JAHRES-BERICHT DER EVANGELISCHEN MITTELSCHULE SCHIERS 2016 / 2017
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EDITORIAL Verorten heisst, einen festen Platz in einem Bezugssys- Orte tem zuweisen. Hat die EMS den richtigen Platz? Auf der Tafel, die sich in der Mitte der berühmten Zilliser Bilderdecke befindet, «erkennt man zwischen Ist sie so organisiert, dass sie ihre Funktion gut erfüllen Jesus und dem Teufel die Kuppe und den Abhang des kann? Sind von diesem Ort aus die richtigen und genü- Tschumagrates mit seinen drei Felsabstürzen sowie gend Fäden gespannt, um die Schule für unsere Schü- die ‹Pizas Grischas›, die Grauen Hörner, dahinter». lerinnen und Schüler zu einer effizienten Bildungsstätte (Hugues Garcia: Zillis) Das ist die wohl älteste bild- und damit zu einem Sprungbrett in weiterführende hafte Darstellung einer Bündner Landschaft. Zudem Ausbildungen zu machen? Eine solche Standortbe- sind konkrete Landschaftsdarstellungen in der Male- stimmung muss regelmässig vorgenommen werden, rei der Romanik noch unüblich. Die Bilderdecke stellt wenn man seinen Bildungsanspruch gut erfüllen will – die Geschichte der christlichen Welt dar und der Maler und das wollen wir. bringt mit diesem konkreten Bild zum Ausdruck: Da, wo ich gerade bin, da ist das Zentrum der Welt. Das ist In ein geschlossenes Weltbild einzuführen, ist eine klar nicht als Überheblichkeit, sondern rein perspektivisch abgegrenzte Aufgabe, die durchstrukturiert und dann zu verstehen: Der Ort, von wo ich die Welt sehe und zu in pädagogisch sinnvollen Einheiten weitervermittelt verstehen versuche. werden kann. Antworten in einem solchen System lassen sich in der Regel klar mit ja oder nein geben. Je Unser Ort ist Schiers, genauer die Evangelische Mittel- weitläufiger der Horizont wird, desto offener werden schule. Es ist allerdings nicht mehr das geschlossene die Fragestellungen und desto komplexer die Erklärun- Universum der Romanik, sondern ein offenes, unbe- gen. Wahrheit muss Hypothesen, Modellen, Plausibi- grenztes Universum, in welches wir hinausblicken. lität und möglichen Erklärungsmustern Platz machen. Mit unserem Jahresbericht rücken wir nicht nur den Das verkompliziert Wissen und Wissensvermittlung Ort EMS ins Zentrum, sondern versuchen den Fäden schon stark. Nun kommt dazu, dass in diesem offenen nachzugehen, die unsere Schülerinnen und Schüler in System permanent Veränderungen eintreten, sei es, die Welt hinaus und andere von ihrem Ort aus nach weil sich Dinge entwickeln, sei es, weil neue Fäden im Schiers spannen. Mit einigen Berichten soll das Netz- Netzwerk plötzlich ganz neue Deutungsmuster erge- werk angedeutet werden. ben. Dadurch wird Wissen und auch Wissensvermitt- lung hochkomplex – und ebenso spannend. Hat man früher noch von Weltbild gesprochen, bedient man sich heute des Begriffes Netzwerk, ob nun im wis- Lassen Sie sich mit unserem Jahresbericht einige Orte senschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bereich. Die vorführen. Sie geben Einblicke in dieses spannende schweizerische Bildungslandschaft ist auch ein sol- Netzwerk! ches Netzwerk und die EMS ein Ort darin. Mit dem Pro- jekt EMS 2018 überprüfen wir die Verortung der EMS. Christian Brosi, Direktor Sonderwochen im Ausland von links nach rechts Klasse 6G, Schwerpunktfach Spanisch, Sevilla (Spanien) Klasse 5/6G, Schwerpunktfach Biologie/Chemie, Saint-Pol-de-Léon, Bretagne (Frankreich) Klasse 6FMS, Totnes (Grossbritannien) Klasse 5G, Sprachaufenthalt Sommerferien, Torquay, Paignton, Totnes (Grossbritannien) Klasse 5G, Grundlagenfach Französisch, Mulhouse (Frankreich) Klasse 5FMS, Grundlagenfach Französisch, Colmar (Frankreich) Klasse 6G, Schwerpunktfach Bildnerisches Gestalten, Colmar (Frankreich) Klasse 5G, Grundlagenfach Französisch, Strasbourg (Frankreich) Klasse 6G, Ergänzungsfach Geografie, Hamburg und Sylt (Deutschland) und Dänemark Klasse 6G, Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht, Hamburg (Deutschland) Klasse 6FMS, Grundlagenfach Italienisch, Milano (Italien) Klasse 6FMS, Sprachaufenthalt Herbst, Ravenna (Italien) Klasse 6, Ergänzungsfach Geschichte, Berlin (Deutschland) Klasse 6G, Schwerpunktfach Musik, Wien (Österreich) Klasse 5FMS, Debrecen (Ungarn) Klasse 6G, Ergänzungsfach Philosophie, Griechenland 3
inhalt Editorial, Christian Brosi 3 EMS = 180, Hans Peter Kocher 6–7 Projekt EMS 2018 – Ein Zwischenbericht, Hans-Andrea Tarnutzer 8–9 Erster Jahrgang startete in die zweisprachige Matura Deutsch-Englisch, Susanne Meier 10 Orte an der EMS in Szene gesetzt 11 Das Schülercafé, Isabel Pingeon 12 Requiem 3. Stock, Fachschaft BG, Schülerinnen und Schüler 13–17 Gelenkter Wildwuchs im Wildpflanzengarten, Michael Grosjean et al. 18–21 Seit 20 Jahren ein Ort von bewegten Begegnungen, Jrma Foffa und Reto Stiefel 22 Grenzen überwinden 23 Kulturwechsel, Gastfamilie und Nadelbaum, Andrej Weidkuhn und Susi Weidkuhn-Schildknecht, Arath Martínez 24–25 Tsukuba meets Schiers – Grüsch meets Miyakonojo, Christoph und Sabine Nänni, Haruka Wada 26–27 «No es un año en la vida, es una vida en un año», Andrina Däppen 28 Sebastopol, CA, Ladina Locher 29 Der Mitreisende wird zum Ziel, Flavia Aebli 30 Personelles Abschlussprüfungen und Preise 31–33 Verabschiedungen 33–35 Jubiläen und Begrüssungen 35 Verzeichnisse Schulverein 36 Vorstand und Kommissionen 36 Altschierser Verein 37 Personal 37–38 Schülerinnen und Schüler 39–41 Statistiken Herkunft der Schülerschaft 42 Klassenbestände 42 Betriebszahlen Betriebsrechnung und Bilanz der EMS 44 Betriebsrechnung und Bilanz des Stipendienfonds 45 Gaben 2016 für Betrieb und Stipendienfonds 45 5
Während meiner Schierser Jahre kam ich in den Genuss Aber so ist nun einmal die Mittelschullandschaft unsere Lehrpersonen. Aber auch die Schulleitung, der EMS = 180 einiger legendärer Lehrpersonen. Viele Jahre besuchte Graubündens. Historisch gewachsen und zu einem Vorstand und der Schulverein. Als langjähriges Vor- Es ist für mich als neuer Präsident der EMS eine ich den Französischunterricht bei André Merlot. «La grossen Teil von privaten Schulen geprägt. Daraus standsmitglied weiss ich, dass wir dazu gerüstet sind. schöne, aber auch anspruchsvolle Aufgabe, den mitt- maturité n’est pas un cadeau», diesen Satz kennen ergibt sich eine gewisse Konkurrenz, aber davon pro- Mit dem Projekt EMS 2018, mit dem verschiedene wich- lerweile 180. Jahresbericht mitzugestalten. 180 Jahre, wohl alle seine Schüler. Was an ihm aber bemerkens- fitieren Schülerinnen und Schüler. Jede Schule hat tige Bereiche wie Qualitätssicherung und Kommunika- da ist ein bisschen Ehrfurcht angezeigt! Nur wenige wert und wohl auch einmalig war, ist die Tatsache, ihren Charakter, ihre Ausprägung. Die Schülerinnen tion überdacht und neu ausgerichtet werden, bereiten Betriebe und Institutionen in unserem Kanton, wenn dass jede Frage individuell auf die jeweiligen Schü- und Schüler und ihre Eltern können auswählen, wel- wir für uns die Zukunft vor. Meine Vorstandskolleginnen es denn überhaupt solche gibt, können auf eine derart lerinnen und Schüler abgestimmt war. Das heisst che Schule sie besuchen wollen. Das gilt insbeson- und -kollegen sind kompetent, sie bringen fachlich und lange, ununterbrochene Geschichte zurückschauen. kein anderer wäre das Gleiche gefragt worden. André dere für unser Einzugsgebiet. Für die EMS ist das mit ihrer breiten Lebenserfahrung das nötige Rüst- Das allein ist schon aussergewöhnlich. Die Verände- Merlot war ein passionierter Autofahrer. Er fuhr Alfa eine grosse Herausforderung. Wir müssen als regi- zeug mit. Die Schulleitung macht gute Arbeit, und das rungen, welche die EMS in dieser Zeit durchlief, sind Romeo (damals ziemlich aussergewöhnlich für einen onale Mittelschule für genügend Schülerinnen und wird auch unter der Führung unseres neuen Direktors, es auch. Lehrer der EMS) und die Legende ging, dass er dabei Schüler attraktiv bleiben. Was bedeutet das? Ich bin Hans-Andrea Tarnutzer, der Fall sein. Am wichtigsten stets Lederhandschuhe trug. Ich selber hatte und überzeugt, dass in erster Linie die Qualität unserer sind aber unsere Lehrpersonen. Sie tragen das Bild der Gegründet 1837 von lokalen Pfarrherren und Politi- habe Freude an Autos. Weshalb das André Merlot Dienstleistungen massgebend sein wird. Wir müssen EMS nach aussen. Ihr Engagement und ihre Leistungen kern, sollte die Anstalt, wie die Schule damals und viele wusste, ist mir bis heute nicht klar. Klar ist hinge- eine gute, eine überdurchschnittlich gute Schule sein, sind massgebend. Dafür danke ich allen. Jahrzehnte später noch genannt wurde, Schullehrer gen der Satz, den ich ins Französische übersetzen und zwar in den Augen unserer Kunden, das heisst der ausbilden, aber auch Schüler unterrichten, welche die musste: «Wenn ich genug Geld hätte, würde ich mir Schülerinnen und Schüler, aber auch deren Eltern. Das Und jetzt kehre ich nochmals in die Vergangenheit Kantonsschule besuchen wollten oder denen diese ver- einen Jaguar kaufen, umso mehr, als ich englische ist eine anspruchsvolle Aufgabe, denn unsere Mitbe- zurück. Die EMS ist geprägt vom «Schierser Geist». sagt blieb. Nach heftigem Ringen wurde 1896 beschlos- Autos im Allgemeinen liebe.» Einen Jaguar habe ich werber schlafen nicht. Gefordert sind in erster Linie Das bedeutet vor allem, dass die EMS nicht nur Arbeit- sen, in Schiers auch ein Gymnasium zu führen. 1903 bis heute nicht, aber Konjunktiv und Subjonctiv hat geber ist. Man ist an der EMS nicht tätig, nur um sein wurde die Schierser Matura vom Kanton anerkannt. André Merlot damit in meinem Hirn verankert. Auskommen zu verdienen. Für die meisten ist die EMS Seit dem vorletzten Jahrhundert führen wir ein Gym- mehr. Wir wollen einen guten Job machen, nicht jeder nasium, das auch heute noch wesentlicher Bestand- Während meiner Schulzeit war ich als Externer noch für sich, sondern gemeinsam, Lehrpersonen, Mitar- teil der EMS ist, während das ursprüngliche Seminar ein seltener Exot. Gerade etwa 30 der über 300 beiter, Vereins- und Vorstandsmitglieder. Gleichzeitig zugunsten der heutigen kantonalen Pädagogischen damaligen Schüler lebten nicht an der EMS. Kürzlich nehmen wir auf die Eigenheiten der Einzelnen so weit Hochschule in Chur aufgegeben werden musste. schlossen wir das Internat, mangels Nachfrage. Den wie möglich Rücksicht und passen uns den aktuellen alten Zeiten trauern etliche nach. Ich verstehe das, Anforderungen an, um die Zukunft der EMS zu sichern. In dieses Gymnasium trat ich 1971 ein. Die EMS stand denn das Internat, mehr noch als die Schule, war in Wir wollen, dass unsere Schülerinnen und Schüler damals im zarten Alter von 134 Jahren. Ich wäre nie lebensprägenden Jahren das dominierende Element kompetent und lebenstüchtig werden, dass sie ihre auf den Gedanken gekommen, dass ich mich dereinst und ersetzte häufig die eigentliche Familie. Aber die eigene Persönlichkeit stärken und den Herausforde- im Vorstand meiner Schule betätigen würde. Ehrlich Zeiten haben sich geändert, und das radikal. Heute rungen des Lebens gewachsen sind. Und wir wollen, gesagt, wusste ich gar nicht, wie die Schule organi- ist die EMS eine ganz andere Schule. Sie hat sich von dass sie etwas vom Schierser Geist mitnehmen: Der siert und wer Träger der Institution war. Das geht den einem Internat mit vorwiegend auswärtigen Schülern Mix aus Gemeinsinn und Individualität, Tradition und heutigen Schülern wohl nicht anders und spielt für sie zu einer regionalen Bündner Mittelschule mit aus- Moderne, welcher die EMS seit 180 Jahren begleitet. auch keine grosse Rolle. Was zählt, sind die Schule, schliesslich Schülerinnen und Schülern aus der Region die Qualität und das Angebot der EMS, die Lehrper- gewandelt. Also eigentlich zu dem, wie ich seinerzeit Dr. Hans Peter Kocher, Präsident sonen und Klassenkameradinnen und -kameraden. die EMS wahrgenommen habe. Für mich war die EMS damals eine willkommene Alter- Das bringt neue Herausforderungen mit sich. Unser native zur Sekundarschule. Als externer Schüler war Kundenstamm hat sich radikal geändert, dessen Pri- mir die EMS aber nie Heimat oder gar Familie. Ich oritäten verschoben. Wir müssen uns intensiv mit dem nutzte die Dienstleistung der EMS und war froh darum. Kanton auseinandersetzen. Nicht nur diktiert er zuneh- Sie bot mir spannende und bereichernde Jahre und mend und fast vollständig, was wir wie zu machen eröffnete mir zahlreiche weitere Möglichkeiten der haben, sondern von ihm kommt auch fast alles Geld für Ausbildung. unseren Betrieb. Das Verhältnis und die Zusammenar- beit sind nicht immer leicht. Manchmal habe ich das Ohne grössere Friktionen durchlief ich die damals noch Gefühl, der Kanton sehe uns als Konkurrenz zur Kan- sieben Jahre gymnasialer Bildung. Gerne erinnere tonsschule, manchmal kommen unsere Besonder- ich mich an das Wintersemester der dritten Klasse. heiten und Bedürfnisse zu kurz. Den andern privaten Damals hatte ich an einem einzigen Nachmittag Mittelschulen im Kanton geht es auch nicht besser. Schule und kam so ausgiebig zum Skifahren. Im Schnitt war ich jeden 1,9. Tag der gesamten Winter- saison (die damals noch länger dauerte als heute) auf Gotschna oder Madrisa unterwegs. Natürlich gab es auch weniger erfreuliche Gegebenheiten. Etwa, als ich ins Provisorium versetzt wurde, weil ich in den Fächern Turnen, Zeichnen und Religion den Notenschnitt von 4 nicht erreichte. Bei ungenü- genden Noten im Folgesemester (auch in den übri- gen Fächern) hätte ich die Klasse repetieren müssen. Musenprobe hiess das, und mir ist niemand bekannt, der ebenfalls davon betroffen gewesen wäre. Mein Klassenlehrer erklärte mir, man hätte sich entschlos- sen, mich ins Provisorium zu versetzen, damit ich ein besseres Verhältnis zum Turnen bekomme (Skifahren gehörte nicht zu den Schulturnfächern). Das erschien mir persönlich absurd und völlig unnötig. Zum Glück bekam ich im nachfolgenden Semester einen neuen Turnlehrer. Zwar turnte ich weder besser noch mit mehr Freude, und mein Verhältnis zum Turnen änderte sich nicht, aber die Note war immerhin genügend. 6 7
welche zurzeit von der Projektgruppe zu Qualitäts- des Amtes für Höhere Bildung auferlegt. All diese Projekt EMS 2018 – Ein Zwischenbericht ansprüchen weiterentwickelt werden. Zudem hat die Bedürfnisse und Ansprüche müssen koordiniert und Das Projekt EMS 2018 ist schon eine «grosse Kiste», Gruppe bereits eine überarbeitete Version des Schul- verträglich gemacht werden. die wir im Herbst 2015 angeschoben haben. Neben leitbildes vorgelegt. dem Generationenwechsel in Schulleitung und Lehr- Mit diesen eingeleiteten Massnahmen werden Instru- körper ist das Projekt eine grosse Herausforderung, Seitens der Teilprojektgruppe Kommunikation wurde mente geschaffen, die es erlauben, die EMS als zeitge- die es zu bewältigen gilt. Und doch genau jetzt hat es an den Projekttagen der Wert «transparent und ver- mässe, lernende Organisation zu bezeichnen, die Sinn, sich einige grundlegende Gedanken zur Schul- bindlich» thematisiert. Die Gruppe hatte bereits im Vor- bereit ist, die kommenden Herausforderungen anzu- entwicklung zu machen. feld intern Daten zu «Kommunikationspannen» gesam- nehmen. Bis der Wandel hin zu dieser neuen Kultur in melt, welche in den Workshops aufgegriffen wurden. allen Köpfen und Bereichen vollzogen ist, wird es noch Ausgelöst wurde dieses Vorhaben durch die vom Amt Aus den Ergebnissen der Workshops wurden Anträge dauern. Wir bleiben dran. für Höhere Bildung verfügte externe Schulevaluation für Projekte an die Schulleitung entwickelt. Anlässlich durch das ifes (Institut für externe Schulevaluation auf einer Koordinationssitzung wurde entschieden, welche Hans-Andrea Tarnutzer, Prorektor der Sekundarstufe II). Evaluiert wurde insbesondere Projekte im Schuljahr 2017/2018 bereits umgesetzt die Funktionalität der Qualitätsmanagements. Zudem werden können. Dies geschah auf Grund von Dring- liess sich die EMS zum Thema «Entwicklung des lichkeiten und noch vorhandenen Ressourcen. Im Fachs Englisch im Hinblick auf eine attraktive zwei- Schuljahr 2017/2018 wird sich die Teilprojektgruppe sprachige Matura» überprüfen. Die im Evaluations- mit der Verbesserung der Koordination der Inhalte der bericht ausgeführten Kernaussagen und die daraus externen Kommunikation auseinandersetzen. entwickelten Handlungsempfehlungen führten uns zu folgenden Zielsetzungen: Der Hauptfokus bei der externen Evaluation im März 2015 durch das ifes wurde, wie bereits erwähnt, auf 1. Die Entwicklung der EMS soll bewusst und syste- die Funktionalität des Qualitätsmanagements gelegt. matisch gesteuert, offen kommuniziert und transpa- Seit Mai 2017 wissen wir, dass bis im Jahre 2021 alle rent dokumentiert werden. Bündner Mittelschulen nach den Vorgaben von Q2E1 zertifiziert sein müssen. Auf Grund des Standes der 2. Die Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Arbeiten in der Gruppe Qualitätsmanagement sehen leitenden Personen und Gremien werden im Rahmen wir diesem Zertifizierungsprozess zuversichtlich entge- der konzeptionellen Überlegungen geklärt und in gen. Die Teilprojektgruppe hat sich bisher insbesondere Organigrammen und Diagrammen festgelegt. mit den Rollen und Aufgaben einer Q-Steuergruppe sowie deren Anbindung an die Schulleitung auseinan- Diese Sätze sind schneller geschrieben als umgesetzt. dergesetzt. Aber auch die individuelle Entwicklung der Eine vertiefte Problemanalyse durch die Projektleitung Lehrpersonen sowie die Rolle des Schulrates in diesem führte neben der Qualitätsentwicklung auf institutionel- Bereich wurden angesprochen. ler und individueller Ebene (Teilprojekt 1) zu weiteren Teilprojekten, die sich aufdrängten. Als Bezugsrahmen Die Teilprojektgruppe Dokumentation hat im Juli für eine Schulentwicklung muss ein Qualitätsleitbild 2017 ein Dokumentationskonzept vorgelegt, welches vorliegen (Teilprojekt 2). In diesem legt die Schule die die Strukturierung der Dokumentenablage sowie die Qualitäten fest, nach denen sie sich selber beurteilt formalen Anforderungen an die Dokumente regelt. bzw. beurteilen lassen möchte. Unsere interne Kom- Bereits im Vorfeld musste seitens des ICT-Supports munikation soll einfach, offen und verbindlich, die eine Plattform für die Ablage der Dokumente vorbe- externe professionell sein (Teilprojekt 3). Eine Verände- reitet werden. Nach einer Schulung im 2. Quartal des rung der Kommunikationskultur wird angestrebt. Damit Schuljahres 17/18 sollen Lehrpersonen und Mitarbei- das erarbeitete Wissen zugänglich gemacht werden tende sowie die Mitglieder des Vorstandes auf Grund kann, benötigt eine Schule ein funktionsfähiges Doku- der Zuteilung der Berechtigungen intern, aber auch mentationssystem für die Ablage von Reglementen, von aussen her, auf Dokumente zugreifen können. Eine Protokollen, dem Qualitätshandbuch oder Projekt- Benutzeranleitung soll diesen Vorgang erleichtern. dokumenten (Teilprojekt 4). Einerseits auf Grund des angesprochenen Generationenwechsels, andererseits Sehr gefordert ist zurzeit die Teilprojektgruppe Lei- aber auch angesichts der veränderten Aufgaben im tungsebene. Sie versucht, die entwickelten Modelle Rahmen des Qualitätsreglements sowie in den mit den von der Schulleitung formulierten Aufgaben Bereichen Kommunikation und ICT drängte sich zu versehen, oder entwickelt aus den Aufgaben wie- eine Überarbeitung der Rollen und Zuständigkeiten der neue Modelle. Dabei muss das Zusammenspiel auf der Ebene der Schulleitung auf (Teilprojekt 5). mit dem Qualitätsmanagement und den Zuständig- Projekte sollen zukünftig nach gängigen Projektmetho- keiten für die Projekte berücksichtigt werden. Auch den abgewickelt werden (Teilprojekt 6). die Auslagerung von Arbeiten im Bereich ICT und Kommunikation wird thematisiert. Der zeitliche Druck Die Arbeit in den Projektgruppen, welche aus Mitglie- ist da, müssen doch recht bald einzelne Schullei- dern des Vereins sowie Lehrpersonen und Mitarbei- tungspositionen neu besetzt werden. tenden gebildet wurden, wurde im September 2016 aufgenommen. Bis sich die Gruppen gefunden und die Ihren Auftrag bereits abgeschlossen hat die Teilpro- Aufträge geklärt waren, verstrich bereits einige Zeit. Für jektgruppe 6, welche sich mit den Methoden der Pro- die Teilprojektgruppen Qualitätsleitbild und Kommuni- jektarbeit auseinandergesetzt hat. Eine umfassende kation stand mit den Projekttagen Anfang April 2017 Wegleitung versehen mit den entsprechenden Formu- ein Termin, bis zu welchem sie einiges an Vorarbeit zu laren soll die Projektarbeit an der EMS unterstützen leisten hatten. Die Gruppe Qualitätsleitbild führte auf und vereinheitlichen. Dies gilt für Projekte, welche im breiter Basis (Verein, Eltern, Schülerschaft, Lehrkörper Zusammenhang mit einem Entwicklungsschwerpunkt und Mitarbeiterschaft) eine Werteumfrage durch. Trotz stehen, aber auch für andere. Oft werden uns auch einem guten Tool, welches eine effiziente Auswertung Neuausrichtungen seitens des Departementes oder erlaubte, war der Aufwand gross. Die Ergebnisse wur- den auf allen Ebenen präsentiert. In den Workshops an den Projekttagen wurden die nach verschiedenen Krite- 1 Q2E: Qualität durch Evaluation und Entwicklung. Ein Modell rien ausgewählten Werte zu Kernaussagen formuliert, zur Umsetzung des Qualitätsmanagements an Schulen. 8 9
Im Mai 2017, dem letzten Quartal des vergangenen Erster Jahrgang startete in die orte an der EMS Schuljahres, befragten wir die 4a zu ihren positiven zweisprachige Matura Deutsch-Englisch und negativen Eindrücken und Erkenntnissen des bis- Im Schuljahr 2016/2017 hat bei uns an der EMS herigen Schuljahres. Von besonderem Interesse war die erste Klasse (20 Schülerinnen und Schüler des 4. Schuljahres) mit der zweisprachigen Matura dabei auch, ob die Schülerinnen und Schüler diesen Lehrgang nach ihren gewonnenen Erfahrungen noch in Szene gesetzt Deutsch-Englisch begonnen. Das hiess für die Klasse einmal wählen oder auch weiterempfehlen würden. 4a, dass neben vier Wochenstunden Englisch neu auch die Fächer Chemistry, History und Mathematics Dazu einige Schülerstimmen: Ein Schülercafé, das im Rahmen einer Maturaarbeit auf als immersive Fächer auf Englisch unterrichtet wurden. die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler abgestimmt “It is hard, but I would do it again, it is worth the harder wurde. Der 3. Stock des Westbaus – ein Ort gelebter Krea- Die Lehrpersonen, die einen solchen Fachunterricht work.” tivität –, der nun vollständig umgebaut wird. Ein Wildpflanz- auf Englisch erteilen, müssen neben der Fachausbil- garten als grüner Korridor. Und eine Sportanlage, die seit 20 dung auch die C2-Prüfung, das Proficiency in English, “English forced me to pay more attention.” Jahren einen Ort der Begegnung darstellt. Vier ganz spezielle vorweisen können, falls sie nicht selber auch Englisch- Orte an der EMS. lehrpersonen sind. Es gibt zudem genaue Vorgaben “I generally haven’t been doing so well in this sub- der EdK (Erziehungsdirektoren-Konferenz) über die ject, but it really didn’t make any difference if it was in Anzahl von Lektionen, welche die Schülerinnen und English or German, I understood everything that the Schüler in den bilingualen Fächern in den drei Jah- teacher told us.” ren bis zur Matura absolvieren müssen, damit sie die Bedingungen für einen Abschluss «bilinguale Matura» “Listening to teachers who speak English well and erfüllen. quite fast made me feel more comfortable about my own speaking.” Wer sich für den bilingualen Lehrgang an der EMS interessiert, muss im Schuljahr zuvor die Note 5 in “Sometimes I don’t understand which topic my col- Englisch erreicht haben, weiter mindestens eine genü- leagues from other classes talk about, because gende Note im Fach Deutsch und selbstverständlich I don’t know the word in German, as I have studied it auch genügende Noten in jenen Fächern mitbringen, in English.” die neu in englischer Sprache unterrichtet werden. “It takes more time to study, as I sometimes have Wir hatten einen guten Start mit unserer 4a, da alle to look up more words, but all the talking, reading, willens und motiviert waren, den Extraaufwand auf listening really improved my vocabulary.” sich zu nehmen, um die schwierigeren englischen Aus- drücke und Texte zu bewältigen. 18 der 20 Schülerinnen und Schüler haben gesagt, sie würden den Lehrgang «Bilinguale Matura» ganz sicher noch einmal wählen, 2 Lernende meinten, dass es ganz gut gehe, dass jedoch der Konkurrenzkampf innerhalb dieser bilingualen Klasse doch sehr stark sei. Wir, die Lehrpersonen der 4a, sind stolz auf die gros- sen Fortschritte, die unsere Schülerinnen und Schüler in diesem Jahr gemacht haben, und glauben, dass ihnen ihre sprachlichen und fachlichen Kompetenzen in unserer globalisierten Welt von grossem Nutzen sein werden. Von links nach rechts Susanne Meier, Englisch- und Klassenlehrerin 4a Sportanlage Oberhof Wildpflanzengarten Westbau 3. Stock Schülercafé 10 11
Orte an der EMS Zudem begleitete ich die ganze Umbauphase und 14 Ohne Farben wäre es langweilig. Beispielsweise einem Schrank, einem Das Requiem war bei allen Entscheidungen, die getroffen wur- Holzbrett, das als grosses Klemmbrett den, dabei. Joel Ritter, Handwerker der Schule, küm- 15 Ich habe diese Ecke gewählt, da hier sehr verwendet wird, Postern oder Plakaten merte sich um die verschiedenen technischen und viele Gebrauchsspuren zu sehen sind. und von einem Regal, das über der Tür Schülercafé handwerklichen Arbeiten. Die Decken wurden auf die ursprüngliche Höhe gebracht. Dadurch wurden hängt. die Fenster wieder vollumfänglich sichtbar und der Der 3. Stock des Westbaus wird um- Klasse 5ab 35 Der Regenschirm Raum wurde hell und freundlich. Der Boden wurde fassend renoviert. Aus diesem Anlass Das Schülercafé wurde im Schuljahr 2016/2017 herausgerissen, da der darunter liegende Holzboden haben Schülerinnen und Schüler in 16 Zu wenig Licht und hängende Köpfe im Rahmen meiner Maturaarbeit zu einem nicht brauchbar war. Es wurde ein Keramikboden Zeichnungen und Statements den Klasse 3b modernen, komfortablen und trendigen Ort des verlegt. Die Wände wurden neu gestrichen. Ausser- Charakter dieser Räume eingefangen. 17 Ordentliche Unordnung Austausches umgestaltet. dem wurde von der EMS-Schreinerei eine massge- Welches Statement gehört zu welcher 36 Ich habe diese Ecke gewählt, weil ich fertigte Küche eingebaut. Ein Ziel der Maturaarbeit war Zeichnung? Tragen Sie die Nummern 18 Nicht jedes Gesicht zeigt, was es diese Affen- und Punker-Esel-Skulpturen es, alte Möbel «upzucyceln». Ich habe während der auf den nächsten Seiten ein. Auflösung gedenkt zu sein. cool finde. Das Café wird von einem Schülerteam geleitet und Sommerferien diverse Möbel restauriert. Durch diese auf Seite 46. ist in den Pausen geöffnet. Es bietet einen Aufent- Methode des Upcyclings konnten Kosten minimiert 19 Alles in eine Ecke gestellt 37 Die Bäume und alles ist chaotisch, haltsort für die Schülerinnen und Schüler in den werden. Im Lounge-Bereich wurden selbst gebaute und ich mag den Farbkontrast eigentlich Zwischenstunden. Im SC-Team sind verschiedene Palettensessel und ein Palettensofa aufgebaut. 20 Das Regal der Gefühle recht gut. Klassen vertreten. Aufräumen, Kaffee kochen, ein- Durch die Einrichtungsgegenstände wie moderne Klasse 6FMS kassieren und einkaufen gehören zu den Aufgaben, Lampen, spezielles Geschirr und sonstige Dekora- 21 Ordnung der Musik 38 Es hat mich dazu gebracht, das zu die das Team zu erledigen hat. An grossen Holzti- tionsartikel konnte dem SC ein persönlicher Charme 01 Das Lavabo zeichnen, da es so ein Durcheinander ist schen können die noch nicht erledigten Hausaufga- verliehen werden. Die Möblierung und die Einrichtung Erinnert ans Aufräumen, was niemand und keine Ordnung hat. ben gemacht werden. Der Lounge-Bereich eignet konnten mittels Sponsoring und Freiwilligenarbeit gerne macht Klasse 5FMS sich auch, um vom Schulstress Abstand zu gewin- zu einem wichtigen Teil finanziert werden. Die Schule 39 Gemütliche Unordnung nen und abzuschalten. Ausserdem bietet das Schü- finanzierte grösstenteils den Umbau des Cafés. 02 Das Gehänge 22 Ein Mass voll Kunst lercafé die Möglichkeit, kleinere Anlässe, Klassen- Ein abgenutzter Massbecher, voll mit treffen oder Apéros durchzuführen. Isabel Pingeon, Matura 2017 03 Die Tür zur Kunst vielfältigen Werkzeugen Klasse 3c Ich freue mich, dass dieses Zimmer Umbau renoviert wird, aber ich hoffe, dass die 23 Farben verschönern die Welt. 40 Toter Raum – darum fallen alle Köpfe Der Umbau verlief in Zusammenarbeit von Schule Stimmung des Zimmers bleibt und herunter, aber das Regal ist immer noch und Schülerin. Ich war zuständig für die Einrich- durch die Renovation der Geist des 24 Die Kraft der Kunst voll, da viele Spuren hervordringen. tung sowie das Akquirieren von Sponsorengeldern. Zimmers nicht verschwindet. Egal, wie gut du bist, du kannst immer Die Schüler sind erstaunt. besser werden. 04 Die Wandtafel 41 Nur Sand! 25 Töpfe voller Kreativität Der Kübel ist voller Kieselsteine. 05 Die kleinen Fehler beim Zeichnen sind die Schlimmsten. Sie zerstören ein Bild 26 Der Notausgang 42 In diesem Raum erwachen die Geister und rauben die Motivation. der schrägen Fantasien. Klasse 4ab 43 War es hier jemals sauber? Klasse 6 SF 27 Mir gefällt dieser Teil des Stockes sehr 06 Neue Texturen gut, weil er ein bisschen wilder ist und Klasse 2a man immer wieder Neues entdecken 07 Schtift usprobiara isch jo guat und recht kann. 44 Vor dem Waschen war das Lavabo und uf schwarzem Untergrund machts schwarz, danach kunterbunt. au no Sinn … aber seb isch jo schu a 28 Ich habe diesen Ausschnitt gewählt, Sauschrift gsy. da ich diesen Ausblick im kommenden 45 Vor diesen Schränken haben wir immer Schuljahr haben werde. auf den Stundenbeginn gewartet. 08 Kneipe? 29 Weil diese Nische mir gefällt und sie 09 Farbflecken an der Wand, jedoch nur speziell ist. Klasse 2b über den Pinseln! Die Wand offenbart, was an ihr stand! 30 Ich habe diesen Ausschnitt gewählt, 46 Diese Zeichnung hat mich vom ersten da der Farbkreis in der Mitte mein erster Augenblick an fasziniert. 10 Der Inhalt wurde geschützt. Tausende Auftrag in diesem Zimmer war. Male auf- und zugemacht. Sichtbare 47 Da mir die bunten Handabdrücke über Gebrauchsspuren. 31 Ich habe diese Ecke ausgewählt, weil der Türe als erstes aufgefallen sind, habe die vielen Bilder sehr schön aussehen ich diesen Ausschnitt gewählt. und weil dort viel los ist. Klasse 5ab Klasse 1c 11 Das Croissant hängt schon das ganze Klasse 4FMS Jahr dort und fällt extrem auf. 48 Für was wird man das wohl gebraucht 32 Alte Spritzkabine – dreckig und bunt haben? 12 Der Sirup in diesem Kästchen ist noch übrig von der Ausstellung der letzten 33 Schrank und Ofen 49 Die Druckerpresse von früher hat viele 5SF-Klasse. grüne Flecken. Warum? 34 Die Türe 13 Es braucht nur wenig Licht, um dieses Die Türe ist umgeben von vielen sich 50 Wer hat die Wand bekleckert? Wer hat Durcheinander darzustellen. farblich unterscheidenden Dingen. die Löcher in der Wand hinterlassen? 13
Orte an der EMS von S. Wyss in den vergangenen 12 Jahren ein ‹Wild- Gelenkter garten› (bzw. botanischer Garten) mit ausschliesslich einheimischen Wildpflanzen angelegt. Der Garten Wildwuchs erstreckt sich über eine Fläche von ca. 800 m2 und beherbergt in fünf authentischen Lebensräumen eine einzigartige Artenvielfalt von ca. 500 Gefäss-Pflanzen im Wildpflanzen- auf kleinstem Raum. Den grössten Teil der im Gar- ten existierenden Pflanzen hat S. Wyss aus selber garten gesammeltem Samenmaterial eigenhändig angezo- gen, im Garten in die entsprechenden Lebensräume ausgepflanzt und ihre Entwicklung und ihr Wachstum über Jahre mit viel Engagement beobachtet ... » Das Schulareal rund um den EMS-Campus ist über die Jahre hin- weg entstanden und stetig gewachsen. Die einzelnen Orte rund Gewonnen haben wir das Preisgeld damals leider um die Schulgebäude sind vielfältig, weisen einen jeweils eigenen nicht – im Garten wuchsen die Pflanzen und die Stau- Charakter auf und werden daher auch unterschiedlich genutzt. den trotzdem weiter. Die von S. Wyss erreichte und mit viel Liebe gepflegte Artenvielfalt überwucherte ohne die fachgerechte und regelmässige Pflege schnell. Ich suchte Rat bei Fachleuten und bat die Von rechtwinklig geschnittenen Hagebuchen zu tra- Schulleitung um finanzielle Unterstützung, damit eine ditionell gepflegten Blumenrabatten und von Gera- Liste der Artenvielfalt erstellt und über eine vielseiti- nienkisten bis hin zu englischen Rasenflächen mit gere Nutzung des Wildpflanzengartens nachgedacht Gartenpavillon, alten, knorrigen Bäumen und auf- werden konnte. In der Folge entstanden ein Nutzungs- gebundenen Rosen begegnen wir auch einem Kies- plan und ein Pflegekonzept, welche in Zukunft weiter platz vor dem Schülercafé, einem Teerplatz im Hof, ausgebaut und vor allem umgesetzt werden sollen. mageren Vegetationen auf Flachdächern oder einem Dafür verantwortlich ist nun eine bunte Gruppe enga- Wildpflanzengarten rund ums Neue Phys. gierter Personen mit unterschiedlichen Hintergründen, welche mit viel Interesse die Nutzung und den Fortbe- Alle diese beschriebenen Orte sind Teil des Schulareals stand des Wildpflanzengartens zum Ziel haben, wie und verdienen Aufmerksamkeit; sie verfolgen unter- die Beiträge von Manuel Voellmy, Reto Stiefel, Marlies schiedliche Ziele, dienen unterschiedlichen Zwecken, Triacca und Nicole Ackermann zeigen. werden verschiedenartig belebt und brauchen daher auch eine individuelle Pflege – so auch der Wildpflan- zengarten – von dessem Wert dieser Beitrag handelt. Engagierte Fachkräfte im Wildpflanzengarten: Michael Künzler (Hausdienst/Umgebung) führt Arbei- Vor knapp 15 Jahren, als das Neue Phys nach der ten aus oder unterstützt die Arbeiten im Garten tat- Renovation bezogen wurde, konnte die unbepflanzte kräftig mit Werkzeugen, Maschinen, Know-how, usw. Umgebung auf Initiative der Naturwissenschaftslehr- personen als Wildpflanzengarten definiert werden. Manuel Voellmy (Biologie) arbeitet an der Artenliste Samuel Wyss (ehem. Chemielehrer an der EMS) hat in und war verantwortlich für die Koordination der Arbei- den darauffolgenden Jahren mit einem unbeschreibli- ten während der Sonderwoche mit Nicole Ackermann chen Engagement einen Wildpflanzengarten angelegt, und mit den Schülerinnen und Schülern (vgl. Beitrag). welchen die Schule nach seiner Pensionierung erben durfte. Ganz einfach war es nicht, das Erbe anzutreten, Marlies Triacca nutzt und pflegt den Garten im Rah- weil dieser Garten niemandem konkret vererbt wurde men des Heureka-Förderprogramms mit Schülerin- und das Know-how für die kompetente Weiterführung nen und Schülern (vgl. Beitrag). eines Wildpflanzengartens in dieser Dimension an unserer Schule auch nicht vorhanden war. Nicole Ackermann bringt beruflich viel Know-how mit. Sie leitet Garteneinsätze mit dem WWF, arbeitet mit Ich habe mich immer wieder im Garten aufgehalten Heureka zusammen und engagierte sich bei der Son- und mich umgesehen. Ich interessiere mich für den derwoche im Juni 2017. Wildpflanzengarten, weil er ein unerschöpflicher Lernort ist und uns so viele komplexe Abläufe auf- Die Schulleitung – vertreten durch den Kaufm. Lei- zeigt. So initiierte ich vor zwei Jahren in Absprache ter Reto Stiefel – unterstützt die Aktivitäten im Gar- mit S. Wyss die Teilnahme am Jubiläumswettbewerb ten und finanzierte im letzten Jahr die Konzeptarbeit von Pro Natura Graubünden, um mit dem erhofften durch eine externe Fachperson. Preisgeld den Wildpflanzengarten strukturell neu auszurichten, die Artenvielfalt zu bewahren und die Ich stelle mich im Gartenteam als Ansprechperson Pflegearbeiten zu sichern. Die Projektbeschreibung zur Verfügung. Ich initiiere, koordiniere und vermittle für den Wettbewerb formulierte ich wie folgt: «In der zwischen den verschiedenen Interessengruppen. Umgebung des naturwissenschaftlichen Gebäudes der Evangelischen Mittelschule Schiers (EMS) wurde Michael Grosjean, BG und Werken Bild oben links: Gestaltung der Teichanlage mit dem Karte: Die Übersicht zeigt die imposante Fläche der Bilder oben rechts und unten: Sonderwoche 3 – Teich Bagger vor ca. 15 Jahren (Bild: Urs Dieterle) Gartenanlage mit den sechs typischen Lebensräu- pflege mit dem Ziel, die Verlandung zurückzudrängen Schülerinnen und -Schüler zusammen mit Lehrkräften men, wie sie S. Wyss ursprünglich angelegt hatte: (Bilder: Luca Bäni) Ein Garten für alle und externen Fachpersonen, tatkräftig unseren Wild- Nordseitig im Schatten der Wald; im Westen in der Der Wildpflanzengarten bietet die grosse Chance, dass pflanzengarten gemeinsam verändert haben. Ziel sollte Abendsonne das Alpinum; Richtung Süden die verschiedene Interessengruppen gemeinsam ein Ziel es sein, diesen wunderbaren Ort mit seiner vielfältigen Trockenwiese; im Schutz der Hecke die Teichanlage verfolgen, einen Ort zu schaffen, der Freude bereitet. Flora und Fauna zu sehen, zu erleben und zu geniessen. und die Ruderal Flora zwischen der Hecke und dem Gerade in diesem Jahr durften wir erfahren, dass unsere Westbau (Karte S. Wyss; Beschriftung der Lebens- Umgebungsverantwortlichen, Heureka- und EMS- Reto Stiefel, Kaufm. Leiter räume Michael Grosjean) 18 19
Orte an der EMS Scheu vor dem Unbekannten. Wir legen die Teichober- Ich denke, dass deshalb Naturbeobachtungen und Lernraum Wildpflanzengarten Verborgenes Entdecken fläche frei und drängen die Verlandung zurück. -erfahrungen gerade auch in der Begabtenförderung Der Wildpflanzengarten ist ein Teil der Schule. Er soll ihre Berechtigung haben. Die Fähigkeit, Natur diffe- Der Wildpflanzengarten um das Neue Phys ist viel- durch die Schule genutzt werden, er soll durch die Nicole Ackermann, WWF Graubünden renziert wahrnehmen zu können, ist sicher Vorausset- leicht für einige Augen gewöhnungsbedürftig. Asthau- Schule gepflegt werden. Ganz besonders gilt das für zung für den verantwortungsvollen Umgang mit der fen, Steinhaufen, aufgebrochene Erde, abgestorbene die Biologie. Natur. Das Naturerlebnis schafft die emotionale Basis Büsche, rankende Pflanzen oder verblühte Samen- Heureka – Grünes Klassenzimmer für die Wertschätzung der Natur (Triacca, 2005). Die stände entsprechen eventuell nicht der gängigen Vor- Wir nutzen den Garten, um zu lernen: Biologin Susanne Bögeholz weist darauf hin, dass die stellung eines Gartens. Können wir uns aber vom Bild Von den 42 Baum- und Straucharten, welche die Erst- Heureka besteht seit 2004 an der EMS, nachdem der Fähigkeit, eine starke Beziehung zu Naturobjekten des aufgeräumten und gejäteten Gartens oder der klässler auswendig kennen müssen, wachsen mehr Kanton damals die eigenen Programme für Begab- aufzubauen, häufig auf positiv erlebten Naturerfah- ununterbrochen blühenden Geranienpflanze vor dem als 30 im Wildpflanzengarten. tenförderung zusammengespart hatte. Ziel des För- rungen beruht und dass Naturerfahrungen auch für Zimmerfenster lösen, entdecken wir viel Leben in der derunterrichts von Heureka ist es, die Kinder durch kognitiv anspruchsvolles Umwelthandeln bedeutsam fast wild gewachsenen Gartenfläche rund ums Phys. Wir nutzen den Garten, um zu verstehen: entdeckendes und forschendes Lernen zu fördern. ist, insbesondere, wo ökologische Urteilskompetenz Objektträger, welche wir in den Teich hängen, werden Der Schwerpunkt liegt dabei auf individualisierendem, gefordert ist (Bögeholz, 2000). Der Wildpflanzengar- Wenn Insekten ihre Eier an trockenen Pflanzen able- langsam mit Algen bewachsen. Wir können die Besie- projektorientiertem Unterricht und Denksport aus den ten der EMS und das Projekt gemeinsam mit dem gen, hoffen diese, dass die Pflanzenstängel nicht delung neuer Flächen nachvollziehen. Fachbereichen Deutsch, Mathematik, Naturwissen- WWF und der EMS bieten uns dafür ein ideales Lern- entsorgt werden, bevor ihre Brut ausschlüpft. Reife schaften und Philosophie. Auch dem Lernen mit Spiel feld. Samenstände verteilen ihre Samen, Moose bewach- Wir nutzen den Garten als Materialraum: und Spass, mit Kopf, Hand und Herz räumen wir Platz sen langsam schattige Orte, Kräuter wachsen im Die zweijährige Nachtkerze zeigt uns ihren Blütenauf- ein. Eine weitere Priorität setzen wir beim Trainieren Marlies Triacca, Mitbegründerin und Leiterin von Heureka, Schutz grosser Findlinge, über den Teich fliegen Libel- bau, die Hagebutte ihren Fruchtaufbau, die Wasser- von Einsatzwille und Anstrengungsbereitschaft in dem Förderprojekt für besonders begabte Kinder an der len und Wildbienen verstecken sich im Mark dürrer pest ihre Chloroplasten und die Heuschrecken zeigen Kombination mit Lerntechniken. EMS Zweige. Der Wildpflanzengarten besticht durch seine uns ihre Verbreitung. Vielfalt. Die Schönheiten wachsen aber nicht in Die Einsätze im Wildpflanzengarten passen sehr Pflanzkisten an prominenter Lage – sie sind versteckt Dieses Jahr haben wir in der Sonderwoche 3 vor den gut in unser Konzept. Anfangs stand der Wissenser- und wollen entdeckt werden. „Grüne Korridore“ Sommerferien begonnen, den Garten zu pflegen werb über Pflanzen und Tiere und deren Zusammen- «Was sind grüne Korridore?» (vgl. auch den unten stehenden Beitrag von Nicole wirken im Vordergrund. In den letzten Jahren durften Wenn ich ein sogenanntes Unkraut (z. B. die Brenn- Ackermann, WWF-GR). Auf diese Weise haben wir wir zusammen mit dem WWF und Nicole Ackermann Im Laufe der Jahreszeit begeben sich Tiere auf nessel) mit Namen kenne und weiss, dass ich dieses Bilder von links nach die Schülerinnen und Schüler für die Arbeit im Wild- vermehrt an der Pflege und Gestaltung des Gar- Wanderschaft. Zum Beispiel fliegen Zugvögel nach als Spinat essen, zu einem Tee aufgiessen oder viel- rechts: pflanzengarten angeworben: «Bei uns kannst du deine tens mitwirken. Diese aktiven Tätigkeiten öffnen den Süden, Fische schwimmen zum geeigneten Gewässer leicht zu Dünger verwandeln kann oder ich dessen Hände dreckig machen, damit der Garten um das Kindern und uns neue Perspektiven und einen unmit- für die Eiablage und Igel suchen einen Asthaufen Nutzen für bestimmte Insektenarten kenne, verändert Neubepflanzung im Naturwissenschaftsgebäude wieder schön wird. So telbaren Zugang zu den offensichtlichen und verbor- als Winterquartier. Auch Pflanzen «wandern», indem sich meine Sichtweise. So bietet z. B. der Steinhaufen Lebensraum «Wald» stählst du deine Muskeln und schaffst neue Lebens- genen Zusammenhängen in einem zwar begrenz- sie sich ausbreiten. Lebewesen wandern, um Nah- Unterschlupf für Reptilien, der Asthaufen Verstecke nach einem Eingriff räume für tierische und pflanzliche Freunde! Zusammen ten, aber doch unglaublich vielfältigen Lebensraum. rung zu finden, sich den Jahreszeiten anzupassen für Igel und Nistgelegenheiten für die Wildbienen, die wegen Leitungsbau mit Experten vom WWF entrümpeln wir den Tümpel, Zudem erfahren die Kinder, wie der Mensch in der und für die Fortpflanzung. Weite Wanderschaften zu aufgebrochene Erdfläche einen Ort für die Ansiede- (Bild: Michael Grosjean) rupfen expandierende Wildwüchse aus und verberser- Natur in unterschiedlicher Weise Einfluss nimmt und neuen Lebensräumen sind also für Tiere und Pflanzen lung von Pionierpflanzen und trockene Samenstände ken mit einer Hacke eine Fläche Dreck. Dann pflanzen wie sich Lebensräume dadurch verändern. lebenswichtig. In der Schweiz sind Lebensräume ergeben Nahrung für die Vögel im Winter. Wenn wir Heureka – «Grünes wir neues Leben an Orten, wo sonst monopolistische oft wie Inseln voneinander getrennt. Dabei lauern also nicht nur auf die Pflanzenart fokussieren, son- Klassenzimmer»: Nicole Mainstream-Pflanzen überhandnehmen würden. Dane- Unser Engagement basiert auf der Überzeugung, dass unüberwindbare Hindernisse und tödliche Gefahren. dern wissen, auf welches Umfeld jede einzelne Art Ackermann im Gespräch ben lernst du auch Spannendes über das Grüne Reich Lehrpersonen den Auftrag haben, Umweltbildung Die meisten Hindernisse wurden von Menschen ge- angewiesen ist, bekommt manch Unscheinbares mit den Kindern und spürst die Vibes der Natur.» und Partizipation in den Schulen zu verwirklichen baut: Strassen, Bahnlinien, Hochspannungsleitungen, plötzlich einen Wert. Deshalb macht es Freude, diese (Bild: Marlies Triacca) und mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam Staudämme, Kanäle, begradigte Bäche, Zäune, Be- Werte zu pflegen und sich für den Fortbestand dieses Manuel Voellmy, Abteilung Biologie umzusetzen. Gerade besonders begabte Kinder und leuchtungen, Mauern, versiegelte Flächen usw. Es sind Wildpflanzengartens und dessen verborgene Schön- Heureka – «Grünes Jugendliche bringen dafür gute Voraussetzungen Barrieren, die keinen Lebensraum bieten. Künstliche, heiten einzusetzen. Klassenzimmer»: Insekten mit: Sie verfügen über das intellektuelle Potenzial, von Menschen geschaffene Barrieren sind eine Gefahr fangen und beobachten die Zusammenhänge von Umweltthemen zu verste- für Fauna und Flora. Der Wildpflanzengarten verändert sich mit den Jah- (Bild: Marlies Triacca) Das Erlebnis im «Grünen Klassenzimmer» hen und die nötigen Vernetzungen in ihrem Denken reszeiten und über die Jahre hinweg. Wir wollen die während der Sonderwoche 3, im Juli 2017 zu konstruieren, haben eine Vorliebe für schwierige Was hat das Projekt «Grünes Klassenzimmer» mit Pflegearbeiten nicht permanent vornehmen, sondern Mit dem Binokular in den Begleitet von einem kurzen Aufschrei tauchen unsere und komplexe Aufgaben, weisen eine differenzierte «Grünen Korridoren» zu tun? Mit vereinten Kräften gezielt, immer mit einer Absicht. Biodiversität entsteht Mikrokosmos eindringen Füsse zaghaft ins dunkle Nass des Teiches – vielleicht Beobachtungs- und Wahrnehmungsfähigkeit auf, sind hinterlassen wir positive Spuren im Feuchtbiotop und durch pflegende Eingriffe, indem wir einige invasive (Bild: Luca Bäni) ist da doch ein wenig die Angst, dass das grüne Teich- sensibel in Bezug auf Ungerechtigkeit und Leid, das schaffen so neue Freiflächen. Unsere Ressourcen für Arten bewusst dezimieren, um anderen Arten mehr monster unsere Zehen anknabbert …? anderen Lebewesen zugefügt wird, lernen und enga- die Arbeit im Wildpflanzengarten sind begrenzt und Raum zu gewähren. Wenn wir wissen, wie viel Land- Heureka – «Grünes gieren sich mit starker Eigenmotivation und zeigen der Fortbestand des Gartens ist keineswegs gesi- schaftsraum zugeteert oder einseitig genutzt wird, Klassenzimmer»: Insekten Aber es passierte nichts. Das Pflanzenwurzelgeflecht einen grossen Drang nach Selbständigkeit. chert. Gerne erweitern wir unser Team mit innovati- bilden Inseln wie der Wildpflanzengarten an der EMS beobachten unter den Füssen bildet überraschenderweise eine ven und arbeitsfreudigen Kolleginnen und Kollegen. einen wichtigen Baustein eines «Grünen Korridors», (Bild: Marlies Triacca) stabile Matte zum Draufstehen. Mit den Händen reis- Literaturnachweise Meldet euch doch bitte für eine Mitarbeit bei den welcher sich durch das Prättigau und weit darüber sen wir die verfilzten Schilf-, Binsen- und Seggenwur- Bögeholz, Susanne, Natur erleben und gestalten. In: Politische obenstehenden Personen. Mitarbeit können Pflanzen- hinaus erstreckt. Heureka – «Grünes zeln Zentimeter für Zentimeter weg. Die längste von Ökologie, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Lernkultur. inventare, Beobachtungen, Matura- oder Selbständige Klassenzimmer»: Gezielte Sonderheft 12: Bildung für nachhaltige Entwicklung. München: moderiger Erde tropfende Wurzel ist fast ein Meter lang Arbeiten, Gartenarbeiten oder auch Öffentlichkeitsar- Michael Grosjean, BG und Werken «Jät-Aktion» für die Aus- Ökom-Verlag, 18. Jahrgang, März 2000. und wir schmeissen sie schwungvoll auf einen Hau- Triacca, Marlies. 2005. Die Zukunft gestalten – Bildung für eine beiten sein. saat einer Blumenwiese fen. Mutig tauchen Mädchen und Jungs, einer nach nachhaltige Entwicklung und Förderung besonders begabter mit Marlies Triacca dem anderen, barfuss ins Nass und überwindet seine Kinder, ECHA-Diplomarbeit. Nicole Ackermann, WWF Graubünden (Bild: Nicole Ackermann) 20 21
Orte an der EMS seit 20 Jahren ein Ort von bewegten Begegnungen Grenzen Im August 1997, also vor genau zwanzig Jahren, nahm die Sportanlage Oberhof ihren Betrieb auf. Der Bau mit Inves- Überwinden titionskosten von fast 10 Millionen Franken konnte damals nur realisiert werden, weil sich eine Eigentümergemeinschaft Jedes Jahr absolvieren Schülerinnen und bestehend aus der Evangelischen Mittelschule, der Gemeinde Schüler der EMS ein Austauschsemester Schiers und dem Bildungszentrum Palottis zusammenge- oder -jahr, manchmal innerhalb der Landes- schlossen hatte. Jeder der drei Eigentümer besitzt unter- grenzen, häufiger jedoch im Ausland. Parallel schiedliche Anteile entsprechend der Investitionshöhe. Diese dazu ist dann die EMS jeweils die schulische Anteile werden verzinst und berechtigen für die Belegung von Heimat für Gastschülerinnen und -schüler Benützungseinheiten. aus der ganzen Welt. Die Sportanlage Oberhof wird durch eine unabhän- Die Sportanlage Oberhof wird laufend mit Unter- gige Betriebsleitung geführt. Ein Hauswart ist für die haltsarbeiten und Ersatz- oder Neuanschaffungen Gebäudereinigung und den Unterhalt zuständig. Unter- auf dem neuesten Stand gehalten. Erste grössere stützt wird er von Teilzeitangestellten, die während Investitionen mussten in diesem Jahr getätigt werden. der Grossreinigungen und bei den vielen Wochen- Das Hallendach wurde erneuert und der Turnhallen- endbelegungen zum Einsatz kommen. boden einem «Retopping» unterzogen. Bereits im letzten Jahr wurde die gemeinsame Schnitzelheizung, Hauptsächlich stehen die drei Turnhallen den Eigen- die sich unterhalb des Kraftraumes und der Schnitzel- tümern für ihren Turn- und Sportunterricht zur Ver- grube befindet, komplett erneuert. Das Contracting fügung. Der Gymnastikraum, der Kraftraum, die einschliesslich der Investitionskosten in eine Holz- Schnitzelgrube sowie das vielseitige Angebot an schnitzelfeuerung mit redundantem Ölfeuerungs- Gross- und Kleingeräten ergänzt die Infrastruktur system, um die Spitzenlasten abzudecken, haben für individuelles Sporttreiben. die Elektrizitätswerke Zürich (ewz) übernommen. Neben den Eigentümern der Sportanlage Oberhof An den Abenden wird die Anlage von Vereinen und ist zu-sätzlich auch das neue Spital und das Alters- Gruppen aus dem Dorf und der Umgebung belegt. heim der Flury Stiftung angeschlossen. Die Kunstturnervereinigung Graubünden trainiert in unserer Schnitzelgrube und an den Wochenen- Die Sportanlage Oberhof ist aus unserer Sicht ein den finden verschiedenste Kurse und Trainings, Erfolgskonzept und über die Kantonsgrenzen hinaus Turniere oder Wettkämpfe z. B. von graubünden- bekannt. Sie hat dazu geführt, dass der Ort Schiers SPORT, dem Graubündner Turnverband oder von und die Miteigentümer, vor allem in der Sportszene, Turnvereinen und Unihockeyclubs statt. Während zu einem Begriff geworden sind. der Ferienzeiten werden von verschiedenen Clubs und Verbänden Trainingscamps durchgeführt. Die Jrma Foffa, Betriebsleiterin, Unterkunft und Verpflegung wird meistens von der und Reto Stiefel, Präsident Sportanlage Oberhof Evangelischen Mittelschule oder dem Bildungszen- trum Palottis angeboten. Die Trainingsbedingungen und die kurzen Wege sind für die Sportvereine ideal. Die meisten von ihnen sind langjährige Kunden. Oft kommt es vor, dass die Nachfrage grösser ist als die Kapazitäten. Mit Schweizer Meisterschaften im Geräteturnen, Versammlungen von Verbänden und Unternehmungen und Chorprojekten durften wir in den vergangenen Jahren auch Gastgeber für diverse Grossanlässe sein. Sehr gut frequentiert sind auch der Kraftraum und der Ballettsaal. Dank den zusätzlichen Erträgen liegt der Nettoaufwand jährlich in einem ansprechenden Kosten-Nutzen- Verhältnis. Das Betriebsdefizit wird entsprechend den Belegungen auf die Eigentümer aufgeteilt. Bei rund 4000 Belegungseinheiten der Eigentümer sind die Kosten für eine Turnhalle pro Stunde vergleichs- weise preiswert. 22 23
grenzen Überwinden Kulturwechsel iM eigenen Land Gastfamilie für ein Jahr «Hier duftet es nach Nadelbaum!» Kulturwechsel, Ein Austauschjahr zu machen, ohne dabei das Land zu verlassen? Anfangs fragte ich mich, ob das überhaupt Alltags-Orte neu gesehen Reisen haben wir immer geliebt, und auch längere Einen Ort zu wechseln, kann verschiedene Bedeutun- gen haben. Im August 2016 hiess es für mich, in ein Gastfamilie und Sinn hat, da die Kultur doch innerhalb der Landes- grenzen nicht gross variieren kann. Doch bereits nach Aufenthalte in fernen Ländern haben uns immens bereichert. Sobald die Kinder im schulpflichtigen Alter Flugzeug einzusteigen, das mich über 8800 Kilometer von zu Hause an einen neuen und unbekannten Ort Nadelbaum den ersten Stunden im Welschland merkte ich, dass dies sehr wohl möglich ist. Als ich in Yverdon-les- sind, treten ausgedehnte Reisen bekanntlich in den Hintergrund. Einmal noch schafften wir den Ausbruch mitnehmen würde. Es bedeutete eine totale Verände- rung gegenüber dem, wie ich zu studieren, zu essen, Bains ankam und von meiner zukünftigen Gastmutter und zogen für ein Jahr – ein Schuljahr - nach Mexiko. zu sprechen und im Allgemeinen zu leben gewohnt abgeholt wurde, war mir ein wenig mulmig zumute, Obwohl seither zehn Jahre vergangen sind, haben war. Natur- und Kulturlandschaften, Städte, Felder, Wer ein Austauschjahr wagt, beweist Mut und gewinnt da ich noch fast keine Französischkenntnisse hatte. einige transatlantische Freundschaften standgehal- Seen und Berge in der Schweiz ... Ich habe viele Orte neue Perspektiven auf vermeintlich Bekanntes – inklu- Doch ich wurde sehr nett begrüsst, und auch in der ten – Facebook sei Dank. Ich pflegte den Kontakt zu gesehen, die für immer in meinem Gedächtnis bleiben sive sich selber. Schule versuchten die Klassenkameraden, mir den Maribel, der Lehrerin der damaligen 2. Primarklasse, werden. Einstieg so einfach wie möglich zu machen. Da fiel mir und unser Sohn Andrej zu seinem damaligen Schulka- der erste grosse Unterschied zu der deutschsprachi- meraden Arath, Sohn ebendieser Lehrerin. Als Andrej Den Tag meiner Ankunft in der Schweiz werde ich gen Schweiz auf. Es wird viel mehr und viel offener sein 4. Gymijahr in Yverdon-les-Bains absolvierte, niemals vergessen. Meine Gastfamilie holte mich gesprochen. In der Schule melden sich die Schüler klärten wir die Möglichkeiten an der EMS ab, Arath für am Flughafen Zürich ab, und wir fuhren mit dem Zug häufiger und regen auch häufiger mal Diskussionen das nächste Schuljahr zu uns einzuladen. Es klappte, nach Malans. Ich war überrascht von der Grösse der an, als dies bei uns der Fall ist. Im Bus oder Zug trifft und wir freuten uns riesig auf das Wiedersehen und Berge, den malerischen Dörfern, dem Blau der Seen, man immer auf Personen, welche mit fremden Per- auf die Gelegenheit, Gastfamilie für ein Jahr zu sein. vom Perfektionismus der Züge und vor allem von der sonen Gespräche führen. Das war anfangs noch ein Menge des Sonnenlichts um 22 Uhr abends. Als ich wenig gewöhnungsbedürftig, doch man kann Gefallen Die Küche als Ort des Austausches zum ersten Mal aus dem Zug stieg, waren mein ers- daran finden. Wenn man ein paar Wochen dort ist und Wie Arath den Ortswechsel und sein Schuljahr in der ter Eindruck des Ortes und meine ersten Worte: «Es sich an diese Sitten gewöhnt hat, fühlt sich ein Besuch Klasse 5c erlebte, beschreibt er selber. Wir hatten uns schmeckt sehr wie Nadelbaum hier!» in der Heimat plötzlich anders an. fest vorgenommen, ihm ein reichhaltiges und unver- gessliches Jahr in der Schweiz zu bescheren. Einen Wenn man von einem Strandort kommt, wo fast das Blick auf den Neuenburgersee nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Integration ganze Jahr 30 °C herrschen, es keine Berge, kein Natürlich war auch die Landschaft ganz anders. Ich leistet neben der Sprache das Essen. Unser Esstisch Schnee im Winter, keine Züge gibt, um zur Schule oder bin es gewohnt, immer Berge zu sehen, doch in Yver- wurde zum Ort Nr. 1 des Austausches. Kleine Sorgen, sonst irgendwohin zugelangen, dann ist es verrückt, don gibt es keine. Dafür liegt direkt vor der Stadt der grosse Pläne, Rezepte und kulinarische Eigenheiten plötzlich an einem Ort zu sein, an dem es alles das und Neuenburgersee, auf den ich sowohl von der Schule wurden hier besprochen. Punkto Schweizer Küche sogar noch mehr gibt. Nun ja, das war es für mich. Ich als auch von meinem Zimmer aus einen wunderschö- hatten wir mit Arath leichtes Spiel, er schätzte und kann mich immer noch erinnern, dass mir schon bei 15 °C nen Blick hatte. Der See ist ein wichtiger Treffpunkt lobte praktisch alles, was wir auftischten. Raclette kalt war und dass ich keine Ahnung hatte, wie man sich für Jung und Alt, da es von Badestränden über Grill- und Fondue avancierten rasch zu seinen Lieblings- mit dem Zug fortbewegt. Und wie es für mich war, zum stationen bis hin zu Volleyballfeldern so manches gibt. speisen, von allen Broten waren ihm «Büürli» die ersten Mal im Winter den Schnee kennenzulernen. Diese Seeanlagen wurden für die Expo 02 rundum liebsten, gerne mit Greyerzer oder mit Schoko- erneuert. Deshalb sind sie in einem einwandfreien lade. Gerstensuppe war für ihn weniger exotisch als Im Laufe des Jahres lernte ich viele neue Sachen ken- Zustand. Gleich neben diesen Anlagen beginnt das etwa hausgemachte Spätzli oder selbstgebackene nen und schätzen. So etwa die vier sehr unterschied- Naturreservat Champ-Pittet, ein Sumpfgebiet, durch Kuchen. Komplett undenkbar hingegen ist in Mexiko, lichen Jahreszeiten vom warmen Sommer über den welches verschiedene Lehrpfade führen. In den Hahnenwasser unbehandelt zu trinken. Das führte windigen Herbst, den eiskalten und weissen Winter Schilfwäldern dort konnte ich Schwäne und seltene auch uns wieder einmal vor Augen, in welch privile- bis zum bunten Frühling. Daraus folgte, dass ich beim Vögel beobachten. Die Uferlandschaft mit dem kla- gierter Umwelt wir hier leben. Ernten der Trauben teilnehmen konnte und Ski fuhr. Ich ren, stillen Wasser ist einfach unbeschreiblich schön. wanderte in den Bergen und sah zum ersten Mal einen Premieren-Orte Gletscher. Das war beeindruckend. Ich schwamm in Après-Schule In den Herbstferien wollten wir Arath einige der her- ein paar eiskalten, aber sehr schönen Seen. Ich lernte, Die Stadt Yverdon-les-Bains selber hat auch eine Menge ausragendsten Gebirgslandschaften der Schweiz zei- wie man mit den Zügen überallhin fahren kann, sogar zu bieten, viele Cafés und Bars, wo man sich nach der gen, darunter den Aletschgletscher. Auf der RhB-Fahrt ins Ausland. Ich fuhr über die schönsten Pässe der Schule treffen kann. Das war für mich eine gute Mög- über den Oberalppass ins Wallis tanzten Schneeflo- Alpen, von denen ich zuvor noch nie gehört hatte. Ich lichkeit, um gemütlich mit Schulkollegen zusammenzu- cken vor den Scheiben, für Arath der erste Schnee lernte in wenig Zeit, Ski zu fahren und bin am Ende des sitzen. Dabei lernt man ziemlich viel über die Sprache seines Lebens. Wir freuten uns, diesen speziellen Winters ein paar Pisten – so gut wie möglich – runter- und die Kultur der Region. Unter den zahlreichen Sport- Moment mit ihm erleben zu können. Es folgten viele gefahren! Am Anfang fiel es mir zum Beispiel nicht ein- clubs fand ich den Volleyball Club d’Yverdon-les-Bains, weitere Orte der Premieren für Arath, so etwa Wan- fach, mich an das Klima zu gewöhnen, jedoch habe ich bei dem ich in der 4. Liga mittrainieren und -spielen derwege (mit Bergbeiz am Ziel), Rebberge in Malans es versucht und am Schluss erreicht. In der Schweiz konnte. Das Leben bei der Gastfamilie war komplett (wimmeln bei wenigen Plus-Graden), unser Garten lernt man, wie man Dinge tun sollte, um einen schönen anders als zuhause. Das lag zum einen daran, dass die (wir haben keine Gärtner angestellt) und skifahren auf und quasi perfekten Wohnort zu haben und von dem Gastmutter bis spät arbeitete, doch wenn sie zuhause Danusa. Araths ersten Skitag im Kinderland verbinde zu profitieren. Die Schweiz, Graubünden, Malans und war, sprachen wir als Übung jeden Tag über die Schule, ich in der Erinnerung mit viel Angstschweiss meiner- Schiers haben mich in diesen Monaten viel gelehrt. die Freizeit oder die Hobby. Und wenn ich mal einen seits. Gegen Ende des Winters kurvte er frisch und Von all dem, was ich gelernt und erfahren habe, versu- Fehler machte, korrigierte sie mich. Dadurch lernte ich fröhlich die Pisten von Madrisa hinunter … che ich das Beste in meine Zukunft mitzunehmen, um schnell die wichtigsten Wörter und konnte mich mit der meine eigene Umgebung zu verbessern. Zeit immer besser ausdrücken. Wie Arath auch selbst schreibt, hat er das Jahr voll ausgekostet, viel für Schule und fürs Leben gelernt. Arath Martínez, Austauschschüler aus Playa del Carmen, Zurückblickend war das Jahr in Yverdon eine einzig- Bestimmt bleibt für ihn die Schweiz – und ganz beson- Mexiko, in der 5c im Schuljahr 2016/2017 artige Erfahrung, dessen Nutzen für immer anhalten ders Schiers und Malans – ein Ort vieler interessanter wird. Heute noch habe ich regelmässigen Kontakt mit Erlebnisse, lebenslanger Freundschaften und unver- Bilder von oben nach unten: den Klassenkameraden. Zudem beherrsche ich jetzt gesslicher Erinnerungen, ein Sehnsuchts-Ort. Sein «Pozole» gekocht von Arath eine weitere Sprache, was nur Vorteile bedeutet. Das Aufenthalt hat auch uns als Gastfamilie enorm berei- Unterwegs in der RhB – die ersten Schneeflocken Jahr und der am Anfang nicht geringe Aufwand haben chert. Seine Perspektive auf unsere Routinen und Wimmlet in Malans sich eindeutig und ohne Zweifel gelohnt! unsere Alltags-Orte haben uns manches neu erleben Ungewohnte Gartenarbeit bei Weidkuhns lassen. Sehr erfrischend! Die Schweiz duftet nach Nadelbaum (Originalaussage Andrej Weidkuhn über sein Schuljahr 2015/2016 am von Arath)) Gymnase cantonale d’Yverdon Susi Weidkuhn-Schildknecht Erster Skitag auf Danusa 24 25
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