JOURNAL 19 HERBST 2019 - Naturstiftung David

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JOURNAL 19 HERBST 2019 - Naturstiftung David
JOURNAL
      19                                                              H ER BST 2019

Fertig: Hängeseilbrücke
Mit Spannkraft über das Bärental ..............Seite 4

Schwierig: Trockenheit
Vom Umgang mit dem Buchensterben...... Seite 10

Eigenartig: Hirschkäfer
Wie dem Käfer geholfen wird .................. Seite 12

Nachhaltig: Elektromobile
Mit Schubkraft sauber unterwegs .......Seite 24

Wiehe Ausflugsziel.............................. S. 26
 Herausgegeben von der Naturstiftung David und dem Verein „Hohe Schrecke – Alter Wald mit Zukunft“
JOURNAL 19 HERBST 2019 - Naturstiftung David
ZU DI E SE M H E FT

     Liebe Anwohnerinnen,
     liebe Anwohner, lieb Gäste,
     liebe Leserin, lieber Leser,

     jetzt ist sie da, die verbindende Attraktion:
     Nach intensiver Planung und kurzer Bau-
     zeit spannt sich eine Hängeseilbrücke
     über das Bärental – und lockt schon seit
     den ersten Wochen deutlich mehr Besu-
     cher in die Hohe Schrecke. Verbindend ist
     dieses neue touristische Element, weil es
     sich einpasst in die Landschaft, weil es ein
     Bindeglied ist in der Kette der „Thüringer
     Urwaldperlen“ und natürlich weil es eine
     Brücke schlägt zwischen Naturerleben und
     Regionalentwicklung. Wie es dazu kam,
     welche Spannungen und Hängepartien es
     gab und warum am Ende dank Schweizer
     Präzision und beharrlicher Bürgerbeteili-
     gung der Brückenschlag durchaus gelun-
     gen erscheint – davon erzählt Ihnen dieses
     neue Journal. Gesprochen werden muss
     nach diesem zweiten trockenen Sommer
     in Folge auch von den Auswirkungen, die
     das Buchensterben in der Hohen Schrecke
     hat. Und natürlich informieren wir Sie wie
     gewohnt über alles Neue im Naturschutz-
     großprojekt und der Region.

     Viel Freude beim Lesen wünschen Ihnen
     der Verein „Hohe Schrecke – Alter Wald
     mit Zukunft“ und die Naturstiftung David

2 Hohe Schrecke Journal | Nr. 19
JOURNAL 19 HERBST 2019 - Naturstiftung David
Grußwort
Die Hohe Schrecke – das ist alter Laubwald
am Nordrand des Thüringer Beckens zwi-
schen Thüringen und Sachsen-Anhalt. In
den knapp 7.400 Hektar – davon circa 800
in Sachsen-Anhalt – umfassenden Laubwäl-
dern auf dem Höhenzug sind zahlreiche sel-
tene Tiere und Pflanzen beheimatet. Auf
circa 2.000 der 6.500 Hektar Wald auf Thü-       In einer Zeit intensiv geführter öffentlicher
ringer Gebiet soll sich wieder Urwald entwi-     Diskussionen über die Klimakrise und den
ckeln können.                                    Umwelt- und Naturschutz kann das Natur-
   Kommunen, Naturschützerinnen und Na-          schutzgroßprojekt der Naturstiftung David
turschützer, Waldbesitzende und der Touris-      ein Vorbild für weitere Vorhaben sein. Natur-
mus haben hier seit über einer Dekade bun-       schutz ist in der Hohen Schrecke ein entschei-
desweit ein Zeichen für das Miteinander          dender Bestandteil der Regionalentwicklung
von Naturschutz, Klimaschutz, Tourismus          geworden. Die Partizipation der Landnutzen-
und nachhaltige Regionalentwicklung ge-          den, der Kommunen und ihrer Einwohnerin-
setzt. Die Naturstiftung David trägt dabei als   nen und Einwohner wurde zu einem Grund-
Projektträger für das Naturschutzgroßpro-        prinzip erhoben. Das Ringen um die jeweils
jekt eine besondere Verantwortung und ko-        beste Lösung war von Anbeginn fester Be-
ordiniert die mit den Projektpartnern abge-      standteil des Projektmanagements. Das schuf
stimmten Maßnahmen.                              Akzeptanz für das Vorhaben.
   Von Anbeginn ging es darum, den alten            Ich freue mich auf eine weitere länderü-
Wald zu sichern und zugleich den Kommu­          bergreifende Zusammenarbeit im Interesse
nen und Landnutzenden Chancen für eine           der Regionen. Ich wünsche der Naturstif-
nachhaltige Regionalentwicklung einzuräu-        tung David und dem Hohe-Schrecke-Verein
men. So gelang es, die Region rund um das        weiterhin viel Erfolg bei ihren Projekten in
ehemalige Sperr- und Militärgebiet wieder        und um den „Alten Wald“.
für die Bevölkerung als attraktiven Natur-
raum und touristisch genutzten Lebensraum        Prof. Claudia Dalbert
zu gestalten. Die Hohe Schrecke versinnbild-     Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft
licht ein Stück gelebter deutscher Geschichte.   und Energie des Landes Sachsen-Anhalt
Rund um einen für den Kalten Krieg genutz­
ten Militärstandort ist heute eine Modellre­
gion für eine nachhaltige Entwicklung ent-
standen. Die Menschen vor Ort können ge-
meinsam mit dem Hohe-Schrecke-Verein und
der Naturstiftung David mit Stolz auf ihr Na-
turschutzgroßprojekt schauen.
                                                                                                                Foto: Thomas Stephan

                                                                               Hohe Schrecke Journal | Nr. 19     3
JOURNAL 19 HERBST 2019 - Naturstiftung David
A KTU E LLE S

   Schweben über dem Talgrund
   Nur etwa drei Jahre hat es gedauert von der Idee bis zur Fertigstellung der neuen Hängeseil-
   brücke. Die ersten Wochen nach der Eröffnung Anfang Oktober zeigen, dass die Region von
   dem in Natur, Landschaft und Wegenetz eingepassten Bauwerk profitieren kann.
   Wer auf der Brücke steht, spürt die sanf-      büro IPU aus Erfurt wiederum kümmerte         dem gab es den Wunsch nach einer sol-
   ten Bewegungen. 25 Meter hoch über             sich um die Gesamtkoordination sowie          chen Brücke auch in der Hohen Schrecke.
   dem Bärental bei Braunsroda wiegt sich         um Zuwegung, Ausschilderung und Park-
   die Brücke auf 180 Metern im Wind nach         plätze. Trotz der vielen Akteure dauerte      Small is beautiful
   links und rechts. Die Besucher, die zur        der eigentliche Bau der Brücke nur etwa       Es folgte ein längerer Planungsprozess.
   feierlichen Eröffnung am 1. Okober ge-         drei Monate. Philipp Tschenett war wäh-       Zuerst suchte das Planungsbüro IPU im
   kommen sind, müssen ihre Smartphones           rend dieser Zeit verantwortlich dafür,        Auftrag des Schrecke-Vereins nach geeig-
   sicherheitshalber einstecken, weil es so       dass alles pünktlich fertig wird. Tschenett   neten Standorten. Das war gar nicht so
   wackelig ist. Der feste Stand auf der Brü-     ist Geschäftsführer der Crestageo AG, ei-     einfach – denn richtig tiefe Täler gibt es
   cke ist wichtiger als ein Erinnerungsfoto      ner Schweizer Firma, die mit dem Bau          in der Hohen Schrecke kaum. Schnell kris-
   – man hält sich am besten mit beiden           der Brücke beauftragt war. „Bauverzöge-       tallisierte sich das Bärental als optimaler
   Händen an dem Geländer der Brücke fest.        rungen waren für uns nie ein Thema“,          Standort heraus. Hier ließ sich eine Brü-
   Doch die Brücke bewegt sich nicht nur          sagt Tschenett. „Wir in der Schweiz sind      cke am besten in das Wanderwegenetz in-
   wegen des Windes, sondern wegen der            immer pünktlich, das kennen wir nicht         tegrieren. Gleichzeitig liegt das Tal nahe
   vielen Menschen, die auf ihr laufen. Prob-     anders“, fügt er hinzu und lächelt. Kein      genug an öffentlichen Straßen und außer-
   lematisch ist die Last allerdings nicht. 270   Wunder, denn die Firma aus dem schwei-        halb des Naturschutzgebietes. Am Anfang
   Kilogramm pro Quadratmeter trägt der           zerischen Chur hat sich auf den Brücken-      stand die Idee einer sehr großen Brücke
   85 Zentimeter breite Holzboden durch           bau spezialisiert. Ursprünglich war das       über das Bärental. Verein und Kyffhäu-
   die massive Konstruktion, also etwa drei       Kerngeschäft der Firma die Sicherung          serkreis holten Hans Pfaffen, den Planer
   bis vier Personen pro Quadratmeter.            der Berge vor Naturgefahren. Im Schwei-       der Geierlay-Brücke, nach Braunsroda. Mit
                                                  zer Gebirge setzten sie Anker und deckten     ihm und seinen Erfahrungen, so war man
   Viele Beteiligte                               Felswände ab, um vor Lawinen und Stein-       sich sicher, würde die Brückenidee schnell
   Die Hängeseilbrücke ist ein Projekt des        schlägen zu schützen. Doch seit einigen       verwirklicht werden können. Doch die
   Hohe-Schrecke-Vereins. Umgesetzt wurde         Jahren bauen sie nun vor allem Brücken,       Kommunikation hakte am Anfang etwas.
   es mit vielen Partnern. Allen voran dem        zwei davon stehen bereits in Deutschland.     Statt wie erwartet schnell die Ärmel hoch-
   Kyffhäuserkreis, der im Auftrag des Ver-       Die eine führt in Inzigkofen in Baden-        zukrempeln und eine Brücke zu planen,
   eins für Ausschreibung, Vergabe und Bau-       Württemberg über die Donau. Die andere        nahm der charmante Schweizer Bau-
   überwachung zuständig war. Die Natur-          wurde in Mörsdorf im Hunsrück gebaut.         künstler zur Verwunderung vieler zuerst
   stiftung David stellte die Grundstücke zur     Das dortige Bauwerk war auch das Vorbild      einmal Witterung in der Landschaft auf.
         Verfügung und übernahm die natur-        für die Bärental-Brücke. Im Frühjahr 2017     Ihm ging es darum, ein Gespür für das
                 schutzfach­liche Begleitung.     hatten der Hohe-Schrecke-Verein und die       Gebiet und seine Besonderheit zu bekom-
                                Das Planungs-     Landrätin des Kyffhäuserkreises die Gei-      men und daraus dann eine konkrete Pla-
                                                  erlay-Brücke im Hunsrück besucht. Seit-       nungsidee zu entwickeln. In dieser Idee

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vereinte er dann Schwung und Schwin-          tung sowie eine ökologische Bauüberwa-
gung. Pfaffen wies darauf hin, dass das       chung.
zu überspannende Tal zu klein für eine
sehr lange Brücke sei. Er schlug stattdes-    Schweizer Präzisionsarbeit
sen den Bau dreier kleiner Brücken rund       Nach dem Planungsvorlauf konnte Mitte
um das Bärental vor – einen Brückenpfad.      Juni mit dem eigentlichen Bau der Brü-
Das wäre jedoch sehr teuer geworden –         cke begonnen werden. Fünf Mitarbei-
und auch ein zu starker Eingriff in den Na-   ter von Philipp Tschenett waren seitdem Einbringen der Zeitkapsel ins Brückenfundament
turraum. Deshalb blieb es bei einer (klei-    auf der Baustelle im Einsatz. Fachlich war
neren) Brücke – durchdacht bis ins Detail.    der Bau der Brücke kein Problem. „Das ist
So ist der Bodenbelag aus wetterbeständi-     für uns wie Lego spielen“, sagt Tschenett
gen Lärchenbohlen angelegt – und nicht,       verschmitzt. „Man setzt nur Teile zusam-
wie auch denkbar, aus metallischen Gitter-    men“. Etwas mehr steckt dann aber doch
rosten. Das Holz hat unter anderem den        dahinter: Zuerst wurden große Stahlzy-
Vorteil, dass auch Hunde gut über die Brü-    linder in den Sandstein getrieben, die so-
cke geführt werden können.                    genannten Bodenanker. Jeweils sechs am
                                              westlichen und sechs am östlichen Rand
Herausforderung Naturschutz                   der Brücke. Jeder Anker war 15 Meter lang.
Der Brückenstandort liegt zwar nicht im       Danach wurden die Betonfundamente
Naturschutzgebiet Hohe Schrecke – die         gegossen. Bei einer kleinen Feierstunde
Flächen wurden der Naturstiftung David        mit Landrätin Antje Hochwind-Schnei-
aber als „Nationales Naturerbe“ von der       der ist dabei am 12. August auch eine
Bundesrepublik Deutschland zum Zweck          Zeitkapsel mit einer aktuellen Tageszei-
des Naturschutzes übertragen. Die Stif-       tung und verschiedenen Planungsunter-
tung konnte die Flächen für den Brücken-      lagen einbetoniert. Anschließend konn-
bau deshalb nur mit Erlaubnis des Bun-        ten die ersten Sicherungsseile gespannt
desumweltministeriums zur Verfügung           werden. Die tragenden Seile sind präzise
stellen. Diese Zusage gab es erst, als die    auf Länge geschnitten. Nur ein Millime-
Naturstiftung eine größere Ausgleichsflä-     ter Unterschied hätte sofort Auswirkun-
che für das Nationale Naturerbe in der        gen auf die Stabilität. Planer Hans Pfaffen
Hohen Schrecke zur Verfügung gestellt         hatte sich bei der Berechnung der Statik
hat. Auch die Naturschutz- und Forstbe-       bewusst dafür entschieden, den maxima-
hörde hatte die Planungen genau geprüft.      len Durchhang auf fünf Meter zu begren-
Das Forstamt verfügte eine Ersatzpflan-       zen. Nimmt der Durchhang der Brücke
zung für die Bäume, die den Brücken-          zu, verringert sich gleichzeitig die Höhe
fundamenten weichen mussten. Und das          über Grund. Im Bärental hatte man sich
Naturschutzamt forderte unter anderem         für die Höhe entschieden – entsprechend
eine möglichst kleine Baustelleneinrich-      straff mussten die Seile gespannt werden.

                                                                                                                                       Foto: Stefan Schwill (Panorama), Philipp Einicke, IPU GmbH (1)

                                                                                                     Hohe Schrecke Journal | Nr. 19          5
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mussten 30 meist junge Bäume gefällt
                                                                                                                                 werden. Kurz vor der Eröffnung mussten         Kritik an der Brücke
                                                                                                                                 auf der Braunsrodaer Seite noch zahlrei-       Über eintausend Unterschriften
                                                                                                                                 che abgestorbene Lärchen eingeschlagen         gegen „ökologischen Massentouris-
                                                                                                                                 werden: „Diese Fällungen haben nichts          mus“ in der Hohen Schrecke waren
                                                                                                                                 mit dem Brückenbau zu tun – die Bäume          im Herbst 2018 gesammelt worden.
                                                                                                                                 hätten aufgrund ihrer Schäden ohne-            Viele Menschen sahen die Planung
                                                                                                                                 hin entnommen werden müssen“, so die           der Hängeseilbrücke kritisch. Das lag
                                                                                                                                 Försterin im Naturschutzgroßprojekt.           vor allem auch an Gerüchten über
                                                                                                                                                                                Größe und Erschließung der Brücke.
                                                                                                                                 Kosten im Plan                                 Eine Bürgerversammlung und Bau-
                                                                                                                                 Steigende Kosten werden bei fast jeder         stellen-Exkursionen machten den
                                                                                                                                 Baumaßnahme kritisiert. Doch die Hänge­        Planungsprozess transparent. Inzwi-
                                                                                                                                 seilbrücke ist nicht nur in Rekordzeit um-     schen hat sich die Stimmung deut-
                                                                                                                                 gesetzt worden – auch die Kosten blei-         lich gewandelt. Viele Einwohner
                                                                                                                                 ben am Ende genau im vorhergesagten            freuen sich über den neuen Attrak-
          Baufortschritt Mitte August                                                                                            Rahmen. 1,1 Millionen Euro hat der Bau         tionspunkt. Dennoch gibt es auch
                                                                                                                                 insgesamt gekostet – inklusive Planung,        weiterhin einige kritische Stimmen.
          Alles unter Kontrolle                                                                                                  Genehmigung, Zuwegung, Baustellenein-          Manche meinen, dass das Geld für
          Die Baustelleneinrichtung beschränkte                                                                                  richtung und Ersatzmaßnahmen für den           die Brücke besser für das Anpflan-
          sich auf eine sehr kleine abgezirkelte Flä-                                                                            Eingriff in die Natur. Etwa 1 Million ka-      zen von Bäumen hätte genutzt wer-
          che. Für das östliche Brückenfundament                                                                                 men aus einem mit EU-Mitteln kofinan-          den sollen. Andere verweisen darauf,
          musste keine gesonderte Baufläche einge-                                                                               zierten Förderprogramm des Thüringer           dass vor allem rund um Braunsroda
          richtet werden – die Versorgung erfolgte                                                                               Umweltministeriums. Die landeseigene           Wege zugeparkt werden und der
          von der westlichen Talseite aus mit einer                                                                              Stiftung Naturschutz Thüringen gab             kleine Ort mit den vielen Besuchern
          Seilbahn. Für die Schweizer Baufirma                                                                                   50.000 Euro dazu und jeweils 25.000 Euro       überfordert sei. Für den Hohe-Schre-
          war das alles kein Problem – man ist ge-                                                                               haben der Hohe-Schrecke-Verein sowie           cke-Verein ist jedoch klar: Die Inves-
          wohnt, mit sehr wenig Platz zu bauen.                                                                                  der Kyffhäuserkreis eingebracht.               tition wird dazu dienen, die Regio-
          Die Baustraße wurde auf einem Fließ an-                                                                                                                               nalentwicklung zu fördern. Und für
          gelegt, so dass sie noch vor Eröffnung der                                                                             Die Zweifler überzeugen                        den Ort Braunsroda werden schritt-
          Brücke wieder beseitigt werden konnte.                                                                                 Für die Bauleute der Crestageo AG aus          weise Verbesserungen umgesetzt.
          Gerlinde Straka von der Naturstiftung                                                                                  der Schweiz wurde Braunsroda in die-
          David war während der Bauphase fast je-                                                                                sem Sommer zu ihrem zweiten Zuhause.
          den Tag auf der Baustelle. Probleme gab                                                                                Im Ort haben sie sich wohlgefühlt, er-        Samstag, als sie die Baustelle verlassen
          es kaum. Als auf der Ostseite eine Rubi-                                                                               zählt Geschäftsführer Tschenett. Doch         hatten“. Material und verschiedene Werk-
          nie für den Brückenbau gefällt werden                                                                                  auf der Baustelle wurde ihnen anfänglich      zeuge wurden gestohlen, Geräte mutwil-
          mussten, ließ die Stiftungsmitarbeiterin                                                                               ein anderes Bild vermittelt. „Meine Firma     lig zerstört. Philipp Tschenett kann nach-
          vorher noch einmal untersuchen, ob sich                                                                                hatte in den ersten Wochen Probleme mit       vollziehen, dass einigen Menschen so ein
          hier nicht zufällig gerade ein Fledermaus-                                                                             Vandalismus und Diebstahl“, sagt Phi-         Eingriff in die Natur nicht passt. „Wenn
          Quartier befindet. „Rückblickend lässt                                                                                 lipp Tsche­nett. „Wenn meine Kollegen         eine Region wie hier aber eigentlich vom
          sich sagen, dass es gelungen ist, beim                                                                                 am Mon­tag­morgen gekommen sind, sah          Tourismus abgelegen ist und wenn man
          Bau der Brücke die Eingriffe auf das ab-                                                                               es manchmal nicht mehr so aus wie am          was bauen kann, um den Tourismus an-
          solut notwendige Maß zu beschränken“,                                                                                                                                zukurbeln, profitiert doch die ganze Re-
          so Gerlinde Straka. Für den Brückenbau                                                                                                                               gion“. So ähnlich sieht das auch Dagmar
                                                                                                                                                                               Dittmer als Vorsitzende des Hohe-Schre-
                                                                                                                                                                               cke-Vereins. „Wir haben eine Attraktion
                Wie komme ich zur Brücke?                                                                                                                                      gesucht in der Hohen Schrecke. Nur ein-
                Mit der Bahn (nur Sa/So): Haltepunkt Reinsdorf                                                                                                                 fach durch den Wald zu laufen, ist zu ge-
                b. Artern. Der Landstraße in Richtung Ort folgen.                                                                                                              wöhnlich, dafür kommen die Besucher
                In den ersten Weg rechts einbiegen. Nächsten                                                                                                                   nicht zu uns. Mit der Brücke wollen wir
                Weg (nach ca. 100 Metern) links in die Riedgasse.                                                                                                              Menschen anlocken, die sich dann bei uns
                                                                           Foto: Joao Paolo da Cruz,
                                                                                                       CRESTAGEO AG

                Dann über die Hauptstraße in die Ortsmitte und                                                                                                                 erholen“, sagt sie. Dabei soll die neue Brü-
                vor dort die Bergstraße zur Bundesstraße. Diese                                                                                                                cke zwar ein Highlight werden, sich aber
                                                                          Herausgeber: Hohe Schreck
                                                                                                      e–
                                                                         Alter Wald mit Zukunft
                                                                                                  e.V.,
                                                                         Heidelbergstraße 1, 06577
                                                                                                    Braunsroda
                überqueren und der Ausschilderung zur Hänge-             Titelfoto: Matthias Bohnm
                                                                         Gestaltung und Landka
                                                                                                    ag, IPU GmbH
                                                                                                rten: arnolddesign.de
                                                                                                                                                                               einpassen in ein Netz attraktiver Wander-
                seilbrücke durch die abwechslungsreiche Kultur-                                                                                                                wege. „Im Grunde ist das Bauwerk eine
                                                                         Kartengrundlage Wander
                                                                                                  karte: © GeoBasisDE/TL
                                                                                                                                                                                                                              Foto: Philipp Einicke, IPU GmbH

                                                                                                                        VermGeo 2016

 Anfahrt: Autobahn A71
                landschaft folgen: 4 km.
   Richtung Braunsroda
 Parkplatz: Wanderparkp
                          Abfahrt 3 Heldrungen,                          Der Bau der Brücke wird
                                                                        Ministeriums für Umwelt
                                                                        päischen Landwirtschaft
                                                                                                  durch die finanzielle Unterst
                                                                                                  , Energie und Umweltschutz
                                                                                                                                ützung des Thüringer
                                                                                                                                (TMUEN), des Euro-
                                                                                                                                                                               Mischung aus Brücke, Aussichtsturm und
                           latz Braunsroda,                                                      sfonds für die Entwicklung
                Mit dem Auto: A 71, Abfahrt Heldrungen. Wan-
   ab Ortseingang ausgeschildert
 Bus/Bahn: Zug bis Bahnho
                             f Heldrungen,
                                                                        (ELER) und der Stiftung
                                                                        Hier investieren Europa
                                                                                                 Naturschutz Thüringen
                                                                                                und der Freistaat Thüring
                                                                                                                             des ländlichen Raums
                                                                                                                         ermöglicht.                                           Baumkronenpfad“, fasst die Vereinsvor-
   Bus bis Haltestelle Brauns
                derparkplatz Braunsroda. Vom Parkplatz aus der                                                                                                                 sitzende die Idee der Hängeseilbrücke zu-
                              roda                                                                                       en in die ländlichen Gebiete
                                                                                                                                                     .

Die Hängeseilbrücke ist
                Ausschilderung Hängeseilbrücke bzw. dem En-
Wanderziel ab Braunsroda
                        seit der Eröffnung im Oktobe
                            und Reinsdorf mit grünen
„Zur Hängeseilbrücke“ ausgesc
                                                       r 2019 als
                                                       Wegweisern
                                                                                                                                                         Hängeseilbrücke       sammen. Es sei zum einen ein Ausflugs-
                                                                                                                                                         Bärental
                               hildert. Der direkte Hin-
                zianwiesenweg folgen.
weg je Startpunkt beträgt
                          insgesamt ca. 6 km. Eine
und Beschilderung ab Gehofe
                             n ist vorgesehen.
                                                         und Rück-
                                                    Wegeführung
                                                                     Gefördert durch
                                                                                                                                                                               ziel von Braunsroda, Reinsdorf, Gehofen
                                                                                                                      Unterstützt
                Siehe: https://tourismus.hohe-schrecke.de                                                                                                                      oder Oberheldrungen, zugleich aber auch
                                                                     die Stiftung
                                                                     Naturschutz                                      durch den
                                                                     Thüringen                                        Kyffhäuserkreis                    Wege in die Wildnis
                                                                                                                                                                               Teil des Wegeverlaufes des Thüringer Ur-
                                                                                                    ier.
                                                                                  100% Recyclingpap
                                                                     Gedruckt auf

 6 Hohe Schrecke Journal | Nr. 19
JOURNAL 19 HERBST 2019 - Naturstiftung David
Impressionen von der feierlichen Eröffnung Anfang Oktober

                                                                     waldpfads in der Hohen Schrecke. Wie                Die ersten Wochen                          Aus dem Brückenbuch
                                                                     am Rand der Eröffnung zu hören war,                 Sehr schnell hat sich die Hängeseil-       „Sehr schöner Wanderweg zur Brücke
                                                                     sollen diese Argumente und vor allem die            brücke zu einem Tourismus-Magnet            und eine tolle Brücke mit herrlicher
                                                                     konkrete Ansicht des Bauwerks inzwi-                entwickelt. Und das, obwohl die Brü-        Aussicht.“
                                                                     schen die Stimmung auch bei vielen Kri-             cke mit einem rund drei Kilometer           Gabi, Ulli, Wilfried, Christine
                                                                     tikern zum besseren gewandelt haben.                langen Fußmarsch erwandert werden
                                                                                                                         muss und nicht direkt mit dem Auto         „Zum Tag der deutschen Einheit sind
                                                                     Physik am Karabinerhaken                            angefahren werden kann. Mit einem           wir ‚schwankend‘ und freudig über
                                                                     Bei der Eröffnung am 1. Oktober konn-               so hohen Andrang hatte der Hohe-            diese schöne Brücke gelaufen. Ein schö­
                                                                     ten die rund 100 Gäste Zeuge werden                 Schrecke-Verein nicht gerechnet. Des-       nes Wanderziel ist hier entstanden.“
                                                                     von gleich mehreren Überraschungs-                  halb gab es in den ersten Tagen Prob-       Heimatverein Olbersleben
                                                                     effekten. Den ersten brachte Architekt              leme mit überfüllten Parkplätzen und
                                                                     Hans Pfaffen aufs Trapez: Er kündigte               fehlenden sanitären Einrichtungen.         „Grandioses Naturerlebnis in diesem
                                                                     an, Supersprinter Usain Bolt auf die Brü-           Hierauf wurde – nicht zuletzt auch          wunderschönen ursprünglichen Wald!
                                                                     cke zu holen. Dessen Management habe                Dank der Stadt An der Schmücke –            Wir kommen bestimmt bald wieder!“
                                                                     schon zugestimmt, so Pfaffens standfeste            schnell reagiert. Der Parkplatz konnte      Susanne und Hella
                                                                     Antwort auf mehrmaliges, ungläubiges                erweitert und mobile Toiletten aufge-
                                                                     Nachfragen. Deutlich handfester war die             stellt werden. Weitere Verbesserun-        „Extra aus Leipzig angereist, beglück-
                                                                     Lektion, die David Baselgia, stellvertre-           gen sind in Planung. So sollen spätes-      wünschen wir Sie zu dieser schönen
                                                                     tender Crestageo-Geschäftsführer, in Sa-            tens zum Beginn der Wandersaison            Brücke. Wir freuen uns schon auf
                                                                     chen Brückenstatik abhielt: Er bat die              2020 an der Brücke auch Bänke und           den im nächsten Jahr begehbaren Ur-
                                                                     anwesende Umweltministerin Anja Sie-                eine Infotafel stehen.                      waldpfad und begeben uns jetzt ganz
                                                                     gesmund und eine Schülerin aus der Re-                                                          in Familie auf die ‚Wackelbrücke‘.“
                                                                     gion, ein Drahtseil so zu halten, dass es                                                       Roland, Karin, Andé, Annika, Julian
                                                                     ungefähr im gleichen Bogen wie bei der           straff gespannnten Seils aufgenommen           und David
                                                                     Brücke durchhängt. Sozusagen ein Mo-             werden müssen. Unter großem Lachen
                                                                     dell der Hängeseilkonstruktion auf fünf          und mit viel guter Laune waren sich alle      „Eine super Idee, diese Brücke!
                                                                     Metern Länge. Dann hängte er an einem            an diesem Tag einig: Diese Hängeseilbrü-       Wir sind begeistert und haben schon
                                                                     Karabiner einen Rucksack an das Seil             cke wird ein ganz besonderes Eingangs-         Bilder gemacht und verschickt.“
                                                                     – im maßstäblichen Verhältnis war die-           tor zu einem ganz besonderen Walder-           Fam. Jung
                                                                     ser ungefähr so schwer wie die Brücke            lebnis. Und das „Brückenbuch“ – eine Art
                                                                     mit ihren Besuchern. Die beide Frauen            Gipfelbuch für alle, die den schwanken-
                                                                     hatten ordentlich zu tun, um den Bogen           den Gang schwebend überm Talgrund
Fotos: Melanie Kleinod (1), Fabian Brenner (1), Stephan Arnold (1)

                                                                     gespannt zu halten: Ein experimentel-            gut absolviert haben – wird wohl von vie-
                                                                     ler Nachweis für die ungeheuer großen            len Erlebnissen auf diesem sehr besonde-
                                                                     Kräfte, die durch die Konstruktion des           ren Pfad erzählen.

                                                                     Projekt Hängeseilbrücke
                                                                     Projektträger und       Projektpartner:          Projektplanung:        Projektrealisierung:   Projektfinanzierung:
                                                                     Eigentümer:

                                                                                                                                                                             Hohe Schrecke Journal | Nr. 19    7
JOURNAL 19 HERBST 2019 - Naturstiftung David
A KTU E L L E S

   Neue Wildnisgebiete
   in der Hohen Schrecke
   Weil das Land neue Wildnisflächen ausweisen wollte, wird zukünftig auf weiteren 220 Hektar
   Waldflächen in der Hohen Schrecke dauerhaft die Säge ruhen. Das entspricht den Zielen des
   Naturschutzgroßprojektes – trotzdem hatte die Naturstiftung David einige Bedenken.
   Zentrale Bereiche der Hohen Schrecke ge-     Garnbach und östlich der Straße Wiehe – Planungsprozess in den Jahren 2009 bis
   hörten zum früheren Militärübungsplatz       Lossa konnte die LEG weiterhin forstwirt- 2012. Damals war die Stiftung unter an-
   „Lossa“ der Sowjetischen Streitkräfte.       schaftlich nutzen.                        derem mit dem Vorschlag ins Rennen ge-
   Nach der Wiedervereinigung übernahm                                                    gangen, die alten Wälder oberhalb Garn-
   zuerst die Bundesrepublik die Militärflä-    Neue Strategie des Landes                 bachs aus der Nutzung zu nehmen. Die
   che, später wurde der Flächenteil in Thü-    Im Jahr 2014 hat die Landesregierung in Region war nicht gegen Waldwildnis –
   ringen an das Land übertragen. Dieses        ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, thü- aber gegen ungenutzte Wälder direkt vor
   verwaltete die ehemalige Militärfläche       ringenweit fünf Prozent der Waldflächen der Haustür. Die Stiftung nahm deshalb
   in einem von der Landesentwicklungs-         aus der forstwirtschaftlichen Nutzung vom ursprünglichen Plan Abstand. Soll-
   gesellschaft (LEG) betreuten Sonderver-      zu nehmen. Lange wurde diskutiert, wel- ten die Wälder nun doch aus der Nutzung
   mögen. Aus dem Sondervermögen her-           che Gebiete dauerhaft der Natur überlas- genommen werden – so die Befürchtung
   aus wurden 2007 und 2013 Teilflächen         sen werden sollen. Auch die 460 Hektar von Adrian Johst – würden der Stiftung
   an Privatpersonen verkauft. Als das Na-      nutzbare Waldfläche in der Hohen Schre- möglicherweise Taschenspielertricks un-
   turschutzgroßprojekt im Jahr 2013 in die     cke wurden dafür vorgeschlagen. Für die terstellt. Die Stiftung bat deshalb das
   Umsetzungsphase startete, war eine För-      Naturstiftung David als Träger des Na- Land, nur einen Teil der 460 Hektar für
   derbedingung des Bundesumweltminis-          turschutzgroßprojektes ein kleines Di- die landesweite Wildnis-Kulisse vorzuse-
   teriums, dass ab sofort keine Flächen in     lemma: „Natürlich haben wir uns einer- hen.
   der Hohen Schrecke mehr an Privatper-        seits gefreut, dass in der Hohen Schrecke
   sonen veräußert werden. Zuvor hatte der      in weiteren Waldbereichen dauerhaft die Schwierige Verhandlungen
   Freistaat Thüringen sich bereits selbst      Säge ruhen soll. Aber es waren hierbei Für zusätzliche Wildnisflächen in der Ho-
   verpflichtet, zentrale Flächen des Sonder-   auch Flächen vorgesehen, die wir gemein- hen Schrecke waren fortan 220 Hektar
   vermögens nicht mehr forstlich zu nut-       sam mit den Kommunen beim Start des vorgemerkt – ohne diese näher zu loka-
   zen. Lediglich Restflächen im Umfang         Naturschutzgroßprojekts ausgeschlossen lisieren. Im Herbst 2018 musste es dann
   von 460 Hektar nordwestlich der We-          haben“, so Adrian Johst von der Stiftung. plötzlich ganz schnell gehen. Und es gab
   gekreuzung Wetzelshain, nördlich von         Der Geschäftsführer verweist auf den eine neue Herausforderung: Das Thürin-

                                                                                                                                     Landkarte: Stephan Arnold. Kartengrundlage: GeoBasisDE / TLVermGeo 2016

8 Hohe Schrecke Journal | Nr. 19
JOURNAL 19 HERBST 2019 - Naturstiftung David
ger Wirtschaftsministerium benötigte für   promiss gefunden. Einerseits gab es am        wie beim Rabenswaldweg oder bei der
                        zwei Infrastrukturprojekte im Thüringer    Ende mehr Wildnisflächen als ursprüng-        Hänge­seilbrücke wird diese Tendenz zu-
                        Wald dringend Fläche von Thüringen-        lich vorgesehen – auf der anderen Seite       künftig weiter verstärkt“, so Adrian Johst.
                        Forst. Die LEG bot daraufhin die forst-    sind nun genau doch diejenigen Flächen        Und um das Brennholz müsse man sich
                        lich nutzbaren Waldflächen in der Hohen    für eine forstliche Nutzungsaufgabe vor-      keine Sorgen machen. In unmittelbarer
                        Schrecke als Tauschfläche an. Thüringen-   gesehen, für die das beim Projektstart        Nachbarschaft zu den neuen wilden Wäl-
                        Forst stimmte dem Tausch jedoch nur        noch ausgeschlossen wurde. „Ich kann          dern oberhalb von Garnbach lägen weiter-
                        unter der Bedingung zu, dass sie in der    nur hoffen, dass dies nicht zu einer Ver-     hin nutzbare Waldflächen – unter ande-
                        Hohen Schrecke eine kompakte und zu-       ärgerung in der Region führt“, so der Stif-   rem auch die neue ThüringenForst-Fläche
                        sammenhängende Fläche erhalten. Hier-      tungsgeschäftsführer. Er verweist aber        am Wetzelshain. Hier sei eine Brennholz-
                        bei handelte es sich um die Teilfläche     auch darauf, dass in den letzten Jahren       selbstwerbung ebenso wie in anderen Be-
                        nordwestlich der Kreuzung Wetzelshain      ein starkes Vertrauen gegenüber der Ar-       reichen der Hohen Schrecke weiter mög-
                        – welche die Naturstiftung David auch      beit der Stiftung gewachsen sei: „Die Re-     lich. Auch das Thema Brandschutz werde
                        für die Wildnisentwicklung vorgesehen      gion sieht, dass insbesondere wilde und       nicht vernachlässigt. Die Stiftung werde
                        hatte. Es seien sehr schwierige Verhand-   ungenutzte Wälder zahlreiche Naturin-         sich dafür einsetzen, dass vor der spätes-
                        lungen gewesen, so erinnert sich Adrian    teressierte aus Nah und Fern anziehen.        tens für das Jahr 2029 geplanten Einstel-
                        Johst. Am Ende habe man einen Kom-         Mit einer entsprechenden Infrastruktur        lung der forstlichen Nutzung in den Na-
                                                                                                                 delwaldbereichen noch ein Waldumbau
                                                                                                                 erfolgt. Auch die Forstwege würden in
                                                                                                                 diesem Bereich alle erhalten bleiben.

                                                                                                                 Flächentausch möglich
                                                                                                                 Adrian Johst von der Naturstiftung David
                                                                                                                 möchte nicht ausschließen, dass es in den
                                                                                                                 nächsten Jahren noch den einen oder an-
                                                                                                                 deren Flächentausch gibt. „Unser Ziel
                                                                                                                 ist es, dass die zukünftige Wildnisfläche
                                                                                                                 möglichst kompakt und nicht zu ausge-
                                                                                                                 franst ist“. Deshalb sei es durchaus denk-
                                                                                                                 bar, dass einzelne Flächen, die jetzt als
                                                                                                                 Wildnisflächen deklariert sind, zukünf-
                                                                                                                 tig doch wieder genutzt werden – weil
                                                                                                                 der Wildnis-Status auf andere Flächen im
                                                                                                                 Waldinneren übertragen wird. Am Ende
                                                                                                                 wird es – so ist sich Adrian Johst sicher
                                                                                                                 – eine Lösung geben, mit der alle gut le-
                                                                                                                 ben können.
Fotos: Thomas Stephan

                                                                                                                            Hohe Schrecke Journal | Nr. 19     9
JOURNAL 19 HERBST 2019 - Naturstiftung David
NATU RSC H UTZ

    Von Dürre, Buchensterben
    und Waldumbau
    Nach zwei trockenen Jahren in Folge hat sich die Situation in Thüringens Wäldern zugespitzt:
    Nun gehört auch die Buche zu den Baumarten, die massiv unter dem Wassermangel leiden.
    Was bedeutet das für die Hohe Schrecke?
    Auf dem Weg von Wiehe nach Garnbach            Buchenbestände auswirken werde. Jetzt        weile so ausgetrocknet, dass sich in den
    sind die Schäden deutlich zu sehen. Ein-       ist auch er überrascht: „Wir haben alle      Poren des Lößlehms kaum mehr Was-
    zelne Buchen sind vollständig abgestor-        nicht damit gerechnet, dass das so schnell   ser befindet. Zudem kann der Boden bei
    ben. Die vertrockneten, blätterlosen Kro-      geht“, so der Nationalparkleiter.            den kurzen Regengüssen das Wasser gar
    nen heben sich deutlich von den noch                                                        nicht aufnehmen. Damit stehen die Bu-
    laubtragenden Bäumen ab. Seit Mona-            Buchen stehen auf dem Trockenen              chen buchstäblich auf dem Trockenen.
    ten beobachtet Gerlinde Straka, Waldex-        Das Hauptproblem, darin sind sich die        Der angeschlagene Baum kann sich im-
    pertin der Naturstiftung David, wie sich       Waldexperten einig, ist die Bodentrocken-    mer schlechter gegen Schädlinge wehren.
    die Trockenschäden in der Hohen Schre-         heit. Der für die Hohe Schrecke in wei-      Zum ersten Mal traten dieses Jahr auch
    cke ausbreiten. Besonders besorgniserre-       ten Teilen typische Lößlehmboden spei-       vermehrt Buchenschädlinge wie der Bu-
    gend sei dabei, dass nicht nur alte oder       chert von Natur aus eigentlich sehr gut      chenprachtkäfer auf.
    der Sonne stark ausgesetzte Buchen be-         das Wasser. Aber gerade das wird jetzt
    troffen seien, sondern auch junge Bäume.       zum Problem. Aufgrund des in der Re-         Prognosen kaum möglich
    So wie hier sieht es in diesem Sommer          gel das ganze Jahr über gut durchfeuch-      Wird die Buche somit langfristig aus den
    auch in vielen anderen Regionen Thü-           teten Bodens konnte sich die Buche hier      Wäldern Thüringens verschwinden? Sol-
                                                                                                                                             Foto: Thomas Stephan

    ringens aus. Selbst im Nationalpark Hai-       gut durchsetzen und zu so stattlichen        che Prognosen, so Nationalparkleiter Groß-
    nich. Nach dem heißen Sommer 2018              Höhen hinaufwachsen – ohne dabei mit         mann, könne niemand abgeben. Und
    hatte Nationalparkleiter Manfred Groß-         ihren Wurzeln zu sehr in die Tiefe ge-       warnt zugleich vor voreiligen Schlüssen.
    mann noch verlauten lassen, dass die Tro-      hen zu müssen. Doch durch die fehlen-        Eine Einschätzung, die auch Anett Wenzel
    ckenheit sich allenfalls langfristig auf die   den Niederschläge ist der Boden mittler-     teilt: „Baumarten, die wie die Buche seit

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Jahrhunderten an das Klima Mitteleuropas      amtsleiter plädiert für einen möglichst      suchsfeld angelegt. Dort wird beispiels-
                             angepasst sind, jetzt gänzlich abzuschrei-    behutsamen Umbau der Wälder. So soll         weise die Anbaueignung der Libanon-
                             ben, das wäre fatal“. Die Forstexpertin ar-   man die toten Bäume auch einfach ein-        Zeder für die trocken-warme Region
                             beitet als Referatsleiterin im Forschungs-    mal im Wald liegen lassen. Damit könne       langfristig erforscht. Sie braucht deutlich
                             zentrum von ThüringenForst in Gotha und       sich ein günstiges Mikroklima bilden und     weniger Wasser als heimische Baumar-
                             ist dort für die Themen Waldschutz und        die Sämlinge neuer Bäume seien besser        ten. Aber wie viele andere Baumarten
                             Umweltmonitoring zuständig. In der Fra-       vor Rehen und anderen pflanzenfressen-       reagiert auch sie empfindlich auf Frost.
                             ge nach dem richtigen Umgang mit den          den Tieren geschützt.                        „Wer sagt denn, dass es in unserer Region
                             Trockenschäden rät sie zu mehr Gelassen-         Auch Gerlinde Straka von der Natur-       trotz Klimawandels nicht auch mal wie-
                             heit: „Ich vertraue darauf, dass die Natur    stiftung David fordert ein Umdenken          der einen richtigen Winter oder kräftige
                             sich an die neuen Bedingungen anpassen        bei der Bewirtschaftung der Wälder. Be-      Spätfröste gibt?“, fragt Anett Wenzel. Ih-
                             wird.“ Sie verweist im Fall der Buchen        standsschonende Bewirtschaftungsfor-         rer Meinung nach sei es richtig, sich nach
                             vor allem auf die genetische Vielfalt der     men müssten weiterentwickelt werden.         Alternativen umzuschauen. Aber die allei-
                             Baum­art. Schon jetzt ließen sich junge       Als Beispiel verweist sie auf das sensible   nige Lösung sei das auch nicht. Gerlinde
                             Buchen beobachten, die ganz offensicht-       Feinwurzelsystem, über das die Bäume         Straka ergänzt: „Viele meinen jetzt, die
                             lich besser an die Trockenheit angepasst      miteinander kommunizieren. Wird die-         Douglasie könne ein Ersatz für die Fichte
                             seien und beispielsweise tiefer führende      ses Wurzelsystem durch den Einsatz           sein. Aber in Rheinland-Pfalz habe ich vor
                             Wurzeln ausbilden würden.                     schwerer Forstmaschinen zerstört, ster-      kurzem flächig abgestorbene Douglasien-
                                                                           ben die betroffenen Bäume schneller          Bestände gesehen.“
                             Behutsam agieren                              ab. Ein anderes Problem ist die Boden-
                             Doch wie kann der Wald sich am besten         verdichtung. Durch den Einsatz schwe-        Aktionismus vermeiden
                             an die veränderten Wetterbedingungen          rer Forstgeräte hat sich der Boden an vie-   Am Ende – darin sind sich die Waldex-
                             anpassen? Und sollte der Mensch in die-       len Stellen im Wald so stark verdichtet,     perten einig – darf es keine neuen Mo-
                             sen Prozess eingreifen? Hier gehen die        dass er das Wasser kaum mehr speichern       nokulturen geben, sondern einen breiten
                             Meinungen der Waldexperten auseinan-          kann. Regnet es, bleibt das Wasser nicht     Mix an verschiedenen Baumarten. Und
                             der. Während die einen vor allem eine         mehr im Boden, sondern fließt durch die      hier kann die Natur selbst viele Hinweise
                             aktive Wiederaufforstung fordern und          Rückegassen wieder ab.                       geben: Die Wildnisflächen in der Hohen
                             Millionen neuer Bäume pflanzen wollen,                                                     Schrecke oder der Nationalpark Hainich
                             plädieren andere dafür, die Natur mehr        Eine Chance für die Eiche?                   sind ein Experimentierfeld der Natur, auf
                             sich selbst zu überlassen. Zu ihnen zählt     Wie der Wald sich entwickeln könnte,         dem sich gut beobachten lässt, wie der
                             Lutz Fähser. Der pensionierte Forstdirek-     das zeigt beispielsweise die Eiche. Ver-     Wald mit den Klimaveränderungen um-
                             tor war lange Zeit Leiter des Stadtwaldes     einfacht gesagt profitieren die Eichen da-   geht. Im Nationalpark Hainich gibt es
                             Lübeck. Dort hat er sich bereits früh für     von, dass es den Buchen schlecht geht.       mit über 30 verschiedenen Laubbaumar-
                             eine behutsame und nachhaltige Wald-          Denn wo sich sonst das Dach der Bu-          ten genügend Material, mit dem die Na-
                             wirtschaft eingesetzt. Wer jetzt einen ak-    chenkronen vollständig schließt und nur      tur experimentieren kann. Hieraus wird
                             tiven Waldumbau fordere, der würde mit        noch wenig Licht durchlässt, da entste-      man auch Rückschlüsse für die Wirt-
                             Sicherheit die Fehler der Vergangenheit       hen durch das Buchensterben nun offene       schaftswälder ziehen können, ist sich Na-
                             wiederholen, warnt Fähser. „Wir Men-          Stellen, wo die Eiche genügend Licht zum     tionalparkleiter Manfred Großmann si-
                             schen können nicht wirklich erfassen, wie     Überleben bekommt. Doch anderswo hat         cher. Bei allen wirtschaftlichen Zwängen
                             die Klimaveränderung auf das superkom-        auch die Eiche Probleme. Schnell wird        müsse man den Wäldern einfach Zeit las-
                             plexe Waldökosystem einwirkt“. Vor die-       deshalb der Ruf laut nach Klima ange-        sen: „Wenn der Wald gerade etwas nicht
                             sem Hintergrund könne das Baumsterben         passten „neuen“ Baumarten. Ganz in der       braucht, dann ist es überzogener Aktio-
                             auch als heilsamer Anpassungsprozess in-      Nähe der Hohen Schrecke, oberhalb von        nismus.“
                             terpretiert werden. Der ehemalige Forst-      Heldrungen, hat ThüringenForst ein Ver-

                               Bienenfresser entdeckt
                               Gleich zehn Brutpaare des streng ge-
                               schützten und sehr seltenen Bienen-
                               fressers (Merops apiaster) konnten in
                               diesem Sommer erstmals in der Hohen
                               Schrecke nachgewiesen werden. Der
                               Zugvogel profitiert offenbar sowohl
                               vom wärmer werdenden Klima als
                               auch von den Entbuschungen im Of-
                               fenland. Er nutzt vegetationsfreie Löss-
Foto: Schwoaze/pixabay.com

                               und Lehmwände und baut dort bis zu
                               anderthalb Meter tiefe Brutröhren. Ne-
                               ben dem Eisvogel gehört der Bienen-
                               fresser zu den farbenprächtigsten Vö-
                               geln in un­seren Breiten.

                                                                                                                                   Hohe Schrecke Journal | Nr. 19     11
A RTE NSC H UTZ

    Baumstubben zu Kinderstuben
    Artenschutz muss manchmal ungewöhnliche Wege gehen. Um dem Hirschkäfer bessere Ent-
    wicklungschancen zu geben, erprobt die Naturstiftung David in in der Hohen Schrecke den
    Bau von Hirschkäferwiegen.
    Bäume fällen im Sommer – jedem Na-            ten im Liebeswerben. Aber für beides –      schief übereinander geschoben, so dass
    turschützer sträuben sich da die Nacken-      Liebesspiel und Kampf mit dem Neben-        sie über das Halsschild des Gegners hin-
    haare. Und dann noch anderthalb Meter         buhler – hat der Käfer sein Geweih. Dass    wegragten und die Köpfe selbst sich dicht
    hohe Stümpfe stehen lassen. Forstwirt-        es ein solches sei, suggeriert sowohl der   berührten, zum Teil hoch aufgebäumt,
    schaftlicher Unsinn. Und doch beendeten       deutsche als auch der lateinische Name:     rangen sie erbittert miteinander, bis den
    im August sechs hundertjährige Eichen         Lucanus cervus , was für „Waldbewoh-        einen der Streiter die Kräfte verließen
    unter dem Kreischen der Motorsägen so         ner“ und „Hirsch“ steht. Doch damit füh-    und er zur Erde hinabstürzte. Hin und
    ihr Leben. Um neues Leben zu ermögli-         ren uns Biologen und Volksmund auf          wieder gelang es auch einem geschickte-
    chen. Die Stubben sollen zu Wiegen für        den Holzweg. Das „Geweih“ ist der über-     ren Fechter, seinen Gegner um den Leib
    den Hirschkäfer werden. Baumstubben           große Oberkiefer des Männchens. Wie         zu fassen, mit dem Kopfe hoch aufgerich-
    zu Kinderstuben. Denn der größte ein-         der Hirsch sein Geweih, so nutzt auch der   tet ließ er ihn dann einige Zeit in der Luft
    heimische Käfer ist da anspruchsvoll.         Hirschkäfer seine Kopfauskragung, um        zappeln und schließlich in die Tiefe stür-
    Muss er auch. Schließlich verbringt er die    beim Liebeswerben die Oberhand zu be-       zen. (...) Indes sah sich der Kampf grim-
    meiste Zeit seines Lebens unterirdisch.       halten.                                     miger an, als er in Wirklichkeit war; denn
    Erst als stecknadelgroßes Ei, dann als fin-                                               Verwundungen wurden nicht beobach-
    gerlange Larve, schließlich als Puppe, ehe    Kampfgerät und                              tet, außer einem leichten Bisse in einem
    er sich nach fünf bis acht Jahren im Un-      Paarungswerkzeug                            Kiefer.“ Nach erfolgreichem Kampfesein-
    tergrund eines Frühsommertages ans Ta-        „Tiervater Brehm“, zu dessen Lebzeiten      satz nutzen die Sieger ihre Geweihzan-
    geslicht gräbt und alsbald losschwirrt.       im 19.Jahrhundert noch deutlich mehr        gen, um die Weibchen bei der Paarung
    Dorthin wo Eichensaft fließt und wo           Hirschkäfer zu sehen waren, schildert       festzuhalten.
    hoffentlich Weibchen warten. Leider oft       die Kämpfe in seinem „Tierleben“: „Die         „In der Hohen Schrecke kann man mit
    auch andere Männchen – Konkurren-             geweihartigen Kiefern bis an das Ende       etwas Glück das spektakuläre Schauspiel
                                                                                                                                             Fotos: Dr. Dierk Conrady

   Modellieren mit Bagger und Schredder

12 Hohe Schrecke Journal | Nr. 19
noch beobachten“, sagt der Insektenkund-    kreucht und fleucht, nichts zwitschert         chef Haselhuhn. „Dann werden aus den
                        ler Andreas Weigel. Mit seinen vielen al-   und summt. Das scheint sinnvoll aus Na-        Kronenästen der gefällten Eichen Stücke
                        ten Bäumen böte das Waldgebiet ideale       turschutzperspektive – jedenfalls wenn         geschnitten, rings um den Stamm in den
                        Bedingungen für den Hirschkäfer. „Hier      man Vögel schützen will. Für den Hirsch-       Boden gerammt und mit einem Halte-
                        stehen eben noch Bäume mit Beschädi-        käfer ist das dagegen ein Problem, erklärt     band am Stubben fixiert damit sie unver-
                        gungen durch Windbruch oder Blitz-          der Biologe Dierk Conrady von der Natur-       rückbar sind.“ Oben drauf kommen noch
                        schlag, an denen Saft austritt. Wenn der    stiftung David. „Im Spätsommer beginnt         mal große Holzstücke gegen die Wühllust
                        im Sommer zu gären beginnt, ist das eine    die Eiche, Gerbsäure aus dem Stamm,            von Dachs und Schwein und dann Erde.
                        Sammelstelle für Insekten.“ Besonders       den Ästen und den Blättern im Wurzel-
                        die Männchen schätzen den vergorenen        bereich einzulagern. Das führt dazu, dass      Versuch macht klug
                        Saft. Nicht immer zu ihrem Vorteil. Denn    sich Pilze, die das Holz verrotten lassen,     Die Errichtung der Hirschkäferwiegen
                        die Insektenforscher glauben, dass männ-    im Bereich des Stubbens nicht ausbreiten       wird mit Geldern des Naturschutzgroß-
                        liche Hirschkäfer gelegentlich einen über   können“. Den deutlichen Rückgang der           projektes finanziert. Ob die Käfer die
                        den Durst trinken und deshalb leichter      Hirschkäfer in den vergangenen hundert         künstlichen Kinderstuben annehmen,
                        Opfer ihrer Feinde werden. Das wäre         Jahren führen die Experten auch darauf         wird Dierk Conrady erst in einigen Jah-
                        eine Erklärung für die vierfach höhere      zurück. Es gibt zwar genug Eichenstub-         ren sehen. „Wir werden nächstes Jahr
                        Todesrate der Männchen im Vergleich         ben im deutschen Wald, aber die Rot- und       nach Weibchen schauen.“ Da diese sich
                        zu den Weibchen. Gefressen werden die       Weißfäulepilze kommen mit ihrer Zerset-        meist nicht weit von ihrem Geburtsstub-
                        großen Käfer von Spechten, Krähen, Ei-      zungsarbeit nur langsam voran, weil die        ben entfernen, steht die Chance gut, dass
                        chelhähern und Eulen. Die eiweißreichen     Stubben voller Gerbsäure sind. Immerhin        die Wiegen durch die vorhandene kleine
                        Larven sind Speise von Dachsen, Wild-       braucht eine Larve pro Monat 250 Kubik-        Population angenommen werden und es
                        schweinen – und von Menschen. Zumin-        zentimeter (etwa einen Trinkbecher voll)       bald wieder deutlich mehr Hirschkäfer in
                        dest behauptet dies der im ersten Jahr-     morsches Holz zum Leben. Da muss die           der Hohen Schrecke gibt.
                        hundert lebende römische Naturforscher      Verrottung schon hurtig vorankommen,             Zwanzig Jahre lang sollen die Hirsch-
                        Plinius der Ältere: „Die großen Holzwür-    damit nicht nur Kümmerlinge fast ohne          käferwiegen ihren Dienst tun – und hof-
                        mer, die man in hohlen Eichen findet und    Geweih das Tageslicht erblicken. Deshalb       fentlich zur Arterhaltung des wohl beein-
                        Cossis nennt, werden als Leckerbissen be-   fielen die sechs Eichen im Langental be-       druckendsten mitteleuropäischen Käfers
                        trachtet und sogar mit Mehl gemästet.“      reits im Spätsommer der Säge zum Opfer.        beitragen.
                        Besonders auf dem Gebiet der heutigen       „Wir haben uns Stellen gesucht, an denen
                        Türkei sollen die Larven als Delikatesse    wir bereits Hirschkäferpopulationen loka-
                        gegolten haben. Hirschkäfersammler, so      lisiert haben“, so Biologe Conrady. Doch
                        wird es berichtet, hätten gut verdient.     allein die Eichen rechtzeitig zu fällen, be-
                                                                    vor die Gerbsäure – genau genommen
                        Traditionelle Forstwirtschaft               eine Mixtur aus 18 Säuren – sich in den
                        als Problem für den Käfer                   Wurzeln konzentriert, reicht nicht. Um
                        Wie dem auch sei, tatsächlich ist es der    Dachs und Wildschwein von der Käfer-
                        Mensch, der für den Rückgang der Hirsch-    kinderkammer fernzuhalten, braucht es
                        käfer sorgt. Es gibt kaum mehr Areale, in   ein solides Bauwerk. Mit Minibagger, Ket-
                        denen Eichen alt bis zum Verfall werden     tensäge und Schredder sind deshalb die
Fotos: Thomas Stephan

                        dürfen – mithin fehlen Strukturen für die   Männer vom Landschaftsbau Sören Ha-
                        Larven. Dazu kommt: Im Wirtschafts-         selhuhn im Wald zugange. „Rund um den
                        wald werden die Eichen im Winter gefällt,   Wurzelstock heben wir eine Grube von 80
                        wenn fast nichts mehr in ihren Kronen       Zentimeter Tiefe aus“, erläutert Firmen-

                                                                                                                             Hohe Schrecke Journal | Nr. 19    13
R EPORTAG E

    Entdeckungsreise für treue Spender
    Wer viel für Naturschutzorganisationen spendet, möchte auch wissen, ob sein Geld dort ef-
    fektiv eingesetzt und sinnstiftend verwendet wird. Vierzig Großspender des Umweltverbandes
    BUND machten sich davon im Sommer ein eigenes Bild in der Hohen Schrecke.
    Ein Reisebus fährt durch die engen Stra-     zahlen – darauf legt der BUND wert.        zeigen, was vor Ort mit ihrem Geld ge-
    ßen von Garnbach, an der Buswende-           Entsprechend hoch sind die Erwartun-       schieht, fasst Irina Jacob das Kernanlie-
    schleife am Ortsende hält er an, die Türen   gen. Die Bundesgeschäftsstelle des         gen der Spenderreise zusammen. Sie ist
    öffnen sich und ungefähr 40 Wanderer,        BUND hat die Reise darum gemeinsam         beim BUND angestellt und arbeitet im
    überwiegend ältere Damen und Herren,         mit der Naturstiftung David minutiös       Bereich der individuellen Spenderbetreu-
    klettern aus dem Bus, atmen die frische      vorbereitet. So wurden beispielsweise      ung. Das Interesse an solchen Reisen sei
    Waldluft ein und schauen sich neugierig      alle Wege vorher abgelaufen und Gesprä-    groß, sagt sie. Für die Reise in die Hohe
    um. Sie kommen aus ganz Deutschland,         che mit den örtlichen Unterstützern ge-    Schrecke habe es auch dieses Jahr wieder
    die meisten bereisen die Hohe Schrecke       führt. Für die Naturstiftung David sind    wesentlich mehr Anmeldungen als freie
    zum ersten Mal. Alle sind Großspender        solche Besuche eine gute Möglichkeit,      Plätze gegeben.
    für den Bund für Umwelt und Natur-           das Naturschutzgroßprojekt und die
    schutz (BUND), einer der größten Um-         Hohe Schrecke überregional bekannter       Exkursion im Rabenswald
    weltverbände in Deutschland, der sich        zu machen. Am Vorabend stimmte der         Mittlerweile haben sich alle Teilnehmer
    seit 1976 für den Schutz der Natur stark     Geschäftsführer der Naturstiftung David,   vor dem Atelier von Holzkünstler Die-
    macht. Als nichtstaatliche Organisation      Adrian Johst, die Gäste in einem Vortrag   ter Krüger in Garnbach eingefunden. Sie
    ist der BUND auf seine Spender und Un-       auf den Ausflug ein.                       werden von Dierk Conrady und Gerlinde
    terstützer angewiesen. Um sich zu be-                                                   Straka vom Naturschutzgroßprojekt be-
    danken und zugleich einen Einblick in        Mehr Anmeldungen                           grüßt. Nach ein paar allgemeinen Infor-
    ihre Arbeit zu geben, organisiert die        als freie Plätze                           mationen über die Hohe Schrecke und
    Naturschutzorganisation mehrmals im          Die Stiftung nutzte die Gelegenheit, um    die bevorstehende kleine Exkursion, geht
    Jahr Reisen zu Projekten vor Ort. Die        einmal mehr Danke zu sagen. Denn der       es kurz hinter dem Atelier einen stei-
    Teilnehmer müssen die Reise selbst be-       BUND unterstützt die Naturstiftung Da-     len Anstieg hoch, in Richtung Rabens-
                                                 vid mit jährlich 30.000 Euro bei der Fi-   burg. Auf dem Weg weist Dierk Conrady
                                                 nanzierung des Naturschutzgroßprojek-      immer wieder auf Besonderheiten am
                                                 tes. Die Gelder stammen aus Spenden der    Wegesrand hin. Vor einem großen Baum
                                                 BUND-Mitglieder. Das ist auch ein we-
                                                 sentlicher Grund, warum der Umweltver-
                                                 band die Reise in die Hohe Schrecke nun
                                                 schon zum dritten Mal in Folge anbietet.
                                                 Man wolle den Spendern damit vor allem                             Fotos: David Johst

                                                                                                                                         Fotos:

14 Hohe Schrecke Journal | Nr. 19
zum Beispiel bleibt Conrady stehen und         des BUND aktiv und hat mehrmals 500          Bäume. Dafür hat Maik Rahaus von der
fragt, um welchen Baum es sich handele.        Euro oder mehr gespendet. Die Spender-       Saftkelterei Donndorf eine Auswahl sei-
Aufgrund der rissigen Rinde tippt so           reisen, so Roswith Rista, seien eine gute    ner Obstsäfte mitgebracht. Er lässt die
mancher der Gäste auf eine Eiche, doch         Möglichkeit, die Arbeit des BUND vor         Gäste probieren und raten. Während es
tatsächlich ist es eine besonders alte Bu-     Ort kennenzulernen. „Es ist doch schön“,     einfach ist, die erste Saftprobe zu erra-
che. Buchen bilden im Alter eine rissige       pflichtet ihr Wolf Dieter Heller bei, „wie   ten – ein einfacher Apfelsaft – wird es bei
Haut, ein Phänomen, welches man selten         viel man hier lernt – beispielsweise über    der zweiten Probe schon schwieriger. Die
zu sehen bekommt, da Buchen im Nutz-           die sehr ausgefallenen Lebensgewohnhei-      Mischung ist ungewöhnlich, nur wenige
wald in der Regel nie so lange stehen          ten des seltenen Knochenglanzkäfers“.        erschmecken, dass es sich um eine Ap-
bleiben. Der alte rissige Baum bietet auch     Es ist diese Mischung aus Informationen      fel-Quitte-Mischung handelt. Rahaus hat
dem seltenen Mittelspecht Halt.                und Natureindrücken, die viele Reisegäste    sichtlich Spaß daran, seine Säfte vorzu-
                                               begeistert. An der Hohen Schrecke, so ist    stellen und die Gäste sind begeistert. Ei-
Positives Feedback                             es immer wieder von den Gästen zu hö-        nige nutzen die Gelegenheit und kaufen
Nach drei Stunden sammelt sich die             ren, gefällt vor allem die abwechslungs-     gleich vor Ort ein paar Saftkartons.
Gruppe wieder in Garnbach. Dort war-           reiche Landschaft, der Wechsel zwischen         Der Tag in der Hohen Schrecke ist zu
tet schon der Bus, der die BUND-Spen-          Wald und Feld, der Blick ins weite Land,     Ende, der Bus wartet bereits darauf, die
der zum Gutshof nach Braunsroda bringt.        der offene Horizont.                         Gäste zurück in ihr Hotel nach Erfurt zu
Hier haben die Besucher die Möglichkeit                                                     bringen, bevor dann am nächsten Tag
den traditionellen Bauernmarkt zu besu-        Von der Kunst, einen Kirsch-                 der zweite Teil der Reise bevorsteht, ein
chen. Bei einem anschließenden Mittages-       baum zu beschneiden                          Besuch des Wildkatzenprojektes in Hüt-
sen im alten Saal des Gutshauses tauschen      Nach Kaffee und Kuchen geht es per Bus       scheroda. Für heute sind Organisatoren
sich die Gäste über ihre ersten Eindrücke      zum Kirschberg bei Oberheldrungen.           und Gäste zufrieden, das Wetter hat mit-
aus. Für Wolf Dieter Heller aus Osnabrück      Hier erfahren die Gäste von Ingo Rin-        gespielt und weder Regen noch Hitze
ist es nicht die erste Spenderreise, an der    tisch aus Herbsleben viel über die zum       geschickt. Und wer weiß, vielleicht be-
er teilnimmt. Man bekomme den Ein-             Teil uralten Kirschsorten, die man auf       sucht ja einer der Gäste die Hohe Schre-
druck, dass hier Naturschutz nicht an den      den Streuobstwiesen der Hohen Schre-         cke bald auch auf eigene Faust – oder er-
Leuten vorbei gemacht werde. Einen Ein-        cke noch finden kann. Anschließend dür-      zählt Freunden von der Schönheit dieser
druck, den auch Roswitha Rista teilt. Es       fen die Besucher selbst mit Hand anlegen     Naturlandschaft.
sei schon beeindruckend, wie viel Über-        und einen Kirschbaum pflanzen. Dabei
zeugungsarbeit hier geleistet worden sei,      demonstriert der Gärtner, wie sich der
so die pensionierte Lehrerin aus Braun-        junge Baum trotz großer Trockenheit mit
schweig. Seit 30 Jahren ist sie als Förderin   Hilfe eines Wassersacks kontinuierlich
                                               bewässern lässt. An einem bereits aus-
                                               gewachsenen Baum zeigt der Pomologe,
                                               worauf es beim Beschneiden eines Obst-
                                               baumes ankommt. Nachdem der Wis-
                                               sensdurst gestillt ist, erwartet die Gäste
                                               eine Obstsaftverkostung im Schatten der

                                                                                                       Hohe Schrecke Journal | Nr. 19     15
R E GIO NAL E S

                                    Wandern zwischen Feld und Wald – schon bevor mit der Hängeseilbrücke
                                    ein neuer Attraktionspunkt geschaffen wurde, zeigte sich immer wieder das
                                    große Interesse an der Natur- und Kulturlandschaft in die Hohe Schrecke.
                                    Auch 2019 lockten zahlreiche Exkursionen und Naturführungen Interessierte
                                    in die Region: Der sanfte Tourismus in der Hohen Schrecke wächst langsam
                                    aber stetig.

16 Hohe Schrecke Journal | Nr. 19
Aktiv für die Region
                                                                     Seit dem Erscheinen der letzten Ausgabe des Hohe-Schrecke-Journals sind nur wenige
                                                                     Monate vergangenen – und trotzdem ist viel passiert. Zahlreichen Gäste besuchten den
                                                                     alten Wald, die Region präsentierte sich überregional und gewann auch noch einen Preis.

                                                                     April bis Juni 2019                                 gute Regionalentwicklung gehen hier                  mach- und Informationsangeboten ge-
                                                                     Fotoausstellung in Kannawurf                        eine intensive Verbindung ein“, so Um-               hörte auch ein Infostand des Hohe-Schre-
                                                                     Zwei Monate lang schmückten große Fo-               weltministerin Anja Siegesmund bei der               cke-Vereins und des Naturschutzbundes
                                                                     tos aus der Hohen Schrecke die Wände im             Eröffnung. In der Hohen Schrecke wird                (NABU). Zahlreiche Besucher nutzten
                                                                     Künstlerhaus Schloss Kannawurf. Das Re-             es neben den Urwaldperlen am Rabens-                 die Gelegenheit zum Austausch und Ge-
                                                                     naissance-Schloss im Unstruttal liegt in di-        wald und im Wiegental auch einen ver-                spräch über aktuelle Projekte und die Ar-
                                                                     rekter Nachbarschaft, zwischen Kyffhäu-             bindenden Urwaldpfad geben – von der                 beit der Vereine.
                                                                     ser und Hoher Schrecke. Beeindruckende              Hängeseilbrücke im Bärental, über das
                                                                     Naturaufnahmen des GEO-Foto­g rafen                 Wiegental, Langenroda und Garnbach bis
                                                                     Thomas Stephan zeigten die vielen Fa-               hin nach Beichlingen.
                                                                     cetten des Höhenzuges mit seinem wert-
                                                                     vollen Buchenwaldbestand. Der Fotograf              Mai und August 2019
                                                                     war in den letzten Jahren zu allen Jahres-          Bürger-Exkursionen
                                                                     zeiten in Wald, Flur und den malerischen            zum Bauplatz
                                                                     Ortschaften unterwegs, um Bilder von al-            40 Interessierte folgten am 17. Mai der Ein-
                                                                     ten Baumriesen sowie seltenen Tier- und             ladung des Hohe-Schrecke-Vereins zum
                                                                     Pflanzenarten einzufangen.                          Bauplatz der Hängeseilbrücke im Bärental.
                                                                                                                         Robin Kendon vom Regionalmanagement                  Juni 2019
                                                                     Mai 2019                                            und Susann Weber vom Vereinsvorstand                 Projektbegleitende Arbeitsgruppe
                                                                     Eröffnung Urwaldperle                               standen gemeinsam mit Gerlinde Straka   Beim Treffen der projektbegleitenden Ar-
                                                                     Rabenswald                                          von der Naturstiftung David Rede und    beitsgruppe (PAG) des Naturschutzgroß-
                                                                     Am 2. Mai eröffnete Thüringens Umwelt-              Antwort. Volker Stietzel und Sven Tscha-projektes Hohe Schrecke auf dem Gutshof
                                                                     ministerin Anja Siegesmund oberhalb                 peller vom Landratsamt des Kyffhäuser-  der Markusgemeinschaft in Hauteroda
                                                                     von Garnbach die erste Station des Thü-             kreises erläuterten, wie die Brücke gebaut
                                                                                                                                                                 informierten sich Fördermittelgeber und
                                                                     ringer Urwaldpfades – eine fledermaus-              wird, und gingen dabei auf die vielen Fra-
                                                                                                                                                                 Partner zum aktuellen Umsetzungsstand
                                                                     artig überdachte Sitzecke, mit Infotafeln           gen ein. Die Bürger-Exkursion half, beste-
                                                                                                                                                                 der Naturschutzmaßnahmen. Die Exkur-
                                                                     und einer ausdrucksstarken Stele aus                hende Vorbehalte gegen den Brückenbau   sion in das Projektgebiet der Hohen Schre-
                                                                     Holz. Insgesamt soll es zukünftig 20 die-           abzubauen. Eine weitere Baustellen-Wan- cke führte zu den neu angelegten Streu-
                                                                     ser „Urwaldperlen“ in ganz Thüringen ge-            derung mit rund 60 Interessierten fand  obstwiesen in der Gemarkung Hauteroda
                                                                     ben. Jede Perle kann über einen kleinen             Mitte August statt.                     – gepflanzt wurden hier alte und seltene
                                                                     Rundweg erwandert werden. „Ich lade                                                         Obstsorten. Weiter beschäftigte alle Betei-
                                                                     alle ein, entlang der Urwaldpfade auf               Juni 2019                               ligten die Frage, wie mit durch die Klima-
                                                                     eine besondere Entdeckungsreise zu ge-              Klosterfest Donndorf                    veränderung bedingten Waldschäden zu-
                                                                     hen. Hier können Bäume richtig alt wer-             Das 9. Klosterfest der Heimvolkshoch- künftig umgegangen werden soll.
                                                                     den und der Wald kann wild wachsen.                 schule im Kloster Donndorf stand unter
                                                                     Naturerlebnis, sanfter Tourismus und                dem Motto „Frieden“. Zu den vielen Mit- Juli 2019
                                                                                                                                                                              Netzwerk Herkunfts­zeichen
                                                                                                                                                                              Wie erkennt der Kunde, dass ein Produkt
                                                                                                                                                                              ein regionales Erzeugnis ist? Wie be-
Fotos: Thomas Stephan (1), Fabian Brenner (1), Naturstiftung David

                                                                                                                                                                              kommt der Gast mitgeteilt, wo er sich be-
                                                                                                                                                                              findet? Wie weist man immer wieder auf
                                                                                                                                                                              die Qualität der Produkte und Dienstleis-
                                                                                                                                                                              tungen hin? Mit dem Logo der Hohen
                                                                                                                                                                              Schrecke und dem Konzept „Herkunfts-
                                                                                                                                                                              zeichen“ will das Regionalmanagement
                                                                                                                                                                              eine Marke entwickeln. Beim ersten Ver-
                                                                                                                                                                              netzungstreffen in der Hohen Schrecke
                                                                                                                                                                              erläuterte Nancy Richter von der Thü-
                                                                                                                                                                              ringer Tourismus GmbH die Tourismus-
                                                                                                                                                                              Strategie „Thüringen 2025“ und die Ab-
                                                                                                                                                                              leitungen für die Hohe Schrecke.

                                                                     Am Start vom Urwaldpfad v.l.n.r.: Adrian Johst (Naturstiftung David), Christoph Heinrich (WWF Deutsch-
                                                                     land), Anja Siegesmund (Umweltministerin Thüringen), Dagmar Dittmer (Verein Hohe Schrecke).

                                                                                                                                                                                        Hohe Schrecke Journal | Nr. 19    17
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