Israel im Covid-19 Jahr - Zeitschrift der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft 52. Jahrgang 2/2020 3 - Österreichisch-Israelische ...
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Zeitschrift der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft 52. Jahrgang 2/2020 3,–€ Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1080 Wien P.b.b. GZ02Z031415M Israel im Covid-19 Jahr
LEITARTIKEL Seit ich mich das letzte Mal im Leitartikel für Schalom hoffen, dass in Israel nach dem an Sie wenden durfte, routinemäßig in Abwechslung mit vierten Wahldurchgang in Folge Peter Florianschütz, ist in Israel und in der Welt mehr Un- nun zu einer stabilen Regierung vorhersehbares passiert, als wir uns hätten vorstellen gefunden wurde. Denn gerade können. Obwohl wir kein tagesaktuelles Medium sind, jetzt, wo die Coronakrise im Be- kommen deshalb auch wir nicht daran vorbei, Covid-19, Markus Figl griff ist, in eine Wirtschaftskrise seine Auswirkungen und seine Volten zum Thema zu umzuschlagen, ist eine stabile machen. Regierung für Israel essentiell. Zudem wird die umstrit- tene Ankündigung der Annexion einiger Gebiete noch Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Verbreitung für viel Diskussionsstoff sorgen. des Virus gesetzt wurden und noch werden, bewegen sich weltweit in einer großen Bandbreite. Wiewohl sich Wir wollen in dieser Ausgabe jedoch auch positive Ent- die Konsequenzen in all ihrer Tragweite erst weisen wer- wicklungen, Ereignisse und Erfolge hervorheben, die in den, haben die Maßnahmen der Bundesregierung im Ge- den westlichen Medien leider nur wenig Erwähnung fin- gensatz zu manch anderen Staaten, die etwa auf den. Betonen wollen wir auch, dass Österreich und ins- Herdenimmunität gesetzt haben, viele Leben gerettet. besondere Außenminister Mag. Alexander Schallenberg Dabei hat die freundschaftliche Beziehung Österreichs, viel positives Echo aus Israel erhalten hat. Geschuldet ist namentlich des Bundeskanzlers zum israelischen Pre- dies der Tatsache, dass Österreich in internationalen Gre- mierminister, wesentliche Auswirkungen auf die hiesigen mien besonderes Augenmerk auf gezieltes „Israelbas- Beschlüsse und Verordnungen genommen. Es gelang hing“ legt und dies durch sein Abstimmungsverhalten beiden Ländern, die Fallzahlen niedrig zu halten, doch es auch aufzeigt. Dies betrifft vor allem die UN-Generalver- zeigt sich, dass die Krise noch nicht vorbei ist: Erst kürz- sammlung und den Menschenrechtsrat. Solche Bemü- lich mussten mehr als 100 Schulen und Kindergärten in hungen um eine faire Behandlung Israels unterstützen Israel aufgrund von Corona-Neuinfektionen wieder ge- wir ausdrücklich. Es geht uns als Österreichisch-Israeli- schlossen werden. sche Gesellschaft darum, einen Beitrag zur Unterstüt- zung Israels und der Vertiefung der freundschaftlichen Der Umgang mit der Krise war ein Lernprozess, auf den Beziehung zwischen beiden Ländern zu leisten. wir gerne verzichtet hätten. Keines Lernprozess bedürfte hingegen die Einschätzung von (islamistischen) Terroror- Ich hoffe, Sie halten mit dieser Ausgabe von Schalom ganisationen wie der Hamas oder der Hisbollah. Letztere eine kurzweilige Lektüre in Händen und freue mich mit stellt – vor allem dem iranischen Einfluss geschuldet – Zuversicht darauf, Sie nach dem Sommer bei der einen eine permanente Bedrohung für die Sicherheit Israels oder anderen interessanten Veranstaltung wieder per- dar. Entsprechend ist es zu befürworten, dass am 30. April sönlich begrüßen zu können. in der Bundesrepublik Deutschland ein Betätigungsver- bot für die Hisbollah als Ganzes erlassen wurde. Dieses erstreckt sich auch auf diverse Neben- und Tarnvereine. In Österreich wäre ein solcher Schritt ebenso zu begrü- ßen und wird daher von der ÖIG auch gefordert. Auch innenpolitisch steht Israel weiterhin vor immen- sen Herausforderungen. Befand man sich im März noch MMag. Markus Figl in Regierungsverhandlungen, bleiben auch nach der Ko- zweiter Präsident alitionseinigung einige Kraftakte zu bewältigen. Es ist zu der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Titelbild: Grafik: ©Miriam Weigel Gedruckt nach der Richtlinie des österreichischen Umweltzeichens „Druckerzeugnisse“, Gedruckt auf ökologischem Papier aus der Mustermappe von „ÖkoKauf Wien“. Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 21, Reprographie, UW-Nr 835 CO2 kompensiert produziert 2
Editorial Liebe Leserinnen, Liebe Leser, liebe Freundinnen und Freunde Israels, Sie halten die- Ulrich Sahm gibt uns einen Überblick über die Post-Co- sesmal ein analo- rona-Situation. Michael Laubsch setzt unsere Befragung ges Produkt, erar- der im Nationalrat vertretenen Parteien, wie sie es mit Is- Susi Shaked Hans-Jürgen beitet in zahlrei- rael halten, mit Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Helmut Generalsekretärin Tempelmayr chen digitalen Brandstätter (NEOS) fort. Passend zur Situation erzählt Generalsekretär Konferenzen, in uns Wolfgang Sotill, wie eine der größten Kliniken Israels, Händen. Auch wir die Hadassah, die seit 1912 mit Herausforderungen um- haben uns – je nach Selbstdarstellung – (Achtung: Selbst- zugehen gelernt hat, mit der neuen Situation zurecht- ironie!) vor unseren Gemälden, Bücherregalen oder auch kommt. weißen Wänden positioniert, um uns in rechteckigen Eher unbemerkt von der Öffentlichkeit, hat Wiens Kästchen anzusehen und die Themen dieser Ausgabe Finanzstadtrat, Peter Hanke, Israel besucht und uns seine auszuwählen. Für Folgende haben wir uns entschieden: Eindrücke und Erkenntnisse geschildert. Barbara Serloth war für uns – auch ohne Gastro-Gutschein – und auf ei- Israel befindet sich „wieder einmal“ am Scheideweg. So gene Kosten (danke!) essen. Zwei Bücher haben wir auch auch im Covid-19 Jahr. Die aktuelle politische Situation für Sie „verschlungen“ und besprochen. analysiert Peter Florianschütz. Am Ende bringen wir, wie immer, gute Nachrichten Aber erfindet sich Israel seit 1948 nicht immer wieder über Israel, als Minischaloms und ein neue Serie über die selbst? Ist es nicht das, was dieses kleine Land auszeich- Zionisten, denen Israel seine Gründung verdankt, begin- net? Sich immer wieder in Frage zu stellen, auch viel zu nend mit Chaim Arlosoroff. streiten und unerwartete Lösungen zu (er)finden? Nach einigen Wahlen steht nun auch in Israel eine neue ... und, wie immer: Wir hoffen, dass die Lektüre Ihr Inte- Regierung. Wie immer man dazu stehen mag, der Pre- resse findet. Unser Dank ergeht den Mitgliedern, die mierminister befindet sich im x.ten Jahr seiner Amtszeit, unsere ehrenamtlichen Bemühungen durch ihren Mit- jedoch jedesmal nach einer demokratischen, freien und gliedsbeitrag fördern – den anderen natürlich auch! geheimen Wahl. Dies ist für die Nachbarländer keine Selbstverständlichkeit. Susi Shaked und Hans-Jürgen Tempelmayr Bitte verwenden Sie den beiliegenden Zahlschein für Ihren Mitgliedsbeitrag! Herzlichen Dank! Inhalt 4–5 Israel am Scheideweg 14 Dienstbesuch in Israel – Peter Hanke 6–7 Corona: Eine Momentaufnahme aus Israel 15 Israels kulinarische Botschafter in Wien – Teil 2 8 Hisbollah 16–17 Minis 9 Israel in der Österreichischen Politik – Interview 2: SPÖ 18 Ex Libris: „Wir sehen uns am Meer“ & „Mein Wildgarten“ 10–11 Hilfe ohne Grenzen– die Hadassah 19 In Tel Aviv – vom Yarkon nach Jaffo, dem Zionismus 12 Israel in der Österreichischen Politik – Interview 3: NEOS auf der Spur Werden auch Sie Mitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft! Die Zeitschrift „schalom“ ist inkludiert! Die Freundschaft mit den Menschen in Israel ist uns wichtig! Das Formular finden Sie auf unserer Website: www.oeig.at Unterstützen Sie bitte unsere Arbeit und erwägen Sie ein Spende! Impressum: Redaktion/Anzeigenannhme: 0664 1769332 Medieninhaber, Herausgeber: Österreichisch-Israelische Gesellschaft (ÖIG) E-Mail: oeig08@gmail.com Lange Gasse 64/15, 1080 Wien, Österreich Bankverbindung: Website: www.oeig.at, e-mail: office@oeig.at Bank Austria Präsidenten: Peter Florianschütz und Markus Figl IBAN: AT561100000262620801 Generalsekretäre: Susi Shaked und Hans-Jürgen Tempelmayr BIC: BKAUATWW Redaktion: Peter Florianschütz, Markus Figl, Susi Shaked und Hans-Jürgen Tempelmayr Layout: Miriam Weigel 3
Israel am Scheid von Peter Florianschütz Nach langen, mühevollen Verhandlungen, wurde die 35. Regierung des Staates Israel vereidigt. Sie kommt zu einer schwierigen Zeit und ist ziemlich einzigartig. Diese Regierung führt das Land entlang eines Scheideweges. keineswegs ausgewogen. Die Frage ist, ob sich dermaßen auf Dauer eine Koalition, auf Augenhöhe entwikkeln kann. Das Koalitionsabkommen ba- siert jedenfalls auf dem Prinzip der Parität zwischen den beiden Seiten, alle haben den gleichen Status in der Regierung. Auffällig ist auch, dass der Regierung fünf Minister mit hohen Rängen in der EDF angehören. Das deutet darauf hin, dass die neue Re- gierung insbesondere in Sicherheits- fragen wesentliche Akzente setzen muss. EndlIch EInE REGIERunG Trotz aller Kritik war die Bildung der Regierung ein überfälliger Schritt, um Fünf Jahre, nachdem Benjamin Ne- wohner des Staates Israel ausmacht. den Stillstand in Israel zu überwin- tanjahu seine vierte Regierung gebil- Bemerkenswert ist auch, dass nach den. Durch die große Privatisierungs- det hat und nach drei Wahlkämpfen, fast zehn Jahren wieder ein Vertreter welle der vergangenen Jahre sind die keine eindeutigen Mehrheiten der Kibbuzim in der Regierung ist, wesentliche Teile des sozialen Sys- gebracht haben, wurde die 35. Re- während der Anteil der Siedler Be- tems und der Daseinsvorsorge in den gierung endlich vereidigt. Sie ist, ent- wegung von vier auf einen zurückge- Bereich von Nichtregierungsorgani- gegen vieler öffentlicher Darstellun- gangen ist. sationen ausgelagert worden. Diese gen, zwar eine breite, aber bei weiten werden zwar zumindest zum Teil nicht die breiteste Koalition, die das Ein erfreulicher Aspekt bei der Re- staatlich finanziert. Diese Finanzie- Land je hatte. gierungsbildung ist, dass der Anteil rung erfolgt allerdings über Jahres- der Frauen, wenn auch auf niedri- verträge. Durch die totale Blockade Die Regierung basiert einerseits gem Niveau, in der Knesset bei ihren und dem Nicht-zu-Stande-Kommen auf dem Prinzip der Blockparität und 24,20 %, gleich hoch geblieben ist. In einer ordentlichen Regierung existie- ist andererseits durch einen Rota- der Regierung ist der Frauenanteil ren solche Verträge seit längerem tionsmechanismus in der Funktion mit 23,50 % der höchste jemals er- nicht und das hatte große Auswir- des Premierministers bestimmt. Die reichte. Trotzdem liegt der Frauenan- kungen auf die Systeme sozialer Si- Regierung hat an und für sich keine teil nach wie vor unter dem Durch- cherheit in Israel. besonders breite Basis, dennoch be- schnitt der OECD-Länder und ist von steht sie aus 34 Ministern. Das ist ein einer wirklichen Parität weit entfernt. Nicht zu unterschätzen ist auch der neuer Rekord. In dem Zusammen- Umstand, dass jeder neuer Wahlgang hang ist es auffallend und eigentlich Die Regierungskoalition besteht exorbitante Kosten von NIS 4 Mrd. bedauerlich, dass in der Regierung aus sieben Parteien, die aus den zwei verursacht hat, ohne dass es zu es- trotz ihrer Größe kein einziges nicht- großen Blöcken Blau-Weiß und Likud senziellen Veränderungen im politi- jüdisches Mitglied vertreten ist, ob- kommen. Das Verhältnis der Füh- schen Kräfteverhältnis gekommen ist. wohl der Anteil der nichtjüdischen rungsparteien der Blöcke ist mit 15 Dazu kommt, dass dringliche Fragen Bevölkerung fast ein Viertel der Ein- (Blau-Weiß) gegenüber 37 (Likud) wie steigende Arbeitslosigkeit, not- 4
eweg? wendige Reformen im Gesundheits- mus. Abgesehen von allen Abma- solches Vorhaben zu finden. Ob es system und Bereichen des Umwelt- chungen gibt es erhebliche Zweifel, allerdings wirklich dazu kommt, ist schutzes über viele Jahre aufgrund ob der Wechsel im Amt des Premier- mehr als fraglich. der im Vordergrund stehenden ministers so reibungslos umgesetzt Sicherheitsdebatten vernachlässigt wird, wie geplant. Unklar ist zudem Schon in der Vergangenheit hätte wurden. was im Falle, einer allerdings erst in eine solche Mehrheit existiert, ohne dass Benjamin Netanjahu davon Ge- brauch gemacht hätte. Gleichgewicht der Mächte innerhalb der neuen Koalition und des Kabinetts Politische Analysten gehen davon Blau-Weiß Likud aus, dass die israelische Regierung Knesset Sitze Zahl der Minister Knesset Sitze Zahl der Minister vor den amerikanischen Präsident- Blau-Weiß 15 12 Likud (&Peretz) 37 15 schaftswahlen keine vollendeten Tat- Arbeiter Partei 2 2 Shas 9 2 sachen schaffen werde. Die Wieder- Derekh Eretz 2 1 UTJ 7 1 Gesamt 19 15 Gescher 1 1 wahl von Präsident Trump ist keines- Gesamt 54 19 falls sicher und die politischen Posi- tionen von Joe Biden sind von denen Gesamtzahlen Trumps sehr weit entfernt. Jede israe- Parteien 7 lische Regierung ist gut beraten, die Knesset Sitze 73 besonderen Beziehungen zu den Ver- Minister 34 einigten Staaten aufrechtzuerhalten und zu pflegen und wird sich in die- ser Frage anzunehmender Weise vor- So gesehen ist es mit Sicherheit ein weiterer Zukunft zu erwartenden, sichtig verhalten. großer Fortschritt, dass sich in der eventuellen Verurteilung des Pre- neuen Regierung sowohl traditionell mierministers geschieht. Dazu kommt, dass einseitige linke wie auch rechte Positionen ab- Schritte in Richtung Annektierung bilden und es ist zu hoffen, dass dies FRIEdEnsPRoZEss und des Jordantales zu einer krisenhaften zu einer positiven Dynamik und nicht TRuMP-Plan Entwicklung des Verhältnisses zu Jor- zu einer wechselseitigen Blockade- Angesichts der sowohl in Israel als danien führen würde. König Abdallah haltung führt. auch weltweit durch den Friedens- würde in diesem Fall unter sehr gro- plan des amerikanischen Präsidenten ßen Druck von Seiten der mehrheit- Die Beteiligung arabischer Parteien ausgelösten Diskussionen wird die lich palästinensischen Bevölkerung an einer israelischen Regierung hat neue Regierung eine große Verant- Jordaniens kommen. Das und weite- sich auch dieses Mal wieder nicht ge- wortung für die Weiterentwicklung rer internationaler Druck, wie zum stellt, bleibt aber eine dringende, weil des Friedensprozesses tragen, wenn Beispiel auch von der Europäischen demokratiepolitische, Frage, deren man dann von einem solchen in den Union, wäre ein beträchtliches Risiko Lösung weiter ansteht. letzten Jahren überhaupt sprechen und könnte unter Umständen sogar kann. zu einer Gefährdung der Friedensab- Dazu kommt die Notwendigkeit kommen mit Jordanien und Ägypten einer Einheitsregierung aufgrund der Das Koalisationsabkommen sieht führen. COVID-19 Krise, die auch in Israel ihre für den Bereich von Schritten einer Spuren hinterlässt. Das Land hat diese Annexion von Teilen des Westjordan- Es ist daher anzunehmen, dass bei Krise bis jetzt ganz gut gemeistert, landes und des Jordantales die freie allen Schwierigkeiten der Status quo aber sie ist noch nicht überwunden. Abstimmung, sowohl in der Regie- aufrechterhalten wird. Offen bleibt, Eine Belastung für die Koalition ist rung, als auch in der Knesset, vor. Das ob es seitens der palästinensischen ohne Zweifel der anstehende Prozess bedeutet, dass zumindest in der Verantwortlichen endlich zu ernstzu- gegen Benjamin Netanjahu sowie Knesset jederzeit die Möglichkeit be- nehmenden Verhandlungen kommen der vereinbarte Rotationsmechanis- stehen könnte, eine Mehrheit für ein wird. 5
Corona: Eine Momentaufn von Ulrich. W. Sahm A lle Touristen mussten Israel über- stürzt verlassen. Die Hotels wurden in Fluggesellschaft EL AL und alle anderen Quarantäne-Heime für alte Leute und israelischen Flugge- Corona-Infizierte umfunktioniert. Res- sellschaften. Sie taurants und Bistros durften nicht könnten durchaus mehr besucht werden. Theaterauffüh- untergehen, auch rungen und Konzerte wurden kurzfris- wenn Israel es sich tig abgesagt. Die Menschen wurden aus vielen Gründen unter eine Ausgangssperre gestellt. nicht leisten kann, Zeitweilig durfte man sich nur 100 keine eigene zivile Meter weit von der eigenen Haustür Fluggesellschaft zu weg bewegen. Lediglich der Gang besitzen. Gerade in zum Supermarkt, natürlich nur mit Kriegszeiten wagt Atemmaske, oder zur Apotheke war sonst niemand, Israel erlaubt. Jeden Abend trat Ministerprä- anzufliegen. Und da bot allein EL AL gearbeitet haben, dass die National- sident Benjamin Netanjahu, manch- die Möglichkeit, im Ausland gestran- versicherung ihnen keine Entschädi- mal neben seinem ultraorthodoxen dete israelische Staatsbürger heimzu- gung für ausgefallene Arbeitszeit zah- Gesundheitsminister Jakob Litzman fliegen oder Einwanderer, zum len darf. stehend – der trotz Hitzewelle einen Beispiel aus Äthiopien, nach Israel zu riesigen schwarzen Hut oder sogar transportieren. Dieser Tage werden weitere Locke- eine Pelzmütze auf dem Kopf trug. rungen verkündet. Nach einer wo- Netanjahu verkündete die neuesten Eine der wichtigsten Einnahmequel- chenlangen Pause dürfen jetzt endlich Maßnahmen zum Schutz gegen die len ist und war der Tourismus. Es lässt wieder die Linienbusse fahren. Vor Pandemie, obgleich keiner der Be- sich kaum berechnen, wie viele Israelis allem die Überlandbusse waren teil- schlüsse vom Parlament abgesegnet durch den Wegfall der Touristen direkt weise völlig ausgefallen, während die worden war. Diese ganze Szene war betroffen sind und jetzt über keine Stadtbusse mit Beschränkungen wei- wie von einem anderen Planeten. Einnahmen mehr verfügen: Hotels, ter verkehrten. Da nicht jeder ein Auto Naturparks, Lieferanten, die Nah- besitzt, sind die Busse und Eisenbah- Immerhin gelang es Israel, die Zahl rungsmittelindustrie und das Heer der nen die einzige Möglichkeit, vor allem der Infizierten relativ schnell für die ärmliche Be- in den Griff zu bekommen. AB DEM 16. MÄRZ WURDE IN ISRAEL ALLES GESCHLOSSEN: völkerung, zur Ar- Die Israelis waren erstaunlich CORONA. beit zu gelangen. diszipliniert. Die Epidemie hätte vor allem im Vergleich mit ande- Tourguides. Vorläufig sind alle arbeits- Die Pandemie traf Israel mitten in ren OECD-Ländern auch wesentlich los und niemand weiß, wie lange es der schwersten politischen Krise sei- katastrophaler ausfallen können. dauert, bis sich die Lage wieder nor- ner Geschichte. So blieb Netanjahu malisiert. Allein seit März sei das Brut- und Gantz keine andere Wahl, als sich Langsam werden die drastischen tosozialprodukt um 7% gesunken, ver- auf eine „große Koalition“ zu einigen. Einschränkungen gelockert und man kündete die Nationalbank. Weil immer Wegen Corona wurde sie „Notstands- redet schon von einem „Ende der Co- noch ganze Branchen gelähmt sind, regierung“ genannt. In zwei Jahren rona-Krise“. Gleichwohl ist der Scha- wird auch nicht mit einer schnellen Er- soll Gantz den bis dahin amtierenden den für die Wirtschaft noch längst holung gerechnet. In anderen Län- Netanjahu ablösen. Um für sich die nicht überwunden, und niemand weiß, dern wie Spanien sei die Lage noch Immunität eines Ministerpräsidenten wie der entstandene Schaden finan- viel schlimmer, doch das tröstet nie- zu bewahren, nennen sich beide „al- ziert werden soll. Viele Unternehmen manden, der die üblichen Strom- und ternative Regierungschefs“. Wie diese wurden teilweise oder ganz geschlos- Wasserrechnungen, die Miete oder große Koalition funktionieren kann sen. Die Mitarbeiter wurden beur- die Hypothek für die Wohnung bezah- und ob sich Netanjahu tatsächlich an laubt, entlassen oder in den un- len muss. Besonders schwer hat es die die Absprache eines Wechsels mit bezahlten Urlaub geschickt. Schwer jungen Israelis getroffen, die jetzt kei- Gantz halten wird, wagt niemand vor- getroffen hat es sogar die nationale nen Job finden oder nur so kurze Zeit herzusagen. 6
ahme aus Israel über nicht im dann auch Parkplätze und Tiefgaragen Kindergarten umfunktioniert, was wieder andere oder in der Schu- Probleme erzeugte. le betreut wer- den, konnten die Die langsame Rückkehr zum norma- Eltern nicht zur len Leben macht sich auch auf den Arbeit. Als dann Straßen bemerkbar. Während der all- schließlich der gemeinen Ausgangssperre wurde zum Schulbesuch mit Beispiel der Verkehrsfunk ausgesetzt, gewissen Vor- weil es nirgendwo Staus gab. Inzwi- gaben und Ein- schen gibt es wieder den regelmäßi- schränkungen gen Verkehrsfunk und entsprechend dann doch wie- werden auch Staus an den üblichen der erlaubt wur- Kreuzungen rund um Tel Aviv und vor Anfang Juni war nun die Rede von de, kam es prompt zu vorhersehbaren Jerusalem gemeldet. einer umgehenden Rückkehr zur „Nor- Pannen. Die Schüler sollten in Schich- malität“. Jedem war klar, dass die Zu- ten und mit Abstand voneinander die Dieser Tage hat der Premierminister stände wie vor dem 16. März noch Schulbänke drücken, aber dann kam bei einem seiner TV-Auftritte ein lange nicht erreicht werden könnten. es doch zu Ansteckungen. Besonders Machtwort gesprochen: „Die Pande- Viele Unternehmen sind in der Zwi- getroffen hat es die große Schule mie ist noch nicht überwunden“. Er schenzeit pleite gegangen. Und wer „Gimnasia“ in Jerusalem. Hunderte forderte die Bürger des Landes drin- sein Geschäft irgendwie ohne Ein- Schüler und die Lehrer wurden nach gend auf, nicht nur die üblichen Vor- künfte die Mieten und andere Abga- Dutzenden Erkrankungen wieder in sichtsmaßnahmen weiterhin strikt ein- ben zahlen konnte, ist nicht fähig, alle die Quarantäne zuhause geschickt, zuhalten, wie das Tragen von Gesichts- entlassenen oder in den Zwangsur- wo sie dann Eltern und Geschwister masken und Abstand voneinander zu laub geschickten Mitarbeiter wieder ansteckten. Da manche Schüler am halten. Vielmehr geht jetzt schon die einzustellen. Hunderttausende stehen Wochenende zu Freunden außer- Angst um wegen einer zweiten Welle vor dem Nichts. Zwar wird von einer halb Jerusalems gefahren waren, in naher Zukunft. Das Covid Virus sei Exit-Strategie geredet, doch was fak- gab es weitere Infektionsherde. eben unberechenbar und noch längst tisch passiert, um das Land wieder in Mehrere Schulen mussten im ganzen nicht ausgemerzt. Gang zu bringen ist ungefähr so chao- Land dann doch wieder geschlossen tisch wie die sehr widersprüchlichen werden, trotz der beschlossenen Zwar steht Israel heute besser da als Anweisungen während der schlimms- „Lockerungen“. im März. Die Spitäler sind mit ausrei- ten Pandemie-Zeit. So hatte die Polizei chend Beatmungsgeräten ausgestat- einen riesigen Ermessungsspielraum, Weiter hieß es, dass bei den Behör- tet. Das Personal ist geübt und es Strafzettel in Höhe von etwa 200,– den 70% der Mitarbeiter wieder zur mangelt auch nicht mehr an Schutz- Euro zu verteilen, als es hieß, dass man Arbeit kommen durften. Doch blieb masken. Derweil haben israelische im Meer baden und Sport treiben, offen, wer zu entscheiden hatte, ob je- Startups Testgeräte entwickelt, die nicht aber den Sandstrand betreten mand sein Büro wieder betreten oder schneller und billiger tausende Unter- dürfe. Während einer einwöchigen doch lieber zuhause bleiben sollte. suchungen ermöglichen. Das ist ent- Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 40 scheidend, um möglichst schnell neue Grad wollten tausende Menschen in Für Läden, Einkaufszentren und Res- Infektionsherde zu entdecken und ein- taurants wurden strikte Auflagen aus- Tel Aviv nicht mehr in ihren überhitz- zugrenzen. ten Wohnungen eingesperrt bleiben gegeben zu der Zahl der Anwesen- den in einem Raum, die sich aber und begaben sich trotz des Verbots an Israel hat es gelernt, mit Terror und den Strand. Die Polizei war dem An- kaum überprüfen ließen. Speiselokale militärischen Bedrohungen zurechtzu- sturm am Ende nicht mehr gewachsen. durften wieder öffnen, mussten aber kommen. Doch das Virus gilt als „un- ihre Tische teilweise auf die Bürger- sichtbarer Terrorist“, der eben nicht mit Das größte Problem war der Schul- steige verteilen, damit die Gäste Ab- den herkömmlichen Mitteln bekämpft besuch. Denn wenn die Kinder tags- stand halten konnten. Dafür wurden werden könne. 7
Erklärten Feinden des Staates Israel darf in unserem Land keine legale Tätigkeit gestattet werden. Hisbollah in Deutschland Quelle: American Jewish Committee Berlin Office Foto©Thomas Rassloff hisbollah Am 30. April 2020 wurde in der Bundesrepublik Deutschland ein Betätigungsverbot für die Hisbollah als Ganzes erlassen. Dieses erstreckt sich auch auf diverse Neben- und Tarnvereine und bietet hoffentlich einen Schutz vor den Aktivitäten der Organisation. In Österreich ist so ein Schritt längst überfällig, aber noch nicht geschehen. die ÖIG hat dazu folgende Presseaussendung veröffentlicht: Die Österreichisch-Israelische Gesellschaft fordert Hisbollah-Verbot in Österreich und EU-weit. Nach dem Verbot der schiitisch-libanesischen Terrorbewegung in Deutschland ist es an der Zeit, dass die österreichische Bundesregierung sowie die zuständigen EU-Gremien endlich ein Zeichen setzen und die extremistischen Organisation Hisbollah sowie deren Unterstützern europaweit ihre Betätigung verbieten. Die Österreichisch-Israelische Gesellschaft begrüßt das Betätigungsverbot in Deutschland gegen die Hisbollah durch das dortige Innenministerium. Gleichzeitig ist es dringend geboten, das Terrornetzwerk in ganz Europa als illegal ein- zustufen. „Diese Organisation propagiert den bewaffneten Kampf mit terroristischen Mitteln. Sie lehnt nicht nur das Existenzrecht Israels ab, sondern ruft auch offen zur gewaltsamen Beseitigung des jüdischen Staates auf. Ich bin mir sicher, dass die tausenden Opfer des Hisbollah-Netzwerkes auch von anderen europäischen Staaten wie Österreich, aber auch von der EU als Ganzes einen ähnlichen Schritt erwarten“, so der Präsident der ÖIG, Peter Florianschütz. Seit ihrem Bestehen leugnet die Hisbollah das Existenzrecht Israels und terrorisiert den Staat mit Raketenangriffen und Bombenanschlägen. Auch in anderen Ländern, so auch in Europa, ist sie für Anschläge auf israelische und jüdische Ziele verantwortlich. Gerade in den EU-Staaten sammelt das Terrornetzwerk Gelder für seine gewalttätigen Anschläge gegen Jüdinnen und Juden weltweit. Internationaler Drogenhandel und Waffenschmuggel werden über hiesige Tarnorganisationen orches- triert, es wird Propaganda betrieben gegen Israel und gegen Jüdinnen und Juden, es wird offen zu Gewalt aufgerufen. Fünf Staaten – Israel, Kanada, die Vereinigten Staaten, Argentinien und das Vereinigte Königreich – haben die gesamte Hisbollah als Terrororganisation eingestuft. Im März 2016 erklärte auch die Arabische Liga die Hisbollah zu einer Terrororganisation. „Mit einem Verbot hier in Österreich müssten wir auch nicht mehr tatenlos zusehen, wenn am Al-Quds-Tag während des Fastenmonats Ramadan antiisraelische und antisemitische Aufmärsche in Wien durchgeführt werden dürfen. Damit muss endlich Schluss sein“, meint Florianschütz. „Die österreichische Politik sollte nun endlich die Konsequenzen ziehen und gegen die Hisbollah auch in Österreich ein Verbot aussprechen. Zudem kann sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass das islamistische Netzwerk auch auf die EU-Terrorliste gesetzt wird.“ Aufgrund der öffentlichen Diskussion wurde im Nationalrat ein Entschließungsantrag eingebracht. Er wurde am 29. Mai 2020 einstimmig beschlossen. Die Bundesregierung wird aufgefordert: • geeignete und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um entschieden gegen terroristische und kriminelle Aktivitä- ten der Anhängerinnen und Anhänger der Hisbollah in Österreich weiterhin mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen; • die Finanzierung der Hisbollah durch Geldwäscheaktivitäten nachhaltig zu unterbinden; • eine Neubeurteilung der Frage des Umgangs mit der Hisbollah innerhalb der Europäischen Union anzuregen. Trotz der allgemeinen Formulierung ist diese Initiative ein Schritt in die richtige Richtung. Die Österreichisch-Israelische Gesellschaft wird diese Entwicklung beobachten und weiterhin darauf dringen, dass sich Österreich im Rahmen der Europäischen Union für ein Verbot der Hisbollah einsetzt und dieses Verbot auch umgehend in Österreich ausspricht. 8
ISRAEL IN DER ÖSTERREICHISCHEN POLITIK F O LG E Z W E I : S P Ö Interview mit der SPÖ-Bundesparteivorsitzenden, Pamela Rendi-Wagner über die Position der SPÖ zu Israel. Die Fragen stellte Michael Laubsch Das Interview ist gekürzt. Das vollständige Gespräch ist auf schalomonline.com nachzulesen. L: Zunächst einmal danke ich Ihnen recht herzlich, dass Sie L: Die gerade aktuell geführte Diskussion um den Trump- sich für dieses Interview mit Schalom Zeit nehmen. Sie Friedensplan legt erneut die Frage auf den Tisch, ob es eine haben ja sehr lange auch in Israel gelebt. Daher möchte ich sogenannte Zweistaaten- oder Einstaatenlösung geben soll, meine Fragen mit Ihrem persönlichen Eindruck zu Israel be- ginnen. Wie schaut dieser aus? R-W: In den vier Jahren, in denen ich mit meiner Familie in Israel lebte, hat mich vor allem die Vielfalt ünd Lebensfreude der Menschen beeindruckt. Meine jüngste Tochter ist dort geboren, Israel wird immer ein ganz wichtiger Teil meiner Familie und meines Lebens sein. L: Sie haben ja auch beruflich in Israel gearbeitet. Was macht Ihrer Meinung das zur Zeit auch weltweit gelobte Innova- tionspotential in Israel aus? R-W: Israel wird heute zurecht als „Start-Up-Nation“ auf Befreiungsfeier KZ Mauthausen, 2019 Weltniveau bezeichnet. Die Gesellschaft ist jung und pulsie- rend, innovative Ideen werden in großem Umfang umge- um den palästinensisch-israelischen Konflikt zu beenden. setzt. Ich habe dort in meiner Zeit als Gastprofessorin an der Wie schaut da die Position der SPÖ aus? Tel Aviv Universität einen hoch innovativen Forschungssek- R-W: Das Ziel muss eine friedliche und nachhaltige Lösung tor erlebt. Im Bereich Forschung und Entwicklung kann des Konflikts zwischen Israel und den PalästinenserInnen Österreich viel von Israel lernen. sein. So eine Lösung, die für beide Seiten Frieden und Si- L: In Ihren Kontakten zu israelischen FreundInnen und Kol- cherheit bedeutet, muss, kann, aus meiner Sicht, nur eine legInnen: Sie als Österreicherin mit einer historischen Ver- Zwei-Staaten-Lösung sein, die auf dem Weg von Verhand- antwortung, wie wurden Sie aufgenommen, wie haben Sie lungen erreicht wird. sich verhalten, gab es Ressentiments? L: Welche Position hat die SPÖ zu der Frage der Annexion R-W: Ganz ehrlich: Meine Freunde und Kollegen in Israel von Teilen des Westjordanlandes? Die österreichische Bun- sind mir nie mit Ressentiments begegnet. Ganz im Gegen- desregierung hat sich ja erst kürzlich klar dazu positioniert. teil. Wir haben in Israel Freundschaften fürs Leben gemacht. R-W: Die Sozialdemokratie bekennt sich klar zum Staat Israel L: Haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber Is- und seiner Sicherheit. Die besondere Verantwortung aus rael? der Geschichte und die freundschaftlichen Beziehungen dürfen jedoch nicht dazu führen, keine legitime Kritik äu- R-W: Ja, auf jeden Fall. Österreich trägt eine große Verant- ßern zu düren, wenn es um die Siedlungspolitik und jetzt wortung gegenüber Israel und generell im Kampf gegen um die Annexion geht. Gerade als Freunde Israels sind wir Antisemitismus. Diese Verantwortung müssen die Politik aufgerufen, auch Fehlentwicklungen klar zu benennen. und die Gesellschaft jeden Tag aufs Neue wahrnehmen. Dauerhaften Frieden kann es nur geben, wenn beide Seiten L: Ich möchte nun den Wechsel hin zu politischen Fragen auf Augenhöhe ehrlich und mit Respekt daran arbeiten. Die einleiten. Die europäische, aber auch besonders die öster- Annexion ist ein einseitiger Beschluss und würde nicht zur reichische Sozialdemokratie ist stark geprägt von jüdischen Beilegung des Konflikts führen. DenkerInnen. Ist diese Tradition auch eine besondere Ver- L: Vielen herzlichen Dank für diese Gespräch. antwortung für die Bewegung? R-W: Die jüdischen Mitglieder waren und sind ein wichtiger Teil unserer Bewegung und dessen, was die Sozialdemokra- Dr. Pamela Rendi-Wagner Studium: 2005 Abschluss des Facharztstudiums. Postgraduate tie ausmacht. Viele Jüdinnen und Juden haben die Sozial- Studium in London. 2008 Habilitation (Impfprävention und demokratie über die Jahrzehnte stark geprägt. Für mich ist Tropenmedizin) an der Universität Wien. die Sozialdemokratie ganz klar auch in Zukunft ein wichti- 2008–2011 Gastprofessur an der University of Tel Aviv. Gesundheitsministerin ab März 2017. ges Sprachrohr für Jüdinnen und Juden in Österreichs poli- Bundesparteivorsitzende der SPÖ seit November 2018. tischem Parteienspektrum. Verheiratert mit dem Diplomaten Mag. Michael Rendi; zwei Töchter. 9
Rechts vom Haupteingang steht in dem weitläufigen Foyer ein Klavier. Ein vermut- lich 80-jähriger Mann spielt eine Sonate von Beethoven, als sich eine junge Frau zu Hilfe ohne Gren von Wolfgang Sotill ihm setzt und ihn begleitet. Sie spielen noch zwei weitere Stücke, dann stehen sie auf, verbeugen sich voreinander und jeder Die Hadassah in Jerusalem ist eine der großen geht zurück an seinen Platz. Der Mann humpelt in die Wartezone der orthopädi- sich der praktischen Friedensarbeit verpflicht schen Abteilung, die Frau in das nahe gele- den Nobelpreis eingebracht hätte. gene Kaffeehaus. Die Hadassah im westlichen Teil Je- ein Spital ohne Unterschiede, eine zum Top-Thema der internationalen rusalems, über dem Dorf Ein Karim heilende Insel des Friedens, in der PR-Arbeit, obwohl dies vielleicht gelegen, ist mit 1300 Betten, einer eine Medizin ohne Grenzen verab- noch mehr Gelder fließen lassen Million Patienten jährlich, 5000 An- reicht wird. Für diese außergewöhn- würde, denn die Hadassah finanziert gestellten, davon 900 Ärzten, eine liche Leistung wurde das Klinikum sich ausschließlich über Spenden. der größten Kliniken in Israel – ty- 2005, im ersten Jahr nach der bluti- pisch ist sie für den Judenstaat aber gen Zweiten Intifada, in den erlauch- Ganz im Gegenteil: Man spricht dennoch nicht. Und das nicht nur ten Kreis der Friedensnobelpreiskan- nicht gerne über seine Patienten. wegen des Klaviers. Viel eher ist sie didaten aufgenommen. Bekommen Und schon gar nicht über jene aus schon beispielgebend; denn hier ist hat ihn damals die Internationale der arabischen Welt. Heilung echte Friedensarbeit, wie der Atomenergieorgansiation. Klinik-Direktor Yoram Weiss erläu- ANEKTOTEN tert: „Wir haben in Israel eine der hete- Leicht ist der Versuch für alle Be- BESONDERER PATIENTEN rogensten Gesellschaften der Welt: Sie wohner des Landes und auch für Und so war es auch kein Arzt oder reicht vom säkularen Kibbuznik bis jene aus den besetzten Gebieten die Presseabteilung der Klinik, son- zum ultra-orthodoxen Juden. Dazu eine offene Klinik zu sein, freilich dern ein pensionierter israelischer haben wir noch christliche und musli- nicht, wie Susi Shaked, Präsidentin Geheimdienstoffizier, der mir erzählt mische Araber und dann gibt es da von Hadassah-Österreich erklärt: hat, dass König Hussein von Jorda- auch noch die Palästinenser. Und jeder „Stellen Sie sich eine Geburtsabteilung nien (1935–1999), der an Krebs er- dieser Patienten bringt seine politi- vor: Bei der Entbindung einer Araberin krankt war, lange inkognito in der schen, kulturellen und religiösen Ei- ist das halbe Dorf versammelt, das die Hadassah behandelt worden ist. Er ist genheiten mit. Deshalb muss die in den Wehen liegende Frau ermutigt, als ambulanter Patient mit dem Hub- Hadassah ein Ort sein, an dem es keine weiter zu pressen. Eine orthodoxe Frau schrauber aus Amman angereist und Politik gibt. Diese hat außerhalb unse- hingegen ist allein in ihrem Entbin- nach der Behandlung wieder zurück- rer Klinik zu bleiben. Wir fragen nicht, dungsstuhl und der Mann steht hinter geflogen. Nur einmal hätte der erbit- wer die Patienten sind, woher sie kom- einem Paravent und ist vertieft in die terte Ex-Feind, mit dem Israel 1994 men, welcher Religion sie angehören. Rezitation von Psalmen.“ ein Friedensabkommen geschlossen Und so kommt es schon vor, dass ein hat, die Israelis beinahe in Verlegen- schwer verletzter arabischer Terrorist 1912 gründete die Amerikanerin heit gebracht. Nämlich mit seinem Bett an Bett mit seinem jüdischen Henrietta Szold die zionistischen Wunsch, einmal in Tel Aviv am Dizen- Opfer liegt“. Dazu muss man wissen, Hadassah-Frauenverein. In der Kli- goff-Boulevard ein Eis essen zu wol- dass die meisten Attentäter aus den nik, die von dieser Bewegung unter- len. Wäre der bereits schwer er- palästinensischen Gebieten kommen stützt dann in Israel ihren Ursprung krankte König erkannt und die Um- und anders als die Araber in Israel nahm, rühmt man sich seiner gren- stände seines Besuchs in Israel be- über keinen Versicherungsschutz ver- zenlosen Menschenfreundlichkeit kannt geworden, dann hätte das in fügen. Aber die Hadassah ist eben aber nicht. Man macht sie auch nicht Jordanien zu Unruhen geführt und in 10
zen Ein Fall, der auch nicht gerne the- matisiert wird, ist jener des Hamas- Führers Ismail Haniyeh in Gaza, der bis heute in regelmäßigen Abstän- den zur Vernichtung Israels aufruft. promovierter arabischer Ärzte. Wer dazu ausgewählt wird, gehört künf- tig nicht nur zur den Spitzenmedizi- nern, sondern er wird während seiner Weiterbildung nach dem israelischen Als aber ein Mitglied seiner Familie Gehaltsschema entlohnt. Dieses ist schwer an Krebs erkrankt, lässt er die um ein Vielfaches höher als in den n Kliniken Israels. Eine, die Frau nicht etwa nach Europa in eine „Gebieten“, weswegen die palästi- Klinik bringen, sondern in die Hadas- nensischen Ärzte nach Jahren der et fühlt. Was ihr beinahe sah, die wegen ihres außergewöhn- guten Ausbildung und des guten Ein- lich hohen medizinischen Standards kommens nur ungern in die palästi- einen international ausgezeichneten nensischen Gebiete zurückkehren Ruf genießt. sowie es ihr Ausbildungsvertrag vor- sieht. Denn dort verdienen sie nur Israel zu einer Diskussion, die nicht Aber nicht nur die Patienten, auch einen Bruchteil. nur die Hadassah nicht hätte haben zahlreiche Ärzte und Pflegekräfte, wollen. So hat man König Hussein in aber auch Pädagogen, die Kinder bei CORONA-KRISE eine israelische Offiziersuniform ge- Langzeitaufenthalten betreuen, sind Aber auch in der Corona-Krise hat steckt und ihn, umringt von etlichen arabisch-muslimischer oder arabisch- sich die Hadassah kreativ gezeigt. echten israelischen Soldaten, in eine christlicher Herkunft. Etliche von Um die Zahl der Untersuchungen zu Tel Aviver Eisdiele gebracht. Dort hat ihnen, wie Shaden Salameh, Leiterin erhöhen, zugleich aber die finanziel- er dann sein Eis geschleckt, allerdings der Notaufnahme, sind auch in füh- len Möglichkeiten nicht auszureizen, so genussreich langsam, dass seine renden Positionen tätig. Dies ist kein hat Professor Dana Wolf, Vorstand Bewacher ein wenig nervös gewor- Widerspruch zu dem frühen zionisti- des virologischen Labors, einen Ge- den sind. Gestorben ist der jordani- schen Gründungsgedanken, sondern meinschaftstest entworfen. Dabei sche König auf eigenen Wunsch kurz es ist dessen Umsetzung; denn dieser werden die Proben von je acht Pa- danach in London. Er hat gewusst, vertrat immer schon einen breiten tienten – zum Preis eines einzigen dass sein Tod in Jerusalem von seinen ethischen Humanismus. So, wie er Tests – untersucht. Ist das Ergebnis Untertanen den behandelnden israe- eben bis heute in der Hadassah prak- negativ, dann bedeutet dies, dass alle lischen Ärzten angelastet werden tiziert wird. acht Personen frei von Corona-Erre- könnte. Nach dem aus der antisemi- gern sind. Ist es positiv, dann werden tischen Geschichte abgewandelten ÖSTERREICHISCHE alle acht Personen noch einmal ein- KAHANE-STIFTUNG zeln untersucht. Diese Methode er- Einen wesentlichen Beitrag möglicht bis zu 2500 Testungen pro hat dazu auch ein Österrei- Tag und spart viel Geld. cher geleistet. So hat die Stif- tung des 1920 in Wien ge- GLASFENSTER VON borenen Industriellen Karl MARC CHAGALL Kahane den Aufbau einer Die Hadassah ist in dem Land, in Spendendatei für palästinen- dem vieles diskutiert und hinterfragt sische Leukämie-Patienten wird, eine unumstrittene Institution. ermöglicht. Geleitet haben Eine, die auch Touristen, die keiner dieses Projekt ein jüdischer medizinischen Hilfe bedürfen, besu- Wissenschaftler gemeinsam chen sollten. Denn in ihrem Herzen mit einer christlich-arabischen findet sich die Synagoge, deren zwölf Im Hadassah-Krankenhaus behandeln arabische und jüdische Mediziner Täter und Opfer Kollegin. Um die medizinische Glasfenster Marc Chagall gestaltet Versorgung in den palästinen- hat. Und vielleicht haben Sie auch Topos: „Die Juden haben einen Araber sischen Gebieten zu verbessern, fi- das Glück, mit einer vierhändigen ge- umgebracht!“ Dies hätte erst recht zu nanziert die Kahane-Stiftung auch spielten Beethoven-Sonate empfan- Gewalttätigkeiten geführt. die Ausbildung zum Facharzt bereits gen zu werden. 11
ISRAEL IN DER ÖSTERREICHISCHEN POLITIK F O LG E D R E I : N E O S Michael Laubsch hat sich mit dem Abgeordneten zum Nationalrat, helmut Brandstätter getroffen um mit ihm über die Position der NEOS zu Israel zu sprechen. Das Interview ist gekürzt. Das vollständige Gespräch ist auf schalomonline.com nachzulesen. L: Antisemitismus in Österreich und Europa: Diese Gefahr, nenne hier nur Annexion von Gebieten im Westjordan- alle drei Säulen betrachtet, wird immer größer. Wie sehen land? Sie diese Herausforderung für unsere Gesellschaften? B: Wir müssen natürlich überall klar und deutlich machen, dass wir Antisemitismus nicht dulden und dass wir keine Scharia wollen. Auch wenn ich sehr klar und deutlich in der Flüchtlingsfrage bin, müssen Grundprinzipien für die Ankommenden klar abgesteckt sein: Wenn du hierher kommst, zählen unsere Werte, Rechte und Pflichten. Was den Antisemitismus von der linken Seite betrifft, Stich- wort BDS. Hier müssen wir uns auch klar positionieren: Das Eintreten für das Existenzrecht Israels, eine Zweistaatenlö- sung als Lösungsansatz für den Nahostkonflikt. Die Paläs- tinenser haben ein Recht, ihren eigenen Staat gründen zu B: Gerade bei Trump habe ich mich immer gefragt, warum können. macht er das und warum macht er das jetzt? Ich würde Ein anderes Problem, und hier komme ich auf die europäi- mich bei seinem Friedensvorschlag so weit aus dem Fens- sche Perspektive, sieht man am Beispiel Viktor Orban. Es ter lehnen und sagen, dass es ihm sicherlich nicht dabei darf nicht sein, dass man sich einerseits als Freund Benja- um eine Befriedung geht. Es ist immer gefährlich Außen- min Netanjahus aufspielt, dann aber, wenn es einem poli- politik mit Innenpolitik zu verbinden. tisch passt, gegen George Soros hetzt, und zwar rhe- Was heißt Zweistaaten-Lösung? Was kann man machen, torisch nicht gegen die Person, sondern klar mit antisemi- was kann Europa tun, um diese verfahrene Situation zu tischen Stereotypen. Und hier erwarte ich beispielsweise, verbessern? dass auch aus Israel klare Worte gegen eine solche Propa- Ich habe also mehr Frage- als Ausrufezeichen gerade bei ganda findet. Gleiches erwarte ich von der ÖVP übrigens! dieser essentiellen Frage. Historisch, menschlich, sozial, re- ligiös gibt es bei diesem Konflikt so viele Enden, bei einem L: Der Nationalrat hat sich ja beispielsweise einstimmig ziehst du etwas und es fällt alles zusammen … Ohne die gegen die BDS-Bewegung ausgesprochen. Nun gibt es Beteiligung aller wird ein Friedensplan, egal von wem ini- eine neue Diskussion, gerade nach der Entscheidung der tiiert, nicht funktionieren. deutschen Bundesregierung, auch den politischen Arm Was ich schon glaube ist, dass die EU auch in dieser Frage der Hisbollah hier in Europa zu verbieten. Wie ist da die Po- gemeinsam stärker und präsenter auftreten sollte. Ich sition Ihrer Partei? Sie haben ja jüngst einen Antrag im Par- würde mir wünschen, dass es hier auch zu einer „Unions- lament eingebracht . räson“ kommt. Nur so kann die EU als Player wahrgenom- B: Das ist richtig. Wir können natürlich nicht zu einem Ver- men werden. Das betrifft die politische Seite, aber auch die bot durch die Bundesregierung aufrufen, was wir jedoch wirtschaftliche und soziale. Die Hoffnungs- und Perspek- können, ist die Überprüfung durch die staatlichen Behör- tivlosigkeit der Menschen in Gaza ist fürchterlich, in einem den. Dieser Antrag wurde von der ÖVP abgelehnt. Wir ste- Gebiet, das theoretisch auch einen gewissen Wohlstand cken natürlich auch in einem Dilemma: Wenn wir die mit Hilfe von außen generieren könnte. Da können wir Eu- Hisbollah hier verbieten würden, würde dies gleichzeitig ropäer einiges an Hilfe anbieten und auch dabei deutlich bedeuten, die Regierung im Libanon nicht mehr anzuer- machen, dass wir nicht mit Terrororganisationen kooperie- kennen. Gleichzeitig ist mir aber auch persönlich sehr ren werden! wichtig ein Signal zu setzen, dass eine Organisation wie L: Herr Dr. Brandstätter, vielen Dank für das Gespräch. die Hisbollah, auch Teil der Regierung im Libanon, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Staat Israel von der Land- karte zu tilgen, hier in Österreich nichts zu suchen hat. Dr. Helmut Brandstätter ist seit Oktober 2019 NEOS Abgeord- neter zum Nationalrat. L: Kommen wir nun zu den aktuellen Friedensbemühun- Studium: Rechtswissenschaften an der Universität Wien Beruflicher Werdegang: Journalist, ORF 1982–1997; Geschäfts- gen der USA. Kann der Vorschlag von Trump wirklich Be- führer, n-tv Nachrichtensender 1997–2003, Geschäftsführender wegung bringen, oder wird damit nicht der letzte Funke Gesellschafter, Puls TV 2004–2006; Chefredakteur und Heraus- an Hoffnung für eine Befriedung im Keim erstickt, ich geber KURIER 2010–2019 12
Dienstbesuch in Israel Gespräch mit dem Wiener Stadtrat Peter Hanke Im Februar diesen Jahres besuchte Peter Hanke in seiner Eigenschaft als Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und Internationales Israel. Im Vordergrund seines Dienstbesuches waren die Wirtschaftsbeziehungen Israels zu Wien, mögliche Kooperationen in den Bereichen Innovation und High Tech, aber auch Verbesserungspotentiale zwischen Stadt und Land am Beispiel Israels. Foto: Michael Pöhn „Schalom“ hatte die Möglichkeit mit Peter Hanke nach der Rückkehr über seine Eindrücke zu sprechen. L: Herr Stadtrat Hanke, wie haben Sie Israel wahrgenom- zentren, genauso wie die junge Wirtschaft und fördert men, als Sie das Land das erste Mal besuchten und ver- die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirt- glichen damit, wie hat sich das schaft. Kunst, Kultur, Bildung, Land seitdem verändert? Wirtschaft, Forschung passiert urban auf engem Raum – also H: Israel beeindruckt als jun- ein großes Potential und ge- ges, modernes, selbstbewuss- nau da muss auch die Politik tes und erfolgreiches Land. ansetzten. Insofern sind ganz Mein erster Besuch ist lange klar viele Ähnlichkeiten zu er- her und ich muss gestehen, kennen. dass ich eine mehr als positive Entwicklung mit sehr viel Zu- L: Konkret zu den Ergebnissen kunftsesprit wahrgenommen ihrer Reise: In welchen Wirt- habe. Uns allen ist das schwierige politische Umfeld be- schaftsbereichen kann Wien mit Israel kooperieren? Wel- wusst, umso mehr ringt einem die positive Einstellung che Arten von Kooperationen streben Sie als Stadtrat mit der Menschen Respekt ab. Ihren dortigen PartnerInnen an? l: Sie als verantwortlicher Stadtrat für Wirtschaft: Kann H: Die israelische Wirtschaft hat eine beeindruckende In- Wien etwas von der Innovationskraft und Kreativität in novationskraft – insbesondere wenn man die Größe des Israel lernen? Landes bedenkt. Und gerade weil Israel ein kleiner Markt ist, sind Expansion und Export die wichtigsten Themen. H: Selbstverständlich! Israel schafft es – wie kaum ein an- Wien ist genau dafür ein spannender Standort. Hier gibt deres Land –, konstant Innovationen im High-Tech-Be- es bestausgebildete Arbeitskräfte, intensive Kontakte in reich zu liefern. Für mich als Stadtrat, der auch für den Märkten von West- und Osteuropa, eine verlässliche Digitalisierung verantwortlich ist, sind besonders zwei Verwaltung. Und unsere Wiener Wirtschaftsagentur, die Felder wichtig. Einerseits Cybersecurity. Hier wurden un- massive Hilfe bei Ansiedlungen und für ansässige Firmen glaubliche Fortschritte gemacht und gerade junge, israe- bietet. Gerade in den für Israel wichtigen Sektoren wie lische start-ups haben aktuell enormen Erfolg. der chemischen Produktion, im Energiebereich, genauso Der andere wichtige Bereich ist Smart City – wie können bei High-Tech und Dienstleistungen finden israelische neue Technologien nicht nur die urbane Infrastruktur Unternehmen in Wien die richtigen Partner. Ich sehe verbessern, sondern dies auch für möglichst alle Bewoh- mich hier als Türöffner und Brückenbauer und wir pfle- nerInnen der Stadt tun? gen diese Kontakte schon sehr lange. L: Welche Gründe gibt es für diese Innovation und Krea- Auch neben meiner Agenda war es mir eine besondere tivität in Israel? Ist es der „melting pot“ aus unterschied- Ehre, gemeinsam mit Stadträtin Kaup-Hassler einen Öl- lichen Kulturen und Biographien und können Sie da- baum zu Ehren von Teddy Kollek zu pflanzen. Wir haben hingehend Ähnlichkeiten zu Wien erkennen? den Baum im Garten des Museums für islamische Kunst, H: Wie immer ist es die richtige Mischung. Kleine Länder das Kollek mitbegründet hat, gesetzt, weil er vorgelebt müssen immer auf Bildung, Innovation und strategisches hat, wie Menschen zueinander finden: durch Inklusion, Arbeiten setzen. Insofern haben Städte wie Tel Aviv und durch gemeinsames Arbeiten, durch das gemeinsame Wien viel gemeinsam. Auch unser Verständnis wie aktive Gespräch. Kommunalpolitik betrieben wird, nämlich nicht von der L: Danke für das Gespräch! Rückbank, sondern proaktiv. Die Politik bringt sich ein, gestaltet aktiv, unterstützt Bildungs- und Ausbildungs- Michael Laubsch 14
Israels kulinarische Botschafter in Wien 2: Restaurant Florentin ein bisschen Tel Aviv im 7. Wiener Gemeindebezirk von Barbara Serloth vier Personen setzen Sandwiches bis zu den Nachspeisen und die am Tisch festge- (homemade Rasperry Pie und klebte Speisekarte le- Brownie-Muffin). sen. Der Service ist – trotz der gelebten Ent- Nachdem es für mich eindeutig zu spanntheit – prompt spät für ein Frühstück ist, konzen- und kompetent. Take- triere ich mich auf die Hauptspeisen. away ist genauso kein Der Karfiol im Ganzen zeigt sich Problem, wie eine Mi- adrett mit einer Tahini-Basilikum- schung aus einem Essen Sauce garniert, die nicht aufdringlich im Restaurant und der ist. Er ist bissfest, aber nicht zu sehr Bitte, eine Speise vorzu- und kann mit der Gabel zerteilt wer- bereiten, die man noch den. Alles in allen eine gute Sache. warm mitnehmen kann. Euphorisch werde ich allerdings D nicht. Im Gegensatz dazu zeigt sich Die Getränke sind ge- die beefed-up Shakshuka von ihrer er Wiener Bezirk Neubau hat sund ausgerichtet, wobei neben den besten Seite. Serviert in einem Guss- sich seit Jahren als Bobo-Hot- frisch zubereiteten Säften das Soda- eisen-Eierspeis-Reindel lässt sie, am spot einen Namen gemacht. Es mi- Angebot verblüfft. Für einen Tisch stehend, die Seele baumeln schen sich viele KünstlerInnen, In- halben Liter Soda mit und enttäuscht nicht. Das tellektuelle und auch Lebenskünst- Etwas € 3,80 zu ver- Rindfleisch ist, wie es sein lerInnen hinzu. Neubau ist ein Platz, anschlagen ist selbst soll und die wachs- wo es sich leben lässt und man zu bei dem einkalku- weichen Eier ergeben leben weiß. Was liegt näher, als im 7. lierten Gesund- die so typische ge- Wiener Gemeindebezirk ein Lokal zu heitsschub, der da- schmackliche Abrun- eröffnen, das die freie Atmosphäre mit verbunden sein rundung, die sehn- des schönsten Stadtviertels von Tel wird, doch sehr süchtig macht nach Aviv nach Wien bringen möchte. Flo- selbstbewusst. Salzwasser und war- rentin ist einer der interessantesten men Wind. Diese Shaks- Teile von Tel Aviv. Früher ein melting Bei den Speisen werden huka essend bin ich wirklich pot und Arbeiterviertel, verwandelt umfangreiche, internationale kurz in Tel Aviv. es sich seit Jahren zum hippen Zen- Frühstück-Zusammensetzungen trum neuer Urbanität. Das Lokal in geboten. Zu erwähnen: Das Wiener Natürlich könnte man sich noch der Siebensterngasse ist der „kleine Frühstück, die gesunden Happy eine Hühnersuppe oder eine jüdi- Bruder“ des Stammlokals in der Berg- Smoothie Bowls (ja, wir sind eben im sche Leber als Teil der Speisekarte gasse 8 im 9. Bezirk.. 7.) und natürlich auch der israelische wünschen, aber man ist und isst ja Frühstück-Mix. Bei den Hauptspei- nicht bei Oma in deren Küche, son- Ein wenig erinnert das übersichtli- sen gibt es die Klassiker, wie den dern in einem hippen Lokal im 7. Be- che Lokal mit seinen Holzsesseln Karfiol im Ganzen aus dem Ofen (€ zirk und für das ist es schon sehr und Holzsitzbänken an eine Mi- 8,30), die gebackene Aubergine mit entspannend gut. schung aus einem Café in Tel Aviv und der Küche von Oma. Gemütlich, klein und einen Atemzug weg vom Trubel des Alltags. Ich kann mich problemlos alleine an einen Tisch für Rindfleisch gefüllt (€ 10,90) und na- türlich Shakshuka mit und ohne Rindfleisch. Daneben gibt es die Untergruppen von den Varianten des Tel-Aviv Hummus und der Pita , Florentin Siebensterngasse 58 , 1070 Wien https://florentin1070.com 15
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