Österreichische Gesellschaft für Meteorologie 2015/2
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Zum Titelbild: Überreichung der Goldenen Hann Medaille durch den 1. Vorsitzenden der ÖGM Fritz Neu- wirth an Prof. Michael Kuhn (siehe Bericht)
ÖGM bulletin 2015/2 1 Impressum 20 Jahre Messung der Ozonschichtdicke und der UV-Strahlung auf dem Hohen Sonnblick Herausgeber und Medieninhaber: Stana Simic . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Österreichische Gesellschaft für Feier 150 Jahre ÖGM, 150 Jahre österreichi- Meteorologie sche Wetterkarte und 125 Jahre Institut für 1190 Wien, Hohe Warte 38 Meteorologie und Geophysik der Universität http://www.meteorologie.at Innsbruck Redaktion: Fritz Neuwirth . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Fritz Neuwirth Österreichische Gesellschaft für Verleihung der Goldenen Hann-Medaille an Meteorologie Univ. Prof. Dr. Michael Kuhn 1190 Wien, Hohe Warte 38 Fritz Neuwirth . . . . . . . . . . . . . . . . 34 fritz.neuwirth@gmx.at Citizen Science: Meteorologie und Geophysik Michael Kuhn zum Mitmachen Institut für Atmosphären- und Thomas Wostal . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Kryosphärenwissenschaften, Universität Innsbruck 33rd International Conference on Alpine Me- 6020 Innsbruck, Innrain 52 teorology (ICAM 2015) Gerhard Wotawa Mathias Rotach und Alexander Gohm . . 39 Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik Bericht über die Teilnahme an der 8. BIOMET 1190 Wien, Hohe Warte 38 Tagung in Dresden Technische Umsetzung: Ernest Rudel . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Christian Maurer Bericht über die Teilnahme an der 9. Klima- christian.maurer@zamg.ac.at tagung des DWD und der 3. Nationalen GFCS Tagung Redaktionsschluss für das ÖGM Bulletin Ernest Rudel . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2016/1 ist 30. April 2016. Um Beiträge wird gebeten. Bericht über die Sitzung des Redaktionsaus- schusses der DWD-Fortbildungszeitschrift „promet“ Inhalt Ernest Rudel . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Earth Observation Data Center (EODC): Auf- Vorwort bau eines österreichischen Datenzentrums Fritz Neuwirth . . . . . . . . . . . . . . . . 3 für ESA-Satellitendaten Gerhard Wotawa . . . . . . . . . . . . . . . 49 Nachruf auf Hon.-Prof. Dr. Franz Huber-Pock Helmut Pichler . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Europäische Unwetterkonferenz 2015 – ein Rückblick Bericht über 6. Österreichischen Meteorolo- Alois M. Holzer . . . . . . . . . . . . . . . . 52 gInnentag Fritz Neuwirth . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bericht über die 17. Generalversammlung der Europäischen Meteorologischen Gesellschaft Kleinräumige Störfallmodellierung in dicht Fritz Neuwirth . . . . . . . . . . . . . . . . 55 verbauten Bereichen Kathrin Baumann-Stanzer, Sirma Stenzel 9 Institut für Atmosphären- und Kryosphären- wissenschaften der Universität Innsbruck Die „Vb“ Zugbahn Mathias Rotach . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Michael Hofstätter . . . . . . . . . . . . . . 21 Wien, im Dezember 2015
2 ÖGM bulletin 2015/2 Ausschussmitglieder der ÖGM Vorstand 1. Vorsitzender Fritz NEUWIRTH (ehemals ZAMGa ) 2. Vorsitzender Michael KUHN (ACINNb ) Generalsekretär Gerhard WOTAWA (ZAMG) Kassier Markus KOTTEK (KIKSc ) Schriftführer Andrea STEINER (Wegener Centerd , Graz) Sonstige Ausschussmitglieder Michael ABLEIDINGER (ACGe ) Ingeborg AUER (ZAMG) Gottfried KIRCHENGAST (Wegener Center, Graz) Helga KROMP-KOLB (BOKU-Metf ) Manfred SPATZIERER (UBIMETg ) Reinhold STEINACKER (IMGWh ) Leopold HAIMBERGER (IMGW) Viktor WEILGUNI (HZBi ) Mathias ROTACH (ACINN) Franz RUBEL (VetMedj ) Michael STAUDINGER (ZAMG) a Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik b Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck c Kärnter Institut für Klimaschutz d Wegener Center for Climate and Global Change, Universität Graz e Austro Control f Institut für Meteorologie, Universität für Bodenkultur Wien g UBIMET GmbH h Institut für Meteorologie und Geophysik, Universität Wien i Hydrographisches Zentralbüro j Institut für Öffentliches Veterinärwesen,Veterinärmedizinische Universität Wien
ÖGM bulletin 2015/2 3 Vorwort Fritz Neuwirth Fritz Neuwirth 1. Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Meteorologie (ÖGM) S ehr geehrte Mitglieder der Österreichi- schen Gesellschaft für Meteorologie! den 2. Teil der 150-jährigen Geschichte der ÖGM – Zeit zwischen 1945 und heute – zu Das letzte Halbjahr war für die ÖGM Grund bringen, aber dadurch, dass der 1. Teil der zur Freude, aber auch Grund zur Trauer. Am Geschichte im letzten Bulletin relativ viel 14. September 2015 verstarb unser langjäh- Platz beanspruchte, sind einige Beiträge für riges Mitglied Prof. Franz Huber-Pock. Der das Bulletin liegen geblieben bzw. es gab im Nachruf von Prof. Helmut Pichler in diesem Laufe des letzten Halbjahres einige berich- Bulletin ehrt diesen begeisterten Meteorolo- tenswerte Ereignisse. Es wird daher der 2. gen und äußerst liebenswerten Kollegen, der Teil der Geschichte im nächsten Bulletin er- durch viele Jahre ein gewissenhafter Rech- scheinen. nungsprüfer der ÖGM war. Höchst erfreulich war auch der diesjäh- Anlass zur Freude war die Feier im Rah- rige 6. Österreichische MeteorologInnentag, men der ICAM zu 150 Jahren Bestehen der der in ausgezeichneter Weise von Kathari- ÖGM, wobei gleichzeitig 150 Jahre seit der na Brugger und Franz Rubel vom Institut ersten österreichischen Wetterkarte und 125 für Öffentliches Veterinärwesen in der Ve- Jahre seit der Gründung des Instituts für terinärmedizinischen Universität Wien or- Meteorologie und Geophysik der Universi- ganisiert wurde. Sie finden auch Berichte tät Innsbruck unter dem Titel „A total of 425 über die Veranstaltung in der Universität Years of Weather Celebration“ gefeiert wur- für Bodenkultur über 20 Jahre Ozonmes- den. Im Rahmen dieser Feier konnte Prof. sungen im Sonnblick-Observatorium, über Michael Kuhn die Goldene Hann-Medaille die in Wiener Neustadt abgehaltene „Euro- der ÖGM verliehen werden. Berichte über pean Conference on Severe Storms“, über diese erfreulichen Ereignisse finden Sie in die Redaktionssitzung von PROMET und diesem Bulletin. den Deutschen Klimatag, über die Gener- alversammlung der Europäischen Meteoro- An sich war geplant in diesem Bulletin
4 ÖGM bulletin 2015/2 logischen Gesellschaft, über die Gründung ÖGM mitbetreut, und Christian Maurer von von EODC, über Sparkling Science Aktivitä- der ZAMG, der dafür verantwortlich ist, dass ten der ZAMG und manches Anderes. Sie das Bulletin in dieser Form in ihren Hän- In etwas umfangreicherer Form werden den haben. auch Ergebnisse von zwei interessanten Pro- Abschließend darf ich auf die vom 14. bis jekten, an denen die ZAMG wesentlich be- 18. März in Berlin stattfindende DACH16- teiligt war, berichtet: Kleinräumige Stör- Tagung, die Fach- und Fortbildungsta- fallmodellierung in dicht verbauten Berei- gung für Meteorologie im deutschspra- chen und das WETRAX-Projekt. chigen Raum, hinweisen, die von DMG, Lassen Sie mich auch zwei Personen ÖGM und SGM gemeinsam veranstaltet danken, die im Hintergrund wesentlich die wird. Nähere Information finden Sie unter ÖGM unterstützen: Natalie Nosek von der www.dach2016.de. ZAMG, die neben ihren Tätigkeiten in der Ich hoffe, Sie finden das vorliegende ÖGM- ZAMG ausgezeichnet das Sekretariat der Bulletin interessant. Reisekostenzuschuss für studierende Mitglieder Die ÖGM fördert junge Mitglieder, die steller Originalrechnungen und einen kurz- ihr Studium noch nicht abgeschlossen ha- en Bericht (1-2 Seiten), bis spätestens drei ben, mit Reisekostenzuschüssen von ma- Monate nach beendeter Reise, abzugeben. ximal EUR 150,– pro Reise. Die Reise soll Der Bericht ist so abzufassen, dass er im der wissenschaftlichen Fortbildung oder der nächsten ÖGM Bulletin veröffentlicht wer- Präsentation der eigenen Arbeit im Rah- den kann; die Mitglieder der ÖGM über die men von Workshops oder Tagungen dienen. Tagung und im Besonderen über den Bei- Der Antrag auf Reisekostenzuschuss muss trag des geförderten ÖGM Mitglieds infor- an den 1. Vorsitzenden der ÖGM gerich- miert werden. tet werden. Bei Bewilligung hat der Antrag-
ÖGM bulletin 2015/2 5 ACINN Nachruf auf Hon.-Prof. Dr. Franz Huber-Pock 20.7.1931 – 14.9.2015 Helmut Pichler A m 14. September 2015 ist im 85. Lebens- jahr Herr Hon.-Prof. Dr. Franz Huber- Pock in Wien verstorben. Er war hauptbe- er an der Universität Wien Meteorologie studierte. Er dissertierte bei Univ.-Prof. Dr. Heinz Reuter über „Untersuchungen über ruflich Gesellschafter der Firmen „Huber & die Veränderlichkeit der Wirbelstärke in der Lerner“ und „Theyer & Hardtmuth“. Seinen freien Atmosphäre und ihre Beziehungen zu Beruf übte er mit großer Gewissenhaftigkeit den Druckänderungen am Boden“ und pro- und Verantwortungsbewusstsein aus. Er war movierte am 11. Juli 1957 zum „Doktor der Träger des Silbernen Ehrenzeichens für Ver- Philosophie“ an der Universität Wien. dienste um die Republik Österreich und des Dabei ließ er es aber nicht bewenden. Er Jordanischen Al-Istiqlal-Ordens. arbeitete neben seinem Beruf wissenschaft- Franz Huber-Pock war ein sehr aufmerk- lich weiter. Sein großes Interesse galt der samer Beobachter der Wetterentwicklung. Wetteranalyse und Wettervorhersage und in Daraus resultierte vermutlich seine große diesem Zusammenhang war ihm die Objek- Leidenschaft für die Wissenschaft des Wet- tivierung der Methoden ein besonderes An- ters. Es ist daher nicht verwunderlich, dass liegen. Es folgten dazu Arbeiten, zum Teil
6 ÖGM bulletin 2015/2 als alleiniger Autor, zum Teil gemeinsam mit trisierung, Lösungsmethoden für algebrai- anderen. Er hatte das Glück, in einer Zeit zu sche Gleichungen und ein Überblick über leben, in der die elektronischen Computer numerische Vorhersagemodelle im globa- entwickelt wurden und diese Entwicklung len und mesoskaligen Scale (Heft 42, Wien enorm rasch voranschritt. Damit verbunden 2008); Teil III: Vorhersagbarkeit, Datenassi- war auch der stürmische Fortschritt der nu- milierung und Verifikation (Heft 43, Wien merischen Methoden der Wetteranalyse und 2009). Das Anliegen von Franz Huber-Pock Wettervorhersage. Franz Huber-Pock ver- war, einen Überblick über die stürmische folgte diese Entwicklung mit großem Inter- Entwicklung der numerischen Wettervor- esse. Er war ein ausgezeichneter Kenner der hersage im letzten Viertel des 20. und zu wissenschaftlichen Literatur auf diesem Ge- Beginn des 21. Jahrhunderts zu geben, was biet. Als Universitätslektor hielt er Vorlesun- ihm in bewundernswerter und anspruchs- gen zu „Methoden der numerischen Vorher- voller Weise gelungen ist und Hochachtung sage“ am Institut für Meteorologie und Geo- und Anerkennung abverlangt. Weiters ist auf physik an der Universität Wien. die umfangreiche Literaturangabe in jedem Auf Grund seiner wissenschaftlichen Heft hinzuweisen. Leistungen wurde Dr. Franz Huber-Pock am Franz Huber-Pock war auch über sein 5. August 1996 die Lehrbefugnis als Honorar- eigentliches Fachgebiet hinaus sehr bele- professor für Meteorologie und Geophysik sen und man konnte mit ihm über vielfäl- an der Universität Wien erteilt. Als Ergeb- tige Probleme diskutieren. Er war auch ein nis seiner Belesenheit und seiner gesamten langjähriges treues Mitglied der „Österrei- Lehrtätigkeit sind in den „Östereichischen chischen Gesellschaft für Meteorologie“ und Beiträgen zu Meteorologie und Geophsik“ von 1987 bis 2014 neben Prof. Schwarzl de- die von Franz Huber-Pock verfassten Hefte ren Rechnungsprüfer. Die „Österreichische Nr.: 30,41,42,43 - ingesamt 709 Seiten - an- Gesellschaft für Meteorologie“ bedauert zu- zusehen: „Die atmosphärischen Gleichun- tiefst den Verlust von Hon.-Prof. Dr. Franz gen in den meteorologischen Koordinaten- Huber-Pock. Sie wird ihm ein ehrendes An- systemen“ (Heft 30, Wien 2003), „Numeri- denken bewahren. Schließlich soll noch er- sche Methoden in der Wettervorhersage - wähnt werden, dass er neben seiner Lei- Eine Übersicht über Methoden und Proble- denschaft für die Meteorologie, auch ein me“: Teil I : Grundlagen, Atmosphärische passionierter Jäger war. Ich persönlich ha- Wellen, Die Gitterpunktsmethode (Heft 41, be einen liebenswerten vielseitig begabten Wien 2008); Teil II : Die Semi-Lagrange Me- Freund verloren. Die Diskussionen mit ihm thode, Die Galerkin-Methoden, Die Parame- werden mir stets in Erinnerung bleiben.
ÖGM bulletin 2015/2 7 ÖGM Bericht über 6. Österreichischen MeteorologInnentag 5.-6. November 2015, Wien Fritz Neuwirth D er alle zwei Jahre stattfindende Öster- reichische MeteorologInnentag fand vom 5. bis 6. November auf Einladung von bei gereichte Punsch und die heißen Maroni wurden mit Freude angenommen und schu- fen eine angenehme Atmosphäre. Alle Teil- Franz Rubel, Institut für Öffentliches Veteri- nehmer waren aufgefordert, das ihrer Mei- närwesen, im Festsaal der Veterinärmedizi- nung nach beste Poster auszuwählen. Auf- nischen Universität Wien statt. Die äußeren grund der abgegebenen Beurteilungen er- Gegebenheiten für eine Veranstaltung die- gab es sich, dass zwei 1. Preise und zwei ser Größe waren ausgezeichnet, vor allem 2. Preise vergeben werden konnten. Die 1. für die Poster stand genügend Raum zur Ver- Preise erhielten Lukas Strauss für das Poster fügung. An dem von Katharina Brugger und „Verwendung von Google Earth zur Visua- Franz Rubel und ihrem Team hervorragend lisierung von meteorologischen Daten im organisierten MeteorologInnentag nahmen komplexen Gelände“ (gemeinsam mit S. Se- 100 Kolleginnen und Kollegen teil. In rund rafin und V. Grubisic) und Andrea Berger für 25 Vorträgen und 25 Postern wurde ein das Poster „Grenzschichtablösung in einem höchst interessanter, vielfältiger und bemer- tiefen Tal im Zusammenhang mit Inversio- kenswerter Überblick über die mannigfalti- nen“ (gemeinsam mit L. Strauss und S. Sera- gen derzeitigen Aktivitäten der österreichi- fin). Die 2. Preise wurden an Melanie Walter schen meteorologischen Community gege- für das Poster „Ein klimatologisches Habitat- ben. Das Programm sowie die PowerPoint model zur Verbreitung der Schafzecke Der- Präsentationen zu den gehaltenen Vorträgen macentor marginatus“ (gemeinsam mit K. finden Sie auf der Website der ÖGM www. Brugger und F. Rubel) und an Brigitta Hollosi meteorologie.at. für das Poster „SNORRE – Entwicklung einer Für die Vorstellung der verschiedenen Methodik zum Screening von kleinräumigen Poster war genügend Zeit in einer eigenen Extremereignissen“ (gemeinsam mit C. Ma- geführten Poster Session gegeben. Der da- tulla und M. Balas) vergeben. Die Preisträ-
8 ÖGM bulletin 2015/2 ger erhielten als Preise Geldbeträge, bereit- Die Tagung wurde von der Veterinärme- gestellt von der ÖGM, sowie Bücher über dizinischen Universität, der ZAMG, die die den Sonnblick, zur Verfügung gestellt von Kosten des Abendessens übernahm, von der ZAMG. Austrocontrol und der Firma UBIMET we- Einige Teilnehmer nahmen vor Beginn sentlich gesponsert, wofür ganz herzlich ge- der Tagung an den angebotenen, höchst in- dankt werden muss. Durch die Unterstüt- teressanten Führungen durch verschiedene zung der Sponsoren war es möglich, von Bereiche der Veterinärmedizinischen Uni- ÖGM-Mitgliedern keine Teilnahmegebühr versität teil. Das sehr bekömmliche und üp- einnehmen zu müssen. pige MeteorologInnendinner am Abend trug Der nächste MeteorologInnentag ist auf- wesentlich bis in die Nachtstunden hin- grund einer diesbezüglichen Einladung des ein zu einer noch besseren Vernetzung zwi- Wegener Center für Klima und Globalen schen den Kolleginnen und Kollegen bei. Wandel für Anfang November 2017 in Graz geplant. oben links: Begrüßung durch Franz Rubel, oben rechts: Stärkung am Maronistand, unten links: Bei der Postersession, unten rechts: Verleihung der Posterpreise; von links nach rechts zu sehen: F. Neu- wirth (ÖGM), M. Walter (VetMed Universität), L. Strauss (IMGW), übernahm auch Posterpreis für A. Berger vom IMGW, I. Auer (ZAMG, übernahm Posterpreis für B.Hollosi von der ZAMG), F. Rubel (Vet- Med Universität). Quelle: Martine Trauffler.
ÖGM bulletin 2015/2 9 ZAMG Kleinräumige Störfallmodellierung in dicht verbauten Bereichen (COST Aktion ES1006 2011 – 2015) Kathrin Baumann-Stanzer, Sirma Stenzel COST (European Cooperation in the Field D ie ZAMG hat am 23. April 2015 in Zu- sammenarbeit mit der Wiener Be- rufsfeuerwehr einen Internationalen Work- of Scientific and Technical Research, http: //www.cost.eu), dient als europäisches shop der COST Aktion ES1006 in den Räum- Rahmenkonzept zur Förderung der inter- lichkeiten des Feuerwehrmuseums bei der nationalen Kooperationen zwischen Wis- Hauptfeuerwache Wien organisiert (Abbil- senschaftern, Technikern und Bedarfsträ- dung 1). Mit dieser Veranstaltung fand die gern in Europa. 42 Personen aus 19 Län- vierjährige, sehr aktive internationale Zu- dern Europas (einschließlich Israels) sowie sammenarbeit der COST Aktion ES1006 ihr- Gäste aus den USA, Japan und Katar waren en Abschluss. an der COST Aktion ES1006 (http://www. elizas.eu) beteiligt. In Arbeitstreffen und gemeinsamen Dokumenten wurde der ge- genwärtige Stand der Technik im Bereich der kleinräumigen atmosphärischen Störfall- modellierung im städtischen Bereich erfasst. Es wurden Empfehlungen hinsichtlich der intensiveren Nutzung moderner Modellier- ungsansätze ausgearbeitet und der weite- re Forschungs- und Entwicklungsbedarf im Hinblick auf die Bedürfnisse im praktischen Abb. 1: Präsentation modernster Messeinrich- Einsatz aufgezeigt. Die Ziele und Arbeiten tungen des Schadstoffzugs der Wiener Feu- erwehr zur Fernerkundungsmessung von toxi- der COST-Aktion wurden auf zahlreichen schen Gase (z.B. zur Überwachung von Großver- Fachtagungen vorgestellt (u. a. Baumann- anstaltungen). Quelle: Gabriele Rau. Stanzer et al., 2014; Leitl et al., 2013 und 2014; Trini Castelli, 2014ab). In jährlichen
10 ÖGM bulletin 2015/2 Workshops (2012 in Hamburg, 2013 in Pa- Krisenfall selbst entscheidend für die Praxis- ris und 2014 in Rom) wurden die Ergebnisse tauglichkeit des verwendeten Modells. mit Einsatzkräften und Entscheidungsträ- Der COST ES1006 Bericht über Grund- gern des Katastrophenschutzes diskutiert. lagen und den Stand der Wissenschaft und Giftgasunfälleim städtischen Bereich Technik (Andronopoulos et al., 2012) gibt stellen eine große Herausforderung für die einen detaillierten Überblick über Fragestel- Einsatzkräfte und die verantwortlichen Be- lungen, Modellansätze und Methoden der hörden dar. Ausbreitungsmodellierung ist Modellevaluierung für Unfallszenarien mit hier gefordert, um im Ernstfall rasch eine toxischer Gasfreisetzung in verbautem Ge- möglichst genaue und verlässliche Prognose lände. Die Zielgruppe des von COST ES1006 der weiteren Verlagerung der toxischen Wol- erstellten Leitfadens für die praktische Mo- ke zur Abgrenzung des Gebiets für Schutz- dellanwendung (Andronopoulos et al., 2015) und Evaluierungsmaßnahmen zu liefern. sind Einsatzkräfte, Entscheidungsträger und Der Schwerpunkt der COST Aktion alle Fachleute, die an der Lagebeurteilung ES1006 lag auf der kleinräumigen atmosphä- im Fall einer potenziellen oder tatsächli- rischen Ausbreitungsmodellierung. Diese chen Freisetzung von Gefahrenstoffen in umfasst Abstände von der unmittelbaren der Atmosphäre mitwirken. Das Dokument Umgebung der Freisetzung bis zu einem gibt Hinweise über die Anwendbarkeit von maximalen Radius von wenigen Kilome- atmosphärischen Ausbreitungsmodellen im tern. Derartige Störfallberechnungen wer- Rahmen von Krisenmanagementsystemen den bei Freisetzungen chemischer, biologi- in den drei Phasen Krisenfallvorsorge, Not- scher oder radioaktiver Gefahrstoffe benö- fallsituation und Nachbearbeitung. tigt, welche Gefahren für Menschen, Infra- Atmosphärische Ausbreitungsmodelle struktur und Umwelt darstellen. liefern in der Störfallrechnung eine Abschät- Unfälle oder terroristische Aktivitäten zung über die Geschwindigkeit und Rich- können Ursachen für Bedrohungen dieser tung der Ausbreitung eines gefährlichen Art sein. Eine besondere Eigenschaft die- Stoffes. Wenn genauere Angaben über die ser Freisetzungen ist im Gegensatz zu groß- Art der Freisetzung (Quelle) verfügbar sind, räumigeren Ereignissen die unter Umstän- ermöglichen diese Programme eine Vorher- den sehr kurze Dauer des Wolkendurch- sage der Konzentration oder Dosis in Boden- zugs bei gleichzeitig großer schädlicher (z. niveau. Die Modelle enthalten einfache em- B. hoher toxischer) Wirkung. Hinzu kommt, pirische oder aufwändigere numerische Ver- dass in städtischer Umgebung oder im Be- fahren, um die wichtigsten physikalischen reich von Industrieanlagen Gebäudestruk- und chemischen Prozesse, Transport, Ver- turen zumeist einen wesentlichen Einfluss teilung, chemische Umwandlung und Zer- auf die Strömung und damit auf die atmo- fall der Schadstoffe oder Radionuklide in der sphärische Ausbreitung des Gefahrenstoffs Atmosphäre zu simulieren. haben. Andererseits sind die Rechendauer Manche dieser Modelle sind Teil ei- der Störfallmodellierung sowie die Bedie- nes umfangreichen Entscheidungshilfesys- nungsfreundlichkeit bei der Anwendung im tems für Krisenmanager, meist gekoppelt
ÖGM bulletin 2015/2 11 mit einer chemischen Stoffdatenbank, mit temen und Störfallmodellen zu vergleichen. Programmen zur geografischen Verortung Wie erwartet, können Typ I Modelle ’leicht’ und Darstellung der Ergebnisse (GIS) so- durch geschultes Personal eingesetzt wer- wie weiteren Modulen beispielsweise zur den, während bei der Inbetriebnahme und Emissionsmodellierung und zur Folgenab- Anwendung eines Typ III Modells durch- schätzung. Die meisten komplexeren atmo- schnittliche bis umfassende Kenntnisse ei- sphärischen Ausbreitungsmodelle sind der- nes Experten erforderlich sind. Komplexere zeit jedoch nur als eigenständige Anwen- Modelle liefern einen größeren Umfang an dungen verfügbar. Nach den in den Aus- Informationen, benötigen aber auch mehr breitungsmodellen verwendeten Modellan- Zeit für die Berechnungen. Es werden daher sätzen bzw. der Komplexität der Berück- verschiedene Arten von Störfallmodellen für sichtigung des Gebäudeeinflusses werden die unterschiedlichen Phasen des Notfalls von COST ES1006 drei Arten von Modellty- empfohlen - in Abhängigkeit vom erwarte- pen unterschieden: Typ I ohne Berücksichti- ten Umfang an Modellergebnissen, von den gung der Gebäude, Typ II mit empirischer/ verfügbaren Rechenressourcen und der ge- diagnostischer Strömungsmodellierung und forderten Geschwindigkeit der Berechnun- Typ III mit expliziter Auflösung des Gebäu- gen. deeinflusses (Abbildung 2). Insgesamt wurden 25 verschiedene Mo- delle (7 Entscheidungshilfesysteme und 18 Ausbreitungsmodelle) in COST ES1006 Mo- dellvergleichsstudien verwendet. In diesen Versuchen wurden die Modellergebnisse ei- nerseits untereinander verglichen, anderer- seits anhand von Testdaten aus geeigne- Abb. 2: Drei Arten kleinräumiger atmosphäri- ten Feld- und Laborexperimente evaluiert scher Ausbreitungsmodelle. Quelle: Baumann- (Baumann-Stanzer et al., 2015). Im Rahmen Stanzer et al., 2015: COST ES1006 - Model Eva- von COST ES1006 wurden hierfür die folgen- luation case studies: Approach and results, April den Fallstudien und Datensätze verwendet: 2015. • Windkanalmessungen in einer idea- Im Rahmen von COST ES1006 wurde der ak- lisierten europäischen Stadt (Michel- tuelle Stand der derzeit verwendeten Stör- stadt) fallmodelle in einer Datenbank erfasst (Ta- • Windkanal- und Felddaten aus ei- vares et al., 2014). Modellierer, die an den nem Experiment in einer europäischen COST ES1006 Modellvergleichsexperimen- Stadt (CUTE = Complex Urban Terrain ten teilnahmen, gaben im Rahmen einer Be- Experiment) fragung Informationen über die technischen Anforderungen und die wesentlichen Ergeb- • Messdaten und Emissionsabschätzun- nisse der von ihnen verwendeten Model- gen von einer realen unfallbedingten le an. Auf diese Weise war es möglich, ver- Freisetzung in einer europäischen In- schiedene Arten von Entscheidungshilfesys- dustrieanlage (AGREE = Accidental Gas Release)
12 ÖGM bulletin 2015/2 Das Michelstadt Experiment im Windkanal für sieben Freisetzungsszenarien durchge- führt, für verschiedene Quellpositionen, für Windkanalsimulationen können verwen- kontinuierliche und kurzfristige Freisetzun- det werden, um atmosphärische Dispersi- gen und für zwei verschiedene Windrichtun- on, insbesondere in Bezug auf turbulente gen. Bewegung und Strömungsdynamik inner- halb der unteren atmosphärischen Grenz- schicht, zu untersuchen. Der Vorteil gegen- über Feldmessungen liegt in der statisti- schen Repräsentativität der Daten (Harms et al., 2013a). Die Randbedingungen kön- nen gesteuert und systematisch variiert oder stationär gehalten werden. So können sta- tistisch repräsentative Daten zur Modellvali- dierung erzeugt werden, entweder als Lang- zeitkonzentrationsmessungen bei kontinu- ierlichen Freisetzungen oder durch eine aus- Abb. 3: Der Windtunnel „WOTAN“ der Universi- reichende Menge von Wiederholungsmes- tät Hamburg. sungen im Fall von kurzfristigen Freisetzun- gen. Im Rahmen von COST ES1006 wurde der große Grenzschichtwindkanal "WOTAN" der Universität Hamburg für die Messungen ver- wendet (Abbildung 3). Die Gebäudestruk- tur mit dem Namen "Michelstadt" stellt ei- ne idealisierte mitteleuropäische Stadt dar. Die Gebäudekonfiguration und Messanord- Abb. 4: Grundriss der Gebäude im Michelstadt- nung sind in Abbildung 4 zu sehen. Bei Experiment: Dreiecke: Windprofilmessungen, der Planung der eigens für COST ES1006 schwarze Punkte: Konzentrationsmessungen in im Windkanal durchgeführten Michelstadt- 2 m, 9 m und 18 m über Grund, Quadrate: Kon- Versuche wurde berücksichtigt, dass toxi- zentrationsmessungen in Dachniveau, in 27 m sche Freisetzungen an sehr verschiedenen und 30 m über Grund. Quelle: Baumann-Stanzer Orten im Stadtgebiet auftreten können: an et al., 2015: COST ES1006 - Model Evaluation offenen Plätzen, in schmalen oder breiten case studies: Approach and results, April 2015. Straßen, in Straßen, die quer oder parallel zu Die Strömungs- und Konzentrationsdaten der vorherrschenden Strömung ausgerichtet wurden den Modellierern in einem ersten sind, oder auch in Innenhöfen. Strömungs- "offenen" Testfall bereits von Anfang an zur und Konzentrationsmessungen erfolgten an Verfügung gestellt. Im Fall des Blindtests ausgewählten Stellen, mit einer höheren Da- wurden nur minimale Informationen über tendichte innerhalb der Straßenschluchten die Strömung und die Emissionsbeschrei- und in Bodennähe. Die Messungen wurden
ÖGM bulletin 2015/2 13 bung bekannt gegeben. Für einen effizien- einer schmalen Hauptachse der Fahne mit ten Datenringvergleich zwischen Messdaten dem Wind ausgerichtet simuliert. und Modellergebnissen wurde ein eigenes Programm im Rahmen von COST ES1006 entwickelt (Stern und Milliez, 2013). Ergebnisse des Michelstadt Experiments Resultate der COST ES1006 Modellverglei- che am Beispiel Michelstadt wurden mehr- fach auf Tagungen präsentiert und veröf- fentlicht Abb. 6: Maximale Konzentrationen in der Wol- ke bei kontinuierlicher Freisetzung aus Quelle S2 (Modell Typ I) Quelle: wie Abbildung 4. In den Windkanalmessungen sind die höchsten Konzentrationen in der Straße parallel zur Strömung, nordöstlich von der Quelle zu sehen. Das Modell vom Typ III, dessen Ergebnisse in Abbildung 7 zu se- Abb. 5: Gemessene Konzentrationen in den hen sind, reproduziert die Kanalisierung der Straßen-Schluchten (Höhe 7,5 m über Grund) Rauchfahne entlang dieser Straße sowie die bei kontinuierlicher Freisetzung aus Quelle S2. Ablenkung der Wolke in die Straßen senk- Quelle: wie Abbildung 4. recht zur Hauptströmung. (Baumann-Stanzer et al., 2014ab; Berbekar CUTE - Feldversuch und Windkanaldaten et al., 2013; Berbekar et al., 2014; Duchenne et al., 2014; Harms et al., 2013b; Leitl et al., Der CUTE Datensatz umfasst Ergebnisse 2014; Lübcke et al., 2013; Petrov et al., 2014; aus einem realen Feldexperiment und ent- Rákai et al. 2013; Rákai und Franke 2014; Rá- sprechende Windkanalmessungen. Der Test kai et al., 2014). Die Konzentrationsmessun- wurde in der Innenstadt einer typischen mit- gen in den Straßenschluchten für den "of- teleuropäischen Stadt durchgeführt, deren fenen" Testfall mit kontinuierlicher Freiset- Name auf Wunsch der betreffenden Stadt- zung aus Quelle S2 sind in Abbildung 5 dar- verwaltung nicht genannt wird. Die Mess- gestellt. Der Wind tritt in diesem Fall in das punkte lagen bei diesen Versuchen in dicht Modellgebiet am linken Rand ein. Die Mo- bebautem Stadtgebiet mit Gebäudehöhen dellergebnisse eines Typ I Modells sind bei- zwischen 25 m und 35 m ohne größere städ- spielhaft in Abbildung 6 gezeigt. Dieses Mo- tische Grünanlagen oder Freiflächen. dell berücksichtigt nicht die Auswirkungen der Gebäude auf die Strömung. Daher wer- Der erste Feldversuch des CUTE- den die höchsten Konzentrationen entlang Datensatzes (CUTE Fall 1) zeichnet sich
14 ÖGM bulletin 2015/2 durch die besondere Lage des Freisetzungs- hausgase, ist jedoch für derartige Feldversu- ortes aus: In diesem Fall wurde die Quelle che als Markierungsstoff am besten geeig- auf einem Schiff positioniert. net, da es bereits in kleinsten Mengen nach- weisbar ist und nur in geringen Mengen in der Atmosphäre vorhanden ist. Im Testge- biet wurde die SF6-Wolke von 20 Messgerä- ten erfasst. Die Messungen wurden bis 90 Minuten nach Beginn der Freisetzung fort- geführt. Um die atmosphärische Hintergrund- konzentration zu dokumentieren, wurde ei- Abb. 7: Horizontale Verteilung der mittleren ne Station weit entfernt von dem eigentli- Konzentration (Höhe 7,5 m über Grund) bei kon- chen Untersuchungsgebiet positioniert. Es tinuierlicher Freisetzung aus Quelle S2 (Modell wurde eine Hintergrundkonzentration von Typ III). Quelle: wie Abbildung 4. 10 ± 1 ppt gemessen. Diese liegt über der Auf diese Weise war die Möglichkeit gege- unteren Nachweisgrenze von 2 ppt des für ben, den Quellstandort zu Beginn des Feld- die Auswertung der Luftproben verwende- versuchs nach Bedarf ohne großen Aufwand ten Gaschromatographen (Siemens Sicro- entsprechend der Windrichtung etwas an- mat RGC 202). zupassen, um die Anzahl der durch die Gas- wolke betroffenen Messpunkte zu maximie- ren. Abbildung 8 zeigt im linken Bild die Messstellen entlang dreier Bögen in unter- schiedlichen Abständen von der Quelle. Die Messpunkte am nächsten Bogen waren 400 m bis 700 m von der Quelle entfernt, jene am dritten Bogen bis zu 2,8 Kilometer. Im rechten Bild der Abbildung 8 ist ei- Abb. 8: Quellstandort und Messungen in dem ne der Beutel-Probenahmen zu sehen. Neun Testgebiet (links) und Beutel-Probenahme Beutel wurden an jedem der Probenahme- (rechts). Quelle: wie Abbildung 4. Geräte angebracht. Jeder Beutel wurde kon- Die Messgenauigkeit des Geräts wurde mit tinuierlich über einen Zeitraum von jeweils 6 Referenzkonzentrationen zwischen 30 ppt 10 Minuten gefüllt. Jeder gemessene Kon- und 5070 ppt verifiziert. Basierend auf 15 zentrationswert entspricht daher einem Mit- Wiederholungsmessungen wurde eine Un- telwert über 10 Minuten. An der Quelle wur- sicherheit von wenigen als ± 2,5% für al- de das farb- und geruchlose, ungiftige Gas le gemessenen Konzentrationen gefunden Schwefelhexafluorid (SF6) kontinuierlich für (Harms et al., 2013a). Die CUTE Datensät- eine Zeitdauer von 45 Minuten, mit einer ze der Fälle 2, 3 und 4 für unterschiedliche konstanten Fließgeschwindigkeit von 2 g/s Quellpositionen in der Stadt wurden rein im freigesetzt. SF6 ist eines der stärksten Treib- Windkanal erstellt. Das Gebäudemodell ist
ÖGM bulletin 2015/2 15 in Abbildung 9 zu sehen. behaftet. Mit ausgewählten Modellen wur- den Sensitivitätsanalysen hinsichtlich der Turbulenz- und Winddaten durchgeführt. Mit einem Typ III Modell wurden Strö- mungsfelder berechnet, wobei der Turbu- lenzparametrisierung unterschiedliche Rau- igkeitslängen vorgegeben wurden. Diese modellierten Windfelder wurden für die Ausbreitungsrechnung mit einem Typ II Mo- dell verwendet. Die berechneten Konzentra- tionsfelder sind in den Abbildungen 10 und 11 zu sehen. Der Modelllauf „TURB #1“ ent- Abb. 9: Windtunnel-Modell des Zentrums einer spricht einer stärkeren Turbulenz als „TURB typischen mitteleuropäischen Stadt. Quelle: wie #2“. Der Einfluss der verschiedenen Tur- Abbildung 4. bulenzparametrisierungen auf das Ergebnis Für die Modellierung wurden nur Wind- der Ausbreitungsrechnung ist in den Bei- geschwindigkeit und Windrichtung in ei- spielen deutlich zu erkennen. ner Referenzhöhe angegeben, um Verhält- nisse wie im Fall einer unfallbedingten Freisetzung nachzubilden. Auch in Rea- lität sind in den meisten Fällen nur be- grenzte Informationen über die atmo- sphärischen Randbedingungen vorhanden. Tracergas-Konzentrationen von kontinuier- Abb. 10: Typ II Modellergebnis für CUTE Fall lichen und kurzzeitigen Freisetzungen wur- 1. Turbulenzparametrisierung; links mit höherer den im Windkanal auf „Fußgängerniveau“ Turbulenz (TURB #1), rechts mit geringerer Tur- gemessen. Aufgrund der großen Anzahl von bulenz (TURB #2). Quelle: wie Abbildung 4. Wiederholungen bei den Windkanalmes- sungen liegt die Unsicherheit dieser Immis- sionswerte unter ± 5%. Im Folgenden werden jene Aspekte ange- sprochen, die die Qualität eines Modeller- gebnisses am wesentlichsten beeinflussen. Die meteorologischen Anfangsbedingungen Abb. 11: Typ II Modellergebnis für CUTE Fall (Windrichtung und Windgeschwindigkeit) 3. Turbulenzparametrisierung; links mit höherer und Angaben über die Freisetzung (Quell- Turbulenz (TURB #1), rechts mit geringerer Tur- position und Quellstärke) gehören zu den bulenz (TURB #2). Quelle: wie Abbildung 4. wichtigsten Parametern. Gerade diese An- gaben sind bei unfallbedingter Freisetzung Eine stärkere Turbulenz bewirkt eine stär- üblicherweise mit großen Unsicherheiten kere Verbreiterung und Verdünnung der Schadstoffwolke. Die Gebiete mit hohen
16 ÖGM bulletin 2015/2 Konzentrationswerten liegen daher bei hö- nen Schadstoffwolke im Lee der Quelle lie- herer turbulenter Durchmischung näher der fern alle Modelle Konzentrationswerte über Quelle. Null, manche neigen jedoch dazu, die Mess- werte zu unterschätzen (Abbildung 12). Mo- AGREE – Ergebnisse eines realen Störfalls delle von Typ II und III sind gut in der La- Aus Messungen und technischen Angaben ge, den beobachteten Anstieg der Konzen- eines realen Unfalls mit Freisetzung eines to- trationen in den ersten 200s wiederzugeben. xischen Gases, der sich vor einigen Jahren in Der Messpunkt 25 (oberes Bild in Abbildung einer europäischen Industrieanlage ereignet 12) liegt am weitesten von der Quelle ent- hatte, wurde von COST ES1006 der Testda- fernt. Die Wolke wird vorher über und um tensatz AGREE zusammengestellt (Gariazzo mehrere Gebäude verfrachtet. In den Ergeb- et al., 2014). Lage und Bezeichnung der In- nissen der Modelle vom Typ I ohne Berück- dustrieanlage dürfen aus Datenschutzgrün- sichtigung des Gebäudeeinflusses liegt die- den nicht veröffentlicht werden. Der Un- ser Punkt jedoch am Wolkenrand. Die mit fall ereignete sich in einer Anlage zur Pro- diesen Modellen berechneten Konzentrati- duktion von Vinylchlorid-Monomer (VCM), onswerte sind entsprechend deutlich gerin- die unter die EU-Seveso-II-Richtlinie fällt. ger als gemessen. VCM ist sehr giftig, brennbar und krebserre- Rezeptor 0 (unteres Bild in Abbildung gend. VCM wird unter Überdruck in flüssi- 12) liegt an der Vorderseite des benachbar- gem Zustand gehalten. Wenn das zuvor flüs- ten Gebäudes. An diesem Punkt zeigen die sige VCM in die Atmosphäre freigesetzt wird, Ergebnisse aller Modelle eine relativ gute verdampft es teilweise. Unmittelbar nach Übereinstimmung mit den Messungen. Nur dem Unfall wurde der Verlauf der Freiset- gegen Ende der Zeitreihe liegt der Mess- zung von Fachleuten anhand der Beobach- wert (dargestellt als Stern) deutlich über al- tungsdaten ermittelt. Diese Quellabschät- len Modellergebnissen. Dies ist dadurch zu zung wurde den Modellierern im Rahmen erklären, dass in der Emissionsabschätzung des AGREE-Experiments zur Verfügung ge- offensichtlich eine etwas zu frühe Beendi- stellt. gung der Freisetzung angenommen wurde. Dieser Datensatz wurde nicht für eine Anhand des Vergleichs von Modellergebnis- Modellevaluierung, sondern zur Überprü- sen und Messungen kann geschlossen wer- fung der Eignung der Störfallmodelle zur den, dass die Freisetzung offensichtlich in Vorhersage der tatsächlichen Folgen einer Realität um zumindest 8 Minuten (500s) län- unfallbedingten Gasfreisetzung herangezo- ger angedauert hat als angenommen. gen. Da in der weiteren Umgebung der In- Um den Einfluss der meteorologischen dustrieanlage mehrere meteorologische Sta- Eingangsdaten auf das Modellergebnis zu tionen betrieben wurden, wurde den Model- untersuchen, wurden mit einem Modell vom lierern in diesem Fall freigestellt, welche me- Typ II Simulationen mit meteorologischen teorologischen Informationen für die Simu- Eingangsdaten der drei verschiedenen Wet- lation herangezogen wurden. terstationen durchgeführt (Abbildung 13). An Punkten in der Mitte der ausgetrete- Zusätzlich wurden in einem Fall nicht die
ÖGM bulletin 2015/2 17 stündlichen Winddaten direkt verwendet, sondern zwischen den Messzeitpunkten li- near auf die zeitliche Auflösung der Mo- dellrechnung (10 Minuten) interpoliert. Die Konzentrationszeitreihen in Abbildung 13b zeigen, dass in diesem Fall das Berechnungs- ergebnis auf Basis dieser zeitlich interpolier- ten Winddaten am besten mit den Messun- gen übereinstimmt. Abb. 12: Gemessene (Sterne) und modellierte (Linien) Konzentrationszeitreihen an Punkten in der Wolkenmitte im Lee der Quelle. Quelle: wie Abbildung 4. Dies muss jedoch nicht immer der Fall sein. Abb. 13a: Bodennahe Konzentrationsverteilung Beispielsweise bei einem Frontdurchgang 4 min nach Beginn der Freisetzung. Ergebnisse könnte die explizite Verwendung der stünd- eines Typ II Modell basierend auf Winddaten der lichen Werte bessere Ergebnisse liefern als Station 1 (oben; blaue Linie in Abbildung 13b), die zeitliche Interpolation der Winddaten. Station 2 (Mitte; grüne Linie in Abbildung 13b) Das Ergebnis dieser Untersuchung verdeut- und Station 4 (unten; rote Linie in Abbildung licht, wie wichtig es ist, insbesondere bei In- 13b), sowie basierend auf linear interpolierten dustrieanlagen repräsentativ positionierte Werten der Station 1 (gelbe Linie in Abbildung 13b). Quelle: wie Abbildung 4.
18 ÖGM bulletin 2015/2 meteorologische Stationen idealerweise mit leisten und die verfügbaren Ressourcen op- einer ausreichenden zeitlichen Auflösung timal einzusetzen. Diese Aufgabe ist beson- (10 oder 15 Minuten Messwerte) zu betrei- ders kompliziert, wenn die Quelle in städ- ben. tischer Umgebung oder in Industrieanlagen liegt. Ein wesentlicher Faktor für zuverläs- sige Simulationsergebnisse ist, wie in den gezeigten Experimenten verdeutlicht wer- den konnte, die Verfügbarkeit repräsenta- tiver, zeitlich gut aufgelöster meteorologi- scher Modelleingangsdaten (Windrichtung, Windgeschwindigkeit, eventuell Turbulenz). Die von COST ES 1006 durchgeführten Mo- dellevaluierungen haben gezeigt, dass der Erfolg einer Modellsimulation auch wesent- Abb. 13b: Gemessene (Sterne) und modellier- lich von der Komplexität der Lage der Quel- te (Linien) Konzentrationszeitreihen beim Mess- le sowie der Positionierung der betrachte- punkt 25. ten Aufpunkte (Messorte) abhängt. Während Freisetzungen in Straßen quer zur Strömung Wegen der großen Unsicherheiten der oder in Innenhöfen nur von manchen kom- Emissionsdaten, der ungleichmäßigen Po- plexeren Modellen erfolgreich simuliert wer- sitionierung der Messpunkte und der Un- den können, kann bei einer relativ frei lie- sicherheit hinsichtlich der Genauigkeit der genden Quellposition auch ein relativ einfa- Konzentrationsmessungen ist der AGREE ches Modell vom Typ I windabwärts brauch- Testfall kein geeigneter Datensatz für ei- bare Ergebnisse liefern, solange die Ver- ne Modellvalidierung im engeren Sinne. Es frachtung der Schadstoffwolke nicht zu stark konnte jedoch gezeigt werden, dass mithil- durch nächste Gebäude beeinflusst wird. fe dieses Datensatzes gut die Eignung ei- nes Störfallmodells für die reale Anwendung Generell gilt, wie sowohl das Michelstadt im Bereich einer typischen Industrieanlage Experiment als auch CUTE gezeigt haben, überprüft werden kann. Anhand dieses Bei- dass die Güte des Ergebnisses im Durch- spiels können auch gut die Grenzen des Ein- schnitt mit steigender Komplexität der Mo- satzes von sehr einfachen Modellansätzen delle zunimmt. Die Diskussionen mit Ver- verdeutlicht werden. treterinnen und Vertretern des Krisenma- nagements und der Einsatzkräfte im Rah- Schlussfolgerungen men der internationalen Workshops erga- ben, dass trotz des deutlichen Fortschritts, Eine rasche, einfache, aber auch zuverlässi- den die wissenschaftliche Entwicklung im ge kleinräumige Ausbreitungsmodellierung Bereich der Ausbreitungsmodellierung auf- von luftgetragenen Gefahrenstoffen ist in weisen kann, in der Praxis vielfach nach der Einsatzplanung wesentlich, um die Si- wie vor sehr einfache Methoden vorgezo- cherheit der Hilfsmannschaften zu gewähr- gen werden. Ein Grund ist, dass in der Not-
ÖGM bulletin 2015/2 19 fallphase die rasche Verfügbarkeit des Mo- cher Bedienungsoberfläche in Echtzeit sehr dellergebnisses von grundlegender Bedeu- rasch möglich. Das Kundenservice Umwelt tung ist. Hierzu gibt es jedoch bereits in der ZAMG war wiederholt im Rahmen des der Praxis bewährte Verfahren, auf vorbe- Österreichischen Sicherheitsforschungspro- reitete Windfeldbibliotheken, die vorab mit gramms KIRAS in Kooperation mit Feuer- CFD-Modellen unter Berücksichtigung der wehren und anderen Bedarfsträgern tätig Gebäudestrukturen eines Stadtgebiets be- und unterstützt und berät das Staatliche Kri- rechnet wurden, zuzugreifen. Die Ausbrei- senmanagement regelmäßig bei Katastro- tungsrechnung selbst ist auch mit einem Typ phenschutzübungen. II Modell mit entsprechend nutzerfreundli- Literatur: Andronopoulos, S., Armand, P., Baumann-Stanzer, K., Trini Castelli, S., Herring, S., Leitl, B., Reisin, T. (edi- tors), 2012: COST ES1006 – Background and Justification Document, May 2012. ISBN: 3-00-018312- X, http://www.elizas.eu/images/Documents/BackgroundandJustificationDocument_web. pdf. Andronopoulos, S., Armand, P., Baumann-Stanzer, K., Herring, S., Leitl, B., Reisin, T., Trini Castelli, S. (edi- tors), 2015: COST ES1006 – Best Practice Guide, April 2015. ISBN: 987-3-9817334-0-2, http://www. elizas.eu/images/Documents/BestPracticeGuidelines_web.pdf. Andronopoulos, S., Barmpas, F., Bartzis, J. G., Baumann-Stanzer, K., Berbekar, E., Efthimiou, G., Gariazzo, C., Harms, F., Hellsten, A., Herring, S., Jurcakova, K., Leitl, B., Trini-Castelli, S., 2015: COST ES1006 – Model evaluation protocol, April 2015. ISBN: 987-3-9817334-1-9, http://www.elizas.eu/images/ Documents/ModelEvaluationProtocol_web.pdf. Baumann-Stanzer, K., Leitl, B., Trini Castelli, S., Milliez, M., Rau, G. and all COST ES1006 Members, 2014a: Local-scale modelling of accidental releases in built environments - selected results of the ’Michel- stadt’ model evaluation exercise in COST Action ES1006, 9th International Conference on Air Quality - Science and Application, Garmisch-Partenkirchen, 24-28 March 2014. Baumann-Stanzer, K., Leitl, B., Trini Castelli, S., Milliez, M., Berbekar, E., Rakai, A., Fuka, V., Hellsten, A., Petrov, A., Efthimiou, G., Andronopoulos, S., Tinarelli, G., Tavares, R., Armand, P., Gariazzo, C. and all COST ES1006 Members, 2014b: Evaluation of local-scale models for accidental releases in built envi- ronments - results of the „Michelstadt Exercise“ in COST Action ES1006, HARMO’16, 8-11 September 2014, Varna, Bulgaria. Baumann-Stanzer, K., Trini Castelli, S., Stenzel, S. (editors), 2015: COST ES1006 - Model Evaluation ca- se studies: Approach and results, April 2015. ISBN: 987-3-9817334-2-6, http://www.elizas.eu/ images/Documents/ModelEvaluationCaseStudies_web.pdf. Berbekar, E., Lübcke, M., Harms, F., Leitl, B., 2013: Validation dataset for local-scale emergency response models, International Workshop on Physical Modelling of Flow and Dispersion Phenomena, Surrey, UK, 23/09/2013-25/09/2013. Berbekar, E., Harms, F., Leitl, B., 2014: Wind-tunnel measurements of accidental gas releases in a simplified urban environment, HARMO’16, 8-11 September 2014, Varna, Bulgaria. Duchenne, C., Armand, P., Napoly, A., Milliez, M., Carissimo, B., 2014: Comparison of simplified and full CFD modelling of accidental dispersion – application to the 2013 Michelstadt experimental trials, HARMO’16, 8-11 September 2014, Varna, Bulgaria.
20 ÖGM bulletin 2015/2 Gariazzo, C., Leitl, B., Trini Castelli, S., Baumann-Stanzer, K., Reisin, T. G., Barmpas, F., Tinarelli, G., Milliez, C. M., Bemporad, E., Armand, P., 2014: COST Action ES1006. Evaluation, Improvement and Guidance of Local-Scale Emergency Prediction and Response Tools for Airborne Hazards in Built Environments: Ongoing Activities, Experiments and Recent Results. Chemical Engineering Transaction, Vol. 36, 2014- CISAP6. Harms, F., Berbekar, E., Lübcke, M., Leitl, B., 2013: Generation of a reference data-set qualified for the validation of local scale emergency response tools, International Workshop on Physical Modelling of Flow and Dispersion Phenomena, Surrey, UK, 23/09/2013-25/09/2013. Harms, F., Berbekar, E., Lübcke, M., Leitl, B., 2013: Flow and dispersion processes in an idealized urban roughness, International Workshop on Physical Modeling of Flow and Dispersion Phenomena, EnFlo Laboratory, University of Surrey, UK, 16th–18th September 2013. Leitl B., Trini Castelli S., Baumann-Stanzer K., Reisin T. G., Barmpas F., Moussafir J., Franke J., Balczo M., Armand P., Andronopoulos S. COST Action ES1006, 2013: Evaluation, improvement and guidance for the use of local-scale emergency prediction and response tools for airborne hazards in built environ- ments. HARMO’ 15, 6 - 9 May 2013, Madrid, Spain. Leitl, B., Trini Castelli, S., Baumann-Stanzer, K., Reisin, T. G., Barmpas, F., Balczo, M., Andronopoulos, S., Armand, P., Jurcakova, K., Milliez, M., 2014: Evaluation of Air Pollution Models for Their Use in Emer- gency Response Tools in Built Environments: The ‘Michelstadt’ Case Study in COST ES1006 ACTION. Air Pollution Modeling and its Application XXIII. Springer Proceedings in Complexity 2014, ISSN 978- 3-319-04378-4, pp. 395-399. Lübcke, M., Harms, F., Berbekar, E., Bernd, L., 2013: Puff dispersion in a simplified central-European ci- ty, International Workshop on Physical Modelling of Flow and Dispersion Phenomena, Surrey, UK, 23/09/2013-25/09/2013. Petrov A., Valente, J., Bauman-Stanzer, K., Batchvarova, E., 2014: Applicability of Gaussian dispersion mo- dels for accidental releases in urban environment – results of the “Michelstadt” test case in COST Action ES1006, HARMO’16, 8-11 September 2014, Varna, Bulgaria. Rákai, A., Kristóf, G., 2013: Microscale Obstacle Resolving Air Quality Model Evaluation with the Michel- stadt Case, The Scientific World Journal, Volume 2013, Article ID 781748. Rákai, A., Franke, J., 2014: Numerical Error Quantification of RANS Modelling in an Idealized Central Eu- ropean City Centre, HARMO’16, 8-11 September 2014, Varna, Bulgaria. Rákai, A., Kristóf, G., Franke, J., 2014: Sensitivity analysis of microscale obstacle resolving models for an idealized Central European city center, Michel-Stadt. IDOJARAS, 118, Issue: 1 Jan- Mar. 2014, pp. 53- 77. Tavares R., Baumann-Stanzer K., Leitl, B., Trini Castelli, S. and all COST ES1006 Members, 2014: ERMIDT - the emergency response models and computational tools inventory database developed in the frame of COST Action ES1006, HARMO’16, 8-11 September 2014, Varna, Bulgaria. Trini Castelli, S., Leitl, B., Baumann-Stanzer, K., Reisin, T. G., Armand, P., Barmpas, F., Balczo, M., Andro- nopoulos, S., Jurcakova, K. and all COST ES1006 Members, 2014: Updates on COST Action ES1006. Evaluation, improvement and guidance for the use of local-scale emergency prediction and response tools for airborne hazards in built environments, HARMO’16, 8-11 September 2014, Varna, Bulgaria. Trini Castelli S., Barmpas F., Franke J., Leitl Bernd, Harms F., Andronopoulos S., Balczo M., Hellsten A. and all COST ES1006 Members, 2014: COST Action ES1006 model evaluation protocol for cases of emer- gency response in urban areas. Proceedings of the 6th International Symposium on Computational Wind Engineering, Hamburg, Germany, 8-12 June 2014, K. H. Schlünzen Ed., 8 pages.
ÖGM bulletin 2015/2 21 ZAMG Die „Vb“ Zugbahn Michael Hofstätter von starkniederschlagsrelevanten Zugbah- nen und Wetterlagen im Klimawandel initi- iert, um Entscheidungsträger im bayerisch- österreichischen Hochwassermanagement mit Fakten zu unterstützen (Projekt WE- TRAX, Hofstätter et al., 2015b). Im vorliegen- den Artikel wird eine Zusammenfassung der erarbeiteten Erkenntnissen und des gesam- melten Wissens aus dieser Untersuchung, mit Fokus auf die Zugbahn Vb, präsentiert. Einleitung Geschichtliches und Grundlagen S eit dem Hochwasser im August 2002 ist die Aufmerksamkeit für das Auf- treten von bestimmten Zugbahnen von Eine Zugbahn ist ein geografischer Pfad, welcher die räumliche Verlagerung eines at- mosphärischen Druckgebildes über die Zeit Tiefdruckgebieten in Zusammenhang mit beschreibt. Die Länge oder Dauer einer sol- großräumigen Starkniederschlagsereignis- chen Zugbahn, wird bei hinreichender Da- sen deutlich gestiegen. Dies liegt einer- tengenauigkeit durch den Zeitpunkt der Ge- seits an der Häufung großer Hochwässer nese und der Dissipation des jeweiligen im Bereich von Mittel- und Osteuropa in Drucksystems bestimmt. Die Auswertung den Jahren 2002–2014. Andererseits be- von Zugbahnen beschränkt sich in der ak- steht ein großes Interesse an den regiona- tuellen Forschung aufgrund der Wetterwirk- len Auswirkungen des globalen Klimawan- samkeit auf Tiefdrucksysteme. Diese wer- dels, welche beispielsweise durch verän- den entweder durch lokale Minima des Luft- derte Luftmasseneigenschaften oder aber druckfeldes bzw. Geopotentialfeldes oder auch durch Veränderungen der atmosphä- durch lokale Maxima der relativen Vortici- rischen Zirkulation verursacht werden kön- ty detektiert und deren Verlagerung über die nen. Aus diesen Überlegungen heraus wurde Zeit mit statistischen Ansätzen bestimmt. im Jahr 2010 eine Studie zur Untersuchung
22 ÖGM bulletin 2015/2 In der Bestimmung der Verlagerung spie- gen Jahreszeiten oft Überschwemmungen un- len Kontinuitätsüberlegungen und Annah- serer Flussgebiete verursachen.“. Sechs Jah- men über die Steuerung durch das höherge- re später veröffentlichte der Berliner Me- legene Windfeld eine wichtige Rolle. Moder- teorologe Carl Kassner eine eigene Analy- ne Methoden dieses sogenannten „cyclone se von Vb-Tiefs, basierend auf Van Beb- tracking“ ermöglichen es aus großen und bers Datengrundlage, wobei er im Gegen- langen Datensätzen Zugbahnen von Tief- satz zu Van Bebber nun auch schwach aus- druckgebieten vollautomatisch und objektiv geprägte und kleinräumige Tiefdruckgebie- bestimmen zu können. te berücksichtigte (Kassner, 1897). Von den Die erste Zugbahnanalyse weltweit wur- fünf „Zugstrassen“ die Van Bebber einst vor- de bereits 1874 von Elias Loomis für Nord- stellte, sind lediglich die Varianten b-d (aus amerika auf Basis einer zweijährigen Be- der Untergruppe V) in der modernen Me- obachtungsperiode veröffentlich (Loomis, teorologie erhalten geblieben. Bei einer Vb- 1874). Die europäischen Pioniere auf dem Zugbahn verlagert sich das Tiefdruckgebiet Gebiet der Zugbahnforschung waren Wladi- von Oberitalien kommend über den Alpen- mir Peter Köppen, der die erste Zugbahn- ostrand hinweg in Richtung Polen (Abbil- analyse für die Jahre 1873-1878 über Euro- dung 1). Aus der synoptischen Beobachtung pa ableitete, und Wilhelm Jacob van Beb- ist bekannt, dass derartige Zugbahnereignis- ber, der in den darauffolgenden Jahren mit se immer wieder mit massiven Niederschlä- einer modifizierten Methode weitere Ana- gen in Mitteleuropa in Zusammenhang ste- lysen durchführte und die weltweit erste hen (z.B. Flohn, 1954). Zugbahnklassifikation für die Periode 1875- 1890 veröffentlicht (Van Bebber, 1891). Bei- de Wissenschaftler waren an der Deutschen Seewarte in Hamburg tätig und verwende- ten für ihre Auswertungen tägliche Karten des Bodenluftdruckes, welche in mühevol- ler Arbeit manuell erstellt, gesichtet und aus- gewertet werden mussten. Van Bebber war es bereits damals ein großes Anliegen mit Hilfe der Zugbahntypen Rückschlüsse auf charakteristische Witterungserscheinungen in Mitteleuropa ziehen zu können. So hält er im Jahre 1891 fest: „Am wichtigsten für die Witterungserscheinungen ist die Zugbahn Abb. 1: Zugstrassen der barometrischen Minima Vb, welche in den Frühling- und Herbst- über Europa nach van Bebber und Köppen (in monaten am häufigsten vorkommt. Beiläu- Umlauft, 1891) mit der Zugbahn Vb ausgehend fig bemerken wir hier noch dass die Minima von Oberitalien hin nach Polen (gelb). dieser Zugstrasse im Winter häufig Schnee- So wurde beispielsweise das Starkregen- und stürme (Schneeverwehungen), in den übri- damit verbundene Hochwasserereignis in
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