Gewässerschutz durch weniger Arzneimittelrückstände

Die Seite wird erstellt Niels-Arne Volk
 
WEITER LESEN
Gewässerschutz durch weniger Arzneimittelrückstände
ORIGINALIE

Gewässerschutz durch weniger
Arzneimittelrückstände
Verbundprojekt MikroModell untersucht Ansätze zur Verminderung des Eintrags von Arzneimitteln
in Fließgewässer

M. Braeckevelt1, St. Beil1, L. Jaeckel2,
G. Röstel3, P. Krebs1

Zusammenfassung
Im Forschungsprojekt MikroModell
haben Wissenschaftler und Betreiber
von Abwassersystemen gemeinsam
Ansätze zur Verminderung der Belas-
tung von Fließgewässern durch Arznei-

                                                                                                                                          © unsplash/kazuend
mittel entwickelt. Pharmazeutische
Wirkstoffe, die verschrieben und einge-
nommen werden, finden sich nach der
Ausscheidung teilweise im Abwasser
                                               Das Forschungsprojekt MikroModell untersucht Abwasser und Gewässer auf Mikroschadstoffe.
und schließlich im Gewässer wieder, wo
sie zu einer Gefährdung des Gewässer­          aus der Landwirtschaft belasten die               achtungsliste von Stoffen für eine uni-
ökosystems führen können. Vorge­      -        Gewässer durch Schadstoffeinträge                 onsweite Überwachung“ auf europäi-
stellt werden hier Ergebnisse und Er­­         und wirken sich negativ auf die betrof-           scher Ebene (EU 2015/495 beziehungs-
kenntnisse aus Messkampagnen und               fenen Ökosysteme aus. Dabei sind in               weise 2018/840) werden verstärkt
Stoffflussmodellierung sowie Untersu-          den letzten Jahren vermehrt Mikro-                Arzneimittel adressiert, die bisher kei-
chungen zu den rechtlichen Rahmen-             schadstoffe in den Fokus geraten. Cha-            ner gesetzlichen Regulierung bezüglich
bedingungen und zu Instrumenten zur            rakteristisch für Mikroschadstoffe sind           des Gewässerschutzes unterliegen. Da
Fortbildung von Akteuren des Gesund-           ihre Toxizität bei meist niedrigen Kon-           in naher Zukunft eine stärkere Regulie-
heitswesens und zur Sensibilisierung           zentrationen im Gewässer sowie ihre               rung dieser Stoffe zu erwarten ist,
der Öffentlichkeit. Neben technologi-          teilweise schlechte Elimination durch             müssen die entsprechenden Stoffein-
schen Maßnahmen und der Entwick-               die konventionelle Abwasserbehand-                träge in die Gewässer bewertet und
lung umweltverträglicher Arzneimittel          lung. Zu den prioritären Mikroschad-              Strategien zu deren Verminderung ent-
wurde die Mitwirkung der Ärzteschaft           stoffen gehören neben Pestiziden,                 wickelt werden. Maßnahmen an der
als zentrales Element einer nachhalti-         Industrie- und Haushaltschemikalien               Quelle – wie zum Beispiel Reduzierung
gen Strategie zur Verminderung des             vor allem Humanarzneimittel. Medika-              der Verschreibung, Verbesserung der
Eintrags von Arzneimitteln in die              mente, welche von Menschen einge-                 Abbaubarkeit und Vermeidung des Ein-
Gewässer identifiziert.                        nommen und teilweise metabolisiert                trags – kommt dabei gemäß dem Ver-
                                               ausgeschieden oder aber unsachge-                 ursacherprinzip eine besondere Bedeu-
Einleitung                                     mäß über die Sanitäranlagen entsorgt              tung zu. Gleichermaßen sind soge-
Schmutzwasser und Regenwasser aus              werden, erreichen über die Kanalisation           nannte end-of-pipe-Maßnahmen, dar-
Siedlungen sowie Abschwemmungen                die Kläranlage. Hier werden sie oft nur           unter die vierte Reinigungsstufe, in die
                                               unzureichend eliminiert und gelangen              Diskussion und Bewertung effektiver
1
    Technische Universität Dresden             mit dem gereinigten Abwasser in das               Emissionsminderungsmöglichkeiten
2
    Technische Universität Bergakademie        Gewässerökosystem, wo sie unter                   einzubeziehen.
    Freiberg, HHL Leipzig Graduate School of   Umständen toxische oder hormonähn-                Im nun abgeschlossenen Verbundpro-
    Management                                 liche Wirkungen auf Gewässerorganis-              jekt MikroModell wurde der Frage nach
3
    Stadtentwässerung Dresden GmbH             men entfalten können. Mit der „Beob-              Strategien zur effizienten Verminde-

Ärzteblatt Sachsen 1|2021                                                                                                                                      25
Gewässerschutz durch weniger Arzneimittelrückstände
ORIGINALIE

     Tab. 1: Übersicht der Eliminationswerte der 3. und 4. Monitoring-Kampagne. Grün: gute Elimination (> 80 Prozent);
     orange: mittlere Elimination (40 bis 80 Prozent); rot: schlechte Elimination (< 40 Prozent)

      Verbindung                Elimination
                                Kläranlage 1                       Kläranlage 2                         Kläranlage 3
                                Sommer           Winter            Sommer            Winter             Sommer              Winter
      Paracetamol               > 99,5 %         > 99,3 %          > 99,5 %          > 99,3 %           > 99,5 %            > 99,3 %
      Metformin                 > 99,1 %         99,0 %            > 99,1 %          96,3 %             > 99,1 %            94,4 %
      Ciprofloxacin             81,8 %           88,7 %            84,5 %            89,6 %             74,6 %              64,8 %
      Gabapentin                90,0 %           83,9 %            89,3 %            6,8 %              85,3 %              25,1 %
      Sulfamethoxazol           56,1 %           71,5 %            19,6 %            24,7 %             -14,8 %             66,1 %
      Iomeprol                  90,2 %           65,3 %            93,7 %            44,0 %             34,1 %              1,6 %
      Metoprolol                71,8 %           19,7 %            42; ,6 %          -6,5 %             32,1 %              -5,6 %
      Ibuprofen                 > 99,8 %         99,2 %            > 99,8 %          85,0 %             > 99,8 %            96,2 %
      Naproxen                  90,9 %           75,6 %            84,1 %            15,7 %             84,9 %              48,4 %
      Bezafibrat                89,6 %           34,7 %            77,8 %            0,1 %              91,9 %              31,6 %
      Carbamazepin              -9,4 %           -12,6 %           -3,8 %            -19,2 %            -1,9 %              -36,9 %
      Diclofenac                19,2 %           1,0 %             22,4 %            -5,9 %             9,0 %               -3,0 %
      Erythromycin              5,9 %            -25,7 %           35,5 %            -1,8 %             25,3 %              7,9 %
      Clarithromycin            19,5 %           -35,7 %           50,4 %            -6,5 %             31,8 %              -18,4 %

 rung von Mikroschadstoffeinträgen am             krine Potenziale und Zytotoxizität) in        untersuchten Kläranlagen und zwi-
 Beispiel dreier sächsischer Einzugsge-           den Kläranlagen-Zu- und -Abläufen und         schen den Sommer- und Winterkam-
 biete und ihrer Kläranlagen (Dresden,            im Fließgewässer stromaufwärts und            pagnen deutlich wurden. Bei der Re­­
 774.000 Einwohnergleichwerte [EWG];              stromabwärts der Kläranlageneinlei-           duktion östrogener Potenziale wurden
 Chemnitz, 278.000 EWG und Plauen,                tungen durchgeführt.                          zwischen den Kläranlagen deutliche
 110.000 EWG) nachgegangen. Basis der             In Tabelle 1 ist die Reduktionsleistung       Unterschiede festgestellt, androgene
 aktuellen Beurteilung sind umfangrei-            der drei Kläranlagen bezüglich ausge-         Potenziale wurden in allen drei Kläran-
 che Messkampagnen sowie die Ana-                 wählter Arzneimittel aufgeführt. Es           lagen relativ weitgehend reduziert.
 lyse vorhandener Daten der drei Fließ-           wurde deutlich, dass die Eliminierbar-        Dioxin-ähnliche und zum Teil auch anti-
 gewässer Elbe, Chemnitz und Weiße                keit verschiedener Arzneistoffe in kon-       östrogene Potenziale wurden vorwie-
 Elster. Insgesamt wurden 53 potenziell           ventionellen Kläranlagen sehr unter-          gend in den Kläranlagen-Abläufen
 relevante Mikroschadstoffe in die                schiedlich ausfällt: Einige Stoffe wer-       nachgewiesen, das heißt im Reini-
 Untersuchungen mit einbezogen. Die-              den fast vollständig eliminiert, wäh-         gungsprozess werden diese Potenziale
 ser Artikel konzentriert sich jedoch auf         rend andere kaum entfernt werden.             erst gebildet. Zwischen der Elimination
 Humanarzneimittel.                               Negative Eliminationsraten können             von Mikroschadstoffen und der ökoto-
                                                  dadurch zustande kommen, dass zuvor           xikologischen Wirkung besteht dem-
 Wissenschaftliche Untersuchungen                 gebildete Metabolite in der Kläranlage        nach keinesfalls ein linearer Zusam-
 Messkampagnen zu Stoffkonzen­                    in die Ursprungssubstanz zurücktrans-         menhang, da Transformationsprodukte
 trationen und Ökotoxikologie                     formiert werden.                              oder nicht detektierte andere Mikro-
 In vier 21-tägigen Monitoringkampag-             Im Rahmen der ökotoxikologischen              schadstoffe zu der festgestellten Wir-
 nen an den drei Standorten wurde                 Untersuchungen wurden endokrine               kung beitragen können.
 durch tägliche Probenahmen eine hohe             Potenziale und Zytotoxizität in Zu- und
 zeitliche Auflösung der Messwerte                Ablaufproben aller drei Kläranlagen           Zusätzliche Verfahrensstufe in der
 erreicht. Zu diesem Zweck wurden che-            nachgewiesen, wobei Unterschiede in           Kläranlage – 4. Reinigungsstufe
 mische Spurenstoff-Analysen und öko-             der Reduktion endokriner und zyto­            Als 4. Reinigungsstufe wird ein weiterer
 toxikologische Untersuchungen (endo-             toxischer Potenziale zwischen den drei        Behandlungsschritt zusätzlich zur kon-

26                                                                                                                       Ärzteblatt Sachsen 1|2021
Gewässerschutz durch weniger Arzneimittelrückstände
ORIGINALIE

ventionellen Abwasserreinigung be­­         ten dabei teilweise die vorgeschlage-        Reduktionsmaßnahmen
zeichnet, der die Konzentrationen von       nen Umweltqualitätsnormen. Die ge­­          an der Quelle
Mikroschadstoffen deutlich senken soll.     meinsame Betrachtung beider Stoffe           Einleitungen aus Industrie und
Die hierfür in Frage kommenden und          ermöglicht es, die Substitution von          Gesundheitseinrichtungen
teilweise bereits umgesetzten Techno-       Wirkstoffen als Maßnahme an der              Für die Bewertung der Wirksamkeit
logien sind Sorption an Aktivkohle und      Quelle zu bewerten. Es konnte gezeigt        von Maßnahmen an der produktions-
Ozonierung. Im Projekt wurde die Eli-       werden, dass die Anwendung des Säch-         bedingten Quelle ist die Untersuchung
mination von Mikroschadstoffen durch        sischen Stoffflussmodells die Bewirt-        des Einflusses von sogenannten Indi-
Ozonierung + biologische Sandfiltration     schaftungsplanung effizient unterstüt-       rekteinleitern (Einleitung un- oder vor-
sowie pulverisierte Aktivkohle (PAK) +      zen kann.                                    gereinigten Abwassers in die Kanalisa-
Filtration in Laborversuchen ermittelt.                                                  tion) notwendig. Ob eine getrennte
Der Vergleich der beiden Verfahren          Die Wirkung von Maßnahmen wurde              Erfassung und Behandlung von Abwäs-
zeigt für die Behandlung mit PAK eine       sowohl im Hinblick auf die Frachtre-         sern bei Indirekteinleitern der pharma-
gleich gute oder bessere Eliminations-      duktion als auch auf die Länge der           zeutischen Industrie notwendig ist,
leistung hinsichtlich aller betrachteter    Wasserkörper mit Qualitätsverbesse-          muss im Einzelfall ermittelt werden.
Analyten. Dabei wurden Carbamazepin,        rung beurteilt. In allen drei Gebieten ist   Hierzu können vorliegende Daten, Be­­
Diclofenac, Clarithromycin und Erythro-     die Substitution von Carbamazepin            triebsunterlagen der Unternehmen zu
mycin durch beide Verfahren zu 90           durch Gabapentin die wirksamste Maß­         produzierten Stoffen und gegebenen-
bis 100 Prozent aus dem Kläranlagen-        nahme, wenn man Frachtreduktion und          falls Messungen beim Indirekteinleiter
Ablauf entfernt. Für andere Wirkstoffe      Zustandsbewertung der Fließgewässer          dienen. Neben Anlagen der pharma-
ist die Eliminationsrate geringer, etwa     zusammenfasst. Diese Variante führte         zeutischen Industrie gelten Einrichtun-
für Ciprofloxazin (70 Prozent beide),       dabei nicht zu einer Verschlechterung        gen des Gesundheitswesens als Quelle
Bezafibrat (PAK 95 Prozent, O3 60 Pro-      des Gewässerzustands durch gestie-           für Arzneimittelrückstände im Abwas-
zent), Gabapentin (PAK 88 Prozent, O3       gene Gabapentinkonzentrationen. Im           ser. Die Untersuchung der Emissionen
45 Prozent) und Iomeprol (PAK 98 Pro-       Gegensatz dazu bewirkt eine separate         entsprechender Einrichtungen war
zent, O3 32 Prozent). Die Behandlung        Behandlung von Krankenhausabwäs-             Gegenstand des Projektes „Sauber+“
mit PAK stellt damit für alle untersuch-    sern kaum Belastungsminderung, da            [2]. Ein wesentliches Ergebnis war,
ten Arzneimittelwirkstoffe eine effizi-     Krankenhäuser nur etwa drei Prozent          dass der überwiegende Teil der Medi-
ente Methode zur Reduktion der Ge­­         des verabreichten Carbamazepin aus-          kamentenrückstände im kommunalen
wässerbelastung dar. In einer groß          gaben. Für vorwiegend stationär ver-         Abwasser nicht auf Einrichtungen des
angelegten Pilotstudie zum Vergleich        schriebene Antibiotika kann dies dage-       Gesundheitswesens zurückzuführen
von PAK-Adsorption und Ozonung zur          gen eine sehr wirkungsvolle Maß-             ist, sondern auf die Haushalte. Auf-
Spurenstoffentfernung kommen Mar-           nahme sein. Der Ausbau von Kläranla-         grund dessen stellt die separate Be­­
got et al. (2013) [1] zu ähnlichen Ergeb-   gen mit Verfahren der 4. Reinigungs-         handlung von Abwässern aus Gesund-
nissen: Beide Technologien sind effizi-     stufe kann nach verschiedenen Priori-        heitseinrichtungen gegenwärtig keine
ent, wobei manche Substanzen durch          sierungsstrategien (Frachtreduzierung        Vorzugslösung dar. Eine Stoffstrom-
Ozon besser entfernt wurden, jedoch         oder Wasserqualitätsverbesserung) er­­       trennung (zum Beispiel temporärer Ein-
PAK ein breiteres Spektrum von Schad-       folgen. Der vorrangige Ausbau großer         satz von Urinbeuteln) ist jedoch beim
stoffen wirksam reduzierte und außer-       Anlagen erreichte in der Simulation in       Einsatz von Arzneimitteln mit einem
dem nicht zur Bildung problematischer       allen drei sächsischen Untersuchungs-        bekannten Gefährdungspotenzial und/
Oxidationsprodukte führt.                   gebieten eine substanzielle Frachtre-        oder hoher Persistenz (iodierte Rönt-
                                            duzierung am Gebietsauslass. Bei der         genkontrastmittel wie Iomeprol, Reser-
Sächsisches Stoffflussmodell                Zielstellung der Verbesserung stark          veantibiotika) ratsam und wird auch
Das im Rahmen von MikroModell ent-          belasteter Wasserkörper ist die Priori-      teilweise schon praktiziert.
wickelte Stoffflussmodell wurde bei-        sierung nach Wasserqualität unter-
spielhaft für die Antiepileptika Carba-     strom der Kläranlagen am wirksams-           Rechtliche Handlungsoptionen –
mazepin und Gabapentin implemen-            ten. Häufig müssten dabei kleinere           Empfehlungen
tiert. Beide Stoffe wurden an einem         Kläranlagen am Oberlauf der Gewässer         Um den Eintrag von Mikroschadstoffen
hohen Anteil der sächsischen Gewäs-         ertüchtigt werden, was technisch eine        aus Humanarzneimitteln mittel- und
sermessstellen erfasst und überschrei-      Herausforderung darstellt.                   langfristig zu vermindern, wurden im

Ärzteblatt Sachsen 1|2021                                                                                                           27
ORIGINALIE

  Rahmen von MikroModell Empfehlun-
  gen zum Wasser- und Humanarznei-
  mittelrecht herausgearbeitet:
  Die EU-Kommission sollte aufgrund der
  Ergebnisse der Beobachtungsliste nach
  Art. 8b RL 2008/105/EG weitere Priori-
  sierungsverfahren zur Aufnahme von
  pharmazeutischen Wirkstoffen in die
  Liste der prioritären Stoffe (2008/105/
  EG und 2013/39/EU) prüfen und durch-
  führen. Hier sind insbesondere zytoto-
  xische Stoffe, Röntgenkontrastmittel
  sowie Antibiotikaresistenzen zu nennen.
  Die Bundesregierung sollte die Liste der
  flussgebietsspezifischen Schadstoffe
  fortlaufend überprüfen und fortschrei-
  ben. Die EU-Kommission sollte gemäß
  Art. 16 Abs. 1 und 6 Wasserrahmen-
  richtlinie Vorschläge für ein Phasing-
  out von prioritär gefährlichen Stoffen
  prüfen und diese umsetzen. Zudem
  sollte sie gemeinsam mit den Mit-
  gliedsstaaten bei Nichterreichung der
  für die prioritären Stoffe geltenden
  Umweltqualitätsnormen konsequent
  nach Art. 7a RL 208/105/EG vorgehen
  und Maßnahmen nach dem jeweils ein-
  schlägigen Stoffrecht prüfen. Der Vor-
                                             Abb. 1: Screenshot der MikroModell-Homepage www.mikro-modell.de
  schlag der Kommission zur Neujustie-
  rung verschiedener Chemikalienwerte
  anhand der WHO-Empfehlungen sollte         der Umweltauswirkungen stattfinden.              Medikation und entsprechende Wech-
  durch Änderung der Richtlinie über die     Durch Anpassung des europäischen                 selwirkungen sowie die Umweltrele-
  Qualität von Wasser für den menschli-      und deutschen Rechts sollte der Erlass           vanz von Arzneiwirkstoffen gestärkt
  chen Gebrauch 98/83/EG umgesetzt           von Auflagen im Rahmen des Zulas-                werden. Hierfür sollten Einrichtungen
  werden (COM[2017] 753 final vom            sungsprozesses ermöglicht werden,                wie die des Stationsapothekers oder
 1. Februar 2018).                           sodass eine Verschreibungspflicht oder           auch pharmazeutische Beratungsstel-
  Um schrittweise Erkenntnislücken zu        die Vorgabe von Packungsgrößen aus               len für Ärzte verstärkt umgesetzt wer-
  Umweltrisiken von Arzneiwirkstoffen        Gründen des Umweltschutzes möglich               den. Die europäischen und deutschen
  zu schließen, muss unbedingt die Um­­      sind. Die Ausbildung der Ärzte und               Regelungen zu Fachinformationen und
  weltrisikobewertung gestärkt werden.       Apotheker sollte dahingehend geändert            Packungsbeilagen sollten Hinweise zur
  Die sich im Entwurf zur Revision der       werden, dass der Pharmakologie und               Umweltrelevanz der Wirkstoffe und zur
 „Guideline on the environmental risk        der Umweltrelevanz von Arzneimitteln             ordnungsgemäßen Entsorgung ver-
  assessment of medicinal products for       mehr Gewicht beigemessen werden,                 pflichtend machen.
  human use“ der Europäischen Arznei-        um diese zu befähigen, umweltfreund-
  mittelagentur abzeichnende Tendenz,        liche Alternativwirkstoffe unter Be­­            Weiterbildung und
  Generika nicht (mehr) von der Umwelt-      rücksichtigung der individuellen Pati-           Öffentlichkeitsarbeit
  risikobewertung auszunehmen, stellt        entenbedürfnisse zu verschreiben. Da­­           Neben Forschung und Entwicklung und
  dabei einen erfolgversprechenden An­­      rüber hinaus sollte die Zusammenar-              der Schaffung der rechtlichen und poli-
  satz dar. Auch nach der Zulassung          beit von Ärzten und Apothekern mit               tischen Rahmenbedingungen kann eine
  sollte ein systematisches Monitoring       Blick auf den Umfang der notwendigen             faktenbasierte Information, Sensibili-

28                                                                                                                Ärzteblatt Sachsen 1|2021
ORIGINALIE

sierung und Aktivierung sowie Aus-          toxischer Medika-
und Fortbildung der zentralen Akteure       mente durch Phar­
und der Bevölkerung entscheidend zur        ma-Unternehmen
Verringerung von Arzneimitteleinträgen      (Green Pharmacy,

                                                                                                                                            © Stadtentwässerung Dresden
in aquatische Ökosysteme beitragen.         benign by design)
                                            ist eine weit ver-
 Daher wurden im Rahmen von Mikro-          breitete Forderung
 Modell vielfältige Instrumente zur         in der Gesellschaft.
­Sensibilisierung (Flyer, Plakate, Home-    Schon in der Medi-
 page: www.mikro-modell.de/, Image-         kamentenentwick- Abb. 2: Toilettenwagen der Stadtentwässerung Dresden zur Kampagne
 Film: https://youtu.be/UGzMofM0wgE)        lung soll­­te eine bio- „Kein Müll ins Klo”
 (Abb. 1) und Aktivierung zur Verhal-       logische Abbaubar-
 tensänderung innerhalb der Bevölke-        keit der Substanzen einen hohen Stel- schaft sowie der Gelsenwasser AG für
 rung entwickelt (Kampagne „Kein Müll       lenwert einnehmen, ohne eine Ver- die Förderung des Projekts MikroMo-
 ins Klo“ der Stadtentwässerung Dresden:    schlechterung der medizinischen Wirk- dell im Zeitraum von Oktober 2015 bis
 http://kein-muell-ins-klo.de/medika-       samkeit in Kauf zu nehmen. Im Rah­men Dezember 2019. An dem interdiszipli-
 mente) (Abb. 2). Darüber hinaus ist        der frühen Nutzenbewertung von Arz- nären Projektkonsortium waren neben
 das um­­­weltbewusste Handeln des          neimitteln sollte die Umweltfreundlich- den Betreibern der Abwassersysteme
 Gesundheitssektors von großer Bedeu-       keit als positiver Zusatznutzen einge- und -anlagen in Dresden, Chemnitz und
 tung. Im Rahmen von MikroModell            führt und die Entwicklung umwelt- Plauen, welche mit erheblicher Eigen-
 wurden Kommunikations- und zertifi-        freundlicher Arzneimittel gezielt geför- leistung zum Projekterfolg beitrugen,
zierte Fort­bildungsveranstaltungen für     dert werden. Die Ärzteschaft kann Wissenschaftler aus der Siedlungswas-
Ärzte und Apotheker durchgeführt. Bei       durch die Anpassung ihrer Verschrei- serwirtschaft, Hydrobiologie, Ökotoxi-
 einer Dialogveranstaltung für Ärzte,       bungspraxis unter Einbeziehung der kologie, Wasserchemie, Umweltökono-
Apotheker, Personal von Pflegeeinrich-      Umweltverträglichkeit und den direk- mie und Pharmakologie an der Techni-
 tungen und Krankenhäusern, Wissen-         ten Kontakt zu Patienten deren Kon- schen Universität Dresden sowie des
 schaftler und Vertreter des Pharmabe-      sum und Verhalten präventiv beein- Wirtschafts- und Regulierungsrechts
 reiches unter dem Motto „Medizin trifft    flussen. Stationsapotheker und Kon- an der Technischen Universität Berg-
 Kläranlage“ wurde ein Verständnis für      zepte für das Medikationsmanagement akademie Freiberg beteiligt. Nament-
 den nachhaltigen Einsatz und die           in Krankenhäusern wie Unit-Dose kön- lich danken möchten die Autoren (in
 sichere Entsorgung von Arzneimitteln       nen durch die Optimierung der Medika- alphabetischer Reihenfolge): M. Ahnert,
 vermittelt. Ein wichtiger Partner bei      menten-Verschreibung auch zu einer M. Arndt, M. Barth, H. Börnick, M. Car-
 allen Veranstaltungen war das Univer-      verringerten Belastung der Ab­­wässer valho Silva, A. El-Armouche, J. Fauler, S.
 sitätsklinikum Carl Gustav Carus sowie     beitragen. Apotheker können das Ver- Fischer, G. Fritsche, E. Günther, B. Helm,
 das Institut für klinische Pharmakologie   halten von Patienten durch Aufklärung D. Jungmann, C. Koch, T. Krannich, N.
 der Technischen Universität Dresden.       sowohl bezüglich des sinnvollen Kon- Lucke, C. Matthies, L. Minor, S. Oster-
                                            sums von Medikamenten als auch der mann, A. Rödel, J. Rosolowski, J. Ross-
Handlungsoptionen                           sachgemäßen Entsorgung beeinflus- mann, T. Schalk, H. Scharch, S. Schubert,
im Gesundheitswesen                         sen. Die patientenindividuelle Verblis- J. Seegert, C. Seifert, A.-K. Sundheim, G.
Ein nachhaltiger Umgang mit Mikro-          terung und das Medikationsmanage- Teran Velasquez und S. Zihang. 
 schadstoffen lässt sich nur als gesamt-    ment können dazu beitragen, unnötige
 gesellschaftliche Herausforderung be­­     Medikation zu reduzieren sowie die
 wältigen. Zur Vermeidung, Verminde-        Compliance-Rate von und die Therapie-       Literatur unter www.slaek.de ➝ Presse/ÖA ➝
 rung und Substitution des Eintrages        Sicherheit für Patienten zu verbessern.                                       Ärzteblatt
von Arzneimittelrückständen direkt an
                                                                                                              Korrespondierender Autor
 der Quelle können die Pharmaindustrie,     Danksagung                                                              Prof. Dr. Peter Krebs
Ärzte und Apotheken wie auch die Pa­­       Besonderer Dank gilt der Deutschen                               Institut für Siedlungs- und
                                                                                                             Industriewasserwirtschaft
 tienten entscheidend beitragen. Die        Bundestiftung Umwelt, dem Sächsi-
                                                                                                       Technische Universität Dresden
­Entwicklung umweltfreundlicherer, das      sches Staatsministerium für Energie,                        Bergstraße 66, 01069 Dresden
 heißt leichter abbaubarer, weniger öko-    Klimaschutz, Umwelt und Landwirt-                       E-Mail: peter.krebs@tu-dresden.de

Ärzteblatt Sachsen 1|2021                                                                                                                       29
Sie können auch lesen