Virtual Reality wird zur Realität - media September 2016 19. Jahrgang, A 43668 - Deutsche TV-Plattform

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Virtual Reality wird zur Realität - media September 2016 19. Jahrgang, A 43668 - Deutsche TV-Plattform
pro                                                           > Sky baut Angebot weiter aus
                                                              > 28.600 YouTuber in Deutschland

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                                                              > 5G - mehr als ein Mobilfunkstandard

Das medienpolitische Magazin                        September 2016                19. Jahrgang, A 43668

IFA-Trends 2016:

                   Virtual Reality
                      wird zur
                       Realität

Axel Wintermeyer   Benjamin-I. Hoff   Anja Zimmer   Wolfgang Kopf   Andreas Bereczky   Carsten Schmidt   Thomas Kleist
© Sky UK

           Neu. Lebendig. Mutig. Bunt.
           Kunst aus jedem Blickwinkel. Sky Arts HD.
           Der neue Kunst- und Kultursender von Sky.   sky.de/skyarts
Editorial                                                  bereits einige Berichte von den Olympischen Spielen in Rio
                                                           in diesem neuen Format gesendet. Auch das Auftaktspiel
Das Fernsehen erhält eine neue Dimension: 360°. Mit        der neuen Bundesligasaison zwischen Bayern München
Virtual Reality wird schon seit längerem experimentiert.   und Werder Bremen wurde als weltweite Premiere live in
Nun scheint sowohl für das Fernsehen als auch für Games    Virtual Reality übertragen- allerdings nur für Zuschauer in
der Durchbruch bei Virtual Reality in Verbindung mit der   den USA und Kanada.
Rundumansicht für den Massenmarkt zu gelingen. Die         Virtual Reality wird sicher dem vor sich hin dümpelnden
Voraussetzungen dafür bieten zum einen die Kombination     3D Impulse verleihen und auch den Smartphones neue
mit einem Smartphone, was Aufwand und Kosten redu-         Anwendungsfelder eröffnen. Von dieser Technologie profi-
ziert, zum anderen 360°-Kamerasysteme, die mit vertret-    tieren aber nicht nur Gerätehersteller und Technologieent-
baren Investitionen räumliche Panoramabilder liefern und   wickler sondern auch Inhalteanbieter und Produzenten.
die Weiterentwicklung von UHD, also dem Nachfolger         Damit Virtual Reality schnell für viele Nutzer Realität
von High Definition Video (HD), das inzwischen Stan-       wird, setzt das aber den Ausbau des Internet-Festnetzes
dard für Fernsehübertragungen geworden ist. Als erster     und des Mobilfunknetzes voraus, denn die Abbildung des
TV-Anbieter wird Sky im Herbst einen UHD-Sender mit        virtuellen Raumes produziert riesige Datenmengen, die
Übertragungen von Fußballspielen starten. „Wir werden      transportiert werden müssen. Für Mobile ist 5G hierfür
schnellstmöglich weiteren Live-Sport sowie Filme und       die Antwort. Der zukünftige Standard, der eine 100 Mal
Serien nachziehen“, verspricht Sky-Deutschland CEO         höhere Datenrate als LTE ermöglicht. 5G ist nicht nur für
Carsten Schmidt in einem promedia-Gespräch in diesem       die Industrie 4.0 oder das „Internet der Dinge“ notwendig,
Heft. Sowohl das ZDF als auch RTL haben erste Sendun-      sondern auch für die Weiterentwicklung der Unterhal-
gen in 360° und Virtual Reality produziert. Das ZDF hat    tungsindustrie und der Medien.

Inhalt
                                                                        Impressum Chefredakteur: Helmut Hartung, v.i.S.d.P,
                                                                        Redaktion: Gabriele Hartung, Online
                                                                        Promedia Verlag, Leibnizallee 14, 99425 Weimar
                                                                        Telefon: 03643- 9063634, e-Mail: promediabb@t-online.de, www.promedia-berlin.de
                                                                        Druckerei Thiel Gruppe, Graf-von-Zeppelin-Straße 10a, 14974 Ludwigsfelde
                                                                        Preis des Jahresabonnements: 266,43 Euro inkl. Versand.
                                                                        Nächste Ausgabe: 26. September 2016
                                                                        Redaktionsschluss: 28. August 2016

      IFA-Trends 2016:                          4 Axel Wintermeyer (CDU), Staats-               33 Prof. Dr. Joachim Trebbe, Geschäfts-
      Virtual Reality wird zur Realität           minister und Chef der Hessischen                 führer GöfaK Medienforschung
                                                  Staatskanzlei                                    Reality dominiert im privaten Free-TV
 13 Wolfgang Kopf, Deutsche Telekom AG            Die Beitragsreform ist nicht gescheitert
    5G - weit mehr als ein neuer Mobil-                                                         35 Prof. Thomas Kleist, Intendant des
    funkstandard                                6 Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff,                Saarländischen Rundfunks (SR)
                                                  Chef der Staatskanzlei und Minister              Die ARD ist in der Pflicht,
 15 Markus von Böhlen, Telefónica                 in Thüringen                                     sich effektiver zu organisieren
    Deutschland                                   Thüringen ist gegen eine Senkung des
    Vom Handy zum Internet der Dinge              Rundfunkbeitrages                             38 Helfried Spitra, stellv. Fernsehdirektor
                                                                                                   des WDR
 16 Hans-Joachim Kamp,                                                                             ONE: Ein neues Spartenangebot für
                                                7 Dr. Anja Zimmer, Direktorin
    Aufsichtsratsvorsitzender der gfu                                                              Unterhaltung
    TV-Geräte sind und bleiben neutral            der MABB
                                                  MABB will Medienvielfalt                      39 Prof. Dr. Christian Zabel, Technische
 18 Andre Prahl, CBC/Mediengruppe                 national und lokal fördern                       Hochschule Köln und Prof. Dr. Sven
    RTL Deutschland                                                                                Pagel, Hochschule Mainz
    Deutsche TV-Plattform: Neue                10 Martin Heine, Direktor der                       Wer sind die Creators auf YouTube?
    Strukturen und neuer Vorstand                 Medienanstalt Sachsen-Anhalt
                                                  Mitteldeutsche Medienanstalten                40 Philipp Bernecker, Divimove
 19 Jürgen Sewczyk, JS Consult                    machen sich für DABplus stark                    MCNs wandeln sich zu vielseitigen
    Das TV wird persönlich                                                                         Bewegtbildproduzenten
                                               27 Volker Rieck, Geschäftsführer
 20 Holger Meinzer, Media Broadcast               von File Defense Service                      42 Christoph Krachten, Veranstalter der
    Neustart beim Digitalen Antennen-TV           Mit dem Fahrrad auf der Autobahn                 VideoDays
                                                                                                   Das Virtuelle wird zum Real Life
 22 Christian Weißig, Heinrich-Hertz-          29 Dr. Florian Drücke,
    Institut und Timm Lutter, Bitkom              Geschäftsführer des BVMI             44 Andreas Mauch, BurdaNews
    Virtual Reality ist in der Fernsehwelt        Eindeutige Rechtsnomen beim Urheber-    „TV Spielfilme“ wird zur
    angekommen                                    recht schaffen                          multimedialen Plattform

 25 Dr. Andreas Bereczky,                      31 Carsten Schmidt, CEO von                      46 Prof. Dr. Andreas Vogel, Universität
    Produktionsdirektor des ZDF                   Sky Deutschland                                  Bamberg
    Keine Pläne für einen                                                                          Zeitungen haben ein Image-Problem
                                                  Wir haben einen Meilenstein erreicht
    UHD-Regelbetrieb beim ZDF

                                                                                                        Inhaltsverzeichnis/Impressum pro media 9/2016 3
„Die Beitragsreform
ist nicht gescheitert“
Hessen tritt für Senkung des Rundfunkbeitrages ein
                                                                                                        Axel Wintermeyer
                                                                                                        Geboren: 1960
                                                                                                        Studium der Rechtswissenschaften
                                                                                                        Seit 1994 Rechtsanwalt
                                                                                                        Seit 1979 Mitglied der CDU
                                                                                                        Mitglied des Präsidiums und des
                                                                                                        Landesvorstandes der CDU-Hessen
                                                                                                        1999 – 2010 Abgeordneter des
                                                                                                        Hessischen Landtages
                                                                                                        2005 – 2010 Parlamentarischer
                                                                                                        Geschäftsführer der CDU-Fraktion
Interview mit Axel Wintermeyer (CDU), Staatsminister und Chef                                           im Hessischen Landtag
                                                                                                        Seit 2010 Staatsminister/ Chef der
der Hessischen Staatskanzlei                                                                            Staatskanzlei

Axel Wintermeyer, Chef der Hessischen Staatskanzlei, hält den KEF-Vorschlag, den Rundfunk-
beitrag um 30 Cent zu senken, „für nachvollziehbar“. Es stelle sich verfassungsrechtlich wie tat-
sächlich die Frage, ob die Länder dem Beitragszahler eine Senkung des Rundfunkbeitrags vor-
enthalten können. Trotzdem hält Wintermeyer es für „nicht verwunderlich“, wenn der Beitrag
mittelfristig wieder steigen müsse, zumal nach dem Finanzbedarf der Rundfunkanstalten bereits
ab 2017 wieder eine Erhöhung möglich gewesen wäre. Durch die Rücklage, in die die Mehrein-
nahmen aus dem Rundfunkbeitrag in den Jahren 2013 bis 2016 geflossen sind, sei das verhindert
worden. Die Länder wollen im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft zur Strukturoptimierung prü-
fen, ob eine längerfristige Rücklagenbildung durch die KEF möglich ist. Wintermeyer sprach sich
gegen eine Einstellung von DABplus aus Kostengründen aus.
promedia: Herr Wintermeyer, unter den        ist vor diesem Hintergrund nicht verwun-        greifenden Rücklagenbildung durch die
Ländern ist die Frage, ob der Rundfunk-      derlich. Eine solche Preisstabilität dürfte     KEF.
beitrag erneut gesenkt werden soll           es in den vergangenen Jahren in keinem
umstritten. Wohin tendiert Hessen?           anderen öffentlichen Bereich gegeben            promedia: Filmschaffende und Filmver-
Wintermeyer: Ich halte den Vorschlag         haben.                                          bände haben sich gegen eine Senkung
der KEF, den Rundfunkbeitrag um 30           Im Übrigen möchte ich darauf aufmerk-           ausgesprochen, weil das nach ihrer
Cent für die Beitragsperiode 2017 bis        sam machen, dass es nach dem dargeleg-          Ansicht zu einer deutlichen Verschärfung
2020 zu senken, für nachvollziehbar. Sie     ten Finanzbedarf der Rundfunkanstalten          des Kostendrucks in den Sendern führen
weisen allerdings zu Recht darauf hin,       bereits für die Beitragsperiode 2017 bis        und die bedarfsgerechte Finanzierung
dass einige Länder dazu neigen, auf eine     2020 zu einer Beitragserhöhung kommen           der Rundfunkanstalten und die Erfüllung
Beitragssenkung ganz zu verzichten. Eine     müsste. Dass dies nicht der Fall ist, ist auf   des Programmauftrags in der geforderten
Entscheidung über diese Themenfelder         den Umstand zurückzuführen, dass die            Qualität damit gefährden würde. Was
wird in der Ministerpräsidentenkonferenz     Rücklage, in die die Mehreinnahmen aus          halten Sie von diesem Argument?
im Herbst dieses Jahres erfolgen.            dem Rundfunkbeitrag in den Jahren 2013          Wintermeyer: Die KEF hat in ihrem 20.
                                             bis 2016 geflossen sind, auf den Finanzbe-      Bericht bereits einen zusätzlichen
promedia: Es gibt Meinungen, dass der        darf in der folgenden Beitragsperiode           Aufwand von insgesamt 253 Mio. Euro
Beitrag nicht abgesenkt werden solle, weil   2017 bis 2020 angerechnet wird.                 für die Jahre 2017 bis 2020 anerkannt,
sonst ab 2021 eine stärkere Erhöhung         Ergänzend möchte ich darauf hinweisen,          um die Einkommenssituation von
folgen könnte. Anscheinend sehen Sie         dass die Länder im Rahmen der Arbeits-          Urhebern und Produzenten zu verbes-
diese Gefahr nicht?                          gemeinschaft „Auftrag und Strukturopti-         sern. Ich gehe deshalb davon aus, dass
Wintermeyer: Zunächst sei der Hinweis        mierung der öffentlich-rechtlichen              hier bis auf Weiteres kein zusätzlicher
erlaubt, dass es seit dem Jahr 2009 keine    Anstalten“ prüfen, ob und inwieweit             Handlungsbedarf besteht.
Rundfunkgebühren- bzw. keine Rund-           solche längerfristigen, über eine Beitrags-
funkbeitragserhöhung mehr gegeben hat.       periode hinausreichenden Entwicklungen          promedia: Bei der ersten Empfehlung
Der Rundfunkbeitrag ist im Jahr 2015         im KEF-Verfahren zur Ermittlung des             der KEF für eine Senkung um 73 Cent
sogar um 48 Cent gesenkt worden. Dass        Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten             2014 haben sich die Länder für eine
es dann irgendwann – nach zwölf Jahren       berücksichtigt werden sollen, beispiels-        geringere Senkung ausgesprochen. Was
– wieder einmal nach oben gehen muss,        weise im Rahmen einer periodenüber-             ist heute anders als 2014?

4 Digitale Medienordnung pro media 9/2016
Wintermeyer: Im Jahr 2014 sind die           gegenüber dem Beitrag führen? Würde         gruppe „Auftrag und Strukturoptimie-
Länder übereingekommen, den Rund-            die Zahl der „Verweigerer“ sinken?          rung der Rundfunkanstalten“ eingesetzt.
funkbeitrag lediglich um 48 Cent zu          Wintermeyer: Für den einzelnen Bei-         Was ist das Ziel dieser Arbeitsgruppe?
senken und die Beitragsmehreinnahmen         tragszahler fällt eine Reduzierung des      Wintermeyer: Die Arbeitsgemeinschaft
in eine Rücklage einzustellen, die den       Rundfunkbeitrags um 30 Cent nicht so        „Auftrag und Strukturoptimierung der
Rundfunkanstalten für den Zeitraum           sehr ins Gewicht. Es wäre daher vermes-     öffentlich-rechtlichen Anstalten“ unter-
2013 bis 2016 nicht zur Verfügung stand.     sen zu glauben, dass durch eine Beitrags-   sucht unter Einbeziehung der öffentlich-
Nach Abschluss des Evaluierungsverfah-       senkung aus „Beitragsverweigerern“          rechtlichen Rundfunkanstalten, wie der
rens sollten diese Gelder mögliche           Verfechter des neuen Finanzierungssys-      öffentlich-rechtliche Rundfunk in den
Korrekturen am Regelwerk des Rund-           tems werden, das die Länder mit dem         Jahren ab 2020 aufgestellt sein muss,
funkbeitragsstaatsvertrages finanziell       Rundfunkbeitragsstaatsvertrag eingeführt    damit er seinen verfassungsmäßigen
absichern. Darüber hinaus war nach der       haben. Die Akzeptanz des Rundfunkbei-       Auftrag zu für den Beitragszahler verträg-
Umstellung auf Beiträge zum damaligen        tragsfinanzierungssystems hängt nicht       lichen Bedingungen adäquat erfüllen
Zeitpunkt noch nicht klar, ob sich die       allein davon ab, ob der Rundfunkbeitrag     kann. Vor diesem Hintergrund werden
Prognosen über die künftige Entwicklung      um 30 Cent gesenkt wird oder nicht. Es      die Regierungschefinnen und Regierungs-
des Beitragsaufkommens erhärten              stellt sich vielmehr verfassungsrechtlich   chefs der Länder auf ihrer Jahreskonfe-
würden. Heute wissen wir mehr über die       wie tatsächlich die Frage, ob die Länder    renz über mögliche Themenfelder zu
Entwicklung der Beitragseinnahmen im         dem Beitragszahler eine Senkung des         entscheiden haben, die Gegenstand
Zeitraum 2013 bis 2016. Insoweit ist die     Rundfunkbeitrags vorenthalten können,       weiterer Untersuchungen sein werden.
damalige Situation nicht vergleichbar mit    für die sich die KEF nach Überprüfung       Die Beratungen hierzu stehen jedoch erst
der Gegenwart, in der die Länder vor der     und Feststellung des Finanzbedarfs der      am Anfang.
Entscheidung stehen, für den Zeitraum
2017 bis 2020 den Rundfunkbeitrag um                                                     promedia: Wäre es sinnvoll, DABplus zu
30 Cent zu senken.                              „Eine solche                             reduzieren oder ganz aufzugeben, um
                                                Preisstabilität                          damit Kosten für die ARD in Millionen-
promedia: Die Zahl der Beitragsverwei-                                                   höhe zu sparen?
gerer scheint - Zeitungsberichten zufolge       dürfte es in den                         Wintermeyer: Die terrestrischen Mög-
- trotz Mahnverfahren und Pfändungen
zuzunehmen. Ist das Ziel der Länder, mit
                                                vergangenen                              lichkeiten bei UKW sind erschöpft, neue
                                                                                         Wettbewerber haben mangels verfügbarer
der Beitragsreform auch mehr Einzahler-         Jahren in keinem                         Frequenzen kaum noch Chancen, in den
gerechtigkeit zu erreichen, gescheitert?                                                 Radiomarkt einzutreten. Die Umstellung
Wintermeyer: Die Beitragsreform ist             anderen öffent-                          auf DABplus verfolgt daher langfristig das
nicht gescheitert. Das Gegenteil ist der        lichen Bereich                           Ziel, UKW als terrestrischen Übertra-
Fall: Das bis Ende 2012 geltende geräteab-                                               gungsweg abzulösen.
hängige Finanzierungssystem wäre auf            gegeben haben.“                          Für den Hörer eröffnen sich aus der
Dauer nicht mehr zukunftsfähig gewesen.                                                  Umstellung auf DABplus neue Möglich-
Wegen der Möglichkeit, sich der Rund-                                                    keiten: Für ihn verbessert sich die
funkgebührenpflicht zu entziehen, hatte      öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten    Empfangsqualität der ausgestrahlten
das alte Rundfunkgebührenmodell zu           ausgesprochen hat.                          Programme; darüber hinaus wird er auf
einem strukturellen Erhebungs- und                                                       ein größeres Angebot an verschiedenen
Vollzugsdefizit geführt. Vor diesem          promedia: Die Altersversorgung der ARD      Sendern zugreifen können. Vor diesem
Hintergrund leistet die Neuregelung der      ist ebenfalls von der KEF kritisch ange-    Hintergrund stellt sich eher die Frage, ob
Rundfunkfinanzierung durch den               sprochen worden. Zwar haben die ARD         bei einer ausreichenden Marktdurchdrin-
Rundfunkstaatsvertrag einen wesentli-        und das Deutschlandradio die entspre-       gung mit DABplus-Empfangsgeräten ganz
chen Beitrag zu mehr Beitragsgerechtig-      chenden Verträge gekündigt, aber damit      auf eine UKW-Ausstrahlung verzichtet
keit.                                        ist das Problem anscheinend nicht gelöst.   werden sollte. Von der damit verbunde-
Auch die von Ihnen angesprochene             Sollte man einen radikalen Schnitt          nen Kostenersparnis profitiert auch der
Durchführung von Vollstreckungsverfah-       machen und sollten die Länder die           Rundfunkbeitragszahler.
ren bei bestandskräftigen Beitragsbe-        Versorgungsleistungen bis zu einem
scheiden dient in diesem Zusammenhang        Stichtag übernehmen, damit die Sender       promedia: Das Verfassungsgericht achtet
der Durchsetzung von Beitragsgerechtig-      hierfür nicht noch mehr Beitragsgeld        sehr sorgfältig darauf, dass sich die Länder
keit. Dabei ist ein Sondereffekt zu          aufwenden müssen?                           nicht in die Programmhoheit der Sender
berücksichtigen: Aufgrund des durchge-       Wintermeyer: Angesichts der in vielen       einmischen. Wie groß ist der Spielraum
führten einmaligen Datenabgleichs im         Ländern vereinbarten Schuldenbremsen        der Länder für weitere Reformen?
privaten Bereich konnten in diesen Jahren    räume ich einer solchen Sonderfonds-        Wintermeyer: Die Arbeitsgemeinschaft
3,6 Mio. neue Beitragskonten (insbeson-      lösung in Länderhand keine Realisie-        „Auftrag und Strukturoptimierung der
dere für Schwarzhörer und Schwarzseher)      rungschance ein. Sie dürfte auch im         öffentlich-rechtlichen Anstalten“ zielt nicht
eingerichtet werden. Bei einer nicht         Hinblick auf das von Verfassungs wegen      vorrangig auf die Einsparung von Pro-
unerheblichen Zahl davon mussten die         garantierte Gebot der Staatsferne proble-   grammen. Im Vordergrund der Beratun-
Rundfunkanstalten wegen fehlender            matisch sein, das eine Alimentation des     gen stehen vielmehr z.B. die Ermittlung
Zahlungseingänge Vollstreckungsmaß-          öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch      von Synergieeffekten in der Zusammenar-
nahmen ergreifen.                            den Staat verbietet.                        beit der Rundfunkanstalten untereinander,
                                                                                         die Nutzung der Chancen, die sich aus der
promedia: Würde eine Absenkung zu            promedia: Die Länder haben - wie Sie        Digitalisierung ergeben, sowie eine Moder-
mehr Akzeptanz in der Bevölkerung            eben auch erwähnt haben - eine Arbeits-     nisierung des KEF-Verfahrens.

                                                                                                   Digitale Medienordnung pro media 9/2016 5
„Keinen Jo-Jo-Effekt“
Thüringen ist gegen eine Senkung des Rundfunkbeitrages
                                                                                                              Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff
                                                                                                              Geboren: 1976
                                                                                                              1996 - 2001Studium der Sozialwissen-
                                                                                                              schaften
                                                                                                              2006 - 2011 Staatssekretär für Ge-
                                                                                                              sundheit im Senat von Berlin
                                                                                                              Seit Juni 2010 Honorarprofessor an
                                                                                                              der Alice-Salomon-Hochschule
                                                                                                              2012 - 2013 Rektor der BEST-Sabel
                                                                                                              Hochschule Berlin
Interview mit Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff (Die Linke),                                                   2013 - 2014 Geschäftsführender
                                                                                                              Gesellschafter (CEO) der MehrWert-
Chef der Staatskanzlei und Minister für Kultur, Bundes- und                                                   Consult - Strategieberatung
Europaangelegenheiten Thüringens                                                                              Seit Dez. 2014 Minister für Kultur, und
                                                                                                              Chef der Staatskanzlei Thüringens

Das rot-rot-grün regierte Thüringen gehört zu den Bundesländern, die sich gegen eine Absenkung des
Rundfunkbeitrages aussprechen. „Eine Absenkung des Rundfunkbeitrages“ so der Thüringer Medienminis-
ter Hoff , „würde die Akzeptanz kaum erhöhen, da sie nur Symbolwert hätte. Nur eine langfristige Bei-
tragsstabilität, wie wir sie anstreben, wird zu verstärkter Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für den
Rundfunkbeitrag führen.“ Eine moderate Steigerung ab 2021 wäre für Thüringen sogar hinnehmbar.
promedia: Herr Hoff, Sie haben beim              Ressentiments, vermeintlichen Kampf               Rundfunks in Einklang mit den finanziellen
Medientreffpunkt Mitteldeutschland erklärt,      gegen Zwangsabgabe mit dem gefährlichen           Herausforderungen gebracht werden.
dass Thüringen gegen eine Absenkung des          Vorwurf ‚Lügenpresse‘ zu verknüpfen.
Rundfunkbeitrages um 30 Cent ist. Bleiben        Dagegen hilft keine Beitragssenkung, die          promedia: Der KEF-Vorsitzende Dr. Heinz
Sie bei dieser Meinung?                          letztlich nur als Rechtfertigung für die          Fischer-Heidlberger hat in einem promedia-
Hoff: Ich spreche mich auch weiterhin gegen      falsche Argumentation von AfD, PEGIDA             Interview gesagt: „Die Länder wollen
eine nochmalige Senkung des Rundfunkbei-         und sogenannten Reichsbürgern ist.                möglichst lange Beitragsstabilität sichern.
trags aus. Aus meiner Sicht sollten die                                                            Um das auch für 2021 bis 2024 zu erreichen,
Überschüsse erneut in eine Rücklage              promedia: Die Zahl der Beitragsverweigerer        müssten strukturelle Einsparungen und
einfließen. Diese Rücklage könnte zur            scheint – Zeitungsberichten zufolge – trotz       Aufwandsreduzierungen in einer Größen-
übernächsten Beitragsperiode ab 2021             Mahnverfahren und Pfändungen zuzuneh-             ordnung über 2,5 Mrd. hinaus erreicht
aufgelöst werden mit der Folge, dass der         men. Ist das Ziel der Länder, mit der             werden“. Halten Sie es für machbar, dass die
Rundfunkbeitrag 2021 nach Prognose der           Beitragsreform auch mehr Einzahlergerech-         Arbeitsgruppe Einsparungen in einer
KEF nicht auf 19,40 Euro, sondern „nur“ auf      tigkeit zu erreichen, gescheitert?                solchen Größenordnung ermitteln könnte?
19,10 Euro steigen müsste. Im Interesse einer    Hoff: Evidenzbasierte Aussagen zur Zahl der       Hoff: Einsparungen in dieser Größenord-
längerfristigen Beitragsstabilität könnte ein    Beitragsverweigerer liegen mir nicht vor.         nung sind nicht auszuschließen, stellen aber
Jo-Jo-Effekt auf diese Art vermieden bzw.        Festzuhalten bleibt, der Rundfunkbeitrag hat      nicht das vorrangige Ziel der Arbeitsgruppe
abgemildert werden.                              zu erheblich mehr Beitragsgerechtigkeit           dar. Der Rundfunkbeitrag ist seit 2009 stabil
                                                 geführt, da es bei der vormaligen Rundfunk-       und wurde sogar bereits einmal gesenkt.
promedia: Würde eine Absenkung nicht zu          gebühr deutlich einfacher war, sich der           Eine moderate Steigerung ab 2021 wäre
mehr Akzeptanz in der Bevölkerung                Zahlungspflicht zumindest zeitweise zu            demnach hinnehmbar. Insbesondere im
gegenüber dem Beitrag führen?                    entziehen. Unsere Aufgabe besteht darin, für      Hinblick darauf, dass Einsparungen
Hoff: Eine Absenkung des Rundfunkbeitra-         die Akzeptanz qualitativ hochwertigen             keinesfalls zur Gefährdung einer unabhängi-
ges würde die Akzeptanz kaum erhöhen, da         öffentlichen Rundfunks zu werben. Die             gen und qualitativen Berichterstattung
sie nur Symbolwert hätte. Nur eine langfristi-   Anstalten müssen diese Qualität nachweisen.       führen dürfen.
ge Beitragsstabilität, wie wir sie anstreben,
wird zu verstärkter Akzeptanz der Bürgerin-      promedia: Die Länder haben eine Arbeits-          promedia: Das Verfassungsgericht achtet
nen und Bürger für den Rundfunkbeitrag           gruppe „Auftrag und Strukturoptimierung           sehr sorgfältig darauf, dass sich die Länder
führen.                                          der Rundfunkanstalten“ eingesetzt. Welche         nicht in die Programmhoheit der Sender
Ich sehe derzeit vor allem politische            Erwartungen hat Thüringen an diese                einmischen. Wie groß ist der Spielraum der
Akteure, darunter die AfD und PEGIDA,            Arbeitsgruppe?                                    Länder für weitere Reformen?
die unter der Vorspiegelung, die GEZ-            Hoff: Ziel der AG ist es, den öffentlich-recht-   Hoff: Der Spielraum der Länder ist gerade
Beiträge würden fortbestehen etc. und            lichen Rundfunk modern und zukunftssi-            so groß, wie das Bundesverfassungsgericht
anderer falscher Sachverhalte versuchen,         cher zu aufzustellen, auch um dessen              ihn definiert. D.h. Eingriffe in die Pro-
Vorbehalte gegenüber dem öffentlichen            Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen.          grammautonomie sind nicht erlaubt. Sehr
Rundfunk zu mobilisieren. Durchaus               Daneben sollen die Interessen der Beitrags-       wohl aber kann beispielsweise der Auftrag
geschickt wird hier im Sinne der Tea-Par-        zahler an einer weiterhin sozialverträglichen     für bestimmte Programme zurückgenom-
ty-Bewegung versucht, antistaatliche             Finanzierung des öffentlich-rechtlichen           men oder verändert werden.

6 Digitale Medienordnung pro media 9/2016
„Es wird komplexer“
MABB will Medienvielfalt national und lokal fördern –
DABplus aber nicht unbedingt
                                                                                                        Dr. Anja Zimmer
                                                                                                        Studium der Rechtswissenschaften
                                                                                                        Tätigkeit beim Auswärtigen Amt und
                                                                                                        der LfM NRW
                                                                                                        2000 - 2004 Rechtsanwältin
                                                                                                        2004 - 2007 Senior Manager Go-
                                                                                                        vernment Relations der Telekom
                                                                                                        2008 - 2009 Partnerin in der Rechts-
                                                                                                        anwaltssozietät Beiten Burkhardt
                                                                                                        2009 - 2016 Geschäftsführerin des
                                                                                                        DJV in NRW
Interview mit Dr. Anja Zimmer, Direktorin der Medienanstalt                                             Seit März 2016 Direktorin der MABB
Berlin-Brandenburg (MABB)

Dr. Anja Zimmer ist seit März 2016 Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Auf
die Medienrechtlerin, die sich intensiv auch mit dem Telekommunikationsrecht befasst hat, ruhen in
der Hauptstadt und in Brandenburg viele Hoffnungen und Erwartungen. Mehr als 1 ½ Jahre hatte
die Suche nach einem Nachfolger von Dr. Hans Hege gedauert. Zulange für die sich dynamisch entwi-
ckelnde Medienregion. Der Fokus der Arbeit der Landemedienanstalten werde sich verlagern müssen,
so Anja Zimmer in einem promedia-Gespräch. „Es müssen Regulierungsansätze gefunden werden, die
auch auf die großen, die internationalen Player der digitalen Welt angewendet werden können. Im
Internet ist Vielfaltssicherung schließlich ein ebenso wichtiges Thema wie in der analogen Welt.“ Die
Medienanstalten müssten prüfen, ob diskriminierungsfreier Zugang zu Medien und Chancengleich-
heit gewährleistet sind. „Denn Diskriminierungsfreiheit – beispielsweise bei der Gestaltung elektroni-
scher Programmführer (EPG) – führt nicht zwingend zu einer guten Auffindbarkeit von Inhalten.“

promedia: Frau Zimmer, die Landesme-           zum Beispiel nicht unbedingt, dass die      einbringen und wichtige Hilfe leisten
dienanstalten stehen – geht man von            Angebote auch alle gleich gut gefunden      können.
zahlreichen Debatten aus – anscheinend         werden. Denn auch im Internet gibt es
zur Disposition. Fühlen Sie sich nicht wie     Gatekeeper: Intermediäre wie Google und     promedia: Ist es aufgrund der techni-
auf einem Schleudersitz?                       Facebook, die einerseits Zugang zu          schen Entwicklung zwangsläufig, auch in
Zimmer: Ganz und gar nicht. Die                Inhalten schaffen, nehmen andererseits      Deutschland eine nationale Medienauf-
Debatte um die Abschaffung der Medien-         Einfluss auf die Auswahl der Suchergeb-     sicht und Regulierung zu etablieren?
anstalten ist wohl so alt wie die Medien-      nisse. Mit Hilfe (selbstlernender) Algo-    Zimmer: Wo Abstimmungsbedarf
anstalten selbst. Damals wie heute ist klar,   rithmen, deren Kriterien wir nicht          besteht, stimmen wir uns bereits jetzt ab.
warum sie geführt wird. Und gleichzeitig       kennen, bestimmen sie, was die Nutzer in    Die Existenz der gemeinsamen Ge-
bleibt sie unverständlich. Denn die Arbeit     welcher Reihenfolge angezeigt bekom-        schäftsstelle und die gemeinsamen
der Medienanstalten war schon immer            men. Dabei dürfen wir nicht vergessen,      Gremien ZAK, KJM und KEK verdeutli-
wichtig und sie ist es heute genauso wie       dass diejenigen, die die Algorithmen        chen das: In Fragen der Zulassung und
vor zwanzig Jahren.                            programmieren lassen, natürlich auch        der Aufsicht über bundesweit sendende
Die aktuellen Herausforderungen der            eigene Interessen haben. Beispielsweise     Veranstalter arbeiten wir in der ZAK eng
Medienwelt führen aber auch zu Verände-        das Interesse, den Nutzer möglichst lange   zusammen. In der KJM überwachen wir
rungen bei den Medienanstalten. Der            auf eigenen Seiten zu halten, um damit      die Einhaltung der Richtlinien des
Fokus unserer Arbeit wird sich verlagern       möglichst viele Daten über ihn und sein     Jugendmedienschutzstaatsvertrags. Und
müssen. Für mich ist das eine Chance           Verhalten zu gewinnen und möglichst viel    die KEK sorgt dafür, dass kein Unterneh-
und keine Bedrohung. Es müssen                 Werbung platzieren zu können. Aus           men vorherrschende Meinungsmacht
Regulierungsansätze gefunden werden,           diesem Grund wird aktuell wieder            erlangt. Aber, wem sag ich das, die
die auch auf die großen, die internationa-     verstärkt über eine Ethik für Algorithmen   Arbeitsweise der Medienanstalten ist ja
len Player der digitalen Welt angewendet       diskutiert. Das zeigt, wenn auch noch       bekannt, sie hat sich gut bewährt und
werden können. Im Internet ist Vielfalts-      recht vage, das wir eine neue Regulie-      etabliert.
sicherung schließlich ein ebenso wichti-       rungspraxis brauchen. Transparenz und       Neben diesen überregionalen Aufgaben
ges Thema wie in der analogen Welt.            Diskriminierungsfreiheit allein reichen     gibt es gleichzeitig auch viele, die lokal
Zwar gibt es im Netz ausreichend Platz         wahrscheinlich nicht mehr. Es wird          gelöst werden müssen. Sie setzen voraus,
für alle Angebote – ein Zustand, von dem       komplexer. Ich denke, dass die Medienan-    dass man sich in der Region auskennt
wir in der Welt der Frequenzen nur             stalten ihre langjährigen Erfahrungen in    und über die Bedürfnisse der Menschen,
träumen konnten –, das bedeutet aber           diesen Weiterentwicklungsprozess            die hier leben, Bescheid weiß. Ich denke

                                                                                                    Digitale Medienordnung pro media 9/2016 7
dabei beispielsweise an die Förderung        Zimmer: Die Sicherung von Medienviel-        dienanstalten dazu beitragen können. Ich
lokaler Initiativen wie Freifunk oder an     falt bleibt eine wichtige Aufgabe. Die       setze mich für die Förderung von Innova-
unsere vielen Projekte im Bereich            Medienanstalten müssen prüfen, ob            tionen und (Lokal-)Journalismus ein. In
Medienkompetenz. Ich denke an das            diskriminierungsfreier Zugang zu Medien      unserem Medieninnovationszentrum
Thema Lokal-TV oder lokales Radio und        und Chancengleichheit gewährleistet          (MIZ) in Potsdam-Babelsberg fördern wir
die Frage, wie der Lokaljournalismus in      sind. Dieser Auftrag muss in meinen          innovative Formatideen und Medienkom-
Zukunft aussieht und wie er finanziert       Augen erweitert werden: Denn Diskrimi-       petenz an den Schnittstellen von TV,
werden kann.                                 nierungsfreiheit – beispielsweise bei der    Radio und Online-Medien. Und in der
                                             Gestaltung elektronischer Programmfüh-       Electronic Media School (ems), die wir
promedia: Wie sollte der Kooperations-       rer (EPG) – führt nicht zwingend zu einer    gemeinsam mit dem rbb eingerichtet
oder auch Integrationsprozess bei den        guten Auffindbarkeit von Inhalten.           haben, bilden wir den journalistischen
Landesmedienanstalten weitergehen?           Schnell liegen Lokales oder Nachrichten-     Nachwuchs crossmedial aus. Mit all
Zimmer: Wie gesagt, halte ich die            angebote irgendwo auf Platz 200 plus,        unseren Projekten und Einrichtungen
Zusammenarbeit der Medienanstalten           kurz vor den Erotikangeboten. Ohne           möchte ich die digitale Medienkompe-
untereinander für weitgehend geregelt.       Frage ist die Einspeisung auf diesem Platz   tenzförderung voranbringen. Die Unter-
Die gemeinsame Aufsichtstätigkeit            diskriminierungsfrei, denn der Kabel-        stützung von ALEX Berlin als Ausbil-
funktioniert gut und sollte deswegen         netzbetreiber hat ein System gefunden: Er    dungs- und Ereignissender und
auch weiter so laufen. Landesspezifische     bildet Gruppen und sortiert sie in einer     crossmedialer Partizipations- und
Angebote und Projekte können ja schon        ihm passenden Reihenfolge. Die Gruppen       Kreativplattform ist mir dabei ein beson-
allein wegen der unterschiedlichen           „Nachrichten“ und „Lokales“ sind dabei       deres Anliegen. Denn hier können
Mediengesetze der Bundesländer nicht         leider nach hinten gerutscht… Dass ein       Nachwuchsmedienmacher ihre Ideen
einfach in einer generell überregionalen     Zuschauer hier aber zufällig vorbeizappt,    ausprobieren und sichtbar machen.
Zusammenarbeit aufgehen. Mal abgese-         ist unwahrscheinlich. Und damit ist die
hen von den eben geschilderten regiona-      Auffindbarkeit nicht mehr wirklich           promedia: Sie haben kürzlich gesagt:
len Kenntnissen, die in meinen Augen für     gleichmäßig gegeben. Und das ist gerade      „Noch bis Mitte Juli bleibt Zeit, sich für
die professionelle, strukturierte und        dann kein befriedigendes Ergebnis, wenn      die Sicherung von Netzneutralität einzu-
erfolgreiche Projektförderung notwendig      wir aktuell wieder darüber sprechen, wie     setzen. Das versuchen wir mit den uns zur
sind. Der Erfolg, den die von den            wichtig es ist, Menschen mit glaubwürdi-     Verfügung stehenden Mitteln.“ Was
einzelnen Medienanstalten geförderten        gen Informationen und Nachrichten zu         konnten die Landesmedienanstalten bei
Projekte haben, spricht dabei für sich.      versorgen.                                   diesem europaweiten Prozess, der von der
Für Berlin und Brandenburg erinnere ich      Auch bei den Einspeiseentgelten sehe ich     BEREC gesteuert wird, noch beeinflussen?
da gerne an das Engagement der MABB          weiteren Regulierungsbedarf. Theoretisch     Zimmer: Die Medienanstalten haben ein
– damals noch unter der Leitung meines       gilt hier Diskriminierungsfreiheit.          Positionspapier zur Netzneutralität
Vorgängers Hans Hege –, das notwendige       Praktisch haben wir drei starke Sender-      veröffentlicht, für das beispielsweise auch
Weiterentwicklungen der Übertragung          gruppen, gegen die es kleinere Sender bei    der Auftritt von Prof. Dr. Barbara van
von Medieninhalten ermöglicht hat: Zum       der Vertretung ihrer Interessen schwer       Schewick auf der diesjährigen Media-
Beispiel an die Förderung des Pilotpro-      haben. Wir brauchen eine Regulierung,        Convention Berlin, die die MABB
jekts Public WiFi. Bereits 2012 wurden       die die kleineren Player unterstützt. Und    gemeinsam mit dem Medienboard
dabei über 100 öffentliche WLAN-Hot-         das muss eine Regulierung sein, die über     Berlin-Brandenburg und in enger Partner-
spots in Berlin und Potsdam mit Vodafo-      ausreichend Mittel zur Durchsetzung          schaft mit der re:publica veranstaltet hat,
ne/Kabel Deutschland eingerichtet, die       ihrer Forderungen verfügt.                   wichtige Impulse gegeben hat. Es bleibt
bis heute in Betrieb sind. Oder an die       Ganz neue Fragen stellen sich im Inter-      abzuwarten, ob und wenn ja, was BEREC
Freifunk-Förderung der MABB: Über            net, hier stehen wir vor besonderen          daraus in seine Leitlinien aufnimmt. Ende
600 Hotspots stehen im Berliner und          Herausforderungen. Zentral ist das           August werden diese veröffentlicht.
Potsdamer Stadtgebiet zur Verfügung.         Thema „Netzneutralität“. Derzeit wird es
Und natürlich an die Einführung von          vor allem unter telekommunikations-          promedia: Warum ist Ihnen die Netzneut-
DVB-T, die 2002 in Berlin-Brandenburg        rechtlichen Aspekten diskutiert. Dabei       ralität in Ihrer Funktion als Direktorin
begonnen hat.                                wird es gerade für die Medien von großer     einer Landesmedienanstalt so wichtig?
Selbstverständlich soll das nicht heißen,    Bedeutung sein. Fragen zu einem Internet     Zimmer: Netzneutralität betrifft ganz
dass wir nicht auch in der Gemeinschaft      der zwei Klassen stehen im Raum: Sollen      entscheidend die Frage, wie wir Vielfalt
der Medienanstalten spannende Projekte       Inhalteanbieter zahlen müssen, wenn ihr      erhalten wollen. Die Medienanstalten
voranbringen können, im Gegenteil.           Angebot schneller, über eine Überholspur     setzen sich für Medien- und Meinungs-
Auch in Zukunft sehe ich Kooperations-       zum Nutzer gelangen soll? Wer entschei-      vielfalt ein. Wir kümmern uns darum,
möglichkeiten beispielsweise bei digitalen   det, wie datenintensive Audio- und           dass Nutzer Informationen auf vielfältigen
Themen oder bei Veranstaltungen. Ich         Videostreams übertragen werden? Und          Wegen erhalten und dass sie allen glei-
möchte die erfolgreiche Arbeit der MABB      wird die Nutzung dieser Streams auf das      chermaßen zugänglich sind. Das Internet
sowohl in der Zusammenarbeit mit             Datenvolumen des Nutzers angerechnet?        spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die
meinen Kolleginnen und Kollegen der          Hier ist noch einiges zu tun.                Menschen informieren sich online über
DLM als auch hier vor Ort in Berlin und                                                   aktuelle Entwicklungen und Neuigkeiten,
Brandenburg mit unseren Projektpart-         promedia: Wo setzen Sie darüber hinaus       rufen audiovisuelle Medienangebote
nern, den Ländern und natürlich mit          die Schwerpunkte für Ihre Arbeit?            online ab. Damit alle Informationen und
meinem Team weiterführen.                    Zimmer: Neben meinem Einsatz für eine        Meinungen, alle Medieninhalte gleicher-
                                             zeitgemäße Medienregulierung konzent-        maßen schnell und in guter Qualität beim
promedia: Wo sehen Sie überhaupt noch        riere mich auf die Frage, wie die Technik    Nutzer ankommen, brauchen wir ein
oder neu Regulierungsbedarf?                 der Zukunft aussieht und was die Me-         leistungsfähiges, offenes Internet. Daten

8 Digitale Medienordnung pro media 9/2016
müssen neutral, also unabhängig von            wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Ein         Public WiFi haben wir z. B. auch ein
Inhalt, Sender und Empfänger übertragen        wichtiges Thema ist dabei die nationale        Medienportal eingerichtet, das über die
werden. Einzelne Angebote sollen dabei         Vermarktung: Leider ist einigen kleineren      100 öffentlichen WLAN-Hotspots
nicht bevorzugt, es sollen keine sogenann-     Veranstaltern der Zugang zur nationalen        erreichbar ist. Die im Medienportal zur
ten „Spezialdienste“ geschaffen werden.        Vermarktung bisher verwehrt geblieben.         Verfügung stehenden Inhalte sind
Auch audiovisuelle Medieninhalte, die          Gerade diese Veranstalter sind allerdings      unbegrenzt abrufbar. Nutzer können so
meist große Datenmengen erzeugen,              besonders wichtig für die Vielfalt einer       ohne Limit regionales Radio hören, lokale
müssen von allen Nutzern uneinge-              Medienregion, unserer Medienregion in          Nachrichten lesen und aktuelle TV-Nach-
schränkt empfangen werden können. Das          Berlin und Brandenburg. Hier wünsche           richten schauen. Audiovisuelle Medien,
ist Voraussetzung für Meinungsvielfalt         ich mir ein Level-Playing-Field und            die besonders datenintensiv sind, können
und damit für die freie Meinungsbildung.       transparente Aufnahmekriterien.                so genutzt werden, ohne dass das mobile
Problematisch sind beispielsweise auch                                                        Datenvolumen in Anspruch genommen
Vereinbarungen zwischen Internet Service       promedia: Das heißt, auch DABplus soll         werden muss.
Providern und Inhalteanbietern, die die        in Berlin eine Zukunft haben, wird von         Und natürlich gibt es die Möglichkeit der
Verbreitung von Inhalten ermöglichen,          Ihnen weiter unterstützt?                      Förderung des Mediennachwuchses: Im
ohne dass dabei das Datenvolumen               Zimmer: An DAB plus hat sich in den            Medieninnovationszentrum Babelsberg
reduziert wird, so genannte Zero-Rating-       letzten Jahren ein regelrechter Glaubens-      (MIZ) veranstalten wir im September
Angebote. Sollte es diese geben, müsste        krieg entfacht. Ich bin in dieser Frage eher   dieses Jahres den Radio Innovation Day.
mindestens sichergestellt werden, dass alle    pragmatisch. Alle Übertragungstechniken,       Hier werden den Konferenzteilnehmern in
Medienangebote umfasst sind.                   die für die Hörer relevant sind und genutzt    Impulsvorträgen und Workshops mit
Der Einsatz der Medienanstalten gilt           werden, werden von uns unterstützt. Hier       internationalen Radio-Experten neue
sowohl Anbietern als auch Nutzern von          liegt UKW nach wie vor unangefochten an        Ideen und Techniken für den Redaktions-
Medieninhalten. Damit auch künftig freie       der Spitze. DAB plus hat aktuell wieder        alltag vermittelt.
Wahl zwischen unterschiedlichen Medien-        zugelegt, liegt aber immer noch an dritter     Und in unserem Hörfunkpraktikanten-
angeboten besteht, sind zwei Dinge             Stelle. IP-Audio ist die Nummer zwei und       programm, wir bieten es regelmäßig in
wichtig: Zum einen muss es erst einmal         in meinen Augen ein wichtiger Übertra-         enger Zusammenarbeit mit den privaten
Inhalteanbieter geben, die ohne große          gungsweg für die Zukunft. Für Audioin-         Radiosendern der Region Berlin-Branden-
Hürden ihre Angebote verbreiten können.        halte ist IP schon deshalb sehr interessant,   burg an, werden Praktikanten der Sender
Neben etablierten Anbietern sollten auch       da die hier benötigte Bit-Rate weitaus         und zukünftigen Praktikanten wie
neue Anbieter von meinungsrelevanten           geringer ist, als zum Beispiel bei Videoin-    Studierenden und Abiturienten auf ihre
Inhalten eine Chance haben. Zum anderen        halten. Ein weiterer Vorteil: Durch die        Arbeit in den Redaktionen vorbereitet.
müssen die Inhalte auch alle gleich gut        starke Smartphone-Verbreitung in               Die Electronic Media School (ems) bildet
gefunden und abgerufen bzw. empfangen          Deutschland hat nahezu jede Person ein         Journalisten im Rahmen eines Volontari-
werden können. Das wiederum heißt, dass        entsprechendes Endgerät für IP-Audio zur       ats aus. ALEX Berlin ermöglicht es
die Verbreitung von Medieninhalten nicht       Hand. Und durch WLAN zu Hause, im              Medienmachern, ihre Inhalte und
davon abhängig sein kann, wie viel der         Büro und immer häufiger auch im                Formate crossmedial auszuprobieren und
Anbieter bezahlt. Vielfalt heißt, dass nicht   öffentlichen Raum steht die entsprechende      unterstützt als Ausbildungs- und Ereignis-
nur wirtschaftlich Starke Zugang zum           Infrastruktur bereits zur Verfügung.           sender die Qualifikation des Mediennach-
Nutzer erhalten, sondern auch viele kleine                                                    wuchses.
Anbieter.                                      promedia: Wie sollte den privaten
                                               Sendern geholfen werden?                       promedia: Berlin war der Motor bei
promedia: Berlin wird oft auch als             Zimmer: Das ist nun tatsächlich eine sehr      DVB-T. Vor genau 13 Jahren startete
Radiohauptstadt bezeichnet. Welchen            grundsätzliche Frage. Ich könnte sie           DVB-T in Berlin. Im nächsten Jahr soll
Stellenwert wird der Hörfunk für die           politisch beantworten: Wir müssen uns die      der Regelbetrieb von DVB-T2 starten. Wie
Sicherung der Medienvielfalt bei Ihnen         gesetzlichen Rahmenbedingungen                 aktiv wird die MABB die Einführung von
haben?                                         anschauen und überlegen, was verändert         DVB-T2 unterstützen?
Zimmer: Wir haben in Berlin den                werden muss. Was können wir mit                Zimmer: Wenn DVB-T bis Ende 2019
vielfältigsten und wettbewerbsintensivsten     Förderung erreichen? Ist zum Beispiel die      sukzessive abgeschaltet wird, ist das von
Radiomarkt in Deutschland und den              Förderung von Inhalten ein Weg? Wie weit       der MABB unterstützte „Überallfernse-
möchte ich auch weiterhin erhalten. Über       dürfen Medien zusammenarbeiten? Wie            hen“ leider Geschichte. Ich meine aber,
50 Sender – private, öffentlich-rechtliche     verhindern wir eine Regulierung der zwei       dass dieser Schritt trotzdem wichtig ist.
und nicht-kommerzielle Angebote – bie-         Geschwindigkeiten? Wie müssen Plattfor-        Denn die Umstellung auf HD ist unver-
ten quasi für jede Zielgruppe etwas. Dass      men reguliert werden? Muss es Regelun-         meidbar. Sie wurde von Zuschauern und
das so ist, verdanken wir dem Medienrat        gen für Intermediäre geben? Über diese         Programmanbietern gleichermaßen
der MABB, der sehr früh und immer              Themen müssen wir in den nächsten              gefordert. Leider geht das nicht ohne
wieder gerade kleinen Angeboten eine           Jahren gemeinsam nachdenken. Die               Aufwand und Kosten. Denn neue Stan-
Chance gegeben hat. So verstehe auch ich       MABB macht aber jetzt auch schon vieles:       dards brauchen neue Technik. Und auch,
unsere Aufgabe, Medienvielfalt zu sichern.     Beispielsweise mit Vielfaltssicherung          wenn die Verbreitungskosten sinken und
Auch bei der Förderung neuer Übertra-          durch das Mittel der Regulierung. Wir          die Finanzierung für öffentliche wie
gungstechniken hatten und haben wir            setzen uns dafür ein, dass der Zugang zu       private Sender einfacher wird, so sind die
diese Vielfaltsförderung im Blick. Jetzt       Plattformen und Übertragungswegen für          Kosten für die privaten Programmanbieter
stellt sich die spannende Frage: Wie           alle Inhalteanbieter gleichermaßen             immer noch hoch. Sie haben daher eine
schaffen wir das auch in der digitalen         gewährt wird. Darüber hinaus unterstüt-        andere Finanzierung gefordert. Wir
Welt? Und wenn wir über Vielfalt spre-         zen wir Projekte zur Erprobung neuer           müssen sehen, wie dieses Modell ange-
chen, sprechen wir auch immer über             Übertragungstechniken. Im Rahmen von           nommen wird.

                                                                                                       Digitale Medienordnung pro media 9/2016 9
„Das Radio braucht
eine unabhängige
Verbreitung“
Mitteldeutsche Medienanstalten fordern,
private Radios für DABplus finanziell zu unterstützen
                                                                                                       Martin Heine
                                                                                                       Geboren: 1969
                                                                                                       1990 - 1997 Studium Rechtswis-
                                                                                                       senschaften
                                                                                                       juristischer Mitarbeiter in der
                                                                                                       Bundesanstalt für vereinigungs-
                                                                                                       bedingte Sonderaufgaben
                                                                                                       1998 Ernennung zum Richter auf
                                                                                                       Probe und Einsatz als Staatsan-
                                                                                                       walt in Sachsen-Anhalt
                                                                                                       2003 - 2006 persönlicher Re-
                                                                                                       ferent des Justizministers und
Interview mit Martin Heine, Direktor der Medienanstalt Sachsen-Anhalt (MSA)                            stellvertretender Ministeriums-
                                                                                                       sprecher
                                                                                                       Seit 2007 Direktor der MSA

Eine ungewöhnliche Form der Kooperation von Landesmedienanstalten existiert in Mitteldeutsch-
land: Vor 15 Jahren gründeten die Landesmedienanstalten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thü-
ringen eine Arbeitsgemeinschaft, um bei dem Erhalt lokaler Vielfalt, der Technik und der Medien-
kompetenzvermittlung enger zusammen zu arbeiten. Wie Martin Heine, Direktor der Medienanstalt
Sachsen-Anhalt, der gegenwärtig Vorsitzender ist, in einem promedia-Gespräch betonte, habe sich
die Arbeitsgemeinschaft trotz einer veränderten Medienlandschaft nicht überholt: „Es ist auch auf
der Bundesebene von Bedeutung, wenn wir in der AML uns vorab abstimmen und dann mit drei von
vierzehn Stimmen das gemeinsame Ziel unterstützen können.“ So unterstützen alle drei Landesme-
dienanstalten die Fortführung von DABplus auch im lokalen Bereich. Gemeinsam mit dem MDR
haben sie sich an die drei Landesregierungen gewandt, um Mittel aus den Versteigerungserlösen der
Digitalen Dividende zur DABplus- Unterstützung der privaten Radios einzufordern.
promedia: Herr Heine, seit 15 Jahren         ßige Meinungs- und Erfahrungsaustau-        auf eine erfolgreiche Tradition zurückbli-
existiert die Arbeitsgemeinschaft der        sche der Gremien und der Mitarbeiter        cken und sind bei unseren Medienma-
mitteldeutschen Landesmedienanstalten?       vereinbart. Ziel ist und war, Mittel-       chern beliebt. Wir haben mit dem von
Weshalb wurde sie gegründet?                 deutschland als einen durch viele Ge-       AML und MDR gemeinsam durchge-
Heine: Die Vereinbarung über die             meinsamkeiten verbundenen Kommuni-          führten „Mitteldeutschen Medienkompe-
Bildung eines Arbeitskreises der mittel-     kationsraum auch bundesweit zur             tenzpreis“ sogar noch einen Preiszuwachs
deutschen Landesmedienanstalten (AML)        Geltung zu bringen und für die Medien-      bekommen. Im Bereich der Medienkom-
wurde am 1. Mai 2001 unterzeichnet.          wirtschaft attraktiv zu gestalten.          petenzvermittlung gab es immer einen
Damit wurde die bis dahin bereits                                                        regen Austausch. Nicht nur dass wir
langjährig praktizierte gute Zusammenar-     promedia: Hat sie sich aber nicht           voneinander lernen, wie z.B. bei den
beit der drei Landesmedienanstalten z.B.     inzwischen überholt?                        Medienmobilen, die zunächst in Halle
beim Medientreffpunkt Mitteldeutsch-         Heine: Nein natürlich nicht. Die Fortent-   konzipiert wurden und nun bei allen drei
land und technischen Pilotprojekten auf      wicklung des mitteldeutschen Medien-        Anstalten im Einsatz sind, starten wir
eine formale Grundlage gestellt.             standortes ist nach wie vor eine mit der    auch bei guten Projekten gemeinsam
Kooperationsschwerpunkte wurden bei          AML zu erledigende Aufgabe. Zudem           durch. So wurde das von der TLM
der Technik (weil viele Übertragungska-      haben wir mit den regelmäßigen Gremi-       initiierte Thüringer Mediencamp für sehr
pazitäten nur grenzübergreifend koordi-      entreffen der AML eine bewährte interne     gut befunden und über die AML zu
nierbar waren), der Auslobung von            Austauschplattform geschaffen, die auch     einem „Mitteldeutschen Mediencamp“, in
Preisen (um eine qualitative Konkurrenz      einen Austausch mit den Gremien des         dem auch Kinder aus Sachsen und
der Veranstalter in den Ländern zu           MDR auf Augenhöhe ermöglicht. Die           Sachsen-Anhalt teilnehmen können.
erreichen) sowie der Medienkompetenz-        gemeinsamen mitteldeutschen Rundfunk-       Letztlich ist es auch auf der Bundesebene
vermittlung und der Medienforschung          preise für Radio, kommerzielles lokales     von Bedeutung, wenn wir in der AML
gesetzt. Darüber hinaus wurden regelmä-      Fernsehen und die Bürgermedien dürfen       uns vorab abstimmen und dann mit drei

10 Digitale Medienordnung pro media 9/2016
von vierzehn Stimmen das gemeinsame         daran arbeiten, dass sich in DABplus alle      flächendeckenden digitalen Antennenin-
Ziel unterstützen können. So gibt es nach   unsere Radioveranstalter wiederfinden          frastruktur für das Digitalradio privater
wie vor Aufgaben, denen wir uns erfolg-     und die Hörer die klaren Vorteile von          und öffentlich-rechtlicher Veranstalter.
reich gemeinsam stellen. Daneben gibt es    DABplus stärker kommuniziert bekom-            Daher haben sich die mitteldeutschen
auch den Wettbewerb um die beste            men. Dies gilt trotz aller DAB-Kritik auch     Landesmedienanstalten und der MDR
Lösung, der natürlich drei eigenständige    für lokale Radiolandschaften wie in NRW,       gemeinsam an die drei Landesregierun-
Anstalten voraussetzt. Beispielhaft seien   denn auch für deren Geschäftsmodelle           gen gewandt, um Mittel aus den Verstei-
hier maßgeschneiderte Lösungen für          wurden digitalterrestrische Lösungsmo-         gerungserlösen der Digitalen Dividende
technische Fragen z.B. lokales DVB-T,       delle erarbeitet.                              zur DABplus Unterstützung einzufor-
zur Kabeleinspeisung, zur Regionalsie-                                                     dern.
rung bei DABplus sowie konzeptionelle       promedia: Wie ist gegenwärtig in
Überlegungen zur Medienkompetenzver-        Mitteldeutschland die DABplus-Versor-          promedia: Wie bewerten Sie generell die
mittlung genannt. Hier ist der Föderalis-   gung? Sowohl technisch als auch mit            Situation der privaten Radios in Mittel-
mus Garant für Ideen- und Innovations-      entsprechenden Angeboten?                      deutschland?
vielfalt.                                   Heine: Mitteldeutschland ist neben             Heine: Natürlich stehen unsere Radios
Also auch wenn sich die Schwerpunkte        Bayern und Baden-Württemberg gut               vor großen Herausforderungen im
ein bisschen verschoben haben, bleibt der   aufgestellt, eigentlich eine Vorzeigeregion.   Hinblick auf Wettbewerber wie z.B.
Austausch und die Entwicklung gemein-       Technisch liegt die Gesamtversorgung bei       Spotify und künftigen Investitionsent-
samer Interessenlagen unverändert           84 Prozent der Einwohner Indoor und 98         scheidungen. Bisher konnten sie sich
sinnvoll und stärkt die in der AML          Prozent der Fläche mobil für die drei          denen aber durchaus erfolgreich stellen.
zusammengeschlossenen Medienanstal-         MDR-Multiplexe. Das bundesweite                Erhebliche wirtschaftliche Schwierigkei-
ten.                                        Ensemble im Kanal 5C mit den Program-          ten sehe ich gegenwärtig nicht, sondern
                                            men des Deutschlandradios und zahlrei-         ich habe auf unserem am 19. August
promedia: Sie haben sich auf ihrer          chen neuen privaten Programmen wie             verliehenen Mitteldeutschen Hörfunk-
jüngsten Sitzung mit dem Radio befasst.     Absolut Relax, Schlagerparadies oder           preis eine gut aufgestellte mitteldeutsche
Halten Sie es für sinnvoll, DABplus         Radio-BOB sind fast gleich gut zu              Radioszene getroffen.
regional und national weiter voran zu       empfangen.
treiben?                                    In Sachsen ist außerdem der private            promedia: Aber die privaten Radios
Heine: Auf unserer Sitzung im Juni          Veranstalter RSA mit im MDR-Multiplex          leben überwiegend von lokaler und
haben wir uns konkret mit der Zukunft       im Kanal 9A zu empfangen. In Sachsen-          regionaler Werbung. Wie kann die
von Hörfunk in einer digitalen Audiowelt    Anhalt sind die privaten Veranstalter im       programmliche Vielfalt trotz rückgängi-
beschäftigt. Dazu haben wir gehört, wie     eigenen Multiplex im Kanal 11C und             ger Werbeumsätze gesichert werden?
sich das öffentlich-rechtliche Radio in     Kanal 12C auf Sendung mit neuen                Heine: Bisher konnten die Werberück-
trimedialen Medienwelten aufstellt und      Programmen, wie 1A Deutsche Hits oder          gänge bei den bundesweiten Kombis
welche Bedeutung der IP-Übertragungs-       89.0 RTL InTheMix. In Thüringen gibt es        doch recht gut im regionalen Markt
weg für Radio hat. Dabei haben wir aber     im Moment im DABplus noch keine                kompensiert und der Gesamtwerbeum-
auch einen Blick in die Zukunft des         privaten Angebote. Aber auch das ist nur       satz im Hörfunk stabil gehalten werden.
Radios in den neuen Medienwelten            eine Frage der Zeit, bis hier nachgezogen      Natürlich versuchen wir hier auch
gewagt. Dass das Radio immer ein            wird.                                          regulativ zu unterstützen, sei es durch das
unabhängiges terrestrisches Verbrei-                                                       Verbot der regionalen Werbung in
tungsmedium braucht, ist ein Ergebnis       promedia: Sollten die privaten Veranstal-      bundesweiten Programmen oder die
unserer Diskussion. Das analoge UKW-        ter bei der DABplus-Umstellung finanzi-        Forderung nach Werbezeitbeschränkung
Radio erfüllt dies im Moment gerade         ell unterstützt werden?                        bei einigen ARD Hörfunkwellen. Bisher
noch. Technisch ist die Entwicklung aber    Heine: Für die bisherigen privaten             gelingt „unseren“ Veranstaltern eine
bei der digitalen Übertragung mittels       Veranstalter ist die gleichzeitige Verbrei-    Programmqualität, bei der die Hörer
DABplusangekommen.                          tung von UKW- und Digitalradio in der          ihrem privaten Radio auch weiterhin treu
UKW-Radio ist ausgeschöpft, es gibt kein    „Simulcastphase“ ein finanzielles Prob-        bleiben.
Programmwachstum mehr, keine                lem. Aber auch die neuen Marken im
Verbesserung der Empfangssituation,         Digitalradio sind an einem raschen             promedia: Sollte man auch in Mittel-
keine Nutzung zusätzlicher Features und     Systemwechsel interessiert. Hier muss es       deutschland stärker als bisher das
es gibt auch keine UKW-Frequenzen           jetzt gelingen, bundesweite Regelungen         Funkhausmodell präferieren?
mehr.                                       zu schaffen, um nicht mehr benötigte           Heine: Soweit ein Veranstalter mehrere
Die aktuelle digitale Rundfunktechnolo-     UKW-Frequenzen komplett aus dem                Programme erstellt, habe ich gegen ein
gie DABplus jetzt nicht voran zu treiben,   System einzuziehen, damit UKW-Geld             Funkhausmodell keine Bedenken. Dies
könnte also zur Folge haben, dass           für die Digitalradioversorgung frei wird.      wird bei uns in Sachsen-Anhalt von
Deutschland für das Radio im Ergebnis       Die Sicherung der Errungenschaft eines         SAW/Rockland bzw. Radio Brocken/89,0
gar kein unabhängiges terrestrisches        freien, unentgeltlichen Radioempfangs in       rtl bereits erfolgreich praktiziert. Beden-
Verbreitungsmedium mehr besitzt.            Deutschland bzw. in ganz Europa steht an       ken hätte ich, wenn sich Wettbewerber
Radioprogramme würden dann nur noch         erster Stelle.                                 eventuell sogar aus unterschiedlichen
über das kostenpflichtige und begrenzt      Deshalb ist der Bund beim digitalen            Bundesländern über ein gemeinsames
verfügbare Internet angeboten werden.       Infrastrukturausbau mit in der Pflicht.        Funkhaus Synergien bei Personal und
Dies kann gesellschaftspolitisch nicht      Aber es gilt die Forderung nach einer          Inhalt erarbeiten wollen oder wenn das
gewollt sein und sollte auch von allen an   gleichen Behandlung des Aufbaus einer          Funkhaus alle relevanten privaten
dem Prozess Beteiligten in Deutschland      digitalen Internet-Infrastruktur per Kabel     Radiosender eines Landes umfasst. Dies
erkannt werden. Wir müssen weiter           und Mobilfunk und den Aufbau einer             würde nicht nur die Medienvielfalt

                                                                                                   Digitale Medienordnung pro media 9/2016 11
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