Gewässerforschung 2018 - Jahresforschungsbericht des IGB - IGB Berlin
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Gewässerforschung 2018 Jahresforschungsbericht des IGB Im Zeichen des Klimawandels Stadt, Land, Gewässer Fische im Fokus Wie Erwärmung und Wetterextreme Ökosysteme mit Zukunft? Seen, Flüsse Wie Fische (über)leben und was wir unsere Gewässer beeinflussen und Co. im urbanen und ländlichen Raum von ihrem Verhalten lernen können
Angelfischerei Aquakultur & Aquaponik Biodiversität Dialog & Transfer Gewässerökosysteme Nutzung & Management Forschen für die Zukunft unserer Gewässer Das IGB ist das bundesweit größte und eines der international Schadstoffe & Belastungen führenden Forschungszentren für Binnengewässer. Bei uns arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ganz unterschiedlicher Disziplinen unter einem Dach. Gemeinsam untersuchen sie die grundlegenden Prozesse in Flüssen, Seen und Feuchtgebieten und entwickeln Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen für ein nachhaltiges Gewässer Umweltwandel management. Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen ausgewählte Forschungsergebnisse, Projekte und Veranstaltungen aus dem Jahr 2018 vor. Sie sind zehn Themenbereichen zuge Verhaltensbiologie & Schwarmintelligenz ordnet, in denen wir alles bündeln, was für Sie rund um unsere Forschungsarbeit interessant sein könnte. Zu den einzelnen Themen finden Sie auf unserer Website weitere Informationen, Materialien, Expertinnen und Experten sowie Hintergründe und aktuelle Meldungen. Wasser- & Stoffkreisläufe Wir wünschen viel Freude beim Lesen und Entdecken!
Inhalt 8 Forschung 8 Im Zeichen des Klimawandels Wie Erwärmung und Wetterextreme unsere Gewässer beeinflussen Die globale Erwärmung nimmt zu, ebenso das Auftreten von Wetterex tremen. Der Klimawandel entpuppt sich schon heute als bedeutender Stressfaktor für unsere Gewässer. Seen und Fließgewässer, deren Sedimente Treibhausgase abgeben, tragen dabei selbst zur Klimaverän derung bei. IGB-Forschende beschäf tigen sich in ganz unterschiedlichen Projekten mit dem Klimawandel: Sie 4 sprechen zum Beispiel mit Landwir Vorwort ten über Klimaanpassungen, analy sieren, wie sich steigende Tempera turen auf das Algenwachstum und Welchen Beitrag kann das IGB zur Lösung Fischpopulationen auswirken – und gesellschaftlicher Herausforderungen tragen zum nächsten IPCC-Bericht leisten? Mark Gessner, kommissarischer bei. Direktor des IGB, wirft einen Blick auf die aktuelle Glaubwürdigkeitsdebatte und „Trockenfallende auf neue Errungenschaften am Institut Gewässer, schwankende im Jahr 2018. Wasserstände und vor allem steigende Wasser temperaturen werden vielen Arten in Zukunft zu schaffen machen.“ GREOGOR KALINKAT p Seite 14 6 Nachrichten Aus der Welt unserer Forschung 2 Jahresforschungsbericht 2018
Inhalt „Insgesamt entsteht vor 34 allem in den Städten ein Jahresrückblick starker Nutzungsdruck durch Freizeitaktivitäten Hinter uns liegen ereignisreiche zwölf Monate. Unser Rückblick erzählt von neu auf Gewässer, über den en Projekten und Initiativen, besonderen wir bisher zu wenig Momenten und interessanten Begeg wissen.“ nungen. MARKUS VENOHR p Seite 18 16 Stadt, Land, Gewässer Ökosysteme mit Zukunft? Seen, Flüsse und Co. im urbanen und ländlichen Raum Ohne Gewässer wäre das Leben kaum denkbar, ob in der Stadt oder auf dem Land. Sie sind jedoch in Ge fahr, zum Beispiel durch Mikroplastik oder Übernutzung – beides Themen, mit denen sich IGB-Forschende intensiv beschäftigen. Außerdem haben sie einen Index entwickelt, mit dem sich der Wert von Fluss landschaften bemessen lässt, und „Viele Angler fühlen bringen in Erfahrung, wie sauber sich eng mit ,ihren‘ Fotos: Andy Küchenmeister; Angelina Tittmann; Andreas Gericke; Christian Wolter; Marc Kupetz; David Mandos städtische Teiche sind – und wie sie von Bürgerinnen und Bürgern wahr Flüssen verbunden. genommen werden. 42 Oft sind sie die Ersten, Intern die es bemerken, wenn sich die Wasserqualität 44 Arbeiten und Forschen am IGB verschlechtert oder wenn 46 Köpfe etwas Neues im Wasser 48 Publikationen schwimmt, das da nicht 49 Finanzen hingehört.“ 50 Organisation SOPHIA KOCHALSKI p Seite 30 24 Fische im Fokus Wie Fische (über)leben und was wir von ihrem Verhalten lernen können Ob als Lebensmittel, soziales Wesen oder zentraler „Player“ in Gewässer ökosystemen: Fische spielen in der Forschung des IGB eine wesentliche Rolle. Wir analysieren ihr Verhalten, überlegen gemeinsam mit anderen Interessengruppen, wie sie besser geschützt werden können, und de cken auf, wieso Klonfische 100.000 Jahre überleben können. Fische sind ungemein vielseitig – und ein span nender Forschungsgegenstand. Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 3
Vo r w o r t d e s D i r e k t o r s a . i . | Mark Gessner Foto: David Ausserhofer Liebe Leserin, lieber Leser, wie kann Wissenschaft langfristig ihre An diesem Beispiel zeigt sich, wie wich Glaubwürdigkeit behaupten, wenn sie tig eine funktionierende Kommunikati von unterschiedlichen Seiten in Zwei „Denn gerade bei on zwischen Forschung, Politik und Ge fel gezogen wird? Diese Frage hat zum komplexen gesellschaft sellschaft ist. Künftig wird sie zweifellos Beispiel die Diskussion um Stickoxid- lichen Herausfor noch wichtiger werden. Denn gerade Grenzwerte aufgeworfen, als über derungen ist die Wissen bei komplexen gesellschaftlichen He einhundert deutsche Lungenärztinnen rausforderungen ist die Wissenschaft schaft gefordert, einen und -ärzte die Evidenz zahlreicher wis gefordert, einen fundierten Beitrag zu senschaftlicher Studien in Frage stell fundierten Beitrag zu Problemlösungen zu leisten. Das neh ten. Inzwischen ist bekannt, dass der Problemlösungen zu men wir als Ansporn, unsere Forschung ärztlichen Stellungnahme peinliche leisten. Das nehmen kontinuierlich für einen breiteren Aus Rechenfehler zugrunde liegen. Aber wir als Ansporn, unsere tausch zu öffnen. Die positiven Rück auch wenn die Stellungnahme nur von Forschung kontinuier meldungen der Evaluierung im Juni einem Bruchteil der Lungenfachleute 2018 zeigen, dass wir hier auf einem lich für einen breiteren in Deutschland unterzeichnet wurde, guten Weg sind. hat die Medienberichterstattung da Austausch zu öffnen.“ rüber doch das Vertrauen von Politik Möglich wird dieses Engagement aber und Gesellschaft in wissenschaftliche erst durch exzellente Wissenschaft, die Erkenntnisse empfindlich gestört. sich sowohl der Erarbeitung grundle 4 Jahresforschungsbericht 2018
Vo r w o r t d e s D i r e k t o r s a . i . gender Zusammenhänge widmet als spiriert haben. Namentlich möchte ich auch aktuellen gesellschaftlichen Her die Freie Universität Berlin erwähnen, die ausforderungen stellt. Das ist das Fun Humboldt-Universität zu Berlin und die dament für den soliden, sachorientierten Technische Universität Berlin sowie die gesellschaftlichen Diskurs kontroverser Universität Potsdam, mit denen wir eng Fragen, der dann als Grundlage für kluge verbunden sind, den Wissenschaftlichen Entscheidungen dient. Die am IGB geleb Beirat des Instituts für sein besonderes te interdisziplinäre Zusammenarbeit er Engagement während der aktuellen Pha möglicht es, unter einem Dach Gewässer, „Mit der Auswahl der se der kommissarischen Institutsleitung, ihre Biodiversität und ihre Funktionen Themen in diesem Jah den Forschungsverbund Berlin wegen aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln seiner ausgezeichneten administrativen resbericht möchten wir zu betrachten. Unterstützung, das Gutachtergremium, nicht nur die Erkenntnisse das das IGB im Juni 2018 evaluiert hat, die Drei dieser übergreifenden Themen, die und Leistungen des IGB LeibnizGemeinschaft und die Behörden uns 2018 beschäftigt haben, stellen wir aufzeigen. Der Bericht und Verbände, mit denen wir in engem Ihnen in diesem Jahresforschungsbe soll darüber hinaus zum Austausch stehen. Einen großen Dank richt vor: Lesen Sie ab Seite 8, wie sich Nachdenken, vertieften möchte ich der Senatskanzlei Wissen der Klimawandel auf unsere Gewässer schaft und Forschung des Landes Berlin Recherchieren und Han auswirkt und was wir diesen Folgen ent und dem Bundesministerium für Bildung gegensetzen können. Ab Seite 16 werfen deln anregen. Anschlie und Forschung (BMBF) aussprechen, die wir einen Blick auf die Besonderheiten ßend miteinander im durch ihre finanzielle und nichtmateriel urbaner Gewässer als Ökosysteme und Gespräch zu bleiben, ist le Unterstützung die Arbeit des Instituts als Ressource für den Menschen. Und ab uns ebenfalls wichtig.“ ermöglichen. Ohne die Mitarbeitenden, Seite 24 tauchen wir ein in die Welt der die sich in Forschung, Verwaltung, Tech Fische. Unsere Ergebnisse zeigen, wie nik und Labor täglich mit Elan einsetzen, diese Tiere neue Lebensräume erobern, wären aber die enormen Fortschritte, wie wir ihre Bestände künftig besser die das Institut auch 2018 wieder in der nutzen und schützen können und wie sie Forschung, der gesellschaftlichen Vernet uns ermöglichen, wissenschaftliche The zung und den internen Strategieprozes sen auf den Prüfstand zu stellen. sen gemacht hat, natürlich undenkbar. Auch für diesen Einsatz einen ganz herz Mit der Auswahl der Themen in diesem lichen Dank! Jahresbericht möchten wir nicht nur die Erkenntnisse und Leistungen des Ich bin froh und stolz darauf, dass hiermit IGB aufzeigen. Der Bericht soll darüber die Voraussetzungen gegeben sind, um hinaus zum Nachdenken, vertieften Re am IGB weiter wichtige Grundlagen über cherchieren und Handeln anregen. An Gewässer und ihre Biodiversität zu erar schließend miteinander im Gespräch zu beiten und darauf aufbauend, sachlich bleiben, ist uns ebenfalls wichtig. Denn fundierte Lösungen für gesellschaftliche wir sind überzeugt, dass wir den engen Herausforderungen zu entwickeln. Damit und offenen Austausch mit Politik und leisten wir nicht zuletzt einen sichtbaren Zivilgesellschaft brauchen, um dem mas Beitrag, um die Integrität und Glaubwür siven Verlust aquatischer Biodiversität, digkeit der Wissenschaft in unruhigen den Folgen des Klima- und Landnut Zeiten zu bewahren. zungswandels für Gewässer und der glo bal rasant zunehmenden Urbanisierung wirksam begegnen zu können. Ihr Mein Dank gilt an dieser Stelle wieder den zahlreichen Partnern, die uns im Jahr 2018 in Forschung, Lehre und beim Transfer neuer Erkenntnisse in die Ge sellschaft begleitet, unterstützt und in Mark Gessner Direktor a.i. Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 5
Nachrichten Geprüft und zur weiteren Förderung empfohlen Zwei Tage lang stand das IGB im Juni 2018 un- ter b esonderer Beobachtung: Neun internationale Gutachterinnen und Gutachter prüften das Institut und seine wissenschaftliche Leistung auf Herz und Nieren. Hinzu kamen Vertreterinnen und Vertreter des L andes Berlin, des BMBF, der Leibniz-Gemeinschaft sowie unserer Partneruniversitäten in Berlin und Potsdam. Beeindruckt war die Kommission von der beachtlichen Publikationsleistung und der hervorragenden Infra- struktur des IGB. Besonders hervorgehoben wurde auch das am Institut entwickelte Science-Society-Interface, um Forschungswissen in die Gesellschaft zu tragen. Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft schloss sich diesem Foto: Angelina Tittmann positiven Urteil an und empfahl Bund und Ländern die weitere Förderung des Instituts. Ein großer Dank gilt allen Mitarbeitenden für den e ngagierten Einsatz! Algenblüten verhindern Fisch des Jahres Unsere Müggelsee-Langzeit- daten lassen tief blicken: Sie Der Atlantische Lachs zeigen, dass eine Reduzierung von ist Fisch des Jahres Stickstoff in Seen der Schlüssel zur 2019. Seine besondere Le Vermeidung von Algenblüten im bensweise zwischen Fluss Sommer ist. Und dass die Bindung und Meer, seine wirtschaft von Luftstickstoff durch Blaualgen liche Bedeutung für Angelfi viel zu gering ist, um als Gegenargu- scherei und Aquakultur und ment für die ökologisch notwendige sein Schirmartcharakter für Verringerung der Stickstoffeinträge Foto: Copernicus Sentinel data (2015) ESA Revitalisierungsmaßnahmen zu gelten. Die starke Freisetzung machen ihn auch für uns zum von Phosphor aus dem Sediment 17 interessanten Forschungsob und von Stickstoff aus dem Wasser jekt. Forschende des Projekts in die Luft ist typisch für Flachseen Leistungen IMPRESS haben sich auf den im Sommer, sodass sich viele andere Weg zu Bruthäusern in Nor flache Seen ähnlich erfasst der neue Ri wegen, Wales und Deutsch verhalten dürften. ver Ecosystem Service land gemacht. Sie sprachen Index, kurz RESI. Das neue mit Angelvereinen und Frei Werkzeug hilft, Ökosystem willigen über ihre Motivation. Video ansehen leistungen von Flüssen und Im Interview auf p Seite 30 p www.youtube.com/watch?v=oIME72cZy4M ihren Auen zu erfassen, zu be haben wir Sophia Kochalski werten und zu visualisieren. zu den Ergebnissen befragt. Shatwell, T., & Köhler, J. (2019). Die methodischen Grundla Decreased nitrogen loading controls gen und Berechnungsformeln summer cyanobacterial blooms w ithout fasst ein Anwendungshand promoting nitrogen-fixing taxa: Long- buch zusammen, das als kos term response of a shallow lake. Limno tenfreier Download verfüg logy and Oceanography, 64(S1), 166-178. bar ist. Mehr erfahren Sie auf doi:10.1002/lno.11002 p Seite 21. Grafik: Christiane John 6 Jahresforschungsbericht 2018
Nachrichten 15 Mit vereinten Kräften Artikel Im Rahmen der World Water Week in Stockholm wurde die Alliance for Freshwater Life (AFL) Ende August 2018 offiziell zu aquatischen Grenz- vorgestellt. Die AFL ist ein internationales Netzwerk von aktuell 23 zonen bündelt ein Son- Partnern, darunter als Gründungsmitglied auch das IGB. „For- derheft der Fachzeitschrift schung, Naturschutz und Politik haben alle ein großes Interesse Limnologica, das im Frühjahr daran, die Biodiversität zu schützen. Trotzdem arbeiten wir noch 2018 erschienen ist. Unter nicht intensiv genug zusammen. Die AFL ist für alle Teilnehmen- dem Titel „Aquatic interfaces den ein Bekenntnis, Expertisen zu bündeln und sich dafür einzuset- and linkages – an emerging zen, dass auch die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert wird“, topic of interdisciplinary re so beschreibt IGB-Forscher Michael Monaghan den Auftrag des search” thematisiert das Heft Netzwerks. die komplexen Wechselwir kungen von geochemischen, Mehr erfahren biologischen und physikali p www.allianceforfreshwaterlife.org schen Prozessen an diesen Orten. Grenzzonen zeigen Darwall, W. et al. (2018). The Alliance for Freshwater Life: a global call to eine besonders hohe Aktivität unite efforts for freshwater biodiversity science and conservation. Aqua und beeinflussen so die Stoff- tic Conservation, 28(4), 1015-1022. doi:10.1002/aqc.2958 und Energieströme innerhalb der Gewässer sowie mit der sie umgebenden Landschaft. Ihre Funktionsweise und Leistungen zu verstehen, ist nötig, um die Auswirkungen Neues Gesicht von Managementmaßnah men oder Umweltwandel „Ein besonderes Anliegen ist mir, die besser abschätzen zu können. Integration von Wissenschaft und An dem Sonderheft haben Wissenschaftsunterstützung weiter neun IGB-Autoren aus vier voranzutreiben, um gemeinsam Abteilungen mitgewirkt. Das möglichst gute Rahmenbedingungen IGB hat frühzeitig einen eige für die Forschung am IGB zu schaf- nen Schwerpunkt auf dieses fen“, sagt Gwendolyn Billig, seit dem Thema gelegt, etwa einen 1. Januar 2019 neue Verwaltungs- Programmbereich dafür ein leiterin am Institut. Und wir sagen: gerichtet sowie die beiden herzlich willkommen im Team! Graduiertenschulen AQUA Foto: IGB/David Ausserhofer LINK und Urban Water Inter faces initiiert. Dr. Gwendolyn Billig, verwaltungsleitung@igb-berlin.de Hupfer, M. et al. (2018). Aqua tic interfaces and linkages: an emerging topic of interdis ciplinary research. Limno GEWÄSSER-NEWS logica, 68, 1-4. doi:10.1016/j. limno.2017.12.002 Sie möchten über unserer Gewässerforschung auf dem Laufen den bleiben und wissen, welche neuen Aktivitäten es am IGB gibt? Dann abonnieren Sie doch unseren Newsletter, der Ihnen alle zwei Monate Informationen rund ums IGB und unsere Themen ins Postfach liefert. Jetzt Anmelden p www.igb-berlin.de/newsletter Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 7
Extreme Wetterereignisse gefährden Ernteerträge und Böden. Ebenso nehmen die negativen Folgen der Nehmen intensiven Landnutzung die Erderwärmung auf die Gewässer zu. sowie gleichzeitig die Belastung mit Nährstoffen p Seite 15 zu, emittieren Seen mehr Treibhausgase und be schleunigen so den Klima wandel. p Seite 11 Gewässer trocknen auf der ganzen Welt vermehrt temporär aus. Unter diesen schwankenden Lebensbe dingungen leiden zahl reiche Süßwasserfischarten, vor allem in der Mittel meerregion. p Seite 14 8 Jahresforschungsbericht 2018
Im Zeichen des Klimawandels Wie Erwärmung und Wetterextreme unsere Gewässer beeinflussen Die globale Erwärmung nimmt zu, ebenso das Auftreten von Wetterextremen. Der Klimawandel entpuppt sich schon heute als bedeutender Stressfaktor für unsere Gewässer. Seen und Fließgewässer, deren Sedimente Treibhausgase abgeben, tragen dabei selbst zur Klimaveränderung bei. IGB-Forschende beschäftigen sich in ganz unterschiedlichen Projekten mit dem Klimawandel: Sie sprechen zum Beispiel mit Landwirten über Klimaanpassungen, analysieren, wie sich steigende T emperaturen auf das Algenwachstum und Fischpopulationen auswirken – und tragen zum nächsten IPCC-Bericht bei. Hohe Nährstoffkonzentrationen, höhere Wassertemperaturen und eine längere Schichtung begünstigen, dass Cyano bakterien in Seen gedeihen. Die Nutzung als Badegewässer ist dann häufig beeinträchtigt. p Seite 12 Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 9
Fo r s c h u n g | Im Zeichen des Klimawandels Seen leiden unter … Klima Der Klimawandel macht Seen – ob flach, ob tief, ob groß oder klein – zu schaffen. Das liegt vor allem an steigenden Temperaturen und extremen Wetterereignissen, aber auch an zu vielen Nährstoffen, die in ihre Wasserkörper gelangen. Was den Rhythmus von Seen prägt, ist die Phänologie, der Ablauf bestimmter saisonaler Ereignis se im Jahresverlauf. Steigen die Temperaturen, frieren sie später und seltener zu, das Eis auf ihrer Oberfläche schmilzt eher. Mehr Licht und Wärme lassen die Algen im Frühjahr eher wachsen. Auf steigende Lufttemperaturen und damit erhöhte Wassertemperaturen reagiert der thermische Zyklus von Seen besonders empfindlich. Dieser Zyklus steuert die saisonale Durchmischung der Wassersäule: Wie mit einem Motor werden Sauerstoff und Nährstoffe gleichmäßig verteilt. Zuneh mende Heißwetterperioden in den Sommermonaten führen dazu, dass Seen auch dann häufiger eine Schichtung ausprägen, wenn sie flach sind, wie zum Beispiel der Müggelsee in Berlin. Sind sie sehr tief wie etwa der Bodensee, kühlen sie sich in warmen Wintern nicht mehr stark genug ab und durchmischen sich in der Folge nicht mehr jährlich bis zum Grund. Durch den Klimawandel ändern sich also die Schichtungstypen, meist zum Nachteil der Durchmischung. Die veränderte thermische Struktur führt voraussichtlich auch dazu, dass die Sauer stoffkonzentration in Seen sinken wird. Der Sauerstoffmangel bringt ein weiteres Problem mit sich: Durch chemische Prozesse werden zuvor in den Sedimenten gebundene Nährstoffe wie Phosphor freigesetzt. Seen düngen sich quasi un freiwillig selbst. Diese Nährstoffe sind nur ein kleiner Teil des Problems: Seen leiden enorm und schon seit vielen Jahrzehnten unter Nährstoffeinträgen aus der Landwirtschaft (p Seite 15) und durch Abwassereinleitungen. Beide sind Hauptverursacher für übermäßiges Algenwachstum. Der Klimawandel beschert vielen Seen erhöhte Niederschläge, zum Beispiel durch Starkregen ereignisse. Diese führen zusätzlich zu steigenden Nährstofffrachten aus der Umgebung, vor allem von gelöstem organischem Kohlenstoff. Apropos Algenwachstum: Neben hohen Nährstoffkonzentratio nen begünstigen auch höhere Wassertemperaturen und eine längere Schichtung, dass insbesondere Cyanobakterien prächtig in Seen gedeihen. Dadurch können sich auf ihren Im IGB-Dossier Oberflächen im Sommer dichte Blütenteppiche bilden. „Seen im Klimawandel: Als Badegewässer sind sie dann kaum mehr tauglich. Diagnosen und Prognosen aus der Langzeitforschung“ Seen sind vitale Lebensräume, die für viele Pflanzen haben wir zusammengefasst, und Tiere, für den Menschen und als wichtiger Bau welchen Veränderungen Seen bereits stein im globalen Ökosystem unverzichtbar sind. Wie unterliegen und welche Szenarien wir stark und in welchem Tempo der Klimawandel ihnen voraussichtlich zu erwarten haben. weiter zusetzen wird, ist unklar, zumal eine verstärkte Es kann kostenlos Wassernutzung und -verknappung auf der ganzen heruntergeladen werden Welt den Seeökosystemen zusätzlich zu schaffen p http://bit.ly/Klimawandel-Dossier macht. Sicher scheint jedoch zu sein: Seen sind mächtig im Stress, und der wird in den kommenden Jahren voraus sichtlich weiter zunehmen. Prof. Dr. Rita Adrian, adrian@igb-berlin.de Dr. Tom Shatwell, tom.shatwell@ufz.de 10 Jahresforschungsbericht 2018
Im Zeichen des Klimawandels | Fo r s c h u n g Seen machen … stress Seen sind Treibhausgas-Senken? Ja. Aber: Sie können auch vermehrt Methan und Kohlendioxid freisetzen und damit zu einer entscheidenden Quelle für Treib- hausgase werden. Je mehr Gase als Emissionen aus Binnengewässern in die Atmosphäre gelangen, desto schneller erwärmt sich die Erde: ein Teufelskreis also, durch den sich der Klimawandel selbst verstärkt. Zwei Drittel der Erde sind von Wasser bedeckt, und das ist ungemein nützlich: Große Wasserkörper sind nämlich in der Lage, klimawirksame Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) zu binden. Die sen Job übernehmen vor allem die Ozeane, aber auch Seen haben einen Anteil daran. Denen scheint die Sache aber zu „heiß“ zu werden. Ihre Temperatur hat sich in den Sommern der vergangenen 30 Jahre global im Schnitt um 0,34 Grad erhöht (p Seite 12). Und wird es wärmer, neigen sie dazu, Treibhausgase zu emit tieren anstatt zu schlucken: Eine niederländische Laborstudie unter Beteiligung des IGB zeigte, dass ein Anstieg von 1°C die Methanfreisetzung von Gewässern um sechs bis 20 Prozent erhöht. Ein Anstieg von 4°C führte im Labor zu 51 Prozent mehr Methanemissionen. Wie kommt es dazu? Methan entsteht in Seen normalerweise beim Abbau organischer Materialien im Sediment. In kleinen Gasbläschen steigt es dann vom Grund bis an die Wasseroberfläche und gelangt so in die Atmosphäre. Dieser Prozess ist von der Tempera tur und von der Verfügbarkeit organischen Materials abhängig. Stauseen in den Tropen emittieren deshalb besonders viel Methan. Überflutete Regenwaldgebiete und höhere Temperaturen schaffen dort einen optimalen Mix für Zersetzungsprozesse und somit auch für die Bildung von Methan. So könnte der weltweite Staudammboom zu einer Zunahme der Treibhausgasemissionen führen, wiederum begünstigt durch den Tempera turanstieg. Das ist aber nicht alles. Methan wird nicht nur in den Sedimenten, sondern auch in der assersäule gebildet. Cyanobakterien, die Methan produzieren können, spielen dabei eine W wichtige Rolle. Diese mögen es wiederum, wenn in Seen viele Nährstoffe verfügbar sind, und sie mögen ebenfalls hohe Temperaturen: Dann gedeihen sie, die Methanbildung „blüht“. Zwar kann das in Sedimenten oder im Wasser gebildete Methan direkt im Wasser abgebaut werden, nämlich durch Mikroorganismen, die Methan verstoffwechseln. Das gilt aber nur für einen Teil des Methans. Auch dieser mikrobielle Prozess ist von der Temperatur abhängig. Die Erderwärmung kann also beides forcieren: die Bildung und den Verbrauch von Methan in Seen. Es ist offensichtlich: Seen spielen eine wichtige Rolle für die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre. Dabei hängt es von den Umweltbedingungen ab, ob sie als Senke oder als Quelle für Treibhausgase wirken. Nehmen die Erderwärmung sowie gleichzeitig die Belastung mit Nährstoffen zu, werden Seen mehr Treibhausgase emittieren und so den Klimawandel beschleunigen. Dr. Peter Casper, pc@igb-berlin.de Prof. Dr. Hans-Peter Grossart, hgrossart@igb-berlin.de PD Dr. Sabine Hilt, hilt@igb-berlin.de Dr. Gabriel Singer, singer@igb-berlin.de Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 11
Fo r s c h u n g | Fokus Klimawandel „Die Aussagen im IPCC- Bericht müssen sehr gut abgesichert sein.“ Rita Adrian leitet die Abteilung Ökosystemforschung am IGB. Foto: IGB/David Ausserhofer Rita Adrian befasst sich mit der Lang- haben wir Messreihen, die 40 bis 50 Jahre zurückrei zeit- und Klimafolgenforschung an Seen. chen und es uns erlauben, Trends zu berechnen. So ist Der Weltklimarat hat sie als Hauptautorin des das Oberflächenwasser von Seen im Sommer seit den Sechsten IPCC-Sachstandsberichts (AR6) aus- 1980er-Jahren im globalen Durchschnitt um 0,34 °C gewählt, der 2021/22 veröffentlicht werden soll. pro Dekade wärmer geworden. Darüber hinaus sind Bereits am Fünften IPCC-Sachstandsbericht von Ökosysteme zunehmend Extremereignissen wie 2014 hat Rita Adrian als Co-Autorin mitgewirkt. Hitze oder Stürmen ausgesetzt; letztere gehen oft mit starken Niederschlägen einher. All das beeinflusst Frau Adrian, wie sieht Ihr Beitrag für den IPCC konkret ebenfalls die thermische Struktur und die Nährstoff aus? dynamik eines Sees (p Seite 10). So einen Bericht zu verfassen, ist ein jahrelanger Pro zess, an dem ein großes internationales Autorenteam Welche Auswirkungen hat der Temperaturanstieg auf beteiligt ist. Beim kommenden IPCC-Sachstandsbe Seen? richt bin ich zusammen mit weiteren Hauptautoren Die Auswirkungen sind sehr vielfältig, hier nur zwei für das Kapitel Terrestrial and freshwater ecosystems Beispiele: Der Erwärmungstrend hat eine Verlänge and their services verantwortlich. Wir tauschen uns rung der sommerlichen stabilen thermischen Schich regelmäßig über E-Mail aus und treffen uns im Januar tung von Seen zur Folge. Fische, die aus dem sauer 2019 das erste Mal persönlich. Ich sehe in dieser Arbeit stofffreien kalten Tiefenwasser nach oben ziehen, einen Beitrag an Wissenschaft und Politik, den ich sind hier hohen Wassertemperaturen und zu geringen sehr gerne übernehme. Sauerstoffkonzentrationen ausgesetzt. Dies kann zu Fischsterben führen, wie wir es im letzten Sommer Wie gehen Sie und Ihre Mitautoren vor? beobachten mussten. Eine weitere Folge betrifft die Wir bewerten die Auswirkungen der Klimaverände Eisbildung. Der Müggelsee wird Ende dieses Jahrhun rungen auf Gewässer und die aquatische Biodiversität derts in sechs von zehn Jahren eisfrei sein, aktuell ist auf Basis der bereits vorhandenen begutachteten er das nur in zwei von hundert. Das entspricht einer wissenschaftlichen Literatur. Die Aussagen, die am geografischen Verschiebung des Sees um etwa 800 Ende im IPCC-Bericht stehen, müssen sehr gut wissen Kilometer nach Süden, also nach Norditalien. schaftlich abgesichert sein. Sie beruhen auf begutach teten, wissenschaftlichen Publikationen. Prof. Dr. Rita Adrian, adrian@igb-berlin.de Wie machen sich Klimawandel und Erderwärmung bei Das Gespräch führte Kristina Simons. Seen bemerkbar? Steigende Lufttemperaturen führen dazu, dass sich Die Langfassung des Interviews lesen Sie auf unserer die Wassertemperaturen erhöhen. Aus unserer Lang Website p www.igb-berlin.de/news/igb-leistet-beitrag- zeitforschung am Müggelsee und von Seen weltweit zum-ipcc-bericht 12 Jahresforschungsbericht 2018
Im Zeichen des Klimawandels | Fo r s c h u n g Urbane Seen fit für den Klimawandel machen Der Sommer 2018 war außergewöhnlich heiß und trocken. Das wirkte sich auch auf die Berliner Stadt- seen aus, die Rekordwerte bei der Wassertemperatur erreichten: Im Müggelsee wurden 29,9 und im Tegeler See 28,6°C gemessen, die dort jeweils höchsten bisher gemessenen Wassertemperaturen; auch andere Seen wie der Arendsee, der größte natürliche See Sachsen-Anhalts, heizten sich so stark wie nie zuvor auf. Häufiger als sonst gab es deutschlandweit zudem Berichte über plötzliches Fischsterben und Massenentwicklungen von Cyanobak- terien. Angesichts solcher Entwicklungen fragt sich, wie der Klima wandel zukünftig auf unsere Gewässer wirkt und mit welchen An passungsstrategien erreicht werden kann, dass Wasser in weiter hin guter Qualität zur Verfügung steht. Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, haben wir einen Blick in die Zukunft des Tegeler Sees geworfen, der für die Trinkwasserversorgung von Berlin eine große Bedeutung hat. Wir betrachteten Klimaeffekte und Bewirt schaftung bis zum Jahr 2100 mit Hilfe einer Modellierungsstudie. Die Modellergebnisse zeigen, dass sich in diesem urbanen See die Wassertemperaturen erhöhen und die Dauer der sommerlichen Mit Messbojen kann überwacht werden, wie sich Klima Schichtung verlängert. Wir koppelten diese Ergebnisse mit einem veränderungen auf Seen auswirken. Diese Bojen verfügen Gewässermodell und entwickelten Szenarien, um den Einfluss jeweils über meteorologische Sensoren, eine oberflächennahe verschiedener Bewirtschaftungsoptionen zu quantifizieren. Dabei Multiparametersonde, eine autarke Stromversorgung und zeigte sich, welche Konzentrationen für Sauerstoff, Phosphat und Datenfernübertragung. Oben ist eine zusätzliche Messkette Nitrat im Jahresverlauf zukünftig zu erwarten sind. Mit einer ange mit Temperatur- und Sauerstoffloggern abgebildet; unten eine passten Bewirtschaftung lassen sich diese beeinflussen: Klimabe zusätzliche Multiparametersonde, die mehrmals am Tag Daten dingte Effekte nehmen ab, wenn der Betrieb der Oberflächenwas aus unterschiedlichen Tiefen erhebt. | Abbildung: Sylvia Jordan ser-Aufbereitungsanlage (OWA) des Sees stufenweise erhöht wird. Insgesamt bestätigt unsere Studie, dass der Klimawandel den Auf wand zum Erhalt einer guten Wasserqualität von Seen erhöhen kann. Grundlage für die Kalibrierung und Validierung numerischer Modelle sind längere Zeitreihen, die nur für wenige Seen in der er forderlichen zeitlichen Auflösung vorliegen. Deshalb unterstützt das IGB aktuelle Bemühungen der Senatsverwaltung von Berlin und der Fachbehörden weiterer Bundesländer, ein Klimafolgen- Monitoring für eine größere Anzahl von Seen einzurichten. Für ein langfristig ausgelegtes Monitoring sind die Installation einer auto nomen Messboje an der tiefsten Stelle eines Sees und eine zeitnahe Datenfernübertragung die beste Möglichkeit, um lückenlos klima bedingte Veränderungen der Temperatur und anderer Parameter zu erfassen. Die Fernübertragung der Echtzeitmessungen an die Fachbehörden kann auch als Frühwarnsystem genutzt werden, um etwa rechtzeitig Maßnahmen gegen Fischsterben einzuleiten. Dr. Michael Hupfer, hupfer@igb-berlin.de Dr. Robert Ladwig, ladwig@igb-berlin.de Ladwig, R. et al. (2018). Climate change demands adaptive management of urban lakes: model-based assessment of management scenarios for Lake Tegel (Berlin, Germany). Water, 10(2), 1-23. doi:10.3390/w10020186 Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 13
Fo r s c h u n g | Im Zeichen des Klimawandels Süßwasserfische der Mittelmeerregion in der Klimakrise Viele Süßwasserfische Europas sind durch den Klimawandel stark bedroht. Gregor Kalinkat ist Biodiversitätsforscher am IGB und hat mit einem internationalen Team untersucht, welche Arten besonders gefährdet sind. Foto: IGB/David Ausserhofer Herr Kalinkat, was sind die großen Herausforderungen für Süßwasserfische im Klimawandel? Trockenfallende Gewässer, schwankende Wasserstände und vor Erwärmung begünstigt Wachstum allem steigende Wassertemperaturen werden vielen Arten in Zu von Aufwuchsalgen kunft zu schaffen machen. Laut Roter Liste der Weltnaturschutzu nion (IUCN) ist etwa ein Drittel der Süßwasserfischarten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Damit gehören sie zu Die globale Erwärmung hat tiefgreifen- den am stärksten gefährdeten Arten weltweit. Wir sehen es aktuell de Auswirkungen auf das Funktionieren im hitzegeplagten Australien, wo im Januar 2019 in vielen Flüssen aquatischer Ökosysteme. Bisher zu wenig verstanden hunderttausende Fische verendeten. ist der Einfluss auf Primärproduzenten im Zusammen- spiel mit deren Konsumenten. Das gilt insbesondere Wenn wir nach Europa schauen, welche Länder sind dort für Aufwuchsalgen (Periphyton), die alle Oberflächen besonders betroffen? unter Wasser bewachsen. Sowohl deren Wachstum als In unserer Studie haben wir 443 europäische Süßwasserfischarten auch Fraßverluste, z.B. durch Schnecken, werden von der untersucht. Die „Top 20“ der bedrohten Arten in Europa kommen Temperatur beeinflusst. Wir haben mit Sabine Hilt ge- aus Griechenland, Spanien und Portugal. Fische in extremen Le sprochen, wie sich die Erderwärmung künftig auf diese bensräumen, die durch Hitze und Trockenheit charakterisiert sind, Prozesse auswirken könnte. zeigen sich besonders anfällig gegenüber einer weiteren Verschär fung der Lebensbedingungen. Frau Hilt, profitieren Algen grundsätzlich von höheren Temperaturen oder gibt es auch gegenteilige Effekte? Welche Vorschläge haben Sie für das Management von Europas Verschiedene Algenarten haben unterschiedliche Temperaturop Süßwasserfischen? tima, aber grundsätzlich beschleunigen erhöhte Temperaturen Unsere Ergebnisse und die Erkenntnisse aus anderen Studien sind meist das Wachstum und erhöhen die Produktion. Das gilt aber ein eindeutiges Signal dafür, Managementmaßnahmen besonders nicht nur für die Aufwuchsalgen, sondern auch für deren Konsu auf die Mittelmeerregion zu konzentrieren. Die empfindlichsten menten. Die Frage ist also, wie der Nettoeffekt aussieht. Arten haben oft eine geringe Körpergröße, gehören zu den selte nen Arten mit kleinem Verbreitungsgebiet und haben daher nicht Wie lautet Ihre Antwort? unbedingt eine direkte wirtschaftliche Relevanz. Sie spielen mitun Wir konnten zeigen, dass sich die Produktion der Aufwuchsalgen ter aber eine wichtige Rolle in den Nahrungsnetzen und Ökosyste im Frühjahr verdoppelt, wenn die Temperatur um 4°C erhöht wird. men. Ich würde mir wünschen, dass Schutzbestrebungen nicht nur Ab Juni wurde dieser Effekt jedoch durch den erhöhten Fraßdruck die Fischerei, sondern den Erhalt der Lebensgemeinschaften und der Konsumenten vollständig kompensiert. Um das zu untersu der komplexen Leistungen für Natur und Mensch im Fokus haben. chen, hat mein Doktorand Garabet Kazanjian an einem großen Experiment zu den Auswirkungen der Klimaerwärmung am Nie Dr. Gregor Kalinkat, kalinkat@igb-berlin.de derländischen Institut für Ökologie (NIOO) teilgenommen. Dabei haben wir Flachseen-Ökosysteme in acht großen Tanks im Labor Jaric, I. et al. (2019). Susceptibility of European freshwater fish to simuliert, von denen die Hälfte um 4°C im Vergleich zur jeweils ak climate change: Species profiling based on life-history and envi tuellen Flachseen-Temperatur erwärmt wurde. ronmental characteristics. Global Change Biology 25(2), 448-458. doi:10.1111/gcb.14518 Was bedeuten diese Veränderungen für aquatische Ökosysteme? Eine erhöhte Periphyton-Produktion wirkt sich nicht nur auf das Nahrungsangebot, sondern durch verstärkte Beschattung der Un terwasserpflanzen auch auf die gesamte Struktur des Ökosystems aus. Das kann negative Konsequenzen für dessen Biodiversität, Treibhausgas-Emissionen und Kohlenstoff-Ablagerung haben. PD Dr. Sabine Hilt, hilt@igb-berlin.de Kazanjian, G. et al. (2018). Impacts of warming on top-down and bottom-up controls of periphyton production. Scientific Reports, 8, Foto: IGB/David Ausserhofer 9901. doi:10.1038/s41598-018-26348-x 14 Jahresforschungsbericht 2018
Im Zeichen des Klimawandels | Fo r s c h u n g Wie die Landwirtschaft sich besser an den Klimawandel anpassen kann Die Bodenbedeckung und die zeitgerechte Bearbeitung gewinnen bei zunehmender Trockenheit im Frühjahr und Spätsommer an Bedeutung. Foto: Andreas Gericke/IGB Ob der Starkregen im Juni 2017 oder der Dürresommer 2018 – bei extremen Wetterereignissen stellt sich schnell die Frage nach Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, auch in der Landwirtschaft. Denn treten solche Ereignisse vermehrt auf, gefährden sie Ernteerträge und Böden. Ebenso nehmen die negativen Folgen der intensiven Landnutzung auf die Gewässer zu. Doch im Unterschied zum Klimaschutz gibt es für Klimaan- passungen bisher kaum Strukturen. Im Projekt BAUM haben Forschende beispielhaft das Regionalklima in Berlin- Brandenburg untersucht. Sie identifizierten die Folgen sowie mögliche Maßnahmen zur Klimaanpassung für die Praxis. Ihre wichtigsten Ergebnisse haben wir zusammengefasst: 1 Brandenburger Landwirtinnen und Landwirte neh men die Klimaänderungen wahr und bewerten diese überwiegend negativ. Jedoch hält nur die Hälfte der Befragten tung durch den (teilweisen) Verzicht auf den Pflug. Das wird in Brandenburg auf über 50 Prozent der Ackerfläche durchge führt. Jedoch werden dabei mehr Herbizide eingesetzt. 7 Klimaanpassungen für wichtig. 2 Wegen der steigenden Temperaturen und der Ver Stations- und Klimamodelldaten bestätigen die Wahr schiebung von Niederschlägen in den Winter wird es nehmung der Landwirtschaftsbetriebe: In den letzten wichtiger, den Wasserrückhalt in der Fläche zu sichern. Dazu 30 Jahren haben sowohl die Temperaturen und Hitzetage als gehört auch, Feuchtgebiete besser zu schützen. 8 auch die Frühjahrstrockenheit und erosive Starkregen zuge nommen. Auch die Landesverwaltung ist gefragt: Der bisherige 3 mittlere Anstieg erosiver Starkregenereignisse um 50 Bis Mitte dieses Jahrhunderts ist mit mehr Hitzetagen Prozent und die im Projekt überarbeiteten Stickstoffbilanzen (+ 4 bis 5 Tage) und höheren Mitteltemperaturen erfordern eine Neuausweisung von Risikogebieten für hohe (+ 0,7 °C im Sommer und + 1,3 °C im Winter) zu rechnen. Das Stoffeinträge in Gewässer für die Europäische Wasserrahmen Risiko von Bodenerosion nimmt weiter zu, um bis zu 40 Pro richtlinie. 9 zent. Die Neubildung des Grundwassers steigt im Winter um 10 Prozent und verringert sich tendenziell im Sommer. Die Kommunen sollten Kläranlagen ausbauen und 4 optimieren. So stammt zwar ein Drittel der Nährstoff Die aktuell großen klimatischen Schwankungen ver einträge in die Gewässer in Berlin-Brandenburg heute aus deutlichen: Die Landwirtschaft muss generell schneller der Landwirtschaft. Um etwa den guten chemischen Zustand und flexibler auf Klimaänderungen und Wetteranomalien der Havel bis 2027 zu erreichen, müssten die Frachten von reagieren. Dafür müssen auch regionale, datenbasierte Klima Stickstoff um ein Drittel und von Phosphor um 16 Prozent analysen stärker in der Praxis Anwendung finden. gesenkt werden. Mit landwirtschaftlichen Maßnahmen allein 5 ist dieses Ziel nicht zu erreichen. Klimaaussagen sind stets unsicher. Landwirtinnen und Landwirte können sich durch ein breites Sorten- und Artenspektrum und den Aufbau der Humusschicht in ihren Alle Ergebnisse des Projekts können als Broschüre herunter Böden besser gegen die Herausforderungen wappnen. Auch geladen werden. Diese enthält auch Hinweise zu weiterer die Umstellung auf Ökolandbau kann durch die höhere Boden Literatur p http://bit.ly/BAUM-Broschuere bedeckung und den verringerten Düngereinsatz die Risiken des Klimawandels abmildern. Bisher werden landesweit weniger als 10 Prozent der Äcker ökologisch bewirtschaftet, Projekt: Klimawandel und Wetteranomalien: Bewertung von mit deutlichen regionalen Unterschieden. Agrar-Umwelt-Maßnahmen (BAUM), Laufzeit 10/15-06/18, 6 Gefördert durch: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz Eine wirksame und für viele Betriebe attraktive Maß und Nukleare Sicherheit (BMU), Leitung: Dr. Andreas Gericke, nahme zum Schutz der Böden und der Verbesserung gericke@igb-berlin.de, Beteiligung: Abteilung 1, Programm- des Wasserhaushalts ist die konservierende Bodenbearbei bereich 3 Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 15
Die zunehmende Urbanisierung erfor dert neue Konzepte zur Sicherung der Ernährung, zum Beispiel städtische Landwirtschaft. Ein neues P rojekt evaluiert das Potenzial urbaner Aquaponik. p Seite 23 Regionen, die einen starken Rückgang an Fluginsekten verzeichnen, leiden zusätzlich unter hoher Lichtverschmutzung. In Städten p Seite 20 ist der Nutzungsdruck durch Freizeitaktivitäten besonders hoch. Zeitpunkte mit hoher Belastung entste hen meist nur an wenigen Tagen im Jahr, können die Gewässer aber stark und dauerhaft beeinträchtigen. p Seite 18 16 Jahresforschungsbericht 2018
Stadt, Land, Gewässer Ökosysteme mit Zukunft? Seen, Flüsse und Co. im urbanen und ländlichen Raum Ohne Gewässer wäre das Leben kaum denkbar, ob in der Stadt oder auf dem Land. Sie sind jedoch in Gefahr, zum Beispiel durch Mikroplastik oder Übernutzung – beides Themen, mit denen sich IGB-Forschende intensiv beschäftigen. Außerdem haben sie einen I ndex entwickelt, mit dem sich der Wert von Flusslandschaften bemessen lässt, und bringen in Erfahrung, wie sauber s tädtische Teiche sind – und wie sie von Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen werden. Ein neuer Index hilft, Leistungen von Flusslandschaften zu erfassen und die Auswirkungen von Bau- und Bewirtschaftungs Viele maßnahmen fachüber anthropogene greifend zu bewerten. organische Spurenstoffe werden nicht oder kaum p Seite 21 aus dem Abwasser entfernt und gelangen so in städtische Flüsse. p Seite 20 Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 17
Fo r s c h u n g | Stadt, Land, Gewässer „Einzäunen geht nicht“ Diverse Freizeitnutzungen an Gewässern wurden bisher kaum wissenschaftlich unter sucht. | Foto: Florian Möllers/AVN Gewässer spielen eine zentrale Rolle für die Gestaltung unserer Freizeitaktivitäten. Wie sich diese auf die Ökosysteme von Seen und Flüssen auswirken, wurde im Gewässermanagement bislang kaum und besten- falls durch Nutzungseinschränkungen berücksichtigt. Markus Venohr und Christian Wolter wollen das ändern – und verraten im Interview auch, was Nutzerinnen und Nutzer bevorzugen und am meisten stört, wenn sie am See Erholung suchen. Herr Venohr, Herr Wolter, Sie beschäftigen sich in Markus Venohr: … und dann gibt es noch die Padd Ihrem aktuellen Projekt AQUATAG mit der Frage, wie ler, oder Spazierende, die ihre Hunde ausführen, stark Gewässer unter der menschlichen Freizeitnut- oder Badende. Sie alle nutzen Seen und Flüsse auf zung leiden. Wie kam es dazu? jeweils unterschiedliche Weise. Insgesamt entsteht Christian Wolter: Anthropogene Einflüsse auf Ge vor allem in den Städten ein starker Nutzungsdruck wässer sind ein wichtiger Teil unserer Forschungs durch Freizeitaktivitäten auf Gewässer, über den arbeit. Wir hatten bislang allerdings vor allem die wir bisher zu wenig wissen. Welche Bedingungen kommerzielle Nutzung im Blick, also beispielsweise bestimmen, wie viele Leute zu welchen Zeiten an Beeinträchtigungen durch Schifffahrt oder den ein Gewässer gehen? Dazu gibt es kaum Daten, Eintrag von Nährstoffen aus der Landwirtschaft. und die vorhandenen, zum Beispiel ein Jahres Bei der Frage, wie sich Gewässer revitalisieren las durchschnitt von Badegästen, sind nicht geeig sen, geriet die Freizeitnutzung gewissermaßen von net, Nutzungspeaks zu lokalisieren. Peaks – also selbst in den Blick – schließlich werden Motorboote Zeitpunkte mit hoher Belastung – entstehen meist auch privat genutzt… nur an wenigen Tagen im Jahr, beeinträchtigen dann aber die Ökologie unter Umständen stark und dauerhaft. Was zeichnet solche Peaks aus, und warum werden „Peaks – also Zeitpunkte sie zur Belastung für die Gewässer? mit hoher Belastung – MV: Insbesondere Badegewässer werden an hei entstehen meist nur an ßen, sonnigen Tagen gerne genutzt, an Wochen wenigen Tagen im Jahr, enden und in den Ferien sind die Besucherzahlen beeinträchtigen dann deutlich höher als an Arbeitstagen. Ab welcher Belastung das für die Ökologie der Gewässer prob aber die Ökologie unter lematisch ist, wollen wir herausfinden. Umständen stark und CW: Uns interessiert in diesem Zusammenhang dauerhaft.“ auch die Frage, welche Rückkopplungen es zwi Foto: Andy Küchenmeister/IGB MARKUS VENOHR schen Nutzung und Belastung gibt. Wenn viele 18 Jahresforschungsbericht 2018
Stadt, Land, Gewässer | Fo r s c h u n g „Denkbar wäre auch, – da können wir wunderbar vergleichen. Außer dem untersuchen wir die im Berliner Stadtgebiet Gewässer, die bereits gelegenen Kaulsdorfer Seen, die im Sommer stark attraktiv für Besucher frequentiert werden, aber auch Seen in Branden sind, als „Opfergewässer“ burg, in denen vielleicht ein paar Dorfkinder baden. zu definieren und dort eine tolle Infrastruktur Ziel der Untersuchungen soll ja sein, Maßnahmen zu installieren – von der zum Gewässerschutz anzupassen. Haben Sie ein Beispiel für solche Anpassungen? Zufahrt über Parkplätze MV: Wichtig ist uns, Nutzerzufriedenheit und Foto: Andy Küchenmeister/IGB bis zu Toiletten. Dadurch ökologische Effekte gemeinsam einzubeziehen. Für lässt sich der Nutzungs einige Gewässer gibt es zum Beispiel eine maximal druck lenken, andere erlaubte Zahl von Paddelbooten. Die Festlegungen Gewässer in der Umge sind allerdings bisher nicht wissenschaftlich be Menschen den Badesee besu bung werden weniger gründet und bei den Nutzenden umstritten. Wenn chen und das Ökosystem leidet, wir jedoch zeigen können, dass die ökologische stark besucht.“ wirkt sich dies wiederum auch Belastung ab einer bestimmten Anzahl tatsächlich CHRISTIAN WOLTER auf die Nutzung aus? Befragun kritisch wird, kann dadurch die Akzeptanz solcher gen zeigten uns, dass moderat Begrenzungen steigen. geschädigte Ökosysteme – etwa CW: Denkbar wäre auch, Gewässer, die bereits ein „aufgeräumter“ Strand mit wenig Bewuchs und attraktiv für Besucher sind, als „Opfergewässer“ ohne Wasserpflanzen im Ufersaum – bevorzugt zu definieren und dort eine tolle Infrastruktur zu werden, dort ist die Nutzerzufriedenheit größer als installieren – von der Zufahrt über Parkplätze bis an sehr naturnahen Wasserstellen. zu Toiletten. Dadurch lässt sich der Nutzungsdruck lenken, andere Gewässer in der Umgebung werden Worauf legen Badegäste besonderen Wert? weniger stark besucht. Ein vollständiger Schutz MV: Wer schwimmen will, dem ist klares Wasser ist kaum realisierbar – einzäunen geht schließlich besonders wichtig; auch Müll wurde häufig als nicht. Aber unser Ziel sollte es schon sein, dass Störfaktor genannt. Interessanterweise sind aber natürliche Gewässerlandschaften sich nicht weiter auch andere Nutzerinnen und Nutzer uner zurückentwickeln, sondern sich erholen können. wünscht. Wenn es sehr voll an einer Badestelle ist, kann das schwerer wiegen als Müll oder andere In einer Stadt wie Berlin ist das sicher nur einge- Störfaktoren. Je nach Nutzertyp sind die Präfe schränkt möglich, was kann man dort tun? renzen allerdings unterschiedlich, zum Beispiel MV: In Berlin sind große Anteile der Gewässerufer kann eine gute Wasserqualität für Angler eine verbaut und weder begeh- noch erlebbar. Diese völlig andere Bedeutung haben; die mögen lieber moderat zu erschließen, bietet Potenziale sowohl trüberes, also nährstoffreiches Wasser, in dem für das bessere Erleben urbaner Gewässer als auch Fische gut gedeihen. Wer ein Boot fährt, mag es für den Arten- und Biotopschutz. wiederum, wenn wenige Wasserpflanzen wachsen. Die ökologische Belastung für Gewässer beginnt Das Gespräch führte Wiebke Peters. jedoch bereits, bevor Freizeitnutzende Veränderun gen wahrnehmen. Um solche Schwellenwerte geht Dr. Markus Venohr, venohr@igb-berlin.de es uns. Dr. Christian Wolter, wolter@igb-berlin.de Ab welchem Nutzungsdruck kommt es zu einer dau- Projekt: AQUATAG, Laufzeit: 03/17-12/17 und 03/19- erhaften Beeinträchtigung von Ökosystemen? 02/22, Gefördert durch: BMBF, Leitung: Dr. Markus CW: Für die kommerzielle Schifffahrt in Bundes Venohr, venohr@igb-berlin.de, Beteiligung: Abtei wasserstraßen haben wir einen solchen Wert lungen 1 und 4, Programmbereich 3 bereits bestimmen können. Wenn mehr als sechs bis acht Schiffe pro Tag passieren, werden im Venohr, M. et al. (2018). The underestimated Uferbereich lebende Jungfische beeinträchtigt. Wir dynamics and impacts of water-based recreational wollen weitere Belastungsschwellen identifizieren activities on freshwater ecosystems. Environmental und untersuchen dafür sowohl weniger als auch Reviews, 26(2), 199-213. doi:10.1139/er-2017-0024 intensiver genutzte Gewässer, auch um unterschei den zu können, welche Effekte aus der Freizeitnut zung resultieren und welche nicht. Zum Beispiel gibt es in der Spreewaldregion unterschiedlich genutzte Wasserläufe: Von komplett geschützten Gräben über wenig befahrene Nebenarme bis zu den Hauptrouten, die intensiv genutzt werden Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 19
Fo r s c h u n g | Stadt, Land, Gewässer Potenziell selbstreinigend: städtische Gewässer Lichtverschmutzung Viele anthropogene organische Spurenstoffe, etwa aus Arzneimit schadet Insekten teln, werden in Kläranlagen nicht oder kaum aus dem Abwasser entfernt und gelangen so in städtische Flüsse. Deshalb finden sich dort oft hohe Konzentratio nen solcher Stoffe – so auch in der Erpe, einem kleinen Fluss bei Berlin. Forschen de des IGB haben dort untersucht, ob urbane Fließgewässer über ein „Selbst reinigungspotenzial“ für Spurenstoffe verfügen, d.h. ob deren Konzentrationen Versuchsfeld im Naturpark Westhavelland | Foto: Maja Grubisic im Gewässer durch gewässerinterne Abbauprozesse reduziert werden. Die Forschenden konnten zeigen, dass da Heimische Insektengemeinschaften sind bei das Flussbett eine wichtige Rolle stark durch Klimawandel, Pestizide und spielt: Ein Teil des Wassers dringt in das Landnutzungswandel gefährdet. Forschende des IGB Sedimentbett (hyporheische Zone) ein, haben festgestellt, dass Regionen, die einen starken fließt darin weiter und kehrt erst dann Rückgang an Fluginsekten verzeichnen, zusätzlich wieder in den Fluss zurück. Entlang die unter hoher Lichtverschmutzung leiden. ser Fließpfade nimmt die Konzentration einiger anthropogener Spurenstoffe ab, Das Team um Maja Grubisic und Franz Hölker hat etwa des Antiepileptikums Gabapentin. Untersuchungsgebiete aus einer Langzeitstudie von Untersuchungen längerer Flussabschnit 2017 analysiert und konnte zeigen, dass diese Gebiete te haben gezeigt, dass ein intensiver hy eine überdurchschnittlich hohe Lichtverschmutzung porheischer Austausch die Spurenstoff aufweisen. Anschließend haben die Forschenden konzentrationen deutlich verringern Einzelstudien zu den Auswirkungen künstlichen kann. Begünstigt wird dieser Austausch Lichts in der Nacht auf Insekten ausgewertet und auch durch naturnahe oder revitalisierte festgestellt, dass vieles für einen ernstzunehmenden Flussläufe. Zusammenhang zwischen Lichtverschmutzung und Insektensterben spricht. Zum Beispiel werden Flugin- PD Dr. Jörg Lewandowski, lewe@igb-berlin.de sekten von künstlichen Lichtquellen an- und gleich- zeitig aus anderen Ökosystemen abgezogen. Die Tiere p www.uwi.tu-berlin.de sterben wegen Erschöpfung oder als leichte Beute. p www.bayceer.uni-bayreuth.de/hypotrain Zusätzlich bremsen Lichtbarrieren ihre Ausbreitung. Der dadurch fehlende genetische Austausch könnte Schaper, J. L. et al. (2018). The fate of polar die Widerstandsfähigkeit von Insektenpopulationen trace organic compounds in the hypor gegen andere schädliche Umwelteinflüsse mindern. heic zone. Water Research, 140, 158-166. doi:10.1016/j.watres.2018.04.040 Die Ergebnisse der Übersichtsstudie zeigen, dass Schaper, J. L. et al. (2018). Hyporheic ex künstliches Licht in der Nacht weit verbreitet ist und change controls fate of trace organic com vor allem in landwirtschaftlichen Gebieten komplexe pounds in an urban stream. Environmental Auswirkungen mit unbekannten Konsequenzen für Science and Technology, 52(21), 12285-12294. die Biodiversität haben kann. Lichtverschmutzung doi:10.1021/acs.est.8b03117 sollte deswegen in zukünftigen Studien generell als Posselt, M. et al. (2018). Determination of potenzieller Stressfaktor berücksichtigt werden. polar organic micropollutants in sur face and pore water by high-resolution Mehr erfahren sampling-direct injection-ultra high per p www.igb-berlin.de/news/insektensterben-durch-lichtverschmutzung formance liquid chromatography-tandem mass spectrometry. Environmental Science: Dr. Franz Hölker, hoelker@igb-berlin.de Process & Impacts, 20(12), 1716-1727. Dr. Maja Grubisic, grubisic@igb-berlin.de doi:10.1039/C8EM00390D Grubisic, M. et al. (2018). Insect declines and agroecosystems: does light pollution matter? Annals of Applied Biology, 173(2), 180-189. doi:10.1111/aab.12440 20 Jahresforschungsbericht 2018
Sie können auch lesen