FORSCHUNGSTURBO ZUKUNFTSDISKUSSION PISTENZAUBER - 4 I WINTER 2021 - Land Niederösterreich

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FORSCHUNGSTURBO ZUKUNFTSDISKUSSION PISTENZAUBER - 4 I WINTER 2021 - Land Niederösterreich
№4 I WINTER 2021

              DAS JOURNAL   F Ü R K U LT U R, W I R T S C H A F T U N D TO U R I S M U S

                                                          FORSCHUNGSTURBO
                                                                   IST Austria in Klosterneuburg

                                                       ZUKUNFTSDISKUSSION
                                                                         Landesstrategie 2030

                                                                   PISTENZAUBER
                                                                       Skifahren im Waldviertel
FORSCHUNGSTURBO ZUKUNFTSDISKUSSION PISTENZAUBER - 4 I WINTER 2021 - Land Niederösterreich
INHALT №4 I WINTER 2021

EDITORIAL
                                                                                                         04 FORSCHUNGSTURBO
                                                                                                                  IST Austria in Klosterneuburg
     Liebe Leserinnen und Leser!
                                                                                                         08 ZUKUNFTSDISKUSSION
                                                                                                                  Landesstrategie 2030
      Nach sehr herausfordernden Wochen in diesem Herbst müssen wir leider feststellen:
Die Corona-Pandemie hat uns noch immer fest im Griff. Wir alle sind diese Krankheit leid,
aber leider noch nicht los. Ich möchte Sie alle daher an dieser Stelle bitten: Sollten Sie               10 PISTENZAUBER
es noch nicht getan haben, nutzen Sie eines der vielen Impfangebote, die wir in Nieder-                           Skifahren im Waldviertel
österreich haben. Ob Impfzentrum, niedergelassener Arzt oder Impfbus, ob mit oder ohne
Termin, ob Erst-, Zweit- oder Drittimpfung: Jeder Stich hilft, diese Pandemie endlich hinter             14 GROSSSTADTDSCHUNGEL
uns zu lassen. Darum befürworte ich auch die generelle Impfpflicht: Sie ist notwendig,                            „Wildnis Stadt“ im Museum Niederösterreich
damit wir endgültig rauskommen aus dieser unmöglichen Lockdown-Spirale.
                                                                                                         18 GRENZVERKEHR
      Mit Zuversicht und Hoffnung erfüllt mich, dass wir in Niederösterreich auch in dieser                       Gesundheitszentrum „Healthacross“ in Gmünd
nun schon 22 Monate andauernden Ausnahmesituation so vorgehen, wie wir das immer
schon getan haben: Wir arbeiten zusammen und wir halten zusammen. Ich erachte das                        20 ENERGIEWENDE
für eine ganz besondere Stärke unseres Landes und denke hier vor allem auch daran, dass                           Klimaschutz in Niederösterreich
sich mehr als die Hälfte unserer Landsleute in einem oder mehreren der über 20.000
Vereine freiwillig engagiert – sei es bei den Rettungs- und Blaulichtorganisationen, bei                 23 PIXELNOSTALGIE
Kultur-, Tourismus- und Sportvereinen, in Bildungs- und Sozial-Einrichtungen oder in einem                        Mosaike – Große Kunst der kleinen Steine
der vielen weiteren ehrenamtlichen Vereine. Ohne dieses großartige Engagement der
vielen Menschen, die anpacken und arbeiten, ohne dafür Geld zu verlangen, könnten                        26 MAUERFALL
wir viele Aufgaben im Land gar nicht stemmen und wäre unser Bundesland nicht so lebens-                           Junge Wissenschafter bringen Mauern zu Fall
und liebenswert, wie es ist. Ihnen allen dafür ein großes und herzliches Dankeschön!
                                                                                                         28 HELDENSAGEN
     Tatsache ist aber auch, dass wir in einer Zeit leben, in der die Herausforderungen                           Feldherren- und Heldendenkmäler
wieder mehr werden. Neben der Corona-Krankheit denke ich da vor allem auch an neue
Techniken und Technologien, die Fluch und Segen zugleich sind, oder auch den Klima-                      30 FRISCHFISCH
wandel. In Niederösterreich wollen wir uns bestmöglich auf die Herausforderungen der                              Wertvolle Lebensmittel aus dem Wasser
Zukunft vorbereiten. Sei es durch Wissenschaft und Forschung, wie sie am IST Austria in
Klosterneuburg betrieben wird, sei es durch das konsequente Umsetzen der Energiewende                    32 MODELLCHARAKTER
oder mit der Entwicklung der neuen Landesstrategie Niederösterreich 2030 – diesen                                 Klimaregion Retzer Land
und vielen weiteren zukunftsorientierten Themen sind Beiträge in der neuen Ausgabe
der „Perspektiven“, die Sie soeben in Händen halten, gewidmet. Ich wünsche Ihnen viel                    34 COACHINGZONE
Freude bei der Lektüre und vor allem auch ein friedliches und gesegnetes Weihnachtsfest.                          Neue Aufgaben für die Kulturvernetzung
Bleiben Sie gesund!

     Ihre Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner

                                                                                               IMPRESSUM
                                                                                               Vierteljahresschrift mit Reportagen, Beiträgen und Informationen zu Kultur, Geschichte, Wirtschaft, Wissenschaft und Tourismus in Niederösterreich
                                                                                               Medieninhaber, Eigentümer, Herausgeber: Amt der NÖ Landesregierung, Landesamtsdirektion/Öffentlichkeitsarbeit
                                                                                               Chefredakteur: Mag. Christian Salzmann, Redaktion: Mag. Rainer Hirschkorn, Grafische Gestaltung: hvkw
                                                                                               3109 St.Pölten, Landhausplatz 1, Telefon (02742) 9005 -12172, Fax (02742) 9005 -13550, E-Mail: presse@noel.gv.at
                                                                                               Druck: Amt der NÖ Landesregierung, Landesamtsdirektion, Abt. Gebäudeverwaltung – Amtsdruckerei
                                                                                               (Die Beiträge stehen in der Verantwortlichkeit der Autorinnen und Autoren und müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

                                                                                               Fotos: Cover: Studio Kerschbaum, Inhalt: IST Austria, Waldviertel Tourismus/Fotostudio Kerschbaum, Daniel Hinterramskogler, Jürgen Burchhart
                                                                                               (Sämtliche Aufnahmen entstanden unter Einhaltung der damals jeweils gültigen Covid-19-Regeln)
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IST AUSTRIA: MIT RIESENSCHRITTEN ZUM WISSENSCHAFTSLEUCHTTURM

                                       FORSCHUNGS -
                                          TURBO
                                Mit großer Beständigkeit erweitert Niederösterreich Schritt für Schritt das Institute of Science and
                             Technology ( IST) Austria in Klosterneuburg. Jüngste Beispiele sind das neue Laborgebäude Sunstone
                              Building am Campus, die gemeinsame Vereinbarung mit dem Bund zur langfristigen Finanzierung
                                     des Forschungsinstitutes sowie der IST-Park Klosterneuburg mit seinen Spin-off-Firmen.
                                                                           TEXT: JOHANNES SEITER

                             „O
                                     b und wie sich Niederösterreich in Zukunft        Jahre 2026 bis 2036 ermöglicht es, das Institut zu
                                     bewähren wird, das entscheidet sich schon heute   einer Größe von etwa 1.000 Wissenschafterinnen und
                                     in unseren Hörsälen, Labors und Forschungs-       Wissenschaftern auszubauen. „Niederösterreich festigt
                             instituten. Es hängt von Kenntnissen, vom Wissen          seine Qualität als Wirtschaftsstandort auch durch den
                             und von Fertigkeiten, aber auch von den Werten und        konsequenten Ausbau der Institutionen für Bildung
                             Einstellungen ab, die wir unseren Studentinnen und        und Forschung auf internationalem Niveau. Letztlich
                             Studenten mit auf den Weg geben“, meint Landes-           beruht jede wirtschaftliche Innovation auf wissenschaft-
                             hauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu den Ambitionen          licher Forschung. Das IST Austria stärkt daher das
                             Niederösterreichs, mit dem IST Austria zu einem noch      Land“, sagt Mikl-Leitner.
                             wettbewerbsfähigeren Wissenschaftsstandort zu werden.
                                                                                       H I STOR I E
                             WI SS ENSC HAFTSSTANDORT                                  Geboren wurde die Idee vom österreichischen Quanten-
                             Die langfristige Finanzierungszusage von Bund und         physiker Anton Zeilinger beim Europäischen Forum
                             Land in der Höhe von 3,28 Milliarden Euro für die         Alpbach im Jahr 2002, als er meinte, man solle ein

04   PERSPEKTIVEN 04 /2021                                                                                                        PERSPEKTIVEN 04/2021   05
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neues österreichisches Institut für hochwertige Grund-      EXZ ELLENZ                                                                                                                                                     S PI N-OFF
     lagenforschung errichten. Im Jahr 2005 wurde ein            So kommt das Forschungszentrum immer mehr in                                                                                                                   Es ist wichtig, dass das große Potenzial, das in den
     Konzept für das Projekt vorgelegt, ein Jahr danach die      Schwung und wird immer größer: Im Herbst, drei                                                                                                                 Forschungsstätten, Fachhochschulen und Universitäten
     rechtliche und finanzielle Basis geschaffen. So wird seit   Jahre nach der Grundsteinlegung, wurde das neue                                                                                                                ruht, für Wirtschaft und Arbeitsplätze gehoben wird.
     dem Jahr 2007 am Rand des nördlichen Wienerwaldes           Laborgebäude Sunstone eröffnet, das auf einer Grund-                                                                                                           Dabei spielen Gründungen aus wissenschaftlichen Ein-
     in Klosterneuburg nach jenen Grundlagen geforscht,          fläche von über 10.000 Quadratmetern auch Platz für                                                                                                            richtungen, sogenannte Spin-offs, eine wichtige Rolle.
     die langfristig gesehen die unverzichtbare Basis für        eine Scientific Service Unit bietet, um die Erweiterung                                                                                                        Ein besonders gutes Beispiel dafür ist der international
     jeden wissenschaftlichen, technischen und wirtschaft-       der Forschungsbandbreite am IST zu ermöglichen. So                                                                                                             ausgerichtete Venture Fonds IST cube, der seit 2017
     lichen Fortschritt bilden. Ausgerichtet auf Grund-          können die Bausteine des Lebens künftig in der Kern-                                                                                                           auf dem Gelände des IST Austria in Klosterneu-
     lagenforschung in den Fächern Biologie, Mathematik,         spinresonanz-Facility erforscht werden. Dabei werden                                                                                                           burg angesiedelt ist und Geld in Spin-off-Firmen
     Physik, Chemie und Informatik, werden die Geschicke         etwa die Dynamiken und Funktionsweisen von Mole-                                                                                                               investiert. Ende 2020 hat das IST-cube-Team eine
     des IST Austria vom Computerwissenschafter Thomas           külen, zum Beispiel von Proteinen, untersucht. Auch                                                                                                            groß angelegte Finanzierungsrunde erfolgreich ab-
     A. Henzinger gelenkt.                                       die magnetischen und elektrischen Eigenschaften                                                                                                                geschlossen: Ab sofort stehen mehr als 40 Millionen
                                                                 von kleinen Teilchen können analysiert werden, um                                                                                                              Euro bereit, um zukunftsweisende wissenschaftliche
     WEI ZMANN-I NSTITUT                                         beispielsweise Quantenphänomenen auf die Spur zu                                                                                                               Forschungsprojekte zu kommerziell erfolgreichen            namhafte private Investoren bei, darunter sind

                                                                                                                           Fotos: Johann Pfeiffer, Günter Filzwieser, Jürgen Burchhart, IST Austria / Magic Lemur Productions
     Für Mikl-Leitner sind die knapp 3,3 Milliarden Euro         kommen.                                                                                                                                                        Unternehmen zu entwickeln.                                 u.a. die Mitterbauer-Beteiligungs-AG und die Vienna
     für das IST Austria bis zum Jahr 2036 „ein Turbo für                                                                                                                                                                                                                                  Insurance Group (VIG).
     die Grundlagenforschung“. Das IST Austria sei zu            Beim Mix aus theoretischen und experimentellen                                                                                                                 Mit den jetzt beträchtlich aufgestockten Mitteln „wird
     einem internationalen Anziehungspunkt für die besten        Forschungsgruppen, die im Sunstone Building                                                                                                                    der IST cube Klosterneuburg zur Spin-off-Hauptstadt        ER FOLGSGESC H IC HTE
     Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt              arbeiten werden, wird die interdisziplinäre Forschung                                                                                                          unseres Bundeslandes machen“, meint dazu Wirt-             „Zuerst müssen wir investieren, um später ernten und
     geworden. „Dies hat dazu geführt, dass die Wissen-          weiter gefördert. IST Austria-Präsident Thomas A.                                                                                                              schaftslandesrat Jochen Danninger. In diesem Zusam-        konsumieren zu können", bekennt sich Landeshaupt-
     schafterinnen und Wissenschafter ihre Tätigkeit in          Henzinger meint über die Besonderheit des neuen                                                                                                                menhang verweist er auf die landeseigene Techno-           frau Johanna Mikl-Leitner zu dem eingeschlagenen
     Klosterneuburg nicht als einen Zwischenschritt,             Bauwerkes: „Das Laborgebäude 5, das sogenannte                                                                                                                 logiebeteiligungsgesellschaft tecnet equity, die eben-     Weg, „wissenschaftliche Arbeit attraktiv zu machen und
     sondern als einen Höhepunkt ihrer Karriere sehen“,          Sunstone Building, vereint vier Gebäude in einem. Es                                                                                                           falls Risikokapital-Investments in Hightech-Unter-         Forschung nach Österreich und Niederösterreich zu
     sagt die Landeshauptfrau.                                   sind Forschungsgruppen, die IST Austria Graduate                                                                                                               nehmen tätigt; tecnet equity arbeitet auch intensiv mit    bringen.“ Die weitere Entwicklung des Forschungs-
     Der bisherige Planungshorizont bis 2026 sieht ein           School, eine Kernspinresonanz-Facility sowie die                                                                                                               dem IST cube zusammen. Daraus sind mit Ribbon              standortes Niederösterreich ist für sie zugleich ein
     Wachstum auf 90 Forschungsgruppen vor. Vergleiche           Bibliothek untergebracht.“ Jedes neue Gebäude sei                                                                                                              Biolabs und VALANX Biotech schon zwei gemein-              lohnendes Instrument, die „großen Humanressourcen“
     mit anderen internationalen Spitzeninstitutionen wie        für das IST Austria ein Meilenstein, und das nächste                                                                                                           same Investments auf dem Fachgebiet Life Science           zu nutzen, was den „Mut voraussetzt, das Risiko für In-
     dem Weizmann-Institut zeigen, dass für weltweite Sicht-     Laborgebäude befinde sich bereits in Bau.                                                                                                                      entstanden, die im IST-Park Klosterneuburg ange-           vestitionen einzugehen.“ Die erfolgreiche Entwicklung
     barkeit und nachhaltige Spitzenleistungen eine Größe        Das neue Sunstone Building wird das Zuhause von                                                                                                                siedelt sind.                                              dieser Einrichtung, die einen enormen Turbo für
     von etwa 150 Gruppen notwendig ist. Heinz Faßmann,          zwölf Forschungsgruppen sein, die wie alle Forscherin-                                                                                                         „Das Motto lautet: Die Spin-offs von heute sind die        den Forschungs-, Wissenschafts- und Bildungsstandort
     Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und                nen und Forscher am IST Austria ohne thematische                                                                                                               innovativen Leitbetriebe von morgen“, hält Danninger       Niederösterreich ausgelöst habe, führe deutlich vor
     Forschung, meint dazu: „Mit der 15a-Vereinbarung            Vorgaben ihrer wissenschaftlichen Neugier folgen                                                                                                               fest. Von den 40 Millionen Euro für den IST cube           Augen, dass die seinerzeitige Entscheidung, das Institute
     zwischen Land Niederösterreich und Bund, die vom            werden. „Das ist eine erfolgreiche Philosophie, die                                                                                                            stammt die Hälfte vom Europäischen Investitions-           of Science and Technology Austria in Klosterneuburg
     Ministerrat beschlossen und von Parlament und               bereits in der Vergangenheit zahlreiche Erkenntnisse                                                                                                           fonds (EIF). 3,5 Millionen Euro steuert das Land           zu gründen, „richtig, wichtig und notwendig war“,
     niederösterreichischem Landtag verabschiedet wurde,         für die Fragen der Zukunft geliefert hat und auch                                                                                                              Niederösterreich bei, 3 Millionen Euro die Bundes-         betont die Landeshauptfrau.                            ■
     ist es dem IST Austria nun möglich, auf diese wichtige      weiterhin die Grundlagenforschung vorantreiben                                                                                                                 Förderstelle aws – Austria Wirtschaftsservice. Den
     Größe anzuwachsen.“                                         wird“, erklärt Henzinger.                                                                                                                                      Rest – mehr als 13 Millionen Euro – tragen rund 20         www.ist.ac.at, www.ist-cube.com

06   PERSPEKTIVEN 04 /2021                                                                                                                                                                                                                                                                                                             PERSPEKTIVEN 04/2021   07
FORSCHUNGSTURBO ZUKUNFTSDISKUSSION PISTENZAUBER - 4 I WINTER 2021 - Land Niederösterreich
LANDESSTRATEGIE 2030: DENKEN SIE BITTE AN IHRE ZUKUNFT!

                                   ZUKUNFTS-
                            DISKUSSION
                                   Vor rund sechs Monaten wurde der Startschuss gegeben,
                        jetzt läuft die Erarbeitung der neuen Landesstrategie Niederösterreich 2030
                          auf Hochtouren. So wurde im November die größte Haushaltsbefragung,
                                die es jemals in Niederösterreich gegeben hat, durchgeführt.
                        Und bei zwei Diskussionsveranstaltungen waren hochkarätige internationale
                                    Expertinnen und Experten zu Gast in Niederösterreich.
                                                     TEXT: CHRISTIAN SALZMANN

                                                                                                                                                                         die Entwicklung dieser neuen Landesstrategie meint        nen und Experten aus der ganzen Welt: Alan Webber,
                                                                                                                                                                         Mikl-Leitner: „Ein Prozess, der wahrlich einzigartig      Bürgermeister von Santa Fe in New Mexico, und
                                                                                                                                                                         in Österreich ist und der vor allem auch so gestaltet     George Njenga, Rektor der Strathmore Business School
                                                                                                                                                                         ist, wie wir das in Niederösterreich für gut, wichtig     in Kenia, kamen dabei ebenso zu Wort wie Eser Sevinc
                                                                                                                                                                         und richtig erachten. Nämlich im Miteinander aller        Manav, die General Managerin von Coca Cola für
                                                                                                                                                                         Parteien, die in der Landesregierung vertreten sind,      Zentraleuropa, und Paul Lee, ehemaliger CEO
                                                                                                                                                                         auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen und unter Ein-    der ABC Entertainment Group.
                                                                                                                                                                         bindung nationaler und internationaler Expertinnen
                                                                                                                                                                         und Experten.“                                            ZUKUNFT DI S KUTI ER EN
                                                                                                                                                                                                                                   Die Austragungsorte der beiden Zukunftsdiskussionen
                                                                                                                                                                         EXPERTEN HÖR EN                                           wurden nicht zufällig gewählt, erläutert Landeshaupt-
                                                                                                                                                                         Diese Expertinnen und Experten sind es auch, die          frau Mikl-Leitner, es seien dafür „besonders spannende
                                                                                                                                                                         in Form mehrerer Zukunftsdiskussionen intensiv in die     Orte in Niederösterreich“ ausgewählt worden. „Unser
                                                                                                                                                                         Erarbeitung der neuen Landesstrategie eingebunden         Auftrag lautet, global zu denken und regional zu
                                                                                                                                                                         werden sollen. Bei den ersten beiden derartigen Veran-    handeln. Dabei ist uns der Flughafen Vorbild und

     „D
               enken Sie bitte an Ihre Zukunft und jene der        BÜRGER BEFRAGEN                                                                                       staltungen ist dies schon sehr gut gelungen. So waren     Inspiration zugleich.“ Und auch Grafenegg, der zweite
               Kinder von heute in Niederösterreich. Was ist       Für Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ist diese                                                    im September am Flughafen Wien-Schwechat der ehe-         Veranstaltungsort, könne hier wichtige Impulse geben:
               aus Ihrer Sicht für ein besseres Leben wichtig?“.   Befragung der Bürgerinnen und Bürger nichts weniger                                                   malige deutsche Vizekanzler, Umwelt-, Wirtschafts- und    „Grafenegg ist nicht nur bekannt dafür, dass hier Kultur
        Diese Frage wurde den Niederösterreicherinnen              als das „Herzstück unseres Zukunftsprozesses“. Denn                                                   Außenminister Sigmar Gabriel sowie die Fernseh-           auf Kulisse trifft und dass es hier einen Spannungs-
        und Niederösterreichern im Rahmen des größten              „eine Landesstrategie ohne Einbindung der Landsleute                                                  moderatorin, Buchautorin und Journalistin Nina Ruge       bogen zwischen Geschichte und Moderne gibt. Grafen-
        je in Niederösterreich initiierten Bürgerbeteiligungs-     – das wäre wie ein Gulasch ohne Saft“, zitiert sie                                                    zu Gast. Im November folgten in Grafenegg der             egg steht auch dafür, wie man aus einer Vision Wirk-
        prozesses gestellt. Denn im Zuge der Entwicklung           hier einen in Niederösterreich nur allzu bekannten                                                    Schweizer Trendforscher, Autor und Speaker David          lichkeit machen kann,“ betont sie.
        der neuen Landesstrategie Niederösterreich 2030            Vergleich. Dem stimmt auch LH-Stellvertreter Franz                                                    Bosshart sowie die deutsche Autorin und Politikerin
        wurden im November über 800.000 Fragebögen an die          Schnabl zu, der meint, die Beteiligung der Niederöster-                                               Diana Kinnert. Moderiert wurden beide Veranstaltun-       Die Arbeit an der Vision „Landesstrategie Niederöster-
        niederösterreichischen Haushalte verschickt, um die        reicherinnen und Niederösterreicher sei „wahrschein-                                                  gen von Gustav Dressler und Steffi Burkhart, der Leite-   reich 2030“ geht daher intensiv weiter. Schließlich gilt
        Meinungen und Ideen der Landsleute abzufragen –            lich die wichtigste Säule“ der Zukunftsstrategie des                                                  rin des Zukunftsfeldes „Opinion leader“, während          es Antworten auf die fünf großen Fragen zu finden,
                                                                                                                             Fotos: Johann Pfeiffer, Günter Filzwieser

        und natürlich war eine Teilnahme auch online möglich.      Landes. Und auch Landesrat Gottfried Waldhäusl hält                                                   die beiden anderen Zukunftsfelder „Bürgerbeteiligung“     die man sich im gesamten Prozess zur neuen
        Mittels einer Skala von „Sehr“ bis „Gar nicht“ konnten     zur Haushaltsbefragung fest, für ihn sei es „selbstver-                                               von Peter Filzmaier und „Wissenschaft“ von Christoph      Landesstrategie stellt: Wovon leben wir morgen?
        alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei ihre             ständlich, dass wir bei dieser Strategie die Landsleute                                               Badelt geleitet werden.                                   Wie leben wir morgen? Worauf achten wir morgen?
        Meinung zu Fragen nach der Bedeutung von Themen            mitnehmen“.                                                                                           Bei der Diskussion mit Gabriel und Ruge standen –         Wer wollen wir morgen sein? Wie organisieren wir uns
        wie Arbeitsplätze, Wirtschaftsstandort, Qualifzierung,     Es gehe darum, Zukunftsfelder zu definieren, die den                                                  durchaus auch kontroversiell – vor allem die Themen       morgen? Die nächste Zukunftsdiskussion ist bereits
        Angebote für Kinder und Jugendliche, Zusammenleben         Menschen wichtig sind, betont die Landeshauptfrau                                                     Arbeit und Wirtschaft im Fokus, mit Bosshart und          für den Jänner 2022 geplant, zwei weitere sollen in
        von Jung und Alt, Umwelt und Klima, Kunst und              im Hinblick auf die Haushaltsbefragung, aber auch im                                                  Kinnert konnte man einen Blick in die großen              den Monaten darauf folgen. Die große Abschluss-
        Kultur, Sport und Bewegung, Mobilität und Verkehr          Blick auf die gesamte Zukunftsstrategie, die unter dem                                                Zukunftstrends werfen. Erweitert wurde die internatio-    veranstaltung ist für den Herbst nächsten Jahres
        sowie vielen weiteren mehr abgeben.                        Motto „Mein Land denkt an morgen“ steht. Über                                                         nale Perspektive durch Videostatements von Expertin-      vorgesehen.                                          ■

08      PERSPEKTIVEN 04 /2021                                                                                                                                                                                                                                                 PERSPEKTIVEN 04/2021   09
Konzert im Kaiserhaus                                                               Beethovenhaus
FORSCHUNGSTURBO ZUKUNFTSDISKUSSION PISTENZAUBER - 4 I WINTER 2021 - Land Niederösterreich
SKIFAHREN GANZ OHNE ZIRKUS IM WALDVIERTEL

                             PISTENZAUBER
                                        Wer an Skisport und Österreich denkt, der sieht meist unweigerlich die Pisten
                                   in den alpinen Bundesländern von Salzburg bis Vorarlberg vor sich. Nicht in erster Linie
                                       kommt einem dabei Niederösterreich in den Sinn, obwohl hier u.a. am Ötscher,
                                 am Hochkar und im Semmering- und Wechselgebiet beachtliche Skiregionen zu finden sind.
                                     Aber kaum jemand wird das Skifahren mit dem Waldviertel in Verbindung bringen –
                                  außer natürlich all jene, die hier Skifahren gelernt haben, und das sind gar nicht so wenige.
                                   Denn im nördlichen Waldviertel zeichneten so manche ihre ersten Bögen in den Schnee,
                                    stemmten die Knie zusammen, versuchten, dem Rutschen eine Richtung zu geben,
                                           und freuten sich mit steigender Begeisterung über zunehmenden Erfolg.
                                                                          TEXT: THOMAS SAMHABER

                             I
                                m Waldviertel, und zwar dort, wo man wirklich          aufkommenden Skibegeisterung der 1950er-Jahre
                                „oben“ ist, geschieht alle Jahre rund um Weihnachten   junge Burschen die Materialseilbahn auf den Arra, um
                                die Verwandlung von landwirtschaftlich geprägten,      sich auf den Berg (manche sagen freilich Hügel dazu)
                             ruhigen Dörfern in bunte und dicht bevölkerte kleine      bringen zu lassen und dann mit den Skiern zu Tal
                             Skiparadiese. Ein bisschen erinnert es an die Landung     zu fahren. Als Toni Sailer 1956 in Cortina seine drei
                             von Außerirdischen, wenn sich die Parkplätze füllen       Olympia-Goldenen holte, baute der Höher-Wirt diesen
                             und aus den Fahrzeugen kleine grellleuchtende Ge-         Aufzug zu einem richtigen Bügellift um, einem der
                             stalten aussteigen, mit bunten Helmen und über-           ersten weit und breit. Dementsprechend erfolgte die
                             dimensionalen Kunststoffstiefeln, an die wenig später     Einweihung voller Stolz und mit geistlichem Segen.
                             färbige Bretter geschnallt werden.                        1971 wurden die Arra-Lifte in eine eigene Gesellschaft
                             Drei Skidörfer sind hier im nördlichen Waldviertel zu     umgewandelt, die mit der Errichtung einer Flutlicht-
                             nennen: Schon nahe an der tschechischen bzw. ober-        anlage und dem Einsatz von Schneekanonen – die
                             österreichischen Grenze liegen Kirchbach, Karlstift       hatten damals manche Tiroler Skizentren noch nicht –
                             und Harmanschlag. Hier fällt mehr Schnee als anders-      weiterhin zu den Pionieren, und das weit über die
                             wo, er kommt früher und bleibt länger liegen. Aber        Region hinaus, zählte.
                             auch dann, wenn das malerische und für den Skisport       Untrennbar verbunden ist die Erfolgsgeschichte des
                             unabdingbare Weiß fehlt und die Landschaft auch zur       Liftes in Harmanschlag mit dem Namen des ehemali-
                             Winterszeit grünt, wird mit großen Anstrengungen und      gen Langzeit-Geschäftsführers Helmut Minichshofer,
                             modernen Beschneiungsanlagen nachgeholfen, um für         der über Jahrzehnte leidenschaftlich und energisch für
                             die vielen Besucher richtig schöne Pisten auszubreiten.   den Lift kämpfte und dabei persönlich darauf achtete,
                                                                                       dass keine Liftbügel unbesetzt blieben: „Paarweise ein-
                             TRADITION                                                 steigen!“ war sein Slogan, und so begegnete er den
                             Der Skisport in diesen Dörfern ist aber keine moderne     ersten Snowboardern, die je einen eigenen Bügel für
                             Erscheinung – modern war man hier schon anno              sich in Anspruch nahmen, naturgemäß mit Skepsis.
                             dazumal. In Harmanschlag zum Beispiel nutzten in der      Heute werden die Arra-Lifte von einem jungen Team

10   PERSPEKTIVEN 04 /2021                                                                                                       PERSPEKTIVEN 04/2021   11
FORSCHUNGSTURBO ZUKUNFTSDISKUSSION PISTENZAUBER - 4 I WINTER 2021 - Land Niederösterreich
rund um Geschäftsführer Peter Weinberger und Be-             hier die einzige Naturrodelbahn im Waldviertel, auch
                                                                                                                                                                                      triebsleiter Rainer Poiss professionell und nach wie vor     sie hat schon eine lange Geschichte. Seit über 50 Jahren
                                                                                                                                                                                      mit großer Begeisterung geführt.                             wird sie vom WSV Reichenau am Freiwald betrieben,
                                                                                                                                                                                      In Kirchbach bei Rapottenstein war man mit der Lift-         sie ist über einen Kilometer lang und sogar Schauplatz
                                                                                                                                                                                      errichtung auch sehr früh dran. Hier war es der junge        internationaler Rennen.
                                                                                                                                                                                      sportbegeisterte Volksschullehrer Wolfgang Kupsa, der        In Harmanschlag fühlen sich nicht nur bis zu 1.200
                                                                                                                                                                                      Gleichgesinnte fand und mit Beharrlichkeit den Traum         Kinder, die pro Saison die zahlreichen Skikurse
                                                                                                                                                                                      eines Skiliftes auf 700 Metern Seehöhe verwirklichte.        besuchen, gut aufgehoben, auch die Snowboarder
                                                                                                                                                                                      Am 8. Jänner 1967 erfolgte die Eröffnung des ersten          schätzen den Hang mit seinen Flach- und Steilstücken,
                                                                                                                                                                                      Umlauf- Schleppliftes im Waldviertel, die sogar Landes-      während sich auf den Schanzen die Freestyler austoben
                                                                                                                                                                                      hauptmann Andreas Maurer persönlich vornahm.                 können. Viele Menschen aus der Umgebung nutzen
                                                                                                                                                                                      Nach Abnahme des Publikumszuspruchs und schwieri-            nach der Arbeit die Flutlichtabende noch für ein paar
                                                                                                                                                                                      gen Jahren stand man vor der Schließung. Hopp oder           Schwünge - und das schon seit einer Zeit, als After-
                                                                                                                                                                                      dropp: Man entschied sich für den mutigen Weg einer          Work-Sport noch ein Fremdwort war.
                                                                                                                                                                                      völligen Neugestaltung. 2001 übernahm ein eigener            Auch das Skidorf Kirchbach beweist mit Einsatz
                                                                                                                                                                                      Verein rund um Franz Jahn die Geschäfte, das hoch-           und Originalität, dass kleine Lifte keineswegs Auslauf-
                                                                                                                                                                                      motivierte Team modernisierte die Anlage, veranstal-         modelle oder museale Erscheinungen sind – wie zum
                                                                                                                                                                                      tete Skikurse und Rennen, sorgte für die Gastronomie         Beispiel die besuchenswerte Brettersäge in Kirchbach.
                                                                                                                                                                                      und brachte den kleinen Lift wieder in die Erfolgsspur.      Sie sind im Gegenteil sehr lebendige, frequentierte Frei-
                                                                                                                                                                                                                                                   zeitstätten mit hohem Unterhaltungwert, in Kirchbach
                                                                                                                                                                                      Karlstift verfügt über die längsten Abfahrten im Wald-       sogar mit der Möglichkeit, sich am „Big-Horse-Tower“
                                                                                                                                                                                      viertel. Sechs Kilometer Skipisten und drei Lifte, von       im Eisklettern zu üben.
                                                                                                                                                                                      denen die Besucher bis auf 1.040 Meter Seehöhe ge-
                                                                                                                                                                                      bracht werden, stehen am Aichelberg zur Verfügung.           GEM EI NSAM KEITEN

                             Fotos: Waldviertel Tourismus/Studio Kerschbaum, Gemeinde Bad Großpertholz, ILD Temper-Samhaber, Skidorf Kirchbach, FVV Harmanschlag, Günter Filzwieser
                                                                                                                                                                                      Und auch hier gehen die Anlagen auf die 1960er-Jahre         Was alle diese Wintersportgebiete verbindet und
                                                                                                                                                                                      zurück, die Gemeinde und die Gutsbesitzer Pfleiderer         ihnen hoch anzurechnen ist: Sie alle leisten einen
                                                                                                                                                                                      waren hier die Motoren. 1966 beschloss der Gemeinde-         ungemein wichtigen Beitrag für das soziale Leben in
                                                                                                                                                                                      rat die Errichtung, im Dezember 1969 kam dann recht-         der Region, für wirtschaftliche Wertschöpfung, touristi-
                                                                                                                                                                                      zeitig vor Saisonbeginn die Betriebsgenehmigung von          sche Angebotserweiterung, die Vermittlung von Freude
                                                                                                                                                                                      der Bezirkshauptmannschaft. Erster Geschäftsführer           am Skisport und damit unverzichtbare Nachwuchs-
                                                                                                                                                                                      war Theodor Pfleiderer, zehn Jahre später folgten            arbeit.
                                                                                                                                                                                      die Bürgermeister Heinrich Weichselbaum und Josef            Was sie auch verbindet, ist die familiäre, weitgehend
                                                                                                                                                                                      Jansen. Seit 2008 wird der Lift nun privat von Wolfgang      stresslose und obendrein kostengünstige Form des
                                                                                                                                                                                      Landl und seinem eingespielten Team erfolgreich              Skifahrens. Wenn man im Stubaital oder in Zell am See
                                                                                                                                                                                      betrieben.                                                   nach der Parkplatzsuche, den Fußmärschen, dem
                                                                                                                                                                                                                                                   Anstellen in Menschenschlangen und den langen
                                                                                                                                                                                      R EGIONAL – I NTER NATIONAL                                  Seilbahnfahrten endlich mit dem Skifahren beginnen
                                                                                                                                                                                      Als in den Dezembertagen 1989 die Grenzen zu                 kann, legt man im Waldviertel nach zehn Abfahrten
                                                                                                                                                                                      unserem tschechischen Nachbarland aufgingen, öffnete         schon die erste Pause ein.
                                                                                                                                                                                      dieses seltene historische Wunder auch den Wald-
                                                                                                                                                                                      viertler Skiliften den Zugang zu einer völlig neuen Ziel-
                                                                                                                                                                                      gruppe. Die Menschen im kaum eine Autostunde ent-
                                                                                                                                                                                                 ˇ
                                                                                                                                                                                      fernten Ceské         ˇ
                                                                                                                                                                                                       Budejovice,  das fast so viele Einwohner
                                                                                                                                                                                      wie das gesamte Obere Waldviertel hat, schätzen die
                                                                                                                                                                                      Wintersportangebote in der Nähe. Und manche Kinder
                                                                                                                                                                                      können nach dem Wochenendausflug in das Wald-
                                                                                                                                                                                      viertel in der Schule stolz sagen, sie waren in Österreich
                                                                                                                                                                                      Skifahren.
                                                                                                                                                                                      Schon sehr früh erkannten das zum Beispiel die Lifte
                                                                                                                                                                                      in Harmanschlag und verbreiteten ihre Werbung in
                                                                                                                                                                                      ganz Südböhmen in tschechischer Sprache. Heute sind
                                                                                                                                                                                      Menschen aus Tschechien beim Personal ebenso wie
                                                                                                                                                                                      bei den Gästen selbstverständlicher Teil einer gelebten
                                                                                                                                                                                      Nachbarschaft.                                               Und die Angst, dass man seinen im Skiparadies ver-
                                                                                                                                                                                                                                                   irrten Sprössling verzweifelt suchen muss, braucht man
                                                                                                                                                                                      BESONDER H EITEN                                             hier auch nicht zu haben, denn im Waldviertel führen
                                                                                                                                                                                      Jedes dieser Skigebiete verfügt neben einem professio-       alle Abfahrten zu einem netten Gasthaus wie der Karl-
                                                                                                                                                                                      nellen Gästeservice, modernen Beschneiungsanlagen            stifterhütte oder dem Kirchbochstodl. In Harmanschlag
                                                                                                                                                                                      und Flutlicht über seine ganz persönlichen Qualitäten.       kann man sogar wählen und den Einkehrschwung zum
                                                                                                                                                                                      So sind bei den Aichelbergliften in Karlstift spezielle      Arrahof oder ins 50 Meter entfernte Schwingerl lenken
                                                                                                                                                                                      Angebote für Kinder und die Nähe zu den ausgedehn-           – also durchaus überschaubar. Skifahren ganz ohne
                                                                                                                                                                                      ten Langlaufloipen zu erwähnen. Zudem findet sich            Zirkus eben. www.waldviertel.at/skifahren            ■

12   PERSPEKTIVEN 04 /2021                                                                                                                                                                                                                                                                     PERSPEKTIVEN 04/2021   13
FORSCHUNGSTURBO ZUKUNFTSDISKUSSION PISTENZAUBER - 4 I WINTER 2021 - Land Niederösterreich
„WILDNIS STADT“ IM HAUS FÜR NATUR IM MUSEUM NIEDERÖSTERREICH

                             GROSSSTADT-
                             DSCHUNGEL       Die Definition – zwischen unbeeinflusster Naturlandschaft
                                   und furchteinflößender Stätte der Unbehaustheit – mag nicht eindeutig sein,
                                      klar ist aber, dass sie in Niederösterreich heuer groß im Kommen ist.
                                    In Lunz am See bewohnt die Wildnis, stellvertretend für das Naturreservat
                                   Dürrenstein, seit Mitte Mai ein eigenes Haus, Anfang Oktober ist sie dann auch
                                    ins Museum eingezogen: Das Haus für Natur im Museum Niederösterreich
                                              in St. Pölten präsentiert bis Anfang 2023, wann immer es
                                                 die CoV-Maßnahmen zulassen, die „Wildnis-Stadt“.

                                                                            TEXT: RAINER HIRSCHKORN

                             A
                                    propos Definition: Eine Großstadt sollte zwar        die Stadt tatsächlich ist und wie viele verschiedene
                                    mindestens 100.000 Einwohner beherbergen,            Lebensräume sie dennoch bietet – etwa den Pflanzen-
                                    das Haus für Natur beschränkt sich aber in           pionieren wie Breit- und Spitzwegerich, Gänse-
                             seiner Schau über urbane Flora und Fauna bewusst            blümchen oder Löwenzahn, den klassischen Über-
                             nicht auf die Landeshauptstadt, wenngleich diese mit        lebenskünstlern. Dass sie kein Unkraut, sondern nütz-
                             vielen Fotos, Videos und Geschichten durchgehend            liche Heilmittel (der Spitzwegerich etwa gegen Insekten-
                             prominent ins Bild gerückt ist. „Mitteleuropäische          stiche) sind, vermittelt hier erstmals ein QR-Code,
                             Städte gehören zu den artenreichsten Orten über-            dessen Dekodierung weiteres Wissenswertes wie zum
                             haupt“, sagt Ronald Lintner, wissenschaftlicher und         Beispiel Rezeptideen für zu Hause zu Tage fördert.
                             zoologischer Leiter des Hauses, Verantwortlicher
                             für den Bereich Naturkunde der Landessammlungen             LOSUNGEN UND LÖSUNGEN
                             Niederösterreich und Kurator der Schau.                     So wie die QR-Codes die gesamte Ausstellung durch-
                                                                                         ziehen, folgt man stets auch Tierspuren, wobei man
                             TIGER, LÖWEN UND BÄR EN                                     am Boden immer wieder auch Kotmodelle findet, die
                             Er macht deutlich, dass Stadt nicht nur Häuserschluch-      entsprechend zuzuordnen sind (bei einem besonderen
                             ten, Faltbeton und Autoschlangen bedeutet, sondern          „Prachtexemplar“ eines Hundstrümmerls, erzählt
                             auch einen Hotspot für Pflanzen und Tiere, denen            der Kurator mit schelmischem Lächeln, sei es anfangs
                             Grünstreifen, Blumeninseln, Brachflächen, Parkan-           besonders schwierig gewesen, das schockierte Reini-
                             lagen, Keller, Hausfassaden und Dachböden ein Mosaik        gungspersonal fernzuhalten).
                             an Lebensräumen bieten. Freilich geht es in „Wildnis        Zu erraten gibt es – freilich auf eine weniger drastische
                             Stadt“ nicht nur um die Tiere und Pflanzen, sondern         Art – natürlich auch für Kinder genug: Die Eule Poldi,
                             auch um Themen wie Artenschutz, Biodiversität und           das Museumsmaskottchen, begleitet ebenfalls ab den
                             Umweltbildung. „Augen auf! Wer mit offenen Augen            Gänseblümchen durch die Schau und lädt zu verschie-
                             durch eine Stadt geht, kann jeden Tag etwas Neues           denen Rätseln und Spielen ein. So zeigt ein Steckspiel
                             sehen“, appelliert Lintner, empfiehlt die Ausstellungs-     über Ersatzlebensräume (wie Nische statt Höhle, Häuser-
                             broschüre als handlichen Führer durch den Naturraum         statt Felsschlucht), was die Tiere in der Stadt sehen,
                             Stadt und verspricht Begegnungen mit Tigern, Löwen          erklingen – wenn schon nicht Amsel, Drossel, Fink und
                             und Bären.                                                  Star, so doch – die Stimmen von Buchfink, Kohlmeise
                             Solcherart neugierig geworden, betritt man die Aus-         und Lachmöwe, sprechen verschiedene Nagespuren
                             stellung und wird zunächst mit einer Luftbildaufnahme       gegen jede Beißhemmung, veranschaulicht ein Magnet-
                             St. Pöltens konfrontiert, die deutlich macht, wie verbaut   spiel, wer wo wohnt, bringt ein hochgehobener Holz-

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FORSCHUNGSTURBO ZUKUNFTSDISKUSSION PISTENZAUBER - 4 I WINTER 2021 - Land Niederösterreich
scheit – zumindest via Bildschirm – allerlei Krabbel-      die Ausstellungsmacher zu der Frage „Knappe Kost                                              WI LDNI S STATT STADT                                         auch die Glühwürmchen: Die Männchen der Großen
     wesen zutage, erklärt ein Federspiel, welche Feder zu      trotz bester Lage?“: Untersuchungen haben gezeigt,                                            Dass es manchmal auch skurrile Blüten treibt, wenn            Glühwürmchen fliegen übrigens, ohne zu leuchten, die
     welchem Vogel gehört, und erzählen schließlich die         dass Nestlinge in der City blasser und weniger „fit“ als                                      Wildtiere die Stadt erobern, zeigt ein Film von „Wiener       männlichen Kleinen Gühwürmchen leuchten im Flug,
     Wildtiere selbst in einem Kriechtunnel ihre Version        am Stadtrand sind. Das liegt am Stress ebenso wie an                                          Wildnis“ in der Videoecke, in dem ein Feldhamster das         und die Weibchen beider Arten locken mit ihrem
     vom Leben in der Stadt.                                    der „Stadtnahrung“.                                                                           Wachs aus Friedhofskerzen frisst. Dieser „Friedhofs-          Leuchten die Männchen an. Gleich daneben themati-
                                                                                                                                                              hamster“ – Ronald Lintner weiß von Exemplaren, die            siert eine Straßenlaterne die Lichtverschmutzung in der
     STADT-LAND-TI ER                                           STADT STATT WI LDNI S                                                                         sich dabei die Backen derart vollgestopft haben, dass sie     Stadt und die Auswirkungen von künstlicher Beleuch-
     Wobei sich dieses Stadtleben im Haus für Natur in viele    Die Fütterung etwa von Tauben (in der Schau ist die Be-                                       aus dem Kerzenbehälter nicht mehr so einfach heraus-          tung, während ein Fledermaus-Quiz u. a. danach fragt,
     – durchgehend mit Dioramen inklusive Klappsystemen         zeichnung „Ratten der Lüfte“ mit einem Fragezeichen                                           gekommen sind – ist freilich nicht der Einzige, der in-       wo sie sich in der Stadt besonders wohlfühlen und
     und Kurzvideos veranschaulichte - Lebensräume              versehen) führt zum Themenblock der Konfliktfelder,                                           mitten der „Ewigen Ruhe“ sehr aktiv ist: Auch für Rehe,       wie sie sich in der Dunkelheit orientieren. Bevor es dann
     gliedert: den Baum und die Blumeninsel (mit einer          die in der „Wildnis Stadt“ zwangsläufig auftreten – der                                       Hasen, Äskulapnattern, Krähen, Dohlen und viele               in der „Wildnis Stadt“ vollends finster wird, lässt
     brütenden Ente im Hochbeet in Balkonien), den Dach-        Steinmarder etwa, der bestimmte Teile parkender Autos                                         weitere Tiere erweist sich der Friedhof tatsächlich als       sich noch mittels bereitliegender Taschenlampen an
     boden mit seinen Dohlen und Siebenschläfern, den           zum Fressen gern hat, der Biber, der als Ökoingenieur                                         Lebensretter.                                                 den schwarzen Wänden so manches versteckte Tier
     Balkon mit seinen Marienkäfern und Kohlmeisen              bei der Auswahl seines Baumaterials nicht zimperlich                                          Neben den Begräbnisstätten führt ein mit Präparaten           entdecken.
     („Kein Balkon ist zu klein für Maßnahmen zur Be-           ist, der Specht, der die Hausfassade aufklopft, der Vogel,                                    von Damhirschen, Muflons, Wildschweinen, Hühnern              „Was braucht man für Naturbeobachtung?“, fragt
     wahrung der Artenvielfalt!“, unterstreicht Lintner), die   der trotz Greifvogelsilhouette gegen die Glasscheibe                                          und Exoten wie Schmuckschildkröten oder Mandarin-             Ronald Lintner abschließend und gibt mit „Lust,
     Fassade mit ihren Mauerseglern, die Brache mit ihren       knallt. Freilich verlässt man den Raum nicht, ohne mit                                        enten bestückter Raum auch zu den Hausgärten, Parks           Zeit und ein paar einfache Tipps“ gleich auch selbst
     Wildkaninchen und ihrem Schmetterlingsflieder, das         Tipps und Lösungsvorschlägen versorgt worden zu                                               und Wasserflächen. Dazu zeigen zwei Naturfilme                die Antwort. Genug davon hält die neue Ausstellung
     Begleitgrün mit seinen Heuschrecken und Stadt-Cham-        sein: eine Kollektion unterschiedlicher Muster zur Ver-                                       das Leben im und am kühlen Nass – Eisvögel an der             im Haus für Natur in jedem Fall parat. Und die Tiger,
     pions und nicht zuletzt die Bahndämme als wichtige         meidung von Glaskollisionen (die Silhouetten von                                              Traisen und Graureiher am Viehofner See inklusive.            Löwen und Bären? Die hat man tatsächlich auch
     Verbreitungskorridore.                                     Raubvögeln funktionieren nicht, es geht immer auch                                                                                                          gesehen – wenn auch in Gestalt von Tigerschnegeln,
     Zwei Lebensräume sind sogar mit lebenden Tieren –          um die Spiegelungen z. B. von Bäumen, weiß Lintner),                                          WER WAC HT I N DER NAC HT?                                    Ameisenlöwen und Bärtierchen. Aber auch sie spielen
     seit 2020 hat das Haus für Natur ja eine Genehmigung       Tipps, was mit einem verletzten Vogel zu tun ist, wenn                                        Besonderes Augenmerk wird dann noch auf die                   eine wichtige Rolle in der „Wildnis Stadt“ ...          ■
                                                                                                                             Fotos: Daniel Hinterramskogler

     als Zoo der Kategorie A – bestückt: mit Zitterspinnen      es doch einmal gekracht hat (der Tierschutzverein                                             „Nachtschwärmer“ gelegt, wenn ein Multimediaraum
     und besonders putzigen Waldmäusen mit ihren                St. Pölten versorgt pro Jahr rund 600 Wildtiere),                                             die „Wildnis Nacht“ ans Licht bringt und das nächtliche
     charakteristischen großen Augen und Ohren. Die             Ersatzquartiere zwischen Mai und August für den                                               Treiben von Dachsen, Füchsen, Kaninchen, Fröschen
     Turmfalken in der Schau bekommt man hingegen nur           Sommergast Mauersegler, Sommerquartiere für den                                               und Konsorten in Wien zeigt. Ein besonders possier-           Ausstellungsdauer: bis 12. Februar 2023;
     in einem Film zu sehen, aufgenommen in ihrer Nist-         Dachstuhlbewohner Fledermaus, im Mauerbereich fix                                             liches Beispiel stammt freilich aus St. Pölten - ein Biber,   reguläre Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag
     höhle im Karl-Marx-Hof in Wien. Dass in der Bundes-        integrierte Nistkästen oder künstliche Nester für die                                         der nachts um 2 Uhr mitten auf der Straße von einem           bzw. Feiertag von 9 bis 17 Uhr;
     hauptstadt bis zu 400 Brutpaare gezählt werden, führt      Mehlschwalben nach einer Fassadensanierung.                                                   Autofahrer gefilmt wurde. Nicht fehlen dürfen hier            www.museumnoe.at.

16   PERSPEKTIVEN 04 /2021                                                                                                                                                                                                                                              PERSPEKTIVEN 04/2021   17
FORSCHUNGSTURBO ZUKUNFTSDISKUSSION PISTENZAUBER - 4 I WINTER 2021 - Land Niederösterreich
GRENZÜBERSCHREITENDES GESUNDHEITSZENTRUM „HEALTHACROSS“ IN GMÜND

          GRENZ-
         VERKEHR                     Direkt an der südböhmischen Grenze wird im Waldviertel
                             die Gesundheitsversorgung großgeschrieben: In Gmünd ging vor wenigen
                                    Wochen das „Healthacross“-Gesundheitszentrum in Betrieb,
                                  in dem sowohl tschechische als auch österreichische Patienten
                                              medizinisch aufs Beste betreut werden.
                                                     TEXT: PHILIPP HEBENSTREIT

                                                                                                                                                         samen Lebens- und Wirtschaftsräume. Das neue ‚Health-     direkt an der Grenze zu Tschechien war im Frühling
                                                                                                                                                         across‘-Gesundheitszentrum ist so ein gemeinsamer         2019. Danach wurden 104 Stahlpfähle für den Holz-
                                                                                                                                                         Arbeits- und Lebensraum“, erklärte Landesrat Martin       riegelbau in den Boden getrieben, die Holzfassade
                                                                                                                                                         Eichtinger. Und Gmünds Bürgermeisterin Helga              wurde heuer im Frühling fertiggestellt. Gefördert wurde
                                                                                                                                                         Rosenmayer ergänzte: „Menschen wollen dort leben,         das 2,5 Millionen Euro teure Bauvorhaben durch Mittel
                                                                                                                                                         wo es auch eine gute Gesundheitsversorgung gibt. Für      des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Ent-
                                                                                                                                                         unsere Region – und ich betrachte das Waldviertel und     wicklung des ländlichen Raumes; errichtet wurde das
                                                                                                                                                         Südböhmen als eine Region – konnte mit dem ‚Health-       Gebäude von der Stadtgemeinde Gmünd.
                                                                                                                                                         across‘-Gesundheitszentrum in Gmünd ein einzig-
                                                                                                                                                         artiges Projekt umgesetzt werden. Ich freue mich riesig   VER BI NDEND
                                                                                                                                                         und danke allen, die dazu beigetragen haben.“             Begonnen hat alles mit „Healthacross for future“, einem
                                                                                                                                                                                                                   INTERREG-Projekt der Initiative „Healthacross“, in
                                                                                                                                                         AR BEITS PLATZ                                            deren Rahmen das Gesundheitszentrum geplant
                                                                                                                                                         Rund 40 Menschen sollen hier im Vollbetrieb arbeiten.     wurde. Elke Ledl, die Leiterin von „Healthacross“, er-
                                                                                                                                                         Die Ordinationen der Hausärzte mit Ordinations-           innert sich: „Kooperationen von Nachbarn verbessern die
                                                                                                                                                         assistentinnen und einer Krankenpflegerin haben be-       Versorgung der Menschen über die Grenzen hinweg.
                                                                                                                                                         reits uneingeschränkt geöffnet, die weiteren Mieterin-    Ressourcen können gemeinsam genutzt werden,

     M
               ehr als 400 Kilometer lang war der Eiserne          grenzüberschreitenden Gesundheitszentrums in                                          nen und Mieter ziehen nach und nach ein. Von Anfang       Erfahrungen und Wissen ausgetauscht werden – wie
               Vorhang zwischen Niederösterreich und der           Gmünd wird eine solche Vision der Zusammenarbeit                                      an mit dabei war Manfred Mayer, der Manager               man es neben dem Waldviertel und Südböhmen auch
               ehemaligen Tschechoslowakei. Jahrzehnte-            mit Südböhmen wahr. Für die Menschen auf beiden                                       des „Healthacross“-Gesundheitszentrums in Gmünd.          in unseren weiteren Kooperationen zwischen dem
     lang waren die Menschen nördlich und südlich dieser           Seiten der Grenze startet damit ein neues Angebot                                     „Besonderen Wert haben wir bei der Planung darauf         Weinviertel und Südmähren, Hainburg und Bratislava
     Grenze voneinander getrennt, obwohl die Nachbarn oft          an ärztlicher, pflegerischer und therapeutischer                                      gelegt, dass für die Menschen in der Region Dienstlei-    sowie Wiener Neustadt und Sopron sieht.“
     nur wenige Meter voneinander entfernt gelebt haben.           Versorgung“, betonte Landeshauptfrau Johanna Mikl-                                    stungen entstehen, die auch benötigt werden und den
     Und wo früher Menschen unter Todesangst über die              Leitner bei der Eröffnung.                                                            Menschen tatsächlich helfen“, verrät er. Und so gibt      Mit der Eröffnung des „Healthacross“-Gesundheits-
     Grenze nach Österreich geflüchtet sind, wird heute            In das gleiche Horn blies auch der tschechische Ge-                                   es im Gesundheitszentrum einen Kinderarzt, eine           zentrums wurde nun auch das Projekt „Healthacross for
     für die Menschen der Region zusammengearbeitet:               sundheitsminister Adam Vojtech,ˇ   der den großen Sinn                                Hebamme und eine Ergotherapeutin, einen Facharzt          future“ erfolgreich abgeschlossen, das vor zwei Jahren
     Im „Healthacross“-Gesundheitszentrum im direkten              in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unter-                                    für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, zwei Ortho-         beim „INTERREG Project Slam“ der Europäischen
     Grenzgebiet zwischen Gmünd und Ceské Velenice                 strich: „Es hat sich ja gezeigt, dass Gesundheit keine                                päden, fünf Physiotherapeutinnen bzw. -therapeuten        Union in Brüssel unter 50 Einreichungen den dritten
     helfen sich Österreicher und Tschechen gegenseitig.           Grenzen kennt. Auch Corona kennt keine Grenzen.                                       und einen Neurologen. Auch eine Psychotherapeutin,        Platz erreichte. Welchen Stellenwert dieses Projekt hat,
                                                                   Und: Beim Tornado haben unsere Kollegen aus Öster-                                    eine Logopädin, eine ADHS-Lerntrainerin, ein Trainer      unterstreicht auch EU-Gesundheitskommissarin Stella
     VI S IONÄR                                                    reich tatkräftig mitgeholfen.“                                                        für Kinder, ein Laserstudio-Fachmann und weitere          Kyriakides: „Die Initiative ‚Healthacross‘ ermöglicht eine
     „Wenn Regionen gemeinsam grenzüberschreitend                                                                                                        Experten werden hier tätig sein. Sie alle werden sich     grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung für die
                                                                                                                               Fotos: Philipp Monihart

     denken und grenzüberschreitend zusammenarbeiten,              LEBENSWERT                                                                            um Patientinnen und Patienten aus Österreich und          Menschen im Grenzraum von Niederösterreich und
     kann aus der Vision einer grenzenlosen Versorgung             „Die Erfolge der Kohäsionspolitik der EU sind Erfolge,                                Tschechien kümmern, wobei für letztere durch das auch     Tschechien. Das grenzüberschreitende Gesundheits-
     Realität werden. Die Initiative ‚Healthacross‘ hat            die eine gesamte Region betreffen, wie hier in Gmünd.                                 aus Tschechien stammende medizinische Personal die        zentrum in Gmünd repräsentiert die Werte Europas
     sich seit fast 15 Jahren dem grenzüberschreitenden            Sie fördern die Infrastruktur, Investitionen in Forschung                             Sprachbarriere wegfällt. Spatenstich auf dem über 600     und ist ein Vorzeigebeispiel für Gesundheitskoopera-
     Gedanken verschrieben. Mit der Eröffnung des ersten           und Wissenschaft, Arbeitsplätze – einfach die gemein-                                 Quadratmeter großen Areal in der Bleylebenstraße          tionen über die Grenzen hinweg.“                         ■

18   PERSPEKTIVEN 04 /2021                                                                                                                                                                                                                                      PERSPEKTIVEN 04/2021   19
KLIMASCHUTZ IN NIEDERÖSTERREICH

                                ENERGIEWENDE
                                        Niederösterreich hat bereits vor Jahren den Weg in Richtung Energiewende
                                           eingeschlagen, wie zahlreiche Weichenstellungen und Maßnahmen
                                                     der jüngeren Vergangenheit unter Beweis stellen.
                                            Auch künftig will das Land diesen Weg entschlossen weitergehen.
                                                                         TEXT: MANUELA EICHINGER- HESCH

                             D
                                    er Schutz des Klimas ist eine der großen              zehnte Pkw auf Niederösterreichs Straßen elektrisch
                                    globalen Herausforderungen der Menschheit.            unterwegs sein soll, ab 2030 sogar jeder fünfte.
                                    Die Folgen eines diesbezüglichen Nichthandelns        Zur Erreichung dieser Fahrplan-Ziele hat das Land im
                             sind zwar noch nicht so augenscheinlich wie bei              Anschluss das NÖ Klima- und Energieprogramm 2030
                             der Corona-Pandemie, dafür aber von nicht weniger            erstellt, das von der Abteilung Umwelt- und Energie-
                             enormer Tragweite: Dürrekatastrophen, Waldbrände             wirtschaft koordiniert wird. Erstmals soll den Aus-
                             und das Schmelzen des Grönlandeises sind nur einige          wirkungen des Klimawandels auf zwei Schienen be-
                             Beispiele. Auch in Niederösterreich ist – mit dem Borken-    gegnet werden: erstens durch Emissionsreduktion den
                             käferbefall der Fichten in letzter Zeit – bereits ein        Temperaturanstieg beschränken und so unbeherrsch-
                             Vorbote der Klimakrise sichtbar geworden; Hitze und          bare Folgen vermeiden, zweitens die Auswirkungen des
                             Trockenheit haben auch bei uns stark zugenommen.             Klimawandels durch Anpassung beherrschbar machen.
                                                                                          Klimaschutz und Klimawandel-Anpassung sind also
                             DI E WEIC H EN S I ND GESTELLT                               untrennbar verbunden, daher vereint man erstmals
                             Daher ist jede Region der Erde gefordert, das ihre zu tun.   Maßnahmen aus beiden Sektoren in einem gemein-
                             Das Land Niederösterreich fokussiert sich seit mehreren      samen Umsetzungsprogramm. Ein Beispiel: Die Wärme-
                             Jahren auf dieses Thema und ist dabei schon vielfach         dämmung von Gebäuden reduziert die erforderliche
                             aktiv geworden. So kann etwa seit 2015 der gesamte           Heizenergie und schützt so das Klima. Gleichzeitig ver-
                             landesweite Strombedarf bilanziell zu 100 Prozent aus        hindert ein derart saniertes Gebäude die Überhitzung
                             erneuerbarer Energie gedeckt werden. Weitere große           der Räume in heißen Sommern. Diese gemeinsame
                             Schritte waren 2019 das Verbot von Ölheizungen in            Betrachtung hilft, Fehlanpassungen zu vermeiden. Eine
                             Neubauten oder das Aus für das letzte Kohlekraftwerk         solche wäre die Anschaffung eines Kühlgeräts, das zwar
                             im Bundesland.                                               gegen Hitze wirkt, durch zusätzlichen Energieverbrauch
                             Die Voraussetzungen, den erfolgreichen Weg der blau-         aber das Klima weiter anheizt.
                             gelben Energiewende weiter zu beschreiten, sind gut:         Dieses Klima- und Energieprogramm 2030 stellt
                             Man verfügt über große erneuerbare Energiepotenziale,        einen klaren Arbeitsauftrag für die Landesverwaltung
                             innovative Unternehmen, motivierte Gemeinden,                dar, dazu zählt auch, selbst Vorbild im eigenen Tun
                             engagierte Bürger und Bürgerinnen sowie eine ebenso          zu sein, die vorhandenen Kompetenzen unseres
                             engagierte Landesverwaltung. Von letzterer wurden            Bundeslandes im Sinne unseres Klimas zu nutzen und
                             im Auftrag der Landesregierung in den vergangenen            außerhalb der Landes-Zuständigkeiten auf die Bundes-
                             Monaten konkrete Instrumente erarbeitet und Maß-             ebene einzuwirken.
                             nahmen gesetzt, die gewährleisten sollen, dass es im
                             Land energietechnisch positiv weitergeht. Es handelt         H EH R E Z I ELE
                             sich dabei um den NÖ Klima- und Energiefahrplan, das         Die nächsten Schritte der blau-gelben Energiepolitik
                             NÖ Klima- und Energieprogramm sowie um diverse               zum Klimaschutz lauten: die Landesverwaltung bis 2035
                             praktische und bewusstseinsbildende Projekte.                klimaneutral machen, fossile Ölheizungen im Bestand
                                                                                          konsequent ersetzen, die Stromgewinnung aus PV-An-
                             PROGRAM M NAC H FAH R PLAN                                   lagen verzehnfachen, Treibhausgas-Emissionen bis 2030
                             Am 13. Juni 2019 wurde vom NÖ Landtag zunächst der           um 36 Prozent reduzieren, verstärkt auf E-Mobilität
                             Klima- und Energiefahrplan beschlossen. Dabei geht es        setzen und der Bevölkerung mittels Mobilitätsgarantie
                             vor allem um die Abkehr von fossilen Energieträgern,         den Zugang zur öffentlichen Mobilität gewährleisten.
                             die für rund drei Viertel aller Emissionen verantwortlich    Gleichzeitig will man sich im Hinblick auf den Klima-
                             sind. Der Fahrplan umfasst hierzu eine Reihe konkreter       wandel etwa durch eine stärkere Ausrichtung des
                             Ziele wie die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen          Katastrophenmanagements auf die Risken des Klima-
                             um 36 Prozent, die Erzeugung von 2.000 Gigawatt-             wandels, die landesweite Sicherstellung der Wasserver-
                             Stunden Photovoltaik (PV) und 7.000 Gigawatt-Stunden         fügbarkeit und -qualität, den Schutz vor lokalen
                             Windkraft, die Versorgung 30.000 zusätzlicher Haushalte      Starkregenereignissen und Erosion, den Ausbau eines
                             mit Wärme aus Biomasse und erneuerbarem Gas,                 effektiven Hochwasserschutzes oder auch durch die
                             die Schaffung 10.000 neuer Jobs durch „grüne Techno-         Erhöhung der Klimaresilienz durch Biodiversität nach-
                             logien“ und schließlich die Vorgabe, dass ab 2025 jeder      haltig an die klimatischen Veränderungen anpassen. >

20   PERSPEKTIVEN 04 /2021                                                                                                          PERSPEKTIVEN 04/2021   21
diesem Tag waren auf www.sonnenkraftwerk-noe.at
                                                                 2.500 Paneele zu haben, die nach nur 13 Minuten zur
                                                                 Gänze reserviert waren. Insgesamt wurden bis März
                                                                 2021 bereits 11.300 Paneele vergeben. Diese bilden 24
                                                                 Photovoltaik-Anlagen, die 2022 errichtet werden und
                                                                 sich auf alle Bezirke Niederösterreichs verteilen. Mit
                                                                 Planung, Errichtung und Betreuung dieser Anlagen
                                                                 werden durchwegs regionale Firmen beauftragt, damit
                                                                 die Betriebe vor Ort gestärkt werden – was ebenso dem
                                                                 Klima zugutekommt, Green Jobs schafft und wirtschaft-
                                                                 lichen Aufschwung verspricht.
                                                                 In Summe werden auf rund 150 Landesgebäuden PV-
                                                                 Anlagen mit in Summe 20 Megawattpeak Leistung in-
                                                                 stalliert. Dafür sind Investitionen in einer Höhe von rund
                                                                 46 Millionen Euro erforderlich. Der nächste Verkauf
                                                                 wird voraussichtlich im Frühjahr 2022 stattfinden. Bis
                                                                 2024 sollen die PV-Potenziale der rund 150 Landesge-
                                                                 bäude dann vollständig genutzt und jährlich über 13.000
                                                                 Paneele verkauft worden sein.

                                                                 E-MOBI LITÄT
                                                                 Neben PV ist die Förderung von E-Mobilität ein
                                                                 wesentlicher Pfeiler der niederösterreichischen Energie-
                                                                 und Klimapolitik, dessen Vorteile auf der Hand liegen:
                                                                 weniger Lärm und Feinstaub, kein Stick- bzw. Schwefel-
                                                                 oxid und weniger Energieverbrauch. Niederösterreichs
                                                                 Bekenntnis zur E-Mobilität offenbaren u. a. der seit 2015
                                                                 jährlich stattfindende „e-Mobilitätstag“, die Vergabe einer
                                                                 Förderung beim E-Auto-Kauf bis Ende 2020, die Durch-
                                                                 führung der Umfrage „Elektromobilität in Niederöster-
                                                                 reich“ sowie die E-Mobilitäts-Feldversuche in Seiten-
                                                                 stetten und Echsenbach. Die Umfrage und die Feldver-
     Das NÖ Klima- und Energieprogramm 2030 kann für             suche brachten wertvolle Erkenntnisse: etwa, dass die
     diese Vorhaben als „Rezept“ betrachtet werden und ist       hiesigen Stromnetze für eine breite Ausrollung der
     auch aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll – um von      E-Mobilität prinzipiell gut gerüstet und dass E-Autos
     fossilen Energieimporten unabhängig zu werden und           bereits weitestgehend alltagstauglich sind.                                                                                                                            MOSAIKE – GROSSE KUNST DER KLEINEN STEINE

                                                                                                                                                                                                                       PIXELNOSTALGIE
     höhere Schadens- und Anpassungskosten sowie einen
     drohenden Zukauf von Emissionszuweisungen aus dem           BEWUSSTS EI N SC HAFFEN
     Ausland zu vermeiden. Nicht zuletzt trägt das Programm      Erwähnenswert sind in diesem Rahmen auch die „Lan-
     auch dazu bei, dass Niederösterreich seinen Markt           ding Page“ namens „Klimawandeln“, auf der ersichtlich
     für klimaschonende Technologien ausbaut und so einen        ist, „was ein Land tun kann“ (www.klimawandeln.at),
     positiven Impuls für Wachstum und Wohlstand im              und die Abhaltung von inzwischen bereits drei Jugend-                                                                                                    Setzen sich heute digitale Fotos und Bilder durch unzählige Pixel zusammen,

                                                                                                                               Fotos: Ernst Reinberger, Jürgen Burchhart, Günter Filzwieser, Museum Niederösterreich
     Land setzt.                                                 klimakonferenzen, bei denen sich die Spitze der                                                                                                       so wurden bereits im Altertum Kunstwerke aus tausenden kleinen, bunten Steinen
                                                                 Landespoltik nicht nur die Sorgen der Jugend anhört,                                                                                                       zu einem Bild zusammengefügt. In vielen Kirchen etwa sind Mosaike
     SONNENKRAFT                                                 sondern sie auch ermutigt, ihren Beitrag zur Energie-                                                                                                        farbenfrohe Bilddokumente, die Motive aus dem Glauben darstellen.
     Rund um die Realisierung der klima- und energiepoliti-      wende zu leisten.                                                                                                                                     Die verpixelten Wandgemälde wurden aber auch im Mittelalter und in der Neuzeit
     schen Pläne des Landes wurden zuletzt einige konkrete       Abgesehen von diesen „handfesten“ Projekten ist nicht                                                                                                       gerne angebracht und schmücken bis heute Hausfassaden, öffentliche
     Projekte durchgeführt. Das „Sonnenkraftwerk Nieder-         minder wichtig, bei den Menschen entsprechendes Be-                                                                                                                       Gebäude, Schulen, Kapellen und Museen.
     österreich“ etwa ist ein Meilenstein in Richtung des        wusstsein für diese Thematik zu schaffen. Ein Instrument                                                                                                                           TEXT: WOLFGANG ZIMPRICH
     kontinuierlichen Ausbaus der erneuerbaren Energie           dazu war die Ausstellung „Klima & Ich“, die im Museum
     und könnte das größte PV-Sonnenkraftwerk Europas            Niederösterreich in St. Pölten gezeigt wurde. Die Aus-
     werden. Im Rahmen des Projektes sollen bis 2024             stellung erklärte das Thema wissenschaftlich fundiert
     auf allen geeigneten Landesgebäuden PV-Anlagen              und gab konkrete Anweisungen, was jede und jeder zum
     installiert werden, wobei die Bevölkerung eingeladen ist,   Klimaschutz beitragen kann. Nicht zuletzt war die Schau
     Paneele an diesen Anlagen zu erwerben und so das            auch Anlass, den Museumsbetrieb auf Nachhaltigkeit zu
     Projekt mitzufinanzieren. Ein Anteil kostet 900 Euro,       prüfen; Ergebnis war die Verleihung des Österreichi-
     pro Anteil werden über eine Laufzeit von zehn Jahren –      schen Umweltzeichens an das Museum Niederösterreich
     jährlich am 3. Mai – 98,89 Euro ausgezahlt. Pro Bürger      – als erstes Museum im Bundesland und als zweites
     oder Bürgerin können fünf Paneele je Anlage erworben        österreichweit. Überdies konnten viele Vorschläge
     werden.                                                     der Ausstellungsbesucher und -besucherinnen zu den
     Der Startschuss für dieses „größte Bürgerbeteiligungs-      Themen Energiewende und Klimaschutz gesammelt
     projekt Österreichs“ fiel am 18. November 2020. An          werden.                                               ■

22   PERSPEKTIVEN 04 /2021                                                                                                                                                                                                                                                                       PERSPEKTIVEN 04/2021   23
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