Hamburg macht Schule Bildung für nachhaltige Entwicklung Heft 3/2018 30. Jahrgang Zeitschrift für Hamburger Lehrkräfte und Elternräte - Hamburg.de
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Hamburg macht Schule Heft 3/2018 • 30. Jahrgang • Zeitschrift für Hamburger Lehrkräfte und Elternräte Bildung für nachhaltige Entwicklung BSB Info: LERNSTATT DEMOKRATIE in Hamburg | Schule Elfenwiese: Digitale Inklusion PÄDAGOGISCHE BEITRÄGE VERLAG
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, sucht man im Web unter den Begriffen »Nachhaltigkeit« und »Unterricht«, findet man eine Fülle an Materialien für alle Schulformen, darunter eine digitale Lernplattform (www.lernplattform-nachhaltige-entwicklungsziele.de), ein Portal (www.bne-portal.de) und weitere Anregungen auf der Basis des Orientierungsrahmens (www.globaleslernen.de). In den letzten Jahren haben die gesellschaftliche Bedeutung und die Wahrnehmung der Ziele von Nachhaltigkeit zuge- nommen. Während in der PÄDAGOGIK (Heft 7 – 8/2015) noch ein Nischendasein für »Bindestrich-Pädagogiken« und der Begriff »Nachhaltigkeit« in seiner inflationären Bedeutung beklagt wird, zeigt diese Ausgabe von HMS, dass die Entwicklung für das Querschnittsthema »Bildung für nachhaltige Entwicklung« (BNE) weitergegangen ist. Die komple- xe Thematik BNE hat in den Beispielen dieses Heftes den schulischen Kernbereich Unterricht tatsächlich erreicht. Das ist ein Erfolg und dieser hat viele Väter: Club of Rome 1972, UN-Gipfel 1992, Agenda 21, UN-Dekade Bildung für nach- haltige Entwicklung 2005 – 2014 sowie die Agenda 2030 vom Herbst 2015. Die Dimensionen des Konzepts Nachhaltigkeit werden im Einführungsbeitrag von Jan-Hendrik Hinzke erläutert. Mit Blick auf das deutsche Schulsystem und die Forschungslage zeigt Hinzke auf, welche konkreten Vorstellungen für den Unter- richt entwickelt wurden. Die Beiträge befassen sich dann zum Beispiel mit Gestaltungsmöglichkeiten für den Schulhof und Urban Gardening, mit Veränderungen in schulischen Entwicklungsprozessen unter dem Gesichtspunkt von BNE und mit dem Thema Faire Schule. In einem Kooperationsprojekt zwischen der Oberstufe Langenhorn (gemeinsame Ober- stufe der Stadtteilschulen Am Heidberg und Fritz Schumacher) und dem Gymnasium Osterbek steht Partizipation von Schülerinnen und Schülern und insbesondere die Interessentwicklung im Mittelpunkt der Überlegungen. Die Lernenden zum Handeln zu befähigen, ist dabei das oberste Ziel der Projektwoche. Als Ergebnisse werden die Ausdifferenzierung der Mülltrennung und die Neugestaltung des Cafeteria-Angebots genannt. Das Gymnasium Grootmoor pflegt eine Part- nerschaft mit dem Senegal und bietet eine AG und einen Schüleraustausch an. Das Gymnasium Blankenese evaluiert ihr Sustainability-Profil und stellt fest, dass Schülerinnen und Schüler durch das Profil Handlungsveränderungen in den Be- reichen Mobilität, Konsum und Berufswahl erzielen konnten. In den Hamburger Beruflichen Schulen wurden curriculare Verankerungen geschaffen, um Globales Lernen und BNE mit dem Kompetenzerwerb in den Lernfeldern zu verknüpfen. Der Beitrag zum Projekt 23+ zeigt, dass »Schulen in schwieriger Lage keine schwierigen Schulen sind« (Thorsten Al- tenburg-Hack, S. 32). Wie aus einer Schule in schwieriger Lage eine erfolgreich Schule wird, ist eine spannende Frage, die nicht nur in Hamburg intensiv diskutiert wird. Der Beitrag von Heidrun Zierahn fasst Ergebnisse einer Podiumsdis- kussion in Hamburg und Ergebnisse der Forschung zusammen. Mehr Demokratie in der Schule fordert die »Lernstatt Demokratie« im Rahmen des Wettbewerbs »Demokratisch Han- deln«. Der bundesweite Wettbewerb wurde in diesem Jahr in Hamburg ausgetragen und umfasste 65 Workshops und eine beeindruckende Abschlussveranstaltung im Hamburger Rathaus. Christoph Berens vom LI konnte als Mitveranstalter eine sehr positive Bilanz ziehen und freut sich auf Bewerbun- gen der Schulen für den Wettbewerb im Jahr 2019. Noch bis zum 30. November können sich Schulen, Schülergruppen oder einzelne Schülerinnen und Schüler bewerben (siehe S. 29). Digitale Inklusion, Schnabel als individualdiagnostisches Verfahren, Marktplätze 2018 und kulturelle Schulentwicklung in Hamburg sind ebenso Themen dieser Ausgabe wie die Wei- terentwicklung von Schullandheimen und Erfahrungen im Schullandheim Puant Klent. Nach einem langen und heißen Sommer wünsche ich Ihnen ein gutes Ankommen im Herbst. Mit besten Grüßen Prof. Dr. Josef Keuffer Hamburg, im September 2018 Hamburg macht Schule 3|2018 3
Inhalt Bildung für nachhaltige Entwicklung Moderation: Jan-Hendrik Hinzke 6 Bildung für nachhaltige Entwicklung weiterdenken Geschichte – Diskurslinien – Perspektiven 10 NaturErlebnisSchulhof Sternschanze Von wilden Blüten und kindlichem Natur-Erleben 12 Zukunftsfähig Denken und Handeln Wie sich unsere Schule auf den Weg gemacht hat 14 »Bloß nicht noch ein Label!« Warum unsere Schule trotzdem »Faire Schule« ist 16 »Be-aN Expert in sustainable development« Wie BNE Selbstwirksamkeitserfahrungen fördern kann 18 Unser Weg in die Weitstirnigkeit Wie BNE zur Perspektiverweiterung beitragen kann 20 Das Sustainability-Profil Was Erfolg mit Partizipation zu tun hat 22 Ein Zahnprophylaxecontainer für Inhambane Wie Umsetzungsprojekte zur Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Globalem Lernen (GL) beitragen können 24 »BNE: Vom Projekt zur Struktur« Eine Leitidee wird greifbar und konkret! 4 Hamburg macht Schule 3|2018
Inhalt 3/18 30. Jahrgang BSB-Info Verantwortlich: Andreas Kuschnereit 100 Jahre Demokratie – Das SCHNABELtier kommt! 36 Herausgeber: Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB), 100 Jahre Bildung für alle 26 Einführung eines neuen Diagnose- Prof. Dr. Josef Keuffer, Direktor des Lan- instruments zur Untersuchung von desinstituts für Lehrerbildung und Schul Themen- und Gedenkjahr der Freien und entwicklung Rechtschreibkompetenzen Hansestadt Hamburg unter dem Motto: Felix-Dahn-Straße 3, 20357 Hamburg josef.keuffer@li-hamburg.de »Hamburg 1918.1919 – Aufbruch in die Demokratie« Hauptsache interaktiv 38 Verlag: Pädagogische Beiträge Verlag GmbH, Digitale Inklusion an der Rothenbaumchaussee 11, Curiohaus, Schule Elfenwiese 20148 Hamburg, Tel.: (040) 45 45 95 »Demokratie entert Schule« 28 info@paedagogische-beitraege-verlag.de Geschäftsführung: Katrin Wolter Mehr Demokratie in der Schule fordert 15. Hamburger Familientag 41 Verlagsredaktion und -gestaltung: die »Lernstatt Demokratie« im Rahmen Spaß, Information und Beratung Dr. Mathias Prange des Wettbewerbs »Demokratisch handeln« für die ganze Familie Redaktion: Prof. Dr. Johannes Bastian (verantwortlich), Dr. Andrea Albers, Dr. Jan-Hendrik Hinzke, Beate Proll Kulturelle Schulentwicklung Marktplätze 2018 42 Rothenbaumchaussee 11, 20148 Hamburg in Hamburg 30 Tagungen und Redaktion BSB-Info: Ulrike Esterer, Karen Krienke, Handreichung mit öffentliche Veranstaltungen Andreas Kuschnereit, Behörde für Schule und Berufsbildung, Praxisbeispielen erschienen des Landesinstituts 45 Hamburger Straße 31, 22083 Hamburg November 2018 Tel.: (040) 4 28 63 35 49, Fax: -4 27 96 84 33 karen.krienke@bsb.hamburg.de 23+ im Gespräch: Schulen in ulrike.esterer@bsb.hamburg.de schwieriger Lage sind nicht Puan Klent geht neue Wege 46 Druck: Hartung Druck+Medien GmbH, Asbrookdamm 38, 22115 Hamburg automatisch schwierige Schullandheime in einem info@hartung-online.de www.hartung-online.de Schulen 32 stark veränderten Umfeld Anzeigen: Gabriele Henning Vortrag, Expertengespräch und zukunftsfähig machen 50 BSB – Hamburg macht Schule Hamburger Str. 31, 22083 Hamburg Erfahrungsaustausch mit den »23+«-Projektschulen Personalien 52 Tel.: (040) 4 28 63–27 62 gabriele.henning@bsb.hamburg.de Erscheinungsweise: 4-mal pro Jahr MINT-Tag am 28. November Auflage: 15 000 Die Sternstunde in der 2018 mit Veranstaltungen Bilder: W. van Woensel: Titel Alle weiteren Fotografien wurden uns von Schule Lokstedter Damm 35 und Wettbewerb den Autorinnen und Autoren zur Verfügung Good Practice – kleine und große »MINT bewegt!« 54 gestellt. Bezug: Hamburger Lehrkräfte und Elternräte erhalten HAMBURG MACHT SCHULE kos- Fundstücke aus dem Alltag der Hamburg macht Schule 54 tenlos über die BSB. Schulinspektion – Teil 12 Schwerpunktthemen 2008 – 2018 Hamburg macht Schule im Internet: www.hamburg.de/bsb/hamburg-macht-schule Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung des Verlages. ISSN 0935-9850 Hamburg macht Schule 3|2018 5
Thema Bildung für nachhaltige Einführung Entwicklung weiterdenken Geschichte – Diskurslinien – Perspektiven Was ist unter BNE zu verstehen? Auf welchen Traditionen ba- siert die heutige Auseinandersetzung um BNE? Was bietet Orientierung bei der Umsetzung von BNE in der Schule? Wel- che Herausforderungen, aber auch welche Gelingensfaktoren einer solchen Umsetzung sind empirisch belegt? Und wie kann es zukünftig mit BNE in der Schule weitergehen? Die Einfüh- rung bietet erste Antworten auf diese Fragen. Was bedeutet BNE? auch von großen Erwartungen belastet. Meilensteine in der Zwar geht es BNE um die Bearbeitung Entwicklung von BNE (Abb. 1) Neben der Kenntnis von Unterstützungs- der »ganz großen Themen, letztlich dar- systemen (siehe Hübner/Lontke in diesem um, wie wir in Zukunft leben sollen, damit Nicht das Bedürfnis nach Bildung, son- Heft) und von Beispielen dazu, wie BNE es dabei uns und anderen gut geht« (Da- dern nach Nachhaltigkeit stand am Be- an Einzelschulen systematisch verankert schner 2015, S. 7). Es scheint allerdings ginn der Debatten. 1972 brachte der werden kann (siehe Erfahrungsberichte notwendig und auch fruchtbar zu sein, erste Bericht des Club of Rome, »Die in diesem Heft), bedarf es auch einer BNE gemäß nationaler und bereichsspe- Grenzen des Wachstums«, den Nachhal- Klärung dessen, was mit BNE gemeint zifischer Anforderungen ›auszubuchsta- tigkeitsbegriff in den öffentlichen Dis- ist. Gerhard de Haan, wissenschaftlicher bieren‹ und zu fragen, was das Konzept kurs. 15 Jahre später, 1987, definierte Leiter der ehemaligen BLK-Programme für schulische Bildung in Deutschland die sogenannte Brundtland-Kommission (BLK: Bund-Länder-Kommission für Bil- bedeutet. Die Herausforderungen be- der Vereinten Nationen im Bericht »Un- dungsplanung und Forschungsförde- steht dann darin, die Zielsetzung eines sere gemeinsame Zukunft« eine nach- rung) 21 und Transfer 21, unterschei- solchen, enger gefassten Konzepts zu haltige Entwicklung als »Entwicklung, det ein weites von einem engen Kon- bestimmen. Zielformulierungen wie »Be- die den Bedürfnissen der heutigen Ge- zeptverständnis. In einem weiten Ver- wältigung von Zukunft« (de Haan 2008, nerationen entspricht, ohne die Mög- ständnis werden BNE sehr heteroge- S. 27), »Lernende zu Mitgestaltenden ih- lichkeiten künftiger Generationen zu ge- ne Aufgaben- und Themenfelder zuge- rer Welt zu machen« (Schreiber 2015, S. fährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu be- schrieben, etwa die Armutsbekämpfung, 33) und »Heranwachsende zu befähigen, friedigen und ihren Lebensstil zu wäh- die Bekämpfung von AIDS, die Gleich- auf nachhaltige Weise handeln und ent- len«. Auf diese Definition wird bis heu- stellung der Geschlechter, der Umgang sprechend ihr Leben gestalten zu kön- te immer wieder Bezug genommen. Dass mit demographischem Wandel, mit Pro- nen« (Buddeberg 2016, S. 272), bedür- es für die Umsetzung und Ausgestaltung blemen des Konsums, der Umweltver- fen also der Konkretisierung. einer derart verstandenen nachhaltigen schmutzung, des Klimawandels, mit He- Mit Blick auf das deutsche Schulsys- Entwicklung der Bildung bedarf, wird im rausforderungen der Migration und die tem wurden derartige Konkretisierun- Nachgang der Welt-Konferenz für Um- Verbreitung des Literacy-Ansatzes. Es ist gen in den letzten Jahren erarbeitet. welt und Entwicklung, die 1992 in Rio nachvollziehbar, dass de Haan (2008, S. Zum besseren Verständnis wird die Ge- de Janeiro stattfand, deutlich. Die auf 25) dieses Verständnis als »nicht unpro- nese dieser Konkretisierung im Folgen- dieser Konferenz verabschiedete Agen- blematisch« bezeichnet, denn das Kon- den dadurch nachgezeichnet, dass ein da 21 der UNESCO enthält vier – eben- zept ist angesichts dieser Themenfülle Blick auf die Geschichte von BNE ge- falls bis heute aktuelle – Säulen, die be- nicht nur schwer zugänglich, sondern worfen wird. schreiben, was für ein Lernen verlangt 6 Hamburg macht Schule 3|2018
Bildung für nachhaltige Entwicklung Einführung 2015: 1972: 1987: 1992: 2005: Start UNESCO- 1. Bericht Brundtland- UN-Konferenz Start UN- Weltak�ons- Club of Rome Kommission Rio de Janeiro Dekade BNE programm BNE 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Abb. 1: Meilensteine in der Geschichte von BNE wird: Lernen, Wissen zu erwerben; Ler- Dass BNE aktuell auch in Deutschland sen, welches »allgemeine Regeln des nen, zu handeln; Lernen, zusammenzu- als wesentlicher Schlüssel zur Realisie- Entscheidens und Handelns« beinhaltet, leben; Lernen für das Leben. Zugleich rung der Nachhaltigkeitsziele betrachtet »die man auf immer wieder neue Situa- werden in der Agenda drei Stränge zum wird, zeigt der im letzten Jahr von der tionen anwenden kann« (de Haan 2008, sogenannten Nachhaltigkeitsdreieck so Kultusministerkonferenz (KMK) veröf- S. 27). Gestaltungskompetenz versteht zusammengeführt, dass es als Leitbild fentlichte Nationale Aktionsplan Bildung sich vor diesem Hintergrund als Fähig- für nachhaltige Entwicklung gelten kann: für nachhaltige Entwicklung. BNE wird keit, »Wissen über nachhaltige Entwick- Blick auf wirtschaftliche Prosperität, auf hier als staatliche und gesellschaftliche lung anwenden und Probleme nicht nach- die Natur und auf die sozialen Lebensbe- Aufgabe verstanden und es gilt, BNE in haltiger Entwicklung erkennen zu kön- dingungen. Diese Themenvielfalt führ- allen Bildungsbereichen strukturell zu nen« (ebd., S. 31). te dazu, dass die entstehende BNE als verankern. Die Erfahrungsberichte dieses Hef- Querschnittsaufgabe verstanden wurde, tes setzen in unterschiedlicher Akzen- die in allen gesellschaftlichen Bereichen Orientierung bei der tuierung an diesem Kompetenzver- umzusetzen ist. Umsetzung von BNE ständnis an und nehmen einzelne Teil- In den Folgejahren wuchs die Erkennt- bereiche von Gestaltungskompetenz in nis, dass Bildung und Wissenschaft eine Ein wesentlicher Ansatzpunkt für eine den Blick. So geht aus dem Beitrag von zentrale Stellung für nachhaltige Ent- strukturelle Verankerung von BNE in der Stefan Behr hervor, dass eine gelingen- wicklung zukommt. Entsprechend ver- Schule stellt die Überarbeitung von Cur- de BNE Partizipation braucht. Ausge- folgte die UN-Dekade BNE von 2005 ricula dar. Dies gilt für allgemeinbilden- hend von der Beobachtung, dass immer bis 2014 das Ziel, BNE in allen Berei- de ebenso wie für berufsbildende Schu- mehr Stadtkinder in ihrer Freizeit keine chen der Bildung zu etablieren. Ihre len. Gemäß einer aktuellen Analyse der oder nur wenige Naturerfahrungen ma- Fortsetzung erfährt die Dekade aktu- KMK (2017, S. 4) hat BNE »zwischenzeit- chen, beschreibt der Autor, wie die ge- ell durch das UNESCO-Weltaktions- lich in allen Ländern Eingang in die Lehr- samte Schulgemeinde einen NaturErleb- programm (WAP) BNE, das seit 2015 bzw. Bildungspläne der allgemeinbilden- nisSchulhof angelegt hat. Naturschutz und bis 2019 läuft und das Ziel ver- den Schulen gefunden bzw. soll bei an- wird hier vor Ort erfahrbar gemacht, Na- folgt, BNE stärker strukturell zu veran- stehenden Überarbeitungen berücksich- turerfahrung und Naturbildung werden kern. Dadurch soll das WAP einen kon- tigt werden«. Neben BNE-typischen In- zusammengebracht. Von einer anderen kreten Beitrag zur Umsetzung der im halten werden dabei BNE-relevante Kom- Form, an Entscheidungsprozessen zu Rahmen der UN-Agenda 2030 formu- petenzbeschreibungen aufgegriffen, die partizipieren und gemeinsam mit ande- lierten 17 globalen Nachhaltigkeits- unter Rückgriff auf zwei in den letzten ren zu planen und zu handeln, berichten ziele (Sustainable Development G oals, Jahren in Deutschland erarbeiteten Re- Corinna Menzel, Gerrit Wehofsich und Ag- kurz SDGs) leisten, im Rahmen derer ferenzgrößen formuliert werden. nes Lontke. Die Autorengruppe stellt Er- alle Länder als Entwicklungsländer an- fahrungen mit dem Sustainability Profil gesehen werden. Unterziel 4.7 lautet Gestaltungskompetenz fördern der Schule vor, das bereits vor etwa zehn dabei, bis 2030 sicherzustellen, »dass Die erste Referenz für die Entwicklung Jahren eingeführt wurde und mittlerweile alle Lernenden die notwendigen Kennt- von Curricula bildet das von de Haan im als bewährt gelten kann. Gezeigt werden nisse und Qualifikationen zur Förderung Rahmen der oben genannten BLK-Pro- Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler nachhaltiger Entwicklung erwerben, un- gramme entworfene Konzept der Ge- in der Schule so zu beteiligen, dass die- ter anderem durch Bildung für nachhal- staltungskompetenz. Akteure benöti- se einen kritischen Blick auf nachhaltig- tige Entwicklung« (UN 2015, S. 18). gen nach de Haan vor allem ein Wis- keitsrelevante Vorgänge ausbilden. Hamburg macht Schule 3|2018 7
Thema Ein anderer Teilbereich von Handlungs- richt« mit »zunehmend selbstorgani- externer Impuls von einer Schule aufge- Einführung kompetenz zielt darauf ab, Akteure dazu sierte(n) Lernformen« im Zentrum steht nommen werden und zur Entwicklung ei- zu befähigen, weltoffen und neue Pers- (Schreiber/Siege 2016, S. 17; vgl. auch nes Leitbildes führen kann, in dem BNE pektiven integrierend Wissen aufzubau- Schreiber 2015). BNE wird auch in die- von zentraler Bedeutung ist. Dabei wird en. Wie BNE dazu beitragen kann, durch sem aktualisierten Ansatz als »Quer- deutlich, dass ein damit verbundener Aktivitäten sowohl vor Ort als auch in schnittsaufgabe in der Schule« (Bud- Schulentwicklungsprozess nicht wider- der Ferne Perspektiven von Schülerinnen deberg 2016, S. 269) verstanden, doch standslos verläuft. Dargelegt wird, wie und Schülern zu erweitern, zeigt der Bei- werden nun fächerspezifische Umset- mit derartigen Widerständen produktiv trag von Stefanie Hupfer. Vorgestellt wird zungsmöglichkeiten konkretisiert. umgegangen werden kann. hier die Einführung eines speziellen Klas- Unterschiede zwischen den Bundes- Ein konkretes Umsetzungsbeispiel von senamts, das es Schülerinnen und Schü- ländern zeigen sich derzeit hinsichtlich BNE im Rahmen des Orientierungsrah- lern ermöglicht, als Multiplikatoren von der Frage, an welchen Strukturorten mens Globale Entwicklung stellt der Er- BNE in ihren Klassen zu agieren. Dadurch BNE in den Curricula verankert wird: in fahrungsbericht von Rainer Maehl dar. wird der Austausch in den Klassen, aber allen Fächern, in fächerübergreifenden Der Autor präsentiert Erfahrungen aus auch in der gesamten Schule gestärkt. Themen oder als Grundorientierung für einem Projekt, im Rahmen dessen Be- Auch Hanna Bergelt und Philipp Fensky jeden Unterricht. Ebenfalls zeigen sich rufsschülerinnen und Berufsschüler ver- beschreiben in ihrem Beitrag die Chan- Unterschiede hinsichtlich der Frage, wie schiedener Ausbildungsrichtungen über cen, die damit einhergehen, wenn Schü- explizit BNE-Themen und -Kompeten- einen längeren Zeitraum mit Schulen in lerinnen und Schülern Verantwortungs- zen genannt werden, wobei die kon- Mosambik kooperiert haben. Ausgehend übernahme zugetraut wird und sie als krete Benennung in den Curricula des von diesem Beispiel werden sowohl Ge- Multipliatoren von BNE eingesetzt wer- Sachunterrichts, der Geographie, Biolo- lingensbedingungen für Umsetzungs- den. Im Rahmen einer schulübergreifen- gie und Physik besonders stark ist (vgl. projekte als auch Kompetenzen für Glo- den Projektwoche erwerben Oberstufen- KMK 2017, S. 4). bales Lernen und BNE abstrahiert. schülerinnen und -schüler Expertise in Ebenfalls am Orientierungsrahmen Nachhaltigkeitsthemen. Dargestellt wird, Globale Entwicklung ausgerichtet ist Internetverweise zum Thema BNE wie das Erleben von Selbstwirksamkeit die Landeskoordinationsstelle BNE, die damit einhergeht, dass Schülerinnen und www.bne-portal.de im letzten Jahr in Hamburg eingerichtet Umfangreiche Informationen zum Na- wurde. Markus Hübner und Agnes Lont- Schüler Probleme der Gegenwart und tionalen Aktionsplan, zu Aktivitäten, der Zukunft aktiv angehen. Entwicklungen und Vernetzungsmög- ke stellen deren Arbeit vor und beschrei- lichkeiten bietet die Nationale Platt- ben, welche Unterstützungsmöglichkei- Orientierungsrahmen form Bildung für nachhaltige Entwick- ten Hamburger Schulen zur Umsetzung Globale Entwicklung nutzen lung. des Whole School Approach zur Verfü- Die zweite Referenz der Entwicklung www.globaleslernen.de gung stehen. von Curricula stellt der von Jörg-Robert Die Teilausgaben des Orientierungsrah- Schreiber und Hannes Siege zusammen- mens geben Anregungen und enthalten Herausforderungen und gestellte Orientierungsrahmen für den Materialien für die Gestaltung von Un- Gelingensfaktoren für die Lernbereich Globale Entwicklung dar. terricht in einzelnen Fächern. Implementierung von BNE Dieser im Rahmen eines gemeinsamen Angesichts der dargestellten Entwick- Projekts der KMK und des Bundesmi- lungen ist zu konstatieren, dass die nisteriums für wirtschaftliche Zusam- Wie BNE im Sinne des Whole School BNE-Aktivitäten an deutschen Schu- menarbeit und Entwicklung (BMZ) ent- Approach zum Thema des Schulent- len in den letzten Jahren an Schwung standene Orientierungsrahmen beinhal- wicklungsprozesses werden kann, the- gewonnen haben. Dennoch weisen wis- tet konkrete Vorschläge und Materialien matisiert der Beitrag von Daniel Stock. senschaftliche Studien auf Herausfor- für die Gestaltung von Unterricht der Se- Eine Entwicklungsgruppe arbeitet da- derungen bei der Implementierung von kundarstufe I und außerunterrichtlichen ran, BNE systemisch zu verankern. Der BNE hin. Wie der Modellversuch Trans- Aktivitäten. BNE wird hier explizit als Impuls dazu kam von außen, denn über fer 21 gezeigt hat, besitzt BNE das Po- Aufgabe der ganzen Schule verstanden die Auseinandersetzung mit der Zertifi- tenzial, dass sich nachhaltige Wirkun- (»Whole School Approach«), das Leitbild zierung »Faire Schule« hat die Entwick- gen bei den Projektbeteiligten einstel- der nachhaltigen Entwicklung soll auch lungsgruppe begonnen, Aktivitäten mit len (vgl. Trempler et al. 2012). Dennoch das Schulmanagement und das Leben BNE-Bezug zu bündeln und für die Schul- kann derzeit noch nicht von einer flä- in der Schule prägen. Der Schwerpunkt gemeinschaft sichtbar zu machen. chendeckenden Umsetzung des Kon- liegt auf der koordinierten Umsetzung Ein Beispiel für eine Schule, die sich zepts ausgegangen werden (vgl. etwa von BNE in einzelnen Fächern bzw. Fach- erst vor kurzem auf den Weg gemacht Ohlmeier/Brunold 2015, S. 308). Begrün- und Bildungsbereichen, wobei ein »kon- hat, BNE umzusetzen, wird von Heidi Plö- det wird dies erstens damit, dass poli- text- und lebensweltorientierter Unter- ger präsentiert. Die Autorin zeigt, wie ein tische Willensbekundungen nicht aus- 8 Hamburg macht Schule 3|2018
Bildung für nachhaltige Entwicklung reichen, um Bildungsprozesse an Schu- bedeutsam für nachhaltige Lernprozes- dung für nachhaltige Entwicklung. Wies- Einführung len auszulösen (vgl. Heinrich 2015). Als se ist, dass es handlungsleitend ist (vgl. baden, S. 23 – 43 zweiter Grund wird eine nicht ausrei- Sander/Höttecke 2016, Holfelder 2016). Heinrich, M. (2015): BNE: Is the Medium chende Informiertheit weiter Teile der the Message? Wien Lehrerschaft über Geschichte, Anliegen Perspektiven für Hemmer, I. (2016): Bildung für nachhalti- und Definition von BNE angeführt (vgl. eine künftige BNE ge Entwicklung. In: J. Menthe et al. (Hg.): Buddeberg 2016). Eine Ursache hierfür Aus dem Forschungsstand und den Bei- Befähigung zu gesellschaftlicher Teilha- kann sein, dass sich das Konzept, wie trägen dieses Heftes lassen sich zum Ab- be. Münster/New York, S. 25 – 40 oben dargestellt, historisch betrachtet schluss einige Perspektiven für eine künf- Holfelder, A.-K. (2016): Die Rolle von im- aus verschiedenen Diskurslinien speist tige BNE andeuten. Der Orientierungs- plizitem Wissen im Kontext einer BNE. In: und sich Überlagerungen mit Ansätzen rahmen Globale Entwicklung scheint da- J. Menthe et al. (Hg.): Befähigung zu ge- etwa der Umweltbildung, des Globalen bei die Richtung der Entwicklung vorzuge- sellschaftlicher Teilhabe. Münster/New Lernens, der Friedens- und der Demo- ben: die Entwicklung einer systematisch York, S. 131 – 143 kratiepädagogik zeigen (vgl. Daschner in der Schule verankerten BNE (Whole KMK (2017): Zur Situation und zu Pers- 2015, S. 7). Auch ist eine Ausbildung, School Approach), die sowohl überfachli- pektiven der Bildung für nachhaltige Ent- die Fragen von BNE systematisch auf- che als auch fachbezogene Umsetzungs- wicklung. Berlin greift, an vielen lehrerbildenden Stand- möglichkeiten beinhaltet. Von großer Be- Ohlmeier, B./Brunold, A. (2015): Politische orten erst in der Entwicklung. Ein drit- deutung für Forschung und schulische Bildung für nachhaltige Entwicklung – ter Grund für die ausbaufähige Verbrei- Entwicklung scheint es, mehr über die eine Evaluationsstudie. Wiesbaden tung des Konzepts lässt sich darin se- Gelingensbedingungen einer solchen Ent- Sander, H./Höttecke, D. (2016): Orientie- hen, dass die Einbindung von BNE in die wicklung zu erfahren. Die Erfahrungsbe- rungen von SchülerInnen beim Urteilen nationalen Bildungsstandards und in die richte lassen hier unterschiedliche Be- und Entscheiden in Kontexten nachhalti- Curricula erst in den letzten Jahren for- dingungen erkennen. Bedeutsam schei- ger Entwicklung. In: J. Menthe et al. (Hg.): ciert wird. Gleiches gilt für die Entwick- nen zu sein: die Beteiligung von Schüle- Befähigung zu gesellschaftlicher Teilha- lung fachbezogener Unterrichtsmateri- rinnen und Schülern im Sinne des Erle- be. Münster/New York, S. 159 – 170 alien. Die Rolle des Fachunterrichts wur- bens von Selbstwirksamkeit, die Veran- Schreiber, J.-R. (2015): Bildung für eine de im Kontext von BNE lange vernach- kerung von BNE in einem gemeinsam ge- nachhaltige Entwicklung. In: PÄDAGO- lässigt (vgl. Hemmer 2016, S. 30), mit tragenen Curriculum, eine BNE-spezifi- GIK H. 6/2015, S. 33 – 37 dem Orientierungsrahmen für Globa- sche Professionalisierung von Lehrper- Schreiber, J.-R./Siege, H. (2016): Orientie- les Lernen wird aktuell dagegengewirkt. sonen und die Unterstützung durch ex- rungsrahmen für den Lernbereich Glo- Ein vierter Grund betrifft den nicht klar terne Partner, Impulse und Zertifizierun- bale Entwicklung. 2., akt. und erw. Aufl. eingrenzbaren fachwissenschaftlichen gen. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Berlin Bezug. Der Querschnittscharakter von Kriterien, anhand derer eine erfolgreiche Trempler, K./Schellenbach-Zell, J./Gräsel, BNE kann für die oftmals noch nach Fä- Umsetzung von BNE festgemacht wird, C. (2012): Effekte des Transfermodell- chern gegliederte Stundentafel ein Pro- nicht einheitlich sind, und es kein Rezept versuchsprogramms »Transfer 21« auf blem darstellen. gibt, mit dem sich BNE erfolgreich um- Unterrichts- und Schulebene. In: BMBF Der Forschungsstand zeigt aber auch, setzen ließe. Die Beiträge dieses Heftes (Hg.): Bildung für nachhaltige Entwick- dass schulische BNE gelingen kann. Ge- regen stattdessen dazu an, als Schule ei- lung – Beiträge der Bildungsforschung. rade durch seinen Querschnittscharakter nen eigenen Weg bei der Umsetzung der Berlin, S. 25 – 42 birgt BNE Synergieeffekte für die Bear- Querschnittsaufgabe BNE zu suchen, da- UN (2015): Resolution der Generalver- beitung umfassender aktueller und zu- bei jedoch die Potenziale von Vernetzung sammlung, verabschiedet am 1. Septem- künftiger Themen. Damit Schülerinnen und Wissenstransfer zu nutzen. ber 2015. New York und Schüler nachhaltige Lernprozes- se durchlaufen können, erscheint es auf Literatur Basis vorliegender Studien nötig, dass Buddeberg, M. (2016): Bildung für nach- Lehrpersonen gerade bei diesem Thema haltige Entwicklung als Querschnittsauf- die (Vor-)Erfahrungen und Relevanzen gabe. In: Die Deutsche Schule 3/2016, der Schülerinnen und Schüler berück- S. 267 – 277 sichtigen. Es scheint wichtig, in diesem Daschner, P. (2015): Vom Projekt zur Dr. Jan-Hendrik Hinzke Kontext das implizite Wissen der Schüle- Struktur. In: PÄDAGOGIK H. 6/2015, S. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (Post-Doc) an rinnen und Schüler zu erfassen und ein- 6–7 der Wissenschaftlichen Einrichtung Oberstufen- zubeziehen. Gemeint ist damit ein Wis- De Haan, G. (2008): Gestaltungskompe- Kolleg an der Universität Bielefeld. Er forscht zu sen, das von den Schülerinnen und Schü- tenz als Kompetenzkonzept der Bildung Fragen der Lehrerprofessionalisierung lern selbst nicht so leicht zur Sprache ge- für nachhaltige Entwicklung. In: Ders./I. und Schulentwicklung. bracht werden kann, aber dadurch hoch Bormann (Hg.): Kompetenzen der Bil- Universitätsstraße 23, 33615 Bielefeld jan-hendrik.hinzke@uni-bielefeld.de Hamburg macht Schule 3|2018 9
Thema NaturErlebnisSchulhof Grundschule Sternschanze Von wilden Blüten und kindlichem Natur-Erleben 2018 ausgezeichnet. Aber so wichtig auch deten einige Lehrkräfte, eine Erzieherin Wie kann eine (Grund-)Schule mit z. B. die Bewusstseinsbildung bei den Kin- und zwei Eltern die Schulhof-AG. Es wur- der zunehmenden Naturentfrem- dern ist, so abstrakt ist das Thema doch den erste Ideen gesammelt und im Ok- dung von Stadtkindern umgehen? für die Grundschule. tober 2016 fanden zwei Hofbegehun- Auf welche Weise können Schüle- Vor ein paar Jahren erkannten wir: Das gen statt, bei denen wir unsere Wün- rinnen und Schüler Natur im Schul- Weltklima retten, aber vor der eigenen sche mit den beauftragten Planerinnen Haustür so gut wie keine Natur – das besprachen. alltag erfahren und dabei Wissen passt irgendwie nicht zusammen! Dabei Wichtig ist, dass ein naturnaher Schul- über Naturvorgänge erwerben? muss man sich Folgendes klarmachen: hof von Menschen gestaltet wird, die nach Wie lassen sich Eltern und andere • Kinder in einem dicht besiedelten bestimmten Prinzipien planen. Dazu ge- Beteiligte einbeziehen? Der Beitrag Stadtteil wie dem Schanzenviertel ha- hört die Verwendung von überwiegend beschreibt Möglichkeiten, Schule ben kaum Kontakt mit Natur, die we- heimischen Wildpflanzen, denn anders nigsten allenfalls mal am Wochenende als exotische Züchtungen und klassische zu einem Ort zu machen, an dem bei einem Ausflug. Gartenpflanzen bieten diese einer Viel- Naturbegegnung und Naturbildung • Eine Vielzahl von Kindern wird in Zu- zahl von Tieren, allen voran Insekten, ei- gelebt wird. kunft Ganztagsschulen besuchen, d. h. nen Lebensraum und Nahrung. Was vie- sie halten sich von 8 bis 15.30 Uhr in le vielleicht nicht wissen: Von jeder Wild- Ein Kind rennt vor einem Fluginsekt fort der Schule auf. pflanze sind etwa zehn Tierarten abhän- und schreit »Iiiii, eine Biene!«, dabei ist es • Der beständig wachsende Medien- gig. Daher entschieden wir uns für eine eine Wespe oder Fliege. Szenenwechsel: konsum zu einem immer früheren Landschaftsarchitektin und eine Natur- Das großzügige, naturnahe Gelände der Zeitpunkt lässt Kinder immer seltener gartenexpertin, die bereits Erfahrung in Freiluftschule Wittenbergen bietet Kin- wichtige, basale Primärerfahrungen der Gestaltung von Naturgärten hatten. dern eine Vielzahl von Möglichkeiten, z. B. machen. Dazu zählen eben auch Er- Für die folgenden Planungen wurden aus alten Zweigen Hütten bauen oder im fahrungen mit der umgebenden Natur. die Schülerinnen und Schüler nach ih- Unterholz Versteck spielen. Auf unserer Auch jüngste wissenschaftliche Untersu- ren Wünschen befragt, so dass diese Klassenreise in Jahrgang 2 interessier- chungen belegen den hohen Wert von nach Möglichkeit in der Gesamtplanung ten sich hierfür jedoch nur zwei Jungen. Naturerfahrungen für die gesunde Ent- berücksichtigt werden konnten. In die- Die Mädchen spielten überwiegend in wicklung von Kindern. Eine Auswertung sem Rahmen fand ein vierwöchiger Ide- direkter Nähe des Gebäudes, während von 115 Studien weist nach, wie notwen- en-Wettbewerb in den Klassen 2 bis 4 die restlichen Jungen fünf Tage lang fast dig Naturbegegnungen für die mentale, statt, in dem die Kinder ihre Wünsche ausschließlich auf dem Fußballplatz ver- soziale und psychische Entwicklung sind. sammelten. Im März lag der endgültige brachten. Dies sind nur zwei Beispiele, Dabei waren die Effekte größer, je früher Plan vor. Als Budget waren 30 000 € vor- welche die erschreckende Naturentfrem- die Kinder diesen Kontakt erlebten (vgl. gesehen, eine Summe, die realistisch war, dung heutiger Stadtkinder zeigen. Raith/Lude 2014). da wir die Umsetzung als Mitmachbau- Aus diesen Motiven entstand die Idee, stelle organisiert haben. Warum ein naturnaher Schulhof? unseren vormals eher grauen, blüten- Den Großteil bekamen wir durch einen Die Grundschule Sternschanze ist eine ge- armen Schulhof am Standort Altonaer Sponsorenlauf im Mai zusammen, weite- bundene Ganztagsschule. Mit ca. 550 Kin- Straße (Klasse 2 bis 4) zu einem Raum res Geld konnte die Schulleitung aus dem dern und zwei Standorten ist sie die zweit- umzugestalten, in dem unsere Kinder die Sonderfonds »Guter Ganztag« der BSB größte Grundschule Hamburgs. Seit 2013 Möglichkeit zu Naturerlebnissen haben. einwerben. 2016 waren wir von der Han- bemühen wir uns als Klimaschule mit einer delskammer als beste Ganztagsschule Vielzahl von Maßnahmen, unseren Beitrag Prinzipien bei der Hamburgs ausgezeichnet worden. Das zum Klimaschutz zu leisten. Im Mai wur- Gestaltung des Schulhofes war für uns ein weiterer Ansporn, unser den wir dafür vom Bundesumweltministe- Nachdem Elternrat und Kollegium für die Ganztagsangebot auch in Bezug auf un- rium als Hamburger Energie-Sparmeister Idee gewonnen werden konnten, grün- seren Schulhof räumlich zu verbessern. 10 Hamburg macht Schule 3|2018
Bildung für nachhaltige Entwicklung Grundschule scher«, in dem die Kinder mit einem Na- turerlebnispädagogen z. B. eine Vielzahl von Vogelnistkästen gebaut und auf dem Gelände verteilt haben. Neben den wichtigen, täglichen Na- turbegegnungen geht es uns als Schu- le auch um Naturbildung. Naturschutz braucht Menschen, die grundlegende Dinge über Vorgänge in der Natur wis- sen. Daher haben wir im Juni dieses Jah- res im Beisein von Umweltsenator Ker- stan auf unserem Schulhof eine große Wildbienen-Nisthilfe mit Infotafel auf- gestellt. Außerdem werden wir im Laufe des nächsten Schuljahres mehrere Lehr- tafeln auf dem Schulhof aufstellen, z. B. über Schmetterlinge und ihre Fraßpflan- zen. Das Kollegium ist bereits dabei, Ma- terial für sachunterrichtliche Vorhaben auf dem Schulhof zu erarbeiten, etwa zur Beobachtung von Insekten und Bestim- mung von Pflanzen. Abb. 1: Schülerinnen auf der Mitmachbaustelle Fazit: Kinder brauchen Natur – (auch) auf dem Schulhof! An den sechs Tagen wurden rund 3 000 Auf unserem Schulhof hat sich Grund- Beteiligung schaffen – heimische Wildpflanzen gesetzt und sätzliches getan: Es blüht an vielen Ecken mittels einer Mitmachbaustelle über 200 Tonnen Kies, Erde, Schotter über einen Großteil des Jahres – was ein- An der einwöchigen Mitmachbaustelle und Steine verteilt. fach das Herz erfreut! Nach einem Jahr waren im Frühsommer 2017 alle 1. bis ist bereits eine große Vielzahl an Tieren 4. Klassen, etwa ein Dutzend Freiwillige Naturbegegnungen und zu finden – was unseren Schülerinnen vom NABU Altona und vom Naturgarten Naturbildung verbinden und Schülern vielfältige Beobachtun- e. V. sowie viele Eltern beteiligt. Bei der Tatsächlich haben wir nicht alles gleich gen ermöglicht, z. B. eine Marienkäfer- Umgestaltung ging es im Wesentlichen komplett geschafft. Ein weiteres Beet larve in Verpuppung zum Käfer an einem um Folgendes: mit Trockenmauer entstand im Herbst Blatt oder Schmetterlinge bei der Paa- • In den bestehenden Beeten dominier- 2017 auf einer weiteren, diesmal drei- rung. Im Imkerkurs oder am transparen- ten wenige immergrüne, nicht heimi- tägigen Mitmachbaustelle. Bei dieser ten Schaukasten können unsere Kinder sche Pflanzen wie die Mahonie. Diese wurden von den Zweitklässlern außer- »hautnah« erleben, wie Bienen aussehen mussten wir mühsam roden, um an- dem über 2 700 Blumenzwiebeln gesetzt, und wie friedfertig diese Tiere sind, wenn schließend artenreiche Beete mit hei- so dass sie in diesem Frühjahr bereits man nur einige Regeln beachtet. mischen Wildpflanzen zu gestalten. die ersten Bienen und Falter beobach- • Daneben wurden sechs Hügelbeete mit ten konnten. Literatur Trockenmauern neu gestaltet. Auf Initiative des Elternrats wollen Raith, A./Lude, A. (2014): Startkapital • An zwei bisher wenig genutzten Flä- wir künftig jährlich eine neue Fläche na- Natur. Wie Naturerfahrung die kindliche chen wurde eine Wildblumenwiese an- turnah umgestalten, damit sich auch in Entwicklung fördert. München gelegt. Zukunft unsere Kinder mit dem Gelän- • Wir haben einen großen Spielhügel de identifizieren. Im kommenden Jahr aufgeschüttet, der aus einem Baum- ist aber erstmal der Schulhof an unse- stamm-Mikado und diversen Anpflan- rem kleineren Standort Ludwigstraße zungen besteht, in deren Schatten sich dran. Zudem wollen wir in unser Kurs- auch Wildblumen etablieren werden. programm, das unsere Zweit- bis Viert- • Im sog. Indianerdorf wurde ein Weiden- klässler an zwei Nachmittagen besuchen, Stefan Behr ist Umweltbeauftragter der gang angelegt, der im Laufe der Jahre noch mehr Naturbildungskurse aufneh- Ganztagsgrundschule Sternschanze. vergrößert und zum Tunnelgang wer- men. Bisher gibt es bereits einen Imker- Altonaer Straße 38, 20357 Hamburg den soll. kurs und einen Kurs »Junge Naturfor- stefan.behr@gtsstern.hamburg.de Hamburg macht Schule 3|2018 11
Thema Zukunftsfähig Denken Grundschule und Handeln Wie sich unsere Schule auf den Weg gemacht hat schulzeit bei uns erwerben, um die He- diese Richtungsklärung vorgenommen. Eine Schule beginnt damit, BNE zu rausforderungen der Zukunft zu meis- Das Leitbild wird künftig für alle Verän- thematisieren und im Alltag umzu- tern? Das Konzept der Initiative »Schu- derungen an unserer Schule maßgebend setzen. Beschrieben wird, wie ein le im Aufbruch« hilft uns, Antworten auf sein, was Auswirkungen auf den Unter- Impuls von außen als Anregung diese Fragen zu finden (siehe Abb. 1). richt, das Schulleben und die Zusammen- Wir wollen, dass die Kinder in viel- arbeit aller an unserer Schule beteiligten erfahren und zum Treiber eines fältigen Lernsituationen neben grund- Personen haben wird. Leitbild-Prozesses werden kann. legendem Wissen auch das Werkzeug Gestützt wird die Umsetzung des Leit- Wie ist es gelungen, vorhandene zum selbstgesteuerten Lernen erhalten bildes durch folgende drei Punkte: (Wissen erwerben). Sie sollen dazu be- • Offene Gestaltung des Entwicklungspro- Skepsis zu überwinden, offen über fähigt werden, Herausforderungen an- zesses: Wir sind davon überzeugt, dass Hindernisse zu sprechen, die Be- zunehmen sowie sich durch verantwor- Vernetzung erforderlich ist, um gesell- teiligten Schritt für Schritt davon tungsvolles Handeln aktiv ins Leben ein- schaftliche Veränderungen anzusto- zu überzeugen, dass sie diese Auf- zubringen (Handeln). Durch aktives Zu- ßen. Deshalb laden wir nicht nur ande- sammenleben sollen sich die sozialen re Schulen und Bildungseinrichtungen, gabe als die ihre annehmen? Fähigkeiten ausbilden, die zu friedlicher sondern auch Bürgerinnen und Bürger Konfliktlösung und gemeinschaftlicher im Stadtteil dazu ein, mit uns in einen »Ich lege meinen Stein zwischen WIS- Bewältigung der Zukunft erforderlich Dialog über zukunftsfähige Bildung zu SEN ERWERBEN und ZUSAMMEN LE- sind (Zusammen leben). Die Persönlich- treten. In diesem Sinne haben wir bis- BEN, weil es eigentlich zu beidem ge- keit der Kinder soll sich durch die Förde- lang zwei Themenabende im Themen- hört.« Die Kinder unserer Grundschule rung ihrer Stärken entwickeln. Sie sollen feld BNE organisiert. Die anregenden diskutieren im Schülerrat, wie das Ler- erleben, dass sie Situationen aus eigener Vorträge und die weiterführenden Dis- nen an ihrer Schule verbessert werden Kraft bewältigen können (Sein). kussionen haben uns ermutigt, die Rei- kann. In der Mitte befinden sich Plakate, he fortzuführen und für den Austausch auf denen die von der UNESCO ausge- Veränderung durch und die Vernetzung vor Ort zu nutzen. arbeiteten vier Säulen einer nachhaltigen Inspiration von außen • Weiterbildung zu innovativen Lernforma- Lernkultur – »Wissen erwerben«, »Han- Wie kam es dazu, dass wir heute die- ten: Hospitationen an anderen Schu- deln«, »Zusammen leben« und »Sein« – se Ziele verfolgen? Unser Veränderungs- len eröffnen Einblicke in andere Un- symbolisiert sind. prozess begann im Herbst 2017 mit ei- terrichtspraxen. Wir sind mittlerwei- Zurzeit erarbeiten alle an unserer nem Impulsvortrag, den Margret Ras- le Mitglied in einem Netzwerk »Schu- Schule beteiligten Personengruppen ein feld – Bildungsinnovatorin und Mitbe- le im Aufbruch Niedersachsen«, wo- neues Leitbild, das BNE einschließt. Ziel- gründerin von »Schule im Aufbruch«, durch wir mit Schulen im Austausch punkt ist dabei, die Kinder zu zukunfts- einem Akteur für die Umsetzung von sind, passgenaue Fortbildungen ange- fähigem Denken und Handeln zu befähi- BNE in Deutschland – an unserer Schu- boten bekommen und darüber hinaus gen, denn genau das bedeutet BNE (vgl. le hielt. Dadurch wurden wir vor allem weitere Unterstützung erhalten. Auch BNE-Portal). Dass die Schülerinnen und auf die globale Perspektive, die Notwen- innerhalb unseres Kollegiums hospitie- Schüler dabei zu Wort kommen, ist für digkeit und die Dringlichkeit der Umset- ren wir uns regelmäßig gegenseitig und uns völlig klar. zung von BNE gestoßen. An einem Work- lernen voneinander. Wir orientieren uns dabei an den vier shop-Tag entwickelten wir viele konkrete • Durchführung von Projektwochen: Im oben genannten Säulen sowie an den 17 Ideen für unsere Schule. Allerdings wur- Rahmen mehrerer Projektwochen zu Global Goals der UNESCO (siehe Einfüh- de auch deutlich, dass wir zunächst noch verschiedenen Themenkomplexen ha- rung). Wie können wir unseren Beitrag genauer die Richtung definieren mussten, ben wir unsere bisherigen Erkenntnis- dazu leisten, die globalen Ziele umzu- in die wir uns mit der ganzen Schule auf se zu BNE in den Unterricht einfließen setzen? Welche Kompetenzen sollen die den Weg machen wollen. In der Leitbild lassen und den Kindern das Lernen an- Schülerinnen und Schüler in ihrer Grund- erstellung des Schuljahres 17/18 wurde hand der vier UNESCO-Säulen ermög- 12 Hamburg macht Schule 3|2018
Bildung für nachhaltige Entwicklung Abb. 1: Konzept von Schule im Aufbruch Abb. 2: Der Schülerrat arbeitet am (Quelle: https://www.schule-im-aufbruch.de/was-ist-schule-im-aufbruch) neuen Leitbild der Schule licht (siehe oben). In diesen Wochen ha- munikationskultur setzen, die sich durch le ihr eigenes Vorgehen finden und es ben wir erprobt, wie wir das Lernen um- weitgehende Transparenz und Offen- gibt kein Rezept zur Umsetzung von BNE. gestalten können. heit auszeichnet. Im Kollegium sind wir Gleichzeitig führt kein Weg daran vorbei! viel miteinander im Gespräch und dis- Es gibt Hoffnung auf Veränderung, weil Aufbruch ohne akuten Druck kutieren auch Bedenken sehr offen und Lehrerinnen und Lehrer eigentlich sehr von außen, aber aus inhaltlicher grundsätzlich konstruktiv. Auf diese Wei- gut wissen, worauf es beim Lernen an- Notwendigkeit heraus se konnten wir innerhalb des letzten Jah- kommt. Dass dies mit unserem bestehen- res viele kleine Schritte gehen, wodurch den Schulsystem in vielen Punkten nicht Für Betrachter von außen ist es inter- auch wir Lehrpersonen viel gelernt ha- zusammenpasst, ist offensichtlich. Wir essant und manchmal sogar irritierend, ben. müssen jetzt beginnen, weil einfach nicht dass wir uns als Schule auf den Weg ge- Nach und nach sehen immer mehr Kol- mehr viel Zeit bleibt, die Herausforderun- macht haben, ohne dass wir es mussten. leginnen und Kollegen die Notwendigkeit gen in Angriff zu nehmen. Bis die Global Denn Vorgaben zur Umsetzung des Na- und den Sinn von BNE. Und auch wenn Goals 2030 umgesetzt sein sollen, sind tionalen Aktionsplans BNE werden erst in unserem weiteren Veränderungspro- es weniger als 4 200 Tage. 2019 vom Hamburger Senat als Druck- zess hin zu einer umfassenderen Umset- sache für die Hamburger Schulen verab- zung von BNE in der alltäglichen Praxis Literatur schiedet werden. Ob dieser aber in der noch vieles offen ist, steht eines fest: An Deutsche UNESCO-Kommission: konkreten Umsetzung und in der struk- unserer Schule gibt es keinen Weg mehr www.bne-portal.de turellen Verankerung an Schulen erfolg- zurück zum Alten. Zu den Gelingensbe- (Zugriff am 9.5.2018) reich sein wird, hängt entscheidend da- dingungen an unserer Schule gehören Pitro, S. (2018): Interview mit Margret von ab, ob die an Schule beteiligten Per- die Inspiration von außen durch »Schu- Rasfeld. »Wir brauchen einen System- sonen diese Aufgabe wirklich als die le im Aufbruch«, Beharrlichkeit bei den wechsel«. In: salto.bz ihre annehmen und die Notwendigkeit Personen, die den Prozess anleiten, und zur Veränderung der aktuellen Situati- eine starke Vernetzung durch die Zu- Weiterführendes Material on gesehen wird. sammenarbeit zwischen Schülerschaft, http://www.schule-im-aufbruch.de »Waren denn alle von Anfang an für Eltern und Kollegium sowie mit anderen https://www.schule-eberhofweg.de die Veränderung?«, werden wir oft ge- Institutionen. fragt. Wie auch in anderen schulischen Eine Veränderung der gesamten Schu- Entwicklungsprozessen gab es ein paar le im Sinne des »Whole School Approach« Menschen, die vorangegangen sind, wei- (siehe Einführung) ist erforderlich. Es tere, die sich inspirieren ließen, und vie- geht buchstäblich ums Ganze, sonst ist le, die erst einmal skeptisch oder gegen es nur Nachbesserung des Bestehenden Heidi Plöger ist didaktische Koordinatorin eine Veränderung waren. und führt nicht wirklich zu zukunftsfä- an der Schule Eberhofweg. Beim Umgang mit dieser Situation higem Denken und Handeln (vgl. Pitro Eberhofweg 63, 22415 Hamburg konnten wir auf eine gewachsene Kom- 2018). Wahrscheinlich muss jede Schu- heidi.ploeger@ebw.hamburg.de Hamburg macht Schule 3|2018 13
Thema Stadtteilschule »Bloß nicht noch ein Label!« Warum unsere Schule trotzdem »Faire Schule« ist Die »Faire Schule«: Unsere Arbeitsweise: Strukturen Wie kann das Zertifikat »Faire Stärkung von BNE stützen die Umsetzung von BNE Schule« dazu genutzt werden, BNE an der Schule umzusetzen? Vor einigen Jahren wurde die Idee der »Fai- Die Umsetzung von BNE braucht auch Die Auseinandersetzung mit dem ren Schule« an unsere Schule herangetra- eine strukturelle Verankerung. An unse- gen. Eine »Faire Schule« setzt sich für Ge- rer Schule nimmt sich die Entwicklungs- Zertifikat hat dazu geführt, die rechtigkeit ein und engagiert sich in drei gruppe (EG) »Faire Schule« für jedes BNE-Aktivitäten der Schule zu Bereichen: fair im Umgang miteinander, Schuljahr einen oder mehrere Schwer- bündeln und sichtbar zu machen. fair im Umgang mit Menschen weltweit, punkte mit BNE-Bezug vor, die un- fair im Umgang mit Umwelt und Klima. terstützt und dann, wenn möglich, in Beschrieben wird, wie eine Ent- Diese Zielsetzung erschien uns so relevant, das Curriculum eingebaut werden. Im wicklungsgruppe dazu beitragen dass sich eine kleine Gruppe von Kolle- Schuljahr 2017/2018 arbeitete die EG kann, diese Arbeit systematisch ginnen und Kollegen zusammensetzte und beispielsweise daran, die verschiede- fortzuführen und BNE an der nach eingehender Diskussion feststellte, nen Projekte, die dem Klimaschutz die- dass wir uns um der Sache und nicht um nen, in die Fachcurricula für den natur- Schule zu verstetigen. des Labels willen anstrengen wollten. Des- wissenschaftlichen Unterricht zu inte- halb erachteten wir es als sinnvoller, unse- grieren. Darüber hinaus ist die EG im- Mittwochnachmittag. Gesamtkonfe- re bereits vorhandenen Einzelaktivitäten mer Ansprechpartnerin für neue Vorha- renz. Fast alle gut einhundert Kollegin- zusammenzuführen, weil wir uns bereits ben, kann beratend hinzugezogen wer- nen und Kollegen sitzen in der Aula. Ein als »Faire Schule« sahen. den und bringt eigene Ideen in die Schul- langer Schulvormittag liegt hinter ihnen, Um dies den Kolleginnen und Kollegen entwicklung ein. Je häufiger Nachfragen die Woche ist erst zur Hälfte rum. Wir zu veranschaulichen, machten wir in einem bei der EG ankommen, desto erfolgrei- kennen das alle: In der Tasche sind zwei ersten Schritt eine Bestandsaufnahme. cher ist sie, denn dies belegt, dass die Stapel mit zu korrigierenden Klausuren, Wir sammelten alle Projekte, Vorhaben Kolleginnen und Kollegen davon wissen es muss noch dringend die eine Mutter und Aktivitäten und ordneten sie den drei und sich einbringen. Die EG berichtet zu- angerufen werden und eigentlich hätte Bereichen der »Fairen Schule« zu. Diese dem regelmäßig der Steuergruppe, wel- gestern schon die Einladung für die Ord- Übersicht und vor allem unsere Erkennt- che dafür sorgt, dass existierende EGs nungsmaßnahmekonferenz rausgemusst nis, bereits »Faire Schule« zu sein, präsen- nicht doppelt arbeiten. und, ach, die Einladung zum Elternabend tierten wir der Gesamtkonferenz. Mit de- Jedes Mitglied der EG »Faire Schule« muss ja auch noch geschrieben werden. ren Votum wurde eine Entwicklungsgrup- erhält dafür eine halbe Stunde wöchent- Vorerst aber zwei Stunden Entschleuni- pe gegründet, die den Auftrag erhielt, die liche Arbeitszeit. Die EG besteht aus gung in der Gesamtkonferenz. einzelnen Aktivitäten sichtbar zu machen sechs freiwilligen Mitgliedern, die inner- Ein Punkt der Tagesordnung heißt: und damit auch wertzuschätzen, gege- halb der Schule unterschiedliche Funk- »Faire Schule«. Was wollen die Kollegin- benenfalls zu bündeln und zu verstetigen. tionen innehaben: die Abteilungsleiterin nen und Kollegen denn jetzt schon wie- Mehrarbeit sollte ausdrücklich vermieden 5 – 7 als Vertretung der Leitungsgrup- der? Noch ein Label? Wir sind doch schon werden. Das Label »Faire Schule« war da- pe, der Verbindungslehrer und Koordi- »Sportbetonte Schule«, »Gesunde Schu- mit sozusagen ein Nebenprodukt. nator des »Fair Fight«-Projektes, die Kol- le« und »Schule ohne Rassismus« – und Im Laufe der Zeit erkannten wir immer legin, die das Landbaupraktikum in Jahr- das, obwohl mir auf Anhieb dutzende mehr, dass die »Faire Schule« die Idee gang 9 organisiert, der Kollege, der für Beispiele von Schülerinnen und Schü- von BNE unterstützt. Wir merkten, dass »Philosophieren und Naturwissenschaft« lern einfallen, die keinen Sport machen, eine systematische schulische Bildung verantwortlich ist, eine Sozialpädagogin die jeden Tag Zuckerwasser trinken und grundlegend für nachhaltige Entwick- für den Beratungsdienst und der Diver- Chips essen und die kein Problem damit lung ist. Mit der »Fairen Schule« stärken sity-Beauftragte. Diese Zusammenset- haben »Kurde«, »Jude« oder »Schwuch- wir genau diese Systematik, indem wir zung ermöglicht es uns bei den verschie- tel« als Beleidigung zu benutzen. Warum einzelne Projekte mit BNE-Bezug stär- denen Projekten in die Tiefe zu gehen, da also diese Label? Bringt doch eh nichts. ken, in der Schule verankern, auf brei- wir einen Überblick haben, welche Pro- Dieser Gedankengang ist nur zu ver- tere Schultern stellen und ihr Gelingen jekte zu unseren Schülerinnen und Schü- ständlich. Daher versuchten wir es an un- damit vom Engagement einzelner Kolle- lern passen und realistischerweise fest serer Schule ein wenig anders. ginnen und Kollegen weitgehend lösen. verankert werden können. 14 Hamburg macht Schule 3|2018
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