Geladen Thema: HILF DIR SELBST

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Geladen Thema: HILF DIR SELBST
HILF     DIR   SELBST
Magazin der Schweriner Selbsthilfe
Ausgabe 1 | 21. Jahrgang | März bis Juni 2023

              Thema:
     Geladen
Geladen Thema: HILF DIR SELBST
Editorial

                                         Liebe Leserin,
                                         lieber Leser,
                                         vielleicht fragen Sie sich auch: Wie,
                                         geladen?
                                         Ein-, aus-, auf-, ab-, durch-… geladen
                                         ist ein Chamäleon. Aber keine Bange,
                                         wir schießen nicht. Hier geht es eher
                                         um Energie-geladen sein und dabei
                                         die Balance zu halten, sie so rauszu-
                                         lassen, dass nichts explodiert und da-
                                         bei kaputt geht. Ist es nur eine Frage                           Foto: Birgitt Hamm
                                         der Sichtweise oder kann man daran
                                         arbeiten?                                  Koordination und Öffentlichkeitsar-
                                         Chronische Erkrankungen können wü-         beit sowie Finanzen und Buchhaltung,
              Inhalt                     tend machen, aber man kann sich ent-       kann den Frühjahrsputz bzw. das Ent-
                                         scheiden, ob man entspannt oder ge-        rümpeln und anschließende Umge-
Titelbild Vanessa Polichtchouk��� 1     laden durchs Leben geht. Ein anderer       stalten gar nicht erwarten.
Editorial Sabine Klemm�������� 2        Artikel befasst sich mit Ärger, der auf    Später sollen dann neue Außen-
Gastkolumne Anna Karsten����� 3         einen Abgrund zwischen Wirklichkeit        schilder, Möbel für Gruppenräume,
Umfrage Wie laden Sie sich auf?�� 4     und Möglichkeit verweist und zu Ge-        Aufsteller für Infomaterial und die wei-
Thema Zweimal geladen������� 6          laden-Sein führen kann. Das Gegenteil      tere Gestaltung für einen angeneh-
Selbsthilfe Auf dem Weg zu mir��� 7     wäre, sich (wieder) aufzuladen. Auch       men, barrierearmen Aufenthalt in der
Thema Die Sache mit dem Ärger�� 8       dazu gibt es Tipps und Erfahrungsbe-       KISS dazukommen. Im Herbst werden
Selbsthilfe                              richte vom Ayurveda-Campus über            wir die neue KISS bei einem Tag der
Viele Gründe, geladen zu sein������ 9   eine CD-Produktion bis hin zum Pilger-     Offenen Tür präsentieren.
Thema                                    kloster Tempzin als Kraftort. Wir erfah-   Für die Gestaltung unseres Selbsthil-
Einladung zum Kaffeekränzchen�� 10
                                         ren, was es mit einer BodyBattery auf      fefests am 3. Juni können sich Selbst-
Thema
Aufladen durch Entladen������ 11        sich hat und dass das tatsächlich kei-     hilfegruppen und Unterstützer*innen
Thema
                                         ne Spielerei ist, sondern ganz neben-      schon jetzt mit ihren Ideen melden.
Hab‘ meinen Wagen vollgeladen��� 12     bei dabei hilft, fit zu bleiben. Aus der   Ab der Juniausgabe übernimmt Anna
Thema                                    Physik wissen wir, Geladen-sein ent-       Karsten die Redaktion des KISS-Maga-
Mit neuen Ideen ins neue Jahr��� 13     steht aus gegensätzlichen Spannun-         zins. Schweren Herzens müssen wir
Senioren                                 gen. Und wie lebt es sich ohne Strom?      uns von Birgitt Hamm verabschieden.
Einladung an Aktive��������� 14         Der schon bekannte Autor Hartmut           Und nun sind Sie herzlich eingeladen,
Thema Ein Ort der Einkehr����� 15       Haker beantwortet die drei Fragen zur      die mit viel Energie geladenen Beiträ-
Thema Alltagsärger?��������� 16         Selbsthilfe, unsere Vorstandsvorsit-       ge aus der Selbsthilfe zu lesen. Es wird
Thema                                    zende Regina Winkler und die Psycho-       Frühling und die Säfte quellen, neue
Energie durch Löffel sammeln��� 17
                                         therapeutin Andrea Bülau eröffnen          Kraft fließt in der Natur und durch un-
Selbsthilfe
                                         unsere neue Rubrik „Ich unterstütze        sere Adern. Die brauchen wir auch für
Warum Selbsthilfe unterstützt wird 18
                                         Selbsthilfe, weil…“ und es gibt span-      all unsere Vorhaben.
Interview
Drei Fragen an Hartmut Haker��� 19      nende Termine und Veranstaltungen.
Service KISS aktuell ��������� 20       Die Selbsthilfegruppen treffen sich
Nicht zu toppen                          in schöner Regelmäßigkeit und neue
Post von Kirsten������������ 22         Gruppen werden gegründet. Die ers-
So gesehen                               ten Bewilligungen zur Finanzierung
Weniger Sprüche����������� 23           unserer Arbeit sind da, ebenso die Er-
Impressum��������������� 24             höhung mancher Kosten. Wir werden          Viel Energie in diesem neuen Frühling
                                         zusätzliche Anträge stellen müssen.        wünscht Ihnen
Die nächste Zeitschrift erscheint        Dieses Jahr steht unter dem Zeichen
Anfang Juni 2023 zum Thema
„Abschied“.                              der Inventur und der Veränderungen
                                         in der KISS. Sylvia Hannemann, unse-
                                         re neue Mitarbeiterin für Verwaltung,

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Geladen Thema: HILF DIR SELBST
Gastkolumne

                          „Es ist mir eine Ehre!“
                       Wenn eine Einladung der KISS Schwerin angenommen wird

                  „Geladen“, so lautet das Titelthema dieser aktuellen Ausgabe des KISS-Magazins
                        „Hilf Dir selbst“, die wieder einmal interessanten Lesestoff verspricht.
                  Ich habe nun schon einige Ausgaben des Magazins gelesen und immer wieder ist
                       es gerade das Titelthema, das so besonders ist. Es ist ganz offensichtlich
                 sorgfältig überlegt worden, macht neugierig und eröffnet eine Fülle von Optionen
                                   für eine Beschäftigung mit dem gewählten Thema!

Liebe Leserinnen und Leser,                                                                 Ich engagiere mich auf Lan-
ich darf Ihnen versprechen:                                                                 des- und auf Bundesebene in
Daran wird sich auch in Zu-                                                                 meinem Berufsverband, dem
kunft nichts ändern! Ich kann                                                               Deutschen Journalistenver-
Ihnen das mit solcher Be-                                                                   band. Wie überall, wo Men-
stimmtheit versichern, weil                                                                 schen miteinander arbeiten,
auch ich einen Bezug zum ak-                                                                ist auch hier immer wieder
tuellen Titelthema habe: Ich                                                                festzustellen, wie wichtig es
wurde eingeladen, diesen Bei-                                                               ist zuzuhören, aufeinander
trag zu schreiben und ich wur-                                                              zuzugehen, miteinander zu
de eingeladen, zukünftig als                                                                sprechen, für andere da zu
Chefredakteurin an diesem                                                                   sein und vertrauensvoll mitei-
wunderbaren Magazin mit-                                                                    nander umzugehen.
zuwirken. Das hat mich un-
glaublich gefreut, ich habe                                                                  In diesem Sinne freue ich mich
dankend angenommen: „Es ist                                                                  sehr auf die Zusammenarbeit
mir eine Ehre“!                                                                              mit einem tollen Redaktions-
                                                                                             team und der unermüdlich
Vielleicht interessiert Sie, wer                                                             engagierten Geschäftsführe-
Anna Karsten ist?                                                                            rin Sabine Klemm. Ich hoffe,
                                                                                             ich kann ihr eine gute Nach-
Ich bin freiberuflich tätige Jour-                                                           folgerin meiner lieben Kol-
nalistin und unterstütze Un-                                                                 legin Birgitt Hamm sein, die
ternehmen bei Fragen der Anna Karsten                             Foto: Christian Schmidtke ihre Kompetenz und ihre Er-
Externen und Internen Unter-                                                                 fahrung bis zu dieser Ausga-
nehmenskommunikation. In                                                                     be in das Gelingen des KISS-
diesem Sinne bin ich zum Beispiel be-    – Mensch macht Geschichte“ lautet die         Magazins eingebracht hat. Ich bin
auftragt mit der Öffentlichkeits- und    Überschrift meiner Webseiten www.             sehr glücklich darüber, dass sie ver-
Pressearbeit eines Trägers sozialer Ein- anna-karsten.de und darum geht es             sprochen hat, den Gastbeitrag in der
richtungen und dem Erstellen von         mir: Einerseits Wesentliches und Fak-         nächsten Ausgabe zu übernehmen
Fachbeiträgen für ein Ingenieurbüro      ten nicht zu verwässern, sondern auf          und der Redaktion treu zu bleiben.
der Umwelttechnik. Darüber hinaus        den Punkt zu bringen. Anderseits nicht        Wir dürfen uns also auf den einen
bin ich verantwortlich für Pressemit-    zu vergessen, dass es immer um Men-           oder anderen Beitrag von ihr freuen!
teilungen, Krisen-PR oder Inhalte für    schen geht, und jeder Mensch erzählt
Webseiten. „Auf den Punkt gebracht       seine eigene Geschichte.                                             Anna Karsten

                                                                                                                          3
Geladen Thema: HILF DIR SELBST
Umfrage                                                      d e n S ie Ih  re  Batterie auf?“
                                                        o la
                 n n s in d S  ie geladen?“, „W
          „W   a                                a u fg eladen?“ –
            n d  „ W  a s h a b en S ie  s ic h
                                                                 S c h w e ri n b e gegneten.
          u                                                  in
                    g te n  w ir  M e n schen, die uns
           das fra

                                              Anne und Anja
                                              Anne: Ich treibe Sport, um mich zu entladen. Oder ich mache
                                              einen Spaziergang mit dem Hund, um mich wieder aufzula-
                                              den. Meine Familie und vor allem mein kleiner Sohn geben
                                              mir Kraft.
                                              Anja: Ich reg mich einfach nicht mehr auf. Also bin ich nicht
                                              negativ aufgeladen und brauche mich nicht zu entladen. Ich
                                              versuche meine Grundruhe zu halten und im Moment zu le-
                                              ben, bin achtsam. Meine innere Haltung ist: „Es ist, wie es ist.“

                                              Lara
                                              Ich bin manchmal innerlich richtig geladen. Zum Beispiel
                                              wenn ich Stress zu Hause habe, mit den Eltern. Oder mit Freun-
                                              den, weil die nicht zuhören. Dann ziehe ich mich in mein Zim-
                                              mer zurück und nehme mein Handy. Das beruhigt.

                                              Niklas
                                              Wenn wütend bin, wenn ich Stress habe, das geht gar nicht!
                                              Dann brauche ich den Sport, um mich zu entladen und wie-
                                              der positiv aufzuladen. Ich treibe Kraftsport im Fitness-Stu-
                                              dio oder boxe, damit alles aus mir raus kann. Ja, manchmal
                                              schreie ich dabei auch rum.

                                              Hanna
                                              Ich bin voller neuer Energie, wenn ich mit meinem Hund in
                                              den Wald gehe. Von der Schule komme ich manchmal sehr ne-
                                              gativ geladen nach Hause. Weil die Lehrer krank sind und ich
                                              nicht weiterkomme. Und das in der Prüfungszeit! Das macht
                                              mir Stress. Da schreie ich im Wald schon mal die Bäume an.

                                              Sabine und Peter
                                              Sabine: Ich bin beim Spazierengehen im Wald auf Glatteis
                                              ausgerutscht und habe mir das Handgelenk, Elle und Speiche
                                              gebrochen. Das hab‘ ich mir aufgeladen und muss damit fer-
                                              tig werden. Aber ich versuche trotzdem die schönen Dinge
                                              zu genießen. Zum Beispiel den Spaziergang am Pfaffenteich
                                              bei Sonnenschein.
                                              Ehemann Peter schmunzelt: Am besten lade ich mich bei
                                              meiner Frau auf. Wir treiben Sport, gehen tanzen oder
                                              schwimmen.

                                              Steffen und Karsten
                                              Steffen: Ich fahre jeden Sonntag in die Sauna nach Rostock
                                              oder Warnemünde und schwitze alles aus - mit Blick auf die
                                              Ostsee. Die unbegrenzte Weite tut mir gut. Ich kann mich
                                              dort aufladen und meinen Ärger über manche Mitarbeiter
                                              vergessen.
                                              Karsten: Ich liebe es in der Natur zu spazieren. Regelmäßig
                                              drehe ich Runden um den Pfaffenteich. Das tut mir gut.

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Geladen Thema: HILF DIR SELBST
Umfrage

                      Franziska
                      Richtig geladen bin ich von der Ignoranz der Leute, die die Enten
                      mit Brot füttern, obwohl die Tiere davon sterben können. Früher
                      stand hier am Pfaffenteich ein Schild: „Enten füttern verboten“. Auch
                      über den Müll ärgere ich mich, der einfach überall liegen gelassen
                      wird. Oft gehe ich Müll sammeln mit meinem Kind. Viele Menschen
                      haben kein Umweltbewusstsein.

                      Alexandra
                      Ich lade mich bei Spaziergängen auf, im Schlossgarten oder am
                      Pfaffenteich. Ich liebe die Vögel – und sie mich auch, wie man sieht.

                      Heike
                      Ich bin sehr geladen, sehr wütend auf meine ganze Lebenssituati-
                      on. Die steigenden Preise, der Krieg, die Flüchtlinge… Ich habe eine
                      Krebserkrankung, es gibt zu wenig Therapien für depressive Men-
                      schen. Nirgendwo kann ich meine Seele baumeln lassen. Ich bin ge-
                      rade sehr aggressiv.

                      Alexander mit Oma Ingrid
                      Für mich ist wichtig, dass mein Handy immer aufgeladen ist.
                      Ich studiere und habe die erste Prüfung hinter mir. Im Moment
                      bin ich bei meiner Oma eingeladen, um mich zu entspannen
                      und aufzuladen, Kraft zu tanken für die nächsten Prüfungen.

                      Sabine mit Mutter Helga
                      Ich arbeite in der Gastronomie in der Nähe von Ham-
                      burg und stelle fest, dass viele Gäste heutzutage sehr un-
                      entspannt und unhöflich sind. Sie kennen kein „Guten
                      Morgen“, oder „Bitte“ und „Danke“, sondern meckern nur. Da-
                      rüber ärgere ich mich und bin manchmal ganz schön gela-
                      den. Ich selbst versuche, ihnen trotzdem freundlich zu begeg-
                      nen, was nicht immer leicht ist. Wenn ich mal eingeladen bin,
                      genieße ich es sehr. So wie auch unseren Besuch in Schwerin.

                      Julie mit Lola
                      Geladen, also wütend, war ich noch nie. Habe auch gar keinen
                      Grund dazu. Mit geht es ja gut. Aber manchmal, wenn es draußen
                      dunkel, kalt oder nass ist, genieße ich sehr, wenn Frauchen mich
                      einmal extra kuschelt. Und wenn dann noch meine Tochter Lola zu
                      Besuch kommt, geht bei mir die Sonne auf.
Fotos: Birgitt Hamm

                                                                                                    5
Geladen Thema: HILF DIR SELBST
Thema

                     „Versuch’s doch mal mit…“
                                               Platte Phrasen? – Nein, danke.

Schmerzen, finanzielle Sorgen oder             Schwere aus. Ein milder Verlauf, der die      es besonders in den ersten Jahren der
generelle Einschränkungen im All-              Person nicht an Arbeit oder Sozialleben       Erkrankung wichtig, unüberlegte Aus-
tag- Betroffene chronischer Erkran-            hindert, ist weniger fatal in der Lebens-     sagen nicht persönlich zu nehmen. Im-
kungen oder Behinderung sehen sich             einschränkung als ein gesundheitlicher        merhin haben nur wenige Menschen
oft mit vielen Belastungen konfron-            Zustand, der dies gar nicht mehr zulässt.     Bezug zu spezifischen oder gar seltenen
tiert. Dazu gehören auch Reaktionen            Besonders in emotional aufgewühlten           Erkrankungen.
von Unverständnis oder Vorurteilen             Phasen kann es für Betroffene verlet-             Angehörige oder Bekannte soll-
im sozialen Umfeld, die keine Selten-          zend sein, da die Erkrankung mit ihren        ten sich daher nicht aus Angst vor den
heit sind. Dabei bildet sich recht zü-         Folgen heruntergespielt wird.                 Fettnäpfchen vor Gesprächen scheu-
gig ein nie endendes Repertoire an             „Versuche es doch mal mit …“                  en, da auch das völlig normal ist. Wich-
Aussagen oder Sprüchen - sei dies
von Kollegen, medizinischem Perso-
nal oder der Familie. Folgend ein klei-
ner Auszug der All-time-Klassiker:
                                                             ,,Du bist doch zu jung,
„Du siehst ja gar nicht krank aus!“ oder                       um krank zu sein.“
,,Du bist doch zu jung, um krank zu sein.“
    Eine Vielzahl chronischen Erkran-              Das sind sicherlich gut gemeinte          tig ist es aber, Betroffene nicht aus Un-
kungen sind nach außen nicht sicht-            Ratschläge, doch sehr oft unseriös oder       verständnis zu verurteilen und ständig
bar, doch ändert es nichts daran, dass         herablassend. Bedrängen sollte man            unter Druck zu setzten, sondern die
Betroffene tagtäglich unter starken in-        Menschen mit seinen Überzeugungen             Menschen in ihrem Zustand so anzu-
neren Schmerzen, z.B. durch Entzün-            ebenfalls nicht. Viele Personen mit Er-       nehmen, wie sie sind.           Vanessa
dungen in den Gelenken oder starker            krankung nehmen Medikamente, um
Schwäche, leiden. Und auch schützt das         Symptome zu lindern und haben sich
Alter vor vielen Erkrankungen nicht. Di-       dazu beraten lassen. Dazu sollten glei-
abetes oder Rheuma beispielsweise ist          chermaßen keine schnellen Vorwürfe
keine Problemstellung, die ausschließ-         laut werden, warum diese nicht einfach
lich alte Menschen anbelangt.                  abgesetzt würden.

„Mein Bekannter ist auch krank…“
„Mein Bekannter ist auch krank, aber er             Obgleich nett gemeint oder schlicht
stellt sich nicht so an.“ oder „Ich weiß ge-   unüberlegt, sind diese Sprüche unan-
nau, wie du dich fühlst. Einmal…“              gebracht und können in großer Häufig-
    Langfristige und schwerwiegen-             keit zur weiteren Isolierung Betroffener
de Krankheiten lassen sich nur sehr            beitragen. Natürlich sind unangemes-
schwach mit den Erfahrungen einer              sene Aussagen nicht das gravierends-
durchschnittlichen, gesunden Person            te Problem im Alltag einer erkrankten
vergleichen, daher sollte man Situati-         Person, doch haben Menschen mit Ein-
onen wie etwa seinen verstauten Knö-           schränkungen nur begrenzte Möglich-
chel vor vier Jahren nicht mit lang-           keiten der gesellschaftlichen Teilhabe
wierigen Schmerzerkrankungen oder              und werden oft nicht ernst genommen.
Behinderungen gleichsetzen. Und auch           Phrasen wie diese stigmatisieren, kön-
ähnliche Krankheiten prägen sich ganz          nen Betroffene beschämen und weisen           Du bist doch zu klein, um eine Insel zu sein.
individuell auf unterschiedliche Art und       sie, oft ungewollt, ab. Als Betroffener ist                               Foto: Birgitt Hamm

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Geladen Thema: HILF DIR SELBST
Selbsthilfe

                                                                 Auf dem Weg zu mir
                                                                 Mit Ayurveda habe ich mein
                                                                 Leben auf den Kopf gestellt

                                                                 wollte aus dem Hams-       63 Jahre alt und befinde mich im Über-
                                                                 terrad und rein in eine    gang zur Altersrente. Und ich habe mir
                                                                 bewusste wohltuen-         in der Zeit, die mir die Erschöpfung
                                                                 de Lebensqualität. In      schenkte, mein neues Lebenskonzept
                                                                 aller Konsequenz hieß      60+ entwickelt; habe mir Ankerplätze
                                                                 das für mich, nicht nur    und Struktur geschaffen, auch die Un-
Der Ayurveda-Campus im einstigen Schweriner Standesamt          kleine Schritte zu ge-     terstützung von Schulmedizin genutzt.
                                                Foto: Iris Hesse hen, sondern einen         Und ich habe zu mir zurückgefunden,
                                                                 Salto Mortale zu ma-       viele neue Ideen und Lebenslust. Ich
Im Juni 2018 hatte ich in dem Reise-          chen. Mein altes Umfeld zu verlassen,         freue mich auf das, was noch kommt,
büro „NEUE WEGE“ eine Pancha Kar-             um die Chance für einen Neubeginn zu          was mich erwartet oder was ich mir
ma Kur gebucht. Nach meiner Ayur-             haben. Eingeleitet habe ich diese Phase       selbst erschaffen werde.
veda-Kur im südindischen Kerala,              des Umbruchs mit einem Tandem-Fall-               Der Geist des Ayurveda-Campus‘,
nach dieser Selbsterfahrung war ich           schirmsprung, der symbolisch für mich         Bastians Vision sind ein wichtiger Be-
fest entschlossen, Dinge in meinem            für tiefes Vertrauen in mich selbst und       standteil in meinem Leben geworden.
Leben zu ändern. Dranzubleiben an             das Leben steht.                              Dafür bin ich sehr dankbar. Das freud-
einer Ernährungsumstellung und                    Meine Arbeit als Heilpädagogin            volle Lernen in Gemeinschaft, die Ver-
konsequent und bewusst gesund zu              und Erzieherin, die Arbeit mit Kindern,       bundenheit der Teilnehmer, die vielen
leben.                                        hatte mir Spaß gemacht, aber mein in-         neuen Erkenntnisse waren und sind für
                                              nerer Drang zum Perfektionismus und           mich wegweisend. Der Campus ist für
Ich suchte im Internet nach Anbietern         die Rahmenbedingungen führten mich            mich zum belove place (Lieblingsplatz)
für Ausbildungen, um gleichgesinn-            in eine Erschöpfung. Ich spürte, es ist       geworden, der mir Kraft gibt und mich
te Menschen zu treffen und eine neue          Zeit, die Notbremse zu ziehen. Es war         immer wieder neu inspiriert. Und ich
Sichtweise auf mein Leben zu erlangen         wie eine Sucht, eine Sehnsucht nach           habe Pläne, wie ich mich selbst noch
bzw. mein neu geborenes Bewusst-              etwas, was ich vermisste. Also traf ich       mehr einbringen kann mit Vorträgen,
sein zu stärken. Ich fand den Ayurveda-       die Entscheidung, nach Schwerin um-           workshops und Seminaren zum Thema
Campus in Schwerin und fühlte mich            zuziehen, um auch nach der Ausbil-            Ayurveda-Pädagogik.
magisch angezogen. Kurz entschlossen          dung dem Ayurveda-Campus nahe zu                  Ich habe längst begriffen, dass die
buchte ich die Ausbildung zur Gesund-         sein. Mein Traum war es, im Campus zu         lange Pause für mich dringend notwen-
heitsberaterin. Wie gebannt saugte ich        arbeiten. Ich setzte diesen Entschluss        dig war, um zu verarbeiten und auch zu
die Informationen und Eindrücke auf.          kurzentschlossen um und war da. Da            gesunden. Nämlich in einem neuen Be-
Ein inneres Feuer war entzündet. Mein         in Schwerin, der Stadt, die heute meine       wusstsein und mit viel Achtsamkeit zu
Herzensfeuer und meine Neugier auf            geliebte neue Wahlheimat ist.                 leben und besser mit den Stolperstei-
mehr.                                             Doch zu meiner Überraschung wur-          nen des Lebens umgehen zu können.
    Also besuchte ich weitere Seminare.       de ich nach meinem Ausstieg aus alten         Meine Hochsensibilität habe ich als
Ich machte mich nach meiner Arbeit in         Gewohnheiten krank. Sehr krank. Ein           Gabe angenommen und wertschätze
der Kita in Thüringen auf den Weg nach        chronisches Erschöpfungssyndrom mit           sie als wichtigstes Potential.
Schwerin in den Campus. An Wochen-            bunten Gesichtern. Mein Körper for-               Ja, ich sehe mein Leben als eine Rei-
enden und im Urlaub, denn das, was            derte Ruhe ein. Burnout, Depression,          se und bin neugierig, wo diese noch
ich im Campus lernte über den Ayur-           Zwangspause. Die Zwangspause dau-             hingehen wird. Wenn Vata, Pitta und
veda, gab mir viele Antworten auf Fra-        ert nun schon drei Jahre. Ich habe mich       Kapha gut miteinander harmonieren,
gen, die ich in mir trug. Es war wie ein      langsam und Stück für Stück erholt.           dann sind das beste Voraussetzungen
Erwachen und Staunen. Und ich wur-            Und mein Traum, im Campus zu arbei-           für ein freudvolles Älter werden.
de aufgeladen mit Energie, die mir die        ten, hat sich erfüllt. Anders als ich dach-       Also auf geht´s – Aufgeladen und
Kraft gab, in den Alltag zurückzukeh-         te, aber genau richtig für meine jetzige      voller Hoffnung!              Iris Hesse
ren. Ich fühlte und wusste, dass ich raus     Lebenssituation. Denn ich bin jetzt fast

                                                                                                                                   7
Geladen Thema: HILF DIR SELBST
Thema

                         Die Sache mit dem Ärger
                                        Oder: Ein Blick auf seine Berechtigung

Was für ein enormes Energiepotenti-                                                           Sogwirkung auf Ihren Willen, und er
al in einem einzigen Wort! GELADEN.                                                           kann nicht anders als folgen. Ziehen
Eine erste Assoziation trägt mich sofort                                                      beide nicht an einem Strang, bleibt der
zu vielen Momenten, die mein Tempe-                                                           gewünschte Erfolg auf der Strecke. Das
rament an bedrohliche Grenzen getrie-                                                         heißt dann auch, möchte ich nicht im-
ben hat. Das Wort Wut steht vor mei-                                                          mer und immer wieder, dass mein Är-
nem inneren Auge. Immer, wenn ich                                                             ger in mir eskaliert, muss ich mich mit
mit all meinem gesammelten Wissen                                                             mir im Zwiegespräch über seine Hart-
und Erfahrung gegen eine imaginäre                                                            näckigkeit, mich im Griff zu halten,
Mauer zu laufen drohe. Just in diesem                                                         auseinandersetzen.
Moment, als ich dies formuliere, kommt                                                            Die Vorstellung, dass mein Ärger
ein Post auf mein Handy. Mit ihm kom-                                                         mich positiv reifen lassen kann, gefällt
me ich unverzüglich in einen positiven                                                        mir dabei besonders. Ich möchte kein
Drive, in den ich auch überleiten wollte.                                                     Abo auf regelmäßigem Ärger. Doch
Nicht lamentieren über anschwellen-                                                           kreuzt er manchmal unverhofft meinen
de Wut und vermeintliche Ohnmacht.                                                            Weg, möchte ich ihm die Macht neh-
Denn in diesem Strudel wird mein Blut-                                                        men, mich allzu sehr aus dem Gleichge-
druck auf ungesunde Weise in die Höhe                                                         wicht zu bringen. Beim Recherchieren
gepeitscht, und vor meinem inne-                                                              erfahre ich, dass Ärger eine Mechanik
ren Auge weht mehr und mehr ein ro-                                                           hat. Er hat seine Daseinsberechtigung!
tes Tuch. Angesammeltes körperliches                                                          Er verweist auf einen Abgrund zwi-
Weh klopft an die Schmerzpforte. Mit                                                          schen Wirklichkeit und Möglichkeit. Ein
60 sollte ich es doch langsam besser                                                          Vergleich realer Verhältnisse mit idea-
wissen. Genug Wissen habe ich dazu           Für unsere Autorin ist Ärger auch Auslöser von   len Vorstellungen fällt frustrierend aus.
wahrlich angesammelt. Wut ist mega           Kreativität.                                     Die Empfindlichkeit meiner Person ent-
selten geworden, doch immer mal wie-                                                          scheidet, ob mein Ärger mir sprichwört-
der schafft es jemand, Ärger in mir aus-     geschickt wurde. Das waren Begegnun-             lich Luft macht oder ob er mich erdet.
zulösen. Ich erinnere mich an einen Vor-     gen, wo ich glaubte, mein Gegenüber              Ich lerne, dass meine Grundhaltung zu
trag von Vera Birkenbiehl. In dem zitiert    schon gut zu kennen und im Laufe der             meinem Ärger ausschlaggebend ist, wie
sie Elisabeth Kübler-Ross. Diese meint:      Zeit meinen Frieden mit dessen mich              ich mit ihm leben und arbeiten kann.
Wenn man sich mehr als 15 Sekunden           triggernden negativen Eigenschaften                  Persönlich halte ich eine affirmative
über jemanden ärgert, sind es die eige-      gemacht zu haben. Doch wie vieles im             Haltung für die beste. Damit ist er kein
nen unerledigten Geschäfte. Da hat je-       Leben ist auch der Umgang mit dem Är-            Instrument für mich, sondern ich erken-
mand die Macht, in mir Ärger auszulö-        ger ein immerwährender Prozess. Rich-            ne ihn von Grund auf in seinem eigenen
sen. Wie lange ich mich aber darüber         tig mit ihm umgehen zu können, führt             Recht an. Kann mein Ärger auf seine An-
aufrege, entscheide ich ganz allein.         zu einem stärkeren Selbst und klärt da-          erkennung bauen, muss er sich nicht
    Und da ist wahrlich Wahrheit im          bei auch Dinge für mich.                         mehr gegen seine Abweisung zur Wehr
Text. Denn nehme ich dem anderen die             Vielleicht haben Sie, liebe Leser*in-        setzen. Also, lieber Ärger, Du wirst eh
Macht, schmilzt mein Ärger wie Schnee        nen, auch schon die Erfahrung ge-                immer wieder kommen, doch mit dieser
in der Sonne. Das ist jetzt natürlich eine   macht, dass der Wille, etwas nicht mehr          Erkenntnis können wir beide wohl heiter
sehr oberflächlich betrachtete Erkennt-      zu wollen, allein nicht ausreichte. Das          bis zu deiner Wiederkehr leben. Ich gebe
nis, welche aber in ihrer Kernaussage        liegt dann daran, dass dem Willen die            Dir Raum, denn Du bist ja kein harmlo-
unumstößlich ist. Tatsächlich erinne-        Vorstellungskraft vorausgeht. Ist die-           ser Affekt, und ich übe mich weiter in
re ich mich just an Begegnungen mit          se kleiner als Ihr Wille, scheitert der Bes-     der Kunst, mit Dir richtig umzugehen.
viel Potenzial an Ärger, der, kaum war       serungswunsch. Ist die Vorstellungs-             Mal mit Worten und mal mit dem Pinsel.
er im Anflug, von mir wieder ins Nirvana     kraft genügend groß, dann hat sie eine                                  Evelyn Eichbaum

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Geladen Thema: HILF DIR SELBST
Selbsthilfe

                 Geladen ist man oft – als Kranker
                        und Angehöriger
                                        Was Huntington so besonders macht

Die Huntington-Krankheit ist eine           nicht mehr ging. Den ganzen Tag zu         Worten, beim Autofahren und mit
erbliche, neurodegenerative Er-             Hause und nichts schaffen, dazu drei       dem Hören von überlauter Musik.
krankung des Gehirns, die auf ei-           Kinder, die irgendwann aus Schu-           Als ich das bei einem Arztbesuch er-
nem Gendefekt beruht und bei den            le und Kita nach Hause kamen und           zählte, fragte der Arzt meinen Sohn,
Betroffenen zu motorischen, psy-            durchaus für Unruhe sorgten - es ging      ob er das steuern könnte. Seine Ant-
chiatrischen und Verhaltensstörun-          oft heftig zur Sache. Manchmal stör-       wort: „Hinterher weiß ich ja, dass ich
gen führt. Nicht bei jedem Erkrank-         te die Fliege an der Wand. Aber auch       Sch... gebaut habe, aber in dem Mo-
ten sind alle Störungen gleich stark        keine Fliege an der Wand hat gestört.      ment kann ich das nicht steuern.“ Wir
ausgeprägt, aber Wut, Frust und             In solchen Momenten gab es kein Ar-        haben das dann mit Medikamenten
Aggressionen sind häufig dabei.             gument, das ihn beruhigt hätte. Und        ganz gut in den Griff bekommen. Was
Manche Erkrankte sind allerdings            auch Strategien wie den Raum verlas-       aber wohl noch mehr geholfen hat:
auch dauerhaft „ganz lieb“.                 sen, Abstand zwischen sich und den         Mein Sohn konnte bis ans Ende sei-
                                            Kranken bringen, haben nicht immer         nes Lebens in einem Mini-Job arbei-
Wir hatten dieses Glück leider nicht        was genützt. Man muss fairerweise          ten, war im Familienkreis DJ und war
und haben mit unseren Kranken sehr          aber auch sagen, dass nie die Kinder       auch dadurch ausgeglichener und zu-
viel Wut und Aggressionen erlebt. Na-       oder ich angegriffen wurden; die Wut-      friedener. Anstrengend blieb es mit
türlich, es ist für die Betroffenen ja      ausbrüche richteten sich immer nur         ihm aber trotzdem, weil sein Gehirn
auch nicht leicht zu sehen, wie Fähig-      gegen Dinge.                               ständig auf Hochtouren lief, das meis-
keiten, die sie perfekt beherrscht ha-          Trotzdem hat das auch bei mir viel     te möglichst sofort erledigt werden
ben, nach und nach verloren gehen.          „geladen sein“ aufgebaut, vor allem        musste – und die Kranken- und Pfle-
Wenn sie für alles länger brauchen,         durch die ständige Anspannung, was         gekasse auch bei ihm dafür gesorgt
selbst zum Sprechen. Wenn sie sich          als nächstes passieren würde. Dass         hat, dass der Mama beim Anträgestel-
unkontrolliert bewegen, schwanken           mein Mann zu Hause nichts mehr ma-         len und Widersprücheschreiben nicht
und die lieben Mitmenschen denken,          chen konnte, war für mich das kleine-      langweilig wurde.
sie seien morgens um 10 Uhr schon           re Problem, aber mit den Aggressio-            Diese Gründe des Geladenseins
sturzbetrunken. Das ist mit Hunting-        nen konnte ich nur schwer umgehen.         sind für mich seit fast zehn Jah-
ton eher selten, man schwankt aber          Auch weil ich das Gefühl hatte, ich        ren passé, weil beide Kranken nicht
trotzdem.                                   kann gar nicht so viel aufpassen, da-      mehr leben. Wir leben heute ruhi-
    Ja, und mit Mitte 20 oder 30 er-        mit er nicht in Rage gerät. Dazu ka-       ger, mit viel weniger Frust, dafür mit
werbsunfähig zu sein, ist sicher nicht      men Auseinandersetzungen mit der           dem, was kleine Kinder an Bewe-
das, was man sich für sein Leben vor-       Kranken- und Pflegekasse, später           gung und Stress mit sich bringen.
gestellt hat. Bei Huntington ist das lei-   dann mit dem Sozialamt, manches pa-        Das fühlt sich richtig gut an. Aber da-
der oft so. Als mein Mann mit Mitte 30      rallel. In diesen Jahren war ich gefühlt   bei gibt es noch ein anderes Gefühl:
Rentner wurde, war er schon in einem        ständig geladen. Auch mein erkrank-        Wir sind nie wieder vollständig…
Zustand, in dem auch ein Mini-Job           ter Sohn war zeitweise aggressiv, mit      Brunhilde

                                                                                                                            9
Geladen Thema: HILF DIR SELBST
Thema

Eingeladen
zum Essen
                                         Einladung zum Kaffeekränzchen – wer kann da nein sagen.                       Foto: SU

Beim Thema „geladen“ fallen den          ich Menschen zu mir einlade, gehöre               Wenn es Anlässe zu feiern gibt, will
meisten Menschen wahrscheinlich          ich nicht zu den Leuten, die sich be-         man natürlich auch gerne die liebs-
erst mal die Wörter „ärgerlich“ und      sonders viel Stress machen. Das größ-         ten Menschen einladen. Zu meinem
„wütend“ ein. Ich habe ziemlich          te Problem, das ich habe, ist, dass mir       30. Geburtstag habe ich zu einem klei-
schnell an Einladung gedacht. Ge-        meistens noch Servietten fehlen oder          nen Sommerfest geladen. Mit persön-
nauer gesagt: Zum Essen eingela-         ich nicht genug passendes Geschirr            licher Einladung, Catering und Unter-
den werden. Ich assoziiere eigent-       zusammenbekomme. Natürlich soll               haltungsprogramm. Und ich gebe zu,
lich ständig Wörter mit Essen. Als       es auch aufgeräumt und sauber aus-            bei diesem Anlass war ich ein wenig
mein Freund mir sagte, er sei Halb-      sehen, aber ich achte nicht auf je-           gestresst. Es gab ja ein festes Datum,
franzose, habe ich sofort an Essen       des Staubkorn. Man soll ja sehen kön-         bis zu dem alles erledigt sein muss-
gedacht. Die Franzosen lieben gu-        nen, dass ich in der Wohnung wohne.           te. Natürlich hatte ich Unterstützung,
tes Essen, und sie können auch ko-       Da gibt es andere Gemüter als mich.           ganz allein ist es manchmal zu kompli-
chen, dachte ich mir. Und das hat        Es gibt Menschen, für die ist es pu-          ziert. Da ist man froh, wenn man Men-
sich dann auch bewahrheitet.             rer Stress, wenn sie Gastgeber sind.          schen kennt, die Erfahrung als Gastge-
                                         Sie möchten alles richtig machen, be-         ber haben.
Ich werde gern eingeladen, aber lade     sonders gut organisiert wirken; dann              Bei einer Einladung geht es mir
auch gern andere ein. Restaurant,        soll das Treffen den Gästen Spaß ma-          vor allem um das gemütliche Zusam-
Kino oder Konzert geht für mich im-      chen und sie unterhalten, und das Es-         mensein. Ein Treffen mit lieben Men-
mer. Ganz besonders gut macht sich       sen soll jedem schmecken. Manche              schen, gute Gespräche und einfach
das Kaffeekränzchen für mich. Das ist    machen sich viele Gedanken darüber,           mal abschalten. Ich finde es für mich
immer sehr gemütlich. In der Coro-       was andere von ihnen und ihrer Gast-          wichtig, mich in meiner Freizeit mit
nazeit habe ich auch angefangen, für     geberrolle halten könnten, vor allem          anderen zu treffen und einfach mal
mich allein ein Kaffeekränzchen zu       dann, wenn man selber vielleicht mal          zwei Stunden Zeit miteinander zu
machen. Man hatte ja viel Zeit, und da   bei Menschen eingeladen wurden, die           verbringen. Sehr gerne auch von jetzt
habe ich mir gerne was gegönnt. Heu-     große Menüs zaubern oder für jeden            auf gleich. Es ist doch ein schönes Ge-
te lädt mich mein Freund öfter zu sich   aufwendige Gastgeschenke bereit-              fühl, wenn man spontan einen Anruf
ein, und da gibt es wieder ein kleines   halten. Das ist eine tolle Sache, wenn        bekommt und man sich verabredet.
Kaffeekränzchen.                         Menschen so einen Aufwand betrei-             Ich hoffe, dass ich das auch bald hier
    Wenn ich Lust habe, lade ich auch    ben, ich finde das regelrecht bewun-          in meiner neuen Heimat Köln erleben
zum Essen zu mir ein. Allerdings gibt    dernswert. Aber ich finde, man sollte         werde. Wenn der Frühling kommt und
es dann kein ganzes 3-Gänge-Menü.        sich nicht vergleichen. Jede und jeder        die Winterviren verschwinden, werde
Das habe ich einmal gemacht – und        ist ein anderer Gastgeber und hat ei-         ich meine Pläne umsetzen. Neue Frei-
das war am Muttertag für meine El-       nen eigenen Stil. Und damit eine Ein-         zeitaktivitäten und dadurch natür-
tern und mich. Das habe ich auch sehr    ladung für alle eine entspannte Sa-           lich neue Leute kennenlernen. Denn
gerne getan, aber es gehört schon        che wird, sollte sich vor allem auch der      auch, wenn die Coronazeit vorbei ist,
ein besonderer Anlass für mich dazu,     Gastgeber oder die Gastgeberin wohl           brauche ich meine Kaffeekränzchen.
sonst ist mir das zu aufwendig. Wenn     fühlen.                                                                           SU

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Thema

               oder Aufladen in Dunkelheit
   Lichtfasten
     Alljährlich ab Aschermittwoch füh-               zu viel Kunstlicht uns Menschen,                 Verbrennungen an Armen, Beinen,
     le ich mich berufen. Obwohl ich                  den Tieren und auch den Pflanzen                 Kopf und Rücken gehe ich nun hei-
     weder jeck noch religiös bin, emp-               schaden kann. Woher auch? Wir le-                ter, gelassen und entspannt durch
     finde ich, dass nach all der Alberei             ben hier in Dunkeldeutschland. In                die selbst gewählte Dunkelheit. Je-
     und Schlemmerei nun etwas Höhe-                  Schwerin werden um 19 Uhr die Bür-               der notwendige Stromverbrauch
     res mich zum Verzicht auffordert.                gersteige hochgeklappt; in den Dör-              – beim Kochen, Radio hören, Le-
     Ich muss Ballast abwerfen, den Kör-              fern wird abends mindestens jede                 sen oder Wäsche waschen – wird so
     per reinigen, mich läutern. Angefan-             zweite Laterne ausgeschaltet. Was                kurz wie möglich gehalten. Meine
     gen hatte ich mit dem Komplettfas-               unter Lichtverschmutzungsaspek-                  inneren Batterien brauchen keinen
     ten. Doch nach einer Woche nur bei               ten sehr positiv ist, denn unser Bio-            Strom.
     Wasser, Tee und Gemüsebouillon                   rhythmus und der der Natur um uns                    Das versteht in meinem Umfeld
     war mir das zu viel. Beziehungswei-              herum sind noch in Ordnung. An-                  nur niemand. Während fremde Gäs-
     se zu wenig. Seitdem faste ich nur               ders als in den großen Städten die-              te still vor sich hin leiden, knipst die
     noch teil. Im Vorjahr sogar sehr er-             ser Welt können wir nachts entspan-              Familie dreist überall das Licht an,
     folgreich. Meine Galle hatte mir drin-           nen und unsere Akkus aufladen, die               wenn sie mich besucht. Deshalb fas-
     gend den Verzicht auf Marzipan und               Tiere gemütlich auf die Jagd gehen,              te ich nicht nur Strom, sondern auch
     Alkohol angeraten. Pünktlich zu Os-              die Bäume regenerieren. Kein grelles             Besuch. Und lasse die Bagage erst
     tern hörte sie auf zu ziepen.                    Licht stört.                                     wieder Ostern in mein Heim. Dann
         In diesem Jahr habe ich mich                     Doch es geht noch mehr. Ja,                  gibt es zu Marzipan und Alkohol
     – politisch korrekt und für meinen               es geht auch ohne. Seit Januar er-               auch wieder Licht.
     Geldbeutel unverzichtbar – dem                   hellt abends nur eine Energiespar-                                         Birgitt Hamm
     Energiefasten verschrieben. Bis zur              Funzel meine Stube; sonst erledi-
     Energiekrise hatte ich mir keine Ge-             ge ich alles im Dunkeln. Nach den
     danken darüber gemacht, wie sehr                 ersten blauen Flecken und leichten

                                                                                                                      Foto: Birgitt Hamm
                                                                                  von Mensch, Tier und Pflanze.
                                     t nur teuer, es stört auch den Biorhythmus
Helles Licht rund um die Uhr ist nich

                                                                                                                                              11
Thema

                                                   Hab mein Cabrio aufgelade,

Der alte Traum                                     voll mit Strom und Rock’n’Roll.
                                                   Als ich über Äcker brauste,

eines F uhrmanns
                                                   wogten Rosen wie toll.
                                                   Drum fahr ich mit viel Speed durch Rosen,
                                                   im Cabrio alle Boxen tosen.
Singt zur Melodie von „Hab mein Wage vollgelade“   Brumm, Cabrio, brumm, brumm, brumm.
                                                   Brumm, Cabrio, brumm.

                                                   Hab mein Cabrio vollgelade,
                                                   voll mit Rosen so wild.
                                                   Als wir hin zur Skyline fuhren,
                                                   blühten sie duftig mild.
                                                   Drum lad ich all mein Lebetage
                                                   nur rote Rosen in mein Wage.
                                                   Brumm, Cabrio, brumm, brumm, brumm.
                                                   Brumm, Cabrio, brumm.

                                                   Hab mein Cabrio vollgelade,
                                                   voll mit rosa Hasen.
                                                   Als wir in die City kurvten,
                                                   fing’n sie an zu tanzen.
                                                   Drum schenk ich meine hundert Rosen
                                                   nur rosa Hasen, die nett posen.
                                                   Brumm, Cabrio, brumm, brumm, brumm.
                                                   Brumm, Cabrio, brumm.

                                                   Autorin: Anke

12
Thema

Wie eine bunte Wundertüte
Aufgeladen mit neuen Ideen, mit neuer Kraft ins Jahr 2023

                  Auf einer CD versammelt
          unsere Autorin eigene Lieder und
            Texte zum Thema „Selbstliebe“.

Die letzten Tage des alten Jahres, die Zeit für meinen             Ein anderer, neuer guter Freund unterstützt mich dabei, mir
Jahresrückblick 2022 ließ mich staunen, welche Heraus-             meiner Fähigkeit als Schöpferwesen bewusst zu werden
forderungen ich gemeistert habe, und ich konnte mir                und meine Talente und Gaben neu zu entdecken, an mich
selbst auf die Schulter klopfen.                                   selbst zu glauben und meine Träume zu leben.
                                                                       Ganz besonders liebe ich es, eigene Ideen zu haben und
Was gibt mir Kraft? Meine Familie, die an mich glaubt und          mir eigene kleine Projekte und Programme auszudenken.
mir die Freiheit gibt, so zu leben, wie es mir gefällt. Ganz be-   Ich schlüpfe gern auch in verschiedene Rollen, in denen
sonders meine Enkelkinder, die heranwachsen und sich so            ich meine vielseitigen Potentiale ausleben kann. Seit lan-
unterschiedlich entwickeln. Obwohl ich eine Oma bin, die           gem beschäftige ich mich mit den Themen Gesundheit und
nur besuchsweise da ist, sind wir alle tief im Herzen mitein-      Lebensstil.
ander verbunden. Alte und neue Freunde und Freundinnen,                Meinen Übergang ins Rentenleben habe ich nun recht
die für mich da sind, wenn ich sie brauche. Und für die ich        gut gemeistert. Mein Wissen über Ayurveda hat mir dabei
auch da sein kann. Geben und Nehmen. Sich miteinander              geholfen. Und auch mein Wissensdurst, der mich immer
wohlfühlen, sich stützen.                                          wieder dazu bewegt, Seminare zu besuchen und die Dinge
    Die Depression hat gerade Pause oder Urlaub. Vielleicht        zu lernen, die mir Spaß machen und mich interessieren.
hat sie auch gekündigt und ist gegangen. Ich hätte nichts          Mein Lieblingsgebiet ist die Psychologie, ganz speziell die
dagegen. An guten Tagen fühle ich mich wie eine bunte              verbale und nonverbale Kommunikation. Mich bewegen die
Wundertüte und staune darüber, wieviel Kreativität doch in         Fragen: Wie hängen Denken, Fühlen und Verhalten zusam-
mir steckt. Ich lasse meiner Fantasie Raum für Konzepte. Ja,       men? Welche Rolle spielt dabei die Wahrnehmung? Welche
ich bin eine Träumerin. Träumen macht mir Spaß. Mir selbst         Rolle spielt der Glaube? Und wie kann ein Mensch schwi-
etwas ausdenken, ausprobieren. Und manchmal werden                 erige Situationen meistern? Welche Bedingungen brauchen
kleine Träume Realität, wenn ich die entsprechenden klein-         Heranwachsende, um sich gesund zu entwickeln?
en und großen Schritte gehe, die dafür notwendig sind.                 Wichtig ist mir, dass ich meine Zeit frei einteilen und Pau-
    Gerade eben habe ich eine CD produziert zum Thema              sen nach Bedarf einlegen kann. Selbstbestimmt. Eine Leben-
Selbstliebe. Über mehrere Jahre gesammelte Lieder und              squalität, die ich während meines Berufslebens nicht hatte.
Texte, die für mich selbst in schlechten Zeiten sehr wert-         Meine Potentiale zu leben und Menschen zu begleiten
volle Dienste geleistet haben, sind nun darauf gespeichert.        und zu unterstützen auf ihrem Lebensweg, ist mir ein Her-
Ein guter alter Freund hat mich dabei unterstützt, mit sein-       zensbedürfnis. Und dies kann ich in einem Ehrenamt tun.
er Technik und den Erfahrungen als Musiker und Produz-             Ich selbst habe viele Höhen und Tiefen durchlebt und kann
ent. Viele Jahre habe ich zu ihm aufgeschaut, ihn für seine        nun mit diesem Erfahrungsschatz für andere Menschen da
Fähigkeiten bewundert. Auch insgeheim gewünscht, mal               sein. Als Zuhörerin, Begleiterin und auf Wunsch auch als Be-
etwas mit ihm gemeinsam zu erschaffen, gemeinsam zu                raterin oder Coach. So kann ich teilhaben an vielen verschie-
musizieren. Nun endlich hatte ich den Mut und habe mich            denen Lebensgeschichten und staune über die Buntheit.
getraut.                                                                                                                  Iris Hesse

                                                                                                                                13
Senioren

                     Zur Mitwirkung eingeladen
                                    Angebotsvielfalt im Seniorenbüro Schwerin

„Unsere Angebote sind eine Einla-             älterer Menschen in der nachberufli-          möchte anrufen. Jeden Mittwoch zwi-
dung an alle, sich aktiv zu betätigen,“       chen und nachfamiliären Lebenspha-            schen 15 und 17 Uhr nimmt sich eine
sagt Christine Dechau vom Schweri-            se. „Untersuchungen zur Pflege- und           Blumenfrau Zeit für Gespräche - ein-
ner Seniorenbüro. „Einzige Vorausset-         Sozialplanung in Schwerin haben er-           fühlsam, verständnisvoll und natürlich
zung ist, dass die Interessierten am Tag      geben“, sagt die Geschäftsführerin,           diskret.
Zeit haben.“ Menschen im Alter von 50         „dass das Altersbild in unserer Gesell-           „Die Begegnung mit Gleichgesinn-
bis an die 100 treffen sich in den Räu-       schaft viel schlechter ist als die Reali-     ten,“ weiß Christine Dechau aus ihrer
men der Wismarschen Straße 144, um            tät. Über Ältere wird nur im Zusam-           Arbeit, „ist bestens geeignet, die Le-
miteinander zu reden, ehrenamtlich            menhang mit Pflege und Betreuung              bensqualität unserer älteren Mitbür-
zu arbeiten, zu lernen. Mode, Theater,        gesprochen, doch nur zehn Prozent             gerinnen und Mitbürger zu erhöhen.
Film und Foto stehen ebenso auf dem           der Alten sind wirklich pflegebedürf-         Dafür bieten wir hier im Seniorenbü-
Plan wie Fremdsprachen, Schach oder           tig. 90 Prozent sind gesund.“ Ein Man-        ro die notwendigen Räume und Mög-
der Umgang mit den neuen Medien.              ko: Die Älteren haben keine Lobby             lichkeiten.“ Und wer hier nichts Pas-
40 Gruppen in der Senioren-Akademie           und sie gehen für ein besseres Image          sendes findet, kann von ihr auch an
Schwerin bieten da ein weites Betäti-         nicht auf die Straße.                         andere Stellen in ihrem Netzwerk aus
gungsfeld. Nicht weniger wichtig ist              Aber dafür engagieren sich – unter-       Institutionen, Vereinen, Projekten in
das bürgerschaftliche Engagement in           stützt vom Seniorenbüro – Frauen und          Schwerin verwiesen werden.
den verschiedensten Bereichen.                Männer an vielen Stellen in der Gesell-           Christine Dechau ist bei aller Viel-
    Seit nun schon 29 Jahren ist das          schaft. Christine Dechau kann da viel         falt der Arbeit eine gelassene Frau,
Seniorenbüro ein wichtiger Anlauf-            aufzählen: die seniorTrainerinnen und         doch wenn sie sich von etwas geladen
punkt Gleichgesinnter, die auch im Al-        -Trainer, die vom Seniorenbüro ausge-         fühlt, ist es das Geld. „Viele der Ehren-
ter noch Herausforderungen suchen             bildet werden und anschließend viel-          amtlichen arbeiten wirklich für nichts,
und sie selbstbestimmt organisieren.          fältige Aktivitäten älterer Menschen          zahlen oft sogar noch drauf. Und wenn
Christine Dechau ist stolz auf ihre 200       unterstützen, der Kulturschlüssel, der        jemand spendet, dann eher für Tie-
Ehrenamtlichen, die ihre Kompetenz            zum gemeinsamen Erleben von Kunst             re als für die Alten,“ schüttelt sie den
und Erfahrung einbringen und ohne             und Kultur einlädt, die Altersbeglei-         Kopf. Aufladen kann sie sich dann am
die ihre Arbeit überhaupt erst möglich        ter, die der Vereinsamung von Men-            besten mit Familie und Freunden beim
wird. Die Einrichtung, die vom Landes-        schen, die nicht mehr so mobil sind,          Rad- und Kanufahren, Boßeln oder bei
ring MV des Deutschen Seniorenrings           entgegenwirken. Ein ganz neues Pro-           der Beschäftigung mit den Enkeln.
getragen wird, ist eine trägerübergrei-       jekt ist „Klönen mit Bertha“. Unter der                                   Birgitt Hamm
fende Informations-, Beratungs- und           Rufnummer 0385 5574966 kann jeder,
Vermittlungsstelle für Engagement             der einfach mal mit jemandem reden
                                                                                                                                   Foto: Gruppe „METRONOM“, Seniorenbüro Schwerin

Wer jemanden zum Reden sucht, findet beim „Klönen mit Bertha“ interessierte und diskrete Ansprechpartnerinnen am Telefon.

14
Thema

Das Pilgerkloster lädt ein zum Innehalten.        Fotos: Iris Hesse

                     Pilgerkloster Tempzin,
                  wo die Seele heil werden kann
                     Orte der Kraft halten mich und laden mich auf in chaotischen Zeiten

In der ganzen Menschheitsgeschichte            inneren Einkehr, bietet Möglichkei-       einzuhauchen und tatkräftig mitzu-
gab es immer wieder Krisen und Cha-            ten mit anderen Menschen in Kontakt       helfen, damit er als Kraftquell und
os, Zeiten des Umbruchs und der Ver-           zu kommen und sich selbst als wert-       Oase weiter erhalten bleibt und noch
änderung im großen weltpolitischen             vollen Menschen zu erfahren. In den       vielen Menschen Zuflucht bieten kann
Geschehen, in einzelnen Kulturen und           täglichen Andachten wurde mir be-         in schwierigen Zeiten. Dieses Mal ha-
Ländern. Und in einzelnen Menschen-            wusst, dass grundsätzliche Themen         ben wir die neue Pilgerwohnung
schicksalen. Verunsicherung, Angst             in zwischenmenschlichen Beziehun-         renoviert.
und Hoffnngslosigkeit halten Men-              gen schon seit Jahrhunderten exis-            Am meisten gefällt mir das Kon-
schen in einem Käfig gefangen. Sie             tieren. Schon Apostel Paulus predig-      zept der Gemeindepädagogin Maria
verhindern die Ausbreitung von Le-             te darüber, wie die Konflikte friedvoll   Lachmann. Sie ermutigt die Menschen
bensfreude und rauben Lebensener-              zu lösen wären. Und wie wichtig es ist,   jeden Tag, zuerst zu sich selbst zu
gie und machen krank. Sie lassen den           einen jeden Menschen in seinem Glü-       schauen. Sich selbst wahrzunehmen,
Menschen sich ohnmächtig, klein und            cke zu lassen und zu respektieren oder    was gerade gebraucht wird, und dies
als Opfer der Umstände empfinden.              ihn zu ermutigen, selbst etwas zu ver-    der Gemeinschaft zu kommunizieren,
    Es braucht deshalb Tankstellen für         ändern. Eigene Grenzen zu erweitern,      um Dinge zu bitten, die das Leben an-
Lebensfreude und Lebenskraft und               aber auch Grenzen zu setzten denen,       genehmer machen, und seine Kräf-
Lebenssinn.                                    die großen Schaden anrichten.             te gut einzuschätzen. Und wer dann
    Ich war nun vor kurzem wieder                  Eine tiefe Weisheit, die auch heu-    noch Lust zu handwerkeln, putzen, ko-
an einem meiner Kraftorte, im Pilger-          te Gültigkeit hat. Sie beinhaltet das     chen oder musizieren hat, kann dies
kloster Tempzin. Dieser Ort selbst hat         Bedürfnis nach Wertschätzung, Wür-        gerne tun. Zum höchsten Wohle Aller.
für mich eine besondere Bedeutung.             digung und Respekt vor jeder Form         Kraftorte sind wichtig, für jeden Men-
Er verbindet Mittelalter und Jetzt-            des Lebens. Ich bin bereit, diesem        schen!                       Iris Hesse
zeit miteinander. Der Ort lädt ein zur         Ort durch mein Sein neues Leben

                                                                                                                             15
Thema

                                     So oder so oder beides
„Geladen“ oder entspannt - wie kommen wir am besten                  Noch in der Genesungszeit bin ich im Bad gestolpert, habe
durchs Leben?                                                        mich mit der gesunden Hand unglücklich abgestützt und
                                                                     bei der Gelegenheit wieder das Handgelenk gebrochen. Der
Diese Frage mag jeder für sich selbst beantworten. Ich glau-         Schmerz hielt sich auch diesmal in Grenzen, mein „Geladen-
be ja, dass in jedem von uns beides steckt, mal mehr in die          sein“ nicht so. Es hat Tage gedauert, bis ich wieder „unten“
eine und mal mehr in die andere Richtung. Doch auch, wenn            war und mich mit der Situation arrangiert hatte.
man reichlich harmoniebedürftig ist, eher einsteckt als aus-             Auch bei Behördenpost war ich oft geladen und habe
teilt, heißt das nicht, dass man nicht doch immer mal wieder         auch da durchaus Tage damit zugebracht, mich zu „entla-
„geladen“ ist. Mal mehr, mal weniger. Die kleinen Dinge sind         den“. In einer Behörde habe ich auch mal die Türen geknallt,
bei mir immer recht schnell vorbei: Eine genommene Vor-              weil man mir eine grundlegende Information vorenthalten
fahrt, eine „geklaute“ Parklücke, ein Angebot, das im Super-         hatte. Als ich dann Bescheid wusste, konnte ich die Informa-
markt vergriffen ist und und und.                                    tion nicht mehr nutzen, weil es nur Kraft und Nerven gekos-
    Manches beschäftigt mich aber länger, da geht dann               tet hätte, ohne uns das Leben finanziell leichter zu machen.
auch das „Geladensein“ nicht so schnell vorüber: Vor eini-               Geladen bin ich auch, wenn es drei Tage hintereinander
gen Jahren habe ich mir ein Handgelenk gebrochen. War                regnet und ich nicht an die frische Luft komme. Aber das ist
nicht schön, bloß ärgerlich, nicht so sehr schmerzhaft und           eine harmlose Variante.
links, na ja. Drei Wochen Gips habe ich ganz gut überlebt.                                                               Brunhilde

                Die „Annehmlichkeiten“ eines Alltags
Eine angekündigte Handwerkerleistung – Umstellung                    hätte schon Feierabend und das Signal müsse vom Anbieter
auf Glasfaser. Versichert wird; dass die Handwerker vor              aus freigeschalten werden. Morgen früh käme er wieder.
Ort dafür sorgen, dass alles funktionstüchtig sein und bei               Am folgenden Tag weder Handwerker noch versprochene
der Einrichtung des neuen Routers Unterstützung gege-                Kontaktaufnahme. Es reicht. Also doch selbst kümmern! Vier
ben wird.                                                            Telefonate mit dem Anbieter, lange Wartezeiten und immer
                                                                     wieder neue Versuche, dann am Abend ist es geschafft. Wie-
Der Tag der Umstellung: Die Handwerker sind pünktlich, von           der alles verfügbar.
11 – 15 Uhr im Aufgang, 12 Wohneinheiten werden umge-                    Wieder einmal die Frage: Wer sich nun nicht selbst darum
stellt, es sind 6- 8 Handwerker, jeder macht einen Handgriff,        kümmern kann, weil er wegen Krankheit oder einfach Über-
es laufen also 4 – 5 nacheinander durch die Wohnung, es              forderung nicht dazu in der Lage ist, wer kümmert sich, wie
sind polnische Arbeiter, Verständigung kaum möglich, aber            und wann wird dem geholfen? Im Alltag gibt es unzählige
ca. 30 – 40  min. und es ist fertig. Das Signal ist noch nicht da,   solcher Hürden.
also noch kein Telefon und Internet verfügbar, der Fernseh-              Dann noch die Frage: Muss all das sein. Der technische
apparat funktioniert, es ist ca. 13,45 Uhr. Die Handwerker sind      Fortschritt ist nicht aufzuhalten, dennoch er wird jedem auf-
in der nächsten Wohnung, später im Nebenaufgang. Es wird             gezwängt, auch wenn er ihn nicht nutzen möchte oder kann.
14,30 Uhr, noch kein Signal. Die angesprochenen Handwer-                 Es gibt ganz sicher andere Herangehensweisen und bes-
ker können nicht helfen, Antwort: „Kollege kommt gleich“.            ser organisierte, damit es zu solchen Unstimmigkeiten und
Das dann noch 3 bis 4 mal, um ca. 17.30 Uhr kommt der Kol-           Hürden nicht gibt, nicht jeder kann sich selber helfen.
lege. Er stellt fest, jetzt könne er nichts mehr machen, Chef                                                              Martina

16
Thema

            Was ist das denn – Body Battery?
             Und warum sich bei persönlichen Einschränkungen auch „Löffel“ zählen lohnt

Sicher kennen Sie diese neuen Fit-                                                         Modell der Löffel kennengelernt. Die Löf-
ness-Uhren, auch Smart-Watches                                                             fel stehen für die individuell vorhandene
genannt. Ich habe mittlerweile                                                             Energie. Die ist höchst verschieden bei al-
mein drittes Modell. Angefangen je-                                                        len Menschen. Jeder schleppt sein eige-
doch hat alles mit einem einfachen                                                         nes Päckchen mit sich rum und je nach
Schrittzähler eines Kaffeerösters für                                                      dessen Schwere bleibt ein Rest an Löffeln
knapp sechs Euro. Ich habe einfach                                                         übrig. Bei der Löffeltheorie schreibt man
ein Faible für Zahlen und alles, was                                                       jeder Aktivität eine bestimmte Anzahl an
im Alltag bemessen werden kann,                                                            Löffeln zu, die jeweils verbraucht werden.
macht mich glücklich.                                                                      Hat jede Person zu Beginn eines Tages
                                                                                           beispielsweise 25 Löffel zur Verfügung,
Zunächst hatte mein Mann seinen ers-                                                       muss man beachten, dass Menschen, die
ten smarten Begleiter am Handgelenk.                                                       eine unsichtbare Krankheit oder Behin-
Was ich anfangs als Spleen belächelt                                                       derung haben, aufgrund dessen im Ver-
habe, wich bald der Faszination über die                                                   gleich für jede Aktivität ein Vielfaches an
sich ergebenden Möglichkeiten zur Sta-                                                     Löffeln verbrauchen. Je höher die indivi-
tistik über die zugehörige App auf dem                                                     duelle Belastung, desto mehr Löffel wer-
nötigen Smartphone. Und dann hatte er                                                      den verbraucht. So kann es sein, dass
am Ende eines gemeinsam verbrachten                                                        eine Person ohne Beeinträchtigung eine
Urlaubstages einfach viel mehr Schrit-                                                     Stunde nach dem Aufstehen am Morgen
te, als mein kleiner Kasten mir anzeigte.                                                  zwei Löffel verbraucht hat, während je-
Dabei waren wir doch bei der Wande-                                                        mand anderes aufgrund seiner Diagno-
rung auf Rügen auf den gleichen Pfaden                                                     se schon 15 benötigt. Im Vergleich ha-
unterwegs.                                                                                 ben Betroffene ihre Löffel also wesentlich
     Schluss mit dieser Ungerechtigkeit;                                                   schneller aufgebraucht. Wiederum ist
ich beschloss aufzurüsten! Allerdings         schlechtes Gewissen inklusive. Manch-        es so, dass man durch Pausen eventu-
wollte ich nicht so einen unförmigen          mal erschien mir mein Puls bei kleinen       ell seinen Löffelbestand wieder aufbau-
hässlichen schwarzen Klopper am Arm           Aktivitäten viel zu hoch, dann wusste ich,   en kann. Betroffene brauchen aber mehr
haben, logisch. Ich wählte ein schma-         dass eine Pause angebracht war. Das wa-      und auch längere Pausen, um einen ver-
les beerenfarbiges Silikonband mit Mi-        ren schon jede Menge Informationen.          gleichbaren Effekt zu erzielen. Die meis-
ni-Display. Paar Wochen später gab das             Im April letzten Jahres hatten wir in   ten Löffel kann man nachts im Schlaf ge-
Armband seinen Geist auf, und der Her-        der Familie alle Corona, per Definition      nerieren. Allerdings sind einige der nicht
steller bot keinen Reparaturservice an. Ei-   mit „leichtem Verlauf“. Aber auch nach       sichtbaren Erkrankungen oder Behinde-
nerseits ökologischer Wahnsinn, aber der      den negativen Tests waren wir nicht          rungen auch mit Schlaflosigkeit verbun-
Versuchung, mit nur ein paar Euro Zuzah-      wirklich fit. Und dann kam die Funktion      den. Während jemand mit einem gesun-
lung ein wesentlich neueres Modell mit        „Body Battery“ gerade recht. Was sich wie    den Schlaf am nächsten Morgen wieder
deutlich mehr Funktionen zu erhalten,         ein Zungenbrecher anfühlt, hat wirklich      mit der vollen Anzahl Löffel erwacht,
konnte ich nicht widerstehen.                 wertvolle Informationen geliefert. Nach      kann es sein, dass Betroffene grundsätz-
     Nun konnte ich auch endlich viele        Corona nimmt der Alltag einen Umweg.         lich nur mit der Hälfte in den Tag starten
Werte „tracken“, also mir anzeigen lassen     Egal, wie sehr ich mich ausgeruht hat-       müssen, da ihre Nacht nicht erholsam
in der dazugehörigen App. Schritte, Kalo-     te, ich kam kaum auf einen zweistelligen     war.
rienverbrauch, Puls, Schlafverhalten, Ziel-   Wert auf einer Skala bis 100. Mein Körper         Während ich diesen Artikel schreibe,
erreichung. Hatte man letztere mit über       war im Dauerstress, ohne dass ich mich       bleibt meine Body Battery inzwischen
100 Prozent geschafft, gab es kleine Aus-     über Gebühr angestrengt habe. Ich be-        bei 30. Da habe ich wohl zu viele Löffel
zeichnungen der Art „Goldener Sport-          gann, mich über Long Covid zu informie-      beim Schreiben verbraucht. Morgen also
schuh“. Oder im anderen Fall die Auffor-      ren. Das ist zwar nicht mein Problem, aber   mehr Ausruhzeit. Das wird schon.
derung, doch noch mal Gas zu geben,           bei der Recherche habe ich das wertvolle                                  Kirsten Sievert

                                                                                                                                   17
Selbsthilfe

                                                                                                  Ich unterstütze
     Geladen…                                                                                     Selbsthilfe, weil…
     Zu diesem Wort gibt es sicher viele Synonyme, doch ich sehe dieses
     „geladen“ in den allermeisten Fällen positiv.
                                                                                                  sie aus meiner Erfahrung heraus viele
     Einmal im Monat Treffen ich mich mit Gleichleidenden in der SHG Tinnitus in                  Menschen zu den unterschiedlichsten
     der KISS zum Austausch über die vergangenen Tage. Im Vorfeld dieser Tref-                    Themen erreicht,
     fen wird jedes Mitglied unserer SHG durch mich angerufen und an das Tref-
     fen erinnert (geladen), diese Erinnerung, Einladung wird durchweg positiv                    sie offen ist für Jeden,
     aufgenommen. Die Treffen laufen dann voll mit positiver Energie, Elan ge-
     laden ab. Wir planen gemeinsame Ausflüge oder welche Fachkraft wir uns                       sich hier Experten treffen, denn das
     für einen Austausch einladen können. Wir sprechen über Therapien und den                     sind die Betroffenen in erster Linie
     neusten Forschungsergebnissen zum Tinnitus und seiner Entstehung. Na-                        selbst, egal, um welche Themen, Er-
     türlich haben auch Hobbys, Familie und aktuelle Ereignisse Platz in unseren                  krankungen und/oder Belange es
     Runden. Und wir haben die Einladung zum Sommerfest der KISS im Juni an-                      geht, die es zu bewältigen gilt,
     genommen und machen uns Gedanken und sammeln Ideen wie sich unse-
     re SHG dort kurz und aussagekräftig präsentieren kann. Die neu zu uns sto-                   sie Halt bietet
     ßenden Interessierten werden offen und freundlich aufgenommen, so dass
     sie sich eingeladen fühlen.              Roland Löckelt, Gruppensprecher                    sie die Bewusstwerdung und Bewälti-
                                                                                                  gung eigener Anliegen fördert und
                                                                                                  sie so vielfältig ist wie das Leben selbst.

                                                                                                                             Andrea Bülau

                                                                                                  Ich unterstütze Selbsthilfe auch des-
                                                                                                  halb, weil gerade in der Corona-Pan-
                                                                                                  demie sichtbar wurde, wie wichtig es
                                                                                                  ist, dass Menschen, die es wollen, ei-
                                                                                                  nen geschützten Ort finden können,
                                                                                                  in dem sie sich mit Gleich-Betroffenen
                                                                                                  über ihre Sorgen und Nöte ausspre-
                                                                                                  chen können. Dabei ist es egal, ob es
Eine Gemeinschaft, in der die Beteiligten sich aufladen können, ist die SHG Tinnitus.             um eine eigene Erkrankung jedweder
                                                                                                  Art oder um den Umgang mit Ange-
                                                                                                  hörigen geht.
Einladung zur Fortbildung                         Wünschenswert sind Fähigkeiten wie
                                                  Empathie, Kommunikationsfähigkeit,              Mit großer Freude leite ich seit vie-
Im Frühjahr 2023 werden neue In-                  Kontaktfreude, Lebenserfahrung, psy-            len Jahren den Kurs „Entspannung mit
Gang-Setzer*innen ausgebildet. Die                chische Belastbarkeit, Toleranz, Zuver-         Shiatsu“ und erfahre immer wieder,
In-Gang-Setzer sind ehrenamtliche                 lässigkeit. Die ehrenamtlichen Mitar-           wie hilfreich es für den Einzelnen sein
Mitarbeiter*innen der KISS, die den               beiter*innen erhalten ein kostenloses           kann, sich eine kurze Auszeit vom All-
Gruppen in der Startphase zur Sei-                Fortbildungsseminar.                            tag zu nehmen und neue soziale Kon-
te stehen. Sie begleiten die Gruppe                                                               takte zu pflegen.
etwa zwei- bis achtmal, abhängig von                    Termine
deren Problemstellung und Bedürf-                       (freitags 14 –18, samstags 9 –16 Uhr):    Damit der Fortbestand unserer Kon-
                                                        28. u. 29.4., 12. u. 13.5., 9. u. 10.6.
nis. Eine besondere Berufsausbildung                                                              taktstelle gesichert ist, unterstütze
                                                        Die Schulung findet im Schweriner
wird nicht vorausgesetzt. Hilfreich ist,                ARTE-Hotel statt.                         ich die Arbeit unseres KISS e.V. im Vor-
wenn ein In-Gang-Setzer selbst Selbst-                  Interessierte wenden sich bitte an        stand, wobei die materielle Sicherstel-
hilfegruppenerfahrung hat, vielleicht                   die KISS in Schwerin,                     lung immer wieder die größte Heraus-
schon einmal Ansprechpartner einer                      Spieltordamm 9, Tel. 0385 39 24           forderung ist.
                                                        333 oder kiss@kiss-sn.de.
Gruppe war, jedoch nicht Bedingung.                                                                                       Regina Winkler

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