PÄDAGOGIK LEBEN Lerngruppen steuern - Beziehungen und Unterricht gestalten - Ausgabe 2-2015 - Bildungsserver Rheinland-Pfalz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
PÄDAGOGISCHES LANDESINSTITUT PÄDAGOGIK LEBEN Ausgabe 2-2015 Lerngruppen steuern – Beziehungen und Unterricht gestalten
Pädagogik•Leben 2-2015 Pädagogik•Leben 2-2015 INHALT VORWORT 4 ZUM THEMA Wie wirksam ist gute Klassenführung? – Effiziente Klassenführung ist nicht alles, aber ohne sie geht alles andere gar nicht (Andreas Helmke, Tuyet Helmke) 7 Klassenführung als Basis guten Unterrichts – Durch die Unterrichtsgestaltung möglichen Störungen vorbeugen (Ludger Brüning) 12 Bedürfnisorientierte Klassenführung – ein Orientierungsschema (Arnd Ridder) 16 BERICHT AUS DER SCHULPRAXIS Ein externer Blick auf Klassenführung – Aktuelle Zahlen aus der Evaluation der AQS (Britta Giering) 20 Durch Beziehung Lerngruppen steuern – Partizipation und Verantwortung (Ralf Haug) 22 Tu’ was für andere und lern’ was dabei! – Mit „Lernen durch Engagement“ Schülerinnen und Schüler stärken (Sandra Zentner) 24 Wer beschäftigt ist, stört nicht – Schüleraktivierung durch kooperatives Lernen (Simone Jungbluth) 26 Raus aus der Ohnmacht im Klassenzimmer – Gelingende Beziehungsgestaltung durch wertschätzende Kommunikation (Cordula Sorg) 28 Classroom-Management konkret – Verfahrensabläufe einüben (Christoph Eichhorn) 30 „Bei Stopp ist Schluss“ – Ein Konzept zum Regellernen in Schulen (Lydia Kiefer) 32 ICH und DU und WIR: Mehr als Gewaltprävention (Christiane Rechbauer) 34 Teamorientierung – zur Bedeutung des Beziehungsaspekts in der Ganztagsschule (Kerstin Leukel) 36 Klassenführung – eine Anregung aus dem Internet (Arnd Ridder) 37 PERSPEKTIVWECHSEL „Wir sind der Kapitän und die Lehrer unsere Wegbegleiter“ (Interview mit Alma und Jamila) 38 AUS DEN INSTITUTEN 40 AUF EIN LETZTES WORT 47 AUSBLICK UND EVALUATION 48 IMPRESSUM 51 3
VORWORT LERNGRUPPEN STEUERN – Liebe Leserinnen und Leser, BEZIEHUNGEN UND „kein Kaktus ist so dicht mit Stacheln besetzt, dass er nicht noch Platz für eine Blüte hätte“, sagt ein Sprichwort. Und die Blüten von Kakteen können sogar außergewöhnlich schön sein. Manchmal hilft UNTERRICHT GESTALTEN es, dieses Bild im Hinterkopf zu behalten, wenn die eigenen pädagogischen Konzepte und Ideen auf die „stachelige“ Wirklichkeit treffen und man sich als Lehrkraft einer schwierigen Situation stellen oder mit schwierigen Beziehungen zwischen Lehrkräften, Schülerinnen, Schülern oder Eltern zurechtkommen muss. Stacheln können durchaus ihren Sinn haben und beispielsweise als Schutz fungieren. Ein erster Schritt zur Entspannung der Situation kann sein, diesen Sinn zu akzeptieren und damit sozusa- gen den Stacheln wohlwollend gegenüberzutreten. Wichtig ist dabei: Herausfordernde Situationen ver- „Wer nicht genügend „Damit das Kind lernen kann, muss es eine vertraut, wird kein langen nach professionellen Maßnahmen und diese sind erlernbar. vertrauensvolle Beziehung zum Lehrer oder zur Vertrauen finden.” Lehrerin haben. Sich geborgen und angenommen „Die bestverschlossene Lao Tse An dieser Stelle setzen wir mit unserer aktuellen Ausgabe der Pädagogik•Leben an. Klassenführung und fühlen ist eine Grundvoraussetzung für Lernen.” Tür ist die, welche man das Steuern von Lerngruppen beinhalten sowohl eine bewusste Beziehungs- als auch Unterrichtsgestal- Remo Largo offen lassen kann.” tung. Auf den folgenden Seiten haben wir dazu wieder Konzepte, Maßnahmen, Tipps und Praxisbeispiele Chinesisches Sprichwort zusammengestellt. Wir würden uns freuen, wenn Sie dem vorliegenden Heft Anregungen und Inspira- tion entnehmen, aber auch die Unterstützungsmöglichkeiten durch PL, ILF und EFWI für sich entdecken und nutzbar machen. „Es hat keinen Sinn, Kinder erziehen zu "People don't care what wollen. Sie machen „Jede Ordnung ist der you know until they Die Qualität unserer Produkte, seien es Fortbildungen, Beratungen oder Materialien, ist uns sehr wich- erste Schritt auf dem Weg know that you care." uns doch alles nach.” tig. Aus diesem Grund streben wir danach, uns stetig zu verbessern und führen ab diesem Heft auch für in ein neuerliches Chaos.” Autor unbekannt Theodore Roosevelt die Zeitschrift die regelmäßige Möglichkeit zur Evaluation ein. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Albert Einstein sich nach der Lektüre ein paar Minuten Zeit nehmen und uns Ihre Rückmeldungen zu diesem Heft oder auch der Zeitschrift allgemein mitteilen könnten. Details zur Evaluation finden Sie auf S. 48 des Hef- tes. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön für die Anregungen in den bisher eingegangenen "I can live for two Leserbriefen! months on a good „Lehrer sollen uns zutrauen, compliment." dass wir Verantwortung „Verstehen ohne Wohlwollen ist Artikel, zu denen Sie in unserer Onlineausgabe unter http://bildung-rp.de/pl/publikationen.html weiter- Mark Twain übernehmen können und unmöglich.” wollen.” führendes Material, weiterführende Links oder ausführlichere Artikel u. v. m. finden, sind wieder mit Max Frisch diesem Zeichen markiert: Jamila, 16 Jahre Im Namen des Redaktionsteams wünsche ich Ihnen eine angenehme und inspirierende Lektüre. „Wir sollten uns mit den großen Problemen beschäftigen, solange sie „Es ist cool, wenn Lehrer und Eltern uns noch klein sind.” genauso aufmerksam zuhören, wie wir Jadwiga Rutskowska unseren Lehrerinnen und Lehrern.” Alma, 15 Jahre Claudia Nittl, Chefredakteurin der Zeitschrift Pädagogik•Leben Kontakt: paedagogik.leben@pl.rlp.de 4 5
Pädagogik•Leben 2-2015 Wie wirksam ist gute Klassenführung? Effiziente Klassenführung ist nicht alles, aber ohne sie geht alles andere gar nicht Andreas Helmke und Tuyet Helmke Die Klassenführung gilt seit langem als eine zen- Forschungs- und Diskussionsstand repräsentieren trale Variable erfolgreichen Unterrichtens (vgl. und die große Bedeutung unterstreichen, die Wang et al. 1993). Sie umfasst Konzepte, Strate- diesem Thema dort beigemessen wird (Evert- gien und Techniken, die dem Ziel dienen, einen son, Weinstein, 2006; Marzano et al., 2003). störungsfreien und reibungslosen Unterrichts- Im deutschsprachigen Raum dagegen führt die verlauf zu ermöglichen und damit aktive Lernzeit Klassenführung in der Forschung und auch in zu maximieren: durch Regeln und Prozeduren, der Lehreraus- und -fortbildung noch immer ein die Allgegenwärtigkeit der Lehrkraft, den Aufbau Schattendasein. Die vieldiskutierte Hattie-Studie erwünschten Verhaltens und einen angemessenen – deren Datengrundlage bekanntlich ausschließ- ZUM THEMA Umgang mit Störungen. Der Bereich effiziente Klassenführung ist folge- lich aus Metaanalysen besteht – ist für einen Bericht des Forschungsstandes zur Klassen- führung allerdings wenig ergiebig, weil sich Hattie richtig auch in allen Unterrichtsbeobachtungs- (2013) auf sehr wenige Metaanalysen zur Klas- bögen prominent vertreten (Qualitätsagenturen, senführung (S. 122) und zum „Reduzieren von Schulinspektionen) und Teil von Schülerbefra- Unterrichtsstörungen“ (S. 124 f.) stützen kann. Die gungen zum Unterricht bei den großen Lern- Darstellung in diesem Artikel orientiert sich an standserhebungen wie TIMSS, PISA und DESI. den o. g. Handbooks sowie an den Monographien Im angloamerikanischen Sprachbereich findet von Evertson und Emmer (2012) und Emmer und der Bereich Classroom-Management traditio- Evertson (2012). Zum besseren Verständnis der nell starke Beachtung, verbunden mit Namen Forschungsergebnisse wird im Folgenden ein the- wie Kounin, Brophy, Good, Rosenshine, Evert- oretisches Rahmenmodell vorgestellt, anhand son und Doyle. Alle Lehrbücher zur Educational dessen sich der empirische Forschungsstand bes- Psychology widmen diesem Bereich mindestens ser einordnen lässt. Es soll auch vor kurzschlüssi- ein substanzielles Kapitel, und in den USA sind gen Fast-Food-Interpretationen schützen und den zwei umfassende Handbücher zum Classroom- Blick auf ein Geschehen werfen, das komplex und Management erschienen, die den aktuellen systemisch ist (siehe Grafik). Lehrperson Qualität des Unterrichts Professionswissen Lernförderliches Klima, Beziehungsqualität, Fehlerkultur, Motivierung, Orientierungen, Kognitive Aktivierung, Klarheit und Strukturiertheit, Sicherung und Konsolidierung, Einstellungen, angemessener Umgang mit Vielfalt; Subjektive Variable Lehr-Lern-Angebote, Kompetenzorientierung Theorien Emotionskontrolle Empathie Klassenführung Selbstreflexion Glaubwürdigkeit Allgegenwärtigkeit, Monitoring, Aktive Lernzeit Autorität Nutzung der Unterrichtszeit, Regeln, Prozeduren, Routinen, Signale, Rituale, Individuelle Umgang mit Störverhalten und Aufbau Lernaktivitäten erwünschten Verhaltens Kontext Unterrichtswirksame Führung, Kooperations- und Evaluationskultur, Zusammenarbeit Schule - Eltern, Klassenzusammensetzung, Klassenklima, fachlicher und didaktischer Kontext Abb.: Wirkungsgeflecht der Klassenführung (in Anlehnung an Helmke 2014, S. 177) 6 7
Pädagogik•Leben 2-2015 Pädagogik•Leben 2-2015 Auf Grundlage dieser Grafik lässt sich über die korrelierte nicht nur signifikant mit dem Leis- (Schonung der Stimme) beitragen können. Hat- Interventionen und den situationsangemesse- Wirksamkeit der Klassenführung Folgendes sagen: tungszuwachs (Hörverstehen im Fach Englisch), tie berichtet – gestützt auf die Metaanalyse nen Gebrauch von negativen Sanktionen sondern auch mit dem Zuwachs an Lerninteresse von Marzano (2000) – für Regeln und Prozedu- einerseits und von positiver Bekräftigung ande- 1. Komplexes Wirkungsgeflecht im Fach Englisch (Helmke et al. 2008). Auch für ren eine Effektstärke von d = 0,76. (Hattie rerseits. Die Hinwendung zu konstruktivisti- Klassenführung ist Teil eines komplexen Wir- die Grundschule konnten wir die Wirksamkeit der 2013, S. 122) schen Denkvorstellungen hat bei vielen Päda- kungsgeflechtes, abhängig insbesondere von Klassenführung nachweisen (Helmke et al. 2010). gogen dazu geführt, klassische lernpsychologi- Merkmalen der Lehrkraft und wechselseitig ver- In der Gesamterhebung MARKUS in Rheinland- ■■ Allgegenwärtigkeit: Die Wirksamkeit des sche Konzepte aus dem Bereich der Verhal- knüpft mit der Qualität des Unterrichts und der Pfalz zeigt eine Gegenüberstellung der erfolg- bereits von Kounin gefundenen, von ihm „with- tensmodifikation (wie Verstärkung, Löschung, personalen Beziehungen. Das Ganze ist eingebet- reichsten und der am wenigsten erfolgreichen itness“ (Allgegenwärtigkeit, Dabeisein) genann- Bestrafung) gänzlich zu verbannen, ja: sie für tet in vielfältige Kontexte, wobei vor allem dem Klassen (Kriterium: Mathematikleistung, bereinigt ten Verhaltensmusters wurde von der späteren anstößig oder anachronistisch, weil „behavio- Schul- und Klassenkontext überragende Bedeu- um Unterschiede in den Eingangsvoraussetzun- Forschung nachdrücklich bestätigt. Kein ande- ristisch“, zu halten. Lernpsychologische Gesetz- tung beigemessen wird (s. Abschnitt 6). gen), dass sich die beiden Gruppen am stärksten rer Aspekt der Klassenführung ist für die mäßigkeiten zu ignorieren, ist jedoch ein kapi- im Hinblick auf die Effizienz der Klassenführung Störungsfreiheit des Unterrichts so wirksam taler Fehler, wie nicht zuletzt die von der 2. Zielkriterien unterschieden (Helmke et al. 2002). Neben der wie die Allgegenwärtigkeit der Lehrperson. Die Hattie-Studie belegte Wirksamkeit verhaltens- Die Forschung zur Wirksamkeit der Klassenfüh- Sicherung des Lernzeitbudgets sind noch andere Effektstärke beträgt d = 1,42! (Hattie 2013, psychologischer Maßnahmen für die Reduzie- rung hat unterschiedliche Zielkriterien verwendet. kausale Mechanismen denkbar: Eine effiziente S. 122) Marzano et al. (2003) schreiben hierzu: rung von Störungen zeigt (Effektstärke von Kausal am nächsten sind die aktive Lernzeit sowie Klassenführung signalisiert auch die überragende “Developing the peripheral vision needed d = 0,76; Hattie 2013, S. 125). Wichtig ist dabei Merkmale des beobachtbaren Lernverhaltens von Wichtigkeit und Wertigkeit, die die Lehrperson to successfully manage a group of thirty stu- eine gute Balance zwischen Abbau uner- Schülerinnen und Schülern (wie Engagement, dem Lernen zuschreibt und ist damit – über die dents is an important part of behaviour wünschtem (insbesondere störendem) Verhal- Anstrengungsbereitschaft und Ausdauer). Insbe- Steigerung der Lernmotivation – indirekt ebenfalls management. Scanning the classroom whilst ten einerseits und dem Aufbau (durch kontin- sondere sichert eine effiziente Klassenführung lernförderlich. teaching and intervening immediately, using gente Verstärkung) bzw. der Aufrechterhaltung die für das aktive Lernen zur Verfügung stehende, the minimal possible intervention to resolve (durch intermittierende Verstärkung) akzepta- störungsfreie Zeit. Und die aktive Lernzeit ist 3. Komponenten the issue, limits the opportunity for things blen Verhaltens andererseits. ihrerseits ein Prädiktor für den Lernerfolg, wie die Klassenführung ist kein homogenes Konstrukt, to spiral out of control.” (S. 67) Sie schließt die Hattie-Studie belegt (Effektstärke von d = 0,38, sondern umfasst sehr unterschiedliche Aspekte, Fähigkeit des „multi-tasking“ mit ein: das Moni- 4. Klassenführung und Unterrichtsqualität Hattie 2013, S. 219). Die meisten Studien gibt es deren gemeinsamer Nenner darin besteht, stö- toring mehrerer, simultan verlaufender („over- In der Forschung wird vor allem auf die ent- indes zur Lernwirksamkeit, d. h. zu messbaren rungsfreie, lernförderliche Situationen im Klassen- lapping“) Handlungsstränge und Situationen. scheidende Rolle eines durch Unterstützung, fachlichen Kompetenzen. Die internationale For- zimmer herzustellen („framework for learning“). Freundlichkeit und wechselseitigen Respekt cha- schung zeigt, dass kein anderes Merkmal so ein- ■■ Zeitnutzung: Die Nutzung der Unterrichtszeit rakterisierten Lernklimas hingewiesen; Klassen- deutig und konsistent mit dem Leistungsniveau ■■ Regeln und Prozeduren: Regeln, also verbind- fürs Lernen ist ebenfalls zentral und erfordert führung und Unterrichtsqualität hängen also eng und -fortschritt von Schulklassen verknüpft ist liche Abmachungen, sind das „A und O“ einer die Identifikation und Minimierung möglicher zusammen. Eine systemische Sichtweise, die dem wie die Klassenführung. So befindet sich Class- proaktiven Klassenführung, wie die Lehr-Lern- „Zeitdiebe“. Wie die videobasierte Unterrichts- Charakter der „Orchestrierung“ des Unterrichts room-Management nach den kognitiven Schüler- Forschung immer wieder gezeigt hat. Den Fluss forschung gezeigt hat, sind dies vor allem: Un- Rechnung trägt, bewahrt einen vor einer mecha- kompetenzen an der zweiten Stelle der Rangliste des Unterrichts fördern darüber hinaus Proze- pünktlichkeit, schleppende Übergänge, Schwie- nischen Missinterpretation, der zufolge bereits das in der einflussreichen Metaanalyse zu Bedingungs- duren (oder Verfahren, Routinen). Dies sind rigkeiten mit Medien und der Technik sowie Drehen an einer „Stellschraube“ zu maßgeblichen faktoren schulischer Leistungen von Wang et al. spezifische, explizit gelernte und eingeübte Störungen. Unter dem Gesichtspunkt „Umgang Veränderungen führt. Eine Fokussierung auf die (1993, S. 93). Hattie (2013, S. 122) belegt eben- Verhaltensmuster für immer wiederkehrende mit Vielfalt“ kann man auch die Unterbeschäf- Effizienz der Klassenführung unter Ausblendung falls, dass Classroom-Management einen starken Situationen, die dafür sorgen, dass im Unter- tigung einzelner Schüler(-gruppen) durch unan- anderer, damit zusammenhängender Aspekte der Effekt auf Lernerfolg (d = 0,52) und Anstren- richt allen klar ist, was von wem und wie getan gemessene Aufgaben dazu zählen. Beziehungsqualität und der Unterrichtsqualität gungsbereitschaft (d = 0,62) hat und legt dabei werden muss. An Stelle verbaler Äußerungen ist nicht zielführend. Klassenführung und guter die Metaanalyse von Marzano (2000) zugrunde. werden sie oft durch Signale, Gesten oder ■■ Aufbau erwünschten und Abbau uner- Unterricht beeinflussen sich wechselseitig: Ist der In Deutschland hat zuletzt die DESI-Studie Symbole initiiert, wodurch sie auch einen Bei- wünschten Schülerverhaltens: Diese Strate- Unterricht motivierend, weder unter- noch über- gezeigt: Die Wirksamkeit der Klassenführung trag zur Zeitersparnis und zur Lehrerentlastung gien umfassen zum einen disziplinarbezogene fordernd, sind Schülerinnen und Schüler aktiv und 8 9
Pädagogik•Leben 2-2015 Pädagogik•Leben 2-2015 an der Gestaltung des Unterrichts mitbeteiligt, auch als „mental set“ bezeichnet) durch seine „Klassengeist“, der Kooperation mit der Lehrkraft Helmke, A.: Unterrichtsqualität und Lehrerprofessi- dann wirft die Klassenführung wenig Probleme Facetten umschrieben: und angepasstes Verhalten als „streberhaft“ sank- onalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des auf. Und umgekehrt: In einer gut geführten Klasse • die kontinuierliche Reflexion des eigenen tioniert. Neben einer gut ausgebauten Koopera- Unterrichts (5. überarb. Aufl., Schule weiterentwickeln lässt es sich nicht nur leichter, sondern auch bes- Unterrichtsverhaltens und seiner Wirkungen: tion zwischen Schule und Elternhaus und einer – Unterricht verbessern. Orientierungsband). Seelze: ser unterrichten. Die gleiche Wechselwirkung „Der wichtigste Aspekt besteht darin, im entwickelten Kooperations- und Evaluationskultur Klett-Kallmeyer, 2014. trifft für die Beziehungsqualität zu. Hierzu zwei Klassenzimmer Situationen zu schaffen, in im Kollegium hat sich auf Schulebene vor allem vielsagende Zitate: denen die Lehrpersonen mehr Feedback über eine unterrichtswirksame Führung als besonders Helmke, A., Helmke, T.: Unterrichtsdiagnostik mit EMU. • “The quality of teacher-student relationships ihren Unterrichtsstil erhalten können.“ lernwirksam herausgestellt. Diese „bezieht sich SCHULBLATT des Kantons Thurgau, Heft 2/2014. is the keystone for all other aspects of class (Hattie 2013, S. 15) auf jene Schulleitung, die ihren Hauptschwer- S. 16-19. room management … teachers who had • eine realistische Einstellung zu den Schü- punkt auf die Schaffung eines störungsfreien high-quality relationships with their stu- lerinnen und Schülern: weder romantisch Lernklimas, auf ein System klarer Lernziele und Helmke, A. et al.: Effiziente Klassenführung als Schlüs- dents had 31 percent fewer discipline prob- (Schüler als Freunde und Kumpel) noch auf hohe Erwartungen an Lehrpersonen und Ler- selmerkmal der Unterrichtsqualität – ein Untersu- lems, rule violations, and related problems zynisch (Schüler als Feinde), sondern Ler- nende richtet“ (Hattie 2013, S. 99). chungsbeispiel aus der Grundschule. In: Spiel, C. et over a year’s time than did teachers who did nende, die wertgeschätzt werden und an al. (Hrsg.): Bildungspsychologie. Göttingen: Hogrefe, not have high-quality relationships with deren Stärken angeknüpft wird Prof. Dr. Andreas Helmke und Dr. Tuyet 2010. S. 101-105. their students.“ (Marzano et al. 2003, S. 1) • die Bereitschaft, sich insbesondere bei Helmke, bis 2013 Universität Koblenz-Landau/ • “The management of your classroom must Störungen in die Lage der Schülerinnen und Fachbereich Psychologie; aktiv in der Bera- Helmke, A. et al.: Wirksamkeit des Englischunterrichts. begin with developing trusting relationships Schüler zu versetzen; kognitive Empathie tung von Bildungsministerien (Deutschland, In: DESI-Konsortium (Hrsg.): Unterricht und Kompe- with your students. Without mutual feelings • Kontrolle eigener negativer Emotionen (wie Schweiz, Vietnam), der Lehrerausbildung (Uni- tenzerwerb in Deutsch und Englisch. Ergebnisse der of trust and respect, you will be unable to Ärger und Frustration) im Klassenzimmer versität Konstanz) sowie der Aus- und Fortbil- DESI-Studie. Weinheim: Beltz, 2008. S. 382-397. assume the role of an instructional leader in dung von Schulleitungen und Lehrpersonen your classroom.” (Borich 2007, S. 159) Genau daran knüpfen die Diagnosewerkzeuge Kontakt: dr.andreas.helmke@gmail.com Helmke, A., Hosenfeld, I., Schrader, F.-W.: Unterricht, EMU (Sichtbarmachung des Lehrens und Lernens Mathematikleistung und Lernmotivation. In: Helmke, 5. Lehrerprofessionalität und -persönlichkeit durch kriteriengeleiteten Abgleich von Perspekti- Literatur: A., Jäger, R. S. (Hrsg.): Die Studie MARKUS – Mathema- Die Wirksamkeit der Klassenführung – als Pro- ven und Reflexion über Unterricht) und EMUplus Borich, G. D.: Effective teaching methods. Research-ba- tik-Gesamterhebung Rheinland-Pfalz: Kompetenzen, zessvariable – hängt nicht nur von der Wissens- (kollegialer Austausch über Unterrichtsqualität sed practice (6. Aufl.). Upper Saddle River, NJ: Pearson Unterrichtsmerkmale, Schulkontext. Landau: Verlag basis der Lehrkraft in diesem Bereich, sondern in aus der Perspektive der Lehrergesundheit) an Education, 2007. Empirische Pädagogik, 2002. S. 413-480. vielfältiger Weise auch von der Lehrerpersönlich- (s. www.unterrichtsdiagnostik.info und S. 15). keit ab: von der Autorität und Glaubwürdigkeit, Evertson, C. M., Emmer, E. T.: Classroom management Marzano, R.: A new era of school reform: Going where dem Auftreten und der Körpersprache über sub- 6. Kontext for elementary teachers (9. Aufl.). New York: Addison the research takes us. Aurora, CO: Midcontinent Re- jektive Theorien dessen, was eine „gut geführte“ Klassenführung und Unterrichtsqualität bewegen Wesley, 2012. search for Education and Learning (McREL), 2000. Klasse ist, über subjektive Toleranzspielräume sich nicht im luftleeren Raum. Die vorgefundenen (ab wann wird ein Schülerverhalten als störend Verhältnisse in der zu unterrichtenden Klasse kön- Emmer, E. T., Evertson, C. M.: Classroom management Marzano, R. J., Marzano, J. S., Pickering, D. J.: Classroom empfunden?) bis hin zur Bereitschaft und Fähig- nen „Rücken-“, aber auch „Gegenwind“ bedeu- for middle and high school teachers (9. Aufl.). New Management that works. Research-Based Strategies keit, die emotionalen Beziehungen zu den Schü- ten. Klassen mit ungünstigen motivationalen und York: Addison Wesley, 2012. for Every Teacher. Alexandria, VA: ASCD, 2003. lerinnen und Schülern positiv zu gestalten (vgl. kognitiven Voraussetzungen, z. B. in Schulen im Helmke 2014, Kapitel 3 Lehrerpersönlichkeit). sozialen Brennpunkt, erschweren beispielsweise Evertson, C. M., Weinstein, C. S. (Hrsg.): Handbook Wang, M. C., Haertel, G. D., Walberg, H. J.: Toward a Unter „Lehrperson“ lässt sich der in der Metaana- das Unterrichtsgeschäft und die Klassenfüh- of Classroom Management. Research, Practice, and knowledge base for school learning. Review of Educa- lyse von Marzano (2000) gefundene störungs- rung. Aber auch die in einer Klasse herrschenden Contemporary Issues. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum, tional Research, 63, 1993. S. 249-294. präventive Effekt der „emotional objectivity“ soziometrischen Strukturen, z. B. „tonangebende 2006. subsumieren (Effektstärke von d = 0,70). Eine Cliquen“, also der normative Klassenkontext, 1:1-Übersetzung dieses Konzeptes ist nicht ziel- können der Lehrkraft die Klassenführung erleich- Hattie, J.: Lernen sichtbar machen. Von W. Beywl und Erstveröffentlichung in: Lernende Schule, Heft führend, daher sei dieses Syndrom (von Marzano tern oder erschweren – letzteres etwa bei einem K. Zierer überarb. dt. Ausgabe von „Visible Learning“. 65, 2014, S. 9-12. Hohengehren: Schneider, 2013. 10 11
Pädagogik•Leben 2-2015 Pädagogik•Leben 2-2015 Klassenführung als Basis guten Unterrichts Unterrichtsprofis würden hier den Schüler auf- erfassen, reagieren sie sehr häufig mit Unter- suchen und ihn ganz leise ansprechen, ohne die richtsstörungen. Schülerinnen und Schüler, die oft Durch die Unterrichtsgestaltung möglichen Störungen vorbeugen Klasse insgesamt abzulenken. solche Erfahrungen machen, entwickeln ein nega- tives Selbstbild hinsichtlich ihres Leistungsvermö- Ludger Brüning 3. Schüleraktivierend unterrichten: Sind alle gens. Sie verlieren dauerhaft ihre Motivation und Schülerinnen und Schüler gleichzeitig im Lern- es entsteht eine Störungsspirale. Diese ist nur zu Bei der gegenwärtigen Diskussion über eine Ver- Vorbeugendes Lehrerverhalten im Unter- prozess eingebunden, dann ist der Unterricht in durchbrechen, wenn Sie für die unterschiedlichen änderung der Unterrichtskultur hin zu einer stär- richtsprozess der Regel störungsarm. Die Unterrichtsgestaltung Leistungsniveaus verschiedene Lernangebote ma- keren Individualisierung im Unterricht gerät leicht Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist nicht sollte daher möglichst Grundsätze der Schüler- chen. Vielleicht haben Sie eine Klasse in Jahrgang aus dem Blick, dass für einen solchen Unterricht eine bestimmte Art von Reaktion auf Störungen aktivierung berücksichtigen. Unterricht, der ge- 8 übernommen, in der ein Teil der Schülerinnen ein hohes Maß an Klassenführungskompetenz dafür verantwortlich, ob der Unterricht störungs- kennzeichnet ist durch den Dreischritt „Einzelar- und Schüler immer noch massive Schwierigkeiten notwendig ist. Denn differenzierender oder gar frei verläuft. Die empirische Unterrichtsforschung beit – Kooperation – Vorstellen im Plenum“ för- mit Grundrechenarten besitzt, Überschlagsrech- individualisierender Unterricht lässt sich nur dann kann bislang nicht feststellen, dass bestimmte dert durch seine Struktur die mentale Aktivierung nungen nicht vornehmen kann oder keine Mög- realisieren, wenn innerhalb der Klassen der Lern- Reaktionen auf Störungen zu disziplinierteren aller Schülerinnen und Schüler und bietet gleich- lichkeiten zu Selbstkontrolle hat. Wenn Sie diese prozess weitgehend störungsfrei erfolgen kann. Klassen führen. Vielmehr ist das vorbeugende zeitig für diese wie für Lehrkräfte die notwendigen Störungsursache beseitigen wollen, müssen Sie Die Bestrebungen nach einer verstärkten Indivi- Lehrerverhalten während des Unterrichtspro- Routinen, so dass weniger Störungen auftreten. noch einmal „klein“ anfangen und unterschiedli- dualisierung werden daher nur wirksam werden, zesses entscheidend. Diesbezüglich können fünf che Angebote bereitstellen, mit denen die betrof- wenn in den Klassen eine angemessene Arbeitsat- Empfehlungen ausgesprochen werden. 4. Langeweile und Überforderungen vermei- fenen Schülerinnen und Schüler ihre Leistungsde- mosphäre hergestellt werden kann. Auf die Frage, den: Alle Untersuchungen zur Klassenführung fizite beheben können. wie Lehrerinnen und Lehrer diese Situationen 1. Hohe Präsenz herstellen: Störungsfreier machen sehr deutlich, dass nicht selten Langewei- gewährleisten können, hat die Unterrichtsfor- Unterricht ist dadurch gekennzeichnet, dass der le oder Überforderung bzw. ihre Kombination zu Erziehung als Teil erfolgreicher Klassen- schung viele Antworten gefunden, die sich häufig Unterrichtende den Eindruck vermittelt, alles im Unterrichtsstörungen führen. führung mit den Erfahrungen erfolgreicher Lehrerinnen Blick zu haben. Eine Kollegin spricht zum Bei- • Halten Sie die Phasen der Einzelarbeit kurz. Mindestens ebenso wichtig wie das Lehrerverhal- und Lehrer decken. spiel während einer Partnerarbeitsphase leise mit Anstatt eine ganze Reihe von Übungsauf- ten im eigentlichen Fachunterricht ist die erziehe- einem Schülerpaar, dreht sich aber auch kurz um gaben erst in Einzelarbeit lösen zu lassen, um rische Störungsvorbeugung, die an zwei Beispielen Grundsätzlich ist zu sagen, dass alle Versuche, das und signalisiert zwei anderen Schülern durch ein sie anschließend mit dem Partner zu verglei- aufgezeigt werden soll: Schülerverhalten im Klassenzimmer so zu beein- Ruhezeichen, leiser zu sprechen. Sie ist hier für chen, ist es besser, wenn die Schülerinnen flussen, dass Unterrichtstörungen minimiert wer- die Schüler deutlich spürbar. Sie reagiert auf diese und Schüler zunächst nur ein oder zwei Auf- 1. Regeln und Routinen einführen: Damit den, nur dann erfolgreich sein werden, wenn die kleine Störung unmittelbar und signalisiert so ihre gaben in Einzelarbeit lösen, diese dann ver- erfolgreiches Lernen stattfinden kann, braucht Lehrkraft mit einer Haltung der Anerkennung und Präsenz. gleichen und anschließend wieder in Einzel- es klare Regeln, die eine ruhige Lernatmosphäre einem insgesamt den Schülerinnen und Schü- arbeit die nächsten zwei Aufgaben bearbei- garantieren. Dazu benötigen die Schülerinnen lern zugewandten Verhalten in der Schulklasse 2. Reibungslosen Ablauf gewährleisten: Die ten. und Schüler nur ganz wenige, dafür aber zentrale agiert. Vor diesem Hintergrund lassen sich fünf zweite Empfehlung wird anschaulich, wenn Sie • Unterrichtsmaterialien, denen sich die Regeln. Lange Kataloge hingegen, die Einzelheiten Handlungsbereiche unterscheiden, die zu einem sich die folgenden Verhaltensweisen eines Unter- Schülerinnen und Schüler unabhängig von regeln, sind aufgrund ihrer Komplexität meist möglichst störungsfreien Lernen in den Klassen richtenden vor Augen führen. der jeweiligen Unterrichtsreihe zuwenden wirkungslos. beitragen: • Während einer Rechenübung in Einzelarbeit können und die in der Klasse verbleiben, • Lehrerverhalten während des Fachunter- ermahnt eine Lehrerin einen Schüler, auf- vermeiden Langeweile. Sie greifen darauf Der Unterrichtsforschung ist zweifelsfrei zu ent- richts recht und ruhig zu sitzen. Viele Schülerinnen zurück, wenn sie auf den nächsten Unter- nehmen, dass die Regeln vor allem dann wirk- • Erziehender Unterricht, Regel, Routinen und Schüler schauen kurz auf. richtsschritt warten. Vielleicht kultivieren Sie sam werden, wenn sie ganz frühzeitig aufgestellt • Stärkung der sozialen und kommunikativen • Während einer Kooperationsphase führt der das Buch in der Tasche, einen Rechtschreib- und begründet werden. Bei neuen Klassen oder Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler Unterrichtende das Klassenbuch. Dabei fragt begleiter oder die Portfolioarbeit. Lerngruppen (Jg. 1, Jg. 5 oder Jg. 11) muss einer • Organisatorische Störungsvorbeugung er in die Klasse: „Wo ist Ertan? Warum fehlt der ersten Schritte darin bestehen, Klassenregeln • Schulorganisation und -kultur er?“ 5. Schülerinnen und Schülern viele Könnens- zu vereinbaren. Denn ist das Schülerverhalten erfahrungen ermöglichen: Wenn Lernende erst einmal eingeschliffen, lässt es sich nur sehr Solche Ablenkungen stören die Reibungslosigkeit Zwei davon werden hier knapp vorgestellt. Übungen nicht bewältigen oder Aufgaben nicht schwer verändern. und rufen mitunter neues Fehlverhalten hervor. 12 13
Pädagogik•Leben 2-2015 Pädagogik•Leben 2-2015 2. Angemessenes Verhalten der Schülerinnen Artikels). Die eigene Verhaltensänderung ist nicht Eigenen Unterricht in den Blick nehmen – Diagnosehilfen im Internet und Schüler einüben und konsequent einfor- einfach. Langfristige Lehrfortbildungen zur Klas- dern: Wenn es erforderlich ist, dann müssen Sie senführung in Verbindung mit schulischen Koope- InES online: Mit InES online bietet das Pädagogische Landesinstitut Rheinland-Pfalz ein umfassendes das erwünschte Verhalten mit den Lernenden ein- rationsstrukturen und Hospitationen erleichtern Werkzeug zur Durchführung von schulinternen Befragungen an. Dort findet jede Lehrkraft – neben üben. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass Sie hier die persönliche Weiterentwicklung. vielen anderen Fragebögen – auch ein „Fragebogenpaket zum Klassenmanagement“. Lehrkräfte aller mit Ihren Schülerinnen und Schülern die 30cm- Schulen des Landes können über die InES-Seiten des rheinland-pfälzischen Bildungsservers einen Lautstärke für die Partnerarbeit einüben. Lassen Eingangs wurde die Frage gestellt, wie eine posi- Antrag auf die kostenlose Nutzung von InES online stellen. Die Zugangsdaten werden per E-Mail ver- Sie in der Klasse reflektieren, wenn Verhaltens- tive Unterrichtssituation zu schaffen sei. Eine schickt. weisen nicht eingehalten werden: „Warum konn- knappe Antwort ist kaum möglich. Die Arbeit mit http://ines.bildung-rp.de tet ihr während der Einzelarbeit nicht schweigen?“ häufig mehr als 20, manchmal sogar 30 jungen Hier anfänglich investierte Zeit erhöht langfristig Menschen in einem Klassenraum stellt sehr hohe EMU-Unterrichtsdiagnostik: Die unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Helmke entwickelte kos- die echte Lernzeit. Anforderungen an das Professionswissen und die tenfrei zugängliche Plattform bietet vielfältige Möglichkeiten zur Unterrichtsdiagnostik. Hervorzuhe- Handlungsroutinen der Lehrkräfte. Gleichwohl ben ist, dass hier der eigene Unterricht aus drei Perspektiven (Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, zeigt die Unterrichtsforschung, dass erfolgreiche Kollegium) in den Blick genommen werden kann. Seit dem 13. April 2015 liegt eine erheblich erwei- Übrigens Klassenführung erlernbar ist und innerhalb von terte Version 5.1 vor. In Klassen, in denen der Unterrichtende sich professionellen Schulen auch unter schwierigen EMUplus, ein immer häufiger begangener Nebeneinstieg in die innerschulische Feedbackkutur, so verhält, dass er Schülerstörungen vorbeugt, Bedingungen möglich wird. ergänzt EMU um ein qualitatives Instrument, bei dem es um die kollegiale Reflexion des Lehr- wird 1 bis 3,5% der Unterrichtszeit auf Diszi- Lern-Prozesses aus Sicht der Lehrergesundheit geht. Bei EMUplus spielt die achtsame Analyse von plinierung verwendet. Unterrichtende, die vor Klassenführung und Individualisierung Unterrichtsstörungen und die Reflexion eigener, insbesondere negativer Emotionen während des allem auf Störungen reagieren, müssen zwi- Mit Blick auf die vieldiskutierte Individualisie- Unterrichts eine Schlüsselrolle. schen 7 und 18,5% ihrer Unterrichtszeit mit rung sind die Erkenntnisse der Begleitforschung www.unterrichtsdiagnostik.de Disziplinierungen verbringen. Bei einer zwölf- zur Hamburger Schulinspektion bedeutsam. Sie jährigen Schulzeit hätte die eine Klasse daher zeigen, dass die Klassenführungskompetenz der Linzer Diagnosebogen zur Klassenführung (LDK): Auf der LDK-Website kann der Diagnosebogen effektiv rund zwei Jahre mehr Unterricht als die Unterrichtenden die eigentliche Basis jeglicher zur Klassenführung in unterschiedlichen, schulartspezifischen Versionen heruntergeladen werden. andere Klasse (Vgl. Bennett/Smilanich 1995, Unterrichtsentwicklung ist (Vgl. Pietsch 2013, http://ius.uni-klu.ac.at/projekte/ldk/ S. 25). S. 27). In der Stufung der Lehrkompetenz wird deutlich, dass die Klassenführungskompetenz die IQES online: Dort finden Sie, neben vielen kostenpflichtigen Angeboten, für die Fächer Deutsch, Die eigenen Handlungsmöglichkeiten erwei- Basis jeden erfolgreichen Unterrichts darstellt. Mathematik und Englisch kostenfreie Feedbackinstrumente, mit deren Hilfe Sie eine Rückmeldung tern Individualisierter Unterricht hingegen entspricht über Ihren Unterricht/Ihr Klassenmanagement durch Ihre Schülerinnen und Schüler bekommen kön- Erfolgreiche Lehrerinnen und Lehrer können sich in der Stufung der höchsten Niveaustufe. Das nen. hinsichtlich ihres Klassenmanagements durchaus heißt: Erst wenn die Unterrichtenden es vermö- www.iqesonline.net unterschiedlich verhalten. Und unterschiedliche gen, in der Klasse eine weitgehend störungsfreie Schulen und ihre Schülerinnen und Schüler stel- Arbeitsatmosphäre zu schaffen, können sie auch Ludger Brüning, Gesamtschule Haspe in Brüning, L.: Störungsfrei unterrichten. Klassenmanage- len ganz unterschiedliche Anforderungen an die anspruchsvollere Formen des Unterrichts realisie- Hagen (NRW), Lehrerfortbildung mit Schwer- ment als Basis erfolgreicher Lehr- und Lernprozesse. In: Kompetenzen der Unterrichtenden. Das Lehrer- ren und dann schließlich auch individualisierende punkt Unterrichtsentwicklung Praxis Schule 5-2010, S. 4-8. verhalten ist aber dennoch nicht beliebig, wie sie Unterrichtsarrangements lernwirksam anleiten. Kontakt: info@ludgerbruening.de mit Blick auf eine Klasse erkennen, die bei einer Dies bei den aktuellen Anstrengungen zur Unter- Pietsch, M.: Was guten Unterricht kennzeichnet. In: Lehrperson gut mitarbeitet, bei einer anderen richts- und Schulentwicklung aus den Augen zu Literatur: bildung & wissenschaft 12-2013, S. 24-28. vielleicht jegliches Lernverhalten vermissen lässt. verlieren, wäre vermutlich ein schwerwiegendes Bennett, B., Smilanich, P.: Classroom Management. A Wer sich hier professionalisieren möchte, für Hemmnis für eine verstärkte Individualisierung im Thinking & Caring Approach. Ontario 1995. den ist eine sorgfältige Diagnose des Unterrichts Unterricht. hilfreich. Vielleicht laden Sie sich einmal einen befreundeten Kollegen in den Unterricht ein, oder Sie befragen Ihre Schülerinnen und Schüler, zum Beispiel mit Hilfe des „Linzer Diagnosebogens zur Klassenführung“ (siehe Kasten am Ende des 14 15
Pädagogik•Leben 2-2015 Pädagogik•Leben 2-2015 Bedürfnisorientierte Klassenführung – ein Orientierungsschema zu berücksichtigen, wenn sie wirksam unterrich- Selbstfürsorge: Sich stärken, sich entwickeln ten und Berufszufriedenheit erleben möchten. Arnd Ridder Die entsprechenden Strategien sind die Bezie- Achtsamkeitsübun- hungsfürsorge, die Gruppenfürsorge und die gen helfen, Anfor- In einer Unterrichtsbeobachtung: Wochenplanar- aktuell häufig unter dem Begriff Classroom- Selbstfürsorge. derungen gelassen beit in der 5. Klasse. Mit dem Zeigefinger vor dem Management thematisiert wird. anzugehen: „Was Mund hat die Lehrkraft offenbar ein vereinbar- Die Balance des inneren Selbst ist als erstes in geschieht hier und tes Geräuschniveau markiert. Arbeitsmaterialien Nachgefragt werden dafür oft „Tipps und Tricks“. Gefahr, wenn Lehrkräfte herausfordernde Störun- jetzt? Was tue ich, sind am Platz vorhanden, die Lehrkraft kontrol- Für die berufliche Weiterentwicklung braucht es gen erleben. Und wer seine innere Kontrolle ver- spüre ich, denke ich liert, dass alle arbeiten können und das auch tun. aber eine Struktur des Unterrichtens, mit der die liert, kann gegen die Störung nicht mehr gewin- gerade? Wie nehme Schülerinnen und Schüler besuchen sich teilweise Aufgabenvielfalt veranschaulicht, persönliche nen. Deshalb ist die Selbstfürsorge im Schema an ich meinen Körper, und tauschen sich aus; es bleibt jedoch alles in Stärken und Schwächen identifiziert und Strate- die erste Stelle gerückt. Die zweite Gefahr resul- meinen Atem wahr?“ Flüsterlautstärke. Einige Kinder melden sich, gien formuliert werden können. Nachfolgend soll tiert daraus, wenn im Zuge eines Tadels, einer die Lehrkraft geht jeweils zum Sitzplatz, um die hierfür ein unterrichtsbezogenes Orientierungs- Zurechtweisung o. Ä. die restliche Klasse unbe- Ohne planvolles Erproben gibt es keine Verän- Frage leise zu beantworten. Sie fordert Tom zum schema vorgestellt werden, das sich in vielen schäftigt bleibt, in der Weiterarbeit gestört wird derung. Kollegiale Unterstützung hilft dabei, dritten Mal aus der Nähe gelassen auf, an seinen Beratungen konkretisiert hat. oder gar zu Zuschauern des Lehrer-Schüler-Kon- dran zu bleiben („Critical Friends“, Fallberatungs- Aufgaben weiterzuarbeiten. Dann greift sie die flikts wird. Deshalb steht auch die Gruppenfür- gruppe). Frage einer Mitschülerin auf, die mit der gleichen Bedürfnisorientierte Klassenführung sorge noch vor der Intervention gegen die Störung Wichtig ist es, hierbei eigene Erfolge zu dokumen- Aufgabe nicht weiterkommt und bittet Tom, sich Das Konzept der bedürfnisorientierten Klassen- selbst. Und als Drittes ist es wichtig, die Wert- tieren (vgl. Eichhorn 2014). dazuzusetzen und jener die Sache noch einmal zu führung greift drei Perspektiven auf, die für das schätzung der Schülerin bzw. des Schülers in der erklären. Tom arbeitet weitere Minuten gut mit. Lehrerhandeln im Unterricht zentral sind. Störungsintervention zu wahren. Dafür braucht es Abschalten durch bewusste Aktivitäten: bewegen, Szenen eines Unterrichts, in der die Lehrkraft viel gute Beziehungsfürsorge. entspannen, genießen. Sich „Schulfreie Zeit“ im aktive Lernzeit erreicht hat. Beziehungsbedürfnis: Im Kontakt mit Schüle- Kalender eintragen oder noch offene Aufgaben rinnen und Schülern zählt vor allem anderen die Dies gilt zwar in besonderer Weise für Störsitu- ritualisiert in einer „Schatzkiste“ ablegen. Lerngruppen steuern – eine dauerhafte Wertschätzung, die Lehrkräfte ihnen geben. Diese ationen, also wenn das Miteinander von Lehr- Entwicklungsaufgabe beeinflusst wesentlich auch die Wertschätzung, kraft und Schulklasse akut auf die Probe gestellt Gruppenfürsorge: Lerngruppen zu steuern, ist eine wahrlich die umgekehrt die Schülerinnen und Schüler der wird. Schon die Untersuchungen von Kounin Die Klasse für die anspruchsvolle Aufgabe – doch es ist beschreib- Lehrkraft und ihren pädagogischen Handlungen (2006/1976) haben jedoch gezeigt, dass erfolg- Sache und für sich bar und erlernbar. Guter Unterricht hat eine hohe entgegenbringt. reiche Lehrkräfte den Unterricht von Anfang an gewinnen Komplexität, und es gab eine jahrzehntelange anders gestalten. Nicht auf die Störungsreaktion, Suche nach den relevanten Merkmalen, die effek- Beschäftigungsbedürfnis: Fühlen sich die Kin- sondern auf die richtige Vorbeugung kommt es an Breite Aktivierung ist tives Lehrerverhalten ausmachen (Kounin 2006). der und Jugendlichen akzeptiert, dann ist es das (vgl. Nolting 2014, Eichhorn 2014). Denn erst die ein Schlüssel zu bes- Heute haben wir ein recht gut gesichertes praxis- nächstwichtige Bedürfnis, Struktur und sinnvolle letztere ermöglicht bessere Interventionen. Daher serem Lernverhal- nahes Wissen über erfolgreiche Strategien und Beschäftigung im Unterricht zu erleben. Ohne werden die genannten drei Fürsorgebereiche ten (siehe Jungbluth, S. 26 f.). Denn Langeweile Vorgehensweisen (vgl. Nolting 2014, Eichhorn Auftrag warten zu müssen, fällt nicht nur auf- zunächst für die Vorbeugung und erst dann für die ist Gift. Auch Schülerinnen und Schüler mögen 2014, Wahl 2013, Breaux/Whitaker 2012). merksamkeitsschwachen Schülerinnen und Schü- Bewältigung von Störungen gefüllt. geordnetes Arbeiten lieber als Chaos. Dafür brau- lern sehr schwer. chen sie ausreichend viele anregende Aufgaben, In der Lehramtsausbildung wird zu Recht einge- Lernzeit gestalten – Beziehungen entwickeln um voll beschäftigt zu sein. übt, fachlichen Unterricht inhaltlich, didaktisch Souveränitätsbedürfnis: Um Beziehungen und Hier geht es darum, als Lehrkraft die eigene Sou- und methodisch gut zu planen. In der Berufspraxis Beschäftigung zu fördern, brauchen Lehrkräfte veränität weiterzuentwickeln, vielfältige Ver- Um Struktur in die Klasse zu bringen, müssen wie- geht es jedoch zunächst oft darum, dass Schü- innere Sicherheit und Gelassenheit. Dies umfasst fahrensabläufe und Rituale zu nutzen und stabil derkehrende Arbeitsabläufe etabliert und einge- lerinnen und Schüler überhaupt mitmachen und Strategien und Techniken, um pädagogischen positive Beziehungen zu den Schülerinnen und übt werden (siehe Eichhorn, S. 30 f.). Das beginnt ihre Lernzeit nutzen. Hierbei kommt die Bezie- Herausforderungen zu begegnen und von den Schülern aufzubauen. Diese Ebenen kontinuierlich damit, für Erklärungen die ungeteilte Aufmerk- hungsentwicklung, die Klassenführung und die eigenen Gefühlen nicht überwältigt zu werden. aktiv aufzubauen, ist gleichermaßen der Schlüssel samkeit zu sichern. eigene Rollenklärung ins Spiel, also u. a. das, was Im Unterricht haben Lehrkräfte also die Aufgabe, zu besserem Unterricht und zu beruflicher Zufrie- (zumindest) diese drei Bedürfnisse gleichzeitig denheit. 16 17
Pädagogik•Leben 2-2015 Pädagogik•Leben 2-2015 Gerade bei wiederkehrend auftretendem Stör- Unterricht sichern – Störungen begegnen Unterrichtsfluss wahren: eingesetzt, kann aber auch zur eigenen Weiterent- verhalten ist es wichtig, die Willigen zu bestärken Störungen stellen situativ höchste Anforderungen die Arbeit der anderen Schüler sichern. Den wicklung des pädagogischen Handelns verwendet und das erwünschte Verhalten zu bekräftigen. an die Lehrkraft. Diese wird dann nur die Reaktio- störenden Schüler aus der Nähe ansprechen. werden. Auch dabei gilt: gemeinsam ist besser als Denn die „Energie“ der Klasse fließt dahin, wo die nen sicher einsetzen, die sie zuvor schon verwen- Nie lauter oder länger als die Störung selbst einsam. Strategien zur erfolgreichen Selbstver- Aufmerksamkeit ist. det oder eingeübt hat (vgl. Wahl 2013). Deshalb intervenieren! änderung im Team finden sich bei Sieland/Heyse ist die innere Gelassenheit so wichtig. Nur damit 2010. Die Basisstrategie dafür ist das stetige Bekräftigen kann es gelingen, die drei Fürsorgeebenen gleich- Kontakt halten: Zuwendung für die Mitarbei- als Signal „ich sehe alles, was ihr tut“. Diese Prä- zeitig zu beachten. tenden geben. Kollektivtadel vermeiden, denn Die konkrete Umsetzung kann hier freilich nur in senz hilft auch, die Führungsrolle wahrzunehmen. es werden stets auch die Willigen getadelt. Das Stichpunkten angetippt werden. Das Wichtige Zusätzlich kann eine Lobliste („Board of Compli- Selbstfürsorge: erwünschte Verhalten benennen und loben, um dabei ist die wertschätzende und fürsorgliche ments“, Eichhorn 2014) das bessere Gegenstück Sich schüt- den Fokus der Mitschülerinnen und Mitschüler zu Perspektive. Für die spezifischen Inhalte hinter einer Ermahnungsliste sein. zen, kontrolliert lenken. den Stichworten wird auf die jeweiligen Artikel im reagieren Heft und die unten genannte Literatur verwiesen. Beziehungsfür- Beziehungsfürsorge: Schü- sorge: Schüler res- Sich schützen: ler respektieren, Verhalten Arnd Ridder, Schulpsychologe des PL pektieren, Verhalten Zeit gewinnen: begrenzen Kontakt: arnd.ridder@pl.rlp.de einüben tief durchatmen, den Körper wahr- Stopp: Literatur: Aktiver Aufbau einer nehmen, innerlich bis drei zählen. Die eigenen Eindeutiges Stoppsignal Bauer, C., Hegemann, T.: Ich schaffs! - Cool ans Ziel: positiven Beziehung Gefühle wahrnehmen und anerkennen. Provoka- zum Störverhalten, das Das lösungsorientierte Programm für die Arbeit mit mit „schwierigen tionen nicht persönlich nehmen. Gedankenstopp: erwünschte Verhalten Jugendlichen. Carl Auer, 4. Auflage, 2013. Schülerinnen und wer dem Störenden „böse Absicht“ unterstellt, benennen und die genaue Schülern“ und deren Eltern. Gerade Schülerin- läuft Gefahr, vergelten zu wollen. Ausführung einfordern (vgl. Eichhorn 2014). Breaux, A., Whitaker, T.: 50x Schülerverhalten verbes- nen und Schüler mit Verhaltensproblemen sind sern: Lernumgebung verändern – leichter unterrichten. oft dankbar, wenn sie willkommen geheißen und Professionell reagieren: Bedürfnisse und Gefühle … Beltz, 2012. beachtet werden. Ein äußerst wirksamer Weg ist Ich-Botschaften verwenden („Ich nehme wahr …, ansprechen und akzeptieren (vgl. Sorg, S. 28 f.). hier die wertschätzende Kommunikation (Sorg, das löst in mir … aus, ich möchte …“). Gefühle Den Respekt wahren, Abwertung der Person und Eichhorn, C.: Classroom-Management. Wie Lehrer, S. 28 f.). kontrolliert benennen, um Erwartungen und Ironie vermeiden. Bedürfnisse der Lernenden und Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett- Wünsche zu verstärken. Die Störung als Bedürf- von sich selbst dagegensetzen. Cotta, 7. Auflage, 2014. Gravierende Verhaltensschwierigkeiten von Schü- nisäußerung deuten: Was sagt der Schüler mit lerinnen und Schülern erfahren Lehrkräfte oft seinem Verhalten über sich? (vgl. Sorg, S. 28 f.) Bekräftigen: Furman, B.: Ich schaffs! Das 15-Schritte-Programm für schon vorab, oder sie werden in den ersten Unter- Rückkehr zum erwünschten Verhalten sofort Eltern, Erzieher und Therapeuten. Carl Auer, 5. Auflage, richtstagen des Schuljahrs deutlich. Dann emp- Gruppenfürsorge: anerkennen („Klares Stopp, kurzes Danke“). Das 2013. fiehlt es sich, mit dem betreffenden Kind und falls Die Klasse bei der kann bei älteren Schülerinnen und Schülern auch möglich dessen Eltern einen Entwicklungsplan zu Sache und bei sich ein kurzes Nicken oder ein wohlwollender Blick Kounin, J. S.: Techniken der Klassenführung. Waxmann vereinbaren (z. B. „Ich Schaff‘s“-Konzept, Furman halten sein. (Reprint des Buches von 1976), 2006. 2013 sowie Bauer u. Hegemann 2013). Begrenzen: Nachsorge bei Bedarf: Nolting, H.-P.: Störungen in der Schulklasse. Ein Leit- Erfolge würdigen: Schülerinnen und Schüler mög- Rasch und konse- Kritikgespräch erst am Stundenende und nicht faden zur Vorbeugung und Konfliktlösung. Beltz, 12. lichst oft beim guten Verhalten zu „erwischen“, quent reagieren, vor Mitschülerinnen und Mitschülern führen. Auflage, 2014. setzt einen anderen Fokus, spornt an und ent- Aufmerksamkeit Gemeinsam einen Entwicklungsplan für das bes- spannt die Beziehungen. zeigen. Nonver- sere Verhalten aufstellen (s. o.) Sieland, B., Heyse, H.: Verhalten ändern - im Team „Schwierigen“ Schülerinnen und Schülern kleine bale Reaktionen begrenzen oft besser: zur Stö- geht‘s besser: Die KESS-Methode. Vandenhoeck & Aufträge und Verantwortlichkeiten zu geben, rung hinbewegen, dämpfende Gesten und Blicke Zur Arbeit mit dem Schema Ruprecht, 2010. erleichtert ihnen, positiv aufzufallen. einsetzen. Um Lernen wirksam zu steuern, braucht es einen langen Atem und viele Schritte. Das Schema Wahl, D.: Lernumgebungen erfolgreich gestalten. soll die Schritte strukturieren und Anregungen Klinkhardt, 3. Auflage, 2013. geben. Es wird in Fortbildungen und Beratungen 18 19
Pädagogik•Leben 2-2015 Pädagogik•Leben 2-2015 BERICHT AUS DER SCHULPRAXIS lernförderlichen Unterrichtsklimas (vgl. Helmke berichtet von vielen Streitereien innerhalb der 2006). Die zu diesen Aspekten durch die externe Klassen und Kurse. Evaluation der AQS erhobenen Daten werden im Kriterium „Es herrscht eine Atmosphäre von An Strategien zur Steigerung von Respekt und Ein externer Blick auf Klassenführung – Aktuelle Zahlen aus der Evaluation der AQS wechselseitiger Wertschätzung und gegenseiti- Wertschätzung im Umgang miteinander – beson- gem Respekt“ abgebildet, welches im Folgenden ders unter Schülerinnen und Schülern – muss Britta Giering genauer betrachtet wird. zukünftig also gearbeitet werden, um ein für alle Beteiligten lernförderliches Unterrichtsklima Verhaltenswirksame Regeln und die damit einher- Die überwiegende Mehrheit der Lehrkräfte (98%) Der Umgang zwischen der Schülerschaft und den zu schaffen. Die Daten der externen Evaluation gehende Prävention von Störungen im Unterricht und der Schülerschaft (91%) gibt an, dass es im Lehrkräften wird von den Lehrkräften als positiv zeigen, dass Störungen und Streitereien einen sowie eine lernförderliche Unterrichtsatmosphäre Unterricht grundsätzlich Verhaltensregeln gibt. eingestuft, ein Urteil, welches durch die Unter- nicht unerheblichen Teil des Schulalltags ausma- durch ein wertschätzendes Klassenklima werden Diese Aussagen werden durch die Einblicknah- richtsbeobachtungen bestätigt wird. Vier Fünf- chen und der in den folgenden Kapiteln gezeigte in der Diskussion über Merkmale guten Unter- men im Rahmen der externen Evaluation bestä- tel der Schülerinnen und Schüler bewerten die Umgang mit den Konzepten der Störungspräven- richts immer wieder als basale Ansätze angeführt tigt. Geht es um das tatsächliche Einhalten der Interaktionen als freundlich und respektvoll. Auch tion lohnenswert ist. (vgl. Helmke 2006; Meyer/Bülter 2004). Da diese etablierten Regelsysteme, sieht das Bild allerdings wenn diese Daten auf den ersten Blick sehr posi- Aspekte eine elementare Voraussetzung für gelin- etwas anders aus. Hier sind deutliche Unter- tiv wirken, bedeutet es im Umkehrschluss jedoch, Kontakt: Britta Giering, Fachbereich Wissen- gendes Lehren und Lernen darstellen, werden sie schiede zwischen den Aussagen der einzelnen dass 20% der Schülerinnen und Schüler sich nicht schaft und Analyse, AQS auch im Rahmen der externen Evaluation durch Befragtengruppen auszumachen. Die Mehrheit respektvoll von den Lehrkräften behandelt fühlen. die AQS in den Blick genommen. Diese Merkmale der befragten Eltern hat den Eindruck, dass im Auch der Umgang von Schülerinnen und Schülern Literatur: werden in der Evaluation durch die zwei Krite- Unterricht ihrer Kinder auf Disziplin und Ordnung untereinander wird von den befragten Kindern Helmke, A.: Aktive Lernzeit optimieren – Was wissen rien „Ein verbindliches Regelsystem begünstigt geachtet wird (87%) und auch 90% der Lehr- und Jugendlichen teilweise als nicht respektvoll wir über effiziente Klassenführung? In: Pädagogik 5/07, die Lehr- und Lernprozesse“ und „Es herrscht eine kräfte geben an, dass die aufgestellten Regeln im wahrgenommen. Zwar geben 90% der Lehrkräfte S. 44-49. Atmosphäre von wechselseitiger Wertschätzung Unterricht eingehalten werden. Auf der anderen an, dass der Umgang innerhalb der Schülerschaft und gegenseitigem Respekt“ erfasst. Für den Zeit- Seite antworteten mehr als ein Drittel der Schü- freundlich und respektvoll verläuft, auf Schüler- Helmke, A.: Was wissen wir über guten Unterricht. In: raum von Februar 2012 bis zu den Sommerferien lerinnen und Schüler, dass sie sich im Unterricht seite bewertet jeder Vierte den Umgang unter- Pädagogik 2/06, S. 42-45. 2014 liegen Ergebnisse von fast 500 Schulen vor, nicht an das Regelsystem halten (siehe Grafik). einander jedoch als negativ. Die Daten aus der in denen die AQS Lehrkräfte, Schülerinnen, Schü- Diese Ergebnisse zeigen, dass die Lehrkräfte sich externen Evaluation zeigen auch, dass es viele Meyer, H. und H. Bülter: Was ist ein lernförderliches ler und Eltern unter anderem zu diesen Kriterien im Schulalltag trotz der existierenden Regeln mit Streitereien zwischen den Kindern und Jugend- Klima? In: Pädagogik 11/04, S. 31-37. befragt hat. Außerdem fließen die Ergebnisse der Unterrichtsstörungen auseinandersetzen müssen. lichen gibt. Ein Fünftel der befragten Lehrkräfte Unterrichtsbeobachtungen in die Beurteilung ein, Die meisten der befragten Kinder und Jugend- und über ein Drittel der Schülerinnen und Schüler um ein verlässliches Bild erzeugen zu können. lichen (78%) geben an, dass die Lehrkräfte bei Nichteinhaltung bestehender Regeln einschreiten. Verbindliche Regelsysteme Diese Zahl mag hoch klingen, es bedeutet aller- Im Unterricht gibt es Regeln, wie wir uns verhalten sollen. Die Einrichtung und Einhaltung verhaltenswirk- dings auch, dass bei mehr als einem Fünftel der samer Regeln, die Prävention von Störungen und befragten Schülerschaft die Lehrkräfte bei Regel- die Zeit sparende Behebung von auftretenden verstößen im Unterricht nicht aktiv werden. Dies Störungen sind Teil einer guten Klassenführung macht deutlich, dass die Beschäftigung mit dem Im Unterricht halten wir uns an die Regeln. (vgl. Helmke 2007). Es lohnt sich daher, beispiel- Thema der Klassenführung und der Störungsprä- haft einige Antworten der unterschiedlichen vention auch weiterhin relevant ist. Befragtengruppen, die in das Kriterium „Ein ver- Im Unterricht ist es üblich, dass die Lehrerinnen und Lehrer bindliches Regelsystem begünstigt die Lehr- und Wertschätzung und Respekt etwas unternehmen, wenn wir uns nicht an die Regeln halten. Lernprozesse“ fließen, genauer zu betrachten. Wechselseitige Wertschätzung zwischen Schü- Alle Befragten wurden gebeten, ihr Urteil anhand lerinnen, Schülern und Lehrkräften und gegen- 0 20 40 60 80 100 einer vierstufigen Skala von „Trifft zu“ bis „Trifft seitiger Respekt sind neben einem freundlichen nicht zu“ abzugeben. Umgangston, Herzlichkeit, Wärme und einer ent- Trifft nicht zu Triftt eher nicht zu Trifft eher zu Trifft zu spannten Atmosphäre wichtige Bestandteile eines Grafik: Verbindliches Regelsystem aus Sicht der Schülerinnen und Schüler Datengrundlage: Schulhalbjahre 2011/2012 II bis 2013/2014 II, n = 490 Schulen 20 21
Sie können auch lesen