KÜNSTLICHE INTELLIGENZ FÜR EIN GUTES LEBEN
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3–7 Einleitung 8–12 Implementierungen künstlicher Intelligenz in Wrocław - Fallstudien 13–21 Medizin 20–24 Technik und Stadtlogistik Verbreitung von Wissen Metropolregion Wrocław Zusammenfassung 2 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
“Wir arbeiten mit den Einwohnern, Universitäten, loka- len Unternehmen und Konzernen zusammen. Wrocław (Breslau) ist eine starke Stadt, das Herz und die Hauptstadt von Niederschlesien.” Jacek Sutryk, Bürgermeister von Wrocław Wrocław konzentriert sich auf die Entwick- mit einhundertzehntausend Studenten, von lung der Künstlichen Intelligenz (KI). Wir denen elftausend Informatik oder verwandte verfügen über die erforderlichen Humanres- Fächer studieren.“ sourcen, das Know-how, spezialisierte Unter- Im prestigeträchtigen Ranking der Times nehmen und Institutionen. Auch von den Higher Education (Disziplinen) wurden die städtischen Behörden wird die Entwicklung Informatik und die Mathematik an der Uni- und Umsetzung der künstlichen Intelligenz versität Wrocław unter die vierhundert bes- unterstützt. ten Fakultäten der Welt eingestuft, die Fach- Wrocław war in den letzten siebzig Jahren hochschule unter den besten sechshundert. ein Zentrum für innovative neue Techno- „Wir arbeiten mit Bürgern, Universitäten, logien. Es ist schwierig, an dieser Stelle alle lokalen Unternehmen und Körperschaften Unternehmen aufzulisten, die ihre Aktivitä- zusammen. Wrocław ist eine starke Stadt, ten oder Entwicklungen auf künstliche Intel- das Herz und die Hauptstadt von Nieder- ligenz stützen. schlesien. Die technologische und industriel- „Wrocławs Suche nach technologischen le Lunge dieses ‘Organismus‘ ist die über eine und digitalen Innovationen reicht bis in die Million Einwohner zählende Metropolregion 1950er Jahre zurück“, sagt Jacek Sutryk, Bür- Wrocław (WMA),“ meint Jacek Sutryk. Zu germeister von Wrocław. „Hier wurde der ihr gehören die Städte, Gemeinden und Krei- erste polnische Computer Odra entwickelt, se der ehemaligen Woiwodschaft Wrocław hier wurde das Internet in den achtziger Jah- (insgesamt vierundvierzig Gemeinden ren zum ersten Mal getestet und hier wurde und acht Kreise). „Unsere Aktivitäten und Nasza-Klasa, unser polnisches soziales Netz- unsere Entwicklungspotentiale beruhen auf werk, geboren. All dies zahlt sich jetzt aus. der Zusammenarbeit in ganz verschiedenen Heute ist Wrocław einer der größten Cluster Formen und im Rahmen freiwilliger Verein- von Start-ups in Polen. Außerdem steht unse- barungen zwischen den lokalen Regierun- re Stadt auf Platz achtundachtzig im weltwei- gen. Wir konzentrieren uns auf spezifische ten Smart-City-Ranking. Wir sind eine Stadt Herausforderungen mit Weitblick, da so- 3 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
„Die letzten Jahre haben wohl Wrocław als auch die Metropolregion Wrocław mit Partnern aus Deutschland und gezeigt, dass wir ein guter der Tschechischen Republik zusammenarbei- Standort für die Entwick- ten.“ Allein in Wrocław sind sechsunddreißig- lung dieser Branche sind. tausend Menschen in der IT-Branche tätig. Die Unternehmen, die hier Dazu gibt es ein klares Bekenntnis des Magis- trats und großer Unternehmen aus der Met- ansässig sind, wachsen ropolregion Wrocław: „Wir greifen nach der sehr stark. Wrocław will künstlichen Intelligenz!“ Die Stadt will diese Lösungen nicht nur implementieren, son- eine Plattform sein, ein dern auch konzipieren. Diese Bemühungen Ort der Diskussion, des wurden bereits erkannt. Am 11. Februar 2021 gab die „Financial Ideenaustauschs und des Times” das Global Ranking of Future Cities Wachstums.“ bekannt. „Wrocław belegte den ersten Platz Jakub Mazur, stellvertretender Bürgermeister von Wrocław in der Kategorie der kleinen und mittelgro- ßen Städte in Bezug auf die Attraktivität für Investitionen“, sagte Jakub Mazur, stellver- tretender Präsident von Wrocław, während des Seminars mit dem Titel „Künstliche Intel- zung bei medizinischen Diagnosen, Bots und ligenz für die Entwicklung von Städten und Chatbots in Callcentern. Wir nutzen diese Ballungsräumen”. Elemente bereits täglich. Künstliche Intelli- Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir ein genz (KI), Maschinelles Lernen (ML) und die guter Standort für Innovationen sind. KI ist Arbeit mit großen Informationsressourcen – einer der Schwerpunkte für die strategische Big Data – sind überall im Einsatz. Den Plänen Entwicklung von Wrocław. und Analysen niederschlesischer Unterneh- Das betreffende Seminar ist das dritte Tref- men zufolge wird es im nächsten Jahrzehnt fen, das innerhalb eines Jahres unter der völlig autonome Autos, Produktionsstraßen, Schirmherrschaft von Wrocław organisiert umfassende Gesundheitsdiagnosen zur Un- wird. Für die Organisation des Seminars sind terstützung von Ärzten, die Überwachung folgende Institutionen verantwortlich: Das von Pflanzen und Böden sowie die autono- Wrocławer Rathaus in Zusammenarbeit mit me Gewinnung von Rohstoffen in Kupfer- der Agentur für die Entwicklung der Agglo- minen geben. Die Behörden von Wrocław, meration Wrocław (Agencja Rozwoju Aglo- einheimische Unternehmen, Start-ups, aber meracji Wrocławskiej), PwC ist der wissen- auch Niederlassungen großer internationa- schaftliche Partner. ler Konzerne setzen auf Lösungen, die auf Die Autokorrektur im Textverarbeitungs- künstlicher Intelligenz basieren. Sie wollen programm sagt uns immer wieder, wie wir die Metropolregion Wrocław zu einem tech- ein Wort ändern und wohin wir den Satz ver- nologischen Zentrum machen. Niederschle- schieben sollen. Sie weiß schon, dass das Sy- sien verfügt über viele Eigenschaften, die es nonym des Wortes „Region” für diesen Text innerhalb weniger Jahre zu einem „europäi- höchstwahrscheinlich „Niederschlesien” ist schen Silicon Valley” machen könnten: ein und nicht etwa „Masowien”? Woher weiß sie großartiger internationaler Standort, perfekt das? Sie hat es gelernt. ausgebildete junge Arbeitnehmer, niedrige Hinzu kommen die Vervollständigung von Arbeitskosten im Vergleich zu Westeuropa, Suchmaschinenanfragen, die profilierten An- Forschungseinrichtungen und internationale zeigen in sozialen Netzwerken, aber auch die Kontakte. Regulierung des Straßenverkehrs, die Her- „Wenn es in Polen ein Silicon Valley gibt, stellung von Medikamenten, die Unterstüt- dann in Niederschlesien und Wrocław“, be- tonen Experten der Stiftung Startup Poland. 4 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
Die Organisation hat in ihrem Bericht „The und zeigt die Errungenschaften von Polish Tech Scene 2019. 5 Years“ errechnet, Wrocław, präsentiert. Den Bürgern von dass es in Niederschlesien ein Start-up pro Wrocław werden aber auch innovative viereinhalb Tausend Einwohner gibt. Dies Ideen aus dem eigenen Land und anderen ist die höchste Dichte an jungen Technolo- Ländern der Welt präsentiert. Zu diesem gieunternehmen in Polen, höher als in War- Zweck wurden seit 2020 jedes Jahr min- schau. destens zwei große internationale Semina- Schätzungsweise sechsunddreißigtausend re über künstliche Intelligenz organisiert. Menschen arbeiten heute in der IT-Branche „Wir unterstützen lokale Start-ups, wir von Wrocław. Die neue Technologiebranche ziehen Unternehmen an, die hochspezia- ist heute eines der wichtigsten Standbeine lisierte Lösungen auf der Basis von künst- der städtischen Entwicklung. licher Intelligenz entwickeln“, sagt Łukasz Aber das ist nicht der wichtigste Aspekt. Medeksza, stellvertretender Direktor im Wrocław hat zusammen mit der Metropol- Amt für Strategie und Stadtentwicklung. region Wrocław die Möglichkeit, innovative „In Wrocław werden wir davon nur profi- Lösungen einzuführen, die in den westeuro- tieren: In Zukunft kann uns die künstliche päischen Ländern fehlen. Und warum? Hier Intelligenz Lösungen liefern, die es uns er- einige Beispiele, die dies belegen. Die polni- möglichen, die Stadt oder die Metropol- schen Banken haben die Scheckphase über- region besser zu verwalten, was ein echter sprungen und sofort Debitkartenzahlungen Gewinn für uns alle ist.“ eingeführt. Der Telekommunikationssek- An der Technischen Universität Wrocław tor hat die im Westen üblichen Pager über- studieren derzeit bis zu elftausend Men- sprungen und die Abonnenten vom Fest- schen in Studiengängen, die das Potenzial netz auf Mobiltelefone umgestellt. Jetzt will der künstlichen Intelligenz nutzen. Allein Wrocław den polnischen „Rückstand” nut- die Zahl der Studenten an der Fakultät für zen, indem es in Bereiche der künstlichen In- Elektronik beträgt 5 000. Das ist die größte telligenz investiert und die in den westeuro- Zahl in Polen. Die Studenten werden von päischen Ländern üblichen Zwischenstufen hochqualifiziertem Forschungspersonal überspringt. unterrichtet. Professor Tomasz Kajdano- Wrocław will mit der Regierung bei der Um- wicz, Leiter des Lehrstuhls für Computer- setzung der „Politik zur Entwicklung der intelligenz an der Technischen Universi- künstlichen Intelligenz in Polen ab 2020” tät Wrocław, hat anhand von Daten aus zusammenarbeiten, die im Dezember 2020 der Scopus-Datenbank errechnet, dass vom Ministerrat verabschiedet wurde. Sie jede fünfte wissenschaftliche Arbeit von wird Projekte mit ausländischen Partnern Wrocławer Informatikern in direktem Zu- entwickeln, insbesondere mit Niederschle- sammenhang mit künstlicher Intelligenz siens Nachbarland Sachsen. Diese Absichten steht. Einhundertsechsunddreißig von decken sich mit den Plänen der lokalen Un- ternehmen und Universitäten. „Unser Ziel ist klar und wir werden es kon- Schätzungsweise sechsunddreißig- sequent verfolgen”, sagt Jakub Mazur, stell- vertretender Bürgermeister von Wrocław. tausend Menschen arbeiten heute in „Wrocław hat zusammen mit der Metropol- der Wrocławer IT-Branche. Die neue region das Potenzial, eines der führenden Technologiebranche ist heute eine europäischen Zentren für den Einsatz von der wichtigsten Säulen der Stadt- Technologien auf der Grundlage von künst- licher Intelligenz zu werden. Wir wollen, entwicklung. In Zukunft könnte uns dass die konzeptionelle Arbeit zu künstlicher künstliche Intelligenz Lösungen für Intelligenz hier durchgeführt wird. Und das eine bessere Verwaltung der Stadt sind nicht nur ‘gute Vorsätze‘, wir handeln!“ In der Tat gibt sich der Magistrat viel Mühe oder der Metropolregion bieten. 5 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
“In der Stadt gibt es zehn große Zentren, die sich mit Grundlagen- und angewandter Forschung im Bereich der künstlichen neuronalen Netze und des maschinellen Lernens befassen.” Łukasz Medeksza, stellvertretender Direktor im Amt für Strategie und Stadtentwicklung fünfhundertsechzehn Forschungsprojek- über künstliche Intelligenz, die in Wrocław ten, die durch Zuschüsse des Nationalen und in anderen polnischen Zentren entstan- Wissenschaftszentrums in Wrocław fi- den sind, unterscheidet sich stark. Zu Guns- nanziert werden, haben einen Bezug zur ten von Wrocław. Die Datenanalyse zeigt, künstlichen Intelligenz. dass wissenschaftliche Arbeiten über künst- „Ich verfolge akademische Veröffent- liche Intelligenz und maschinelles Lernen, die lichungen über künstliche Intelligenz in Wrocław erstellt wurden, besser sind als in Polen. Ausgehend von den Daten der im Landesdurchschnitt und in renommier- letzten zehn Jahre kann ich sagen, dass teren Publikationen veröffentlicht werden. die Technische Universität Wrocław Daher haben wir als Wissenschaftler einen die meisten Veröffentlichungen lan- Vorteil gegenüber dem übrigen Polen.“ desweit hervorbringt. Im Jahr 2020 be- Künstliche Intelligenz ist heute ein Ober- warben sich sechzehn Universitäten für begriff, der sich auf zahlreiche Anwendun- die Durchführung von Promotionen im gen beziehen kann. Tomasz Kajdanowicz Bereich der künstlichen Intelligenz im macht deutlich, dass die wissenschaftlichen Rahmen des ministeriellen Programms. Arbeiten über künstliche Intelligenz und ma- Es wurden siebzehn Bewerbungen mit schinelles Lernen, die in Wrocław verfasst neunundsechzig Kandidaten eingereicht. werden, fast zu gleichen Teilen Ingenieur- Sechzehn Projekte wurden positiv be- wissenschaften, Medizin, Physik und Astro- wertet, davon fünf aus Wrocław: vier an nomie, Materialwissenschaften, Linguistik, der Technischen Universität Wrocław Kommunikationstheorie und einige andere und eines an der Wirtschaftsuniversität“, Bereiche betreffen. Die Beschäftigung mit so Tomasz Kajdanowicz. In den letzten und Anwendung von KI ist also sehr vielfältig. Jahren wurden in Wrocław mehrere Fa- Oft handelt es sich nicht um Grundlagenfor- kultäten im Bereich der künstlichen Intel- schung, sondern um angewandte Forschung, ligenz eingerichtet. So gibt es Spezialisten die später in der Industrie umgesetzt wird, für künstliche Intelligenz, die andere aus- häufig im Großraum Wrocław. bilden. „Dies ist ein äußerst wichtiges Merkmal“, In der Stadt gibt es zehn große Zentren, betont der Wissenschaftler. „Aus wissen- die sich mit Grundlagen- und angewand- schaftlicher Sicht kann man entweder künst- ter Forschung im Bereich der künstlichen liche Intelligenz erforschen oder Forschung neuronalen Netze und des maschinellen mit künstlicher Intelligenz betreiben.“ Der Lernens beschäftigen. Dies sind in erster weltweite Trend heutzutage geht dahin, dass Linie die Technische Universität Wrocław 90% der Patente Anwendungen der künst- und die Universität Wrocław, die Medizi- lichen Intelligenz betreffen und nur 10 % Er- nische Universität und die Universität für kenntnisse über die künstliche Intelligenz Biowissenschaften, ergänzt durch Insti- selbst sind. Die Entwicklung der künstlichen tute der Polnischen Akademie der Wis- Intelligenz und des maschinellen Lernens ge- senschaften, wie: Tieftemperatur- und schieht sozusagen nebenbei, wenn wir Wege Strukturforschung Institut sowie Institut finden, das zu nutzen, was wir bereits wissen. für Immunologie und experimentelle Die Wissenschaft in Wrocław ist pragmatisch Therapie. und vielfältig. Dies bietet Potenzial und lässt „Ich habe die Verteilung des soge- den Schluss zu, dass Wrocław ein großartiger nannten Impact-Faktors für Polen und Ort ist, um Forschung und Anwendungen der Wrocław verglichen”, erklärt Tomasz Kaj- künstlichen Intelligenz und des maschinellen danowicz. „Der Impact-Faktor, der Index Lernens zu entwickeln. der Zitierungen von Veröffentlichungen 6 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
IMPLEMENTIERUNGEN KÜNSTLICHER INTELLIGENZ IN WROCŁAW - FALLSTUDIEN Jeder fünfte IT-Spezialist in Wrocław nutzt oder implementiert Lösungen im Zusammen- hang mit Algorithmen der künstlichen Intel- ligenz oder des maschinellen Lernens. Dank ihrer Flexibilität können die lokalen Unterneh- men internationale Erfolge vorweisen. Data- Walk - ein an der Warschauer Börse notiertes Unternehmen mit Sitz in Wrocław - wurde vom US-Justizministerium ausgewählt, um bei der Bekämpfung von Geldwäsche mitzu- wirken. Die Plattform des in Wrocław ansässi- gen Unternehmens, das auch für die polnische Generalinspektion für Finanzinformationen im Finanzministerium arbeitet, bietet Ermitt- lern und Analysten ein vollständiges Bild der Geldströme in jeder beliebigen Währung, ein- schließlich Kryptowährungen. „Unsere Plattform importiert problemlos Milliarden von Datensätzen aus vielen Quel- len und kann in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, darunter die Verfolgung von Finanztransaktionen, aber auch die Auf- deckung von externem und internem Betrug, die Bekämpfung von Menschenhandel oder die Bewältigung von Pandemien“, erklärt Paweł Wieczyński, der Präsident des Unter- nehmens, ein Absolvent der Technischen Uni- versität Wrocław und der Wirtschaftsuniver- sität Wrocław. Die DataWalk-Plattform nutzt Elemente der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens, um Daten automatisch zu vervoll- ständigen, zu bereinigen, zu überschreiben, anzureichern und zu analysieren. Die entwi- ckelte Software hat sich bei der Kombination verstreuter Daten als besser, schneller und effi- zienter erwiesen als bisherige Lösungen ame- rikanischer Unternehmen. Die Wrocławer haben in den Vereinigten Staaten ein Unter- nehmen namens DataWalk Inc. gegründet, und zum Team gehören unter anderem Mit- arbeiter von Unternehmen wie Oracle, 3PAR oder Visual Analytics sowie ehemalige Mit- arbeiter von IBM i2, einer der beiden Haupt- konkurrenten des polnischen Unternehmens. Das Ziel des DataWalk-Boards ist es, das erste global anwendbare Produkt im Bereich der Unternehmens-IT aus Polen zu entwickeln. 7 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
„Es geht um das intellektuelle Artur Wojewoda von Yaskawa erklärt, dass Potenzial der Studenten, aber sich sein Unternehmen ganz bewusst für auch um die Umsetzungsmög- Wrocław entschieden habe. Es gehe um das lichkeiten. In der Region gibt es intellektuelle Potenzial der Studenten, aber auch um die Umsetzungsmöglichkeiten. In viele Fabriken und Niederlassun- der Region gäbe es viele Fabriken und Nieder- gen globaler Unternehmen.“ lassungen von Weltkonzernen. Auch Unter- nehmen wie KGHM seien wichtig. Artur Wojewoda von Yaskawa „Wo arbeiten die Roboter? In der Regel ar- beiten sie dort, wo es gefährlich, schmutzig und langweilig ist. Zum einen in großen Berg- „Wir sind nicht die größte Stadt in Polen, bauunternehmen, wo es schmutzig und ge- aber das könnte unser Vorteil sein“, sagt To- fährlich ist, und zum anderen in Produktions- masz Kajdanowicz. „Ich habe mit Andrew unternehmen, wo es monotone Aufgaben Ng gesprochen, einem Geschäftsmann und gibt. Das sind ideale Kunden, die bereit sind, Experten aus dem Silicon Valley, der drei Pa- die Lösungen, die KI bietet, einzusetzen“, er- tente im Bereich der künstlichen Intelligenz klärt Artur Wojewoda von Yaskawa. Es ist besitzt. Er ist Mitbegründer von Google Brain, erwähnenswert, dass Polen ein Land mit gro- war Chefwissenschaftler bei Baidu, dem chi- ßem Entwicklungspotenzial ist. Im Jahr 2019 nesischen Pendant von Google, und gründe- standen wir auf dem Weltmarkt an vierzehn- te die AI Plattformen-Coursera und DeepLe- ter Stelle, was den Verkauf von Robotern an- arning für massive offene Online-Kurse, die geht. von Universitäten und Forschungsinstituten Trotz des systematischen Wachstums des aus aller Welt angeboten werden. Er sagte, er Robotermarktes in Polen liegt das Land würde gerne eine Tochtergesellschaft eines immer noch unter dem Weltdurchschnitt seiner Unternehmen in Europa gründen, aber (einhundertdreizehnter Platz in Bezug auf er wollte dies nicht in einer Hauptstadt tun, den Index der Robotisierungsdichte der In- weil seiner Meinung nach die großen Unter- ternational Federation of Robotics). In Japan nehmen den Hauptstädten die Fachkräfte gibt es 360 Industrieroboter pro 10 000 Be- entziehen. Ich habe ihn eingeladen, bei uns schäftigte, in Korea 850, in Deutschland 340 mitzumachen.“ Er wäre nicht der erste aus- und in Polen 46. ländische Investor. Die Wirtschaft hat bereits Artur Wojewoda beruhigt: „Die Forschung erkannt, dass Wrocław bei der Suche nach zeigt, dass Roboter den Menschen nicht die einem günstigen Standort eine Überlegung Arbeitsplätze wegnehmen werden. In Län- wert ist. Es geht nicht nur um große Montage- dern, in denen die Zahl der automatisierten werke, Fabriken oder Konzerne, die sich in Maschinen hoch ist, ist die Arbeitslosigkeit Wrocław oder der Metropolregion ansiedeln. gering. Die Unternehmen bilden Arbeiter an Es ist symptomatisch, dass die beiden größ- den Produktionslinien zu Roboterbedienern ten konkurrierenden Hersteller von Industrie- um. Die Zukunft, die uns erwartet, sind so ge- robotern, Yaskawa und Fanuc, ihre polnischen nannte kollaborative Roboter, die Seite an Sei- Zentralen in Wrocław angesiedelt haben. te mit Menschen arbeiten können, aber ohne Bezahlung.“ Lösungen, die die Möglichkeiten der künst- lichen Intelligenz direkt nutzen, sollen in den kommenden Jahren auch in niederschlesi- schen Betrieben umgesetzt werden. Ähnlich dynamisch soll sich die Region entwickeln, so dass dort in einigen Jahren mit künstlichen neuronalen Netzen ausgestattete Maschinen in für Menschen besonders gefährlichen Be- reichen arbeiten werden. Die Unternehmen bilden selbst Arbeiter am Fließband zu Roboterbedienern um. Aber Robotisierte Lackierung in der Firma Yaskawa auch die Bildungsprofile von Kindern und Ju- gendlichen in Wrocław verändern sich. So ist 8 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
beispielsweise die Sekundarschule Lotnicze der Technischen Universität Wrocław arbei- Zakłady Naukowe heute eine Schmiede für ten eng zusammen. Die Krabbe könnte als Bediener solcher Maschinen. Die Zukunft, Transportsystem in einem Forschungsprojekt die uns erwartet, liegt in kollaborativen Robo- zur Besiedlung des Mars eingesetzt werden. tern, die Elemente des maschinellen Lernens In zwei Gruppen aufgeteilt, entwarfen die nutzen. Studenten die Marskolonien „Twardowsky” Die Bürger von Wrocław entwerfen und und „Ideacity”. Bei dem von der NASA ver- bauen selbst Roboter. Die sog. Krabbe ist ein- anstalteten prestigeträchtigen technologi- einhalb Meter lang und achtzig Zentimeter schen und wissenschaftlichen Wettbewerb breit, wiegt über hundert Kilogramm und ist „Mars Colony Prize” belegten die Projekte in der Lage, ein ähnliches Gewicht – etwa 100 aus Wrocław den zweiten bzw. fünften Platz. kg - eine Treppe oder einen steilen Abhang Die Aufgabe der Teams bestand darin, eine hinaufzutragen. Außerdem bewegt sich autarke Marskolonie für tausend Menschen dieser Roboter auf felsigem oder sandigem zu entwerfen. Die autarke Stadt produziert Untergrund. Er ist ein autonomer Laufro- selbst Lebensmittel, Baumaterialien sowie boter, der von Studenten und Mitarbeitern Gegenstände und Produkte, die für das täg- der Fakultät für Mechanik der Technischen liche Leben notwendig sind. Die Steuerung Universität Wrocław entwickelt wurde. Der der Produktionsprozesse und das Lebens- Roboter ist sehr robust: Selbst die Beschädi- management in dem geplanten Zentrum gung eines seiner acht Beine bringt ihn nicht auf dem Roten Planeten würden von Algo- zum Stillstand, sondern verlangsamt ihn rithmen der künstlichen Intelligenz überno- nur. Er soll hauptsächlich in der Armee ein- mmen und die Aufgaben von Robotern auf gesetzt werden (das Verteidigungsministe- der Grundlage von Algorithmen des maschi- rium finanziert die Forschungsarbeiten). Die nellen Lernens ausgeführt werden. Schöpfer des Roboters wollen ihn aber auch „Unsere gesamte Datenbank ist an ein bei Rettungseinsätzen, im Baugewerbe, in Fa- autonomes Netzwerk angeschlossen, in dem briken und im Transportwesen einsetzen. Die wir Daten sammeln, um Big-Data-Tools zu Krabbe verwendet 3D-Scanner und ein GPS- nutzen. Das gibt uns die Möglichkeit, schnell System, um sich in offenen Räumen zu bewe- zu reagieren, wenn Probleme auftreten. Au- gen, während sie in Innenräumen den Raum ßerdem können uns die mit Algorithmen ge- selbst scannt und optimale Bewegungspfade sammelten Daten dabei helfen, bestimmte wählt. Prozesse zu optimieren, etwa die Lebensmit- Studenten aus verschiedenen Fakultäten telproduktion oder den Rohstoffverbrauch“, erklärt Justyna Pelc vom Ideacity-Team. „Wir haben die Prozesse des Pflanzens, Gießens, Düngens und Erntens automatisiert. Wir ver- wenden viele Sensoren und ein komplettes Videosystem, um ihren Zustand zu überwa- chen. Des Weiteren werden die gesammel- ten Daten verarbeitet, um Entscheidungen über weitere Maßnahmen zu treffen, die von Maschinen und Robotern auf der Basis durch geführt werden.“ ↑ Bild: Krabbe - autonomer Laufroboter, entwickelt von Studenten und Mitarbeitern der Fakultät für Ma- schinenbau. →So „sieht“ Krabbe die Realität. 9 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
Wir haben die Möglichkeit, unser BIP jedes Jahr um 2,65 Prozentpunkte zu steigern. Die Arbeitszeit um 49 % zu auto- matisieren und gleichzeitig besser bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen. Künstliche Intelligenz wird den Weltmarktwert der polnischen Technologie erhöhen. Künstliche Intelligenz wird den Weltmarkt- sich nicht um staatliche Gelder, sondern su- wert der polnischen Technologie erhöhen. chen sie anderswo. Der Krabbe-Transportroboter ist vorerst ein „Ich betrachte dies nicht als Problem, son- Prototyp, EuGenius ist weiter fortgeschrit- dern als etwas Positives. Es ist eine Chance, ten. Er erregte großes Aufsehen als er – ein unsere Innovationskraft zu steigern. Wrocław freundliches Wesen mit Kulleraugen, beacht- wird mit anderen Städten oder Regionen nicht liche 60 kg schwer – die Reisenden am Haupt- nur in Bezug auf billigere Arbeitskräfte kon- bahnhof von Wrocław begrüßte. Er führte kurrieren, sondern auch in Bezug auf Wissen auch Besucher durch Museen in Kattowitz und moderne Lösungen, die auf die Bedürfnis- und Krakau und war Kellner in Oberschlesi- se des Auftraggebers zugeschnitten sind. Die en. Der EuGenius-Roboter wurde als Führer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit wird für Ausstellungshallen konzipiert. Er wurde die Lebensqualität unserer Bürger verbes- von einem Team von Ingenieuren der Firma sern. Daran arbeiten wir bereits in gemischten General Robotics entwickelt, die im Techno- Teams, deren Teilnehmer Wrocławer Hoch- logiepark Wrocław angesiedelt ist. General schulen, die IT-Branche und Mitglieder von Robotics ist eine Gruppe von Fachleuten aus Projektteams ausländischer Unternehmen in den Bereichen Elektronik, Informatik, Auto- Wrocław und Niederschlesien sind“, erklärt matisierung und Mechanik, die allesamt Ab- Jakub Mazur, stellvertretender Bürgermeister solventen der Wrocławer Universitäten sind von Wrocław. und bereits an vielen Projekten gearbeitet Mazur rechnet damit, dass in den nächsten haben. Sie haben u. a. am autonomen land- fünf Jahren die von Wissenschaft, Wirtschaft wirtschaftlichen Traktor Agribot und dem und Regierung für künstliche Intelligenz be- Mars-Rover mitgewirkt. Im Moment wird die reitgestellten Mittel exponentiell ansteigen Maschine noch von einem Bediener gesteu- werden. ert, aber letztendlich wird EuGenius selbst „Wir wollen auf diesen Zug springen und zu entscheiden, wie er ein Gespräch führen will, den Führenden in Polen und Mittel- und Ost- in dem er auch menschliche Emotionen aus europa gehören“, beschreibt Mazur die Zu- der Mimik oder Gestik liest. Dafür sind jedoch kunftsstrategie seiner Stadt. Entwicklungszuschüsse erforderlich. Die Unterstützung der Wrocławer Wissen- Wer wird diese und andere Projekte fi- schaft, der lokalen Wirtschaft und der lokalen nanzieren? Eine Analyse der Herkunft der öffentlichen Dienste bei der Nutzung künst- Forschungsgeldern, die für die Forschung licher Intelligenz wurde während des ersten im Bereich der künstlichen Intelligenz an internationalen Seminars über künstliche den Universitäten von Wrocław vergeben Intelligenz in Wrocław im Februar 2020 von werden, ist aufschlussreich: Sogenannte Robert Kroplewski, Bevollmächtigter des Mi- „andere Quellen“ stellen doppelt so viele nisters für Digitalisierung und Informations- Mittel zur Verfügung wie das bereits er- gesellschaft, angekündigt. wähnte Nationale Wissenschaftszentrum, „Wir sehen eine Chance, in Wrocław ein während die vom Nationalen Zentrum für wichtiges Forschungs- und Anwendung- Forschung und Entwicklung finanzierte szentrum für künstliche Intelligenz zu schaf- Forschung zu künstlicher Intelligenz nur 3,5 fen. Es ist eine starke Region, in der sich der % aller Projekte in der regionalen Haupt- neue Technologiesektor erfolgreich entwi- stadt ausmacht. Wrocławer Wissenschaft- ckelt. Wir wollen die Entwicklung bestimmter ler und Unternehmen, die Lösungen für Modelle der künstlichen Intelligenz unterstüt- künstliche Intelligenz einführen, bemühen zen, zum Beispiel maschinelles Lernen, Aug- 10 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
mented Reality oder digitale Fabriken“, erläu- Unternehmen einen Teil ihrer Forschungs- tert Robert Kroplewski. zentren nach Niederschlesien verlegt. Neue Ein Jahr später, im Februar 2021, stellte Ro- Produktionslinien basieren zunehmend auf bert Kroplewski die wichtigsten Annahmen Strukturen, die maschinelle Lernfunktionen der Regierungsstrategie für die Entwicklung und künstliche Intelligenz nutzen. Dr. Lars der künstlichen Intelligenz vor: Gutheil, Generaldirektor der Deutsch-Polni- „Die Politik der künstlichen Intelligenz ist schen Industrie- und Handelskammer, weist beschlossen. Warum setzen wir sie um? Da- darauf hin, dass die deutsche Regierung bis für gibt es mehrere Argumente. Weil wir die 2025 drei Millionen Euro für Investitionen in Chance haben, unser BIP jedes Jahr um 2,65 künstliche Intelligenz bereitstellen und eine Prozentpunkte zu steigern. Die Arbeitszeit um europäische Cloud für künstliche Intelligenz 49 % zu automatisieren und gleichzeitig bes- aufbauen wolle. ser bezahlte Arbeit zu schaffen. Künstliche In- Die hervorragende geografische Lage Nie- telligenz wird es ermöglichen, den Weltmarkt- derschlesiens an der Grenze zu Sachsen wert polnischer Technologien erhöhen.“, so bringt ebenfalls entscheidende Vorteile mit der Regierungsvertreter. „Leider ist das Ver- sich. Dieses Bundesland versucht, aus dem trauen der Polen in künstliche Intelligenz ge- gegenwärtigen „Rückstand” in Sachen Tech- ring. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich der nologisierung eine Stärke zu machen und Trend nicht umkehrt. Die lokale Regierung, gegenüber der Konkurrenz aus Bayern oder die sich als erste durch politische Unterstüt- Baden-Württemberg aufzuholen. Dabei soll zung im Bereich der künstlichen Intelligenz künstliche Intelligenz das Mittel der Wahl da- intensiv eingesetzt hat, war die von Wrocław.“ für sein: Der Bevollmächtigte des Ministers für Di- „Sachsen hat ein Netzwerk von Hoch- gitalisierung der Informationsgesellschaft schulen aufgebaut, die Elemente der künst- erinnert sich: „Wir haben versprochen, dass lichen Intelligenz in praktische Lösungen Wrocław und andere regionale Zentren Part- in Wirtschaft und Industrie umsetzen. Jetzt ner im Digitalisierungsprozess sein würden. brauchen wir Partner und internationale Ko- Wrocław ist hier ein Vorbild: Es befasst sich operationen. Wir schauen uns einen Partner mit künstlicher Intelligenz nicht allein auf lo- genauer an: Wrocław“, erklärte Sebastian kaler Ebene, sondern auf kommunaler, regio- Gemkow, Minister für Wissenschaft, Hoch- naler und schließlich internationaler Ebene, schulen und Forschung des Freistaates Sach- und das ist für uns wichtig, um das Potenzial sen. Polens weltweit bekannt und gefragt zu ma- Bei der grenzüberschreitenden Zusammen- chen.“ arbeit gibt es bereits Erfolge zu verzeichnen. Tomasz Jaworski, Direktor für die digitale In Görlitz wurde 2019 das CASUS, das Center Transformation des öffentlichen Sektors bei for Advanced Systems Understanding, ge- Microsoft, betrachtet die Ambitionen von gründet. Bis Ende 2020 hatte die Einrichtung Wrocław aus einer globalen Perspektive. Er bereits fünfzig Mitarbeiter nicht nur aus Po- gibt eine sehr positive Prognose ab, weil das len und Deutschland. Die wissenschaftliche Unternehmen in Wrocław ein Potenzial für Schirmherrschaft über das Projekt haben seine eigene Entwicklung sieht. die Helmholtz-Forschungszentren Dresden, Clive Humby, der einst die Tesco-Clubkar- das Max-Planck-Institut für Molekulare Zell- te erfand und damit die Kundenbindungs- biologie und Genetik sowie die Technische programme revolutionierte, sagte 2006: „Da- Universität Dresden und die Universität ten sind heute das, was früher das Öl war. Wrocław übernommen. Aber Rohdaten sind wie unraffiniertes Öl: Sie CASUS geht bei seinen Projekten davon haben Potenzial, sind aber nutzlos. Sie müs- aus, flexibel auf die Bedürfnisse des Marktes sen erst noch verarbeitet werden.” Der Vorteil reagieren zu können. Wie Professor Justin von Wrocław ist seine Nähe zu Deutschland Calabrese von CASUS und dem Labor des und die daraus resultierenden deutschen In- Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf vestitionen in der Region, die auf rund sieben erklärt: „Künstliche Intelligenz, internatio- Milliarden Euro geschätzt werden. Viele Jah- nale Zusammenarbeit von Wissenschaft- re lang setzte Deutschland vor allem gering- lern und auf Bedürfnisse einzugehen ist die und mittelqualifizierte Arbeitskräfte ein. Idee hinter dem Forschungszentrum in der Seit 2015 haben jedoch auch immer mehr Europastadt Görlitz-Zgorzelec.“ 11 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
MEDIZIN Die Pandemie 2020 hat gezeigt, wie flexibel Im Februar 2020 forderte Professor Wrocławer Unternehmen und Forschungs- Tyll Krüger von der Technischen Uni- zentren sind. Die rasche Aufnahme von versität Wrocław seine Kollegen auf, Forschungsarbeiten zur Anwendung und die damals theoretische Frage zu be- Nutzung künstlicher Intelligenz bei der Ein- antworten: „Was wird passieren, wenn dämmung des Coronavirus war ein Test für das ‘chinesische Virus‘ Polen erreicht?” die Metropolregion Wrocław. Bereits in den Den Forschern der Polytechnischen ersten Wochen im März 2020 begannen die Universität schlossen sich schnell So- Teams der Technischen Universität Wrocław ziologen der Universität Wrocław und und der Universität Wrocław mit der Erfor- der Universität Warschau sowie aus- schung der Struktur des Coronavirus. ländische Forscher aus Deutschland Zu diesem Zeitpunkt wurde auch das Pro- und den Philippinen an. Die Idee war, jekt „where2test” am CASUS-Zentrum ge- eine virtuelle Modellgesellschaft zu startet. Durch die Nutzung der Rechenleis- schaffen, um vorherzusagen, wie sich tung künstlicher neuronaler Netze und des das Virus verhalten würde und wel- maschinellen Lernens half das System dabei, che nicht-medizinischen Maßnahmen schnell herauszufinden, wo, wer, wie auf CO- zum Schutz dagegen ergriffen werden VID-19 zu testen ist. Die bei CASUS entwickel- ten Lösungen sind so universell, dass sie auch in der Zukunft angewendet werden können, wenn eine weitere Pandemie auftritt (Model- lierung von „Was-wäre-wenn”-Szenarien). Die CASUS-Forscher kombinieren verschiedene Elemente der Statistik und der Medizin. Zum Forschungsteam gehören Daatenanalysten, Epidemologen und Online-Entwickler. Das ist Wissenschaft in ihrer modernsten Form: ein internationales Team von Forschern aus ver- schiedenen Bereichen, die sich mit dem aktu- ellsten Problem der Menschheit befassen. Das Ergebnis ihrer Arbeit soll die Antwort auf sehr wichtige Fragen jetzt und in der Zukunft sein: • Welche Art von Tests sollten verwendet wer- den (für aktive Infektionen oder für Antikör- per)? • Wo sollten Proben entnommen werden? By using the computa- • Wie sollten die Tests aussehen (zunächst kol- tional power of artificial lektiv, dann individuell)? neural networks and Ein weiteres Beispiel für eine solche Zusam- machine learning, the menarbeit ist die ursprünglich in Wrocław system helped indicate ansässige Forschungsgruppe MOCOS, die where, who, and how 2020 mit dem Lorbeer der „30 kreativen Wrocławer” ausgezeichnet wurde. MOCOS quickly to test for ist ein Akronym für „Modelling Coronavirus COVID-19. Spread” (Modellierung der Ausbreitung von Coronaviren oder datengesteuerte Modellie- rung der Ausbreitung von Coronaviren). 12 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
könnten. Die MOCOS-Modellgesellschaft zeigt, was sich ändert, wenn eine Quarantäne verhängt wird, wie sich das Virus in Familien ausbreitet und wie es sich im öffentlichen Raum wie z. B. in Schulen und Geschäf- ten verbreitet. Es gibt dafür die verschiedensten Szenarien, abhängig da- von, ob jemand aktiv ist, einen Job hat oder arbeitslos ist. Es spielt sogar eine Rolle, um welche Art von Arbeit es sich handelt. „Wir haben viele soziale Faktoren in unser Modell einbezogen. Wir haben sogar berücksichtigt, wie die Haushaltsgrößen in Polen verteilt sind. Außerdem verbreitet sich das Coronavirus in Wohnungen, in denen wir keine Masken tragen, anders als in Geschäften. Das hängt von der Jahreszeit und den getroffenen Präventivmaßnahmen ab”, erklärt Mar- „Es ist kein Zufall, dass cin Bodych von der Abteilung für automatische Steuerung, Mechatro- große amerikanische nik und Kontrollsysteme an der Fakultät für Elektronik der Technischen Unternehmen ihren Universität Wrocław. „Unser Modell hilft nicht nur bei der Vorhersage, Hauptsitz in Wrocław wie sich die Epidemie in den nächsten Tagen und Wochen entwickeln haben: HP, Google oder wird, sondern ermöglicht es uns auch, die Gründe für eine solche Dyna- mik der Virusausbreitung besser zu verstehen und herauszufinden, wie Amazon. Wir profitieren sie verhindert werden kann. Wir besprechen die Ergebnisse mit einem von dem wissenschaftli- Expertenteam des Gesundheitsministeriums. Darüber hinaus beteiligen chen Potenzial Wrocławs, wir uns aktiv an Diskussionen von Gruppen, die die Entwicklung von Epi- von Ihren Studenten und demien in Deutschland modellieren. Des Weiteren nutzt eine Gruppe Wissenschaftlern. Ihre von Wissenschaftlern in Illigan auf den Philippinen unser Modell für die Beteiligung an der For- Risikobewertung vor Ort. Wir haben auch eine Anwendung entwickelt, schung zur künstlichen mit der sich das Risiko einer Person in Bezug auf einen Krankenhaus- Intelligenz ist von zent- aufenthalt oder den Todesfall aufgrund von COVID-19 in Abhängigkeit raler Bedeutung. Jedes von verschiedenen Faktoren wie Geschlecht, Alter und Begleiterkran- dieser Unternehmen hat kungen abschätzen lässt. Jeder kann dieses Tool über unsere Website seine Macht und seinen nutzen.“ Wrocławer Wissenschaftler, die sich mit agentenbasierten Modellen geschäftlichen Erfolg auf beschäftigen, suchen nach Antworten auf wichtige Fragen: maschinellem Lernen • Welches Maß an Kontaktverfolgung ist erforderlich, um die Entwick- aufgebaut oder baut sie lung einer Epidemie zu verhindern? gerade auf.“ • Welches Maß an Kontaktbeschränkung verhindert den Zusammen- bruch des Gesundheitswesens? Neil Pickett, Marketingdirektor In der nächsten Phase wird die Anwendung von Methoden der Künst- der US-Botschaft in Polen lichen Intelligenz die Möglichkeit bieten, das Modell zu verfeinern und verschiedene „Was-wäre-wenn”-Optionen zu testen. Mit den Worten von Jakub Mazur, stellvertretender Bürgermeister von Wrocław: „MOCOS ist das, worum es uns geht: eine schnelle, professionelle und maßgeschneiderte Antwort auf die Bedürfnisse der Realität. Das ist unsere Wrocławer Erfolgsgeschichte.“ Diese Leistungen wurden auch von anderen wahrgenommen. Craig Simmons, Bürgermeister von Oxford, der Partnerstadt von Wrocław, lobte die Niederschlesier für ihre Kreativität, Schnelligkeit und Effizienz. Diplomaten aus den Vereinigten Staaten betonen, dass es kein Zufall sei, dass große amerikanische Unternehmen wie HP, Google oder Amazon ihren Sitz in Wrocław hätten. „Wir profitieren vom wissenschaftlichen Potenzial Wrocławs, von seinen Studenten und Wissenschaftlern. Deren Beteiligung an der For- schung im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist hier von zentraler Be- deutung. Jede dieser Institutionen, hat seinen wirtschaftlichen Erfolg auf maschinellem Lernen aufgebaut.“, sagte Neil Pickett, Marketingdirektor der US-Botschaft in Polen. Nicht nur amerikanische Unternehmen in Wrocław nutzen künst- 13 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
liche Intelligenz; 40% der großen Unternehmen in der Metropolregion Wrocław testen solche Lösungen in ihren Produktionsprozessen oder bei der Betreuung ihrer Mitarbeiter. An den Bedürfnissen der Unternehmen orientieren sich auch die Wrocławer Universitäten. So plant die Technische Universität Wrocław im Jahr 2021 zwei neue Studiengänge zu eröffnen: „Künstliche Intelli- genz” und „Vertrauenswürdige Systeme der künstlichen Intelligenz”. Professor Izabela Sitkiewicz vom neu gegründeten Zentrum für Be- völkerungsdiagnostik am Łukasiewicz-PORT Institut in Wrocław (Pol- nisches Zentrum für Technologieentwicklung) schätzt, dass praktische Anwendungen künstlicher neuronaler Netze am häufigsten im Gesund- heitswesen, in der Medizin und im Finanzwesen zu finden sind. Drei von zehn Systemen, die für den Kunden- oder Patientenservice ein- gesetzt werden, nutzen Lösungen, die auf lernenden Systemen basieren. In diesem Bereich weicht Wrocław von der Weltspitze nicht ab. Neben der Test- und Laborforschung wird das Zentrum für Bevölkerungsdiag- nostik Algorithmen der Künstlichen Intelligenz nutzen, um Prognosen und Gutachten zu Wohlstandskrankheiten und epidemischen Bedro- hungen zu erstellen. Ähnlich wie das MOCOS-Programm wird auch das Łukasiewicz-PORT Institut riesige Datenmengen nutzen und entspre- chend verarbeiten. Maschinen mit automatischen Lernfähigkeiten wer- den Hypothesen formulieren und Wege zur Problemlösung aufzeigen. Dank des maschinellen Lernens werden „Was-wäre-wenn”-Vorhersagen möglich sein. „Was wäre, wenn es in einem Modellland wie Polen eine neue Epidemie gäbe, die...” - ist eine der Fragen, die dem Łukasiewicz- PORT Institut heute gestellt werden. Wie Izabela Sitkiewicz erklärt, könnten wir heute medizinisch viel wei- ter sein, als wir es sind, wenn wir verstreute Datenbanken integriert und das Wissen über bestimmte Patienten an einem Ort gesammelt hätten. „Stellen Sie sich vor, dass nicht nur der Patient vor uns steht, sondern dass wir Zugriff auf die gesamte Dokumentation seines Gesundheitsz- ustandes haben. Und das bereits richtig analysiert und mit entsprechen- den Behandlungsempfehlungen versehen. Es ist eine Kombination von Künstlicher Intelligenz mit Big Data, bei der es um ausgewählte Informa- tionen aus vielen Bereichen geht: Krankenakten, Empfehlungen, frühere Therapien, Versicherungen sowie Informationen von mobilen Geräten wie beispielweise der Smartwatch.“ Beispielgebend hierfür ist Telemedycyna Polska, ein in Katowice (Kat- towitz) ansässiges und in Niederschlesien sehr aktives Unternehmen, das die Daten der Smartwatches bereits sammelt, wobei diese ebenso präzise sein können wie die Angaben spezieller Krankenhausgeräte. „Weltweit gibt es immer mehr Studien, welche die Wirksamkeit der beliebten Smartwatches nicht nur bei der Messung der Herzfrequenz oder der Blutsättigung belegen, sondern auch bei der Erkennung von Vorhofflimmern, Diabetes und sogar ST-Strecken-Hebungen, die bisher ausschließlich den EKG-Geräten in Krankenhäusern vorbehalten waren. Natürlich werden Smartwatches die vollständige Diagnostik noch lange nicht ersetzen, aber diese Studien zeigen, in welchem Umfang wir bereits Leistungen eines Smartwatch nutzen können“, meint Mikołaj Basza von Telemedycyna Polska. Experten des Łukasiewicz-PORT-Instituts und von Telemedycyna Pol- ska sagen dasselbe: Es geht nicht nur um eine bessere medizinische Ver- sorgung der niederschlesischen Patienten. In naher Zukunft wird das Gesundheitswesen auf die Datenfernübertragung zurückgreifen und mit Algorithmen der Künstlichen Intelligenz arbeiten müssen, die Daten aus 14 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
Wrocław ist heute ein wichtiges medizinisches Forschungszentrum mit florie- renden wissenschaftlichen Institutionen: Fakultäten für Chemie, Bio- wissenschaften und Biotechnologie an der Universität Wrocław, die Fakul- tät für Chemie an der Technischen Universität Wrocław, die Fakultät für Pharmazie an der Medizinischen Universität und die Zentren der Polnischen Akademie der Wissenschaften, wie das Institut für Immunologie und experi- mentelle Therapie. Alle diese Einrichtungen forschen auf der Basis von selb- stlernenden Algorithmen. verschiedenen Quellen analysieren und zusammenfassen. Die Investition in diesen Wissenschafts- und Industriezweig wird sich für die Region aus- zahlen. Dies wird eine bessere medizinische Versorgung für die Einwohner, aber auch Arbeitsplätze und Investitionen bringen. Deshalb lohnt es sich, den Entwicklungen im Bereich der KI Beachtung zu schenken. Die Daten der Weltgesundheitsorganisation weisen auf drei wichtige Herausforderun- gen für die Medizin in den nächsten dreißig Jahren hin. Erstens die alter- nde Bevölkerung (bis 2050 wird sich die Zahl der über Sechzigjährigen verdoppelt haben). Zweitens: Weltweit 1,2 Milliarden mehr Patienten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Diese Plätze sind schon jetzt knapp bemessen. Drittens fehlt es derzeit an sieben Millionen Arbeits- kräften im Gesundheitswesen. Bis 2030 werden achtzehn Millionen Stel- len unbesetzt sein. Wir müssen mit neuen Krankheiten und Pandemien rechnen, die im Eiltempo die Erde überziehen werden. Da die Menschen immer älter werden, in den Krankenhäusern nicht mehr ausreichen Platz vorhanden ist und es an Personal mangelt, wird die Lösung in der Tele- medizin liegen. In den Vereinigten Staaten hat sich die Zahl der teleme- dizinischen Besuche aufgrund von COVID-19 im Jahr 2020 um das Hun- dertfünfundsiebzigfache erhöht. Krankenhäuser nutzen bereits medizinische Anwendungen, die in eine Architektur der Künstlichen Intelligenz eingebettet sind. Es ist bekannt, dass Analysegeräte, die Künstliche Intelligenz nutzen, Fotos und Bilder hervorragend lesen und interpretieren können. Anwendungen zur Aus- wertung von Röntgenbildern sind ebenso unfehlbar wie gute Radiolo- gen. Niemand geht davon aus, dass Maschinen die Ärzte ersetzen wer- den. Aber jeder rechnet mit ihrer Unterstützung. Das 2012 gegründete Wrocławer Unternehmen MicroscopeIT will dieses Potenzial erschließen. Die Idee des Teams, das aus Wissen- schaftlern und Ärzten besteht, sind Maschinen, die histopathologische „Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie groß die Kluft zwischen den Menschen ist, die medizinische Versorgung benötigen, und denjenigen, die diese Versorgung leisten kön- nen. Angesichts der alternden Bevölkerung und des zunehmenden Mangels an Gesun- dheitspersonal wird sich diese Kluft noch vergrößern. Die einzig mögliche Lösung für dieses Problem besteht darin, einen möglichst großen Teil der Gesundheitsversorgung in das Haus des Patienten zu verlegen und es mit intelligenten Sensoren, kreditkarten- großen drahtlosen EKGs oder intelligenten Armbändern zu umgeben. Dann können die vom Haus des Patienten gelieferten Daten mit Algorithmen der künstlichen Intelligenz analysiert werden, um dem Arzt die wichtigsten Informationen über den Zustand des Patienten zu liefern und die Diagnose und Therapie zu unterstützen.“ PODPIS Mikołaj Basza, Telemedycyna Polska. 15 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
Veränderungen auf mikroskopischen Bildern von Geweben effektiv erkennen. Präparate, die traditionell auf einem Objektträger präpa- riert und von einem Arzt unter dem Mikroskop begutachtet werden, werden gescannt und in ein digitales Bild umgewandelt. Das Bild wird durch maschinelles Lernen von einer künstlichen Intelligenz voranalys- iert. Damit die Maschine in der Lage ist, Veränderungen zu erkennen, muss sie diese „lernen”. Diese Phase ist derzeit im Aufbau. Microsco- peIT führt das Projekt ExaMode mit Hilfe von Fördermitteln aus dem Rahmenprogramm Horizon 2020 durch. Im Zuge dessen wird Virtum HP entwickelt - ein Werkzeug zur Erkennung histopathologischer Ver- änderungen. „Es wurden bereits die ersten Algorithmen entwickelt, die krebsarti- ge Bereiche typisieren, zunächst für Darmkrebs, später auch für Lun- genkrebs, Gebärmutterhalskrebs und sogar Zöliakie“, sagt Dr. Edyta Petters, PhD, Direktor für Geschäftsentwicklung bei MicroscopeIT. Für manche Krankheiten wird nur wenig an Algorithmen zur Unter- stützung von Histopathologen gearbeitet, wie es bei Prostatakrebs und Brustkrebs der Fall ist, und die Nachfrage ist ebenfalls hoch. HPs Virtum mit Algorithmen wird in Krankenhäusern in Catania und Nij- megen getestet. Mit Catania arbeitet MicroscopeIT schon seit Langem zusammen. Das sizilianische Histopathologielabor wurde vor einigen Jahren vollständig digitalisiert - als eines der ersten weltweit. Dank der Virtum-Plattform in Wrocław konnten die Ärzte in der schwierigsten Zeit der COVID- 19-Pandemie von zu Hause aus arbeiten, die Objektträger ansehen und Anmerkungen machen, als wären sie im Labor. Schätzungen zufolge sind derzeit weltweit 4 Billionen Gigabit an diag- nostischen und biomedizinischen Daten im Gesundheitswesen gespei- chert. Zum Vergleich: Ein Röntgenbild entspricht etwa 1 Gigabit. Die Da- tenmenge wächst exponentiell und verdoppelt sich alle zwei Jahre. Den Ärzten fehlt die Zeit, die Daten zuverlässig zu analysieren. Sie sind nicht in der Lage, die gesamte Gesundheitsgeschichte eines Patienten zu über- prüfen. Selbstlernende Apps könnten hier die Arbeit des Arztes überneh- men und ihm das Ergebnis der Analyse präsentieren. Apps überwachen Drei von zehn Systemen, auch den Zustand des Patienten in Echtzeit. Sie bewerten, wie sich sein die im Kunden- oder Pa- Zustand verändert. So kann sich das Krankenhauspersonal auf diejenigen tientenservice eingesetzt konzentrieren, deren Leistung sich verschlechtert, um den Rest kümmert werden, nutzen Lösungen, sich die künstliche Intelligenz. die auf lernenden Syste- Diese intelligenten analytischen Überwachungsfunktionen können men basieren. In diesem auch in Privathaushalten erfolgreich eingesetzt werden. Dr. Jerzy Sas von Bereich liegt Wrocław der Abteilung für künstliche Intelligenz an der Technischen Universität nicht weit hinter den Wrocław entwickelt ein System aus Kameras und Mikrofonen, das in den Wohnungen älterer Menschen installiert werden soll. Das Programm soll Weltmeistern zurück. das typische Verhalten seines Benutzers erlernen und bei gefährlichen Anomalien Hilfe rufen. Einige polnische Unternehmen arbeiten bereits auf diese Weise. Di- abdis kümmert sich per Ferndiagnostik um dreitausend Polen, weitere Fünfzigtausend nutzen die Anwendung zur Überwachung des Blutzu- ckerspiegels und zur Analyse der Daten aus dem Blutzuckermessgerät. Dabei bewältigen die Algorithmen der künstlichen Intelligenz die Analyse der Daten von Patienten, die über ganz Polen verstreut sind, perfekt. „Es sei daran erinnert, dass Diabetes eine Zivilisationskrankheit ist. Heu- te sind 9% der Bevölkerung in Polen davon betroffen, das sind mehr als 2,8 Millionen Menschen“, rechnet Rafał Miozga von Diabdis vor. „Die Da- ten von den Blutzuckermessgeräten der Patienten werden an eine virtu- 16 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
elle Cloud gesendet und dort von Algorithmen analysiert. Wenn ein Pro- blem festgestellt wird, kontaktiert das System den Patienten und schaltet einen Diabetesberater ein. Falls erforderlich, kann der Spezialist ein Ge- spräch mit dem Arzt empfehlen, der auch ein E-Rezept ausstellen kann.“ Schließlich konsultieren drei von vier Polen ohnehin regelmäßig den Google-Doktor. Die Suchmaschine stellt in der Regel aufgrund der Symptome eine Diagnose, die von Rhinitis über Sinusitis bis hin zum Hirntumor reichen kann. Das Ergebnis ist ein verängstigter Patient, der noch frustrierter ist, weil er keinen Facharzt aufsuchen kann, obwohl vielleicht jeder Augenblick zählt. Das 2012 gegründete Wrocławer Un- ternehmen Infermedica will diese Situation mit Hilfe künstlicher Intel- ligenz ändern. Heute beschäftigt es über hundertzwanzig Mitarbeiter und hat Niederlassungen in den Vereinigten Staaten und Deutschland. Die Lösungen des Unternehmens, darunter die Symptom-Checker, haben bereits mehr als sieben Millionen Menschen auf der ganzen Welt geholfen. „Der Nutzer gibt die Symptome ein und die App stellt Fragen, um sie genauer abzuklären. Es handelt sich nicht um einen einfachen Entschei- dungsbaum, sondern um ein komplexes System, das auf Algorithmen der künstlichen Intelligenz basiert und von einem Team aus Ärzten und Datenanalysespezialisten entwickelt wurde. Unsere Anwendung lernt ständig dazu. Vierzigtausend Stunden Arbeit von Ärzten, um eine Grafik zu erstellen, die einzelne Symptome, Risikofaktoren und Krankheitsenti- täten miteinander verbindet, liegen hinter uns. Am Ende des Gesprächs erhält der Patient eine von mehreren Empfehlungen, wie z. B. Zuhause zu bleiben, einen Arzt (mit einer bestimmten Spezialisierung) aufzusuchen oder sich in die Notaufnahme eines Krankenhauses zu begeben. Unse- re Erfahrung zeigt, dass bei 30% dieser Fälle kein sofortiger Kontakt mit einem Arzt erforderlich ist und die schnelle Diagnose die Arbeitsbelas- tung des Gesundheitspersonals erheblich reduzieren kann.“, erläutert der Leiter des Unternehmens Piotr Orzechowski. Infermedica kann harte und messbare Daten vorweisen: Heute haben seine Algorithmen eine 93%ige prädiagnostische Wirksamkeit und seine medizinische Wissensbasis enthält über siebenhundert Krankheitsentitä- ten und eintausenddreihundert Symptome. In Bezug auf die Zukunft sei- nes Unternehmens und der medizinischen Entwicklung hat Piotr Orze- chowski keine Zweifel: „Künstliche Intelligenz wird die Ärzte nicht erset- zen, aber ein Arzt, der künstliche Intelligenz einsetzt, wird einen Arzt er- setzen, der dies nicht tut“. Infermedica bietet seine Lösungen hauptsächlich im B2B-Modell (Lö- sungen für Unternehmen) an. Seine Technologie wird von großen Un- ternehmen wie der Allianz, Microsoft oder PZU Zdrowie genutzt. Das in Wrocław ansässige Unternehmen bietet Anwendungen wie Symptom- Checker an - eine Lösung, die maschinelles Lernen und Algorithmen der künstlichen Intelligenz nutzt, um Krankenhäuser, Kliniken, Versicherer, medizinische und telemedizinische Unternehmen dabei zu unterstüt- zen, ein automatisches medizinisches Vorgespräch mit einem Patienten zu führen und die am besten geeigneten medizinischen Leistungen zu empfehlen. Das Unternehmen hat außerdem die Call Center Triage ent- wickelt - eine Software, die Call Center-Mitarbeiter bei der Weiterleitung des Patientenverkehrs auf der Grundlage von Beschwerden, Schmerz- zuständen und lebensbedrohlichen Zuständen unterstützt. Zudem er- möglicht die Medical API eine Integration mit Chatbots, die Patienten- anfragen annehmen, oder mit Systemen für elektronische Krankenakten, welche die künstliche Intelligenz mit zuvor in den Krankenakten erfass- 17 Künstliche Intelligenz für ein gutes Leben Wrocław Metropolregion 2021
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