KRISENZEITEN Zwischen heißem Herbst und kaltem Winter - 6 | BILDUNGSKONGRESS - Verband Deutscher Realschullehrer
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ISSN 2195-9277 Nr. 5–6/2022 Jahrgang 130 Das Magazin des Verbandes Deutscher Realschullehrer und der Lehrkräfte an Schulen im Sekundarbereich KRISENZEITEN Zwischen heißem Herbst und kaltem Winter 6 | BILDUNGSKONGRESS 15 | AUSZEICHNUNG 28 | BÖB-KONGRESS Moderne Schulen schaffen Jürgen Böhm wird mit Ökonomische Bildung Bundesverdienstkreuz gewürdigt qualitativ vertiefen www.vdr-bund.de
4 EDITORIAL............................................................................................................................... IMPRESSUM............................................................................................................................ 4 EINBLICKE UND AUSBLICKE Krisenschuljahr? Zwischen heißem Herbst und eiskaltem Winter ............................ 5 6 BILDUNGSKONGRESS: MODERNE SCHULEN SCHAFFEN..................... BESCHULUNG UKRAINISCHER SCHÜLER IN DEUTSCHLAND........12 6 VDR-Bildungskongress: Neue Wege „DIE SCHULE IST NICHT REPARATURWERKSTATT für eine bessere Bildungszusammenarbeit EINER KAPUTTEN GESELLSCHAFT“ Jürgen Böhm im ZEIT ONLINE-Interview über Fachkräftemangel ....................... 14 BUNDESVERDIENSTKREUZ FÜR STÄRKUNG DER BILDUNG Jürgen Böhm erhält das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ............................................................................... 15 DIE BESOLDUNG IM LÄNDERVERGLEICH..................................................... 16 3 FRAGEN AN … Thomas Leubner, Head of Siemens Professional Education at Siemens .............. 20 ENDLICH – ARBEITSWIRKLICHKEIT ANERKANNT! 28 Viel Neues in Präsenz auf Neuer Tarifabschluss für kommunale Beschäftigte der didacta 2022 im Sozial- und Erziehungsdienst ................................................................................ 21 DIDACTA 2022 didacta 2022 findet wieder in Präsenz statt und sendet starkes Signal .............. 22 Die Podiumsdiskussionen – ein kleiner Auszug ....................................................... 24 Interview mit Andrej Priboschek und Jürgen Böhm . ............................................... 25 Didacta Verband wählt neuen Vorstand ................................................................... 26 ERSTER BUNDESWEITER BÖB-KONGRESS Ökonomische Bildung muss alle Kinder und Jugendlichen erreichen!.................. 28 28 Fachleute aus Wissenschaft, Schule, VDR-LÄNDERSPIEGEL................................................................................................. 30 Foto Seite 1: Pixabay Politik und Wirtschaft auf dem ersten bundesweiten BÖB-Kongress VDRJUGEND-SEMINAR IN KÖNIGSWINTER Gleiches unter Gleichen – VDRjugend nimmt Bedingungen zur Arbeit als Lehrkraft der einzelnen Bundesländer unter die Lupe . ..................................... 32 2 BILDUNG REAL · 5–6/2022
VDR-FRAUENVERTRETUNG Fachtagung: Veränderungen erfolgreich bewältigen . .............................................. 33 MITGLIEDERVERSAMMLUNG DER BUNDESINITIATIVE DIFFERENZIERTES SCHULWESEN WÄHLT NEUE VORSITZENDE................................................................................. 34 AUS DEN LÄNDERN 37 Baden-Württemberg: Die Mitte macht’s ................................................................... Nordrhein-Westfalen: Pacta sund servanda! ............................................................ 38 Bayern: Bildungspolitischer Empfang 2022 ............................................................. 39 32 Team VDRjugend, v. l. n. r.: Schriftführer Nico Cordes (VRB RLP), stv. Vorsitzende Rheinland-Pfalz: 10. Ingelheimer Fachkongress des VRB ...................................... 41 Tanja Heger (brlv), Vorsitzende Saskia Tittgen (VRB RLP) und René Michel (SLV) Anzeige Die Debeka-Gruppe Füreinander da sein Der wahre Wert einer Gemeinschaft zeigt sich in schwierigen Zeiten. Traditioneller Partner des öffentlichen Dienstes 185x121_Herbst 2022.indd 1 14.09.2022 15:46:07 3
Es bleibt ungewiss. Gewiss ist der Zusammenhalt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Auch unsere einzelnen Landesbünde konnten wieder aktiv werden und ihre Forderungen in das neue Schuljahr hat für alle begonnen und Präsenz darlegen. Besonders wichtig war und wir sind wieder mittendrin im Alltag. Ein All- ist das in den Ländern, die mit ihren Landtags- tag, der uns alle nach wie vor fordert. Mit dem wahlen auch die bildungspolitische Richtung 1. Oktober kamen neue – oder doch alte – Maß- vorgeben. Die Wahlen im Saarland, in Nord- nahmen, die die Pandemie endgültig vertreiben rhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein ha- sollen. Wir werden abwarten müssen, wie wir ben bereits bewiesen, dass unsere Arbeit in den durch die nächste Zeit kommen werden und Verbänden mit Nachdruck weitergeführt wer- wie wir die Krisen im Land auch an den Schulen den muss. Das wird sich auch in Niedersachsen bewältigen werden. zeigen. Über den Sommer konnten wir zumindest im Waltraud Eder, In den vergangenen Jahren konnten wir viel Chefredakteurin „Bildung Real“ Verband wieder Fahrt aufnehmen und einige bewegen und wurden sichtbar sowohl in den Veranstaltungen erleben und stattfinden lassen. Ländern als auch als Dachverband im Bund. Zu- Unser Bildungskongress „Moderne Schulen sammenstehen und eine Linie bewahren wird schaffen“ des VDR mit unseren Partnern, der weiterhin unser Motto bleiben. Friedrich-Naumann-Stiftung und GermanU15, Kurz: Wir lassen uns nicht beeindrucken von unterstützt von der debeka und der BBBank, politisch-ideologischen Ideen, sondern setzen lockte in Berlin viele Bildungsinteressierte an weiterhin auf Qualität, Leistung und Bildung in und war bis auf den letzten Platz besetzt. unserem Land. Die didacta fand in Präsenz in Köln statt und wir Ihre Waltraud Eder, konnten zusammen mit unserem Landesver- Chefredakteurin band lehrerNRW und mit BSW vor Ort punkten. IMPRESSUM Herausgeber Zuschriften Erscheinungsweise Verband Deutscher Realschullehrer Beiträge, Zuschriften und Besprechungsstücke Die BILDUNG REAL erscheint 3 x jährlich. Mitglied im Deutschen Beamtenbund (dbb) und erbeten an die Schriftleitung. Für unverlangt Redaktionsschluss: 4 Wochen vor Erscheinen. im Deutschen Lehrerverband (DL) eingesandte Beiträge wird keine Verantwortung, Bezugsbedingungen Verband der Lehrerinnen und Lehrer für unverlangt eingehende Bücher, Schriften Das Bezugsgeld ist für Mitglieder des VDR im Sekundarbereich oder Arbeitsmittel keine Verpflichtung übernom- im Mitgliedsbeitrag enthalten. Jürgen Böhm men. Rücksendung erfolgt nur, wenn Rückporto Inland: Jahresabonnement € 15,– Dachauer Str. 44 a · 80335 München beiliegt. Alle Rechte, auch auszugsweisen Nach- Einzelheft € 5,50 jeweils zuzüglich Tel.: +49 (89) 55 38 76 drucks der fotomechanischen Wiedergabe und Versandkosten. Alle Preise enthalten Fax: +49 (89) 55 38 19 der Übersetzung, bleiben vorbehalten. die gesetzliche MwSt. info@vdr-bund.de Anzeigenverwaltung Ausland: Jahresabonnement € 18,– Verlag A. V. I. Allgemeine Verlags- und zuzüglich Versandkosten und gesetzliche MwSt. Druckerei Humbach & Nemazal GmbH, Informationsgesellschaft mbH Hauptstraße 68 a Die Bezugsdauer verlängert sich jeweils um ein Ingolstädter Str. 102, 85276 Pfaffenhofen 30916 Isernhagen Jahr, wenn bis zum 1. Dezember keine Abbe- Layout stellung vorliegt. Tel.: +49 (05139) 98 56 59-0 Daniela Boudgoust, www.bizzdesign.de Fax: +49 (05139) 98 56 59-9 Erfüllungsort und Gerichtsstand Chefredakteurin info@avi-fachmedien.de Pfaffenhofen Waltraud Eder z. z. gültige Preisliste Nr. 11 vom 1.1.2020 Dachauer Str. 44 a · 80335 München Bestellungen und Adressänderungen Tel.: +49 (1520) 1957242 Druckerei Humbach & Nemazal GmbH, eder@vdr-bund.de Ingolstädter Str. 102, 85276 Pfaffenhofen Redaktionsteam Bildmaterial Bernd Bischoff, Sven Christoffer, Soweit nicht anders gekennzeichnet, stammen Redaktions- und Anzeigenschluss Dirk Meußer, Anna Katharina Müller die Fotos aus dem VDR-Archiv. für die Ausgabe Nr. 1–2/2023 Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben ist der 18. Februar 2023 nicht in jedem Fall die Meinung des Heraus- gebers oder der Schriftleitung wieder. 4 BILDUNG REAL · 5–6/2022
Nein, es ist nach drei (!) Corona-Schuljahren nicht vorbei. Grundkonsens, dass sich Leistung und Arbeit lohnen, beginnt Im Gegenteil – neben der Pandemie sind in den vergange- zu bröckeln. Es fehlen zunehmend klare, vielleicht auch unpo- nen Wochen noch weitere Krisenherde hinzugekommen, puläre Entscheidungen und Botschaften der regierenden Politik. Parteipolitisches Taktieren und das Verharren in ideologisierter die das Bildungssystem in unserem Land extrem unter Parteiprogrammatik, ob bei Ukrainehilfe, Energie- und Verkehr- Druck geraten lassen. Ja, wir haben einen Krieg in Europa, spolitik, innere Sicherheit oder Bildung helfen niemanden. Und der viele Entwicklungen verschuldete und ja, wir stehen so ein „Rumgeeiere“ wie bei der Impfpflicht und den Coronamaß- natürlich fest an der Seite der demokratischen Ukraine! nahmen können wir uns in dieser sich verschärfenden Situation Das vorweg. definitiv nicht (mehr) leisten. Zunehmender Lehrkräftemangel aufgrund steigender Schüler- Was hat das alles mit Bildung zu tun? Alles. zahlen (plus zehntausender Flüchtlingsschüler aus der Ukraine), Wenn jungen Menschen suggeriert wird, dass der Staat es schon fehlender Personalplanung und mangelnde Attraktivität des Lehr- irgendwann richtet, wenn der Verdienst einer Tätigkeit nicht mehr berufes lassen einige Länder und Schulformen zu Verzweiflungs- reicht, das Leben abzusichern, wenn mir als Bürger vorgeschrie- maßnahmen greifen. Stunden werden gekürzt, ja ganze Schultage ben werden soll, wie ich die individuellsten Dinge des Lebens sollen wie in Sachsen-Anhalt wieder aus der Schule ausgelagert verrichten soll, warum sollte ich mich dann in der Schule anstren- werden. Die Energiekrise in unserem Land lässt uns allen Ernstes gen, Leistung bringen, eine berufliche Zukunft planen? Genau darüber nachdenken, dass in Schulen und Universitäten die Tem- dieser Haltung muss Bildung entgegenwirken. Leistung muss sich peraturen in Räumen heruntergefahren werden – es wird über lohnen und nicht nur akademische Bildung ist etwas wert. Eine kältebedingte Schließungen fabuliert. Eine neue Qualität erhält gesunde, leistungsfähige Gesellschaft baut auf dem beruflichen der soziale Druck in der Gesellschaft, der durch steigende Inflati- Mittelbau auf und der muss wertgeschätzt werden. on, angeheizt (fast ein Wortspiel) durch die hohen Energie- und Treibstoffpreise, ständig wächst. Viele Menschen stehen finanzi- Und abschließend: Bildung muss in beheizten Räumen statt- ell mit dem Rücken an der Wand und das wirkt sich mit Sicherheit finden, in Präsenz – in entsprechend beheizten Schulen und verheerend auf die Kinder und Jugendlichen aus. Und es trifft Universitäten! Das muss ein demokratischer Staat einfach leis- eben nicht nur den unteren Rand der Gesellschaft, der durch ten – sonst geben wir uns auf und landen in der sozialen Kälte großzügige Heizkostenübernahme, Wohngeld, Sozialleistungen (Wortspiel aus). usw. relativ „abgesichert“ ist. Es trifft mit voller Wucht die Mitte der Gesellschaft, die Fleißigen, die Leistenden, die Selbstständi- gen … Text: Jürgen Böhm info@vdr-bund.de In dieser Situation ideologiegetriebene Energiepolitik umsetzen zu wollen, Menschen vorzuschreiben wie sie sich fortzubewe- gen, zu heizen, zu essen, zu waschen und zu denken hätten, widerspricht jeglichen demokratischen Gepflogenheiten. Auch die Motivation zur Leistungsbereitschaft sinkt in Richtung Ge- frierpunkt (Wortspiel). Der soziale Kitt unserer Gesellschaft, der 5
Im Meistersaal am Potsdamer Platz veranstaltete der VDR mit seinen Partnern Friedrich Naumann Stiftung, U15, BBBank und Debeka den ‚Bildungskongress Moderne Schulen schaffen: Neue Wege der Lehrkräftebildung und Bildungszusammenarbeit‘. An diesem historischen Ort wurden schon vor über hun- dert Jahren Kongresse und Veranstaltungen zu politischen Themen abgehalten, sowie den Handwerksgesellen ihre Meisterbriefe übergeben. 6 BILDUNG REAL · 5–6/2022
Prof. Dr. Georg Krausch stimmten die- sen Aussagen zu. Sie sahen auch in der Selbstständigkeit und der Weiterbil- dung der Lehrkräfte wichtige Themen, die es zu beachten gilt. Zudem waren sich alle einig, dass der Bedarf an Lehr- kräften, besonders in den MINT-Fä- chern nicht richtig eingeschätzt wur- de. Besonders auffällig ist nach Böhm auch, dass es zu einer Schwächung der beruflichen Bildung und der dualen Ausbildung gekommen ist. Die Qualität der Abschlüsse an den Schulen sinke, gleichzeitig würden zu viele Abiturien- ten ausgebildet. „Leider studieren die meisten nicht Lehramtsfächer“, stellte er fest. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender der Friedrich- Stärkung der Naumann-Stiftung für Freiheit bei ihren Eröffnungsreden beruflichen Bildung und des differenzierten Schulwesens Über 100 Jahre später finden nun, un- zentralen Orte dafür. Hier beginne das Ebenso seien die Aufstiegsmöglichkei- ter ganz anderen Vorzeichen der Zeit, lebenslange Lernen und Lehrkräfte sei- ten für Lehrkräfte ein Problem. Des- wieder Diskussionen statt, aber dies- en der Schlüssel. Dazu bedürfe es aber halb brauche es eine Exzellenzinitiative mal suchen wir die Handwerksgesel- auch der Anerkennung von Heteroge- für die Lehramtsausbildung inklusive len vergebens. Deutschland hat einen nität und Vielfalt, das Eingehen gelin- der Stärkung der beruflichen Bildung Fachkräftemangel und sieht sich nun, gender Kooperationen zwischen den und des differenzierten Schulwesens, anders als im industriellen Zeitalter, einzelnen Akteuren, die am Bildungs- damit den drängenden Problemen, wie auch noch vor andere Herausforde- prozess beteiligt sind. dem Fachkräftemangel und der sinken- rungen gestellt wie die Digitalisierung. den Qualität der Bildung Einhalt gebo- EXZELLENZINITIATIVE Aber was braucht die moderne Schule? ten werden könne. FÜR LEHRKRÄFTE ERÖFFNUNGSREDEN In dem sich anschließenden Talk Zeiten- Für die zweite Diskussionsrunde Neue Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender der wende in der Bildung: Herausforderungen Wege in der Lehrkräftebildung wurden Friedrich Naumann Stiftung für die und Chancen verwies Prof. Dr. Georg Ferdinand Stipberger, Realschullehrer Freiheit und auch Bundesbildungs- Krausch in seinen Eröffnungsworten und Berater für digitale Bildung für die ministerin Bettina Stark-Watzinger darauf, dass einer Exzellenzinitiative in Oberpfalz, Preisträger des deutschen suchten in ihren Eröffnungsreden der Ausbildung der Lehrkräfte bedarf. Lehrerpreises 2019 in der Kategorie nach Antworten. Dabei spielten die Dem konnte auch Jürgen Böhm, Vor- „Unterricht innovativ“, Jan Wöpking, Freiheit und Bildung eine zentrale Rol- sitzender des VDR, nur zustimmen, er Geschäftsführer German U15, Verena le, denn beides sind unveräußerliche sagte, dass die „Lehrerausbildung an von Hugo vom Bündnis Ökonomische Grundrechte und bedingen sich. Sie den Universitäten mehr Anerkennung Bildung und Prof. Dr. Freitag-Hild, stützen die Persönlichkeitsrechte der für das Studium und den Lehrerberuf stellvertretende Direktorin des ZLB heranwachsenden Generation, da sie schaffen muss. Die Ausbildung muss der Universität Potsdam, auf die Büh- zur Entfaltung von Individualität, zur besser werden, ebenso muss sich die ne gebeten. Freitag-Hild betonte, dass Mündigkeit und demokratischen Han- Praxis verbessern.“ Eine Kürzung des es an den Universitäten einen guten deln beitragen. Aber diese Freiheit der Referendariats spiele gegen eine qua- Theorie-Praxis Bezug im Lehramts- Bildung bedeutet auch Verantwortung, litative Lehrerbildung. Zudem brauche studium und Lehr-Lern-Labore gebe. die Bildung so zu gestalten, dass es mehr Fort- und Weiterbildung für die Sie sind eine gute Möglichkeit, um der Kindern und Jugendlichen ermöglicht Lehrkräfte. Die Stärkung der diffe- Digitalisierung, sowie der Individualität wird, frei und selbstbestimmt zu lernen renzierten Bildung, insbesondere der der Studierenden gerecht zu werden. und für die folgenden Generationen Haupt- und Realschulen und des Leis- Der Ausbau von diagnostischen Kom- und die Demokratie Verantwortung tungsgedankens, müssen dabei über- petenzen der Lehrkräfte spiele eine zu übernehmen. Die Schulen und das geordnete Ziele sein, die es zu beleben immer wichtigere Rolle. Die Universi- betonte auch Stark-Watzinger, sind die gilt. Bettina Stark-Watzinger und auch tät Potsdam und auch andere Univer- 7
BILDUNGSKONGRESS: MODERNE SCHULEN SCHAFFEN Deutscher Realschullehrerverband fordert, die Attraktivität des Lehr- berufs zu steigern, die Leistungso- rientierung zu stärken und die Zu- kunftsfähigkeit zu sichern. „An den Universitäten muss die Lehrer- bildung endlich aus dem Schattenda- Jürgen Böhm im Pausengespräch mit der Bundesbildungsministerin sein des geduldeten Studienganges he- raus!“, fordert der Bundesvorsitzende des Deutschen Realschullehrerverbands sitäten haben bereits verschiedene (VDR) Jürgen Böhm. Viele sähen den Projekte ins Leben gerufen, mit denen Lehramtsstudiengang immer noch als eine Verbesserung der Ausbildung, vor lästiges Anhängsel. Das liege häufig an allem im Bereich der Medienbildung, der geringen Attraktivität des Berufes, Digitalisierung und Inklusion erreicht an den teilweise überzogenen verwal- werden soll. Im Mittelpunkt stehe Forderung nach tungsbezogenen, sozialen und vor allem erzieherischen Anforderungen an die dabei die Weiterentwicklung der Stu- Konzepten für die Lehrkräfte und an der ewigen Diskussion diengänge und die Einbeziehung von Schulen in die Forschungsvorhaben. kulturelle Heterogenität, über Beamtenstatus und Einstiegsbesol- Die Zusammenarbeit zwischen den Digitalisierung dung. Schulen und Universitäten sei essen- und Nachhaltigkeit „Die wichtigsten Kriterien sind jedoch ziell, um die Qualität des Studiums und die über Jahre heruntergefahrene Qua- des Unterrichts weiterzuentwickeln. lität der Ausbildung und der Status der Abschließend resümiert Freitag-Hild, Lehrkräftebildung an den Universitäten. dass es eine stärkere Anerkennung des Die 2015 gestartete Qualitätsoffensi- Lehrberufes, mehr Kooperationen zwi- schen den Bildungsinstitutionen und Konzepte für die kulturelle Heteroge- nität, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, aber auch Individualisierung geben müsse. Jan Wöpking sieht ein Prob- lem vor allem in der Heterogenität der Lehramtsausbildung und spricht sich für eine digitale Didaktik als ein Quer- schnittsthema in den Universitäten aus, um mehr Vernetzung und Koope- rationen zwischen den Institutionen zu schaffen. „Viele Schulthemen werden immer noch schwarz-weiß gesehen“, sagt er. „Hier sollte es eine Verände- rung geben, mehr fächerübergreifend zu arbeiten“. Die langsame Verände- rung in den Lehramtsstudiengängen sei sichtbar, vor allem die Praxisanteile seien gestiegen. Werben möchte er deshalb für die Qualitätsoffensive Leh- rerbildung, da diese 2023 ausläuft und Von links: Ute Welty moderiert die erste Talkrunde mit Prof. Dr. Georg Krausch, bisher ein gutes Projekt war. Bettina Stark-Watzinger und Jürgen Böhm 8 BILDUNG REAL · 5–6/2022
ve Lehrkräftebildung war finanziell und lungsmöglichkeiten im Lehramt scheinen • Ausbau der Weiterbildungs- und Qua- inhaltlich gesehen, gelinde gesagt, ein für junge Menschen oft begrenzt. Beför- lifikationsphase für Lehrkräfte als Be- Witz!“, so Böhm. derungsmöglichkeiten sollten als Anreiz standteil der Unterrichtsverpflichtung. auch im Schulbereich selbstverständlich „Viele leistungsstarke Abiturientinnen Jürgen Böhm fordert ein schnelles Han- sein. und Abiturienten scheuen den Lehrbe- deln: „Das Jammern ist heute groß. Jeder ruf, da die Orientierung an Leistung in Was wir für eine zukunftsorientierte Leh- scheint betroffen und überrascht. Doch den vergangenen Jahren an den Schulen rerbildung brauchen, sind: nicht erst mit der neuen Flüchtlingswelle zunehmend in den Hintergrund gedrängt • eine klare leistungsorientierte, diffe- aus der Ukraine war klar, dass unserem wurde. Übertrittsbedingungen wurden renzierte, abschlussbezogene Lehrkräf- Land Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Auf eingeebnet, über die Rolle von Noten teausbildung, die Schulen werden massive Herausfor- wurde immer mehr diskutiert und Schu- derungen zukommen, die nur durch ein • Ressourcen für die zwei Phasen der len mutierten zur Reparaturwerkstatt abschlussbezogenes, engagiertes, gut Lehrkräfteausbildung, der Gesellschaft. An Schulstrukturen ausgebildetes und qualifiziertes Lehrper- wurde über Jahre herumexperimentiert. • Referendariat mit 24 Monaten, sonal bewältigt werden können.“ Statt Bildung und Inhalte standen oft • Inhalte in der Lehrkräfteausbildung, die Pressemitteilung Nr. 08/2022 des VDR „pädagogische Spielwiesen und ideolo- sich an den Realitäten der modernen vom 22. April 2022 gische Steckenpferde“ im Mittelpunkt“, Welt orientieren, wie Digitalisierung, stellt Böhm fest. ökonomische Bildung und nachhaltige Entwicklung, Ein klares Abschlussprofil der Schulen sei oft nicht mehr erkennbar: Einheits- • Aufstockung des Ausbildungspersonals schulen und der Drang nach „Abitur für an den Universitäten und im Vorberei- alle“ wirken eher abschreckend auf jun- tungsdienst, ge Menschen. Es gebe keine fassbaren • Möglichkeiten der Weiterentwicklung Strukturen mehr, die Sicherheit und kla- oder auch des Ausstieges nach dem re Linien bieten. Aufstiegs- und Entwick- Lehramtsstudium, DIGITALE BILDUNG IN ALLEN wie Deutsch und Englisch seien hin- STUDIENGÄNGEN ANBIETEN zugekommen. Stipberger kritisiert vor Ferdinand Stipberger nimmt in seinen allem die Fort- und Weiterbildung der Aussagen vor allem Bezug zur Digitali- Lehrkräfte, als auch die Ausstattung sierung und das mit vollem Enthusias- der Schulen mit digitalen Endgeräten Oft müssen Lehrkräfte in mus. Er hat mit Sebastian Schmidt ein und den Ausbau der digitalen Infra- Lernbüro digital-kooperativ aufbereitet struktur. In den letzten zehn Jahren sei ihrer Freizeit Weiterbildungen und dafür den Deutschen Lehrerprei- vieles versäumt worden. Er plädierte besuchen, ohne ses 2019 in der Kategorie „Unterricht für mehr Anreize für die Lehrkräfte, jegliche Anrechnung innovativ“ erhalten. Im Lernbüro wur- sich weiterzubilden. Oft müssten Lehr- den anfangs Themen in 10-minütige kräfte in ihrer Freizeit Weiterbildungen Erklärvideos für Mathematik aufberei- besuchen, ohne jegliche Anrechnung. tet und auf die Lernplattform mebis Für ihn ist es entscheidend, die digi- hochgeladen. Die Lernenden mussten tale Bildung in allen Studienfächern dazu Hausaufgaben erledigen oder anzubieten oder zumindest als Er- Klausuren schreiben. Mittlerweile be- weiterungsfach, denn sie wird in der teiligen sich 36 Lehrkräfte aus sieben modernen Schule eine große Rolle bayerischen Realschulen, auch Fächer, spielen. Entscheidend ist auch eine 9
BILDUNGSKONGRESS: MODERNE SCHULEN SCHAFFEN Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für Freiheit, im Gespräch mit dem Vorstand des VDR positive Fehlerkultur, die von Anfang an in der Ausbildung stattfinden sollte. Warum der Lehrerberuf für viele unattraktiv ist Hingegen brachte Verena von Hugo in die Diskussion noch einen weite- Bis 2035 werden mindestens 23.800 Lehrkräfte fehlen, ren Aspekt ein, nämlich die schlechte prognostiziert die Kultusministerkonferenz. Der Lehrerberuf ökonomische Bildung und die Ausbil- scheint für die junge Generation unattraktiv – mangelnde dung der Lehrkräfte in diesem Bereich. Flexibilität ist nur ein Grund. Hierbei verwies sie auf die OeBiX-Stu- Ulrike Bentlage, Beraterin, weiß: Junge Menschen wollten die, die in ihren Ergebnissen nachwies, dass in den meisten Bundesländern eher Abenteuer als Sicherheit, lieber Start-up als Schule. die ökonomische Bildung kaum in den Sie glaubten, nach zwölf Jahren Schülerdasein wüssten sie, Stundentafeln der allgemeinbildenden was die Arbeit der Lehrenden ausmacht, und das sei für Schulen, als auch in der Lehrkräftefort- sie nicht attraktiv. Ihnen fehlten Flexibilität bei der Wahl des bildung verankert ist. Verena von Hugo Arbeitsorts und bei der Einteilung der Arbeitszeit. würde administrative Aufgaben für Sie fürchteten, inhaltlich in der Gestaltung des Unterrichts Lehrkräfte bündeln. Zudem sieht sie zu sehr festgelegt zu werden. in der ökonomischen Bildung und Di- gitalisierung viele Berührungspunkte. Auch Aufstiegschancen oder die Möglichkeit, sich weiter- Denn nach ihrer Auffassung werden zuentwickeln, sehen sie nicht; eher Ärger mit den Kolleginnen Medienkompetenzen, Wertebildung und Kollegen und mit überambitionierten Eltern. und eine grundständige Fachlichkeit von angehenden Lehrkräften benötigt. Die Uni Potsdam hat intern ermittelt, dass nur fünfzig Prozent Das Ziel sollte es sein, eine Chancen- der Studienanfänger bis zum Ende durchhalten. gerechtigkeit herzustellen. 10 BILDUNG REAL · 5–6/2022
MEINUNGSVIELFALT IN DER sie als Chance, da eine Lehrkraft digital nicht optional sein. Genauso müsse DRITTEN DISKUSSIONSRUNDE mehrere Klassen unterrichten könnte. eine Anpassung der Ausbildung an die An der letzten Diskussionsrunde Vom Prof. Dr. Robert Schwager blieb mit gesellschaftlichen Gegebenheiten vor- Kooperationsverbot zum Kooperationsge- seiner Argumentation eher auf der genommen und der Ausbau von Auf- bot nahmen Prof. Dr. Robert Schwager Mikroebene der Schulen. Ihnen soll- stiegsmöglichkeiten geschaffen wer- Georg-August-Universität Göttingen, ten mehr Freiräume in der Gestaltung den. Es liege also in der Verantwortung Ria Schröder MdB Bildungspolitische eingeräumt und den mehr Vertrauen der Bildungsinstitutionen und den po- Sprecherin der FDP-Fraktion im Deut- und Anerkennung entgegengebracht litisch Verantwortlichen, ihren Beitrag schen Bundestag und Wolfgang Percy werden. Besonders das selbstbe- für die moderne Schule von morgen zu Ott, Vorsitzender der Expertengruppe stimmte und autonome Lernen seien schaffen, mit allem was nötig sei, um „Intelligente Bildungsnetze“ im Digi- entscheidend. Die Länder sollten mehr die Freiheit der Bildung zu generieren. tal-Gipfel der Bundesregierung, teil. miteinander zusammenarbeiten, Inno- Der Bildungskongress hat eines ge- Ihre Meinungen zum Thema differier- vationen schaffen und ihre Ergebnisse zeigt: Wir alle sind gefragt, diesen Bei- ten sehr. Ria Schröder nahm als erste stärker evaluieren, folgerte er. So ließe trag auch zu leisten, denn jeder Teil Stellung zur Frage des Kooperations- sich ein Kooperationsgebot herstellen. des Ganzen wird entscheidend sein, verbotes. Sie sieht das größte Prob- Am Ende waren sich Prof. Dr. Robert die moderne Schule von morgen zu lem im Bildungsföderalismus und der Schwager und Percy Ott einig: Eine gestalten und den Fachkräftemangel Rahmengesetzgebung, während Percy Verbesserung der derzeitigen Situation zu beheben. Ott versucht, die Frage damit zu be- an den Schulen würde nur mit attrak- antworten, was die Wirtschaft der Bil- tiveren finanziellen Möglichkeiten und Anna-Katharina Müller und Waltraud Eder, Fotos: Wolfgang Borrs dungspolitik empfehlen kann, um eine Arbeitsbedingungen gelingen. Infrastruktur zu etablieren. Für ihn ist FAZIT das wichtigste Thema der Digitalpakt. Auf dem Bildungskongress waren sich Seiner Meinung nach sollte es Re- die Teilnehmer darüber einig, dass sich chenzentren, offene Standards und am Lehrkräfte zunehmend neuen Her- Markt erprobte Systeme geben. ausforderungen gegenübersehen. Er- folgreich gelingen kann dies nur durch Zeit, den Schulen Kooperationen zwischen den einzel- Veränderungen zu nen Bildungsinstitutionen und mehr Anerkennung für den Beruf, aber auch ermöglichen. durch die Stärkung der universitären Schnelle Veränderungen Ausbildung und der zweiten Lehrer- wirken dysfunktional. bildungsphase. Mehr Ressourcen und Personal für die Aus- und Weiterbil- dung der Lehrkräfte an den Universi- Prof. Dr. Robert Schwager findet die täten sei anzustreben. Eine Weiterbil- Autonomie der Schulen entscheidend Spannende und konstruktive dung und Qualifizierung sollte Teil der und den Abbau der Bürokratie. Ria Diskussionen boten Unterrichtsverpflichtung werden und Schröder stellte fest, dass sich das fö- die Panels auf dem Podium derale System nicht einfach verändern ließe. Es müsse eine Bildungsgerech- tigkeit geben, auch im Bereich der Di- gitalisierung. Percy Ott hingegen findet es gut, dass sich die Bildungspolitik nicht zu schnell, sondern langsam ver- ändere. „Schnelle Veränderungen wir- ken dysfunktional“, sagte er. Es braucht Zeit, den Schulen die Veränderungen zu ermöglichen. Digitale Bildung müs- se gleichwertig werden und dürfe nicht am Rande stehen. Das Bildungssystem dürfe nicht komplett reformiert wer- den, sondern auf die Veränderungen reagieren. Die Datenschutzinterpreta- tion sollte eher einheitlich werden. Ria Schröder machte immer wieder deut- lich, dass die Bildungsinstitution Schule modern gestaltet und reformiert wer- den müsse. Die Digitalisierung sieht 11
UKRAINE Beschulung ukrainischer Schülerinnen und Schüler in Deutschland Abb.1: Diagramm „Flüchtlingszahlen im zeitlichen Verlauf“ Seit dem 24. Februar tobt der Krieg in der Ukraine nach dem Einmarsch russischer Truppen. Ebenso lange fliehen Fa- milien und Mütter mit ihren Kindern aus der Ukraine, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Kultusministerkonferenz veröffentlicht seit dem 27. März wöchentlich die Zahlen der in Deutschland beschulten bzw. gemeldeten geflüchteten Kinder und Jugendlichen. Zu Beginn der Sommerferien in Deutschland – nach knapp einem halben Jahr Krieg in der Ukraine – waren es rund 150.000 Schülerinnen und Schüler. In dieser Ausgabe wollen wir die Erfahrungen der Lehrkräfte wie- den Sommerferien. Mit dem Start des neuen Schuljahres in den dergeben, Veränderungen im Umgang mit den ukrainischen Schü- Bundesländern werden noch mehr Ukrainerinnen und Ukrainer an lerinnen und Schülern nachgehen und die Zahlen detaillierter be- den Schulen angemeldet. Die Tabelle (Abb. 2) zeigt die Zunahme leuchten. Bereits am 14. März forderte der VDR, man müsse „den der Zahlen jeweils eine, zwei und drei Wochen nach dem Schul- Realitäten ins Auge sehen“. „Eine falsch verstandene Integration beginn in jedem Bundesland im Vergleich zum 5. August 2022, und ein Überstülpen unseres Bildungswesens sind jetzt völlig fehl als sich alle Bundesländer in den Sommerferien befunden haben. am Platz. Wir brauchen jetzt klare Übersicht, Unterrichtsräume Bis auf wenige Ausreißer (Verdopplung in Bremen, nahezu kons- und qualifiziertes Personal zur Beschulung!“ tante Zahlen in Rheinland-Pfalz) zeigt sich in den Wochen nach Schulbeginn in allen Bundesländern das gleiche Bild: Innerhalb von ENTWICKLUNG DER SCHÜLERZAHLEN drei Wochen nach Schuljahresbeginn steigen die Schülerzahlen im Im Diagramm (Abb. 1) ist die Entwicklung der gemeldeten ukraini- Schnitt um ein Drittel – damit stoßen die einzelnen Schulen inner- schen Flüchtlinge* aufgezeigt, wie sie die KMK wöchentlich veröf- halb kürzester Zeit oftmals gleich wieder an die Belastungsgrenzen. fentlicht. In die Grafik wurden wichtige Ereignisse im Verlauf des Krieges vermerkt. Die Entwicklung der Zahlen geflüchteter ukrai- (Anm.: Hessen liefert seit 22.7. die gleichen Zahlen, Baden-Württem- nischer Schülerinnen und Schüler erweckt den Anschein, dass die berg und Bayern befanden sich zu Redaktionsschluss erst am Ende der aufgezeigte Zunahme weniger vom Kriegsverlauf als vielmehr von zweiten Schulwoche nach den Ferien und hatten noch keine Zahlen den Schulferien in den einzelnen Bundesländern geprägt ist. Inte- geliefert, Bayern konnte eine Woche nach Schuljahresbeginn keine ressant ist daher die prozentuale Zunahme der Jugendlichen nach Zahlen melden) 12 BILDUNG REAL · 5–6/2022
KONZEPTE DER BESCHULUNG Vergleicht man die Konzepte der Beschulung im neuen Schuljahr mit denen des vergangenen Schuljahres, so stellt man fest, dass es nur in ganz wenigen Fällen kleine Veränderungen gegeben hat. Einzig das Bundesland Niedersachsen sein Konzept grund- legend geändert: Statt der Beschulung in den regulären Klassen wurden zum neuen Schuljahr zusätzlich zum bisherigen Angebot auch Willkommensgruppen eingeführt. Ins Auge sticht dabei die bausteinartige Zusammensetzung der verschiedenen Optionen: Willkommensgruppen, Aufnahme in die Regelklasse und Sprach- förderung sowie ggf. die Nutzung von Online-Angeboten aus der Ukraine. (Abb.3) Je nachdem, welchen Weg die einzelnen Bundesländer bei der Be- schulung gehen, spielt der Anteil der Ukrainerinnen und Ukrainer Abb.2: Zunahme der Zahlen jeweils eine, zwei und drei Wochen nach Schulbeginn an der Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler eines Bundes- landes eine Rolle bei der in den Klassen untergebrachten Jugend- Abb. 3: Bausteinartiges Konzept aus Niedersachsen … lichen bzw. bei der Anzahl der Willkommensgruppen. Aufgeschlüs- selt nach den Bundesländern ergibt das in der Tabelle (Abb. 4) dargestellte – aufgrund der fehlenden Meldungen nach den Ferien noch unvollständige – Bild. ERFAHRUNGSBERICHT EINER LEHRKRAFT** „Im Schuljahr 2021/22 konnten an der Schule zwei Willkom- mensklassen mit über 30 ukrainischen Schülern zwischen 12 und 19 Jahren gebildet werden. Deren Leistungsstand war sehr unter- schiedlich und wurden von zwei ukrainischen Lehrern und den ei- genen Lehrkräften in zwei Gruppen beschult. Abb. 3 a: … ausgehend von der Einrichtung von Willkommensklassen Ziel war es, einen geregelten Tagesablauf sowie die begleitete Erarbeitung ihres Unterrichtsstoffs zu ermöglichen und mit dem deutschen Schulsystem vertraut zu machen sowie sie sukzessive in die Regelschulklassen zu integrieren. Dieses Konzept deckte sich auch mit den Hoffnungen und Erwartungen der Eltern sowie Abb. 3 b: … ausgehend vom Unterricht in Regelklassen denen der Schüler, die sich voller Eifer und Ehrgeiz im Unterricht einbringen wollten. Der Deutschunterricht, den die schuleigenen Lehrkräfte bereitwillig übernahmen, half, die Sprachbarrieren ab- zubauen und zu integrieren. Viele Schüler und Lehrkräfte der Schule engagierten sich und wollten helfen. Ukrainisch oder russisch sprechende Schüler un- terstützten unermüdlich beim Übersetzen und waren gerne An- sprechpartner. Das war ein Gewinn für die ganze Schulgemein- schaft. Abb. 3 c: … ausgehend von der Sprachintensivförderung Auf der anderen Seite liegt die gesamte Verantwortung für das Personal und die Umsetzung des Unterrichts ausschließlich im Be- reich der Schule. Gleichzeitig erhöhen sich stetig die verwaltungs- technischen Anforderungen an das eingesetzte Personal – die einzelne Schule fühlt sich allein gelassen. Durch die bestehenden und immer wieder auftretenden organisatorischen und personel- len Probleme kann man den Kindern nicht immer im vollen Umfang gerecht werden. Durch diese unklare Situation sowie die große Verantwortung gelangen Lehrkräfte, Schulleitung und Verwaltung immer wieder an ihre Grenzen.“ * Alle Zahlen umfassen Schüler sowohl aus allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, da die Kultusministerkonferenz die Zahlen erst seit Ende Mai getrennt ausgibt. Außerdem werden stets die gemeldeten und nicht die beschulten Schüler betrachtet, da davon auszugehen ist, dass auch diese Schüler in den Schulen ankommen werden. ** Name der Lehrkraft der Redaktion bekannt Text: Bernd Bischoff Abb.4: Anteil der ukrainischen Schülerinnen bernd.bischoff@vdr-bund.de und Schüler in den Klassen 13
Jürgen Böhm über Fachkräftemangel: An Gymnasien werde das Potenzial künftiger Fachkräfte verschwendet, sagt der Vorsitzende des Ver- bands Deutscher Realschullehrer: „Das fällt uns jetzt auf die Füße.“ ZEIT ONLINE: Herr Böhm, in Deutschland fehlt es fast verschwendet und auch die Arbeitshaltung lässt dann oft überall an Fachkräften. Immer weniger Jugendliche ent- zu wünschen übrig. Man hat über Jahre hinweg formale scheiden sich für eine Ausbildung. Was läuft in den Schu- Abschlüsse mit Qualität verwechselt. Wir haben immer len eigentlich falsch? bessere Abiturschnitte und das bedeutet vor allem: Das Niveau ist gesunken. Jürgen Böhm: Die Schulpolitik hat sich in den letzten Jah- ren immer nur darauf konzentriert, die Abiturquote zu erhöhen. Das halte ich für grundsätzlich falsch. Wir ha- Drang zum Abitur ben vergessen, die Bildungswege über den Hauptschul- ist ein Fehlanreiz der OECD abschluss und den Realschulabschluss hin zur beruflichen Auch Abiturienten könnten eine Ausbildung machen. Was Bildung besser zu bewerben. Das ist für mich der Grund- spricht dagegen? fehler. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat kürzlich einen Tag des Handwerks für alle weiterfüh- Ich sehe das einfach als verlorene Zeit. Warum sollen sich renden Schulen gefordert. Ich kann dazu nur sagen: An einige Schüler noch zwei oder drei Jahre bis zum Abitur den Realschulen findet jeden Tag ein Tag des Handwerks quälen, um dann in eine duale Berufsausbildung zu ge- statt. hen? Das können sie auch mit dem Realschulabschluss machen und wären dann vielleicht besser vorbereitet auf Derzeit machen in Deutschland nur etwa 19 Prozent der den Beruf. Dieser Drang, alle zum Abitur zu bringen, ist Jugendlichen eine Lehre, die Gesamtzahl der Auszubil- ein Fehlanreiz der OECD. denden ist rückläufig. Die Anzahl der Abiturienten liegt im bundesweiten Durchschnitt dagegen bei über 50 Prozent; Halten Sie es denn für realistisch, dass die Realschulen und die Mehrheit von ihnen studiert. Warum sehen Sie tatsächlich gestärkt werden, wo der Trend doch in eine diese Entwicklung kritisch? ganz andere Richtung geht - nämlich auf Gesamtschulen und eine steigende Abiturientenquote zu setzen? Eine hervorragend ausgebildete Fachkraft oder ein Hand- werker ist ökonomisch sehr viel besser ausgestattet als Das ist für mich eine ideologische Fehlsteuerung, nur auf manche akademischen Berufe, die völlig unterbezahlt Gesamtschulen zu setzen. Man hat im Prinzip vermittelt: werden. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir Wir bilden eine Schule, wo die Schüler jeden Abschluss natürlich eine gewisse Quote an Abiturienten brauchen, erreichen können. Die Frage ist, welche Qualität das Ab- die dann auch, wenn sie die Fähigkeiten mitbringen, stu- itur auf einer Gesamtschule noch hat. Dass die Stärkung dieren und in die Wirtschaft gehen. Aber wir verlieren zu der Mittleren Bildungsabschlüsse ausgeblieben ist, fällt viele junge Menschen auf dem Weg zur Hochschule; ei- uns jetzt auf die Füße. nige von ihnen brechen das Studium ab, weil sie an ihre Das ganze Interview können Sie hier lesen. Grenzen kommen. Und die Studienabbrecher, die mit Das Interview führte Dr. Hannah Bethke. Mitte zwanzig eine duale Ausbildung machen wollen, sind Wir danken ZEIT ONLINE für die freundliche Abdruckgenehmigung. zu spät dran. Dann sind zehn Jahre verloren, Potenzial ist 14 BILDUNG REAL · 5–6/2022
Bundesverdienstkreuz für Stärkung der Bildung Jürgen Böhm erhält das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ein, die den individuellen Bedürfnissen jedes einzelnen jungen Menschen gerecht wird. Besonders die Realschule mit ihrem aus- gewogenen Angebot an Theorie und Praxis, einer außergewöhn- lichen Werte- und Demokratieerziehung und einer realitätsnahen Alltagsbildung stehen dabei im Fokus von Böhms Bemühungen. Weiterhin wird damit sein Engagement bei der Stärkung der Di- gitalisierung und der ökonomischen Bildung in ganz Deutschland geehrt. In der Würdigung durch den Bundes- präsidenten heißt es ferner: Jürgen Böhm zeichnet sich dadurch aus, dass er bildungspolitische Foto: Chris Eberhardt Weichenstellungen in Bund und im Frei- staat Bayern stets konstruktiv, zielfüh- rend und an der Sache orientiert mitgestaltet. Mit seiner hohen Im Rahmen der 70-Jahrfeier des Bayerischen Realschul- fachlichen Expertise trägt er maßgeblich dazu bei, den Verant- lehrerverbands (brlv) würdigte der bayerische Minister- wortlichen in Politik, Verwaltung und Wissenschaft gute und im präsident Dr. Markus Söder den Pädagogen und verlieh Sinne der gesamten Schulfamilie orientierte Lösungen und Wei- ihm die Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland, terentwicklungen des Bildungssystems auf den Weg zu bringen. die vom Bundespräsidenten vergeben wird. „Ich nehme diese Ehrung natürlich auch für meine Kolleginnen Böhm erhielt die hohe Anerkennung für sein herausragendes und Kollegen entgegen, die tagtäglich – auch teilweise unter bundesweites Engagement für die Bildung. Der Bundesvorsit- schwierigen Rahmenbedingungen – um beste Bildung kämpfen“, zende setzt sich hierbei besonders für eine differenzierte Bildung so Böhm nach der Ehrung. Anzeige ASL_190x80.qxp_ASL_190x80.qxp 28.09.22 13:45 Seite 1 AUSSERSCHULISCHE LERNORTE Bremen erleben! in die neue Welt reisten. Zu den Wissenswelten gehören: Bremen erleben heißt Wissen in Bremen in Bremerhaven erleben! Neun Einrichtungen in Bremen und Bremerhaven laden • botanika Bremen • Deutsches Auswandererhaus als außerschulische Lernorte zum • Bremer Geschichtenhaus • Deutsches Schifffahrtsmuseum Forschen und Entdecken ein. Ob Tiere im Zoo, Natur- oder Völkerkunde, • Denkort Bunker Valentin • Klimahaus® Bremerhaven Schifffahrt oder Wetterphänomene, Physikalisches oder Historisches – die Wissenswelten decken ein breites thematisches Spektrum ab. Ein Besuch • Übersee-Museum Bremen • Zoo am Meer Bremerhaven im Rahmen einer Klassenfahrt oder eines Tagesausflugs lässt sich wunder- • Universum® Bremen bar verbinden mit einem Foto der berühmten Bremer Stadtmusikanten oder den Spuren der Auswanderinnen und Auswanderer, die über Bremerhaven Mehr Informationen unter: www.wissenswelten.com Die Internationale Schulbauernhof Durch ein vielfältiges Workshop-Angebot werden Hardegsen gGmbH Bildungsinhalte rund um die Themen Landwirtschaft, Die Internationale Schulbauernhof Ernährung und Nachhaltigkeit handlungsorientiert ver- Hardegsen gGmbH ist ein vom nieder- mittelt – mit Kopf, Herz und Hand. Betreut werden die sächsischen Kultusministerium anerkannter außerschulischer Lernort und Kleingruppen durch ein erfahrenes interdisziplinäres ein Lernstandtort des Regionalen Umweltbildungszentrums Hardegsens. Team. Die Verpflegung unserer Gäste erfolgt mit regio- Von der Grund- bis zur Berufsschule bieten wir Klassen die Möglichkeit in das nal und saisonal erzeugten Lebensmitteln und ist relativ Landleben einzutauchen. In kleinen Gruppen kann in der Hauswirtschaft und fleischarm. Zum Übernachten werden die Gruppen mit in den Ställen kräftig mitangepackt werden. Die Gruppen lernen den Hof und dem hofeigenen Planwagen in das im 5 km entfernte seine „Bewohner“ kennen, wachsen täglich mehr in die Aufgaben hinein und Jugendgästehaus in Hardegsen gebracht. übernehmen Verantwortung für sich und die Tiere. www.internationaler-schulbauernhof.de 15
Am Dienstag, 20. September 2022 Verbeamtete Lehrkräfte erhalten kein Ge- titelt lehrer nrw in seiner Presse- halt oder Entgelt für ihre Arbeit, sondern mitteilung „Der Einsatz hat sich ge- Bezüge. Grundlage der Besoldung ist das Alimentationsprinzip. Der Dienstherr ist lohnt“. Zum Bundesrealschultag am verpflichtet, dem Beamten im aktiven Anfang April in Mannheim hat Sven Dienst, bei Invalidität und im Alter einen Christoffer, Landesvorsitzender von dem Amt angemessenen Lebensunterhalt lehrer nrw die Kampagne „Ich ver- zu gewähren. Die Besoldung besteht da- diene A13!“ vorgestellt. Unzählige bei aus dem Grundgehalt und wird durch Kolleginnen und Kollegen schickten den Familienzuschlag oder weitere Zula- die knallgelbe Postkarte an Minister- gen ergänzt. präsident Hendrik Wüst. Dieser zeig- Angestellte Lehrkräfte sind in den meis- te sich bereits Ende April erstaunt ten Bundesländern eher die Minderheit. über die große Zahl der Karten und Oft haben diese Personen die Prüfung würdigte diese kreative Aktion. Am der gesundheitlichen Eignung nicht be- Rande des Arbeitnehmerempfangs standen oder sind nach Überschreiten der in Dortmund bekräftigten auch die Höchstaltersgrenze, die je nach Bundes- land zwischen 40 (Mecklenburg-Vorpom- anderen Parteien, dieses Thema in zeitgleich auf die Beamten übertragen mern) und 50 Jahren (Hessen) liegt, nicht der folgenden Legislaturperiode an- und bilden für die einzelnen Finanzminis- verbeamtet worden. Bei den Angestellten zugehen. Nach der Wahl in Nord- ter Möglichkeiten, Finanzmittel einzuspa- muss berücksichtigt werden, dass sie sozi- rhein-Westfalen standen die Zeichen ren. Während in den meisten Bundeslän- alversicherungspflichtig sind (vgl. Abb. 2). dern die jeweils aktuelle Erhöhung zum bereits im Juni für eine Besoldungser- 1. Januar 2021 stattgefunden hat, haben SONDERSTELLUNG BERLIN höhung nicht schlecht, Ende Septem- sich die Niedersachen zwei, das Saarland Mittlerweile verbeamten alle Bundes- ber veröffentlichte die schwarz-grü- drei und Mecklenburg-Vorpommern und länder ihre Lehrkräfte wieder. Das Bun- ne Staatsregierung den Stufenplan Schleswig-Holstein sogar fünf Monate mit desland Berlin hat seit dem Jahr 2004 zur Überführung der Eingangsbesol- der Übertragung der Ergebnisse auf die auf eine Verbeamtung verzichtet. Im Juli dung für alle Lehrämter nach A13. Beamten Zeit gelassen (vgl. Abb. 1). dieses Jahres wurden – aufgrund des Dies geschieht in jährlichen Schritten chronischen Lehrermangels in der Haupt- Bundesland gültig seit zu je 115 Euro bis zum August 2026. stadt – erstmals wieder 220 Lehrkräfte Baden-Württemberg 01.01.2021 verbeamtet, die neu in den Schuldienst Wie sich die Erhöhung in vier Jahren Bayern 01.01.2021 eingestellt wurden. Aufgrund der Sonder- auswirken wird und wo sich die Lehr- Brandenburg 01.01.2021 situation in Berlin bestand der Versuch, kräfte im Bundesvergleich einordnen, Bremen 01.01.2021 herauszufinden, wie geplant ist, bislang zeigt dieser Vergleich. Hamburg 01.01.2021 angestellte Lehrkräfte ins Beamtensys- Hessen 01.01.2021 tem zu überführen. Mehrere Anfragen an GEHALT UND BESOLDUNG das Berliner Bildungsministerium durch Nordrhein-Westfalen 01.01.2021 Mit der im Jahr 2006 durch Bundestag den VDR blieben jedoch unbeantwortet. Rheinland-Pfalz 01.01.2021 und Bundesrat auf den Weg gebrachte Da die Verbeamtung zum aktuellen Zeit- Sachsen 01.01.2021 Föderalismusreform sind die einzelnen punkt jedoch nur 220 von knapp 35.000 Sachsen-Anhalt 01.01.2021 Bundesländer selbst für das Dienstrecht Lehrkräften betrifft, wird in dieser Zusam- sowie die Besoldung der Beamten zu- Thüringen 01.01.2021 menstellung auf die Darstellung von Berlin ständig. In der Regel werden die Tarif- Niedersachsen 01.03.2021 verzichtet. abschlüsse aus den Verhandlungen des Saarland 01.04.2021 öffentlichen Dienstes auf die Beamten Mecklenburg-Vorpommern 01.06.2021 REFERENDARIAT: übertragen. Um Geld in den Bundeslän- Schleswig-Holstein 01.06.2021 LÄNGE UND BESOLDUNG dern einzusparen, werden die Abschlüsse Abb. 1: Zeitpunkt der Umsetzung der letzten In Zeiten des akuten Lehrermangels ist aber oftmals nicht inhaltsgleich und nicht Besoldungserhöhung in den Bundesländern es spannend, zu sehen, ob ein kürzeres 16 BILDUNG REAL · 5–6/2022
35 40 45 50 Berlin 35 40 45 50 Referendariat tatsächlich mehr Lehrkräf- Hessen Berlin te ins System spült. Aber genau das Ge- Brandenburg Hessen genteil scheint der Fall zu sein. Gerade Sachsen Brandenburg in den Ländern mit den kürzesten Refe- Thüringen Sachsen rendariaten scheint die Not am größten. Bayern Thüringen In Brandenburg sind knapp 15 Prozent der Bremen Bayern Bremen Lehrkräfte Seiteneinsteiger und der An- Hamburg Hamburg Niedersachsen teil unter den Neueinstellungen liegt bei Niedersachsen Rheinland-Pfalz 32,5 Prozent. In Sachsen-Anhalt liegt die Rheinland-Pfalz Saarland Unterrichtsversorgung beim Schulstart in Saarland dieses Schuljahr bei gerade einmal 92 Pro- Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein zent! Auch die Bezahlung der Referendare Schleswig-Holstein Baden-Württemberg Baden-Württemberg stellt sich in den Bundesländern ganz un- Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern terschiedlich dar, wie die Grafik zeigt (sie- Nordrhein-Westf Nordrhein-Westfalen alen he Abb. 3 und 4). Höchstaltersgrenze fürfür Höchstaltersgrenze diedie Verbeamtung Verbeamtung WEIHNACHTSGELD Abb. 6 2: Abb. 2: Letzte LetzteMöglichkeit Möglichkeitder12 Verbeamtung in den Bundesländern der 18 Verbeamtung in den Bundesländern 24 Die meisten Bundesländer zahlen mit den Bayern Dezemberbezügen kein Weihnachtsgeld 6 12 18 24 Thüringen mehr aus. Vielmehr ist diese Sonderzah- Bayern Hessen lung – meistens ab dem Jahr 2017 – in Thüringen Baden-Württemberg Hessen das Grundgehalt integriert worden. Nur Berlin Baden-Württemberg Bayern hält an der 65 %-igen Sonderzah- Bremen Berlin lung fest, in Mecklenburg-Vorpommern Hamburg Bremen sind es noch knapp 30 Prozent, in anderen Mecklenburg-Vorpommern Hamburg Bundesländern Pauschalbeträge in Höhe Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen von ein paar hundert Euro (Niedersachsen Niedersachsen Nordrhein-Westf alen 300 Euro, Sachsen-Anhalt 400 Euro). Egal Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz wie die Bundesländer mit der Jahresson- Rheinland-Pfalz Saarland derzahlung umgehen, ist sie in die Dar- Saarland Sachsen stellungen eingerechnet und auf die zwölf Sachsen Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein Monate umgelegt worden. Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt Brandenburg Brandenburg EINSTIEGSAMT UND Dauer Dauerdes desReferendariats in Monaten Referendariats in Monaten EINSTIEGSBESOLDUNG Abb. Abb.3:3:Zwischen Zwischen12 12 undund 24 Monaten dauertdauert 24 Monaten die zweite Phase Phase die zweite Während sich im Referendariat die Un- der Ausbildung im Referendariat. Was ist ausreichend? der Ausbildung im Referendariat. Was ist ausreichend? terschiede zwischen den Bundesländern noch weitgehend in Grenzen halten, so wird die unterschiedliche Umsetzung der Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamten vor allem beim Einstiegsgehalt SH: 1.537 EUR sehr deutlich. Bei allen Betrachtungen HB: 1.464 EUR + 1,5 % wurde ein fiktiver Berufseinstieg mit 27 - 4,4 % MV: 1.503 EUR - 0,8 % Jahren in die unterste Erfahrungsstufe HH: 1.525 EUR der regulären Besoldungsgruppe der Re- Abb. 4: Besoldung der Referendare + 0,7 % als Beamte auf Widerruf ent- alschullehrkräfte bzw. Sekundarschul- NI: 1.439 EUR sprechend des Eingangsamtes im lehrkräfte zugrunde gelegt. Dabei ist es - 5,0 % jeweiligen Bundesland zunächst einmal entscheidend, welche BB: 1.509 EUR die unterste Erfahrungsstufe in der Ent- ST: 1.501 EUR - 0,4 % NW: 1.500 EUR - 0,9 % geltgruppe ist und aus wie vielen Stufen - 0,9 % die Besoldungsordnung besteht. Ver- SN: 1.595 EUR TH: 1.503 EUR + 5,3 % gleicht man z. B. die Bundesländer Rhein- HE: 1.560 EUR - 0,7 % land-Pfalz (Einstiegsbesoldung A13 Stufe + 3,0 % 3, Endstufe 12) und Bayern (Einstiegsbe- Referendariat Durchschnitt soldung A13 Stufe 5, Endstufe 11), so er- RP: 1.487 EUR - 1,8 % 1.514 EUR reichen Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz die Endstufe nach 29 Dienstjahren, in Bayern SL: 1.448 EUR BY: 1.618 EUR jedoch schon nach 21 Jahren. Im bun- - 4,4 % BW: 1.526 EUR + 6,9 % desweiten Durchschnitt verdienen Lehr- + 0,8 % kräfte in Deutschland 4.243 Euro brutto pro Monat. Die Unterschiede sind jedoch immens, liegen zwischen den Bundeslän- 17
DIE BESOLDUNG IM LÄNDERVERGLEICH SH: 4.334 EUR SH: 5.685 EUR HB: 4.389 EUR HB: 5.673 EUR + 2,2 % + 0,3 % + 3,4 % MV: 4.228EUR + 0,1 % MV: 5.722 EUR - 0,4 % + 1,0 % HH: 4.360 EUR HH: 5.522 EUR Bundesland + 2,8 % - 2,6 % Brandenburg NI: 3.779 EUR NI: 5.224 EUR Hessen - 10,5 % - 7,8 % BB: 3.817 EUR BB: 5.166 EUR Mecklenburg-Vorpommern ST: 4.281 EUR - 10,0 % ST: 5.766 EUR - 8,9 % Hamburg NW: 3.824 EUR + 0,9 % NW: 5.241 EUR + 1,7 % Schleswig-Holstein - 9,9 % - 7,5 % SN: 4.259 EUR SN: 5.943 EUR Sachsen-Anhalt TH: 4.268 EUR + 0,4 % TH: 5.812 EUR + 4,8 % Bremen HE: 4.314 EUR + 0,6 % HE: 7.762 EUR + 2,5 % Bayern + 1,7 % + 1,7 % Berufseinstieg Familie Nierdersachsen 27 Jahre, unverheiratet 47 J., verh., 2 Kinder RP: 4.107 EUR Durchschnitt RP: 5.793 EUR Durchschnitt Nordrhein-Westfalen 4.243 EUR 5.667 EUR Saarland - 3,2 % + 2,2 % Baden-Württemberg SL: 4.180 EUR BY: 4.896 EUR SL: 5.678 EUR BY: 6.075 EUR Thüringen - 1,5 % BW: 4.587 EUR + 15,4 % + 0,2 % BW: 5.955 EUR + 7,2 % Sachsen + 8,1 % + 5,1 % Rheinland-Pfalz Mittelwert Besoldung Berufseinsteigerinnen und -einsteiger Besoldung Familien Abb. 5: Die größten prozentualen Abweichungen der Bundes- Abb. 6: Höhere Familien- und Kinderzuschläge lassen die Abstände ländern vom bundesweiten Durchschnitt findet sich bei den zwischen den Bundesländern etwas abschmelzen … Berufsanfängern dern über 1.000 Euro brutto pro Monat gen in etwa gleich auf, die Unterschiede derzuschläge etwas niedriger als bei der (vgl. Abb. 5) betragen nur wenige Euro. Beim Kinder- Betrachtung der Familien (vgl. Abb. 8). zuschlag sind die Unterschiede deutlich FAMILIENZUSCHLAG BEFÖRDERUNGSÄMTER größer. Hier liegt Rheinland-Pfalz mit über Heirat, Kinder, Familie – auch in der Be- Einstiegsgehalt, Erfahrungsstufe, Kinder- 210 Euro pro Kind weit vor den anderen, soldung macht sich das bemerkbar. Und und Familienzuschlag sind nicht die einzig Hessen und Mecklenburg-Vorpommern natürlich finden sich auch hier große, aber ausschlaggebenden Komponenten der Be- mit 120 Euro pro Kind auf den letzten nicht gravierende Unterschiede zwischen soldung. Für die einzelnen Landesverbän- Rängen. Ausschlaggebender beim Brut- den Bundesländern. In der Übersicht wird de sind auch die Möglichkeiten der Beför- togehalt sind bei den Familien eher die eine Lehrkraft betrachtet, die zwanzig derung im Bundesland ausschlaggebend. Besoldungsstufe und die bereits erreichte Dienstjahre ohne Beförderungsamt abge- Folgende Fragen interessieren dabei: Gibt Erfahrungsstufe (vgl. Abb. 6 und 7). leistet hat, verheiratet ist und zwei Kinder es funktionslose Beförderungsämter? hat. Insgesamt lässt sich feststellen, dass ENDSTUFE Wie viele Stellen werden gehoben? Wie in diesem Fall der Unterschied zwischen Mit sechzig Jahren sollten die Lehrkräfte groß ist der Abstand zu den funktions- den Bundesländern nicht mehr ganz so in allen Bundesländern bei einem regulä- gebundenen Beförderungsämtern? Wie groß ist, wie bei beim Berufseinstieg. Zwi- ren Eintritt in den Schuldienst jeweils die viele Personen sind Mitglied in der Schul- schen den Bundesländern mit der größten höchste Erfahrungsstufe erreicht haben. leitung und wie ist die Führungsspanne? Spreizung (Brandenburg – Bayern) liegen Die Kinder sind aus dem Haus und die Wie viele Beförderungsmöglichkeiten gibt „nur noch“ rund 900 Euro Bruttoeinkom- Kinderzuschläge fallen weg. In der Grafik es außerhalb der Schule, also z. B. bei der men pro Monat. Unterschiede ergeben wird jeweils eine verheiratete, 60-jährige Schulaufsicht oder bei Landesinstituten? sich auch in der Höhe des Familienzu- Lehrkraft zugrunde gelegt, die sich noch schlags und des Kinderzuschlags. Einzig im Eingangsamt aber in der höchsten Er- UNTERRICHTSPFLICHTZEIT Brandenburg verzichtet auf den Famili- fahrungsstufe befindet. Insgesamt sind Auch die Unterrichtspflichtzeit der Lehr- enzuschlag, in Rheinland-Pfalz beträgt er die Bruttobezüge mit Kinderzuschlag und kräfte kann für die Landesverbände – eher nur ca. fünfzig Prozent der anderen Bun- Familienzuschlag trotz einer höheren Er- noch als die Beamtenbesoldung – großes desländer. Alle anderen Bundesländer lie- fahrungsstufe durch den Wegfall der Kin- Thema sein, werden Lehrkräfte durch eine 18 BILDUNG REAL · 5–6/2022
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