Jetzt geht es um jede Stimme! - PUBLIC EYE MAGAZIN Nr. 26 November 2020
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EDITORIAL PUBLIC EYE MAGAZIN Nr. 26 November 2020 Schluss mit den Ausreden Es scheint beinahe surreal – am 29. November, vier Jahre nach dem Einreichen der Initiative, neun Jahre nach dem Start der ersten Petition, wird nun tatsächlich abgestimmt. Unsere 2011 formulierte Forderung ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Die damals auf Ebene der UNO und OECD verabschiedeten internationalen Standards für Konzernver- antwortung sollen Eingang in die Schweizer Gesetzgebung finden. Doch während die Schweiz international munter mitverhandelte, kam der Enthusiasmus abrupt zum Erliegen, als es um die verbindliche nationale Umsetzung ging. Stattdessen formulierte der Bundesrat allerlei «Erwartungen» und liess dicke Berichte zur «Corporate Social Responsibility» schreiben. Alt Bundesrat Schneider-Ammann fasste dieses Laisser-faire vor dem Parlament 2013 anschaulich zusammen: «Es wird nicht staatlich gelenkt, es wird nicht staatlich Einfluss genommen, es muss auch nicht berichtet werden, und es muss auch nicht gefragt werden, ob man darf oder ob man nicht darf.» Der Applaus von Economiesuisse war ihm dafür gewiss. Als Folge dieser Blockadepolitik ist die Schweiz heute das einzige europäische Land, das – abgesehen von einer Regelung zu Söldner- Urs Rybi firmen – keine Gesetze zu Konzernverantwortung kennt. Ein Armuts- zeugnis für unser Land! In den letzten zehn Jahren bei Public Eye habe ich hautnah erlebt, wie viel dies mit einer strategischen «Politik der Selbst-Verzwergung» (Autor Lukas Bärfuss) zu tun hat: Man macht sich kleiner als man ist, um die eigene Verantwortung zu minimieren Dank Ihnen! oder gar ganz in Abrede zu stellen. Die Reportagen und Analysen in unserem Magazin und die Recherchen, auf denen diese beruhen, sind 2011 durften wir Expertinnen und Experten aus der Bundesverwaltung nur dank der Unterstützung unserer Mitglieder das Public Eye Buch «Rohstoff – Das gefährlichste Geschäft der möglich. Sie sind bereits Mitglied? Herzlichen Dank! Und Schweiz» vorstellen. Für die zentrale Erkenntnis, dass sich die Schweiz doppelten Dank, falls Sie jemandem eine Mitglied- zum wichtigsten Rohstoffhandelsplatz der Welt gemausert hatte, schaft verschenken. ernteten wir ungläubige Blicke. Die Asymmetrie zwischen geografischer Sie sind noch nicht Mitglied? Für 75 Franken pro Jahr werden Sie es und erhalten regelmässig Grösse und ökonomischem Gewicht widerspricht dem helvetischen unser Magazin. Oder lernen Sie uns erst kennen und bestellen Sie gratis ein Testa bonnement. Selbstbild fundamental. Dabei sind wir als Standort global tätiger Wir freuen uns, von Ihnen zu Konzerne schon lange eine Grossmacht und liegen europaweit auf hören – per Antwortkarte oder auf Platz 4. Macht (und Profit daraus) bedeutet aber auch Verantwortung. publiceye.ch/mitglieder Am 29. November 2020 können wir Geschichte schreiben: für mehr Verantwortung und Zukunftsfähigkeit – und weniger Ausreden. Geben wir nochmals alles! PUBLIC EYE – MAGAZIN Nr. 26 November 2020 REDAKTION & PRODUKTION DRUCK KONTAKT POSTKONTO Romeo Regenass (D) und Vogt-Schild Druck AG Public Eye, 80-8885-4 Ariane Bahri (F) Cyclus Print & Leipa, FSC Dienerstrasse 12, — — — Postfach, 8021 Zürich Das Public Eye Magazin LAYOUT & INFOGRAFIK AUFLAGE — erscheint sechs Mal pro Jahr opak.cc D: 28 600 Ex. / F: 10 400 Ex. Tel. +41 (0)44 2 777 999 in Deutsch und Französisch. — — kontakt@publiceye.ch Mitgliedschaft inklusiv TITELILLUSTRATION ISSN — Abonnement 75 Franken opak.cc 2504-1266 publiceye.ch pro Jahr.
INHALT © Romeo Regenass Argumente, Fakten 20 LafargeHolcim gefährdet die Gesundheit und Hintergründe 21 eines ganzen Dorfes Ausbeutung und Umweltskandale in der Textilindustrie 4 Fünf schlagende Argumente für ein JA! 21 Glencore-Mine vergiftet Kinder mit 5 Fragen und Antworten rund um die Initiative Schwermetallen 8 Im breiten Verbund zum Erfolg 10 Die vielen Gründe für ein JA! Interview Von krassen Fouls 22 FDP-Nationalrätin Doris Fiala: und einem Marathon «Hinter dem Gegenvorschlag des Nationalrats konnte ich zu 100 % stehen» 12 Mit einem verhunzten Bernhardiner und Wilhelm Tell auf Stimmenfang Das Engagement 14 Das Auf und Ab eines packenden Politkrimis von Public Eye Konkrete Fallbeispiele 24 Von Beginn weg dabei: Andreas Missbach, Mitglied der Geschäftsleitung 16 Neue exklusive Recherche von Public Eye: 25 An vorderster Front engagiert: Organisierte Verantwortungslosigkeit in Cyrielle Froidevaux, Freiwillige Glencore-Mine in Bolivien 26 So engagieren Sie sich in letzter Minute 18 Syngenta-Pestizid vergiftet indische für die Initiative Kleinbauern und Landarbeiter 27 So engagierten sich in den letzten Jahren 20 Schweizer Konzerne beliefern Afrika die Regionalgruppen von Public Eye mit giftigen Treibstoffen
4 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr. 26 November 2020 Argumente, Fakten und Hintergründe zur Initiative Konzerne mit Sitz in der Schweiz sollen bei ihren Geschäften sicherstellen, dass sie die Menschenrechte respektieren und Umweltstandards einhalten. Hier finden Sie die besten Argumente für ein JA! zur Initiative, Antworten auf Falschinformationen der Gegenseite und das wichtigste Hintergrundwissen. FÜNF SCHLAGENDE ARGUMENTE FÜR EIN JA! 1 Wer einen Schaden anrichtet, soll dafür geradestehen Wer auf Kinderarbeit setzt oder die Umwelt zerstört, soll dafür geradestehen. Neu soll ein Konzern wie der Rohstoffgigant Glencore dafür haften, wenn er Flüsse vergiftet oder ganze Landstriche verwüstet. 2 Präventiv handeln, statt Augen verschliessen Immer wieder verletzen Konzerne Menschenrechte oder sind für Umweltzerstörung verantwortlich. Mit der Initiative werden Konzerne dazu verpflichtet, nicht länger wegzuschauen und präventiv dafür zu sorgen, dass keine Menschen zu Schaden kommen und dass die Umwelt nicht zerstört wird. 3 Einzelne Konzerne nutzen rechtsfreie Räume aus Skrupellose Konzerne nutzen die Situation in den jenigen Ländern aus, welche über keine funktionie- rende Justiz verfügen. Sie setzen auf Kinderarbeit oder zerstören die Umwelt, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Deshalb braucht es die Initiative. 4 Freiwilligkeit funktioniert nicht Die Initiative schafft klare Regeln, um skrupellosem Verhalten einiger Konzerne einen Riegel vorzuschie- ben. Die Erfahrung zeigt, dass freiwillige Massnahmen nicht reichen, damit sich alle Konzerne an die Men- schenrechte halten oder minimale Umweltstandards respektieren. 5 Kein Konkurrenzvorteil durch Verantwortungslosigkeit © Mark Henley/Panos Die meisten Konzerne halten sich an die Regeln. Einige setzen sich jedoch über Umweltstandards hinweg oder ignorieren die Menschenrechte. Sie verschaffen sich einen Konkurrenzvorteil durch Verantwortungslosig- keit. Um das zu unterbinden braucht es die Initiative.
5 FRAGEN UND ANTWORTEN RUND UM DIE KONZERNVERANTWORTUNGSINITIATIVE Für welche Unternehmen gilt die Initiative? verantwortungsinitiative, sondern ist international eng Für Grosskonzerne. Kleine und mittlere Unternehmen mit abgestimmt. Es entstammt direkt den UNO-Leitprinzi- bis zu 250 Mitarbeitenden (KMU) sind von der Initiative pien, denen nicht nur die Staatengemeinschaft, sondern komplett ausgenommen. Eine Ausnahme sind KMU mit auch die internationalen Dachverbände der Wirtschaft Hochrisiko-Tätigkeiten, etwa im Diamanten – oder Gold- zugestimmt haben (siehe unten). handel in Konfliktgebieten. Zudem: Die Initiative betrifft nur Konzerne, die fahrlässig oder mutwillig Menschen- Ist die Kontrolle komplexer rechte verletzen oder die Umwelt zerstören. Wer sich ver- Lieferketten überhaupt machbar? antwortlich verhält, muss die Initiative nicht fürchten. Grosskonzerne haben tatsächlich hochkomplexe Zulie- ferketten. Trotzdem schaffen sie es, gesetzlichen oder Weshalb sagt die Gegenseite, unbescholtene betrieblichen Vorgaben beispielsweise bei der Qualität KMU seien die Leidtragenden der Initiative? nachzukommen. Novartis weiss, welche Inhaltsstoffe in Economiesuisse und die Konzernlobby wissen genau: Die den verkauften Medikamenten sind, wie diese produziert Schweizer Bevölkerung hat wenig Verständnis für skru- wurden und ob sie die Sicherheitsstandards erfüllen. Was pellose Grosskonzerne. Deshalb setzen sie auf ein Ablen- die Initiative will, ist einfach: Die Manager in den Chef- kungsmanöver und behaupten, dass Schweizer KMU be- etagen der Konzerne hier in der Schweiz dürfen nicht troffen seien. Das ist falsch. Das bestätigt auch der Direktor mehr länger die Augen vor Menschenrechtsverletzungen des Schweizer Gewerbeverbands, Hans-Ulrich Bigler, in oder Umweltzerstörung im Ausland verschliessen. der «Sonntagszeitung» vom 6. August 2020. Die Initiative richtet sich gegen die Verantwortungslosigkeit von inter- Benachteiligt die Initiative nicht nationalen Grosskonzernen wie Glencore oder Syngenta. Schweizer Unternehmen? Ein JA! zur Konzernverantwortungsinitiative macht die Was ist mit den Lieferanten? Schweiz nicht zum Sonderfall. Die internationale Ent- Es gibt keine Haftung für Zulieferer oder Lieferanten. Die wicklung läuft genau in dieselbe Richtung. 2011 haben sich Initiative sieht vor, dass Konzerne künftig für Menschen- alle Nationen und internationale Wirtschaftsverbände auf rechtsverletzungen und Umweltzerstörung geradestehen die UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschen- müssen. Haftungsansprüche entstehen selbstverständlich rechte geeinigt. Die Prinzipien basieren auf drei Pfeilern: nur dort, wo die betreffende Konzernmutter die Kontrolle 1. Staaten müssen Menschenrechte schützen darüber hat, wie vor Ort gearbeitet wird, also innerhalb 2. Unternehmen müssen Menschenrechte respektieren des eigenen Konzerns. Dabei ist nicht nur die Situation 3. Opfer müssen einen Zugang zur Wiedergut- auf Papier, sondern die Realität zu beurteilen. Dieses Ver- machung haben. ständnis von Kontrolle kann mit bewährten Begriffen des Schweizer Rechts rechtssicher definiert werden. Seither sind alle Länder gefordert, diese drei Pfeiler in ihre eigene Gesetzgebung zu integrieren. Wie weit geht die Pflicht zur Sorgfaltsprüfung? Konzerne müssen bei ihren Tätigkeiten im Ausland syste- Spielt sich die Schweiz mit der Initiative matisch überprüfen, welche Folgen diese auf Menschen und nicht zum Weltpolizisten auf? Umwelt haben können. Stossen sie auf Probleme, müssen Schweizer Gerichte behandeln schon heute routine- sie geeignete Massnahmen ergreifen, um Verletzungen von mässig internationale Sachverhalte, im strafrechtlichen Menschenrechten und Umweltstandards zu verhüten. Zu- Bereich etwa bei Korruption. Zum Beispiel wurde 2016 dem müssen sie über ihre Erkenntnisse und Gegenmass- die Nitrochem verurteilt, eine Tochter des Basler Mul- nahmen Bericht erstatten. Diese Pflicht zur Sorgfalts- tis Ameropa, weil der Konzern einen hohen libyschen prüfung verhindert Schäden und wirkt präventiv. Nur sie Beamten bestochen hatte. Es ist nicht nachvollziehbar, – nicht aber die Haftung – erstreckt sich auch auf Zulieferer. wieso Bestechung klar geahndet wird, aber Menschen- Dieses Instrument ist keine Spezialität der Konzern- rechtsverletzungen oder Umweltzerstörungen nicht.
6 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr.26 November 2020 So können Opfer Wiedergutmachung erlangen Um vor einem Zivilgericht auf Schadenersatz zu klagen und eine finanzielle Kompensation für den erlittenen Schaden einzufor- dern, müssen Betroffene zahlreiche und lückenlose Beweise erbringen. So würde der Ablauf eines Prozesses aussehen: 1. Schaden Konzern-Hochburg Schweiz Das Opfer muss belegen, dass es In keinem Land der Welt gibt es pro Kopf gemes- einen Schaden erlitten hat. sen mehr globale Konzerne als in der Schweiz. Und auch absolut gesehen ist die Schweiz unter den Top 5 in Europa. 2. Kausalzusammenhang Es braucht einen Kausalzusam- menhang – einen unmittelbaren, Weltkonzerne pro Million Einwohner ursächlichen Zusammenhang zwischen der Geschäftstätigkeit Schweiz 1,73 des Konzerns und dem Schaden. Niederlande 0,85 3. Widerrechtlichkeit Frankreich 0,59 Der Schaden muss widerrechtlich entstanden sein und die Folge USA 0,54 eines Verstosses gegen Menschen- rechte oder internationale Umwelt- Deutschland 0,45 standards durch den Konzern sein. Quelle: Swissholdings, Daten und Fakten zum Konzernstandort Schweiz, 2016 (Basis FORTUNE Global 500) 4. Kontrolle Der Konzern in der Schweiz muss das Unternehmen im Ausland kontrollieren (Tochterfirma). Weltkonzerne absolut Grossbritannien 77 5. Sorgfaltspflicht Sind die obenstehenden Voraus- Frankreich 57 setzungen bewiesen, hat der Konzern immer noch die Möglich- Deutschland 51 keit, sich aus der Haftung zu befreien. Dazu muss der Konzern Schweiz 41 nachweisen, dass er die nötige Sorgfalt walten liess, also alle Italien 26 nötigen Instruktionen und Kontrol- len durchführte, es aber dennoch Quelle: FORBES-Liste der 2000 grössten zum Schaden gekommen ist. börsenkotierten Unternehmen, 2020 6. Gericht Gelingt dem Konzern der Nachweis, weist das Gericht die Klage trotz angerichtetem Schaden ab.
7 Wie funktioniert die Haftung? In zahlreichen weiteren Ländern wie Luxemburg, Finn- Menschen, die im Ausland von einem Schweizer Konzern land, Norwegen oder den Niederlanden arbeiten Regie- geschädigt wurden, sollen vor einem Schweizer Zivil- rung und Parlament an entsprechenden Gesetzen. gericht auf Schadenersatz klagen und eine finanzielle Die EU-Kommission will diese nationalen Bestre- Kompensation für den erlittenen Schaden einfordern bungen nun per 2021 mit einer EU-Regulierung harmoni- können. Bedingung dafür: Die Konzernzentrale in der sieren. Sie soll wie die Konzernverantwortungsinitiative Schweiz handelte unverantwortlich. eine Präventionspflicht für alle Menschenrechte und die Umwelt sowie eine zivilrechtliche Haftung umfassen. Die Gegenseite spricht von einer Beweislastumkehr. Eine Evaluations-Studie der EU-Kommission Die Beweislast bleibt wie gewohnt: Betroffene müssen war anfangs 2020 zum Schluss gekommen, dass die aufzeigen, dass der Schweizer Konzern für den Missstand Pflicht zur Berichterstattung und punktuelle Sorgfalts- verantwortlich ist, indem sie Schaden, Widerrechtlich- prüfungspflichten für Konfliktmineralien (Ansatz des keit, Kausalität und die Kontrolle durch den Konzern Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative beweisen. Wenn die Schweizer Konzernzentrale ange- in der Schweiz) eindeutig nicht ausreichen. messene Schritte ergriffen hat, um den Schaden zu ver- hindern, wird die Klage abgewiesen (siehe Grafik links). Fordert die Initiative von der Schweiz Diese Beweislastverteilung gilt im Schweizer eine imperialistische Aussenpolitik? Recht generell, wenn für jemanden gehaftet wird, den Von Imperialismus kann keine Rede sein: Ein Schwei- man kontrolliert – seien es Eltern für ihre minderjäh- zer Zivilgericht wird auch zukünftig nur für Schweizer rigen Kinder, die Tierhalterin für ihren Hund oder der Konzerne zuständig sein. Mit der Initiative wird also Geschäftsherr für seine Hilfsperson. nicht etwa «Schweizer Recht ins Ausland exportiert», sondern im Gegenteil sichergestellt, dass Schweizer Droht Schweizer Unternehmen eine Flut von Klagen? Konzerne internationale Standards befolgen. Wir keh- Nein, eine Klageflut droht mit Sicherheit nicht. Denn ren also vor der eigenen Haustüre. das Zivilprozessrecht bleibt unverändert und die Hür- den sind in Bezug auf Beweise und Kosten sehr hoch. Zwingt die Initiative Konzerne zum Rückzug In Ländern wie Grossbritannien oder den Niederlanden aus Entwicklungs- und Schwellenländern? werden schon heute solche Klagen eingereicht, von einer Schweizer Unternehmen sind wichtig für die Entwick- Flut kann auch dort keine Rede sein: Eine Studie des lung und Innovation in zahlreichen Ländern. Sie tragen Europäischen Parlaments spricht von 35 Klagen in 25 mit Investitionen und Know-how-Transfer zum Wohl- Jahren – in allen europäischen Ländern zusammen. stand bei. Die Konzernverantwortungsinitiative wird nicht zu weniger Investitionen im Ausland führen. Das Wie regeln andere Länder die Konzernverantwortung? zeigen ähnliche Regeln in anderen Ländern wie den Frankreich hat 2017 mit der «Loi de vigilance» Niederlanden oder Frankreich. Auch in Grossbritan- eine gesetzliche Sorgfaltsprüfungspflicht für grosse Un- nien oder Kanada müssen Konzerne bereits für ange- ternehmen eingeführt. Das Gesetz entspricht weitgehend richtete Schäden geradestehen. Konzerne aus diesen den Forderungen der Konzernverantwortungsinitiative. Ländern haben ihre Investitionen nicht reduziert oder Italien kennt bereits seit 2015 ein spezifisches sich aus Entwicklungsländern zurückgezogen. Unternehmenshaftungsgesetz für bestimmte Menschen- Dafür gibt es auch keinerlei Grund: Mit der Ini rechtsverletzungen und Umweltvergehen. tiative werden Zulieferer aus Entwicklungsländern In Grossbritannien fordern Geschädigte bereits nicht zum unkalkulierbaren Risiko, wie dies die Geg- heute vor Gericht Wiedergutmachung für Schäden, die nerschaft behauptet, denn die Haftung beschränkt sich sie durch britische Tochtergesellschaften im Ausland allein auf den Konzern. Für Zulieferer besteht eine Prä- erlitten haben, so wie es die Konzernverantwortungs- ventionspflicht, aber ohne Haftungsfolgen. Damit fällt initiative in der Schweiz fordert. auch das Argument eines drohenden Rückzugs aus Ent- In Deutschland ergibt das Monitoring des Na- wicklungs- und Schwellenländern in sich zusammen. tionalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte im Juli 2020, dass weniger als 50% der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihre menschenrecht- lichen Sorgfaltspflichten ernst nehmen und ihnen nachkommen. Die deutsche Regierung unter Kanzlerin Merkel arbeitet nun an einem Lieferkettengesetz. Im September 2020 sprechen sich 75% der Bürgerinnen und Bürger in einer Umfrage dafür aus.
8 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr.26 November 2020 IM BREITEN VERBUND ZUM ERFOLG 1 Initiative 3 Unterstützungskomitees 130 Organisationen 450 Lokalkomitees 7000 Freiwillige
MAGAZIN 9 650 Kirchgemeinden aus der ganzen Schweiz 450 Bürgerliche Politike- rinnen und Politiker 300 Unternehmerinnen und Unternehmer JA! ! JA
10 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr. 26 November 2020 Es gibt viele Gründe für ein JA! zur Initiative Der Bieler Musiker Nemo unterstützt wie viele andere Prominente Public Eye und die Konzernverantwortungsinitiative mit einer Videobotschaft. Sie finden sie auf Facebook, Instagram, Twitter und Youtube. Ich stimme Ja zur Konzernverantwortungsinitiative, weil mir eine nachhal- NEMO, tigere und gerechtere Schweiz und Welt wichtig sind. Geschäfte, die gegen MUSIKER die Menschenrechtskonvention verstossen, darf man nicht tolerieren. Schweizer Konzerne haben in der Wie würden in der Schweiz an- Dass ein Schweizer Konzern von Geschichte immer wieder dazu sässige Konzerne argumentieren, der Schwäche des Staats in einem beigetragen und tragen weiterhin wenn sie Schweizer Kinder für armen Land profitiert, um zu tun, dazu bei, globale Ungleichheiten zu den Profit ihrer Aktionäre arbeiten was in der Schweiz nicht möglich verstärken. Mit der Konzernverant- liessen, das Wasser hier mit Che- wäre, finde ich inakzeptabel. Mit wortungsinitiative nehmen wir als mikalien verschmutzen, die Um- der Initiative wird ein grundlegen- international bedeutender Unter- welt vernichten, die Bevölkerung des Prinzip verankert: Schweizer nehmensstandort unsere Verant- schädigen würden? Wir sorgen da- Konzerne haben die Menschenrech- wortung endlich wahr und setzen für, dass CEOs und Aktionäre wie- te zu respektieren und die Umwelt dem ein Ende. der ruhig schlafen können! Ja zur zu schützen, wenn sie im Ausland Konzernverantwortungsinitiative. aktiv sind. NORA SCHEEL, FREIWILLIGE PUBLIC EYE SIBYLLE BERG, JULIEN REINHARD, SCHRIFTSTELLERIN FREIWILLIGER PUBLIC EYE
11 Was bedeutet eigentlich Swissness? Ich stehe aus drei Gründen für die Die christliche Botschaft nimmt Ein globales Ausbeutungsverhält- Konzernverantwortungsinitiative klar die Position der Unterdrückten nis? Schön, dass hier in der Schweiz ein. Erstens aus ethischen Über- ein und ist eine Heilsgeschichte für vieles so sicher und so sauber und legungen, zweitens geht es mir um Menschen am Rande der Gesell- so schön und so teuer und so qua- die Reputation der Schweiz. Ich bin schaft. Wenn wir diese Botschaft litativ hochstehend ist. Solange überzeugt, dass wir uns Unterneh- ernst nehmen, können wir gar nicht Unsicherheit, Abfall, Niedriglöhne men, die Menschenrechte oder Um- anders, als uns für die Würde aller und desaströse Arbeitsbedingungen weltstandards verletzen, nicht mehr Menschen und für die Bewahrung einfach ausgelagert werden, ist das leisten können. Und drittens können der Schöpfung einzusetzen. Genau aber nicht wirklich fair. Schweizer wir unseren Wohlstand nur aufrecht- das fordert die Initiative und selbst- Konzerne sollen Verantwortung erhalten, wenn wir Unternehmen ha- verständlich unterstützen wir das übernehmen, wenn sie von Sicher- ben, die international wettbewerbs- als Kirche. heit, Reputation und Wohlstand der fähig, aber auch ethisch sauber sind. Schweiz profitieren. SIMONE CURAU-AEPLI, LUCREZIA MEIER-SCHATZ, PRÄSIDENTIN SCHWEIZERISCHER FATIMA MOUMOUNI, ALT NATIONALRÄTIN CVP/SG KATHOLISCHER FRAUENBUND SPOKEN WORD POETIN Ich bin in Nantes geboren, einer Ich finde es toll, dass die Initiative aus Verantwortung zu übernehmen Stadt, die durch einen der wichtigs- der Zivilbevölkerung kommt und von ist für mich als Unternehmer eine ten Häfen für den Sklavenhandel in über 130 Organisationen mitgetragen Selbstverständlichkeit. Aber auch Europa reich wurde. 150 Jahre später wird. Als Bürgerinnen und Bürger international tätige Konzerne soll- beuten einige wenige, aber mächtige dieses Landes sind wir mitverantwort- ten das tun. Viele machen das, aber Schweizer Konzerne Sklavenkinder lich dafür, dass Schweizer Firmen ihre leider gibt es einige schwarze Schafe, in Minen und Kakaoplantagen aus. Profite und damit auch unseren Wohl- und für die braucht es verbindliche Die zügellose Gier dieser Konzerne stand nicht auf Kosten von Mensch Regeln. Verantwortung hört nicht an ist kriminell und richtet sich gegen und Umwelt im Ausland generieren. der Landesgrenze auf. die Interessen der Schweiz. CHRISTINE WERDER, DIETRICH PESTALOZZI, XAVIER LABARRE, FREIWILLIGE PUBLIC EYE EHEM. VR-PRÄSIDENT PESTALOZZI AG FREIWILLIGER PUBLIC EYE
12 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr. 26 November 2020 Mit einem verhunzten Bernhardiner und Wilhelm Tell auf Stimmenfang 8 Millionen Franken. So viel investiert die Wirtschaftslobby in den Kampf gegen die Konzernver- antwortungsinitiative. Doch weil die gut gefüllte Kriegskasse nicht ausreicht, greifen Economie- suisse und ihre Verbündeten auch zu platten Lügen, um die Stimmbevölkerung zu überzeugen. Hier die Analyse der Kampfkommunikation jener Kreise, welche die Interessen einiger skrupel- loser Konzerne höher gewichten als den Schutz von Menschenrechten und Umwelt. GÉRALDINE VIRET «Die Schlammschlacht um die Initiative beginnt» oder schiesst? Wenn ich nur schon daran denke, zittert mein «Nur ja kein Wort über Menschenrechte» titeln die Me- Pass mit dem Schweizerkreuz. dien. Einige Wochen vor dem 29. November tobt der Dieses Komitee schreckt also nicht davor zurück, Abstimmungskampf wie kaum je einer zuvor. In dieser die helvetische Armbrust und die Hacke aus Burkina Faso erbitterten Auseinandersetzung geht es um jede Stimme. – wir kommen noch darauf zurück – zu zücken, um das Nachdem ich Tante Léandre, Onkel Jacky und der Hälfte Stimmvolk davon zu überzeugen, dass diese «brachiale» meiner Telefonkontakte eine Postkarte geschickt habe, Initiative am Ziel vorbeischiesst, der Wirtschaft schadet will ich auch Karten an ein Zielpublikum senden, das und kontraproduktiv wirkt. FDP-Präsidentin Petra Gössi gemeinhin als verloren gilt: unseren Widersachern. etwa sagt: «Die Initiative hat einen Dominoeffekt auf die Economiesuisse, Swissholdings, der Zürcher FDP- Schweizer KMU und schadet unserer Wirtschaft, die schon Ständerat Ruedi Noser, die Waadtländer GLP-National- stark unter den Folgen der Covid-Krise leidet.» Ja, unsere rätin Isabelle Chevalley und selbst unsere Bundesrätin Gegner, die wissen, wie man auf die Tränendrüse drückt. Karin Keller-Sutter … ich würde sie ja gerne als «Geg- Denn das Schicksal der KMU ist eines der heissen ner» bezeichnen, wenn sie sich besser verhalten würden. Eisen der Debatte und wohl das bezeichnendste Beispiel Aber nervös wie sie sind, nachdem diese lästigen orangen für die alternativen Fakten, die das Nein-Lager propagiert. Fahnen ihnen seit Monaten den Sonntagsspaziergang Um das Stimmvolk von einem «zukunftsgerichteten» verderben, haben die Konzernlobby und ihre Handlanger Gegenvorschlag zu überzeugen, warnt es davor, dass die schon lange eine rote Linie überschritten. Initiative die KMU betreffe; «gerade in der aktuellen Situ- Ihre Strategie ist klar: Sie wollen das Stimmvolk ation sollten wir unseren KMU nicht solche Steine in den davon überzeugen, dass die Initiative eine schreckliche Weg legen». Stellen Sie sich nur mal dieses katastrophale Gefahr für die Schweizer Wirtschaft darstellt und für Szenario vor: Ihr Coiffeur muss alle seine Lieferanten «die Menschen in Entwicklungsländern wie ein Bume- überprüfen, bricht unter einem endlosen Papierkrieg zu- rang» wirkt. Und sie wollen dem Gegenvorschlag des sammen und kann Ihnen nicht mehr das Haar schneiden! Parlaments zum Durchbruch verhelfen, der in Kraft tritt, Aber Sie können beruhigt sein: Die Behauptungen von sofern die Initiative an der Urne Schiffbruch erleidet. Sie Economiesuisse wurden selbst von Gewerbeverbands- stellen diesen als einzig möglichen Weg dar, um die Men- direktor Hans-Ulrich Bigler als «Unsinn» kritisiert, der schenrechte und die Umwelt zu schützen, ohne unseren von der Konzernlobby im August «Glaubwürdigkeit und sakrosankten Wohlstand zu gefährden. Notfalls auch mit gute Argumente» gefordert hatte. Umsonst. platten Lügen oder Fehlinformationen. So spielen unse- re Widersacher mit dem Feuer und verraten eines der Der Zahlenkrieg grundlegenden Prinzipien der direkten Demokratie: das Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter zeigte jüngst ein Führen von Debatten auf der Basis von Fakten. Flair für Übertreibungen und beschwörte die Schreckens- Nichts kann die argumentativen Nöte der Kon- vorstellung einer immens hohen Zahl von betroffenen zernlobby besser illustrieren als die Plakate des partei- KMU herauf. «Nach Schätzungen sind sicher 80 000 Un- übergreifenden Komitees gegen die Initiative und ihr ternehmen von der Initiative betroffen», zitierte die Bun- Slogan «Helfen ja, aber doch nicht so!». Hinter dieser desrätin vor den Medien eine Studie, die im Mai von der gloriosen Idee steckt mit Sicherheit stundenlanges liberalen Organisation Succèsuisse publiziert wurde, um Brainstormen: ein Bernhardinerhund, der sich in den die Parlamentarier zu beeinflussen. Dieser handgestrickten Schwanz beisst? Oder besser Wilhelm Tell, der den Apfel Studie, welche die B estimmungen des Initiativtextes nicht verfehlt und seinem Sohn einen Pfeil mitten in die Birne berücksichtigt, fehlt es komplett an Glaubwürdigkeit.
13 Die angsteinflössenden Zahlen sind reine Panikmache. teil. Sie war sich nicht zu schade, einen lokalen Journa- Die Bäcker, die Müller oder die Drucker werden mitge- listen einzuspannen, um angeblich gestellte Fotos von zählt, dabei werden diese nie und nimmer zu den wenigen Kindern auf Baumwollfeldern zu entlarven und so das KMU in Risikosektoren gehören, die der Initiativtext be- Hilfswerk zu diskreditieren. Auch Schläge unter der trifft. Aber für unsere Justizministerin ist das kein Grund, Gürtellinie sind erlaubt! den Fuss vom Gaspedal zu nehmen, weiss sie doch genau, Denn bei unseren Widersachern drehen selbst wie man eine solche Initiative oder einen wirksamen Ge- emotionale Argumente ins Absurde. Im Ausland nicht genvorschlag bekämpfen muss – indem man seinen Ein- zu machen, was in der Schweiz nicht erlaubt ist, wird flüsterern gut zuhört und unliebsame Details ausblendet. plötzlich neokolonialistisch und erhöht die Armut vor Ort. FDP-Ständerat Ruedi Noser geht noch weiter: «Die Eine Bedrohung für Afrika Initiative schadet den Menschenrechten», sagte er kürz- Weil in der Schweiz seit einiger Zeit ein progressiver lich im «Club» von SRF. Man solle die Unternehmen Wind weht, haben die Widersacher bald realisiert, dass doch «zusammen mit der Bevölkerung etwas entwi- die üblichen Drohungen nicht ausreichen werden, um ckeln lassen». Und wenn etwas unter dem Titel «Aus- jenen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die den beutung» läuft, schliessen wir am besten die Augen! Schutz von Menschenrechten und Umwelt mit Herzblut vertreten. Deshalb muss man ihnen das gute Gewissen Ein Gegenvorschlag, der völlig überholt ist nehmen, im Namen der Betroffenen! «Wussten Sie, dass die Schweiz mit dem Gegenvorschlag Die Hauptrolle in dieser Farce hat die Waadtlän- weltweit zur Vorreiterin in Sachen Unternehmensver- der GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley übernommen. antwortung würde?», fragt Economiesuisse auf Twitter. Sie lässt sich in traditioneller afrikanischer Kleidung Ein Enthusiasmus, der beinahe vergessen lässt, dass die und mit einer Hacke aus Burkina Faso fotografieren, Konzernlobby sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen ei- um den Initianten und ihrer «neokolonialistischen» nen wirksamen Gegenvorschlag gestemmt hat. Doch der Initiative eins auszuwischen, indem sie die afrikani- Alibi-Gegenvorschlag, der Bundesrätin Karin Keller-Sut- sche Bevölkerung instrumentalisiert. Sie, die vorgibt, ter von Swissholdings eingeflüstert worden ist, war dann eine Nuance in die Debatte einbringen zu wollen, hat in plötzlich genehm. Kein Wunder: Er ist völlig zahnlos. Burkina Faso bereits alle vorgewarnt, und insbesondere Der Beweis: Weil sich gezeigt hat, dass tolle Be- den Wirtschaftsminister: Wenn diese Initiative durch- richte auf Hochglanzpapier nichts bringen, plant die EU komme, würden alle Schweizer Unternehmen das Land strengere Vorschriften, die weit über jene des Schwei- verlassen. Und das kann Isabelle Chevalley natürlich zer Gegenvorschlags hinausgehen. «Damit erledigt die «nicht zulassen». Deshalb nimmt die Parlamentarierin, Schweiz ihre Hausaufgaben, schnell und präzise», lobt die der Lobby der Rohstoffhändler STSA nahesteht, am Economiesuisse den Gegenvorschlag. Nur ein JA! am Kreuzzug gegen die Initianten und insbesondere Solidar 29. November macht aus dieser Lüge Realität. JA! am 29. No ve mber P. P. Bern B e rn 3001 31 Post fach 3001 G u ng Post CH A Abst i m move mbe r 2020 a m 29. N JA! Mon bijou stras se mb e r JA! . P. P . No v e a m 29 1B er n 300 31 Postfac h 3001 Bern ber am 29. Novem rtun gsin itiat ive G A P o s t CH 3001 Bern Die Kon zern vera ntwo Selb stve rstä ndli chke rtun gsin itiat ive verl angt eine Kon zern vera ntwo Flüs se vers chmutze it: Wen n Kon zern e wie Glen core Absti m mu ng 31 Post fach solle n sie dafü r geran oder ganz e Land stric he zers töre nitiati ve Monbijoustra sse dest ehen . n, Jetz t abs tim men und Bekann te mob a m 29. Nove m w w w.ko nze rn-i ilisi eren : niti ative.ch/mo bilis iere n b e r 2 02 0 asse e Mon bijo ustr Konze rnvera ntwor tungsi ortu ngs init iativ Die Kon zern vera nitiati ve verlan gt eine Selb stve rstä ndl ntw ortu ngs init iati ve verl Die Konze rnvera ntwor tungsi Konze rne wie Glenc ore ang t eine Selbst verstä ndlich keit: Wenn Flüs se vers chm ichk eit: Wen n Kon zern e wie Kon zern vera ntw versch mutze n oder ganze Lands triche zerstö ren, sollen sie dafü utze n ode r gan ze Lan dstr icheGle nco re Flüsse . r gera des tehe n. zers töre n, sollen sie dafür gerade stehen Jet zt abs tim me n und Bek nte mobi lisiere n: ann te mo bili Jetzt absti mme n und Bekan w w w.konz ern -initiat ive .ch/ sie ren : zern- initia tive.c h/mo bilisie ren mo bili sie ren w w w.kon
Die Geschichte der Konzern- verantwortungsinitiative ist ein Auf und Ab: die Erfolge der Initianten und die Stör- manöver der Konzernlobby als packender Politkrimi. Juni 2020 Juni 2020 Neben dem Ständerat Da National- und Ständerat unterstützt nun auch der sich nicht einigen können, Nationalrat knapp den kommt es zur Einigungs- Alibi-Gegenvorschlag. Dieser konferenz; diese entscheidet kommt als Alternative zur sich mit 15 : 11 Stimmen für Initiative zur Abstimmung. den Alibi-Vorschlag des Ständerats. August 2019 Auf deinem Arbeitsweg September 2019 siehst du immer mehr orange Justizministerin Karin Fahnen, die für ein JA! zur KVI Ständerat Ruedi Noser dringt Keller-Sutter kriegt mitten werben. Du freust dich. mit seinem Antrag durch, die im Sommer kalte Füsse: Sie Initiative im Licht des schlägt eine Berichterstat- Vorschlags der Bundesrätin tungspflicht ohne Haftung nochmals zu beraten. So für Unternehmen vor. Ein findet die KVI-Debatte erst Alibi-Vorschlag! nach den Wahlen statt. Juni 2019 März 2019 Der Nationalrat sagt zum Der Ständerat entscheidet zweiten Mal Ja zu seinem äusserst knapp, nicht auf den ursprünglichen Gegenvor- Gegenvorschlag einzutreten. schlag. START April 2015 Oktober 2016 Weil die politische Umsetzung Die Konzernverantwortungs- auf sich warten lässt, initiative (KVI) wird mit über 2011 lancieren 66 Organisationen 120 000 gültigen Unter- Die Weltgemeinschaft eine Volksinitiative. Die schriften eingereicht. verabschiedet die UNO- Regionalgruppen und Leitprinzipien für Wirtschaft Mitglieder von Public Eye und Menschenrechte. sammeln über 40 000 von 145 000 Unterschriften.
29. November 2020 Abstimmung gewonnen! Jetzt beginnt die Arbeit von Public Eye erst recht: Es geht an die Umsetzung. ZIEL Dein Nachbar vergisst, das 29. November 2020 Abstimmungscouvert zu schicken. Warum hat ihm das Abstimmung verloren! Wir sind niemand gesagt? enttäuscht, aber natürlich geben wir nicht auf! Immer mehr Wirtschafts- Das KVI-Sekretariat hat verbände distanzieren sich schon 60 000 Fahnen von Economiesuisse und verschickt. Die Schweiz wird befürworten den national- orange! rätlichen Gegenvorschlag, zudem auch Migros und Coop. Die Initiativkoalition sammelt Dezember 2019 März 2020 innerhalb von nur drei Tagen 50 000 Unterschriften gegen Der Ständerat spricht sich für Der Nationalrat lenkt nicht das durchsichtige Manöver. das Konzept von Bundesrätin ein. Gerade als der Ständerat Keller-Sutter und damit das letzte Mal dazu tagen gegen jegliche Haftungs- soll, wird die Parlamentsses- regeln für Konzerne aus. sion wegen der Corona- Pandemie abgebrochen. Februar 2019 Juni 2018 Die Rechtskommission des Der Nationalrat stimmt dem Ständerats schwächt den Gegenvorschlag mit 121 : 74 Gegenvorschlag ab. Stimmen klar zu. September 2017 Oktober 2017 Mai 2018 Der Bundesrat empfiehlt dem Gemäss einer Umfrage des Nach einigem Hin und Her Parlament, die KVI ohne Forschungsinstituts GFS in den Kommissionen beider Gegenvorschlag abzulehnen. Zürich erfährt die Initiative Räte schlägt die Rechtskom- Die Haftungsregeln gehen mit 77 % grosse Zustimmung mission des Nationalrats der Landesregierung zu weit. in der Bevölkerung. Ein toller dem Rat einen indirekten Start! Gegenvorschlag vor.
16 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr. 26 November 2020 Seit Jahrzehnten sind unzählige Skandale dokumentiert, wie Konzerne Menschenrechte verletzen und die Umwelt zerstören. Schweizer Konzerne sind hier keine Ausnahme, im Gegenteil: Einige sind unmittelbar in Menschenrechtsverletzungen involviert. Zudem kommen diese gehäuft in Sektoren vor, in denen Schweizer Konzerne stark vertreten sind. Hier einige besonders krasse Fälle, die Public Eye und andere Organisationen ans Licht gebracht haben. NEUE EXKLUSIVE RECHERCHE VON PUBLIC EYE Bolivien: organisierte Verantwortungslosigkeit in Glencore-Mine In der von Glencore betriebenen Mine Porco im bolivianischen Departement Potosí bau- en Kooperativen unter unmenschlichen Be- dingungen Zink, Blei und Silber ab. Viele der Arbeiter sind minderjährig, schwere Unfälle an der Tagesordnung, die Umweltschäden massiv. Glencore schaut weg – und kauft den Koope- rativen einen Grossteil der Bodenschätze ab, die sie fördern. TIMO KOLLBRUNNER © Christian Lombardi
17 © Christian Lombardi Es ist eng und stickig. Bis auf den Schein unserer es für sie nichts mehr zu holen gibt, den Kooperativen, die Stirnlampen gibt es kein Licht, die Sicht ist getrübt, mit einfachen Mitteln und unter grösster Gefahr abbauen, als schaute man durch eine beschlagene Brille. Je wei- was übriggeblieben ist. Einen Grossteil davon kauft die ter wir in dem mancherorts kaum eineinhalb Meter Glencore-Tochterfirma auf und verarbeitet ihn in der fir- hohen Stollen in den Berg vordringen, desto heisser meneigenen Anlage direkt auf dem Berg. und stickiger wird es. Hie und da scheint unser Licht- Vom Lohn wolle er sich neue Kleider kaufen, hatte kegel in Dutzende Meter tiefe Löcher, die ohne jegliche uns Juan gesagt. Doch zuerst muss er sich diesen ver- Sicherung vom Tunnel abgehen. Rumpelnd kommt uns dienen. In einem kaum gesicherten Stollen, 1200 Meter ein Kleintraktor entgegen, der Gestein nach draussen im Innern des Berges, in Gummistiefeln und mit einem führt. Wir drücken uns an die Tunnelwand, damit er Helm aus billigem Plastik auf dem Kopf. Käme er nicht uns kreuzen kann. Dann geht’s weiter hinein in einen lebend aus der Mine, erhielte seine Familie von der Ko- der Stollen der Mine Porco, gelegen auf dem boliviani- operative eine Entschädigung von 3000 Dollar. Zu einer schen Altiplano, 50 Kilometer entfernt von der Depar- Strafuntersuchung käme es höchstwahrscheinlich nicht. tementshauptstadt Potosí, auf 4200 Metern über Meer. Und seine Kollegen würden am nächsten Tag wieder in die Mine gehen, als wäre nichts geschehen. Juan, 15, Minenarbeiter Vor uns geht Juan, der eigentlich anders heisst. Er arbeitet Ein, zwei Getötete pro Monat zum zweiten Mal hier in der Mine, schon letztes Jahr kam Dabei geschieht fast täglich etwas. Pro Woche komme es er aus Cochabamba hierher. Während der Schulferien. Juan in der Mine Porco im Schnitt zu drei mittelschweren bis ist 15 Jahre alt. Frühmorgens sind wir mit ihm, sieben wei- schweren Unfällen, erzählt uns die diensthabende Ärztin teren Kumpels und ihrem Vorgesetzten auf der Ladefläche im rudimentär eingerichteten Gesundheitszentrum des eines Lastwagens den Berg hinaufgefahren, unter dem Tor- Städtchen Porco; Kopf- und Rückenverletzungen wegen borgen hindurch, auf dem in goldenen Lettern «Illapa S.A.» herabfallender Gesteinsplatten, Stürze, gequetschte oder steht – der Name der hundertprozentigen Tochterfirma gar abgetrennte Gliedmassen. Mit Unfallopfern, die erst 15 von Glencore, welche mit der staatlichen Bergbaugesell- oder 16 sind, hätten sie es immer wieder zu tun, die jüngs- schaft Comibol einen Vertrag zur Ausbeutung der Mine ten, die sie hier behandelt hätten, seien gerade mal 11 Jahre abgeschlossen hat. Mit schwerem Gerät höhlt die Firma alt gewesen. Pro Monat, sagt die Ärztin, kämen in der Mine den Berg aus – und überlässt dann jene Sektoren, in denen im Schnitt ein bis zwei Arbeiter bei Unfällen ums Leben. Die ganze Geschichte online lesen Lesen Sie auf https://stories.publiceye.ch/glencorebolivien die komplette Reportage: Erfahren Sie von der schwie- rigen Lage eines Ex-Minenarbeiters, der nach einem schweren Unfall auf sich allein gestellt ist. Und lernen Sie das Schicksal der Familien kennen, die unterhalb der Mine Land bestellten und Vieh hielten – und nun wegen der Ver- schmutzung ihrer Gewässer vor dem Nichts stehen. Lesen Sie zudem, was Glencore zu den Vorwürfen sagt – und was sich in Bolivien bei einer Annahme der Konzernverantwortungsinitiative ändern würde.
18 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr. 26 November 2020 © Atul Loke/Panos Syngenta-Pestizid vergiftet indische Kleinbauern und Landarbeiter Im indischen Yavatmal wurden Hunderte von Land- und in der EU seit Jahren verboten. Er wurde 2009 arbeitern schwer vergiftet. Eine wichtige Rolle spiel- vom Schweizer Markt zurückgezogen und steht auf te dabei das Pestizid «Polo» von Syngenta, das in der der Liste der Stoffe, die «wegen ihrer Auswirkungen Schweiz längst verboten ist. Neue Recherchen und auf die Gesundheit des Menschen oder auf die Umwelt amtliche Dokumente aus Indien zeigen: Das in der verboten» sind. Die Europäische Chemikalienagentur Schweiz seit Langem verbotene Syngenta-Pestizid (ECHA) hat Diafenthiuron als «giftig beim Einatmen» spielte bei der Vergiftungswelle eine weit grössere eingestuft und spezifiziert, dass der Wirkstoff «bei län- Rolle als bisher bekannt. Ungeachtet dessen verkauft gerer oder wiederholter Exposition organschädigend» Syngenta weiterhin Polo in Indien. sein kann. Dennoch exportierte Syngenta im Jahr 2017 2017 wurden in Indien innert zwölf Wochen allein nach Indien rund 75 Tonnen des Wirkstoffs. Der rund 800 Landarbeiter schwer vergiftet, als sie auf Basler Konzern hat seine Mitverantwortung für die Baumwollfeldern Pestizide ausbrachten. Über 20 von Vergiftungsfälle bisher stets bestritten. Der Konzern ihnen starben. Eine Recherche von Public Eye zeigte, beanstandete auch eine 10vor10-Recherche zu den Vor- dass das Syngenta-Insektizid Polo mitverantwortlich kommnissen in Yavatmal – freilich erfolglos. ist für die Vergiftungen. Polo ist ein Insektizid mit dem Amtliche Dokumente, die Public Eye zuge- Wirkstoff «Diafenthiuron». Dieser ist in der Schweiz spielt wurden, deuten darauf hin, dass das Ausmass
19 der Vergiftungen im Zusammenhang mit Polo weit- nen auf den Feldern arbeiten, wobei sie einen deutlich aus grösser ist als bislang bekannt. 96 Vergiftungsfälle geringeren Lohn als Männer erhalten. wurden 2017 von der Polizei im Zusammenhang mit Polo protokolliert, in 36 Fällen wurde gemäss Protokoll Kein Geld mehr für den Schulbesuch ausschliesslich Polo eingesetzt. Darüber hinaus hatte Krasse Folgen hatte dies für Gita Sonule, die Witwe die Maharashtra Association of Pesticides Poisoned eines verstorbenen Landarbeiters. Ihre Tochter und ihr Persons (MAPPP) mit zahlreichen weiteren Vergif- Sohn, beide im Teenageralter, mussten nach dem Tod tungsopfern Kontakt. Viele Betroffene litten an akuten ihres Vaters die Schule abbrechen und auf den Feldern Vergiftungssymptomen und verfügen zum Teil über arbeiten, weil das Geld nirgends hinreichte. Sonule be- entsprechende medizinische Atteste. mängelt auch die fehlenden Sicherheitsvorkehrungen: «Mein Mann hatte keinen Schutzanzug an, denn es Dramatische Auswirkungen für ganze Familien gab gar keine.» Er habe auf einer Farm als Tagelöhner Die Fälle von 51 Opfern, die sich alle in ärztliche Be- gearbeitet und das Pestizid dort ohne spezielle Anwei- handlung begeben mussten, wurden von Public Eye sungen erhalten, um es auf den Feldern auszubringen. und anderen Organisationen minutiös aufgearbeitet. Bei vielen Vergiftungsopfern leidet auch das Zu den akuten Vergiftungsfolgen gehörten Augenpro- soziale Leben: Sie können keine längeren Distanzen bleme, Übelkeit, neurologische und muskuläre Symp- mehr gehen oder können sich wegen wiederkehrender tome, Atemprobleme sowie Schwellungen und Haut- Reizungen von Haut und Augen nicht mehr der Sonne reaktionen. 43 wurden hospitalisiert, die Mehrheit aussetzen. Sie sind dadurch in ihrem Aktivitätsradius zwischen einem Tag und 2 Wochen, 9 Personen länger massiv eingeschränkt. als 2 Wochen, eine Person verbrachte gar 31 Tage im Spital. 44 der 51 Personen berichteten über temporä- Das ändert sich mit der Initiative: ren Sehverlust, 16 Personen waren während mehrerer Bei Annahme der Konzernverantwortungsinitiative Stunden bis mehrere Tage bewusstlos. könnte Syngenta nicht mehr länger die Augen vor Die meisten Opfer waren längere Zeit arbeits- Menschenrechtsverletzungen verschliessen, die eine unfähig, einzelne bis zu einem Jahr. Dadurch ist für Folge ihrer Geschäftstätigkeit sind. Den Verkauf von viele Familien das ohnehin tiefe Haushaltseinkommen hochgiftigen Pestiziden in Yavatmal müsste das Un- dramatisch gesunken und zugleich die Belastung für ternehmen einstellen. Denn die sichere Anwendung ist die Frauen in den betroffenen Familien gestiegen. Sie in der Praxis nicht gewährleistet. Änderte sich nichts, müssen nicht nur ihre Kinder betreuen, sondern auch müsste Syngenta für verursachte Menschenrechtsver- ihre kranken Ehemänner pflegen und als Tagelöhnerin- letzungen und Umweltschäden geradestehen. Syngenta wegen des hochgiftigen Kassenschlagers Paraquat in Bedrängnis Das Pestizid Paraquat ist so giftig, dass bereits ein Schluck davon tödlich enden kann. Bei langfristiger oder wiederholter Exposition können selbst niedrige Dosen das Risiko für eine Parkinson-Erkrankung erhöhen. Aufgrund seiner extremen Toxizität hat die Schweiz Paraquat schon 1989 verboten. Mittlerweile haben über 50 Länder weltweit Paraquat mit einem Verbot belegt, auch die EU und sogar China, sowie nach langem Ringen im Septem- ber nun auch Brasilien – bisher einer der grössten Märkte für Syngentas Paraquat. Im Oktober beschloss die Schweizer Regierung zudem ein Exportverbot für fünf «besonders problematische» in der Schweiz verbotene Pestizide, darunter Paraquat: Bereits ab 1. Januar 2021 darf Syngenta das Herbizid nicht mehr aus der Schweiz exportieren. Mit diesem wichtigen Schritt trägt der Bundesrat weltweit zum Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien bei. Jedoch produziert und exportiert Syngenta Paraquat auch aus Grossbritannien und anderen Ländern. Bei Annahme der Konzernverantwortungsinitiative müsste Syngenta weltweit Verantwortung übernehmen – und damit auch für die Folgen der Produktion und Verwendung von Paraquat und anderen gefährlichen Pestiziden, die der Konzern ausserhalb der Schweiz produziert. Paraquat gerät auch international immer wieder unter Beschuss: 2019 traten im Westen des indischen Bundesstaats Odisha Ärztinnen und Ärzte in den Hungerstreik, um ein Verbot des Pestizids einzufordern. Sie machen es verantwortlich für über 170 Todesfälle innerhalb einer Periode von nur zwei Jahren.
20 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr. 26 November 2020 © zvg Konzernverantwortungsinitiative © Fabian Biasio Schweizer Konzerne LafargeHolcim beliefern Afrika mit gefährdet die Gesundheit giftigen Treibstoffen eines ganzen Dorfes Schweizer Konzerne nutzen die laschen afrikanischen Neben dem nigerianischen Dorf Ewekoro betreibt der Treibstoffstandards gezielt aus, um mit dem Verkauf Schweizer Konzern LafargeHolcim eine grosse Zement- von gesundheitsschädlichem Benzin und Diesel ihren fabrik und einen dazugehörigen Kalksteinbruch. Über- Gewinn zu maximieren. Vitol und Trafigura sowie die all liegt Zementstaub: auf den Dächern, in den Häusern, Addax and Oryx Group besitzen eigene Tankstellennetze auf den Feldern. Ärzte berichten, dass die Menschen oder sind an diesen beteiligt. Im Grosshandel sind auch gravierende Gesundheitsschäden davontragen. Glencore, Mercuria, Gunvor und Litasco aktiv. Die Firmen Im Dorf ist die Feinstaubbelastung extrem hoch. handeln nicht nur mit dem minderwertigen Treibstoff, Durch die Zementproduktion im Werk und die Explo- der in Europa längst verboten ist und zynisch als «African sionen im Steinbruch lagert sich der Staub überall ab; Quality» bezeichnet wird, sie stellen ihn auch selber her. selbst die Kleider, die zum Trocknen aufgehängt wer- Public Eye hat 2016 in acht Ländern den Schwe- den, sind nach kurzer Zeit voll davon. felgehalt in Diesel analysiert und nachgewiesen, dass Der schädliche Feinstaub gelangt auch ins Was- er bis zu 378 Mal höher ist als in Europa erlaubt; beim ser, das die Menschen in Ewekoro als Trinkwasser und Benzin sind es bis zu 72 Mal. Zudem enthalten die zum Kochen brauchen. Die Dorfbevölkerung ist diesen Treibstoffe weitere gesundheitsschädigende Substan- Belastungen tagein, tagaus ausgesetzt. Viele leiden mit zen in Mengen, die in Europa verboten sind. Die Folge: der Zeit an irreversiblen Gesundheitsschäden: Atem- eine gewaltige Erhöhung der Luftverschmutzung in wegsbeschwerden, Schäden an Leber, Lungen oder Milz afrikanischen Städten – mit gravierenden Folgen für und Augenkrankheiten. die Gesundheit der betroffenen Menschen. Das ändert sich mit der Initiative: Das ändert sich mit der Initiative: LafargeHolcim müsste endlich sicherstellen, dass Schweizer Rohstoffhändler müssten eine Sorgfalts- die Menschen in Ewekoro nicht weiter mit Feinstaub prüfung vornehmen, wie sie die Initiative verlangt. vergiftet werden. Änderte sich weiterhin nichts, Damit wären sie gezwungen, die Risiken für das könnte die Dorfbevölkerung in der Schweiz eine Recht auf Gesundheit anzuerkennen und sauberere Klage einreichen und eine Wiedergutmachung an- Treibstoffe statt «Dirty Diesel» zu liefern. Das könn- streben. ten sie problemlos. Heute schon verkaufen Trafigura & Co. in Europa und den USA, wo es strenge Stan- dards gibt, schwefelarme Treibstoffe.
MAGAZIN 21 © zvg Konzernverantwortungsinitiative © G.M.B. Akash/Panos Ausbeutung und Glencore-Mine Umweltskandale in der vergiftet Kinder Textilindustrie mit Schwermetallen 60 bis 75 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in In Cerro de Pasco in Peru sind Luft, Wasser und Böden mit Fabriken, die überwiegend in Billiglohnländern stehen, Schwermetallen vergiftet. Schuld daran ist eine giganti- fertigen Kleider und Textilien für die Welt. Ihre Löhne sche Mine, die eine Tochter des Zuger Rohstoffkonzerns machen meist nur den Bruchteil eines Existenzlohns aus, Glencore mitten in der Stadt betreibt. Die Minengesell- der nötig wäre, um ihnen und ihren Familien ein ein- schaft gehört zu den weltweit grössten Produzentinnen faches Auskommen zu sichern. Die Arbeitsverhältnisse von Zink, Blei und Silber. Die Mine produziert zu den sind meist informell und prekär, die Arbeitsbedingungen niedrigsten Kosten der ganzen Branche. Den Preis dafür gefährlich und menschenunwürdig. Nicht besser sieht es zahlen die Menschen mit ihrer Gesundheit. auf den Baumwollfeldern, in den Ledergerbereien, Fär- Bislang versuchte Glencore stets, sich aus der Ver- bereien, Webereien und auf den vielen anderen Schau- antwortung zu stehlen: Die extremen Verschmutzungen plätzen der Textilindustrie aus. Immer wieder kommt es seien historisch bedingt, die Mine verletze nun keine Um- zu Rechtsverletzungen und Umweltskandalen. weltstandards mehr. Doch das ist nachweislich falsch. Die Missachtung international anerkannter Men- Die Situation hat sich unter der Kontrolle von Glencore schenrechte ist in der gesamten Textilindustrie weit nicht verbessert, im Gegenteil: Eine Haaranalyse bei Kin- verbreitet. Die Verfolgung von Gewerkschaften verletzt dern zeigt, dass sich die Bleikonzentration in den letzten die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivver- Jahren weiter verschlimmerte. Die gesundheitlichen Aus- handlungen. Armutslöhne verstossen gegen das Recht wirkungen auf die Lokalbevölkerung bleiben desaströs. auf existenzsichernde Löhne. Unsichere Gebäude, lasche So leiden 2000 Kinder unter chronischen Schwermetall- Arbeitsschutzstandards und der Einsatz giftiger Stoffe vergiftungen. Für sie hat dies dramatische Folgen: Blut- ohne geeignete Schutzmassnahmen bedrohen das Recht armut, Behinderungen und Lähmungen. auf Gesundheit und Leben. Das ändert sich mit der Initiative: Das ändert sich mit der Initiative: Die Geschädigten von Cerro de Pasco könnten in der Schweizer Unternehmen der Bekleidungs- und Textilin- Schweiz eine Klage einreichen. Die Initiative fordert, dustrie würden gesetzlich verpflichtet, in ihren globalen dass Glencore für Verschmutzungen und Vergiftun- Wertschöpfungsketten dort präventiv aktiv zu werden, gen, die durch die Tätigkeit des Konzerns verursacht wo gravierende Risiken für Mensch und Umwelt beste- sind, geradestehen muss. hen. Ein Ja würde jenen Unternehmen den Rücken stär- ken, die bereits heute ihre Verantwortung für Menschen- rechte und internationale Umweltnormen wahrnehmen.
22 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr. 26 November 2020 «Hinter dem Gegenvorschlag des Nationalrats konnte ich zu 100 % stehen» Die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala hatte sich im Parlament mit Vehemenz für den knapp gescheiterten, griffigen Gegenvorschlag des Nationalrats zur Initiative eingesetzt. Ihr Engagement für einen glaubwürdigen Kompromiss sei klar «im freisinnigen Geist», schliesslich laute das Motto des Freisinns «Freiheit UND Verantwortung». URS RYBI Hat dich das Thema Unternehmensverantwortung erst her mehrere Gesichter. Den Druck von Public Eye nahm politisch oder beruflich zu interessieren begonnen? ich immer als hart, aber sachlich wichtig wahr. Wer wie Als Vorsitzende des Beirats von RepRisk AG bin ich seit Public Eye viel fordert, weiss auch, dass der Kompromiss Jahren sensibilisiert auf die sogenannten ESG-Standards nicht bei den Maximalforderungen liegen kann. Das ist zu Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung. Gera- unser System ... Ich hatte es begrüsst, dass die Initianten de auch Investoren legen zu Recht immer mehr Wert auf gegenüber dem Parlament transparent und verbindlich Nachhaltigkeit. Ich war immer und bin auch heute der erklärt hatten, dass sie bei Annahme des nationalrätlichen Meinung, dass gelebte Corporate Social Responsibility Gegenvorschlags die Initiative zurückgezogen hätten. international «State of the Art» sein muss und wir unsere Wirtschaft so positionieren sollten, dass sie gleiche Wett- Professor John Ruggie, der Autor der UNO-Leitprin- bewerbsbedingungen wie andere hat, auch punkto ESG- zipien, vollbrachte 2011 das politische Kunststück, Verantwortung. Die Schweiz als wohlhabendes Land muss in diesem umstrittenen Bereich einen von Staaten, sich «vorbildlich» zeigen, aber bitte auf Augenhöhe mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft anerkannten globa- internationalen Mitbewerbern! Dafür setze ich mich ein. len Standard zu schaffen. Wie kamst du mit seiner Arbeit in Kontakt? Dafür gäbe es ja die Standards der Organisation Ich hatte Professor Ruggie im Konflikt rund um die FIFA für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- und die anstehende Weltmeisterschaft in Katar bereits vor lung OECD. Jahren in die Schweiz geholt. Er ist eine Referenzgrösse OECD-Standards sind mühsam zu koordinieren und für mich. Ich war mit meinen Bemühungen aber etwas zu durchzusetzen. Aber wenn die OECD-Länder zusammen spät dran. Und Sepp Blatter war nicht mehr ausreichend in mit internationalen Wirtschaftsverbänden einen Konsens der Lage, zusammen mit Ruggie neue Massstäbe zu setzen. finden, was zu tun ist, dann muss das dann auch umgesetzt Dennoch hat sich selbst in der FIFA einiges bewegt. werden. Seit 2011 besteht im Grunde bereits Einigkeit da- rüber, dass multinationale Unternehmen Sorgfaltsprüfun- Die Initiative wurde erst lanciert, nachdem sich der gen für ESG-Risiken machen müssen. Da fällt es mir schon Nationalrat 2015 hauchdünn dagegen entschieden schwer zu verstehen, was das Problem ist, wenn man das hatte, auf Basis der UNO-Leitprinzipien eine Schwei- zehn Jahre später auch im Gesetz festschreibt. Frankreich zer Sorgfaltsprüfungspflicht zu fordern. Damals hat das schon 2017 gemacht, Deutschland ist soeben da- warst du noch sehr skeptisch. In den letzten Jahren ran. Ich habe mich deshalb im Parlament vehement für hast du dich aber mit Teilen der Wirtschaft für einen den echten Kompromiss und härteren Gegenvorschlag glaubwürdigen Kompromiss stark gemacht. Wieso? des Nationalrats eingesetzt. Leider bin ich untergegangen. Ich habe zu viel gesehen in der Entwicklungszusammen- arbeit und im Europarat, zu viel! Man kann nicht so han- Wie schätzt du die Arbeit von Public Eye in diesem deln, als würde uns das nicht betreffen: All risks are global! Themenfeld ein? Zudem lautet das Motto des Freisinns «Freiheit UND Ver- Public Eye nehme ich als verlässlichen und kompetenten antwortung». Ich handle daher klar im freisinnigen Geist. Partner wahr. Ich konnte mich auf eure Aussagen und euer Wort verlassen. Logisch sehe ich es als Freisinnige und Eine überparteiliche Gruppe um Hans-Ueli Vogt (SVP/ Wirtschaftsvertreterin etwas differenzierter und anders: ZH) hat einen griffigen Gegenvorschlag entwickelt. Nachhaltigkeit betrifft immer auch nachhaltigen Schutz Der Nationalrat sagte viermal Ja dazu, Economie von Arbeitsplätzen, nachhaltiges Lösen von grossen Ge- suisse bekämpfte ihn vehement, der Ständerat setzte sellschaftsfragen und ökologische Überlegungen. In einer in letzter Minute eine Alibi-Alternative durch: Demokratie braucht es uns alle! Verantwortung hat da- Wie hast du diese dreijährige Odyssee erlebt?
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