Bis 8. September Kaltensundheim - Auf den Spuren der Musikgeschichte - Entdeckungen aus dem Kirchenarchiv - Academia Musicalis ...

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Bis 8. September Kaltensundheim - Auf den Spuren der Musikgeschichte - Entdeckungen aus dem Kirchenarchiv - Academia Musicalis ...
7. bis 8. September
  Kaltensundheim
  Auf den Spuren der Musikgeschichte –
  Entdeckungen aus dem Kirchenarchiv

w w w. adjuvantentage.de
Bis 8. September Kaltensundheim - Auf den Spuren der Musikgeschichte - Entdeckungen aus dem Kirchenarchiv - Academia Musicalis ...
Grußwort

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    liebe Musikfreundinnen und Musikfreunde,

herzlich willkommen zu den Thüringer Ad-       lung, Vorträge und vieles mehr zu dem sehr
juvantentagen – diesmal in Kaltensundheim      hörenswerten musikalischen Schaffen unse-
in der Rhön. Bereits zum 12. Mal bieten die    rer Vorfahren.
Adjuvantentage besondere Musikschätze, die
belegen: Anspruchsvolle Musik ist keine eli-  Die Thüringer Adjuvantentage sind ein wich-
täre Angelegenheit für einige wenige, das     tiger Bestandteil unserer regionalen Musik-
selbstverständliche Musizieren ist vielmehr   tradition, sie sind die musikalische Brücke
tief mit der ländlichen und handwerklichen    zwischen ländlicher Kultur und Kirchenmu-
Tradition Thüringens verbunden.               sik, kurzum, sie sind ein Ereignis, das sich zu
                                              Recht viele Besucherinnen und Besucher
Thüringen und Musik – das gehört seit Jahr- nicht entgehen lassen.
hunderten zusammen. Persönlichkeiten wie
Max Reger, der große Europäer Franz Liszt Ich danke den Musikerinnen und Musikern,
und die Familie Bach haben hier gewirkt – den Chören, der Academia Musicalis Thu-
Thüringer Musiktradition hat Weltrang. ringiae e.V., der Stadt Kaltennordheim und
Doch auch Weltruhm hat Wurzeln – und der Kirchengemeinde Kaltensundheim. Sie
diese finden sich zum Beispiel in der einzig- alle ermöglichen die 12. Thüringer Adjuvan-
artig reichen Musikkultur der Thüringer tentage, für die ich sehr gerne die Schirm-
Dörfer des 16. bis 18. Jahrhunderts.          herrschaft übernommen habe. Den Musik-
                                              freundinnen und Musikfreunden wünsche
Die Thüringer Adjuvantentage bringen das ich beeindruckende Konzerterlebnisse und
vielfältige musikalische Wirken von Bauern eine schöne Zeit in Thüringen.
und Handwerkern zum Klingen: Kantaten,
Motetten, Passionen und sogar Oratorien Ihr
finden sich in den Thüringer Adjuvantenbe-
ständen. Die 12. Thüringer Adjuvantentage                                    Bodo Ramelow
bergen diesen Schatz, sie bieten Konzerte,      Ministerpräsident des Freistaats Thüringen
Festgottesdienst, eine informative Ausstel-

                                                                                                1
Bis 8. September Kaltensundheim - Auf den Spuren der Musikgeschichte - Entdeckungen aus dem Kirchenarchiv - Academia Musicalis ...
Grußwort

       Sehr geehrte Mitwirkende und sehr geehrte
       Gäste der Thüringer Adjuvantentage 2019!

                                „Freut euch, ihr lieben Christen all,
                                 lobsinget Gott mit hellem Schall,
                                ja singt und spielt aus Dankbarkeit
                                  dem Herrn im Herzen allezeit.“
                                                                                      Prag 1612
                                                                  Evangelisches Gesangbuch 60,1

    Wie schön, dass wunderbare Musik erklingt        Gottesdienst und dem christlichen Begräb-
    in der Thüringer Provinz! Wie schön, dass        nis eng verbunden ist. Und es ist eine Tradi-
    das kleine Kaltensundheim, am Rande Thü-         tion der einfachen Leute aus den Dörfern
    ringens gelegen, in den Mittelpunkt rückt!       und kleinen Städten. Vielfältige, lange ver-
    Herzlich willkommen zu den Adjuvantenta-         gessene Kostbarkeiten an musikalischen
    gen in unserem ländlichen Kirchenkreis!          Werken schlummern in den Archiven. Und
                                                     es ist ein unschätzbares Verdienst der Aca-
    Singen leistet mehr als Reden. Es spricht bei-   demia Musicalis Thuringiae e.V. und vieler
    des, Verstand und Gefühl, auf einzigartige       Musik­  freunde, diese Kostbarkeiten ans
    Weise an und bringt etwas im Menschen            Licht und zum Klingen zu bringen. Das For-
    zum Klingen, was Worte allein nicht vermö-       mat der Thüringer Adjuvantentage bietet
    gen. Nicht zufällig sind christliche Gemein-     nun bereits zum 12. Mal den idealen Raum
    den schon immer ein Hort des Singens und         dafür.
    Musizierens. Die reichen Schätze unserer
    musikalischen Tradition verbinden uns            Deshalb ist es mir eine Freude, dass auch
    heute mit anderen europäischen und inzwi-        unser Kirchenkreis das Projekt unterstützt.
    schen auch weltweiten Kulturen. Unser Ge-        Herzlichen Dank allen, die dieses Ereignis
    sangbuch lässt davon etwas ahnen, indem es       vorbereitet haben! Und herzlichen Dank al-
    uns anleitet, Gesänge aus Schweden, Un-          len Mitwirkenden!
    garn oder Tansania, aus Brasilien, Polen
    oder Norwegen anzustimmen.                       Möge das Singen und Spielen Gott zur Ehre
                                                     und den Menschen zur Freude geschehen!
    Die Tradition des zweckgebundenen Musi-
    zierens in unseren Kirchen ist im Lande                              Dr. Ulrich Lieberknecht
    Bachs tief verwurzelt. Es ist eine Tradition,                                 Superintendent
    die dem Kirchenjahr, dem sonntäglichen

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Grußwort

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    werte Freunde der Musik,

ich freue mich, Sie in unserer idyllischen       ten das Verhältnis Thüringens zu musikali-
Rhön, in Kaltensundheim, zu den 12. Thü-         schen Größen stark. Durch ihr Wirken ver-
ringer Adjuvantentagen herzlich willkom-         schafften sie uns das „Silberne Zeitalter“
men heißen zu dürfen. Vermutlich schon im        Weimars, in dem sich viele Musiker auf den
16. Jahrhundert spielten und sangen Adju-        Weg nach Thüringen machten. Unsere Re-
vanten in Kaltensundheim zu Hochzeiten,          gion erreichte einen immer höheren Stel-
Beerdigungen und sonstigen Festen. Auch          lenwert, der z.B. auch durch die Meininger
wenn sie keine Berufsmusiker waren, spiel-       Hofkapelle talentierte Musiker anzog.
ten sie mit Leidenschaft und viel Gefühl –
welches ihnen verhalf, auf einem sehr ho-        An diesen Tagen verschafft uns Kaltensund-
hen Niveau die Menschen zu bewegen. Ne-          heim einen Einblick in diese faszinierende
ben altbewährten Liedern führten sie auch        Zeit. Die Adjuvantentage bieten für Men-
die modernsten, international verbreiteten       schen jeden Alters etwas an. Neben Aus-
Stücke ihrer Zeit auf. Adjuvanten waren
­                                                stellungen und Vorträgen werden Chöre die
überall vertreten, in jeder Gemeinde gab         Lieder von damals wieder erklingen lassen,
es freiwillige, die aufgrund der Musik und       aber auch an die Kleinsten wird vor Ort ge-
nicht des Geldes wegen spielten und sangen.      dacht. Das Thüringer Bach Collegium wird
Für die Menschen war es mehr als eine Auf-       die Menschen mit einem Festkonzert mit
gabe Adjuvant zu sein, es war eine Ehre die-     Pau­ken und Trompeten beglücken.
sen Titel zu tragen – welches sie voller Stolz
taten.                                           Ich danke allen musikbegeisterten Men-
                                                 schen, die uns diese Tage ermöglichen und
Die Thüringer Adjuvantentage bilden ei-          zu einem unvergesslichen Erlebnis machen.
nen wichtigen Bestandteil unserer regiona-       Und natürlich geht ein besonderer Dank an
len Musiktradition, sie verbinden die dama-      die Chöre, die Academia Musicalis Thurin-
lige geistliche mit unserer heutigen säkula-     giae e.V., die Stadt Kaltennordheim und die
ren Zeit. An diesen Tagen wird Geschichte        Kirchengemeinde Kaltensundheim für ihr
wieder lebendig, die Menschen können er-         Engagement, das uns diese Festtage erleben
fahren, mit wie viel Freude die Adjuvanten       lässt. Ich wünsche allen Musikfreundinnen
von damals ihre Leidenschaft lebten. In je-      und Musikfreunden eine schöne Zeit in Kal-
der Region unseres schönen Thüringens ist        tensundheim und einen wundervollen Auf-
diese Tradition verankert gewesen und aus        enthalt in unserem Landkreis Schmalkal-
dieser Grundlage konnten erst die großen         den-Meiningen.
musikalischen Genies unseres Freistaates
empor steigen. Die Familie Bach, um ihren                                     Peggy Greiser
bekanntesten Sohn Johann Sebastian, präg-                                        Landrätin

                                                                                               3
Bis 8. September Kaltensundheim - Auf den Spuren der Musikgeschichte - Entdeckungen aus dem Kirchenarchiv - Academia Musicalis ...
Grußwort

        Meine sehr geehrten Damen und Herren,
        liebes Publikum,

    in diesem Jahr finden die 12. Adjuvantenta-    geisterte aus der ganzen Rhön eine auch im
    ge am Fuße der Hohen Rhön statt: in jenem      eigenen Adjuvantenarchiv liegende Kantate.
    Zentrum, das sich angesiedelt hat, bevor       Sie wird von den hochkarätigen Künst­lern
    man in die rauhen Regionen der Rhön auf-       des Festkonzertes instrumental begleitet.
    stieg und dem die umliegenden Orte Kal-        Auch die wunderbare historische Orgel wird
    tennordheim und Kaltenwestheim nicht           festlich erklingen.
    minder angehörten. Hier erklang einst eine
    hochkarätige frische und spritzige, tiefsin-    Eine informative Ausstellung, die die Bedeu-
    nige und emotional tief empfundene, an-         tung und Qualität des musikalisch herausra-
    rührende Musik, die Nöte und Freude, Got-       genden Geschehens in Kaltensundheim er-
    teslob und Preis, Dankbarkeit und Sorgen        örtert, sowie Vorträge und Diskussionen
    zum Ausdruck brachte, musiziert von der         nebst vielen „Lustbarlichkeiten“ für Jung und
    männlichen Bewohnerschaft.                      Alt ergänzen das zweitägige Festprogramm
                                                    und entreißen die stupende musikalische
    In dieser Gegend ist die Adjuvantentradi­ Tradition dieser Trutzburg am Fuße der
    tion sehr alt und reichlich überliefert: in In- Rhön aus ihren Grüften der Vergessenheit.
    ventarbüchern, in der Liedsammlung Can-
    tionale Sacrum des 17. Jahrhunderts und in Die 12. Thüringer Adjuvantentage können
    zahlreichen erhaltenen Musikalien, die heu- nur durchgeführt werden dank der großzügi-
    te im Thüringischen Landesmusikarchiv in gen Unterstützung der Thüringer Staatskanz-
    Weimar aufbewahrt werden. Insbesondere lei, der Mitteldeutschen Barockmusik, des
    den großformatigen, nicht an Kantaten u.ä. Kirch- und des Landkreises, der Kommune,
    orientierten Kompositionen, wie jenen Jo- der Rhön-Rennsteig Sparkasse und vieler wei-
    seph Haydns, Anton Schweitzers und nicht terer lokaler Förerer, dank der Zusammenar-
    zuletzt Wolfgang Amadeus Mozarts war beit und unermüdlichen Unterstützung der
    hier das Musizieren seit der zweiten Hälfte beiden Bürgermeister, mit Hilfe des Engage-
    des 18. Jahrhunderts besonders zugetan.         ments der Kirchengemeinde und der vielen
                                                    Ehrenamtlichen vor Ort, die immer wieder
    Aus diesem großartigen Fundus wird durch neue Ideen einbrachten und das Projekt mit
    das Thüringer Bach Collegium ein pracht- uns und der Jugend gemeinsam konzipierten.
    volles Festkonzert erklingen. Es setzt jene
    Öffnung hinaus in die Konzertwelt um und Mögen Sie sich mit Neugierde und Vergnü-
    in die repräsentative Klangvielfalt der damals gen auf die Entdeckung der großartigen mu-
    modernsten Sehnsüchte und Ansprüche, die sikalischen Vergangenheit „Vor der Rhön“
    zugleich ein Öffnen hin zu einer bürgerli- begeben.
    chen Musikkultur bedeutete.
                                                                            Prof. Dr. Helen Geyer
    Im Festgottesdiens präsentiert der lokale                                     Vorsitzende der
    Chor St. Albanus, verstärkt durch Sangesbe-              Academia Musicalis Thuringiae e.V.
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Inventarauflistung in der Kaltensundheimer
    Kirchenrechnung (1761/1762)
    Landeskirchenarchiv Eisenach, KI 115, fol. 3r

                                                                                    H
                                                                 An Instrumenten sind bishero angeschafft
                                                                                 worden
                                                                1. 3 Violini
                                                                2. 1 alta Viola
                                                                3. ein Violoncello
                                                                4. ein Violon
                                                                5. ein alter Basson
                                                                6 ein paar Clarinetten

Auf diesem Blatt der Inventarauflistung sind die Noten und Instrumente verzeichnet. Ihm ist zu entneh-
men, dass hier Musik von wichtigen Komponisten des 17. Jahrhunderts aufgeführt wurde, deren Werke
auf keiner Thüringer Chorempore fehlen durften:
[in dem auf dem Chor befindlichen alten Schrank. in welchem an alten Musikalien anzutreffen]
1 der so genannte große Hammerschmidt
2 Niedens Musicalische Sonntags Andachten        }   in folio
3   Briegels Evangel. Blumen Garten
4
5
    Hammerschmidts Sonntags Musicalien
    das Gothaische Cantional
                                                 }   in quart

                                                                                                            5
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Prog r ammüb ersi cht

                                     S amst ag, 31.8.
    10.30 Uhr | Seven Garden, Kaltensundheim
    Ausstellungseröffnung mit Empfang
    Ein Geschenk des Himmels. Die Reformation und ihre Musik in Thüringen –
    Große Wanderausstellung in 4 Kapiteln an 4 Ausstellungsorten
    • Einführung: Was sind Adjuvanten? mit Dr. Christoph Meixner
    • Alle Ausstellungsorte öffnen im Anschluss bis 14.30 Uhr ihre Türen.
    Die Ausstellungsorte:
    Kaltensundheim
    • Seven Garden – Friseur & Kosmetik, Petersgärten 7 (Eingang von Querstraße)
         Dienstag bis Freitag 8.30–18 Uhr, Samstag 8–13 Uhr
    • Staatliches Thüringisches Rhön-Gymnasium, Petersgärten 12
         Montag bis Freitag 10–15 Uhr und Samstag 7.9. 10–14 Uhr
    • Verwaltungsgemeinschaft „Hohe Rhön“, Hauptstraße 18
         Montag bis Freitag 8.30–12 Uhr, außerdem Mittwoch 13–16 Uhr und Donnerstag 13–18 Uhr
    Kaltennordheim
    • Bürgerhaus Kaltennordheim, Wilhelm-Külz-Platz 2, neben dem Rathaus. Bitte melden Sie sich im
         Rathaus, um Einlass zu erhalten. Montag bis Freitag 8.30–12 Uhr, außerdem
         Montag und Donnerstag 13.30–15 Uhr sowie Dienstag 13.30–17.30 Uhr

                                       S amstag, 7.9.
    14 Uhr | Kirchenburg St. Albanus, zwischen Torhaus und Kirche
    Eröffnung der 12. Thüringer Adjuvantentage 2019
    •   Enthüllung der Infotafeln „Adjuvanten in Kaltensundheim“
        mit dem Kurator Dr. Christoph Meixner (Thüringisches Landesmusikarchiv Weimar)
    •   Brass7 – Blechmusik made in Rhön

    14.30 Uhr | Kirchenburg St. Albanus, Kirche
    Erkundungen vor Ort
    •   Präsentation der „Fundstücke zur Musikgeschichte“ von Menschen vor Ort
        Ergebnisse des aktuellen Medien-Aufrufs
    •   Kirchen- und Orgelführung mit Achim Fuchs und Jens Rauch
    •   Orgelklang: Choralbearbeitungen aus dem Adjuvantenarchiv mit Jens Rauch

    16 Uhr | Wiese zwischen Friedhof und Nahkauf
    Sommerbühne
    •   St. Albanus Chor, Kirchenchor Stepfershausen, Kammerchor Canticum Novum Dermbach,
        Projektchor aus Männerchören der Rhön und dem Kirchenchor Kaltensundheim, Marilena Kirchner
        Tina Gensler – Moderation
    •   Essen, Trinken, Bauernmarkt, Streichelzoo, Hüpfburg

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Prog r ammüb ersi cht

                               S onntag, 8.9.
10 Uhr | Kirchenburg St. Albanus, Gemeindesaal im Pfarrhaus
Forum Thüringische Musikgeschichte
Vorträge und Publikumsgespräch für Kenner und Neugierige
Moderation: Prof. Dr. Helen Geyer
• Dr. des. Dorlies Zielsdorf: Adjuvantenkultur in Kaltensundheim und Umgebung
• Claudia Greifzu: Die alten Rhöner und ihre vielfältigen Verbindungen zu Musik und Tanz
• Dr. Johannes-Michael Scholz: Archivarbeit. Von der Schönheit der Ordnung

13.30 Uhr | Kirchenburg St. Albanus, Kirche
Festgottesdienst
mit einer wiederentdeckten Kantate von Christian Ehregott Weinlig (1743–1813)
aus dem Adjuvantenarchiv Kaltensundheim
Adjuvantentage-Projektchor
Jens Rauch, Sebastian Fuhrmann – Leitung
Steffen Köllner – Bariton
Thüringer Bach Collegium
Gernot Süßmuth – Künstlerische Leitung

14.30 Uhr | Kirchenburg St. Albanus, Wiese um die Kirche
Kaffee und Kuchen
•   Gelegenheit zu Gesprächen und Geselligkeit

16.30 Uhr | Kirchenburg St. Albanus, Kirche
Festkonzert
Schätze aus dem Adjuvantenarchiv Kaltensundheim
Thüringer Bach Collegium
Gernot Süßmuth – Solo-Violine und Künstlerische Leitung
Friederike Beykirch – Sopran
Henriette Gödde – Alt                                                    Knaben des Adjuvantenchors
Stefan Scherpe – Tenor                                                  im Jahr 1828. Federzeichnung
Uwe Schenker-Primus – Bass                                                 (hinter zerbrochenem Glas)
                                                                       über dem Orgelspieltisch in der
                                                                      Kirche St. Georg in Thamsbrück.
                                                                                  Foto: Joachim Stade.

                                                                                                         7
Bis 8. September Kaltensundheim - Auf den Spuren der Musikgeschichte - Entdeckungen aus dem Kirchenarchiv - Academia Musicalis ...
Adjuvantenkultur
        in Kaltensundheim und Umgebung
        Dorlies Zielsdorf

    „Man bedenke nur das, wie an allen Örtern                  Schon im Reformationszeitalter baute
    die Musica in vollem Schwunge gehet. Ist              man für die Organisation einer reichen sonn-
    doch bald kein Dörflein, bevoraus in Thürin-          täglichen Kirchenmusik darauf, dass sich
    gen, darinnen Musica, beydes, vocalis und             Männer freiwillig bereiterklärten, im Chorus
    instrumentalis, nicht herrlich und zierlich           Musicus der örtlichen Schule als Adjuvant –
    sollte florieren und wohl bestellet sein. Hat         also „Helfer“ – mitzuwirken. Da die Refor-
    man ja kein Orgelwerk, so ist doch die vocalis        matoren der Musik sowohl als Mittel der
    musica zum wenigsten mit ein 5 oder 6 Gei-            Verkündigung als auch zur Unterweisung
    gen ornirt und gezieret, welches man vorzei-          der Schülerschaft in Bibelkenntnis und Kate-
    ten kaum in den Städten hat haben können.“1           chismuslehre einen hohen Stellenwert ein-
         Mit diesem Zitat eröffnete der Heimat-           räumten, nahm der Musikunterricht in den
    forscher Fritz Rollberg seine Abhandlung              protestantischen Schulordnungen breiten
    über die Geschichte der „Adjuvantenchöre              Raum ein.3 Diese Bestimmungen entwickel-
    in Westthüringen“.2 Sein Interesse galt dem           ten sich zu einer wesentlichen Gelingensbe-
    Verweis Altenburgs auf ein gerade im ländli-          dingung für die thüringische Adjuvantenkul-
    chen Raum offenbar reiches Musikschaffen              tur, wurde doch durch die intensive musika-
    in Thüringen. In der Tat konnte er in der Ge-         lische Ausbildung der Jugend sichergestellt,
    gend um Eisenach zahlreiche Belege einer              dass die breite Bevölkerung in einem heute
    derartigen dörflichen Musikkultur ausma-              kaum noch vorstellbaren Maße in der Lage
    chen. Rollbergs Beitrag zur Adjuvantenge-             war, komplexe Figuralmusik auszuführen. In
    schichte stellt bis heute einen zentralen Aus-        Kaltensundheim und Mittelsdorf war ent-
    gangspunkt der Adjuvantenforschung dar.               sprechend der Visitation von 1556 bereits
    Angesichts der Vielfalt des hier verfügbaren          eine Schule eingerichtet. Ob aber tatsächlich
    Quellenmaterials lässt sich gerade anhand             Schule gehalten wurde bleibt fraglich, da die
    dieser Gegend die Entwicklung der Adjuvan-            Gemeinde hierzu ernstlich ermahnt wurde.4
    tenkultur in Thüringen nachvollziehen. Die                 In Eisenach hat sich mit dem Eisenacher
    Geschichte der Adjuvanten in Kaltensund-              Kantorenbuch ein eindrucksvolles Zeugnis
    heim und Umgebung steht damit stellvertre-            der Adjuvantenkultur aus der Mitte des
    tend für die Adjuvantenkultur auf dem thü-            16. Jahrhunderts erhalten. Das enthaltene
    ringischen Lande insgesamt.                           Repertoire wird dort, wo bereits Schulen ein-
                                                          gerichtet waren, von den gegebenenfalls ent-
    1   Michael Altenburg, Erster Theil. Newer lieblicher standenen Chori Musici verwendet worden
        und zierlicher Intraden. Mit sechs Stimmen. Wel-
        che zu förderst auff Geigen Lauten Instrumenten
        und Orgelwerck gerichtet sind darein zugleich eine   3   Dorlies Zielsdorf, Adjuvantenkultur in Thürin-
        Choralsttimm aus dem Gesangbuch … kann mit               gen, Dissertation. Unveröffentlichtes Manuskript
        gesungen werden, Erffurt 1620.                           Hochschule für Musik „Franz Liszt“, Weimar
    2   Fritz Rollberg, „Adjuvantenchöre in Westthü-             2019, S. 42.
        ringen“, in: Reinhold Jauernig (Hrsg.), Beiträge     4   Visitation in der Herrschaft Römhild und im Amt
        zur Thüringischen Kirchengeschichte, Bd. 3, Jena         Lichtenberg, 1556; ThHStA Weimar, Ernestini-
        1933-35, S. 70–114.                                      sches Gesamtarchiv, Reg. li 29.
8
Bis 8. September Kaltensundheim - Auf den Spuren der Musikgeschichte - Entdeckungen aus dem Kirchenarchiv - Academia Musicalis ...
Ausschnitt aus: Fritz Rollberg, „Adjuvantenchöre in Westthüringen“, in: Reinhold Jauernig (Hrsg.),
             Beiträge zur Thüringischen Kirchengeschichte, Bd. 3, Jena 1933–35, S. 70–114, hier: S. 88.

sein. Es enthält u.a. Werke von Josquin des             Um 1600 schließlich hatte sich die Adju-
Prez, Heinrich Isaac, Ludwig Senfl und Tho-         vantenmusik in Thüringen in Stadt und Land
mas Stoltzer. Daneben finden sich auch di-          fest etabliert, wie der Thüringer Komponist
verse Werke von Antonius Musa und Conrad            Friedrich Weißensee in seiner Sammlung
Rein, die beide selbst aus Thüringen stamm-         „Evangelische Sprüche“ von 1595 bezeugte:
ten. Eine Besonderheit des Kantorenbuches           „Und gleichwol die Edle Music | zu dieser
erlaubt einen Blick auf die Musizierpraxis:         Zeit | beydes in Städten und Dörffern | plenis
Die Knabenstimmen Discant und Altus sind            curibus regiret und in vollem schwange gehet
unten auf dem Blatt angeordnet, während die         | Alß habe ich […] gegenwärtige Sprüchlein
tiefen Stimmen Tenor und Bass oben abge-            vor mich genommen | mit 5 Stimmen
bildet sind. Der Chorus Musicus gruppierte          figuriret“6
sich offenbar so um das Buch, dass die vorne            Seine doppelchörig angelegten Komposi-
stehenden Knaben entsprechend ihrer Kör-            tionen waren bei den Thüringer Adjuvanten
pergröße einfach ihre Stimmen mitverfolgen          sehr beliebt und wurden bis weit in das
konnten.5

5   Franz Körndle, „Das Eisenacher Kantoren-        6    Steffen Voss, Die Musiksammlung des Pfarrar-
    buch“, in: Konrad Scheurmann und Jördis Frank        chivs Udestedt bei Erfurt. Quellenuntersuchungen
    (Hrsg.), Thüringen: Neu entdeckt. Thüringen –        zur Musikkultur Thüringens im 17. und 18. Jahr-
    Land der Residenzen. 2. Thüringer Landesaus-         hundert (= Schriften zur mitteldeutschen Musik-
    stellung, Mainz am Rhein 2004, S. 215–216.           geschichte), Schneverdingen 2006, S. 28.
                                                                                                            9
17. Jahrhundert hinein rezipiert.7 Zum Stan-                Während sich aus Aktenfunden implizit
     dardrepertoire der protestantischen Chöre              schlie­ßen lässt, dass spätestens ab der Mitte
     zählte außerdem das Florilegium Portense               des 17. Jahrhunderts Adjuvanten in Kalten-
     von Erhard Bodenschatz, das ab 1603 in                 sundheim und Umgebung musizierten, sind
     mehreren Auflagen und Fassungen erschien.              aus dem 18. Jahrhundert konkrete Belege
     Der darin dokumentierte Stil deutscher und             überliefert. Ab 1721 sind in den Kirchrech-
     italienischer Meister war prägend für das ge-          nungen von Kaltensundheim Gelder für die
     samte Jahrhundert.8 Weit verbreitet waren              Adjuvanten verzeichnet.11 Einen Hinweis auf
     insbesondere die Werke der thüringischen               das Repertoire dieser Zeit erhält man wiede-
     Kantoren und Hofkapellmeister Melchior                 rum aus einer späteren Kirchrechnung Kal-
     Franck, Heinrich Hartmann, Melchior Vul-               tennordheims. 1800 stellte man fest, dass
     pius und Bartholomäus Helder. Ihre Werke               man noch Kantatenjahrgänge von Georg
     bestimmen den Grundstock des Cantionale                Philipp Telemann besäße, von denen man
     Sacrum, das im benachbarten Sachsen-Go-                nicht wisse, „was man mit ihnen anfangen
     tha ab 1646 als mehrbändiges Sammelwerk                soll.“12 Neben den Kantaten des einstigen ei-
     für den Gebrauch in Schulen und Chori Mu-              senachischen Hofkapellmeisters wird man
     sici auf fürstliche Anordnung in diversen              außerdem Kantaten von Liebhold musiziert
     Auflagen erschien9 und offenbar auch in Kal-           haben. Auch ist die Wahrscheinlichkeit hoch,
     tensundheim gebräuchlich war. In einer Auf-            dass die örtlichen Kantoren wie an zahlrei-
     listung von Werken, die sich in einem „alten           chen anderen Orten Thüringens ihren Adju-
     Schrank“ befänden, wird das Cantionale ne-             vanten selbst Werke gewissermaßen „auf den
     ben Werken von Nicolaus Niedt, Andreas                 Leib“ komponierten.13
     Hammerschmidt und Wolfgang Carl Briegel                     Die ab den 1760er Jahren regelmäßig an-
     erwähnt.10 Die Dialogsammlung der beiden               gefertigten Visitationsprotokolle erlauben ei-
     letztgenannten zählen zu den am weitesten              nen kleinen Einblick in die Entwicklung der
     verbreiteten Drucken des ausgehenden                   Adjuvantenmusik in Kaltensundheim und
     17. Jahr­hunderts.                                     Umgebung. Abermals wird hieraus die enge
                                                            Bindung zwischen Schule und Chor deutlich,
     7   Zielsdorf, Adjuvantenkultur in Thüringen 2019 indem die Schulmeister befragt wurden, ob
         (wie Anm. 3), S. 68–69.                            sie sich um Nachwuchs kümmerten. Gleich-
     8   Peter Wollny, Studien zum Stilwandel in der pro-
         testantischen Figuralmusik des mittleren 17. Jahr- zeitig wurde überprüft, ob man sich an eine
        hunderts (= Forum Mitteldeutsche Barockmu-
        sik Band 5), Beeskow 2016, S. 25; Konrad Küster,   11 Konvolut „Heiligen Rechnung zu Kaltensund-
        Musik im Namen Luthers. Kulturtraditionen seit        heim“, 1722–1731 Landeskirchenarchiv Eise­
        der Reformation, Heidelberg 2016, S. 111.             nach, In­spek­tion Kaltennordheim, K. 111.
     9 Zielsdorf, Adjuvantenkultur in Thüringen 2019       12 Konvolut „Kaltennordheimer Heilgen- und Kir-
        (wie Anm. 3), S. 79–81.                               chenrechnungen“, 1791–1820 Landeskirchen­
     10 Konvolut „Kirchrechnung der heiligen Aerarii zu       ar­
                                                                chiv Eisenach, Inspektion Kaltennordheim,
        Kaltensundheim“, 1771–1781 Landeskirchen-             K 16b.
        archiv Eisenach, Inspektion Kaltennordheim,        13 Zielsdorf, Adjuvantenkultur in Thüringen 2019
        K. 116; Abb. s. S. 5.                                 (wie Anm. 3), S. 99–101.
10
Entwurf zu einer Chor Adjuvanten Ordnung zu
Kaltensundheim, Landeskirchenarchiv Eisenach, Be-
stand: Inspektion Kaltennordheim, Sig. IKN-K 196,
f. 2v, Ausschnitt. Transkription: Elias Wöllner:

A. Bei Hochzeiten, zu welchen Eine Adjuvanten
Musick bedungen wird, zahlt der Bräutigam an die
Bande an welcher die Reihe ist, das Herkömmliche
an Gelde, Beyseyns des Schullehrers und Aeltesten
der Bande voraus, und bestehet dieses so genannte
Dinggeld gewöhnlich in 12 Batzen, davon die Chor
Caße die Hälfte und die Aufwartende Bande die
andere Hälfte bekömmt.

Adjuvantenordnung halte.14 Aus dem Jahr              geschichte ist symptomatisch für die über-
1779 ist schließlich an mehreren Orten eine          große Zahl der überlieferten Adjuvantenord-
Adjuvantenordnung für die Diözese Kalten-            nungen: Das Erstellen einer Ordnung war
nordheim überliefert. Die in Ostheim vor der         dem Chor wegen „Streitigkeiten“ auferlegt
Rhön befindliche Abschrift ist von besonde-          worden. Präventiv wurden nun alle Aspekte
rem Interesse, da hier nach heutigem Kennt-          des Adjuvantenlebens geregelt – von der Pro-
nisstand erstmalig die Bezeichnung „Adju-            benzeit über das Verhalten vor, während und
vantenchor“ für den bis dato flächendeckend          nach den Gottesdiensten bis hin zur Privile-
als „Chorus Musicus“ bezeichneten Klang-             gierung des Chores beim Aufspielen zum
körper Verwendung findet.15                          Tanz. Entsprechend dieser Ordnung war je-
    Die älteste derzeit bekannte eigene Ord-         der Adjuvant zum Erlernen von mindestens
nung des Adjuvantenchores Kaltensundheim             einem Instrument verpflichtet. Sie mussten
datiert auf das Jahr 1815. Ihre Entstehungs-         sich jederzeit „wie jedem Christen ziemet“,
                                                     das heißt vorbildlich benehmen. Die Mit-
14 Acta die Kirchen- und Schul Visitationes in dem
                                                     gliedschaft brachte aber erhebliche Vorteile
   fürstl. Amte Kaltennordheim betreff., 1768–1786   mit sich wie Verköstigung und Entlohnung
   Landeskirchenarchiv Eisenach, Inspektion Kal-     bei öffentlichen Veranstaltungen oder die
   tennordheim, Allg. 207.
15 Akten betr. Adjuv. Chorordnung, 1799–1808
                                                     Freistellung von kirchlichen Pflichtämtern.16
   Landes­kirchen­archiv Eisenach, Inspektion Ost­
   heim, O. 219.                                     16 Consistorialamts Acta die Confirmation der Chor­
                                                                                                           11
Aus dieser Zeit in etwa stammt auch die              die Chöre jener Zeit, zu der die tradierte
     Musikaliensammlung des Adjuvantenchores                  symbiotische Verbindung von Schule und
     Kaltensundheim, die in der ersten Hälfte des             Kirche ihr Ende fand.20 Die letzte Nachricht
     19. Jahrhunderts zusammengetragen wurde.                 über die Kaltensundheimer Adjuvanten, die
     Diese Sammlung stellt einen repräsentativen              man in den Akten der ehemaligen Kirchen-
     Querschnitt durch das thüringische Adju-                 inspektion nachvollziehen kann, datiert auf
     vantenrepertoire dieser Zeit dar.17 So sind              das Jahr 1869.21 Jene Zeit markiert eine poli-
     zeittypische Kontrafakturen zu Opernsätzen               tische Grundsatzentscheidung, die in ganz
     Wolfgang Amadeus Mozarts ebenso enthal-                  Thüringen das Ende besiegeln sollte. Zwi-
     ten wie Joseph Haydns Schöpfung. Daneben                 schen 1863 und 1866 wurde in den thüringi-
     finden sich diverse Kantaten heute eher un-              schen Fürstentümern die Gewerbefreiheit
     bekannter aber zur damaligen Zeit weit ver-              eingeführt. Bereits zuvor drohten die Adju-
     breiteter Komponisten wie Christian Gottlob              vantenchöre zwischen dem aufblühenden
     Bergt, Christian Ehregott Weinlig, Johann                Männerchorwesen und dem Zurückdrängen
     Gottlieb Lägel oder Gottlob Benedict Bierey.             instrumental begleiteter Musik cäciliani-
     Ebenso wie an vielen weiteren Orten Thürin-              scher Bestrebungen zerrieben zu werden.
     gens nahmen außerdem die posthum er-                     Mit der Gewerbefreiheit verloren die Adju-
     schienenen Kantaten Johann Rudolf Zum­                   vantenchöre nun auch ihre Privilegien im
     steegs eine zentrale Stellung ein.18                     Bereich der Tanz- und Kirmesmusik.22 Da-
         Dies kann jedoch nicht darüber hinweg-               mit waren die Adjuvantenchöre ihrer letzten
     täuschen, dass die Thüringer Adjuvantenkul-              Daseinsberechtigung als Zubrotgewinn be-
     tur im 19. Jahrhundert schleichend ihrem                 raubt und wurden zunehmend von Kirchen-
     Ende zugeht. Laut Visitation von 1824 konn-              gesangsvereinen moderner Prägung ersetzt.23
     te man zwar mit der Musik in Kaltensund-
     heim noch „zufrieden“ sein, ähnliches wurde                   Kirchen und Schulvisitation betr., 1­ 824–1826 Lan-
     aus Kaltennordheim berichtet. Doch auch                       deskirchenarchiv Eisenach, Inspektion Kalten­
                                                                   nord­heim – Konsistorialamt Kaltennordheim,
     kritische Töne nehmen zu. Insbesondere
                                                                   Allg. 221.
     wurde die Qualität der Nachwuchsarbeit an                20   Zielsdorf, Adjuvantenkultur in Thüringen 2019
     vielen Orten bemängelt.19 Dies ist typisch für                (wie Anm. 3), S. 48–49.
                                                              21   Wiederbesetzung der Pfarrstelle Kaltensundheim
                                                                   durch Collaborator Hermann Keller (1862), u. a.
        adjuvanten Ordnung in Kaltensundheim betref-               zu Pfarrbesoldungsvergleich Heinz Keßlersches
        fend, 1815 Landeskirchenarchiv Eisenach, In-               Gut und seine Lehns- und Erbzinspflichtigen, Re-
        spektion Kaltennordheim, K 196.                            paratur des Pfarrhauses, Verpflichtung des Kir-
     17 Die Sammlung Kaltensundheim wird heute im                  chenältesten Caspar Eichhorn (1849), Schulleh-
        Hochschularchiv | Thüringischen Landesmu-                  rer als Kirchendiener und entsprechende Vergü-
        sikarchiv Weimar aufbewahrt und wissen-                    tung (1883), Adjuvantenchor in Kaltensundheim
        schaftlich erschlossen.                                    (1869), 1849-1883 Landeskirchenarchiv Eise­
     18 Zur Bedeutung dieser Kantaten für die Adjuvan-             nach, Inspektion Kaltennordheim, K. 187.
        tenmusik siehe Zielsdorf, Adjuvantenkultur in         22   Zielsdorf, Adjuvantenkultur in Thüringen 2019
        Thüringen 2019 (wie Anm. 3), S. 112–114.                   (wie Anm. 3), S. 133.
     19 Acta die in der hiesigen Dioces gehaltenen Special-   23   Ebd., S. 153.
12
Der historische Notenbestand Kaltensundheim
   Christoph Meixner

An vielen Orten Thüringens haben sich bis       tet Gelegenheit für eine spannende Reise in
heute Notensammlungen erhalten. Es gibt         die Kaltensundheimer Musikpflege der Jahr-
Bestände, die bis in das 16. Jahrhundert zu-    zehnte um 1800.
rückreichen; andere überliefern nur die Mu-         Meist wurde damals keineswegs nur
sik des frühen 18. Jahrhunderts, wieder an-     „Alte Musik“ aufgeführt wurde, sondern
dere gewähren uns einen tiefen Einblick in      „Neue Musik“ von zeitgenössischen Kom-
die Kantatenpflege des 19. Jahrhunderts, in     ponisten! Besonders beliebt waren dabei
der selbst ein Leipziger Thomaskantor kaum      Kantaten des Stuttgarter Hofkapellmeisters
eine Rolle spielte. Fehlt dieses Notenmateri-   und engen Schiller-Freundes Johann Zum-
al vor Ort, so lassen sich manchmal aus al-     steeg (1760–1802). Selbstverständlich wur-
ten Inventaren Rückschlüsse auf das früher      den auch groß besetzte Werke der katholi-
gepflegte Musikrepertoire ziehen.               schen Tradition durch die Kaltensundheimer
     In Kaltensundheim ist der Kirchrech-       Adjuvanten aufgeführt! So erklang Mozarts
nung von 1761/62 zu entnehmen, dass auch        prächtige Schauspielmusik zu Thamos, König
hier Musik von Andreas Hammerschmidt            in Ägypten (1774) mit einem späteren deut-
(Freiberg/Zittau), Wolfgang Briegel (Gotha/     schen Kantatentext ebenso wie die bekann-
Darmstadt) oder Nicolaus Niedt (Sonders-        ten Chöre aus Joseph Haydns Oratorium Die
hausen) aufgeführt wurde – wichtige Kom-        Schöpfung (1798) oder das Te Deum (1800)
ponisten des 17. Jahrhunderts, deren Wer-       in einer deutschen Textfassung. Als beson-
ke auf keiner Thüringer Chorempore fehlen       deres Highlight des Kaltensundheimer No-
durften (Abb. S. 5)! Es scheint sich dabei      tenbestandes darf das umfangreiche Material
zumindest um einen Teil jenes Notenmateri-      zum Oratorium Die Auferstehung Christi des
als zu handeln, das man später (um 1800/01)     Gothaer Hofkapellmeisters Anton Schweit-
als Makulatur (für die Papiermühle) ver-        zer (1735-1787) gelten, dessen Text Herzog
kaufte, da es der „Erwähnung nicht [mehr]       Ernst Friedrich III. von Sachsen-Hildburg-
werth“ sei – der Musikgeschmack hatte sich      hausen verfasst hatte.
längst geändert und so wurde Neues ange-            Nicht minder interessant sind die klei-
schafft und zugleich das Alte gewissenhaft      nen handschriftlichen Orgelbücher aus dem
,entsorgt‘.                                     19. Jahr­hundert, in denen ein beachtliches
     Die heute noch existierende Noten­         Repertoire von Choralbearbeitungen aus
samm­lung der Kaltensundheimer Adjuvan­         unterschiedlichen Epochen für den gottes-
ten wird seit vielen Jahren unter bestmög­      dienstlichen Gebrauch zusammengetragen
lichen klima- und feuerschutztechnischen        worden ist. Gerade darin lässt sich noch jene
Be­din­gungen im Magazin des Hochschul­         regionale Prägung der Kirchenmusik erken-
archivs | Thüringischen Landesmusikar-          nen, die mit der Einführung von modernen
chivs Weimar treuhänderisch aufbewahrt.         Einheitsgesangbüchern heute oft leider ver-
Der Bestand ist online durchsuchbar und         loren gegangen ist.
steht der Forschung zur Verfügung. Er bie-

                                                                                                13
Zum Festkonzert
        Schätze aus dem Adjuvantenarchiv Kaltensundheim
        Helen Geyer, Michael Maul, Elias Wöllner

     Das Festkonzert steht ganz unter dem Zei-       viele schöne, nach dem Telemannischen Ge-
     chen der großartigen und facettenreichen        schmacke eingerichtete Ouvertüren geset-
     Adjuvantentradition jenes Zentrums der          zet“, so heißt es im Nekrolog über Johann Se-
     Hohen Rhön: Kaltensundheim, gekrönt von       bastian, und vier dieser Werke sind in der
     einer Kirchenburg. Es erklingen vier Werke,     Notenbibliothek Johann Sebastian Bachs
     die aktuell aus dem Kaltensundheimer Ad-        überliefert. Zu ihm bestanden enge Verbin-
     juvantenarchiv „gehoben“ wurden: zwei           dungen: Johann Bernhard kopierte Noten
     Kantaten von Johann Rudolf Zumsteeg, eine       Johann Sebastians und war Taufpate dessen
     Arie von Anton Schweitzer sowie Joseph          Sohnes Johann Gottfried Bernhard.
     Haydns zweites Te Deum, dessen lateini-             Die Orchestersuite e-Moll mit ihren
     scher Text in Kaltensundheim durch eine         sechs Tänzen, deren Abschluss nicht eine
     Übertragung ins Deutsche ersetzt wurde.         Gigue, sondern ein doppeltes Menuett bil-
     Ein Orgel-Introitus zollt der hohen Kunst       det, liefert ein beredtes Zeugnis für die Vor-
     der Improvisation Tribut, die ausschlagge-      liebe für das Französische und die damals
     bend war für die Besetzung von Organisten-     engen und selbstverständlichen musikali-
     stellen. Ferner präsentiert das konzertieren-   schen Verbindungen, speziell entlang des
     de Ensemble Ausschnitte aus seinen eigenen      Werratales und des Umkreises und Einflus-
     Weimarer Archiv-Entdeckungen aus der Fe-        ses der Residenzstadt Eisenach, die damals
     der des Prinzen Johann Ernst von Sachsen        über eine der besten Hofkapellen überhaupt
     Weimar und von Johann Bernhard Bach, ei-        verfügte.
     nem Vertreter der über ganz Thüringen
     wirkmächtigen großen Musikerfamilie.            Anton Schweitzer (1735–1787) ist in vielfa-
                                                     cher Hinsicht eng mit Thüringen verknüpft,
     Johann Bernhard Bach (1676–1749) war ein        speziell mit dem Weimarer Hof, kam hier
     Meister seiner Zeit und trat nach Stationen     doch sein außergewöhnliches Singspiel Alces-
     in Erfurt und Magdeburg schließlich die         te (1773) als Exemplum einer deutschen Nati-
     Nachfolge seines Onkels Johann Christoph        onal-Oper auf die Bühne. Schweitzer kam mit
     Bach als Stadtorganist in Eisenach an und       der Seylerschen Theater Truppe 1771 nach
     damit im gewissen Sinne auch die von Tele-      Weimar, doch zuvor war er Sängerknabe in
     mann, der 1712 Eisenach verlassen hatte. Als    Hildburghausen. Später wirkte er als Brat-
     Stadtorganist wirkte er über die Auflösung      schist und Cellist in der Kapelle des Herzogs
     der Eisenacher Hofkapelle 1742 hinaus bis zu    Ernst Friedrich Karl von Sachsen-Hildburg-
     seinem Tode. Mit ihm wird zugleich die Ver-     hausen; er vollendete seine Studien in Bay-
     bindung der Bachs zu Telemann virulent,         reuth und während einer zweijährigen Itali-
     dessen Kantaten sich einst in Kaltensund-       enreise. Anschließend wurde Schweitzer, bis
     heim einer großen Begeisterung erfreut hat-     zur Auflösung der Oper in Hildburghausen
     ten, wie aus den Be­rich­ten und Inventarli­    1769, herzoglich Hildburghäuser Kapellmeis-
     sten hervorgeht. „Jo­hann Bern­hard Bach hat    ter, danach schloss er sich der Seylerschen

14
Theatertruppe an, die nach dem Schloss­        hung Christi von 1770, mit der Verbindung
brand in Weimar 1774 nach Gotha an den         zu Ernst Friedrich Karl von Sachsen-Hild-
Hof Ernst II. von Gotha wechselte. Dort wur-   burghausen.
de Schweitzer als Musikdirektor angestellt;                                  Helen Geyer
1778 trat er die Nachfolge Bendas an. Sein
Engagement reichte bis nach Mannheim, wo       Johann Rudolf Zumsteeg (1760–1802) ist als
seine schon 1777 komponierte Oper Rosa-        Komponist für die Adjuvanten von großer
munde 1780 zur Aufführung kam – Mozart         Bedeutung. Nach seinem Tod wurden die
war offensichtlich beeindruckt davon.          Kantaten des vorwiegend in Stuttgart wir-
    Zweifelsohne gehörte Anton Schweit-        kenden katholischen Komponisten und Cel-
zer damals zu den „Großen“ der Zeit: Seine     listen vom Leipziger Verlag Breitkopf &
Kompositionen haben u.a. Mozart tief beein-    Härtel herausgegeben. Der Verlag stillte den
druckt. Und es zeugt nicht nur von der en-     Bedarf der Aduvantenchöre mit geeigneter
gen Vernetzung der Adjuvanten in Kalten-       Musik und seine Publikationen waren leicht
sundheim mit den Höfen, sondern vor allem      verfügbar.
auch vom hohen Niveau der musikalischen             Die insgesamt 14 geistlichen Kantaten
Darbietungen und vom Ehrgeiz, dass sich in     Zumsteegs sind bereits 1795 für den Gottes-
den Beständen in Kaltensundheim die Par-       dienst in der Stuttgarter Schlosskirche ent-
titur einer kleinen Oster-Kantate bzw. eines   standen. Der Komponist wollte eine zeitge-
Oster-Oratoriums befindet: Die Auferste-       mäße Kirchenmusik schaffen. Dafür ver-

Anton Schweitzer: Ora-
torium Die Auferstehung
Christi, Titelseite der Partitur
(Ausschnitt). HSA | ThLMA
Weimar, Bestand Kalten-
sundheim, KSH 11.
                                                                                              15
zichtete er in seinen Werken auf harmo-              Die andere Kantate Ein Hauch ist unser
     nisch komplexe Strukturen und griff auf          Leben ist ebenfalls dreiteilig (f-Moll, As-
     eine gut singbare Setzweise zurück. So spie-     Dur, f-Moll), wobei im Mittelteil allerdings
     len die Instrumente häufig „colla parte“,        nur der Tenor singt. Der erste und letzte Teil
     verstärken und stützen also die Singstim-        sind Reflexionen der Gläubigen, zunächst
     men. Trotzdem ist seine Musik effektvoll         über die Endlichkeit und Kürze des Lebens,
     und erinnert an das klassizistische Ideal der    dann über das Wunder der Auferstehung
     „Edlen Einfalt“.                                 der Seele nach dem Tod. In der Arie wird
          Die Kantate Gott! Urquell der Gnade         Gott direkt angesprochen, welcher als Spen-
     besteht aus drei Teilen, die durch die tonart-   der des ewigen, überirdischen Lebens ange-
     liche Disposition (d-Moll, B-Dur, d-Moll)        rufen wird.
     kontrastieren. Zudem wird der Mittelteil so-
     listisch gesungen (Sopran, Alt, Tenor). Im       Die Werke Joseph Haydns (1732–1809) ge-
     Text wird Gott direkt angesprochen und           hörten wie jene von Zumsteeg zum Kernbe-
     seine Gnade gepriesen. Kein Mensch ist per-      stand des Adjuvantenrepertoires in der er­
     fekt, doch wer seine Schwächen, Fehler und       sten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Daran hat-
     Sünden kennt und bereut, darf auf väterli-
     che Versöhnung bei Gott hoffen.

                                                                          Johann Rudolf Zumsteeg:
                                                                          Ein Hauch ist unser Leben,
                                                                          Kantate Nr. 5, Sopran 1. Seite
                                                                          (Ausschnitt). HSA | ThLMA
                                                                          Weimar, Bestand Kalten-
                                                                          sundheim, KSH 30.
16
te ebenfalls der Leipziger Verlag Breitkopf &   Armonico (1711 in Amsterdamm veröffent-
Härtel seinen Anteil.                           licht) für Orgel oder Cembalo zu arrangieren
    Haydn schrieb zwei Te Deum-Komposi-         – in Weimar brach eine regelrechte Vivaldi-
tionen, wobei er das spätere keiner geringe-    mania aus, infolge der Bach und Walther
ren als Kaiserin Marie Therese widmete.         zahlreiche Instrumentalkonzerte einrichte-
Auch in diesem Werk liegt eine dreiteilige      ten und sich so die Prinzipien des modernen
Anlage zugrunde (Allegro, Adagio, Alleg-        italienischen Concertos aneigneten.
ro), wobei Anfang und Schluss in C-Dur,              Nach seiner Rückkehr intensivierte Prinz
der Mittelteil in c-Moll steht. Das Werk        Johann Ernst seinen Kompositionsunterricht
kommt ganz ohne Solopartien aus. Bei den        und komponierte nun selbst Konzerte im Vi-
Adjuvanten wurde das lateinische Stück in       valdi-Stil: der epochemachenden Concerto-
einer deutschen Nachdichtung gesungen,          Form aus Ritornellen und Soloepisoden, to-
die voller sprachlicher Bildhaftigkeit ist.     nalen Zentren und endlosen Sequenzketten.
                                Elias Wöllner   Trotz „schmertz­haffter Kranck­heit“ habe er
                                                „19 Instrumental-Stücke in der Zeit von 3/4
Komponierende und musizierende Regenten         Jahren […] verfertiget.“ (Joh. Walther). Ge-
gab es zu allen Zeiten, Prinz Johann Ernst IV.  org Philipp Telemann gab sechs jener unter
von Sachsen Weimar (1696–1715) war also         Walthers Augen komponierten Violinkon-
kein Einzelfall. Er betrieb mit seinem älteren  zerte drei Jahre später (posthum) in einem
Halbbruder und Mitregenten Ernst August         prächtigen Druck heraus.
mit Enthusiasmus Musikpflege. Regelmäßig             Die Stücke erweisen sich als oft originel-
erschien der Hoforganist Johann Sebastian       le, teils mit überraschenden und unterhaltsa-
Bach, um die Tasteninstrumente zu warten        men Wendungen aufwartende Schöpfungen
und selbst in die Tasten zu greifen. Sein Vet-  eines Autors, der in sehr kurzer Zeit beacht-
ter Johann Gottfried Walter erhielt aus der     liche Fähigkeiten in der Komposition ent­
Privatschatulle der beiden Herzöge immer        wickelt haben muss und dabei zu durchaus
wieder größere Summen für den Unterricht        kreativen Varianten im Umgang mit der
des jungen Johann Ernst „auf dem Clavicym-      italie­ni­schen Konzertform gelangte. Vor al-
bel“. Violine unterrichtete der Primarius der   lem aber liefern die Stücke – wie kaum ande-
Hofkapelle Gregor Christoph Eylenstein.         re Werke – originäre Einblicke in das schil-
     1712 brach Johann Ernst zu seiner Kava-    lernd virtuose Konzertrepertoire der Weima-
lierstour nach Holland und Belgien auf. Auf     rer Hofkapelle zur Zeit Johann Sebastian
der Agenda des Prinzen stand, bei den No-       Bachs, das gleichermaßen von italienischen
tenhändlern in Brüssel und Amsterdam            und französischen Einflüssen geprägt war.
möglichst viele neue Musikalien für die Wei-                                   Michael Maul*
marer Hofkapelle zu erwerben. Just zu dieser
                                               *    Der Text wurde extrahiert aus dem Booklet der
Zeit begann Bach Violinkonzerte aus Anto-           CD: Concerti. Prinz Johann Ernst von Sach-
nio Vivaldis berühmter Sammlung L’Estro             sen Weimar, Thüringer Bach Collegium, audite
                                                    2019.
                                                                                                    17
Das Festkonzert
         Schätze aus dem Adjuvantenarchiv Kaltensundheim

     Orgel-Improvisation           Thema: Cantionale Sacrum Gotha 1646–48

     Johann Bernhard Bach          Orchestersuite Nr. 3 e-Moll
     (1700–1743)			                Ouvertüre – Air – Les plaisiers: Vitement – Air – Rigaudon –
     						                        Courante – Gavotte e Rondeau

                                                – Pause –

     Johann Rudolf Zumsteeg        Gott! Urquell der Gnade*
     (1760–1802)			                Kantate Nr. 2

     Prinz Johann Ernst            Concerto Nr. 4 d-Moll für Violine und Orchester
     von Sachsen Weimar            Adagio-Presto – Allegro-Adagio – Vivace
     (1696–1715)

     Anton Schweitzer		            „Mein Heiland, du machst mir den Tod zum sanften Schlummer“
     (1735–1787)			                Arie für Sopran und Streicher
     						                        aus dem Oratorium Die Auferstehung Christi*

     Johann Rudolf Zumsteeg        Ein Hauch ist unser Leben*
     (1760–1802)			                Kantate Nr. 5

     Joseph Haydn 			              Te Deum für die Kaiserin Marie Therese Hob. XXIIIc:2
     (1732–1809)			                mit deutschem Text der Abschrift aus Kaltensundheim

                                           „Soli Deo Gloria“:
                            Widmung am Ende zahlreicher Notenhandschriften.
                   HSA | ThLMA Weimar, Bestand Großfahner/Eschenbergen, GF 395/Wi03.

     *   Wiederentdeckung aus dem Notenarchiv Kaltensundheim
18
Festkonzert:
    Die Ausführenden

Gesangssolisten                                      Alexandre Castro-Balbi – Violoncello
Friederike Beykirch – Sopran                         Christian Bergmann – Kontrabass
Henriette Gödde – Alt                                Christian Stötzner – Orgel
Stefan Scherpe – Tenor                               Roberto de Franceschi – Flöte, Oboe
Uwe Schenker-Primus – Bass                           Simon Böckenhoff, Martin Jelev – Oboe
                                                     Elisabeth Kaufhold – Fagott
Thüringer Bach Collegium                             Rupprecht Drees, Sebastian Kuhn – Trompete
Gernot Süßmuth – Solo-Violine und                    Jens Pribbernow, Valentin Eschmann – Horn
  Künstlerische Leitung                              Babette Haag – Pauke
Felicitas Wehmschulte, Seth Taylor – Violine
Jürgen Karwath, Raphael Hevicke – Viola

Joseph Haydn: Te Deum für die Kaiserin Marie Therese, Hob. XXIIIc:2. Handschriftliche Partitur mit
lateinischem und deutschem Text: in der Alt­stimme z.B. „[ae-]ternum. In te Domine speravi: non con-
fundar in aeternum,“ bzw. „ewig, nicht verloren sind wir ewig, ewig ist der Christen Leben!“. Sängerstim-
men (Ausschnitt S. 37). HSA | ThLMA Weimar, Bestand Kaltensundheim, KSH 066.

                                                                                                            19
Festkonzert:
         Die Gesangstexte

     Johann Rudolf Zumsteeg                                  Bürge sein! Göttlich Rechtes zu gestalten, mensch-
     Gott! Urquell der Gnade                                 lich in dem Höchsten walten. Dauern in den
                                                             Schwung der Zeit, dies sei unser Trefflichkeit.
     Gott, Urquell der Gnade, Du liebst uns wie Kinder.      Mag dann sich’s Leben neigen, getrost ergeben stei-
     Du warnest den Sünder auf trüglichem Pfade.             gen hinab wir in die Gruft, und heiter wird erste-
     O Langmuth, o Gnade.                                    hen, was erst schien zu vergehen, wenn Er, der Ewi-
     [Soli:] Wer Dein Gebot nicht hielt, doch endlich        ge, uns ruft.
     Reue fühlt und heiligt Dir sein Leben. Ja, dem er-
     bangenden Gnade Verlangenden willst Du verge-
     ben. Ob seiner Wiederkehr jauchzt Deiner Engel          Joseph Haydn
     Heer und Frieden lächelst du ein versöhnter Vater       Te Deum für die Kaiserin Marie Therese
     dem ernsten Büßer zu.
     Wer ist gerecht vor Dir? Wer? Wer? Ach alle fehl-       Sieh die Völker auf den Knieen,
     ten wir, Allrichtender! Allrichtender verzeihe, Du      Gott wie stumm sie in Andacht glühen.
     kennest meine Reue. Vollkommenster, erneue Dein         Seinem Herrn zur Ehre
     Ebenbild in mir.                                        kränzt der Erdkreis weithin Tempel und Altäre.
                                                             Hört sie, hört der Engelchor,
                                                             höret beben ihre Hymnen im Äthermeer,
     Anton Schweitzer                                        wenn die Harfen verhallen. /
     „Mein Heiland, du machst mir den Tod zum                Hört sie rufen des Himmels ewge Gewalten,
     sanften Schlummer“ aus Die Auferstehung Christi         fernhin durchs kristallne Meer.
                                                             Heilig, heilig, heilig bist du, der Herr der Ewigkeit.
     Mein Heiland, du machst mir den Tod zum sanften         Welten, die jauchzen und schweigen,
     Schlummer, der mich von Schmerz und Noth und            sind Gott, deiner Herrlichkeit, Zeugen.
     Kummer zum bessern Leben bringt, das du mir             Dich singt der Chor
     zugedacht. Ich will, sobald du winkst, getrost die      der geweihten Glaubensboten, /
     Welt verlassen, sollt ich auch heute noch erblassen,    Dich der Prophet, der dein Feuer
     denn der stirbt nicht zu früh, den Sterben glück-       zum Himmel trug, der Märtyrer
     lich macht.                                             dich, die dir Bluheten die Todten
                                                             strahlender Siegeszug,
                                                             Längs des Staubes Gefilden
     Johann Rudolf Zumsteeg                                  sammeln sich im Kreise die Gläubigen,
     Ein Hauch ist unser Leben                               blicken empor zum dunklen Throne,
                                                             und es strömt auf sie ein Glanz
     Ein Hauch ist unser Leben, ein schnell Vorüber-         von dem einzigen Sohne.
     schweben im Strom der raschen Zeit. Eh seinen           Sanft wehet der Geist herab,
     Sinn wir fassen, so müssen wir’s verlassen. Dahin ist   herab sie zu heiligen.
     seine Herrlichkeit.                                     Christ du König der Ehren,
                                                             du von dem Vater,
     [Arie:]                                                 eh die Sonne war, gezeugt,
     Dir gehöret unser Leben, ew’ger Vater, Dir allein.      der empor zu richten die Welt
     Dass wir nicht vorüber schweben, lass uns dieses        der Sündenlast gebeugt,

     Erwähnung des Begriffs „Choradjuvanten“ in der Kaltensundheimer Kirchenrechnung (1771/72). Landes­
     kirchen­archiv Eisenach, K 116.

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erschienst vom Weib,                                Lass in den ewigen Hain uns ein,
die sterbliches Kind gesäugt.                       lass uns dein Erb am Quell der Lieb’ uns laben,
Du zwangst den Tod,                                 beherrsch dein Volk, dass es zu dir sich hebe
jetzt ist mein Kommen leicht,                       und von Aeon bis zu Aeon wachsend lebe.
hast sie entriegelt, sie alle,                      Mit jedes Morgens Röthe / Mit jedes Abends Sternen
alle die Pforten zu ewigen Sphären.                 glüht dein Preis in unserm Lied
Bist hoch thronend eingezogen                       und weit nennt im Nachhall die Unendlichkeit
in deines Vaters Herrlichkeit.                      deinen Namen den Fernen.
Kehrst einst, glauben wir,                          Halt werth, o Herr der Macht,
endend Welt und Zeit.                               uns deiner Wacht des Herzens zu behüten.
                                                    In seinen Tiefen das Böse brüten.
(Adagio.)                                           Ach, erbarm dich der, Allmächtiger,
Herr darum flehen wir.                              die am Abgrund schweben,
Hilf, ach hilf deinen Kindern,                      dass wir nicht schwinden,
welche du gesammelt dir.                            schwinden in Träume,
Blutige Nächte, Jahre der Schmach,                  den Zeiten ein Spott.
angstvoll lebend, hier Gräbern nah,                 Ach, stille unser Streben,
ein Gott bei Sündern.                               gib dem Hoffen Ruh, o Gott.
                                                    Nicht verloren sind wir,
(Allegro moderato.)                                 nicht dem Abgrund hingegeben,
Wo unter Palmen deine Heiligen                      ewig ist der Gott der Christen,
leuchtende Hüllen haben.                            ewig ist der Christenleben.

          Das Thüringer Bach Collegium in der Oberkirche zu Arnstadt. Foto: Matthias Eckert.

                                                                                                         21
Der Festgottesdienst

     Im Rahmen des Festgottesdienstes wird             sund­heim aufzuführen und damit gleich­zei­
     eine u.a. aus Kaltensundheim überlieferte         tig auf die umfangreiche Notensammlung
     Kantate des in Thüringen eher weniger be-         des Pfarrarchivs aufmerksam zu machen.
     kannten Komponisten Christian Ehregott            Im Rahmen der diesjährigen Adjuvanten-
     Weinlig (1743–1813) vorgestellt. Der zum          tage ergab sich die Möglichkeit zur Auffüh-
     Adjuvantentage-Projektchor erweiterte lo-         rung.
     kale St. Albanus Chor wird dabei vom Thü-
     ringer Bach Kollegium begleitet.                  Die Kirchenlieder zu diesem Gottesdienst
         [Jens Rauch berichtet:] Nach Anfrage          werden an der Orgel mit vierstimmig ausge-
     durch Claudia Mahler [heute: Zimmer-              setzten Bearbeitungen begleitet, die extra aus
     mann] 2017, zu dieser Zeit Kirchenmusik-          den beiden Orgelbüchlein des Kaltensund-
     studentin aus Dresden, wurde ich auf die          heimer Adjuvantenarchivs ausgesucht wur-
     Kantate Dir Gott gebühret Lob und Dank            den. Diese Choralbearbeitungen stammen
     von Weinlig aufmerksam. Diese Kantate bil-        aus dem 19. Jahrhundert, die Choräle selbst
     dete die Grundlage ihrer Diplomarbeit und         sind geläufige Lieder der regionalen Gesang-
     wurde von ihr nach Abschluss des Studiums         bücher aus der Feder berühmter Komponis-
     im sächsischen Frankenberg aufgeführt.            ten bis zurück in die Zeit um 1500.
         Für mich stellte sich die Frage, ob es
     möglich wäre, diese Kantate hier in Kalten­

     Kurze Choralfassung zu Christus der ist mein Leben mit „prächtigem, freudigen Ausdruck“ des
     Mühlhäuser Conrectors Johann Georg Beutler, 1799. HSA | ThLMA Weimar, Bestand Kaltensundheim,
     KSH 70, fol. 27r.

22
Die Kantate Dir, Gott, gebühret Lob und Dank
    von Christian Ehregott Weinlig
    Claudia Zimmermann*

Dir, Gott, gebühret Lob und Dank ist mit gro-             Die Kantate Dir, Gott, gebühret Lob und
ßer Wahrscheinlichkeit ein Werk von Chri-            Dank besteht aus zwei Teilen. Der Eingangs-
stian Ehregott Weinlig, eventuell aber auch          teil ist ein vierstimmiger Chor, der sich wie-
ein frühes Werk seines Neffen Christian              derum in einen Andante- und einen Alle­
Theodor.                                             gro-Teil gliedert. Es schließt sich ein länge-
    Christian Ehregott Weinlig (1743–1813)           res Bariton-Solo an, bestehend aus Rezitativ
war zunächst Organist der Reformierten Kir-          und einer Arie im Allegro. Zum Schluss wird
che in Leipzig, später in Thorn/Torun (Po-           der zweite Teil des Eingangschors wiederholt.
len), anschließend Frauenkirchenorganist in          Die Bariton-Arie ist faszinierend virtuos, hat
Dresden und schließlich ab 1785 Kreuzkan-            einen großen Tonumfang und ist fast schon
tor und dort sehr beliebt. Johann Christi-           „unsanglich“ aufgrund schwieriger Melodie­
an Hasche (Historiker, Theologe und Autor)           wendungen und mangelnder Atempausen.
schrieb zu einer aufgeführten Passion: „Die               Der zugrunde liegende Text der Kantate
[…] in der Frauenkirche aufgeführte Passion:         ist frei gedichtet (Texter unbekannt) und ent-
der Christ am Grabe Jesu, war ein wahres Mei-        spricht wegen ihres Inhalts biblischen Lob-
sterstück, und die gegen Deutschland sonst           Psalmen. Die Platzierung im liturgischen
so ungerechten Italiäner mußten selbst be-           Jahr eignet sich entsprechend des Recitativ-
kennen, sie hätten einen deutschen Text nicht        Textes für einen Jahresabschlussgottesdienst
so vieler schönen Musik fähig geglaubt.“1            oder zum Erntedankfest: „Auch dieses Jahr
                                                     hat seine Güte uns gesegnet“.

1. Eingangschor                                      2. Rezitativ
Dir, Gott, gebühret Lob und Dank,                    Auch dieses Jahr hat seine Güte uns gesegnet.
Anbetung, Preis und Ehre!                            Ja, Alles kommt von ihm, was Gutes uns begegnet.
Kommt, werdet Gottes Lobgesang,                      Oh lobet ihn, oh danket ihm,
ihr all seine Heere!                                 denn er ist weiß und gut.
Der Herr ist Gott und keiner mehr.
Frohlockt ihm, alle Frommen.                         3. Arie
Wer ist ihm gleich? Wer ist wie er? Wer?             Auf, mein Geist, dem Herrn zu singen,
So herrlich, so vollkommen?                          der uns alles Gute gibt!
Der Herr ist groß, sein Nam' ist groß,               Ihm will ich ein Danklied bringen,
er ist unendlich,                                    er hilft jedem, der ihn liebt.
grenzenlos in seinem ganzen Wesen.                   Unsers Gottes Macht und Güte
                                                     währet bis in Ewigkeit
                                                     und sein väterlich Gemüth
                                                     ist zu helfen stets bereit.

*   Der Text wurde extrahiert aus der Diplomarbeit   4. Chor
    der Autorin: Claudia Zimmermann, Weinlig –       Der Herr ist Gott und keiner mehr.
    „Dir, Gott, gebühret Lob und Dank“, Hochschu-    [...]
    le für Kirchenmusik Dresden, 2016 (unveröff.).   er ist unendlich,
1   H. John, Der Dresdner Kreuzchor und seine Kan­   grenzenlos in seinem ganzen Wesen.
    toren, Berlin 1982, S. 77.
                                                                                                        23
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