Info - Alternative Liste Zürich

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                                Informationsblatt der Alternativen Liste, Molkenstrasse 21, 8004 Zürich

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3    Interview mit Pflegefachfrau und
     Aktivistin Nadine Deringer über das       4   Albtraum Weisse Schweiz. Andrea
                                                   Leitner zu den «Black Lives Matter»-     6   Christina Schiller zur Coronakrise
                                                                                                und den Grundrechten.
     Gesundheitssystem in der Corona-              Demos in der Schweiz.

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     Krise.

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Corona: wer bezahlt?
Theoretisch sind vor dem Virus alle gleich.    che Infrastruktur aufrechtzuerhalten.        Ladenhüter wie die Abschaffung der
Doch die Realität sieht komplett anders        Schockartig ist mit der Krise die verdeck-   Stempelsteuer (minus 2 Milliarden) und
aus. Die Corona-Krise zeigt die gesell-        te Armut von Menschen, die schon vor         der Industriezölle (minus 550 Mio), vom
schaftliche Ungleichheit wie unterm Ver-       Corona marginalisiert waren, ans Licht       Nationalrat im ersten Durchgang bereits
grösserungsglas. Sie trifft die Menschen,      getreten. Sichtbar geworden ist auch das     verworfen. Die Corona-Schulden sollen im
die weltweit und lokal am unteren Ende         enorme Ausmass prekarisierter Arbeits-       Rahmen der Schuldenbremse und unter
der sozialen Hierarchie stehen, gesund-        verhältnisse mit fehlender sozialer Absi-    Beizug der Gewinnausschüttungen der
heitlich und wirtschaftlich am härtesten.      cherung, die sich beim geringsten wirt-      Nationalbank abgebaut werden. Nota bene
Beengte Wohn- und Lebensverhältnisse           schaftlichen Rückschlag als brüchig          über neue Sparprogramme.
und fehlender Zugang zu sauberem Was-          erwiesen. Skandalös war der Kniefall des
ser verunmöglichen wirksame Distanz- und       Bundesrats vor der Immobilien-Lobby          Lohn- und Steuer-Offensive von links
Hygiene-Massnahmen. Die Notwendigkeit,         und die Weigerung, für die Zeit der               Nach der temporären Corona-Schock-
den Lebensunterhalt durch Arbeit im infor-     Zwangsschliessungen einen Mieterlass zu      starre muss die Linke jetzt in die Offensi-
mellen Wirtschaftssektor ohne soziale          dekretieren.                                 ve gehen. In der Krise hat die Bevölke-
Absicherung zu bestreiten, steht in unauf-                                                  rung erkannt und im Vergleich zu
lösbarem Widerspruch zum Lockdown. Eine        Economiesuisse: Erst Milliarden vom          ausländischen Beispielen schätzen ge-
ungenügende oder im Zuge der Privatisie-       Staat kassieren, dann Steuern senken         lernt, was ein ausgebauter Sozialschutz
rung kaputtgesparte öffentliche Gesund-            Kaum hatten sie bei der mit Steuergel-   und ein funktionierender service public
heitsversorgung komplettiert das Bild. Kein    dern gestützten Arbeitslosenversicherung     im Gesundheits- und Pflegebereich wert
Wunder, liegen die Corona-Hotspots zurzeit     für die Kurzarbeit die hohle Hand ge-        sind. Jetzt gilt es, aktiv für die Pflege-
in Ländern wie Brasilien, Mexiko und Indien.   macht, schütteten einzelne Firmen ohne       Initiative einzustehen und eine bessere
Und nicht zufällig fordert COVID-19 in den     Wimpernzucken Dividenden aus. Bei TA         Entlöhnung des Pflegepersonals einzufor-
USA unter den People of Color proportional     Media 37 Mio Franken, davon knapp drei       dern. Mit den soeben lancierten Mindest-
weit mehr Todesopfer als unter den Weis-       Viertel an den Coninx & Ellermann-           lohn-Initiativen in Zürich, Winterthur
sen.                                           Familienclan. Die NZZ verteilte 8 Mio        und Kloten können wir prekären Arbeits-
                                               Franken und Chefredaktor Gujer publi-        verhältnissen in Tieflohnbranchen ent-
Die Prekarisierung wird sichtbar               zierte am Tag der Generalversammlung         gegentreten.
    Mit der Kurzarbeitsentschädigung           – sozusagen als Bhaltis für die Aktionär*         Im Zentrum steht die Lastenvertei-
verfügt die Schweiz über ein robustes          innen – sein schäbiges Pamphlet gegen        lung. Mit einer parlamentarischen Initia-
Instrument, um den Abbau von Arbeits-          den «Seuchen-Sozialismus». Ein Antrag,       tive fordert die AL-Kantonsratsfraktion
plätzen bei einem Wirtschaftseinbruch          den Selbstbedienungsladen für Kurzar-        zum Abtragen von Corona-Lasten eine auf
aufzuhalten. Das hat uns bis jetzt, im         beit-Profiteure zu schliessen, wurde im      fünf Jahre befristete Zusatzsteuer auf
Gegensatz zu anderen Ländern, dramati-         Nationalrat hauchdünn angenommen,            Vermögen über 2 Mio Franken. Und mit
sche soziale Verwerfungen erspart. Doch        dann aber vom Ständerat abgeschossen.        unserer Anfang April eingereichten
auch bei uns hat sich die Schere aufgetan.         Im Moment ist ungewiss, wie sich die     kantonalen Initiative gegen Steuerge-
Die einen konnten geschützt im Home-           Pandemie weiterentwickelt, wie heftig der    schenke an Grossaktionär*innen wollen
Office arbeiten, die anderen mussten sich      wirtschaftliche Einbruch ausfällt und wie    wir die 2008 eingeführte reduzierte Be-
exponieren, um vor Ort – häufig schlecht       lange er anhält. Doch der Kampf um die       steuerung von Dividenden korrigieren.
entlöhnt und oft ungenügend mit Schutz-        Verteilung der Corona-Lasten ist bereits     Hier müssen wir ansetzen.
material ausgerüstet – Versorgung und          im Gang. Economiesuisse erprobt neue              Niklaus Scherr
Pflege zu gewährleisten und die öffentli-      Verkaufsstrategien für ihre ideologischen

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AL Info
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                                                              2/20––Kanton
                                                                    Intern

Parolen                                    Danke Nadim Chammas —
Abstimmungen vom 27. September
2020
                                           Herzlich Willkommen Ezgi Akyol
BUND:                                      Nadim Chammas hat auf Ende April 2020
Volksinitiative «Begrenzungsini-           das Sekretariat der AL verlassen. Nadim
tiative»                         NEIN      war im hektischen Betrieb der AL immer
                                           ein ruhiger Pool. In zwei Wahlkämpfen
Jagdgesetz                       NEIN      half er tatkräftig, diese organisatorisch
                                           erfolgreich durchzuführen. Mit seiner
Steuerliche Berücksichtigung               beharrlichen Art hat er vieles im Hinter-
der Kinderbetreuungskosten       NEIN      grund aufgegleist und reorganisiert. So        Gaben und geben alles für ein gutes AL-
                                           sind jetzt die Datenbanken endlich wieder      Seki: Nadim Chammas und Ezgi Akyol.
KANTON ZÜRICH:                             auf dem neuesten Stand. Wir danken
Zusatzleistungsgesetz                 JA   Nadim für seinen Einsatz für die AL und        Sekretariat tätig sein. Ezgi hat eine reiche
                                           seinen kritischen Blick auf das Verbesse-      politische Erfahrung in Zürich. Sei es in
Unterhalt Gemeindestrassen            JA   rungspotential innerhalb der AL.               ausserparlamentarischen Aktionen (z.B.
                                               Auf den 1. Juni 2020 übernimmt Ezgi        Citycard) oder durch ihren Einsatz als
STADT ZÜRICH:                              Akyol zuerst die Fraktionssekretariate         Gemeinderätin für die AL. Wir freuen uns
Privater Gestaltungsplan «Areal            von Kantons- und Gemeinderat. Ab 1. Juli       auf die Zusammenarbeit.
Hardturm-Stadion»               NEIN       2020 wird sie zu insgesamt 60% auch im             Markus Bischoff, AL-Vorstand

Volksinitiative «Sichere Velo-
routen für Zürich»                    JA

Für folgende kommunale und eidge-
nössische Abstimmungen fasst die
                                           Digit-AL: Debatten im
AL ihre Parolen an der VV vom 25.
August 2020:
                                           Netz
BUND:
• Erwerbsersatzgesetz (Vater-              Die Corona-Krise hat in den letzten Mona-      be-Kanal der AL verfügbar.
   schaftsurlaub)                          ten nicht nur unser aller Arbeits- und Sozi-       Die dritte Digit-AL-Ausgabe zu «Coro-
• Beschaffung neuer Kampfflug-             alleben auf den Kopf gestellt, sondern auch    na & Digitalisierung» steht noch an und
   zeuge                                   die Demokratie selbst vor grosse Herausfor-    die Reaktionen sowie die engagierte
                                           derungen gestellt. Der Bundesrat hatte die     Teilnahme der Interessierten lassen uns
STADT ZÜRICH:                              ausserordentliche Lage ausgerufen, Grund-      mittlerweile sogar darüber nachdenken,
• Instandsetzung ewz-Areal Her-            rechte wurden eingeschränkt und wir als        das Format auch dann weiterzuführen,
   dern                                    Partei konnten seit dem 17. März den Kon-      wenn reale Begegnungen und Vollver-
• Bau Direktverbindung Wasserver-          takt mit unserer Basis nicht wie gewohnt       sammlung wieder möglich sein werden.
   sorgung                                 aufrechterhalten.                              Es gibt noch viele Debatten zu führen!
• Neuregelung Kompetenzen Lie-                  Vollversammlungen durchzuführen,              Lisa Letnansky, AL-Vorstand
   genschaftserwerb                        ohne unsere Mitglieder zu gefährden, war
• Beiträge an Pro Senectute Kan-           nicht mehr möglich. Deshalb hat der
   ton Zürich                              Vorstand beschlossen, dem Kommunikati-
                                           onsdefizit mit Online-Talks entgegenzu-
                                           treten, in denen AL-Exponent*innen             Impressum
                                           jeweils ein Thema diskutieren, worauf die      Alternative Liste (AL) Molkenstr. 21, 8004
Termine                                    Zuhörer*innen im Anschluss Fragen              Zürich, www.al-zh.ch
                                           stellen können.                                Sekretariat Marco Toscano, Ezgi Akyol,
Dienstag, 25. August 2020: AL-Voll-             Die erste Ausgabe im Mai zum Thema        Molkenstr. 21, 8004 Zürich,
versammlung. Gemeinschaftsraum             «Corona & Gesundheitspolitik» war gut          sekretariat@al-zh.ch,
Hellmi, 19 Uhr.                            besucht und das Gespräch mit Nadine            Tel. 044 242 19 45
                                           Deringer (Pflegefachfrau) und Carolina         Erscheint 4 bis 6 mal jährlich
Dienstag, 29. September 2020:              Iglesias (Hebamme) hat eindrücklich            Auflage/Druck 2000 Ex.,
MItgliederversammlung der AL Zürich.       vermittelt, womit Gesundheitsfachperso-        Druckerei Nicolussi, Zürich
Gemeinschaftsraum Hellmi, 19 Uhr.          nen in den vergangenen Monaten konfron-        Layout Marco Toscano
                                           tiert waren.                                   Redaktion Niklaus Scherr, Andrea Leitner,
                                                Die Digit-AL-Ausgabe im Juni zu           Dayana Mordasini, Elvira Wiegers, Marco
Alle aktuellen AL-Termine sind             «Corona & Demokratie» hat einen Ein-           Toscano, Rosa Maino
jeweils online abrufbar auf unserer        blick in die Arbeit von Kantons- und
Homepage unter: www.al-zh.ch               Gemeinderat während der Krise vermit-          AL-Info ist das offizielle Publikationsorgan
                                           telt und thematisiert, was Corona für die      der Alternativen Liste. Der Abonnements-
                                           Veränderungen in der Arbeitswelt bedeu-        preis von CHF 10.- ist im Mitgliederbeitrag
                                           tet. Beide Ausgaben sind auf dem Youtu-        enthalten.

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AL Info 2/20 – Personen

Im Gespräch mit Nadine Deringer                                                             AL-Serientipp
                                                                                                             Melanie Berner emp-
                                                                                                             fiehlt: «unorthodox».
Nadine Deringer, Pflegefachfrau und                                                                          Für ein bisschen Ab-
selbständige Shiatsu-Therapeutin, ist                                                                        lenkung während des
Mitbegründerin des Vereins Laudes                                                                            Veranstaltungsverbots
infantis, der vor 20 Jahren in den Armen-                                                                    sorgte die deutsch-
vierteln Bogotas ein Tauschhandelssys-                                                                       amerikanische Mini-
tem aufgebaut hat, und Vorstandsmitglied                                                    Serie «unorthodox». Sie umfasst vier
von KOMPAS, einem Verein, der Komple-                                                       Episoden à ca. 55 Minuten und basiert
mentärtherapien für Menschen ohne                                                           lose auf dem 2012 erschienen Buch
Zusatzversicherung anbietet.                                                                «Unorthodox» von Deborah Feldman.
                                                                                            Erzählt wird die Geschichte der jungen
Du bist im März an Covid-19 erkrankt.                                                       Esty, Mitglied einer ultra-orthodoxen
Wie geht es dir heute?                                                                      jüdischen Gemeinde in New York. Esty
    Es geht mir wieder besser. Nach                                                         ist nicht glücklich. Sie verlässt ihren
sieben Wochen kam mein Geschmacks-                                                          Mann und flüchtet nach Berlin. Ihr
sinn zurück. Ich habe auf einer Velotour                                                    Mann, begleitet von seinem Cousin,
Gülle gerochen. Und mich darüber ge-                                                        reist ihr allerdings hinterher, um sie
freut.                                        zeichnung und Lohnanpassungen. Es             zurückzuholen.
                                              wurde per Gerichtsentscheid im Rahmen         Die Geschichte ist dramaturgisch
Wie hast du die Krise als selbständige        einer Diskriminierungsklage festgehal-        geschickt inszeniert. Sie gab aber
Shiatsu-Therapeutin wirtschaftlich            ten, dass unser Beruf bezüglich Verant-       auch Anlass zur Kritik. So wurde
überstanden?                                  wortung, Belastung und Schichtarbeit mit      bemängelt, es bestehe die Gefahr,
     Ich konnte Ende April im Zuge der        dem einer Polizist*in zu vergleichen ist.     dass der/die unkritische Zuschauer*in
ersten Lockerung wieder arbeiten. Zwi-        Wir kamen dann in Lohnstufe 14 inklusi-       Fehlinformationen über die jüdische
schenzeitlich erhöhte ich mein Pensum im      ve Lohnnachzahlungen über die letzten         Religion ableite. Darum sei an dieser
Hospiz, wo sie froh um zusätzliche Ar-        fünf Jahre. Allerdings ohne automati-         Stelle betont, dass die dargestellte
beitskräfte waren. Gleichzeitig habe ich      schen Lohnstufenanstieg, ich habe seit 10     Lebenswelt von Esty keinesfalls als
eine unglaubliche Solidarität und finanzi-    Jahren denselben Lohn.                        Beispiel für die jüdische Religion
elle Unterstützung von meinen                                                               gesehen werden darf.
Klient*innen erfahren.                        Was verbindet dich mit der AL?
                                                  Die AL steht mir klar am nächsten                         Marco Toscano emp-
Was beschäftigt dich gerade?                  mit ihren Anliegen. Ich spende seit ein                       fiehlt: «The Last Dance».
    Aktuell bin ich etwas hoffnungslos,       paar Jahren, aber Mitglied bin ich noch                       Politik in einer ESPN-
was die Forderungen aus dem Pflegebe-         nicht. Parteizugehörigkeit war bisher                         Hochglanz-Serie über
reich angeht. Zusammen mit anderen            kein Thema. Die Vorstellung aktiv in                          Michael Jordan, den
habe ich mich bei der Gesundheitskom-         einer Partei zu sein, war mir zu viel. Aber                   Über-Sportler und
mission des Ständerats in einem Brief für     im Bereich Gesundheitswesen oder im                           Vorbild für alle jene, die
bessere Löhne des Pflegefachpersonals         Umgang mit geflüchteten Menschen und          «es schaffen wollen»? Absichtlich oder
stark gemacht. In einer ersten Antwort        bei allen sozialpolitischen Themen fühle      nicht, die als Mini-Serie produzierte
hat mir eines ihrer Mitglieder Interesse      ich mich der AL nahe.                         Dokumentation gibt Einblick in die
signalisiert und mich nach den konkreten                                                    kapitalistischen Kontexte und Me-
Vorstellungen gefragt. Wenige Tage später     Du hast schon für die AL kandidiert.          chanismen, die eine solche Karriere
lese ich im «Blick» ein Zitat von derselben   Wäre ein politisches Amt etwas für            erst produzieren. Sie zeigt nicht nur
Person, dass bei höheren Löhnen einfach       dich?                                         die individualistische Arbeitsethik
die Krankenkassenprämien steigen wer-             Ich wurde von einem Gemeinderat in        und kompetitive Besessenheit ihres
den. Das ist zu eindimensional gedacht.       Erlenbach angefragt, als AL-Kandidatin        Helden, sondern stellt den Schwarzen
                                              zu kandidieren. Ich bin nicht angetreten.     Jungen aus kleinbürgerlichen Verhält-
Wie bist du vor 20 Jahren politisiert         Ich denke, mir käme vieles zu nahe. Zum       nissen neben zwei andere Schwarze
worden?                                       Beispiel die Flüchtlingsthematik, da bin      männliche Protagonisten: Scottie
    Ganz klar durch Erika Ziltener, die       ich zu verzweifelt über die weltweite         Pippen und Dennis Rodman – mit
damals für die SP im Kantonsrat sass. Wir     Situation.                                    anderen Voraussetzungen und ande-
arbeiteten zusammen am Unispital. Von             Aber ich möchte Zeit in die berufspoli-   ren «Karrieren». Jordans Erfolg ist mit
ihr durfte ich lernen, hinzustehen, für       tische Arbeit investieren, ich könnte sonst   Markenaufbau und dem Sendungsbe-
meinen Berufsstand einzutreten und auch       nicht im Pflegeberuf bleiben. Mögliche        wusstsein der «Americana» wesentlich
dem Chefarzt kritische Fragen zu stellen.     Veränderungen zu erreichen, ist momen-        verstrickt. Doch dann ist da die Frage,
Dann natürlich durch den grossen Streik       tan das Einzige, was mich motiviert. Es       ob ein Schwarzer Mann in den USA
im Mai 2000. Das Zürcher Pflegefachper-       geht uns alle an, es sind gesellschaftliche   sich als unpolitisch verstehen und
sonal hat während drei Tagen zuerst zwei,     Fragestellungen. Da ich teilprozentig         blosse Karriereziele verfolgen kann.
dann vier, dann acht Stunden die Arbeit       arbeite, kann ich mir Zeit dafür nehmen.      Und nicht zuletzt wird sichtbar, wie im
niedergelegt. Der Streik wurde breit          Ich werde auch an den Sitzungen der           Narrativ des talentierten und erfolgrei-
getragen und durch die «Aktion G’sundi        AL-Gesundheitsgruppe teilnehmen.              chen Vorbilds, das alles richtig macht
G’sundheitspolitik» organisiert. Die              Interview: Dayana Mordasini               und doch nicht erlöst wird, Frauen nur
Forderungen waren eine neue Berufsbe-                                                       als Mütter thematisiert werden dürfen.

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AL Info 2/20 – Thema

Albtraum Weisse Schweiz
«Der [N-Wort] hat ein Messer in der Hand»:                                                 sei dies durch Gesetze, populistische
Der polizeiliche Funkspruch ging laut                                                      Aktionen oder durch das Schüren von
Recherchen der «Republik» 2015 den 13                                                      Vorurteilen. Vordergründig geschieht
Schüssen voraus, die Zürcher Stadtpolizis-                                                 dies, um eine imaginäre «Kernschweiz»
ten auf einen psychisch kranken Mann in                                                    zu bewahren. Tatsächlich erhält sie dem
Wiedikon abfeuerten. Der Satz will einem                                                   Land auf diese Weise eine frei manövrier-
ebenso wenig aus dem Sinn wie die von der                                                  bare Masse an Arbeitskräften, denen man
«Black-Lives-Matter»-Bewegung auch in                                                      lieber weniger als mehr Bürgerrechte
der Schweiz aufgenommenen Worte des                                                        gibt, damit sie jederzeit dort eingesetzt
sterbenden George Floyd: «I can’t breathe».                                                werden können, wo man sie gerade
Beide Sätze stehen im Kontext von Polizei-                                                 braucht. Es werden existenzielle Nöte
gewalt. Sie stecken aber auch die Dimensi-                                                 geschaffen – Wohnungsknappheit, unter-
on der gesellschaftlichen Tragödie ab, die                                                 bezahlte Arbeit etc. - und dazu immer
der tief verankerte Schweizer Rassismus                                                    wieder suggeriert, es reiche in diesem
bis zum heutigen Tag auslöst.                                                              Land nicht für alle. Das schafft Atemlo-
                                                                                           sigkeit unter den weniger privilegierten
Worte haben Kraft                                                                          Bevölkerungsgruppen und das Gerangel
     Worte haben Kraft. Man kann sich                                                      um einen möglichst sicheren Platz in der
fragen, wie der Funkspruch gelautet                                                        Schweizer Gesellschaft hört so nie auf.
hätte, wäre sein Sender Schwarz gewesen                                                    Zusätzlich wird dadurch immer wieder
oder der verwirrte Mann Weiss. Hätten                                                      verhindert, dass die Menschen Empathie
die Polizisten dann anders auf den ver-                                                    für jene entwickeln, deren Realität sich
wirrten Mann reagiert? Hätten sie über-                                                    von der eigenen unterscheidet. Dabei ist
haupt geschossen? Hat der Hinweis auf                                                      es gerade Empathie, die uns als Kitt im
das N-Wort die Polizisten in Panik ver-                                                    Alltag einander näherbringen könnte.
setzt oder das entmenschlichende Element
dieser Bezeichnung die Hemmschwelle                                                        Die Verantwortung der Medien – gegen
für die drastische Massnahme gesenkt?                                                      den Nationalitätenpranger
Wurde durch den Inhalt des Funkspruchs                                                          Den Medien kommt hier eine besonde-
ein sensibleres, weniger eskalierendes                                                     re Stellung zu, denn sie vermögen – wenn
Vorgehen verhindert? Weist die Verwen-        im Land eine Realität. Die Debatten der      sie denn wollen -, über Menschen und
dung des N-Worts im Funkspruch darauf         letzten Wochen schaffen die Basis, einmal    Menschengruppen differenziert zu berich-
hin, dass von den Polizeikorps alle Per-      tief durchzuatmen und sich dann endlich,     ten, Einblicke in unterschiedliche Realitä-
sons of Color so bezeichnet werden? Wenn      endlich von einem Bild der Schweiz zu        ten zu vermitteln, Zusammenhänge
ja, wehren sich nicht-weisse Polizeimit-      verabschieden, das völlig unverdient         herzustellen, ohne die Komplexität von
glieder dagegen, aber ohne Erfolg? Oder       immer noch in zu vielen Köpfen herum-        Gesellschaftsgefügen zu verschleiern. Sie
tun sie das nicht, weil sie in der Minder-    schwirrt: dem einer überdimensionierten      können Rassismus verstärken oder hel-
heit sind? Würden sie es tun, wenn sie in     Kernschweiz, bestehend aus                   fen, ihn in die Schranken zu weisen. Um
grösserer Zahl vertreten wären?               Urschweizer*innen (wie auch immer die        letzteres zu garantieren, war es bis 2001
     «Ich kann nicht atmen» geht ander-       aussehen sollen), Urschweizer Sprache        zum Beispiel nicht üblich, die Nationalität
seits weit über das lebensbedrohende          und Urschweizer Werten, der sich alle        im Zusammenhang mit einem Delikt zu
Symptom, das gewalttätiger Rassismus          «Anderen» als Minderheitengrüppli im         publizieren. Die gesellschaftliche Schäd-
auslöst, hinaus. Die Worte haben sich         besten Fall annähern können. Grosse          lichkeit dieses Nationalitätenprangers
dank der globalen Proteste mit der Kraft      Teile der jüngeren Generationen verste-      konnte seit damals in diversen Studien
eines Lauffeuers in einen Appell verwan-      hen sich ganz selbstverständlich bereits     nachgewiesen werden. Trotzdem hat sich
delt, der auch die hiesige Gesellschaft       als Mitglieder einer Gesellschaft, die auf   eine Mehrheit des Zürcher Kantonsrats
zwingt, dem Monster ins Gesicht zu            kultureller, ethnischer und geschlechtli-    dafür entschieden, ihn wieder einzufüh-
schauen, anstatt das Problem weiter           cher Diversität basiert. Das erklärt auch    ren. Gegen diesen Entscheid haben diver-
kleinzureden. Soziale, politische und         die grosse Vielfalt der Gruppen, die sich    se Gruppen, Parteien und natürlich auch
institutionelle Strukturen hindern etliche    mit der «Black-Lives-Matter»-Bewegung        die AL das Referendum ergriffen, dessen
Mitmenschen am freien Atmen. Das              solidarisieren. Diesen Gegebenheiten         Sammelfrist am 30. Juli abläuft.
Gefühl der Atemnot ist durch und durch        muss der Diskurs über unsere Gesell-              Wir haben also die Basis für einen
physisch, geht unmittelbar an die Subs-       schaft und den Weg, den sie gehen soll,      sehr breiten Diskurs: die Folgen der
tanz.                                         gerecht werden.                              Corona-Krise für die schon zuvor Diskri-
                                                                                           minierten, 50 Jahre Schwarzenbach und
    Überfälliger Abschied vom                 Empathie als Kitt                            was das in unseren Köpfen angerichtet
    «Urschweizer»-Mythos                          Seit Jahrzehnten wird von den rechts-    hat, die Anliegen der «Black-Lives-
    Wir sind in der Schweiz schon lange       bürgerlichen Kräften einerseits oben         Matter»-Bewegung und die Frage, ob die
ein bunt zusammengewürfelter Haufen,          erwähntes Bild zementiert, anderseits        Medien die Kluft zwischen uns allen
das zeigt sich ausgeprägter in den Zent-      aktiv immer wieder versucht, Keile in die    vergrössern oder verringern wollen.
rumsgebieten des Landes, ist aber überall     grosse Gruppe der «Anderen» zu treiben,           Andrea Leitner, AL-Gemeinderätin

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AL Info 2/20 – Thema

Corona: Unser Standpunkt
Die Corona-Gesundheitskrise hat ans Licht     Zeit für eine sichere, geschweige denn       und die Ängste.
gezerrt, was bereits seit Jahren im Argen     gute Pflege fehlte, weil beim Personal
liegt: Die Ökonomisierung der Pflege und      gekürzt wurde.                               Keine Wirtschaft ohne Care-Arbeit
die «Lean Management»-Logik verkennen                                                           Aber diese personenbezogenen
den Wert der Pflegearbeit, vertreiben Men-    Spardruck und Bürokratie                     Dienstleistungen sind und bleiben zeitin-
schen aus ihrem Beruf, verlagern Kosten            Direkt am Bett spürt man den            tensiv. Wir müssen uns als Gesellschaft
dorthin, wo Profite erzielt werden können,    Spardruck unmittelbar. Alles muss            fragen: Wie sieht ein gutes Leben auch im
und verhindern eine vorausschauende La-       schneller gehen, günstiger sein. Wirt-       Alter und bei Krankheit aus? Was braucht
gerhaltung. Den Preis dafür tragen wir als    schaftlichkeit und Kostenfaktoren stehen     es für ein würdevolles Sterben und was
Gesellschaft. So oder so.                     im Vordergrund und nicht die Gesund-         darf das kosten? Wie wollen wir diese
    Wer in die Pflege einsteigt, liebt        heit. Immer mehr muss dokumentiert           Arbeit organisieren und vor allem auch
seinen Beruf. Aber die Bedingungen sind       werden, davon hängt auch die Zahl der        bezahlen? Diese Fragen waren schon vor
prekär. Der Schichtdienst hängt an. Auch      bewilligten Stellen ab. Ein grotesker        der Krise offenkundig. Und sie sind eng
wenn er nicht mit Familie vereinbart          Widerspruch: weniger Zeit für direkte        verknüpft mit der Gleichstellungsfrage,
werden muss. Frauen und Männer in der         Pflege, da es wichtiger ist, festzuhalten,   da mehrheitlich Frauen im Niedriglohn-
Pflege tragen eine grosse Verantwortung,      wie oft die Urinflasche gereicht wurde, da   Care-Sektor arbeiten. Im Care-Bereich
wenn sie Symptome richtig erkennen,           diese Handlung verrechnet werden kann.       arbeiten alle entweder zu billig oder
Assistenzärzt*innen zu Aktionen bewe-         Wird das nicht dokumentiert, schlussfol-     gratis. Dank der Krise haben jetzt wohl
gen, Sterbende begleiten müssen. Das          gert das Management, dass es weniger         alle begriffen, dass diese Berufe systemre-
alles unter grossem Zeitdruck, bei tiefem     Personal braucht. Ein kranker Teufels-       levant und folglich unverzichtbar sind.
Lohn und wenig Anerkennung. Viele             kreis.                                       Ohne die bezahlte und unbezahlte Care-
steigen aus. Zu viele. Diesen Frühling             Es ist bekannt, dass Pflegequalität     Arbeit funktioniert der Rest der Wirt-
fehlten 11 000 Pflegefachpersonen.            und Patient*innensicherheit von genü-        schaft nicht; und wenn der Rest der Wirt-
                                              gend Pflegefachpersonen abhängig sind.       schaft im Lockdown ist, wird hier
Fallpauschalen und der Aberglaube an          Mehr Sicherheit für die Patient*innen        weitergearbeitet. Da realisierte wohl
die Effizienz                                 bedeutet weniger Wiedereintritte, da so      manch gut bezahlter Manager im Homeof-
    2012 kamen die Fallpauschalen und         Komplikationen, fehlende Informationen       fice, wie zweitrangig seine Arbeit im
der Glaube an die Effizienz betriebswirt-     und Instruktionen beim Spitalaustritt        Grunde ist. Die Gesellschaft weltweit hat
schaftlich strukturierter Prozessabläufe.     vermieden werden können. Zudem führt         es begriffen und zurückgegeben, was sie
Leitungspersonen wurden frühzeitig in         dies zu kürzeren Spitalaufenthalten und      konnte: Klatschen auf den Balkonen und
Rente geschickt oder innerbetrieblich         tieferen Infektionsraten. Dafür brauchen     Anerkennung von allen Seiten. Aber
umdisponiert, viele sind ausgestiegen.        die Pflegefachfrauen aber mehr Zeit für      Klatschen reicht nicht. Diese Arbeit muss
Wegen der zunehmenden Bürokratie und          Gespräche mit den Patient*innen, über        sich lohnen. Auch und gerade, wenn man
dem daraus entstehenden Unmut. Weil die       das Leben, die Krankheit, das Sterben        sie in Teilzeit ausübt.

                                                                                           Gesundheit ist keine Ware
                                                                                                Geht es aber um höhere Löhne für das
                                                                                           Pflegefachpersonal, tönt es rasch zurück:
                                                                                           Dann werden die Krankenkassenprämien
                                                                                           noch mehr steigen. Ein Killerargument,
                                                                                           das zudem so falsch ist. Die grössten
                                                                                           Kostentreiber sind die Spezialärzt*innen,
                                                                                           Medikamente, ambulante Behandlungen,
                                                                                           hohe Managerlöhne.
                                                                                                Wir müssen endlich anerkennen, dass
                                                                                           die systemrelevanten Berufe einen Preis
                                                                                           haben, den wir zahlen müssen. Mit dem
                                                                                           Abzug des Managements aus dem Care-
                                                                                           Sektor, der Rücknahme der Fallpauscha-
                                                                                           len und dem Wechsel hin zur Bedarfsfi-
                                                                                           nanzierung, wie es das Care-Manifest
                                                                                           fordert, wäre jetzt der richtige Moment,
                                                                                           einen entscheidenden Schritt zu tun, um
                                                                                           der Pflegearbeit ihren gerechten Wert zu
                                                                                           geben. Gesundheit ist keine Ware, Care-
                                                                                           Arbeit ein Dienst für alle. In einer Pande-
                                                                                           mie und immer.
                                                                                                Nadine Deringer und Dayana
                                                                                                Mordasini

So gut es geht: Nadine Deringer in selbstgebastelter Schutzkleidung an ihrem Arbeitsort.

                                                                  5
AL Info 6/19
                                                                 2/20 –– Kanton
                                                                         Thema

Pandemie und Grundrechte
Zur Pandemie-Bekämpfung hat der Bun-           nen Veranstaltung auszugehen. Erlaubt        tretungen, die mit einer Busse geahndet
desrat über Notrecht einschneidend in das      sind also nur Kleingruppen, die unterein-    werden. Die Missachtung des Veranstal-
Grundrecht der freien Meinungsäusserung        ander keinen (räumlichen) Zusammen-          tungs-Verbots der COVID-19-Verordnung
und der Versammlungsfreiheit eingegriffen.     hang haben.»                                 ist dagegen ein Vergehen, das mit bis zu
Zwar ist nicht umstritten, dass aus epide-     •   «Das Anbringen von Transparenten         drei Jahren Gefängnis bestraft werden
miologischen Gründen physische Kontak-         im öffentlichen Raum ist gemäss Art. 10      kann und zu einem Eintrag ins Strafregis-
te zwischen Menschen reduziert werden          Allgemeine Polizeiverordnung verboten.       ter führt.
sollten und Versammlungen ein Infektions-      Widerrechtlich aufgehängte Plakate                Die Oberstaatsanwaltschaft interpre-
risiko darstellen. Gleichzeitig besteht aber   können deshalb sichergestellt werden.»       tiert die COVID-19-Verordnung dahinge-
gerade in solchen Ausnahmesituationen                                                       hend, dass bei Demo-Organisator*innen
Anlass, sichtbar Protest zu äussern.           Wirtschaftsfreiheit Ja, Meinunungs-          und allfälligen Gehilf*innen ein Verge-
                                               äusserungsfreiheit Nein?                     hen, bei Teilnehmer*innen dagegen nur
1.Mai: Stadtpolizei greift rigoros                  Wenn ein Laden mit einem Plakat um      eine Übertretung vorliegt. Je nach kon-
durch                                          Kunden wirbt und mehrere Dutzend             kreten Umständen könnten allerdings
    Am 1. Mai zeigte sich eindrücklich,        Personen davor in einer Reihe anstehen,      auch Mitläufer*innen den Tatbestand des
wie die COVID-19-Verordnung 2 die              gilt dies nicht als Veranstaltung. Wenn      Vergehens erfüllen, namentlich wenn sie
Grundrechte einschränken kann. Am 30.          aber fünf oder weniger Personen unter        eine ausdrückliche Abmahnung der
April hiess es noch aus Bundesbern,            Einhaltung der BAG-Vorschriften mit          Polizei unter Hinweis auf die COVID-
Meinungsäusserungs- und Versamm-               einem Polit-Plakat durch die Strassen        19-Verordnung missachteten.
lungsfreiheit seien auch am 1. Mai ge-         ziehen oder an einem Ort stehen, wird das         Die Weisung der Oberstaatsanwalt-
währleistet: «Denkbar sind alle Formen         als verbotene Veranstaltung taxiert.         schaft geht viel weiter als die anderer
von politischen Äusserungen, bei denen         Inwiefern ist die Gefahr, dass sich dieser   Kantone. Wie kann es sein, dass man
es zu keinen Menschenansammlungen              Gruppe mehrere Personen anschliessen,        Stunden investiert, um Demo-
kommt (beispielsweise Aufstellen von           grösser als bei einem Laden? Und was hat     Teilnehmer*innen mit der maximal
Plakaten im öffentlichen Raum).» Die           das Abhängen von Plakaten mit COVID-         möglichen Härte zu bestrafen? Auch in
Behörden hätten einen Handlungsspiel-          19-Bekämpfung zu tun?                        Pandemie-Zeiten darf ein Verbot von
raum, «insbesondere, wenn sich nur                                                          Demos und öffentlichen Meinungsäusse-
einzelne Personen an einer Aktion beteili-     Staatsanwaltschaft auf Repressions-          rungen nur als allerletztes Mittel einge-
gen».                                          kurs                                         setzt werden. Einschränkungen müssen
    Die Realität sah dann aber anders              Das Veranstaltungsverbot der CO-         sich am gesundheitlichen Schutzzweck
aus. In der Stadt Zürich kam es zu zahlrei-    VID-19-Verordnung hat auch gravierende       orientieren und verhältnismässig sein,
chen kreativen Aktionen. An verschiede-        juristische Konsequenzen. Die Teilnahme      insbesondere im Vergleich mit anderen
nen Orten wurden 1. Mai-Transpis aufge-        an einer unbewilligten Demo und der          Aktivitäten, die erlaubt sind.
hängt und unter Einhaltung der                 Verstoss gegen das Versammlungs-Verbot            Christina Schiller, AL-Gemeinde-
Distanz- und Hygienevorschriften des           gemäss COVID-19-Verordnung sind Über-             rätin
BAG und in Gruppen von meist fünf oder
weniger Personen trugen Menschen ihre
politischen Botschaften in den öffentli-
chen Raum. Die Stadtpolizei schritt rigo-
ros ein und unterband jegliche Art von
Meinungsäusserung. Sie riss Transparen-
te herunter und beschlagnahmte diese,
auch auf privaten Grundstücken, sprach
Wegweisungen auch gegen Personen aus,
die die BAG-Vorgaben einhielten, und
foutierte sich selber um geltende Distanz-
und Hygienevorschriften.

Fadenscheinige Rechtfertigungen
     Ihr rigoroses Einschreiten rechtfer-
tigte sie mit fadenscheinigen Argumenten
(Anfrage Schiller/Maggi, GR 2020/169):
•   «In den Erläuterungen zur COVID-
19-Verordnung 2 ist eine öffentliche oder
private Veranstaltung ein zeitlich be-
grenztes, in einem definierten Raum oder
Perimeter stattfindendes und geplantes
Ereignis, an dem mehr als fünf Personen
teilnehmen. Bilden sich koordiniert
mehrere Gruppen zu fünf Personen mit
gewissem Abstand, die aber letztlich eine
Einheit darstellen, ist von einer verbote-     Fast schon zur Ikone geworden: Aufnahme einer Verhaftung am 1. Mai 2020 in Zürich.

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AL Info 2/20
                                                              6/19 – Aus den Räten

Birkenhof – was, wenn der Refe-                                                              Unruhe bewahren
renzzinssatz steigt?                                                                         4. März: AL und Grüne protestieren
                                                                                             in Fraktionserklärung gegen "Weiter
                         Zürich hat ein gros-   Vergleicht man diese Zahl mit vergange-      so"-Politik beim «Hotel Suff» und
                         ses Bevölkerungs-      nen Sanierungen von städtischen Wohn-        Vergabe ärztlicher Dienstleistungen
                         wachstum vor sich.     siedlungen, liegen die Kosten für diese      an OSEARA AG.
                         Bis 2035 ist mit       Gesamtinstandsetzung um 20-33% höher.        1.April: AL-Gemeinderätin Chris-
                         über 4000 Perso-            Die Wohnbauförderungsverordnung         tina Schiller fordert in «Zürich
                         nen mehr pro Jahr zu   des Kantons schreibt bei Neubauten vor,      West»-Kolumne Mietererlasse für
                         rechnen. Bei einer     dass für eine 3 1/2-Zimmerwohnung die        Geschäftsmieter*innen mit Corona-
                         durchschnittlichen     pauschalierten Erstellungskosten nicht       bedingten Betriebsschliessungen.
                         Belegung von zwei      mehr als 342 400 CHF betragen dürfen.        3. April: Trotz Pandemie reicht die AL
                         Personen müssen        Dass die Kosten für die Sanierung des        ihre kantonale Initiative gegen Steu-
damit jedes Jahr rund 2000 Wohnungen er-        Birkenhofs praktisch gleich hoch sind wie    ergeschenke für Grossaktionär*innen
stellt werden. Soll sich der Anteil der Miet-   die für einen Neubau, zeigt das Missver-     mit 6800 Unterschriften ein.
wohnungen gemeinnütziger Bauträger auf          hältnis auf. Die Höhe der Sanierungskos-     20. April: Zur Bewältigung der Corona-
einen Drittel erhöhen, müssen jährlich bis      ten hat bei den momentan tiefen Referenz-    krise fordern die AL-Kantonsrät*innen
zu 1000 gemeinnützige Wohnungen ent-            zinsen zwar keinen grossen Einfluss auf      Markus Bischoff, Manuel Sahli und
stehen. Will Zürich eine Stadt für alle sein,   die Mieten. Steigt der Referenzzinssatz,     Judith Stofer mit Parlamentarischer
gelingt dies nur, wenn Bau- und Instandset-     erhöhen sich die Mieten im Modell der        Initiative eine auf fünf Jahre befristete
zungskosten niedriger gehalten werden als       Kostenmiete jedoch viel drastischer, als     Zusatzsteuer auf Vermögen über 2
heute üblich.                                   wenn die Überwälzungsregeln des Obliga-      Mio Franken.
    Am Beispiel des Birkenhofs zeigt sich,      tionenrechts gelten.                         24. April: AL, SP und Grüne fordern
dass die Stadt dies noch nicht erkannt hat.          Wenn die Mieten derart ansteigen,       Verzicht auf Räumung des Juch-Areals
Es ist unumstritten, dass die 90-jährige        muss ein Teil der BewohnerInnen die          während der Coronakrise. Stadtrat
gemeinnützige Wohnsiedlung im Quartier          Siedlung verlassen. Das kann es nicht        krebst zurück und schiebt Räumung
Unterstrass instandgesetzt werden muss.         sein! Deshalb muss bei solchen Projekten     auf.
Die Aufwendungen für diese Sanierung            viel strikter überprüft werden, was genau    4. Mai: AL-Kantonsrätin Melanie Ber-
betragen Fr. 32 090 000. Daraus resultie-       erneuert werden muss und was nicht.          ner protestiert in Fraktionserklärung
ren für die 101 Wohnungen Sanierungs-                Christina Schiller, AL-Gemeinde-        gegen Kriminalisierung von Demonst-
kosten von 317 323 CHF pro Wohneinheit!              rätin                                   rierenden am 1. Mai.
                                                                                             6. Mai: In einer Fraktionserklärung
                                                                                             übt AL-Gemeinderätin Christina

Corona-Subkomission eingesetzt                                                               Schiller harsche Kritik an der Unter-
                                                                                             drückung der Meinungsäusserungs-
                                                                                             freiheit am 1. Mai und am fehlenden
                        Auf Initiative der AL   gesetzeskonform waren.                       Schutzkonzept der Stadtpolizei.
                        wurde im Kantons-            Weiter hat die Krise Mängel in der      15. Mai: AL unterstützt Petition
                        rat eine kombinierte    Pandemievorsorge aufgezeigt. Die Materi-     gegen Lastwagen-Wendeplatz auf
                        Subkomission der        allager der Spitäler waren nur ungenü-       dem Juch-Areal und protestiert gegen
                        Geschäftsprüfungs-      gend bestückt und der Kanton kann            sinnlosen Abriss von Kulturraum und
                        (GPK) und Finanzko-     hierzu nur Empfehlungen rausgeben. Es        Hinterzimmer-Deal der Stadt mit dem
                        mission (FIKO) ein-     stellt sich also die Frage, ob der Regie-    Bauriesen HRS. Manuela Schiller
                        gesetzt. Sie besteht    rungsrat genug Weisungsbefugnisse            reicht 1466 Unterschriften bei Stadt-
                        aus Mitgliedern         gehabt hätte, wenn wirklich nicht mehr       rat Golta ein.
                        aller Fraktionen und    genug Spitalbetten im Kanton vorhanden       26. Mai: Erfolgreiche Premiere von
soll sich mit den kantonalen Massnahmen         gewesen wären. Auch die Beschaffung          «Digit-AL – Debatten im Netz» zu
rund um Corona beschäftigen.                    von Schutzausrüstung ist ein Thema. Und      «Corona & Gesundheitspolitik».
     Eine der Hauptaufgabe dieser Komis-        man darf sich durchaus fragen, ob die        10. Juni: AL-Gemeinderätin Ezgi Akyol
sion ist neben einer Beurteilung auch das       kurzfristige Anschaffung einer Masken-       verliest ein Statement von Schwarzen
Stellen von Fragen. Doch was für Fragen         produktionsmaschine mitten in der Krise      Aktivist*innen zu den Black Lives
stellen sich überhaupt, wenn Sachen wie         eine sinnvolle Investition darstellte.       Matter-Demonstrationen in Zürich und
der Lockdown und die Schulschliessun-                Weitere Themen sind die Auswirkung      zum Rassismus in der Schweiz.
gen alle vom Bund diktiert worden sind?         auf die Asylsuchenden und der Umgang         17. Juni: AL lanciert mit Gewerk-
     Neben dem direkten Einfluss des            mit der Krise in den sehr engen Verhält-     schaftsbund, SP, Grünen, Caritas,
Home Office auf die kantonale Verwal-           nissen in den Lagern und die Frage, ob die   HEKS und SAH in Zürich, Winterthur
tung gilt es die Arbeit des vom Regie-          kantonalen Soforthilfen im Kultur- und       und Kloten Initiativen für einen Min-
rungsrat eingesetzten kantonalen Füh-           Sportbereich auch wirklich funktionieren     destlohn von CHF 23 pro Stunde.
rungsstabs (KFO) aus Vertretern von             und ankommen.
Polizei, Feuerwehr, Kantonsapotheke und              Natürlich ist diese Liste nicht ab-
verschiedenen Ämtern zu prüfen. Durch           schliessend – Habt Ihr selbst weitere        Finanzen
den Notstand erhielt der Regierungsrat          Fragen? Als Mitglied der Subkomission        Damit wir Unruhe bewahren können,
mehr Kompetenzen und es stellt sich die         kann ich diese dann dort einbringen -        sind wir dankbar für jede Spende:
Frage, ob diese auch verhältnismässig           schreibt mir doch einfach eine kurze Mail    Alternative Liste Zürich,
genutzt wurden und ob die erlassenen            an m.sahli@al-winti.ch!                      PC 87– 63 811– 5
Notstandsverordnungen sinnvoll und                   Manuel Sahli, AL-Kantonsrat             IBAN: CH53 0900 0000 8706 3811 5

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AL Info 2/20 – Das Letzte

Unter dem Firnis
lauert die Not
                                          Ein Lohn zum Leben
                     Corona führt
                     uns die globale
                     Vernetzung und
                     gleichzeitig das
                     erschreckend be-
                     grenzte Ausmass
                     der internationa-
                     len Solidarität
                     so klar wie wohl
noch nie vor Augen. «No surprise»
werden manche sagen. Ein bisschen
überrascht war ich hingegen doch
über die Verletzlichkeit, neudeutsch
«Vulnera-bilität», unserer «there is no
alternative»-Marktwirtschaft.
Die Krise hatte kaum begonnen, da
heulten schon landauf landab die Si-
renen. Unglaublich vielen Menschen,
ganzen Wirtschaftszweigen ging in
kürzester Zeit das Geld aus. Schlan-
gen bildeten sich bei der Gratis-         Entscheidender Faktor in Klotens grossem Niedriglohnsektor: das Flughafenpersonal.
Essensabgabe - in der Schweiz, in
Genf und Zürich!                          Der Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich       ist, dass 43 Prozent der Tieflohnbeziehen-
Die Erfahrung, dass diesem vermeint-      (GBKZ) hat zusammen mit AL, SP, Grünen         den in der Stadt Zürich zwischen 30 und
lich «besten aller Systeme» selbst        sowie den Hilfswerken HEKS, Caritas und        49 Jahren alt sind. Es sind also nicht nur
im innersten Zentrum so schnell der       SAH in den Städten Zürich, Winterthur und      junge BerufseinsteigerInnen betroffen.
Schnauf ausgeht, dass der Kapitalis-      Kloten die kommunalen Initiativen «Ein              Betroffen sind zwischen 70 und 80
mus, der uns allen das grosse Glück       Lohn zum Leben» lanciert. Wer in diesen        Prozent der Arbeitnehmenden in Wäsche-
verspricht, im Moment der Krise so        Städten arbeitet, soll einen Mindestlohn       reien und mehr als zwei Drittel der Be-
vielen (Menschen) so wenig (Schutz)       von CHF 23 pro Stunde erhalten.                schäftigten in Coiffeursalons. Auch mehr
bietet, war und ist erschreckend,              Mit diesen 23 Franken kann ein            als die Hälfte der Beschäftigten in der
ernüchternd, buchstäblich ein Ar-         Monatslohn von rund 4'000 Franken              Gebäudereinigung sowie im Garten- und
mutszeugnis.                              erreicht werden. Das Bundesgericht hat         Landschaftsbau arbeiten für Tieflöhne.
Schliesslich kommt die Rettung - wie      Mindestlohnvorschriften gutgeheissen,          Dazu kommt jedeR dritte Arbeitnehmende
schon in der Finanzkrise - vom Staat,     jedoch enge Schranken gesetzt. So dürfen       in der Gastronomie, der Beherbergung
dem viel geschmähten, mittels             diese ausschliesslich sozial und nicht         und weiteren Dienstleistungsbereichen.
Interventionen in noch nie gesehe-        gewerkschaftlich begründet sein und            Bei Kurier- und Expressdiensten, bei
nem Ausmass und beschlossen in            sollen «Working poor» verhindern. Wer          einigen Sicherheitsdiensten oder der
atemberaubendem Tempo - unter             arbeitet, soll gleich viel Geld erhalten wie   Herstellung von Nahrungs- und Futter-
Notrecht. So kann das grösste             jemand mit einer Rente und Ergänzungs-         mitteln gibt es ebenfalls oft sehr tiefe
Unheil vermieden, viel Not gelindert      leistungen.                                    Löhne. Für viele überraschend erhalten
werden.                                        Die Initiative greift Tieflöhne frontal   auch Flugbegleiter*innen Löhne, die
Es bleibt zu hoffen, dass die Corona-     an. Laut der Internationalen Arbeitsorga-      kaum zum Leben reichen. So liegt der
Krise irgendwann vorbei ist. Sicher       nisation (ILO) sind dies Löhne, die weni-      monatliche Einstiegslohn des Kabinenper-
nicht vorbei wird die Klima-Krise         ger als zwei Drittel des nationalen Medi-      sonals bei der Swiss deutlich unter 4'000
sein. Der Ausstieg aus den fossilen       anlohnes betragen. Im Jahr 2018 lag diese      Franken.
Energien, die Verwirklichung des          Grenze bei 4'358 Franken.                           Der Druck auf die tiefen Löhne hat in
Netto Null CO2-Ziels, ist eine epo-            In der Stadt Zürich arbeiten rund         den letzten Jahren zugenommen. So fielen
chale Aufgabe, die ebenso enorme          500'000, in Winterthur 75'000 und in Klo-      die Reallöhne in der Sicherheitsbranche
Investitionen erfordert.                  ten 37'000 Personen. Im ganzen Kanton          zwischen 2016 auf 2018 um 5,9 Prozent und
Darum müssen wir die finanziellen         sind es etwa eine Million. Damit könnten       bei den Post- und Kurierdiensten um 2,9
Stützungs- und Rettungsgelder,            rund 60 Prozent der Arbeitnehmenden im         Prozent. Die Corona-Krise hat diesen
die zur Milderung der Corona-Krise        Kanton von Mindestlöhnen profitieren. In       Druck weiter erhöht. Gerade schlechte
eingesetzt werden, mit Bedingungen        der Stadt Zürich beziehen gemäss Lohn-         bezahlte Jobs wie Kurierdienste und
verknüpfen, die den ökologischen          strukturerhebung 30'183 Menschen Tief-         Eingangskontrollen haben massiv zuge-
Umbau befördern und gleichzeitig          löhne. Das sind 8.6 Prozent aller Beschäf-     nommen. Die Mindestlohninitiative setzt
soziale Ungleichheit verringern.          tigten. 63 Prozent der Betroffenen sind        ein starkes Zeichen gegen die Prekarisie-
Die Krise hat gezeigt, wie schnell        Frauen. Rund 17'000 der Tieflöhner*innen       rung der Beschäftigten.
sich vieles verändern und Unmögli-        arbeiten für weniger als 4'000 Franken              Markus Bischoff, AL-Kantonsrat
ches plötzlich möglich werden kann.       monatlich: Sie könnten von der Mindest-             und Präsident Gewerkschaftsbund
Das kann und sollte uns auch Mut          lohn-Initiative unmittelbar profitieren.            Kanton Zürich
machen.                                        Je tiefer der Tieflohn, desto höher
   Richard Wolff, AL-Stadtrat             wird der Frauenanteil. Bemerkenswert

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