständig verhalten,
Riege: Praktisch jeder hat ein Messer sicher fühlen. Ein Patentrezept, wie
Heusgen: Die Sprache hat sich ver- dabei, das ist für uns heute normal. wir wieder zu mehr Respekt kom-
ändert, sie ist aggressiv und provo- men, habe ich nicht.
zierend. „Zickzack, Bullenpack“ und Was ist aus Ihrer Sicht das
„Da kommt das Stangentaxi“ wegen Besondere an der Düsseldorfer
der Gitterstäbe vor dem Fenster – Altstadt?
damit musste man leben. MARTIN BEILS
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SELM
FESTNEHMEN
UND FIXIEREN
Die Eingriffstechniken der Polizei sind nicht erst nach diversen Vorfällen in den USA
ins Gespräch geraten, auch in NRW, in der Düsseldorfer Altstadt, hat es einen Vorfall
gegeben. Das LAFP NRW konzipiert und lehrt die Eingriffstechniken der Polizei NRW.
Sie sind medizinisch zugelassen und werden bei der Einsatzbewältigung im täglichen
Dienst, bei der Bereitschaftspolizei und bei den Spezialeinheiten angewandt.
D
ie Lehrtrainerinnen und mente greifen ineinander und bieten trotz Training und guter Vorberei-
Lehrtrainer der Fortbil- für unterschiedliche Einsatzsituatio- tung. In dynamischen Situationen in
dungsstelle Einsatztrai- nen flexible Handlungsmuster und oftmals unklarem oder unsicherem
ning beim LAFP NRW ent- Lösungsalternativen. Umfeld muss richtig bewertet und
wickeln, überprüfen und vermitteln reagiert werden. Meist in Sekunden.
Einsatztaktiken und -techniken. Sie Im Einsatz müssen Polizeibeamtin- Diese Einsatzrealität lässt sich im
verantworten landeszentral Themen nen und -beamte auf Situationen Training nicht 1:1 abbilden. Dennoch:
wie Taktik/Eigensicherung, Schie- reagieren, auch auf spontane Angrif- Durch Trainingssequenzen im Kon-
ßen/Nichtschießen, Einsatzmehr- fe. Viele Einsätze erzeugen Stress – text möglichst realistischer Situatio-
zweckstock und Eingriffs-
techniken für die
Einsatzbewältigung im tägli-
chen Dienst. Das Kernge-
schäft der Dienststelle ist die
Fortbildung. Geschult wer-
den die Einsatztrainerinnen
und -trainer aller Kreispoli-
zeibehörden.
Die Eingriffstechniken der
Polizei NRW sind ein Teil des
Fotos: David Roßberg, LAFP NRW
Einsatztrainings. Dabei ste-
hen Verhaltensweisen zur Ei-
gensicherung und Elemente
der Selbstverteidigung im
Vordergrund, aber auch
Techniken zur Festnahme,
zur Fixierung und zum Trans-
port von Personen gehören Der Festzunehmende wird in die Bauchlage geführt. Der sichernde Beamte hatte bereits zuvor das Umfeld
dazu. Die verschiedenen Ele- im Blick und tritt nun mit an die festzunehmende Person heran.
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NAMEN UND
NACHRICHTEN
Unterschiedliche Techniken ermöglichen
nen, durch künstliche Stressoren
eine Fixierung der Person am Boden:
und Störfaktoren sowie durch ein
Training an realistischen Örtlichkei-
ten wird die Transferleistung für den
Ernstfall erhöht.
NRW Bei der Fixierung einer festzuneh-
menden Person ist es wichtig, dass
NRW zeigt Respekt – keine Komprimierung des Halses
mit Pins am Revers! bzw. Nackens in Richtung Boden er-
Variante 1: Der festnehmende Beamte sichert
„NRW zeigt Respekt!“ Das nord- folgt und die Wirbelsäule nicht
mit seinem linken Knie den Arm und mit dem
rhein-westfälische Innenministeri- punktuell belastet wird. Außerdem rechten Bein den Kopf der festzunehmenden
um hat eine Kampagne gestartet, muss gewährleistet sein, dass die Person. Der Hals bleibt frei.
mit der es ein Zeichen gegen Ge- Person frei atmen kann.
walt an Polizei-, Feuerwehr- und
Rettungskräften setzt. Minister Der oder die Festzunehmende be-
Herbert Reul beklagt die zuneh- stimmt mit seinem bzw. ihrem Ver-
menden Attacken gegen Einsatz- halten die Intensität der Techniken.
kräfte: „Wir stehen mit dieser Kam- Je nach Ausmaß des Widerstands
pagne hinter den Menschen, die bieten die Fixierungstechniken an-
durch ihren Job, ihre Berufung oder gepasste Alternativen bzw. Hand-
auch ihr ehrenamtliches Engage- lungsstufen. Im Einzelfall kann es er-
Variante 2: Wie bei der ersten Variante wird
ment anderen Menschen helfen.“ forderlich sein, den Kopfbereich in
ein Arm gesichert. Das rechte Bein berührt das
Höhe des Ohres oder Jochbeins ent- Schulterblatt des Festzunehmenden. Manche
Das Ministerium hat dazu zunächst weder mit dem Ellenbogen oder Perspektiven täuschen darüber hinweg, dass
30.000 Pins ausgegeben, auf de- auch mit dem Knie zu fixieren. Auch auch hier Hals und Nacken des Festzunehmen-
nen der Slogan „NRW zeigt Res- diese Technik ist zulässig. den frei bleiben. Hier ist dies klar zu erkennen.
pekt!“ steht. Die Solidaritätskam-
pagne geht auf eine Initiative aller Die Eingriffstechniken der Polizei
Fraktionen im nordrhein-westfäli- NRW sind so konzipiert, dass sie
schen Landtag zurück. Für die Verletzungen weitestgehend ver-
Finanzierung der Pins stehen bis meiden. Zu diesem Zweck sind sie
2022 jedes Jahr 100.000 Euro zur von Medizinern geprüft und zuge-
Verfügung. lassen. Außerdem werden die Trai-
ningskonzepte stets weiterent-
Variante 3: Eine Technik mit Vorteilen: Mit bei-
Der Innenminister beklagte, dass wickelt, um jede Polizistin und jeden
den Beinen wird der zu sichernde Arm in sich
immer häufiger Einsatzkräfte mit Polizisten bestmöglich auf die vielen gestaucht. Beide Hände des Polizeibeamten
aggressivem Verhalten, verbalen unterschiedlichen Einsatzanlässe bleiben damit frei, was beispielsweise das
Anfeindungen und physischen vorzubereiten, in denen die Anwen- Anlegen der Handfesseln oder das Bedienen
Angriffen konfrontiert werden. „Je- dung körperlicher Gewalt notwendig des Funkgeräts vereinfacht.
des Jahr machen mehrere Tausend ist. Rechtliche Betrachtungen, ins-
Rettungskräfte, Einsatzkräfte von besondere zur Verhältnismäßigkeit,
Feuerwehr, THW und Hilfsdiensten und auch ethische Fragestellungen
sowie Polizistinnen und Polizisten fließen immer mit in die Konzepte
diese Erfahrung; Uniformierte wer- und Trainings ein.
den bei ihrer Arbeit behindert und
gefährdet“, beklagte Reul. „Wer Beim Training werden die Beamtin-
Rettungskräfte, nen und Beamten besonders über
Variante 4: Wehrt sich die festzunehmende
oder Polizistinnen den lagebedingten Erstickungstod
Person, ist auch die Fixierung des Armes in
und Polizisten an- aufgeklärt und dafür sensibilisiert. Kombination mit gezieltem Druck auf den Kopf
greift, greift uns als möglich. Das Schienbein oder Knie drückt da-
Gesellschaft an.“ ■ BENEDIKT SCHMEISER bei auf Ohr oder Jochbein.
Streife_04_2020_20.indd 16 04.11.20 18:44STREIFE 04 | 2020 > 17 KRIMINALITÄT
MÖNCHENGLADBACH
EK TAKIM – IM TEAM
ZUM GROSSEN ERFOLG
Es ist der 29. März 2019. Der Tag, der die akribi- kommission „Takim“ einer Terrorzelle von
sche Arbeit von Detlev Boßbach und seinenKol- Tadschiken auf der Spur – einem gefährlichen
leginnen und Kollegen (fast) auf einen Schlag zu- Netzwerk, das für den sogenannten Islamischen
nichtemacht. An diesem Freitag rast in Essen ein Staat (IS) Anschläge in Deutschland vorbereitet.
Tadschike mit seinem Auto durch eine Fußgän- Ist die Amokfahrt der Startschuss? Die Behör-
gerzone. Eine Spezialeinheit kann ihn zwar stop- den haben keine Wahl, sie entscheiden sich für
pen, aber die Lage bleibt unklar. Klar ist nur: Seit den Zugriff, ein Dutzend Verdächtige wird festge-
Wochen sind der Leiter des Staatsschutzes Mön- nommen. Die Terroristen sind gewarnt. Ist die bis
chengladbach und sein Team der Ermittlungs- dato so erfolgreiche Polizeiarbeit am Ende?
R
ückblick. Die Anfänge der
EK „Takim“ liegen im De-
zember 2018. Zu diesem
Zeitpunkt haben die Beam-
ten vom Niederrhein zunächst eine
ganz andere Gruppierung „unter
Wind“: drei Deutsch-Türken, die sich
am Telefon immer wieder über Fuß-
ball austauschen. Ein Mannschafts-
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
kapitän soll gewählt, Spielerpässe
sollen besorgt, eine Mannschaft (auf
Türkisch: Takim) soll gegründet wer-
den. Schnell erkennen die Ermittler,
dass es hier nicht um ein Team geht,
das kicken will. Es geht um Anschlä-
ge und Terror. Nach einer Amokfahrt in Essen wird im März 2019 ein Tadschike abgeführt.
Dabei ist auch sein Han- Bei Derya, Kriminaloberkommis-
Unser Mann hatte neue dy sichergestellt wor- sarin aus Mönchengladbach mit tür-
den. Dies konnten wir kischen Wurzeln, gehen sprichwört-
Bezugspersonen. auswerten und sind so lich die Alarmglocken an. Sie
Robert O. zum ersten Mal auf eine berichtet einem Kollegen von ihrem
tadschikische Gruppe Verdacht. „Unser Mann hatte neue
An diesem Punkt kommt den Fahn- gestoßen, mit der die Deutsch-Tür- Bezugspersonen, sprach am Telefon
dern das Glück oder der Zufall – wie ken in Kontakt standen“, berichtet verklausuliert. Das kannten wir bis
immer man es nennen will – zu Hil- der 49-jährige Detlev Boßbach. Von dahin gar nicht von ihm. Er wirkte
fe. „Einer der drei Verdächtigen wur- da an hört die Polizei mit, wenn sich aufgedreht, nervös, teilweise hek-
de wegen einer mutmaßlichen Ver- die Männer unterhalten. Plötzlich ist tisch. Als Ermittler wird man dann
gewaltigung in Augsburg angeklagt. irgendetwas anders als sonst. hellwach, sensibel – und vor allem
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Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Mitte September hat im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf der Prozess gegen den Hauptverdächtigen begonnen.
neugierig: Wer sind diese neuen hilfe kodierter Kommunikation – Geschäftsmann. Im Zuge der Aus-
Bezugspersonen? Was bereden die diesmal geht es um einen angebli- wertung der Asservate finden sich
da? Was passiert da gerade?“, chen Autokauf – eine Waffe besorgen. beim Verkäufer der Waffen zudem
erläutert der von Derya angespro- Die Ermittlungskommission rund Anleitungen zum Bombenangriff
chene Kriminalhauptkommissar um Kriminaloberrat Boßbach trifft mit Drohnen. Auch hatte sich der
Robert O. eine Entscheidung: Mitte März 2019 Verdächtige bei einem Instant-
stürmen Spezialeinheiten die Wup- Messaging-Dienst das sogenannte
Das Bauchgefühl der beiden Krimi- pertaler Wohnung der Verdächtigen. „Küchenbuch für Mudschahedin“
nalisten trügt nicht: Bei der neuen Dabei finden die Fahnder zwei heruntergeladen, um Bomben und
Gruppierung handelt es sich um Is- scharfe Schusswaffen. Drei Männer Sprengkörper herzustellen.
lamisten, die sehr konspirativ vorge- müssen in U-Haft. Die sichergestell-
hen, sich wo immer es geht ab- ten Handys erweisen sich als extrem Die Sache nimmt immer mehr Fahrt
schotten, den Ermittlern alles wertvoll. Sie weisen nicht nur auf auf, es gibt Anhaltspunkte für einen
abverlangen. Eigenschaften, die na- weitere Mitglieder der Gruppe hin. bevorstehenden Anschlag. Ange-
türlich die Neugierde der Beamten Die Smartphones offenbaren auch sichts der Größe des Falls wandern
wecken. Nicht zu Unrecht. Einer der Mordpläne gegen einen Neusser Is- die Ermittlungen von Mönchenglad-
Tadschiken will sich ebenfalls mit- lamkritiker sowie einen albanischen bach zum Polizeipräsidium Düssel-
dorf. Und plötzlich rast der – wie
sich später herausstellt – psychisch
kranke Landsmann der Terrorver-
dächtigen, der selbst kein Terrorist
ist, durch Essen. Die darauffolgende
Polizeiaktion ist alternativlos. Die
Verhaftungen scheuchen die Tad-
schiken zwar auf, zur Überraschung
der Fahnder machen sie jedoch ein-
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
fach weiter. Nur halt noch ein biss-
chen konspirativer.
Den Verantwortlichen wird deutlich:
Das Team muss aufgestockt, die
Observierung intensiviert werden.
Die Prozesse gegen die Komplizen des Hauptangeklagten sollen Anfang 2021 starten. Insgesamt sind nun 20 Beamte aus
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ganz NRW an dem Fall dran. Jung
und alt, erfahren und frisch im
Dienst, Regierungsbeschäftigte und
Polizeibeamte. So entwickelt Alexan-
dra W., Regierungsbeschäftigte aus
Mönchengladbach, ein Verfahren,
das die aufwendige Arbeit mit Daten
Foto: rtn, Michel Mittelstaedt/dpa
von Originalträgern ein ganzes Stück
weit nach vorne bringt. Janik K., ein
junger Kriminalkommissar aus Düs-
seldorf, enttarnt den nur unter sei-
nem Decknamen bekannten Terro-
risten „Abu Fatima“. An der Identität
des Kaukasiers, der auch an einem
Anschlag in Stockholm im April Die EK „Takim“ konnte auch Verbindungen zum Attentat in Stockholm im April 2017 aufdecken.
2017 mit fünf Toten und 14 Verletz-
ten beteiligt war, hatten sich bis da- beisammen. Ein Anschlag steht aber desgericht Düsseldorf begonnen.
hin internationale Ermittlungsbe- offenbar nicht direkt bevor. Die anderen Prozesse dürften An-
hörden die Zähne ausgebissen. fang 2021 starten.
Schließlich gibt der
Generalbundesan- Das ist jedoch nicht alles: Hinzu
Wir kamen zu der Erkenntnis, walt in Karlsruhe
grünes Licht für die
kommen weitere 13 Gefährder und
16 relevante Personen, die durch die
dass das Netzwerk vom Aus- Verhaftung der EK „Takim“ bei den Tadschiken er-
Hauptverdächtigen. kannt wurden. „Diese Ermittlungen
land gesteuert wurde. Am 15. April 2020, sind der Beweis für die hervorragen-
Robert O. ein gutes Jahr nach de Zusammenarbeit zwischen Polizei
dem ersten Schlag und Verfassungsschutz“, unter-
Plötzlich spielen die Rheinländer in gegen die Zelle, werden fünf Männer streicht NRW-Innenminister Herbert
der ganz großen Liga. Immer mehr im Alter von 24 bis 32 Jahren in Sie- Reul. „So konnten wir verheerende
beunruhigende Details kommen ans gen, in Werdohl und im Kreis Heins- Anschläge in Deutschland verhin-
Licht. Einzelne Mitglieder der Terror- berg festgenommen. Ein sechstes dern.“ Ein großes Lob und ein schö-
gruppe suchen im Internet nach Mitglied der Gruppe sitzt bereits ner Erfolg für die Ermittlergruppe,
Kursen zum Gleitschirmfliegen am seit Frühjahr 2019 in Untersu- deren Arbeit so kurz vor dem Aus
Tegernsee. Die Ermittler erfahren, chungshaft. Mitte September hat stand.
dass sich die strenggläubige Frau ei- das Verfahren gegen diesen Haupt-
nes Verdächtigen nach ebensolchen tatverdächtigen vor dem Oberlan- JOCHEN SCHUSTER
Kursen in einer Flugschule in Bit-
burg erkundigt. Die Stadt in der Eifel
liegt nahe der US-Base Geilenkir-
chen. Vor dort starten die großen
Awacs-Luftaufklärer der USA, auch
zu Operationen in Syrien und im
Irak. Kriminalhauptkommissar Ro-
bert O.: „Wir kamen zu der Erkennt-
nis, dass das Netzwerk vom Ausland
gesteuert sowie von zwei hochrangi-
gen IS-Führungsmitgliedern in Syri-
en und Afghanistan angeleitet wurde,
Foto: Polizei NRW
in Deutschland Anschläge zu ver-
üben.“ Waffen, Munition und Bautei-
le für Sprengsätze, um Einrichtungen
der US-amerikanischen Streitkräfte
sowie Einzelpersonen anzugreifen, Detlev Boßbach, Leiter des Staatsschutzes Mönchengladbach, und sein Team deckten die
haben die Terroristen mittlerweile Terrorzelle auf.
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NAMEN UND
NACHRICHTEN
Karrierepfad
Internationale
Missionen NEW YORK
„Einsätze von Polizei-
DEN FRIEDEN
beamten und Lan-
desbediensteten in
europäischen Institu-
SICHERN
tionen und bei inter-
nationalen Einsätzen
der EU werden wir
aktiv fördern“, hat
die Landesregierung
S
entschieden. Seit tefan Schwarz kennt viele „Ich bin der erste Deutsche, der die-
Januar 2019 ist es Krisenregionen dieser se verantwortungsvolle Tätigkeit zum
möglich, sich für eine Erde aus eigenem Erleb- zweiten Mal übernimmt“, konsta-
Fachkarriere im Aus- nis, ob nun den Kosovo, tiert er. Die Kommission hat ihn un-
land zu entscheiden. den Südsudan oder Sierra Leone. ter mehr als 70 Bewerbern ausge-
Die Beamtinnen und Beamten der Seit Ende Juli arbeitet der aus Hürth wählt. Die Wiederherstellung des
Laufbahngruppen 2.1 und 2.2 werden stammende Kriminaldirektor zum Friedens sei sinnvoll und erfüllend,
jeweils für fünf Jahre zum LAFP NRW, zweiten Mal bei den Vereinten Natio- meint der 55-Jährige. „Ich kann so-
Dezernat 13, versetzt und in die ein- nen in New York, um Polizisten aus gar einige der von mir vor ein paar
zelnen Maßnahmen des Förderpro- 80 Ländern für internationale Ein- Jahren mit angestoßenen Projekte
gramms integriert. Dabei handelt es sätze zu schulen und Grundsätze fortführen.“
sich u. a. um Auslandsverwendungen, rechtsstaatlichen Vorgehens zu ver-
Fortbildungsmaßnahmen und Hospi- mitteln. Wie schon 2013 bis 2017 Zuletzt war Schwarz im Polizei-
tationen zum Beispiel im Auswärtigen ist er für den „Integrated Training präsidium Essen für Raub- und
Amt oder Bundesministerium des Service“ tätig. Eigentumsdelikte sowie für 80 Mit-
Innern sowie bei der Geschäftsstelle arbeiter zuständig. Doch den Rhein-
der Bund-Länder-Arbeitsgruppe
„Internationale Polizeimissionen“
in Potsdam.
Polizeihauptkommissarin Martina
Störmer (Foto), die am 1. September
vom Polizeipräsidium Duisburg ins
Dezernat 13 versetzt wurde, sagt:
„Nach meinem einjährigen Auslands-
einsatz in Mali stand für mich sofort
fest, dass weitere Einsätze folgen soll-
ten. Mit der Aufnahme in das Förder-
programm bekomme ich nun eine
tolle Chance. Ich freue mich auf die
nächsten fünf Jahre, in denen ich drei-
mal längerfristig ins Ausland gehen
kann.“ ■ Stefan Schwarz am Rednerpult der UN-Generalversammlung
Streife_04_2020_20.indd 20 04.11.20 18:44STREIFE 04 | 2020 > 21 EINER VON UNS
länder, der an der Ruhr-Universität
Bochum „International Peacekee-
ping“ lehrte, hat es nun wieder ins
Ausland gezogen. Für zwei Jahre
verpflichtete er sich bei den UN mit
der Chance auf eine zweijährige Ver-
längerung.
Das Entwickeln und Zertifizieren von
Trainingsprogrammen, die Qualifi-
zierung der Trainer und das Mitwir-
ken an Dienstvorschriften und Erlas-
Fotos: ??????
sen zur Friedenssicherung gehören
zu seinen Aufgaben, wie auch die
Besuche in Konfliktregionen. Doch
wegen Corona ist zunächst mal
manches anders.
Fotos: Stefan Schwarz
Bis Ende September konnte Schwarz
nicht einmal sein Büro im UN-Ge-
bäude am East River betreten. Er
arbeitet noch immer weitgehend
vom Homeoffice aus. Für die Familie
fand er ein Haus im Norden von New Stefan Schwarz bei einem Training mit Brigadegenerälen im Südsudan
York – eine halbe Stunde mit dem
Zug von Manhattan entfernt. Seine Ländern, in denen anders gegen Am Sinn internationaler Polizeimis-
Frau Susanne und die Töchter Lina Menschen vorgegangen werde. sionen hat Stefan Schwarz nie ge-
(11) und Jonna (13) sind inzwischen zweifelt. Auch die Einsatzkräfte aus
nachgekommen. Nur Sohn Leon „Deshalb brauchen wir Einfühlungs- Ländern mit problematischem De-
(21), der bereits studiert, bleibt vor- vermögen, damit wir die UN-Polizei mokratie-Index würden sich in der
erst in Deutschland. konsequent zur Achtung der Men- Regel vorbildlich verhalten. „Das
schenrechte bewegen können“, liegt wohl auch an einer speziellen
Stefan Schwarz hofft, bald wieder stellt der vom Land Nordrhein-West- Helfer-Haltung“, stellt der Deutsche
wie früher reisen zu können. Der falen beurlaubte und von der Bun- fest. Polizisten warteten in Krisen
„Weltpolizist“ ist immer neugierig desrepublik entsandte Polizist fest. auf keinen Befehl, sondern wollten
gewesen, Kulturen und staatliche In Situationen, in denen Gewalt es- etwas tun. „Das verbindet über alle
Strukturen hautnah kennenzulernen. kaliert, seien die Schwachen – Min- Erdteile hinweg.“
Das helfe, mit den Kollegen „einen derheiten, Kinder, Frauen – beson-
gemeinsamen Nenner zu finden“, ders gefährdet. „Wir wollen die
sagt er. Viele kämen aus autoritären Menschen schützen.“ THOMAS ZORN
Streife_04_2020_20.indd 21 04.11.20 18:44STREIFE 04 | 2020 > 22 RECHT
NAMEN UND
NACHRICHTEN NORDRHEIN-WESTFALEN
NEUE
NRW VORSCHRIFTEN
Kampagne gestartet –
Das Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz ist am 1. September
„Sicher im Alter“
2020 vollständig in Kraft getreten. Daraus ergeben sich we-
In den Jahren 2017 bis 2019 rich-
sentliche Änderungen im Waffengesetz (WaffG). Aus diesem
teten die Betrugsmaschen „En-
keltrick“ und „falscher Polizist“ Grunde hat das Dezernat 32 des Landesamts für Ausbildung,
nach Angaben des Landeskrimi- Fortbildung und Personalangelegenheit der Polizei Nordrhein-
nalamts in Nordrhein-Westfalen Westfalen (LAFP NRW) den „Waffenkalender 2018“ aktualisiert.
einen Schaden von mehr als
39 Millionen Euro zum Nachteil Der neue „Waffenkalender 2020“ Schusswaffen), die den Anforde-
von Seniorinnen und Senioren an. liegt dieser „Streife“ bei, steht als rungen der aktuellen Deaktivie-
„Unsere moralische Verpflichtung Download im PDF-Format zur Verfü- rungsdurchführungsverordnung
in einer sozialen Gesellschaft ist gung und ist auch auf den polizeili- entsprechen und über eine Deak-
es, schwache Menschen beson- chen Smartphones in der Bücher- tivierungsbescheinigung eines
ders zu schützen“, sagte Innenmi- App hinterlegt! Beschussamts ab dem 28. Juni
nister Herbert Reul beim Auftakt 2018 verfügen
der Kampagne „Sicher im Alter“. Grund für die neue Auflage ist das
Das Ziel sei es, die Sicherheit älte- Inkrafttreten des Dritten Gesetzes • Einführung einer Erlaubnispflicht
rer Menschen zu erhöhen. „Ihr zur Änderung des Waffengesetzes. für Salutwaffen (veränderte Lang-
Alter und ihre Verbundenheit zu waffen)
ihren Angehörigen auszunutzen, Die Gesetzesänderung dient im We-
sind zudem besonders verab- sentlichen der Umsetzung der EU- • Verbot von Magazinen für Lang-
scheuungswürdige Taten“, so Reul. Richtlinie. Diese verfolgt vorwiegend waffen mit einer Kapazität von
folgende Ziele: mehr als 10 Schuss und Verbot
Die Veranstaltung im Ministerium von Magazinen für Kurzwaffen
war der Auftakt zu weiteren dieser 1. Erschwerung des illegalen Zu- mit einer Kapazität von mehr als
Art mit Fachleuten und Seniorin- gangs zu scharfen Schusswaffen 20 Schuss
nen und Senioren in ganz Nord-
rhein-Westfalen. Der Minister gab 2. Bessere behördliche Rückverfol- • Pfeilabschussgeräte werden in
der nordrhein-westfälischen Poli- gung sämtlicher Schusswaffen der Anlage 1 des Waffengesetzes
zei den Auftrag, sich diesem und ihrer wesentlichen Teile über mit aufgenommen. Sie werden
Thema noch stärker zu widmen. den gesamten Lebenszyklus den Schusswaffen gleichgestellt
„Verletzlichkeit darf in dieser Ge- und unterliegen der Erlaubnis-
sellschaft nicht zwangsläufig dazu 3. Verhinderung der Nutzung legaler pflicht.
führen, verletzt zu werden.“ Schusswaffen zur Begehung
terroristischer Anschläge • Aktuell keine Rechtsverordnung
Ein Referent der Deutschen Hoch- zur Errichtung von Waffen- bzw.
schule der Polizei wies allgemein Zum Erreichen dieser Ziele hat der Messerverbotszonen im Sinne des
darauf hin, dass das Risiko, Opfer Gesetzgeber eine Vielzahl von Ände- § 42 Absatz 6 Waffengesetz in
einer Straftat zu werden, für rungen im Waffengesetz vorgenom- NRW
Seniorinnen und Senioren deut- men. Ab dem 1. September gelten
lich geringer ist als für junge Men- folgende Verpflichtungen:
schen. ■
• Anzeigepflicht für Dekorations-
waffen (unbrauchbar gemachte
Streife_04_2020_20.indd 22 04.11.20 18:44STREIFE 04 | 2020 > 23 NACHWUCHS
Fotos: Polizei NRW
Vereidigungsfeiern in Corona-Zeiten: Abstand ist Pflicht.
BRÜHL
MIT VIEL RESPEKT DEN
EID GESPROCHEN
Die geplante zentrale Vereidigungsfeier für die 2.500 Kommissaranwärterinnen und
-anwärter der nordrhein-westfälischen Polizei in der Kölner Lanxess-Arena musste
wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Deshalb gibt es in Nordrhein-Westfalen in diesem
Jahr dezentrale Feiern, wobei die ersten Feiern bereits stattgefunden haben. Es folgen
noch Ersatztermine für die dezentralen Vereidigungen in Düsseldorf und Duisburg.
„Unser Polizei-Nachwuchs ist unse-
re wichtigste Ressource und unser
ganzer Stolz. Deshalb feiern wir ihn Deshalb feiern wir auch in Pandemie-
auch in Pandemie-Zeiten in würdi-
gem Rahmen“, sagte Minister Her- Zeiten in würdigem Rahmen.
bert Reul. Der Minister nahm an den Herbert Reul
ersten drei Feiern teil und hieß die
jungen Mitglieder persönlich in der
Polizeifamilie willkommen. „Freiheit, Handelns vereidigt werden: die 9. September bei der ersten Vereidi-
Menschenrechte, Rechtsstaatlich- Verfassung des Landes Nordrhein- gung liegt das Grundgesetz auf den
keit, Demokratie – auf diese Werte Westfalen“, so der Minister. Stühlen des Nachwuchses. Herbert
werden all unsere Polizistinnen und Reul erinnert die Berufseinsteiger
Polizisten eingeschworen, wenn sie Sonne, Schlosshof und Spannung. bei der Polizei daran, die Menschen-
auf das Fundament unseres Landes Schloss Augustusburg im rheini- würde zu achten und zu schützen.
und die Grundlage ihres eigenen schen Brühl. Alles auf Abstand. Am Das ist nicht nur einfach so aufge-
Streife_04_2020_20.indd 23 04.11.20 18:44STREIFE 04 | 2020 > 24
NAMEN UND
NACHRICHTEN
NRW
Noch mehr
Neueinstellungen
Nordrhein-Westfalen erhöht die
Zahl der jährlich einzustellenden
Kommissaranwärterinnen und
-anwärter laut Kabinettsbe-
schluss um 100 auf 2.660 Stellen.
Das gilt rückwirkend schon für
das Jahr 2020. Um die zu erwar-
tende Pensionswelle bei der Poli-
zei auszugleichen, hat die Landes-
regierung seit 2017 massiv in das
Personal investiert. So wurde die
Zahl der jährlich eingestellten
Kommissaranwärterinnen und
-anwärter seit 2017 (2.000)
Schritt für Schritt erhöht. Durch Mund-Nasen-Bedeckung ist Pflicht beim Eid auf Schloss Augustusburg in Brühl.
die hohe Zahl der Neueinstellun-
gen wird die Polizei NRW ihre schrieben, sondern hat eine immen- nem Traumberuf und Justus hatte
Stärke von rund 40.000 Polizei- se Bedeutung in diesen Tagen. bereits eine „Beziehung“ mit der
vollzugsbeamtinnen und -beam- Berufsfeuerwehr in Köln hinter sich.
ten nicht nur halten, sondern per- Die jungen Leute haben natürlich Er will nun für immer und ewig bei
spektivisch (voraussichtlich ab sehr unterschiedliche Motive, war- der Polizei NRW bleiben.
dem Jahr 2022) sogar erhöhen. ■ um sie zur Polizei gehen. Deutlich
wird in zahlreichen Gesprächen in Der Eid, den der Polizei-Nachwuchs
Brühl, dass viele Kommissaranwär- sprechen musste, wird dem einen
ter ein ausgeprägtes Gerechtigkeits- oder anderen mächtig Respekt ein-
empfinden haben und die Welt ein geflößt haben: „Ich schwöre, dass
Stück besser machen wollen. Natür- ich das mir übertragene Amt nach
lich schwingen aber auch großer bestem Wissen und Können verwal-
Respekt vor den Herausforderungen ten, Verfassung und Gesetze befol-
mit und die Befürchtung, an den ei- gen und verteidigen, meine Pflichten
genen Erwartungen zu scheitern. gewissenhaft erfüllen und Gerech-
tigkeit gegen jedermann üben
Moritz Deppisch (25, Regierungsins- werde.“
pektoranwärter), Justus Wester-
mann (24, Kommissaranwärter) und Wichtig war der Polizeiführung des
Carmela Nobile (25, Kommissaran- Landes, dass alle Veranstaltungen
wärterin) machten in ihren emotio- nach den aktuellen Regeln der
nalen Reden deutlich, was es für sie Coronaschutzverordnung stattfan-
bedeutet, jetzt zur Polizeifamilie zu den. An jeder Veranstaltung durften
gehören. Carmela wollte schon als danach höchstens 300 Personen
Kind Polizistin werden, Moritz kam teilnehmen, damit alle Abstände so
erst nach einigen Umwegen zu sei- eingehalten werden konnten.
Streife_04_2020_20.indd 24 04.11.20 18:44STREIFE 04 | 2020 > 25 NACHWUCHS
Fantastische Kulisse, außergewöhnliche Sitzordnung: die Vereidigungsfeier auf Schloss Augustusburg
Kommissaranwärterinnen und Polizeibehörden eingesetzt. Nach westfälischen Polizei. „Diese Männer
-anwärter absolvieren ein duales dem Studium gehen die neuen und Frauen werden nicht nur drin-
Bachelor-Studium an der Hoch- Kommissarinnen und Kommissare gend gebraucht. Sie sind außerdem
schule für Polizei und öffentliche für ein Jahr in den Streifendienst. In auch herzlich willkommen“, sagte
Verwaltung Nordrhein-Westfalen Behörden mit Bereitschaftspolizei Minister Reul.
(HSPV). Die Ausbildung dauert drei folgen in der Regel drei Jahre in ei-
Jahre. Neben der Theorie lernen die ner Hundertschaft. Danach haben Wer sich für den Polizeiberuf inter-
Studenten die Praxis beim Landes- sie die Möglichkeit, sich zu speziali- essiert, findet weitere Informationen
amt für Ausbildung, Fortbildung und sieren, zum Beispiel als Ermittler bei unter www.genau-mein-fall.de.
Personalangelegenheiten der Polizei der Kriminalpolizei oder in der Poli-
(LAFP). Außerdem werden sie in zeifliegerstaffel der nordrhein- IRIS WÜSTER
Ein gutes Zeichen für die Zukunft: Zum Schluss wirbelten weiße Mützen in den weiß-blauen rheinischen Himmel.
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