Gewässerschutz durch weniger Arzneimittelrückstände
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ORIGINALIE Gewässerschutz durch weniger Arzneimittelrückstände Verbundprojekt MikroModell untersucht Ansätze zur Verminderung des Eintrags von Arzneimitteln in Fließgewässer M. Braeckevelt1, St. Beil1, L. Jaeckel2, G. Röstel3, P. Krebs1 Zusammenfassung Im Forschungsprojekt MikroModell haben Wissenschaftler und Betreiber von Abwassersystemen gemeinsam Ansätze zur Verminderung der Belas- tung von Fließgewässern durch Arznei- © unsplash/kazuend mittel entwickelt. Pharmazeutische Wirkstoffe, die verschrieben und einge- nommen werden, finden sich nach der Ausscheidung teilweise im Abwasser Das Forschungsprojekt MikroModell untersucht Abwasser und Gewässer auf Mikroschadstoffe. und schließlich im Gewässer wieder, wo sie zu einer Gefährdung des Gewässer aus der Landwirtschaft belasten die achtungsliste von Stoffen für eine uni- ökosystems führen können. Vorge - Gewässer durch Schadstoffeinträge onsweite Überwachung“ auf europäi- stellt werden hier Ergebnisse und Er und wirken sich negativ auf die betrof- scher Ebene (EU 2015/495 beziehungs- kenntnisse aus Messkampagnen und fenen Ökosysteme aus. Dabei sind in weise 2018/840) werden verstärkt Stoffflussmodellierung sowie Untersu- den letzten Jahren vermehrt Mikro- Arzneimittel adressiert, die bisher kei- chungen zu den rechtlichen Rahmen- schadstoffe in den Fokus geraten. Cha- ner gesetzlichen Regulierung bezüglich bedingungen und zu Instrumenten zur rakteristisch für Mikroschadstoffe sind des Gewässerschutzes unterliegen. Da Fortbildung von Akteuren des Gesund- ihre Toxizität bei meist niedrigen Kon- in naher Zukunft eine stärkere Regulie- heitswesens und zur Sensibilisierung zentrationen im Gewässer sowie ihre rung dieser Stoffe zu erwarten ist, der Öffentlichkeit. Neben technologi- teilweise schlechte Elimination durch müssen die entsprechenden Stoffein- schen Maßnahmen und der Entwick- die konventionelle Abwasserbehand- träge in die Gewässer bewertet und lung umweltverträglicher Arzneimittel lung. Zu den prioritären Mikroschad- Strategien zu deren Verminderung ent- wurde die Mitwirkung der Ärzteschaft stoffen gehören neben Pestiziden, wickelt werden. Maßnahmen an der als zentrales Element einer nachhalti- Industrie- und Haushaltschemikalien Quelle – wie zum Beispiel Reduzierung gen Strategie zur Verminderung des vor allem Humanarzneimittel. Medika- der Verschreibung, Verbesserung der Eintrags von Arzneimitteln in die mente, welche von Menschen einge- Abbaubarkeit und Vermeidung des Ein- Gewässer identifiziert. nommen und teilweise metabolisiert trags – kommt dabei gemäß dem Ver- ausgeschieden oder aber unsachge- ursacherprinzip eine besondere Bedeu- Einleitung mäß über die Sanitäranlagen entsorgt tung zu. Gleichermaßen sind soge- Schmutzwasser und Regenwasser aus werden, erreichen über die Kanalisation nannte end-of-pipe-Maßnahmen, dar- Siedlungen sowie Abschwemmungen die Kläranlage. Hier werden sie oft nur unter die vierte Reinigungsstufe, in die unzureichend eliminiert und gelangen Diskussion und Bewertung effektiver 1 Technische Universität Dresden mit dem gereinigten Abwasser in das Emissionsminderungsmöglichkeiten 2 Technische Universität Bergakademie Gewässerökosystem, wo sie unter einzubeziehen. Freiberg, HHL Leipzig Graduate School of Umständen toxische oder hormonähn- Im nun abgeschlossenen Verbundpro- Management liche Wirkungen auf Gewässerorganis- jekt MikroModell wurde der Frage nach 3 Stadtentwässerung Dresden GmbH men entfalten können. Mit der „Beob- Strategien zur effizienten Verminde- Ärzteblatt Sachsen 1|2021 25
ORIGINALIE Tab. 1: Übersicht der Eliminationswerte der 3. und 4. Monitoring-Kampagne. Grün: gute Elimination (> 80 Prozent); orange: mittlere Elimination (40 bis 80 Prozent); rot: schlechte Elimination (< 40 Prozent) Verbindung Elimination Kläranlage 1 Kläranlage 2 Kläranlage 3 Sommer Winter Sommer Winter Sommer Winter Paracetamol > 99,5 % > 99,3 % > 99,5 % > 99,3 % > 99,5 % > 99,3 % Metformin > 99,1 % 99,0 % > 99,1 % 96,3 % > 99,1 % 94,4 % Ciprofloxacin 81,8 % 88,7 % 84,5 % 89,6 % 74,6 % 64,8 % Gabapentin 90,0 % 83,9 % 89,3 % 6,8 % 85,3 % 25,1 % Sulfamethoxazol 56,1 % 71,5 % 19,6 % 24,7 % -14,8 % 66,1 % Iomeprol 90,2 % 65,3 % 93,7 % 44,0 % 34,1 % 1,6 % Metoprolol 71,8 % 19,7 % 42; ,6 % -6,5 % 32,1 % -5,6 % Ibuprofen > 99,8 % 99,2 % > 99,8 % 85,0 % > 99,8 % 96,2 % Naproxen 90,9 % 75,6 % 84,1 % 15,7 % 84,9 % 48,4 % Bezafibrat 89,6 % 34,7 % 77,8 % 0,1 % 91,9 % 31,6 % Carbamazepin -9,4 % -12,6 % -3,8 % -19,2 % -1,9 % -36,9 % Diclofenac 19,2 % 1,0 % 22,4 % -5,9 % 9,0 % -3,0 % Erythromycin 5,9 % -25,7 % 35,5 % -1,8 % 25,3 % 7,9 % Clarithromycin 19,5 % -35,7 % 50,4 % -6,5 % 31,8 % -18,4 % rung von Mikroschadstoffeinträgen am krine Potenziale und Zytotoxizität) in untersuchten Kläranlagen und zwi- Beispiel dreier sächsischer Einzugsge- den Kläranlagen-Zu- und -Abläufen und schen den Sommer- und Winterkam- biete und ihrer Kläranlagen (Dresden, im Fließgewässer stromaufwärts und pagnen deutlich wurden. Bei der Re 774.000 Einwohnergleichwerte [EWG]; stromabwärts der Kläranlageneinlei- duktion östrogener Potenziale wurden Chemnitz, 278.000 EWG und Plauen, tungen durchgeführt. zwischen den Kläranlagen deutliche 110.000 EWG) nachgegangen. Basis der In Tabelle 1 ist die Reduktionsleistung Unterschiede festgestellt, androgene aktuellen Beurteilung sind umfangrei- der drei Kläranlagen bezüglich ausge- Potenziale wurden in allen drei Kläran- che Messkampagnen sowie die Ana- wählter Arzneimittel aufgeführt. Es lagen relativ weitgehend reduziert. lyse vorhandener Daten der drei Fließ- wurde deutlich, dass die Eliminierbar- Dioxin-ähnliche und zum Teil auch anti- gewässer Elbe, Chemnitz und Weiße keit verschiedener Arzneistoffe in kon- östrogene Potenziale wurden vorwie- Elster. Insgesamt wurden 53 potenziell ventionellen Kläranlagen sehr unter- gend in den Kläranlagen-Abläufen relevante Mikroschadstoffe in die schiedlich ausfällt: Einige Stoffe wer- nachgewiesen, das heißt im Reini- Untersuchungen mit einbezogen. Die- den fast vollständig eliminiert, wäh- gungsprozess werden diese Potenziale ser Artikel konzentriert sich jedoch auf rend andere kaum entfernt werden. erst gebildet. Zwischen der Elimination Humanarzneimittel. Negative Eliminationsraten können von Mikroschadstoffen und der ökoto- dadurch zustande kommen, dass zuvor xikologischen Wirkung besteht dem- Wissenschaftliche Untersuchungen gebildete Metabolite in der Kläranlage nach keinesfalls ein linearer Zusam- Messkampagnen zu Stoffkonzen in die Ursprungssubstanz zurücktrans- menhang, da Transformationsprodukte trationen und Ökotoxikologie formiert werden. oder nicht detektierte andere Mikro- In vier 21-tägigen Monitoringkampag- Im Rahmen der ökotoxikologischen schadstoffe zu der festgestellten Wir- nen an den drei Standorten wurde Untersuchungen wurden endokrine kung beitragen können. durch tägliche Probenahmen eine hohe Potenziale und Zytotoxizität in Zu- und zeitliche Auflösung der Messwerte Ablaufproben aller drei Kläranlagen Zusätzliche Verfahrensstufe in der erreicht. Zu diesem Zweck wurden che- nachgewiesen, wobei Unterschiede in Kläranlage – 4. Reinigungsstufe mische Spurenstoff-Analysen und öko- der Reduktion endokriner und zyto Als 4. Reinigungsstufe wird ein weiterer toxikologische Untersuchungen (endo- toxischer Potenziale zwischen den drei Behandlungsschritt zusätzlich zur kon- 26 Ärzteblatt Sachsen 1|2021
ORIGINALIE ventionellen Abwasserreinigung be ten dabei teilweise die vorgeschlage- Reduktionsmaßnahmen zeichnet, der die Konzentrationen von nen Umweltqualitätsnormen. Die ge an der Quelle Mikroschadstoffen deutlich senken soll. meinsame Betrachtung beider Stoffe Einleitungen aus Industrie und Die hierfür in Frage kommenden und ermöglicht es, die Substitution von Gesundheitseinrichtungen teilweise bereits umgesetzten Techno- Wirkstoffen als Maßnahme an der Für die Bewertung der Wirksamkeit logien sind Sorption an Aktivkohle und Quelle zu bewerten. Es konnte gezeigt von Maßnahmen an der produktions- Ozonierung. Im Projekt wurde die Eli- werden, dass die Anwendung des Säch- bedingten Quelle ist die Untersuchung mination von Mikroschadstoffen durch sischen Stoffflussmodells die Bewirt- des Einflusses von sogenannten Indi- Ozonierung + biologische Sandfiltration schaftungsplanung effizient unterstüt- rekteinleitern (Einleitung un- oder vor- sowie pulverisierte Aktivkohle (PAK) + zen kann. gereinigten Abwassers in die Kanalisa- Filtration in Laborversuchen ermittelt. tion) notwendig. Ob eine getrennte Der Vergleich der beiden Verfahren Die Wirkung von Maßnahmen wurde Erfassung und Behandlung von Abwäs- zeigt für die Behandlung mit PAK eine sowohl im Hinblick auf die Frachtre- sern bei Indirekteinleitern der pharma- gleich gute oder bessere Eliminations- duktion als auch auf die Länge der zeutischen Industrie notwendig ist, leistung hinsichtlich aller betrachteter Wasserkörper mit Qualitätsverbesse- muss im Einzelfall ermittelt werden. Analyten. Dabei wurden Carbamazepin, rung beurteilt. In allen drei Gebieten ist Hierzu können vorliegende Daten, Be Diclofenac, Clarithromycin und Erythro- die Substitution von Carbamazepin triebsunterlagen der Unternehmen zu mycin durch beide Verfahren zu 90 durch Gabapentin die wirksamste Maß produzierten Stoffen und gegebenen- bis 100 Prozent aus dem Kläranlagen- nahme, wenn man Frachtreduktion und falls Messungen beim Indirekteinleiter Ablauf entfernt. Für andere Wirkstoffe Zustandsbewertung der Fließgewässer dienen. Neben Anlagen der pharma- ist die Eliminationsrate geringer, etwa zusammenfasst. Diese Variante führte zeutischen Industrie gelten Einrichtun- für Ciprofloxazin (70 Prozent beide), dabei nicht zu einer Verschlechterung gen des Gesundheitswesens als Quelle Bezafibrat (PAK 95 Prozent, O3 60 Pro- des Gewässerzustands durch gestie- für Arzneimittelrückstände im Abwas- zent), Gabapentin (PAK 88 Prozent, O3 gene Gabapentinkonzentrationen. Im ser. Die Untersuchung der Emissionen 45 Prozent) und Iomeprol (PAK 98 Pro- Gegensatz dazu bewirkt eine separate entsprechender Einrichtungen war zent, O3 32 Prozent). Die Behandlung Behandlung von Krankenhausabwäs- Gegenstand des Projektes „Sauber+“ mit PAK stellt damit für alle untersuch- sern kaum Belastungsminderung, da [2]. Ein wesentliches Ergebnis war, ten Arzneimittelwirkstoffe eine effizi- Krankenhäuser nur etwa drei Prozent dass der überwiegende Teil der Medi- ente Methode zur Reduktion der Ge des verabreichten Carbamazepin aus- kamentenrückstände im kommunalen wässerbelastung dar. In einer groß gaben. Für vorwiegend stationär ver- Abwasser nicht auf Einrichtungen des angelegten Pilotstudie zum Vergleich schriebene Antibiotika kann dies dage- Gesundheitswesens zurückzuführen von PAK-Adsorption und Ozonung zur gen eine sehr wirkungsvolle Maß- ist, sondern auf die Haushalte. Auf- Spurenstoffentfernung kommen Mar- nahme sein. Der Ausbau von Kläranla- grund dessen stellt die separate Be got et al. (2013) [1] zu ähnlichen Ergeb- gen mit Verfahren der 4. Reinigungs- handlung von Abwässern aus Gesund- nissen: Beide Technologien sind effizi- stufe kann nach verschiedenen Priori- heitseinrichtungen gegenwärtig keine ent, wobei manche Substanzen durch sierungsstrategien (Frachtreduzierung Vorzugslösung dar. Eine Stoffstrom- Ozon besser entfernt wurden, jedoch oder Wasserqualitätsverbesserung) er trennung (zum Beispiel temporärer Ein- PAK ein breiteres Spektrum von Schad- folgen. Der vorrangige Ausbau großer satz von Urinbeuteln) ist jedoch beim stoffen wirksam reduzierte und außer- Anlagen erreichte in der Simulation in Einsatz von Arzneimitteln mit einem dem nicht zur Bildung problematischer allen drei sächsischen Untersuchungs- bekannten Gefährdungspotenzial und/ Oxidationsprodukte führt. gebieten eine substanzielle Frachtre- oder hoher Persistenz (iodierte Rönt- duzierung am Gebietsauslass. Bei der genkontrastmittel wie Iomeprol, Reser- Sächsisches Stoffflussmodell Zielstellung der Verbesserung stark veantibiotika) ratsam und wird auch Das im Rahmen von MikroModell ent- belasteter Wasserkörper ist die Priori- teilweise schon praktiziert. wickelte Stoffflussmodell wurde bei- sierung nach Wasserqualität unter- spielhaft für die Antiepileptika Carba- strom der Kläranlagen am wirksams- Rechtliche Handlungsoptionen – mazepin und Gabapentin implemen- ten. Häufig müssten dabei kleinere Empfehlungen tiert. Beide Stoffe wurden an einem Kläranlagen am Oberlauf der Gewässer Um den Eintrag von Mikroschadstoffen hohen Anteil der sächsischen Gewäs- ertüchtigt werden, was technisch eine aus Humanarzneimitteln mittel- und sermessstellen erfasst und überschrei- Herausforderung darstellt. langfristig zu vermindern, wurden im Ärzteblatt Sachsen 1|2021 27
ORIGINALIE Rahmen von MikroModell Empfehlun- gen zum Wasser- und Humanarznei- mittelrecht herausgearbeitet: Die EU-Kommission sollte aufgrund der Ergebnisse der Beobachtungsliste nach Art. 8b RL 2008/105/EG weitere Priori- sierungsverfahren zur Aufnahme von pharmazeutischen Wirkstoffen in die Liste der prioritären Stoffe (2008/105/ EG und 2013/39/EU) prüfen und durch- führen. Hier sind insbesondere zytoto- xische Stoffe, Röntgenkontrastmittel sowie Antibiotikaresistenzen zu nennen. Die Bundesregierung sollte die Liste der flussgebietsspezifischen Schadstoffe fortlaufend überprüfen und fortschrei- ben. Die EU-Kommission sollte gemäß Art. 16 Abs. 1 und 6 Wasserrahmen- richtlinie Vorschläge für ein Phasing- out von prioritär gefährlichen Stoffen prüfen und diese umsetzen. Zudem sollte sie gemeinsam mit den Mit- gliedsstaaten bei Nichterreichung der für die prioritären Stoffe geltenden Umweltqualitätsnormen konsequent nach Art. 7a RL 208/105/EG vorgehen und Maßnahmen nach dem jeweils ein- schlägigen Stoffrecht prüfen. Der Vor- Abb. 1: Screenshot der MikroModell-Homepage www.mikro-modell.de schlag der Kommission zur Neujustie- rung verschiedener Chemikalienwerte anhand der WHO-Empfehlungen sollte der Umweltauswirkungen stattfinden. Medikation und entsprechende Wech- durch Änderung der Richtlinie über die Durch Anpassung des europäischen selwirkungen sowie die Umweltrele- Qualität von Wasser für den menschli- und deutschen Rechts sollte der Erlass vanz von Arzneiwirkstoffen gestärkt chen Gebrauch 98/83/EG umgesetzt von Auflagen im Rahmen des Zulas- werden. Hierfür sollten Einrichtungen werden (COM[2017] 753 final vom sungsprozesses ermöglicht werden, wie die des Stationsapothekers oder 1. Februar 2018). sodass eine Verschreibungspflicht oder auch pharmazeutische Beratungsstel- Um schrittweise Erkenntnislücken zu die Vorgabe von Packungsgrößen aus len für Ärzte verstärkt umgesetzt wer- Umweltrisiken von Arzneiwirkstoffen Gründen des Umweltschutzes möglich den. Die europäischen und deutschen zu schließen, muss unbedingt die Um sind. Die Ausbildung der Ärzte und Regelungen zu Fachinformationen und weltrisikobewertung gestärkt werden. Apotheker sollte dahingehend geändert Packungsbeilagen sollten Hinweise zur Die sich im Entwurf zur Revision der werden, dass der Pharmakologie und Umweltrelevanz der Wirkstoffe und zur „Guideline on the environmental risk der Umweltrelevanz von Arzneimitteln ordnungsgemäßen Entsorgung ver- assessment of medicinal products for mehr Gewicht beigemessen werden, pflichtend machen. human use“ der Europäischen Arznei- um diese zu befähigen, umweltfreund- mittelagentur abzeichnende Tendenz, liche Alternativwirkstoffe unter Be Weiterbildung und Generika nicht (mehr) von der Umwelt- rücksichtigung der individuellen Pati- Öffentlichkeitsarbeit risikobewertung auszunehmen, stellt entenbedürfnisse zu verschreiben. Da Neben Forschung und Entwicklung und dabei einen erfolgversprechenden An rüber hinaus sollte die Zusammenar- der Schaffung der rechtlichen und poli- satz dar. Auch nach der Zulassung beit von Ärzten und Apothekern mit tischen Rahmenbedingungen kann eine sollte ein systematisches Monitoring Blick auf den Umfang der notwendigen faktenbasierte Information, Sensibili- 28 Ärzteblatt Sachsen 1|2021
ORIGINALIE sierung und Aktivierung sowie Aus- toxischer Medika- und Fortbildung der zentralen Akteure mente durch Phar und der Bevölkerung entscheidend zur ma-Unternehmen Verringerung von Arzneimitteleinträgen (Green Pharmacy, © Stadtentwässerung Dresden in aquatische Ökosysteme beitragen. benign by design) ist eine weit ver- Daher wurden im Rahmen von Mikro- breitete Forderung Modell vielfältige Instrumente zur in der Gesellschaft. Sensibilisierung (Flyer, Plakate, Home- Schon in der Medi- page: www.mikro-modell.de/, Image- kamentenentwick- Abb. 2: Toilettenwagen der Stadtentwässerung Dresden zur Kampagne Film: https://youtu.be/UGzMofM0wgE) lung sollte eine bio- „Kein Müll ins Klo” (Abb. 1) und Aktivierung zur Verhal- logische Abbaubar- tensänderung innerhalb der Bevölke- keit der Substanzen einen hohen Stel- schaft sowie der Gelsenwasser AG für rung entwickelt (Kampagne „Kein Müll lenwert einnehmen, ohne eine Ver- die Förderung des Projekts MikroMo- ins Klo“ der Stadtentwässerung Dresden: schlechterung der medizinischen Wirk- dell im Zeitraum von Oktober 2015 bis http://kein-muell-ins-klo.de/medika- samkeit in Kauf zu nehmen. Im Rahmen Dezember 2019. An dem interdiszipli- mente) (Abb. 2). Darüber hinaus ist der frühen Nutzenbewertung von Arz- nären Projektkonsortium waren neben das umweltbewusste Handeln des neimitteln sollte die Umweltfreundlich- den Betreibern der Abwassersysteme Gesundheitssektors von großer Bedeu- keit als positiver Zusatznutzen einge- und -anlagen in Dresden, Chemnitz und tung. Im Rahmen von MikroModell führt und die Entwicklung umwelt- Plauen, welche mit erheblicher Eigen- wurden Kommunikations- und zertifi- freundlicher Arzneimittel gezielt geför- leistung zum Projekterfolg beitrugen, zierte Fortbildungsveranstaltungen für dert werden. Die Ärzteschaft kann Wissenschaftler aus der Siedlungswas- Ärzte und Apotheker durchgeführt. Bei durch die Anpassung ihrer Verschrei- serwirtschaft, Hydrobiologie, Ökotoxi- einer Dialogveranstaltung für Ärzte, bungspraxis unter Einbeziehung der kologie, Wasserchemie, Umweltökono- Apotheker, Personal von Pflegeeinrich- Umweltverträglichkeit und den direk- mie und Pharmakologie an der Techni- tungen und Krankenhäusern, Wissen- ten Kontakt zu Patienten deren Kon- schen Universität Dresden sowie des schaftler und Vertreter des Pharmabe- sum und Verhalten präventiv beein- Wirtschafts- und Regulierungsrechts reiches unter dem Motto „Medizin trifft flussen. Stationsapotheker und Kon- an der Technischen Universität Berg- Kläranlage“ wurde ein Verständnis für zepte für das Medikationsmanagement akademie Freiberg beteiligt. Nament- den nachhaltigen Einsatz und die in Krankenhäusern wie Unit-Dose kön- lich danken möchten die Autoren (in sichere Entsorgung von Arzneimitteln nen durch die Optimierung der Medika- alphabetischer Reihenfolge): M. Ahnert, vermittelt. Ein wichtiger Partner bei menten-Verschreibung auch zu einer M. Arndt, M. Barth, H. Börnick, M. Car- allen Veranstaltungen war das Univer- verringerten Belastung der Abwässer valho Silva, A. El-Armouche, J. Fauler, S. sitätsklinikum Carl Gustav Carus sowie beitragen. Apotheker können das Ver- Fischer, G. Fritsche, E. Günther, B. Helm, das Institut für klinische Pharmakologie halten von Patienten durch Aufklärung D. Jungmann, C. Koch, T. Krannich, N. der Technischen Universität Dresden. sowohl bezüglich des sinnvollen Kon- Lucke, C. Matthies, L. Minor, S. Oster- sums von Medikamenten als auch der mann, A. Rödel, J. Rosolowski, J. Ross- Handlungsoptionen sachgemäßen Entsorgung beeinflus- mann, T. Schalk, H. Scharch, S. Schubert, im Gesundheitswesen sen. Die patientenindividuelle Verblis- J. Seegert, C. Seifert, A.-K. Sundheim, G. Ein nachhaltiger Umgang mit Mikro- terung und das Medikationsmanage- Teran Velasquez und S. Zihang. schadstoffen lässt sich nur als gesamt- ment können dazu beitragen, unnötige gesellschaftliche Herausforderung be Medikation zu reduzieren sowie die wältigen. Zur Vermeidung, Verminde- Compliance-Rate von und die Therapie- Literatur unter www.slaek.de ➝ Presse/ÖA ➝ rung und Substitution des Eintrages Sicherheit für Patienten zu verbessern. Ärzteblatt von Arzneimittelrückständen direkt an Korrespondierender Autor der Quelle können die Pharmaindustrie, Danksagung Prof. Dr. Peter Krebs Ärzte und Apotheken wie auch die Pa Besonderer Dank gilt der Deutschen Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft tienten entscheidend beitragen. Die Bundestiftung Umwelt, dem Sächsi- Technische Universität Dresden Entwicklung umweltfreundlicherer, das sches Staatsministerium für Energie, Bergstraße 66, 01069 Dresden heißt leichter abbaubarer, weniger öko- Klimaschutz, Umwelt und Landwirt- E-Mail: peter.krebs@tu-dresden.de Ärzteblatt Sachsen 1|2021 29
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