Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV

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Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
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Deutsche Umwelthilfe e.V. und Global Nature Fund   www.duh.de, www.globalnature.org		   1|2021

Massentierhaltung
und ihre Folgen
Nein zum Ausbau der                           Mehr Straßen                Textilien –
Erdgas-Infrastruktur                          fürs Fahrrad                ökologisch und fair
Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
Bio-Pionier seit 1974

                                   Sofía Huarina Chacon, Bio-Kakaobäuerin
                                   der Kleinbauernkooperative El Ceibo in Bolivien.

                                                              „Seit über 20 Jahren baue ich mit
                                                    meiner Familie Bio-Kakao in Mischkultur an.
                                             Gemeinsam mit El Ceibo und Rapunzel haben wir
                                           viel erreicht wie beste Bio-Qualität und faire Preise.
                               So gibt es bei uns keine Kinderarbeit. Unsere Kinder haben die
                               Möglichkeit für qualifizierende Ausbildungen – und damit echte
                                   Berufschancen, innerhalb und ausserhalb der Kooperative.“

                                                            Mehr auf rapunzel.de/fair

2   DUH welt 1|2021   Wir machen Bio aus Liebe.
Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
Auf ein Wort

                                               Liebe Leserin, lieber Leser,
Prof. Dr. Harald Kächele,
Bundesvorsitzender Deutsche Umwelthilfe e.V.   in ein paar Tagen ist Ostern. Untrennbar gehören bunt gefärbte Eier
                                               zur Tradition des Festes. Dank der gesetzlichen Kennzeichnungs-
                                               pflicht wissen wir, aus welcher Haltung jedes Ei stammt. Wenn wir
                                               aber Fleisch im Supermarkt kaufen, erfahren wir nach wie vor nichts
                                               über die Umstände, unter denen das Tier gelebt hat. Obwohl die
                                               Nutztierhaltung schon seit Jahren immer wieder in der öffentlichen
                                               Kritik steht, bewegt sich nicht viel. Zum Leidwesen von Millionen
                                               Nutztieren profitiert weiterhin vor allem die Massentierhaltung von
                                               der Agrarförderung. Dem wollen wir Einhalt gebieten. Nicht zuletzt,
                                               weil das Produzieren von Tieren für Fleisch in Masse neben Qualzucht
                                               und dem übermäßigen Einsatz von Antibiotika auf Kosten der Umwelt,
                                               fairer Erzeugerpreise und des Klimas geht.

                                               Um die Klimaziele im Energiesektor zu erreichen, müsste die Bun-
                                               desregierung den Ausbau der Erneuerbaren Energien vorantreiben,
                                               stattdessen setzt sie mit Nord Stream 2 und den geplanten Flüssig-
                                               erdgas-Terminals an der Nordseeküste auf den massiven Ausbau der
                                               fossilen Erdgasinfrastruktur. Hohe Investitionen wie diese müssen
                                               sich rechnen, wir würden also noch Jahrzehnte in der fossilen Ener-
                                               gieversorgung festhängen. Das darf nicht passieren! Nachdem der
                                               Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven dank unserer Intervention
                                               bereits auf Eis gelegt wurde, kämpfen wir weiter dafür, den Import
                                               von zusätzlichem fossilem Gas zu stoppen.

                                               Gemeinsam mit Ihnen konnten wir in den vergangenen Monaten
                                               aufdecken, wo in öffentlichen Gebäuden durch schlechte Dämmung
                                               massenhaft Energie verschwendet wird und Kommunen ihre Vorbild-
                                               funktion beim Klimaschutz nicht erfüllen. Außerdem haben wir über
                                               120 Kommunen, die Sie uns genannt haben, aufgefordert, die Flut
                                               an Verpackungsmüll einzudämmen. Und mit einem Rechtsgutachten
                                               haben wir eine weitere Grundlage erarbeitet, um die auch von Ihnen
                                               geforderten Pop-up-Radwege deutschlandweit zu etablieren.

                                               Ihr Engagement und Ihre Unterstützung machen uns Mut, dass wir
                                               in diesem Jahr gemeinsam noch viel erreichen für das Klima, die
                                               Mobilitäts-, die Energie- und die Agrarwende!

                                               Danke dafür! Und bitte bleiben Sie gesund!

                                               Ihr

                                                                                                 DUH welt 1|2021   3
Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
Inhalt

                                                   16

                                                   20
    Fotos: Mike Mareen/stock.adobe.com (o.l.); fritz-kola, Florent Jalon (u.l.); focus finder/stock.adobe.com (großes Bild)

        Editorial                                                    Titel                                                    18   Gehen Sie mit?
3       Auf ein Wort                                            8    Mit der DUH auf zur Fleischwende!                             Wir zeigen Alternativen zu Einweg-
                                                                                                                                   Plastik auf!
                                                                     Von Nachhaltigkeit sind große Teile der
        Aktuell                                                      Fleischerzeugung weit entfernt. Wir
                                                                                                                              20   Mehrweg wird immer besser
                                                                     brauchen eine Nutztierhaltung, in der
6       Lieferkettengesetz ist ein                                   Tierwohl, Klimaschutz und biologische                         Der Mehrweg-Innovationspreis wurde
        Minimalkonsens                                               Vielfalt berücksichtigt werden.                               erneut verliehen.

6       Neue Effizienzskala für                               13     Rezension: Was hat die Mücke je                          21   Aufdecken, wo der Staat das Klima
        Elektrogeräte                                                für uns getan?                                                verheizt
                                                                                                                                   Wie hoch ist der Energieverbrauch von
6       Impressum                                                    In Zahlen                                                     öffentlichen Gebäuden?
7       Luftqualitätsbericht offenbart                        14     Fleisch – weniger ist mehr
                                                                                                                              22 Die DUH fordert: Pop-up-Radwege
        Handlungsbedarf                                                                                                          Jetzt!
                                                                     Themen
7       DUH obsiegt vor Gericht                                                                                               23   Wohin lenkt Berlin?
                                                              16 Erdgas für den Klimaschutz?
        gegen MediaMarkt-Saturn
                                                                 Das falsche Versprechen                                           Die DUH begleitet die Verkehrswende
                                                                                                                                   in der Hauptstadt.
7       Wir trauern um Rudi Schreiber                         17     Interview: „Erdgas ist genauso
                                                                     eine Sackgasse wie Kohle“                                24   So helfen Sie den Wildbienen

4      DUH welt 1|2021
Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
Inhalt

                                                                                                     22                                                                                                                                               28

        8                                                                            34                                                                                                                                                               38
Benedikt Glitz/Qimby CCO (o.l.); Ludmila/stock.adobe.com (u.r.), Naturefund e.V. (u.l.), widlifephoto-demmel/stock.adobe.com (u.r.)

25    Wie umweltfreundlich sind                                          Menschen für Natur
      Motorsense, Heckenschere und Co.?
                                                                  34     So bringen Sie Ihre Herzenssache
      Erfahren Sie, worauf man beim Kauf
                                                                         auf den Weg!
      achten sollte.
                                                                         Ein Freund der Umwelthilfe schildert,
26    Das „Bio“ in unserem Kraftstoff                                    was ihn zum Geben bewegt.
                                                                                                                                       DU
                                                                                                                                                                                                                                   magazin

      Agrokraftstoffe schaden der Biodiversität                                                                                         Deutsche Umwelthilfe e.V. und Global Nature Fund   www.duh.de, www.globalnature.org        1|2021

      und dem Klima.                                                     Kunst für die Umwelt
28    Aquakultur muss nachhaltig werden                           36     Sinnlich erfahrbare Perspektiven
30    Wege aus dem Dickhäuter-Dilemma                                    Kunst schafft Anlässe zur Diskussion 		                        Massentierhaltung
                                                                         über Umweltthemen.                                             und ihre Folgen
      Wie kann man Mensch-Wildtier-                                                                                                     Nein zum Ausbau der
                                                                                                                                        Erdgas-Infrastruktur
                                                                                                                                                                                      Mehr Straßen
                                                                                                                                                                                      fürs Fahrrad
                                                                                                                                                                                                                     Textilien –
                                                                                                                                                                                                                     ökologisch und fair

      Konflikte vermeiden?
                                                                  37     Termine: Mitgliederversammlungen
32 Veranwortung tragen
                                                                                                                                      Titel:
      Ein Projekt des GNF zu öko-fairen                                  Unbekannte Tierart                                           Zu Recht gerät die Massentier­-
      Textilien.                                                                                                                      haltung immer mehr in die Kritik.
                                                                  38     Erdhörnchen des Landes verwiesen                             Wir beleuchten insbesondere öko-
34    Im Tal der Bastpalmen                                              Einst war das Ziesel hierzulande eine                        logische Folgen.
      Der Hand in Hand-Fonds hilft                                       Allerweltsart.                                               Foto: agnomark/stock.adobe.com
      Kleinbauernfamilien in Malawi.

                                                                                                                                                                                                       DUH welt 1|2021                            5
Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
Aktuell

                                                            ENTTÄUSCHEND                                                                            LICHT IM LABEL-DSCHUNGEL

      Lieferkettengesetz ist ein Minimalkonsens                                                                                                       Neue Effizienzskala
                                                                                                                                                       für Elektrogeräte
                                                                                                                                                    Die Rückkehr zur einheitlichen
                                                                                                                                                    Effizienzskala von A bis G für be-
                                                                                                                                                    stimmte Elektrogroßgeräte be-
                                                                                                                                                    grüßt die Deutsche Umwelthilfe.
                                                                                                                                                    Diese sorgt für mehr Transparenz
                                                                                                                                                    und hilft Verbraucherinnen und
                                                                                                                                                    Verbrauchern, Geräte mit hohen
                                                                                                                                                    Stromkosten zu identifizieren.
                                                                                                                                                         Der grüne Pfeil mit dem „A“
                                                                                                                                                    steht für das effizienteste Ge-
                                                                                                                                                    rät, der rote mit dem „G“ für den
                                                                                                                                                    größten Energiefresser. Spül- und
                                                                                                                                                    Waschmaschinen, Waschtrockner,
                                                                                                                                                    Kühl- und Gefriergeräte, TV-Gerä-
                                                                                                                                                    te sowie Computer-Monitore und
                                                                                                                                                    Displays müssen seit 1. März 2021
                                                                                                                                                    mit dem neuen Energie-Label ge-
Für brennende Regenwälder tragen wir als Sojafutter-Importeur eine Mitverantwortung.                                                                kennzeichnet werden. Die DUH
                                                                                                                                                    wird stichprobenhaft kontrollie-
                                                                                                                                                    ren, ob Hersteller und Händler
Die DUH kritisiert den Kom-                       ihren Stempel aufgedrückt. Dazu                  und intransparent. Durch die                     diese Vorschrift umsetzen.
promiss in Sachen Lieferket-                      Bundesgeschäftsführer Sascha                     mit sechseinhalb Stunden ex-
tengesetz, denn der Schutz von                    Müller-Kraenner: „Zerstörung                     trem kurze Rückmeldefrist zur
Umwelt und Klima bleibt größ-                     von Klima, Wäldern und Ar-                       Stellungnahme sollte wohl die
tenteils unberücksichtigt. Die                    tenvielfalt in den Lieferketten                  verdiente Kritik gering gehalten
Beschränkung auf den direkten                     deutscher Unternehmen blei-                      werden. Der Bundestag muss
Zulieferer entlässt Unterneh-                     ben mit diesem Gesetz in den                     nun dringend Nachbesserungen
men in der Rohstoffgewinnung                      allermeisten Fällen folgenlos.                   einfordern. Wir brauchen unab-
aus der Verantwortung. Mitte                      Der Entwurf bleibt im Hinblick                   hängige Umweltsorgfaltspflich-
Februar hat sich die Bundes-                      auf die Umweltsorgfaltspflich-                   ten, die Biodiversität und Kli-
regierung nach monatelangem                       ten und den Geltungsbereich                      maschutz mit einbeziehen. Das
Streit auf den Gesetzesentwurf                    weit hinter den Erwartungen                      Gesetz muss für die gesamte
geeinigt. Wirtschaftsverbände                     und Möglichkeiten zurück. Noch                   Wertschöpfungskette und alle
und das Bundeswirtschaftsmi-                      dazu ist der bisherige Geset-                    Unternehmen mit mehr als 250
nisterium haben dem Prozess                       zesprozess undemokratisch                        Mitarbeitenden gelten.“

IMPRESSUM
                                                                                                                                                                                              Fotos: Richard Carey/stock.adobe.com (o), DUH (u)

    Zeitschrift für Mitglieder und Förderer der Deutschen Umwelthilfe e.V. und des Global Nature Fund
    ■ Herausgeber: Deutsche Umwelthilfe e.V., Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell, Tel.: 07732 9995-0, Fax: -77, info@duh.de, www.duh.de ■ V.i.S.d.P.: Jürgen Resch
    ■ Redaktion: Jutta Kochendörfer (jk), Andrea Kuper (ak) ■ Autorinnen und Autoren: Christian Behrens (cb), Reinhild Benning (rb), Annette Ber­nauer (ab), Dolores Birk (db),
    Peer Cyriacks, Gabi Fiedler (gf), Katharina Fietz (kf), Thomas Fischer (tf), Kathrin Anna Frank (kfr), Anna-Lena Franke (alf), Judith Grünert (jg), Jens Hürdler (jh), Viktor
    Konitzer (vk), Sascha Müller-Kraenner (smk), Robin Kulpa (rk), Hanna Rhein (hr), Dorothee Saar (ds), Lara-Katharina Schmidt, Annette Stolle (ast), Nina Steinmeyer (nst),
    Joyce-Ann Syhre (js), Claudia Tauer (ct), Laura Maeso Velasco (lmv)
    ■ Gestaltung: Claudia Kunitzsch
    In DUHwelt-Artikeln verwenden wir in Bezug auf Personen oder ihre Funktionen nicht immer das grammatische Femininum und Maskulinum (z.B. Naturschützerinnen und Natur­schützer)
    nebeneinander. Dort, wo aus Gründen der Vereinfachung nur die männliche Form gewählt wurde, sind aber dennoch alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.
    ■ Druck: WKS Wachter GmbH, Bietigheim ■ Anzeigen: Jutta Kochendörfer; es gilt die Anzeigenpreisliste 2021 ■ Verlag und Vetrieb: DUH Umweltschutz-Service GmbH,
    Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell ■ Gedruckt auf 100 % Recycling-Papier ■ Heftpreis: 1,50 Euro
    ■ Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft Köln | IBAN: DE45370205000008190002 SWIFT/BIC: BFSWDE33XXX
    Deutsche Umwelthilfe und Global Nature Fund werden von zahlreichen Förderern finanziell unterstützt. Die Artikel der DUHwelt geben nicht in jedem Fall die Meinung der Förderer wieder.

6      DUH welt 1|2021
Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
Aktuell

                                                                                                                   UNGESUND

                                                           Luftqualitätsbericht offenbart Handlungsbedarf
                                                  Den im Februar veröffent-                                                                                      des Lockdowns und verringerte
                                                  lichten Luftqualitätsbericht                                                                                   Verkehrsmengen begründet.
                                                  2020 des Umweltbundesamts                                                                                      Nach Ende des Lockdowns
                                                  (UBA) kommentierte Bundes-                                                                                     befürchtet die DUH eine Zu-
                                                  geschäftsführer Jürgen Resch:                                                                                  nahme des Pkw-Verkehrs, die
                                                  „Trotz des Corona bedingt deut-                                                                                schlimmstenfalls sogar höher
                                                  lich zurückgegangenen Ver-                                                                                     liegt als vor der Corona-Pan-
                                                  kehrsaufkommens zeigen Mün-                                                                                    demie, verbunden mit einem
                                                  chen und Stuttgart als Sitz von                                                                                entsprechenden Wiederanstieg
                                                  BMW und Mercedes weiterhin                                                                                     der Luftbelastung.
                                                  hohe Grenzwertüberschreitun-                                                                                       Die Weltgesundheitsorgani-
                                                  gen beim Dieselabgasgift Stick-    München und Stuttgart leiden unter schlechter Luft, die Stickstoffdioxid-   sation WHO will in Kürze neue
                                                  stoffdioxid und damit die mit      Werte sind zu hoch.                                                         Empfehlungen für die Grenz-
                                                  Abstand schlechteste Luft in                                                                                   werte von Luftschadstoffen wie
                                                  Deutschland.“                      gig von der besonderen Heraus-        kommt es nun auf eine mög-            Feinstaub oder Stickstoffdioxid
                                                      Immer mehr Daten verwei-       forderung der Pandemie zeigen         lichst gute Luftqualität an.          aussprechen und die EU-Kom-
                                                  sen auf den Zusammenhang           wissenschaftliche Untersuchun-        Die niedrigen Stickstoffdioxid-       mission hat angekündigt, ent-
                                                  zwischen hoher Luftbelastung       gen die hohe Gesundheitslast          Werte aus dem Luftqualitäts-          sprechend dieser verschärften
                                                  und einem schweren Verlauf         auch deutlich unterhalb der           bericht des UBA sind wesent-          Werte die europäische Luftrein-
                                                  von Covid-19. Auch unabhän-        geltenden Grenzwerte. Daher           lich durch die Einschränkungen        halterichtlinie anzupassen.

                                                                      DAVID GEGEN GOLIATH
                                                                                                                                                           NACHRUF

                                                       DUH obsiegt vor Gericht                                                    Wir trauern um Rudi Schreiber
                                                      gegen MediaMarkt-Saturn
                                                  Vor dem Oberlandesgericht          Schadstoffe der Umwelt und
                                                  München hat die DUH im Fe-         der menschlichen Gesundheit.
                                                  bruar ein Grundsatzurteil für           Die DUH stand im konkreten
                                                  eine bessere Rücknahme ausge-      Fall der MMS E-Commerce GmbH
                                                  dienter Elektroaltgeräte durch     (MediaMarkt-Saturn) gegenüber.
                                                  Online-Händler erstritten.         Die größte Elek­tro­handelskette
                                                  Demnach dürfen die Unterneh-       Europas hatte Verbraucherinnen            Wir haben einen klugen, heiteren und tatkräftigen Menschen
                                                  men für die Rücknahme alter        und Verbrauchern keine zumut-             verloren: Der Marketing- und Umweltkommunikationsexperte
                                                  quecksilberhaltiger Energie-       bare Rückgabemöglichkeit für
Fotos: pro natur (u), TOPIC/stock.adobe.com (o)

                                                                                                                               Rudolf L. Schreiber zählte im Jahr 1975 zu den Gründern der
                                                  sparlampen nicht einfach nur       quecksilberhaltige Altlampen
                                                                                                                               Deutschen Umwelthilfe und des Bund für Umwelt und Natur-
                                                  pauschal einen Paketversand        angeboten. Sie sollten entweder
                                                                                                                               schutz Deutschland. Mit großer Weitsicht und mit Erfolg hat
                                                  anbieten oder auf ein Filialnetz   zu einer Filiale der Handelsket-
                                                                                                                               er vor rund 50 Jahren begonnen, ökologischen Themen eine
                                                  verweisen, wie es ein Großteil     te fahren, was im vorliegenden
                                                  der Branche aktuell handhabt.      Fall mitunter 50 Kilometer und            breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. In
                                                  Vielmehr müssen sie kostenlo-      mehr gewesen wären, oder die              der kommenden DUHwelt-Ausgabe werden wir ausführlicher
                                                  se, wohnortnahe Entsorgungs-       Altlampen per Postversand zu-             über das Lebenswerk von Rudi Schreiber berichten. Die Nach-
                                                  möglichkeiten anbieten. Denn       rückschicken, was jedoch bei              richt von seinem Tod erreichte uns erst wenige Tage vor dem
                                                  falsch entsorgter Elektroschrott   Lampen mit Gefahrstoffen nicht            Druck dieser DUHwelt. (jk)
                                                  schadet durch austretende          erlaubt ist.

                                                                                                                                                                              DUH welt 1|2021   7
Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
Titel

                      Mit der DUH auf zur
                         Fleischwende!
                         Klima- und Biodiversitätskrise, Höfesterben und unsere Gesundheit
                         hängen eng mit der Frage zusammen, was uns tierische Lebensmittel
                         wert sind. Für die DUH viele Gründe, mit Nachdruck Veränderungen
                         einzufordern.
                                                 n von Reinhild Benning

8   DUH welt 1|2021
Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
Titel

I
       n Deutschland leben über elf Millionen Rinder,       druck: Die Betriebe stehen genauso wie die Gesellschaft
       doch wer über Land fährt, sieht in den meisten       in den Startlöchern für tiefgreifende Veränderungen.
       Regionen mehr Rehe als Rinder. Ebenfalls prak-           Anders die Ernährungsindustrie und die Funktionäre
tisch ungesehen vegetieren hierzulande 25 Millionen         des Deutschen Bauernverbandes, die teils Posten in
Schweine und 94 Millionen Masthühner vor sich hin.          dieser Industrie oder im Bundestag innehaben. Die
Von den über 41 Millionen eierlegenden Hühnern lebt         Fleischindustrie zum Beispiel profitiert von Übermengen
immerhin jedes Dritte in Freiland- oder Ökohaltung mit      an billigen Rohstoffen wie Hühnerbrust und Schweine-
Auslauf, Tendenz weiter steigend.                           kotelett. Überproduktion ermöglicht ihnen erst, die
    Ein wichtiger Hebel war dabei die 2004 auf EU-Ebe-      Erzeugerpreise zu drücken.
ne eingeführte Kennzeichnungspflicht, dank der sich
immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher über das        Ungewöhnliche Allianz fordert
Tierleid in Käfigen entrüsteten. Gleichzeitig forderten     Fleischabgabe und Kennzeichnung
Höfe mit Freilandhaltung gesetzliche Maßnahmen gegen
Käfigeier-Kartons mit Bildern von glücklichen Hühnern       Anfang 2020 forderten in überraschender Eintracht
im Stroh. Beides zusammen erzielte Erfolg: Seit dem         Bauern- und Umweltverbände mit einem Gutachten des
Jahr 2004 sichert die Kennzeichnungspflicht, dass wir       „Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung“, eine Fleisch-
heute Käfigeier meiden können. Das hat Berge am Markt       abgabe von rund 40 Cent pro Kilo Fleisch zu erheben,
versetzt: 99 Prozent der Eier werden aus alternativen       um gezielt die Bauernhöfe zu fördern, die ihre Ställe
Haltungen gekauft. Käfigeier verstecken sich aber wei-      tiergerechter umbauen. Das von Bundeslandwirtschafts-
terhin in Eiernudeln, Gebäck und im Kantinenessen, wo       ministerin Julia Klöckner berufene Kompetenznetzwerk
sie nicht gekennzeichnet werden müssen.                     unter Leitung des früheren Landwirtschaftsministers
    Die DUH macht sich seit Jahren bei der „Wir haben       Borchert fordert zudem die verpflichtende Kennzeich-
es satt-Demo“ gemeinsam mit Bäuerinnen und Bauern           nung der Haltungsform auf Lebensmitteln vom Tier. Ag-
für den agrarökologischen Wandel stark, vor allem für die   rarministerin Klöckner hätte die Borchert-Empfehlungen
Fleischwende. Gespräche mit protestierenden Bäuerin-        direkt umsetzen müssen. Stattdessen schwört sie weiter
nen und Bauern in den Treckerkorsos vermitteln den Ein-     auf Fleischexporte. Doch das wichtigste Exportland Chi-
                                                            na will den Fleischkonsum bis 2030 halbieren. Und es
                                                            stoppte die Importe nach massenhaften Covid-19 Aus-
                                                            brüchen bei Beschäftigten an Schlachthöfen und dem
                                                            Auftreten der Afrikanischen Schweinepest.

                                                            Die DUH fordert für Fleisch generell eine Kennzeichnungs-
                                                            pflicht, wie es sie bei Eiern bereits gibt.

                                                                                                                                Fotos: talsen (s. 8), industrieblick (u.l.), chayakorn (u.r.)/alle stock.adobe.com

Glückliche Schweine
aus artgerechter Tier-
haltung sind nicht die
Regel. 25 Millionen
Schweine verbringen
ihr ganzes Leben
im Ställen, die nach
Ammoniak stinken,
weil sie nicht genügend
Platz haben, eine „WG-
Toilette“ einzurichten.

                                                                                                          DUH welt 1|2021   9
Massentierhaltung und ihre Folgen - Mehr Straßen fürs Fahrrad Nein zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur - Deutsche Umwelthilfe eV
Titel

Die DUH setzt sich für die Abgabe auf Fleisch ein, auch    Weidetieren wird teils kompensiert, weil Dauerweiden
damit der Konsum sinkt. Die niedrigen Preise verlocken     Kohlenstoff-Senken bilden.
in Deutschland zu einem viel zu hohen Fleischkonsum             Die Tierhaltung ist mit über 70 Prozent Hauptver-
von jährlich 59,5 Kilogramm pro Person.                    ursacher von Ammoniak-Emissionen. Mit mehr Tierschutz
    Die günstigen Preise führen auch dazu, dass            und einem Moratorium gegen neue gewerbliche Groß-
Fleischprodukte ungegessen in der Tonne landen. Von        ställe ergibt sich eine einfache Rechnung: Mehr Platz je
den Fleischwaren, die nie auf einen Teller gelangen,       Tier bedeutet weniger Tiere in Summe – in Verbindung
wird der Großteil in Schlachthöfen und im Handel ver-      mit besseren Haltungsbedingungen entstehen folglich
schwendet, elf Prozent in der EU aber allein in Haushal-   weniger Klimagase und Luftschadstoffe. Ein zentrales
ten. Die Hälfte davon wäre vermeidbar. Wertschätzung       Instrument für bessere Erzeugerpreise, die den Produ-
und Preissignale spielen hier eine wichtige Rolle.         zenten ein Auskommen sichern – trotz des verringerten,
                                                           aber dafür hochwertigeren Outputs – ist eine Abgabe auf
Dicke Luft aus den Ställen                                 tierische Produkte, gebunden an konkrete Minderungs-
                                                           maßnahmen auf Höfen und in Ställen. Damit hätte
Die DUH kämpft dafür, frische Luft und den Klimaschutz     das Ausspielen von Umwelt- und Tierschutz gegen die
in die Ställe zu bringen. Auch hier spielt die Haltungs-   Interessen der Landwirtinnen und Landwirte ein Ende.
form eine große Rolle: Aus Schweineställen etwa treten     Das wird Tönnies, Wiesenhof und Co. nicht gefallen. Für
weniger klimaschädliche Gase und Ammoniak aus, wenn        lebendige ländliche Regionen mit bäuerlichen Betrieben,
die Tiere genug Platz bekommen, um eine „WG-Toilet-        für die Heilung überdüngter Ökosysteme und des be-
te“ einzurichten, die abseits des Fressbereichs liegen     lasteten Trinkwassers ist es aber notwendig. Trotz der
muss. Ist der Stall zu klein, kann die Raumtrennung        verbindlich geltenden Minderungsvorgaben, Ammoniak
nicht gelingen und die ganze Stallfläche stinkt nach       um 30 Prozent bis 2030 zu reduzieren, ist der Ausstoß
Ammoniak. Ammoniak und die mit ihm in der Luft ge-         in den letzten Jahren sogar gestiegen. Die bislang aus
bildeten Feinstaubpartikel gefährden die menschliche       dem Bundeslandwirtschaftsministerium vorliegenden
Gesundheit sowie die Atemwege der Stalltiere und sie       Maßnahmen reichen bei Weitem noch nicht. Hier sind
schädigen Ökosysteme. Auch Rinder verursachen bei          also zusätzlich kurzfristig wirksame Instrumente gefragt,
fachgerechter Weidehaltung weniger Schadstoffe als         die an der Quelle der Belastung ansetzen müssen: am
in engen Ställen. Das Methan aus der Verdauung von         viel zu hohen Tierbestand.

                                                                                                                                               Fotos: Schmidt/DUH (u.), euthymia (Mitte), chayakorn (o)/beide stock.adobe.com

                                                                                                                       Gemeinsam mit
                                                                                                                       Bäuerinnen und Bauern
                                                                                                                       macht sich die DUH
                                                                                                                       bei der „Wir haben
                                                                                                                       es satt-Demo“ für die
                                                                                                                       Fleischwende stark.

10 DUH welt 1|2021
Titel

                                                                                                                                                          94 Millionen Masthühner vegetieren
                                                                                                                                                           in Deutschland noch in Massentier-
                                                                                                                                                         haltung dahin, neun von zehn Tieren
                                                                                                                                                                        erhalten Antibiotika.

                                                                                 Antibiotikamissbrauch                                  gen dazu bei, dass jedes zweite Hähnchen aus dem
                                                                                 in der Fleischproduktion                               Discounter antibiotikaresistente Krankheitserreger in
                                                                                                                                        unsere Lebensmittelkette einschleppt. Die DUH fordert:
                                                  » Bis 2025 muss der            Billigfleisch kommt uns teuer zu stehen: Über 90       Reserveantibiotika nur für kranke Menschen statt für
                                                                                 Prozent der Hähnchen in Deutschland stammen aus        die Massentierhaltung. Bis 2025 muss der Antibiotika-
                                                  Antibiotika­verbrauch
                                                                                 Qualzucht. Die Hähnchen wachsen so schnell, dass       verbrauch in Ställen halbiert werden.
                                                  in Ställen halbiert wer-       die Knochen die Gewichtszunahme nicht tragen
                                                                                 können. Die Hähnchenbrust wird oft nicht aus-          Massentierhaltung als Treiber
                                                  den. Der Einsatz von
                                                                                 reichend durchblutet und stirbt teils am lebenden      des Klimawandels
                                                  Reserve­antibiotika in         Tier ab - im Fachjargon „Holzbrust“. Kein Wunder,
                                                                                 dass bei diesem unvorstellbaren Leid Tierärzte hier-   Derzeit beträgt die Überproduktion bei Schweinefleisch
                                                  der Massentierhaltung
                                                                                 zulande im Schnitt 88 Milligramm Antibiotika je        rund 20 Prozent, Milch und Hähnchenfleisch werden
                                                  muss verboten werden.          Kilogramm Fleisch verbrauchen. Das Nachbarland         ebenfalls im Überfluss erzeugt, während wir rund zwei
                                                                                 Dänemark kommt mit der Hälfte aus, Schweden            Drittel der Gemüsenachfrage importieren. Viele Hoch-
Foto: privat (u), chayakorn/stock.adobe.com (o)

                                                  Diese Medikamente
                                                                                 mit zwölf Milligramm. Besonders gefährlich: Rund       leistungstiere benötigen Soja, weil sie zuchtbedingt
                                                  benötigen Menschen,            40 Prozent der Antibiotika in der Hähnchen- und        von speziellen Soja-Proteinen abhängig sind. Damit
                                                                                 Putenfleischerzeugung bestehen aus sogenannten         Kühe Höchstleistungen bei der Milch erbringen können,
                                                  wenn andere Antibioti-
                                                                                 Reserveantibiotika. Diese Notfallmedikamente wer-      muss mehr Energie über Futter zugeführt werden, als
                                                  ka nicht mehr helfen. «        den als „letztes Mittel“ bei Menschen benötigt,        dies allein über Grasen auf heimischen Weiden möglich
                                                                                 wenn sie an Infektionen mit multiresistenten Kei-      ist. Für den Anbau des meist aus Südamerika impor-
                                                  Reinhild Benning,
                                                                                 men leiden. Der Massenverbrauch dieser wichtigs-       tierten Sojas werden zudem Regenwälder abgeholzt.
                                                  Senior-Beraterin der DUH für
                                                  Agrarpolitik                   ten Human-Antibiotika in Geflügelställen spiegelt          16 Jahre wurde das Landwirtschaftsministerium
                                                                                 sich in alarmierend hohen Belastungsraten auf dem      von CDU/CSU geführt. In dieser Zeit wurden zentrale
                                                                                 Fleisch wieder: Fleischkonzerne wie Wiesenhof tra-     Umweltgesetze wie die Flächenbindung aufgeweicht.

                                                                                                                                                                             DUH welt 1|2021 11
Titel

                                                         Weidetierhaltung
                                                         ist deutlich weniger
Heute fehlen vielen Tierhaltungen hofeigene Flächen,     klimaschädlich als      dafür zu entlohnen. Subventionen, die bisher pauschal
um die Gülle umweltgerecht auszubringen. Die Geset-      die Haltung der Tiere   je Hektar ohne Umweltleistung fließen, müssen für
zesaufweichungen ermöglichten es der Fleischindust-      in engen Ställen.       Kli­ma und Artenschutz umverteilt werden.
rie, Qualzucht, Futterimporte aus Regenwaldregionen,     Die meisten Kühe             In anderen Ländern der EU verdienen Bauern deut-

                                                                                                                                         Fotos: Vera Kuttelvaserova (u), benschonewille (o)/beide stock.adobe.com
Medikamentenmissbrauch und Überdüngung auf die           sehen nie eine Weide.   lich mehr mit als Regional- und Qualitätsprodukt aus-
Spitze zu treiben.                                                               gezeichneten Brot-, Käse- und Gemüsespezialitäten.
                                                                                 Obwohl auch hierzulande die Nachfrage steigt, fehlen
Gesundes Essen aus intakter Landschaft                                           Förderprogramme für handwerkliche Bäckereien, Kä-
                                                                                 sereien und auch Metzger. Im Jahr 2020 waren aber
Nur wenn wir die Tiere auf Basis heimischer Futter-                              nur fünf Prozent der landwirtschaftlichen Produkte im
mittel und in ethisch vertretbaren Formen und Zahlen                             Rahmen der EU-Qualitätsregelungen geschützt, fast
züchten und halten, kann die Landwirtschaft ihre Kli-                            die Hälfte davon Wein und Schnaps. In Corona-Zeiten
maziele erreichen und Schadstoffemissionsvorgaben                                haben viele Menschen den Wert guter Lebensmittel
einhalten. Gleichzeitig kann sie die Nitratbelastungen                           wiedererkannt. Sie könnten ihre Entscheidung bei der
im Grundwasser, der Hauptquelle unseres Trinkwassers,                            Bundestagswahl davon abhängig machen, ob eine Par-
minimieren. Dazu brauchen wir jetzt eine verbindliche                            tei ernsthaft gewillt ist, die gemeinsamen Interessen
Kennzeichnung, die Flächenbindung und ein Mora-                                  von Umwelt- und Bauernbewegungen umzusetzen in
torium gegen den Bau weiterer Stallplätze. Wiesen                                eine Politik für gesundes Essen aus intakten Land-
und Weiden zählen zu den artenreichsten Biotopen in                              schaften – zum Beispiel mit Tieren auf der Weide.
der Landwirtschaft. Ohne lohnende Weidehaltung aber                              (rb, ds, js, jh, ak)   				                        n
bringen sie deutlich weniger ein als ein gepflügter
Acker mit Mais oder andere Getreide. Die DUH fordert
daher, Leistungen der Bauernhöfe für Ökosysteme mit
Punkten zu bewerten und sie mit Gemeinwohlprämien

12 DUH welt 1|2021
Titel

Rezension

Was hat die Mücke je für uns getan?

D      ie sich zuspitzende Biodiversitäts-
       krise ist neben dem Klimawandel
die größte Herausforderung, vor der wir
                                                   natürlichen Ressourcen haben wird. Auch
                                                   für unsere Gesundheit hat der Naturverlust
                                                   spürbare Konsequenzen: Viren und andere
als Spezies stehen. Die Biologin Frauke            Krankheitserreger springen immer häufiger
Fischer und die Ökonomin Hilke Oberhans-           von Tieren auf den Menschen über. Dies ist
berg haben sich zusammengetan und eine             eine lange übersehene Folge der Zerstörung
Einführung in den Wert der biologischen            natürlicher Ökosysteme.
Vielfalt geschrieben für uns, unsere Wirt-             Doch die beiden Autorinnen beschrei-
schaft und unsere Gesundheit.                      ben nicht nur die Krise, sondern machen                                                                                                                                       politischen Handelns zu stellen. Schon ver-
    Das Buch identifiziert die wichtigsten         ebenso Hoffnung. Neben den klassischen                                                                                                                                        gessen geglaubtes Wissen aus dem Biolo-
Treiber des schon lange nicht mehr schlei-         Strategien des Naturschutzes zeigen sie                                                                                                                                       gieunterricht wird in Erinnerung gerufen,
chenden, sondern galoppierenden Wandels.           auch auf, wie eine neue Ökonomie gelingen                                                                                                                                     aktualisiert und aufgefrischt. Das Buch ist
Dazu gehören neben Landnutzungsände-               kann, die zukünftig mit und nicht gegen                                                                                                                                       kurzweilig geschrieben und argumentiert
rungen und unserem stetig wachsenden               die Ökosysteme arbeitet. Das Buch macht                                                                                                                                       trotzdem auf fachlich hohem Niveau. Von
Hunger nach Ressourcen auch die in der             damit das sperrige Konzept der Ökosystem-                                                                                                                                     uns erhält es eine uneingeschränkte Lese-
Landschaft immer stärker sichtbaren Ef-            leistungen greifbar. Ohne Insekten kein                                                                                                                                       empfehlung. (smk) 			                    n
fekte des Klimawandels. Die Autorinnen             Obst und Gemüse, ohne die Vielzahl der                                                                                                                                        Was hat die Mücke je für uns getan?
beschreiben plastisch, welche Auswirkun-           Bodenlebewesen kein Humus und keine                                                                                                                                           Endlich verstehen, was die biologische Vielfalt
gen die Destabilisierung der ökologischen          Landwirtschaft. Und es plädiert dafür, die                                                                                                                                    für unser Leben bedeutet
                                                                                                                                                                                                                                 oekom verlag 2020
Systeme auf die Zukunft unserer Ernährung          Bedrohung solcher Ökosystemleistungen                                                                                                                                         Das Buch ist über den DUHmarkt (Seite 31)
und die Versorgung mit anderen wichtigen           neben dem Klimawandel in den Mittelpunkt                                                                                                                                      erhältlich.

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                                                                                                                                                                                                         VISION INTERSILVA

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    www.nationalparkzeitschrift.de

                                                                                                                                                                                                    Achim Frede im Porträt   Das andere Teneriffa     Filmfestival NaturVision

                       HERAUSGEBER: Verein der           www.facebook.de/
                       Nationalpark-Freunde e.V.         nationalparkzeitschrift

                                                                                                                                                                                                                                                                                 DUH welt 1|2021 13
In Zahlen

                                                    Fleisch – weniger ist mehr
                                                    Industrielle Fleischproduktion mit Massentierhaltung, Futtermittelanbau und -import, dem Ausbringen
                                                    von Gülle und dem Einsatz von Antibiotika verursacht neben dem Leid der Tiere Emissionen von
                                                    Luft- und Klimaschadstoffen, den Verlust der Biodiversität und hat gesundheitliche Folgen.
                                                    Die Auswirkungen sind vielfältig. (Alle Zahlen beziehen sich auf Deutschland, sofern nicht anders benannt.)
                                                                                                                                                                       5 % des gesamten
                                                                                                                                                                       Vieh­bestandes werden in
                                                      Produktion von Fleisch in Deutschland (in 2019, gesamt):                                                         ökologisch wirtschaften-
                                                                                                                                                                       den Betrieben gehalten, bei
                                                                                                                          8.351.600 t                                  Schweinen ist es nur      1 %.
                                                       5.000.000
                                                                              4.720.700 t
                                                                                                                                                                       (Quelle: Fleischatlas 2021)
                                                       4.500.000
                                                       4.000.000

                                                       3.500.000
                                                       3.000.000
                                                                                                                                                                  Futter fürs Vieh
                                                       2.500.000
                                                                                                                            1.833.400 t                           57     % unseres heimischen
                                                       2.000.000                                                                                                  Getreides landet im Trog
                                                       1.500.000
                                                                   1.175.500 t                                                                                    statt im Backofen. (BLE 2020)
                                                                                                                    535.900 t
                                                                                                                                                                            70
                                                       1.000.000
                                                        500.000
                                                                                              29.900 t                                                            Circa       % der globalen land-
                                                                                                           2.200 t                          54.000 t              wirtschaftlichen Fläche werden
                                                              0
                                                                    Rind und Kalb   Schwein    Schaf und    Pferd    Innereien   Geflügel   Sonstiges             für die Viehzucht genutzt.
                                                                                                 Ziege

                                                                                                                                                                  40 % der weltweiten Acker­
                                                                                                                                                                  flächen werden allein für die
                                                                                                                                                                  Futtermittelproduktion genutzt.
                                                      (Quelle: BLE 2019)                                                                                          (Fleischatlas 2021)

                                                      Verzehr und Verzicht                                                                    Fleisch für die Tonne
                                                      Wir essen knapp       60 kg Fleisch pro Jahr.                                           In der EU werden      %23
                                                                                                                                              der Fleischwaren weggeworfen.
                                                      Empfehlungen von Klimawissenschaftlern:
                                                      maximal      15 kg pro Kopf und Jahr.
                                                      (Quelle: Fleischatlas 2021)
                                                                                                                                              Die Hälfte davon
                                                                                                                                              auf Ebene der Haushalte.

                                                      Anzahl der Vegetarier in 2020:          6.500.000 –                                     (Quelle: Caldeira et al. 2019)

                                                      400.000 Personen mehr als im Vorjahr.
© Icons: ecelop (Schwein)/stock.adobe.com, Icon54

                                                                                                                                              Fleisch- und Wurstabfälle in deutschen Privat-
                                                                                                                                              haushalten umgerechnet in ganze Tiere:

                                                                                                                                              640.000 Schweine
                                                      Anzahl Veganer in 2020:          1.130.000 –                                            8.900.000 Hühner
                                                      180.000 Personen mehr als im Vorjahr.                                                   50.000 Rinder
                                                       (Quelle: Statista)                                                                     (Quelle: Fleischatlas 2021)

                                                    14 DUH welt 1|2021
In Zahlen

                                                  Antibiotika im Tierstall

        Rund   50  % der Hähnchenfleischprodukte aus dem Supermarkt schleppen Antibiotikaresistenzen
        in die Lebensmittelkette ein. (Quelle: BVL 2020)

        Jeder Antibiotikaeinsatz löst antibiotikaresistente Erreger aus. (Quelle: BMEL 2019)

        Der Anteil der für Menschen wichtigsten Reserveantibiotika betrug bei Masthühnern
        und Mastputen ca.        40 % der jeweils ermittelten Verbrauchsmenge. (Quelle: BMEL 2019)
        Verwendung von
        Antibiotika in 2019:
        (Quelle: WldO 2020)
                                   339    Tonnen für die                             670    Tonnen für die
                                 Versorgung von Patienten             Fleisch- und Milchproduktion sowie die Fischzucht

        Bis zu  95  % der an die Tiere verabreichten Antibiotika werden unverändert
        ausgeschieden und gelangen mit der Gülle in die Umwelt. (Quelle: Marshall 2011)

        Im Ökolandbau darf ein Masthuhn maximal           1
                                                    Mal im Leben mit Antibiotika behandelt werden.
        In konventionellen Hühner- und Schweinehaltungen gibt es keine Obergrenzen.

Emissionen aus der Nutztierhaltung
Fleisch und Klima
                                        63,6 Mio. Tonnen CO -Äquivalente (Mio t CO e).
Die Landwirtschaft emittierte 2018 insgesamt                                     2                   2

63,6 % davon stammen direkt aus der Tierhaltung. Das sind 5 % der Gesamtemissionen in Deutschland.
40,4 Mio t CO e Treibhausgase entstehen also durch tierische Verdauung und die Ausbringung der
                     2
daraus entstehenden Wirtschaftsdünger – Futtermittelproduktion und Transporte sind hier noch nicht
mitgerechnet.
(Quelle: UBA 2020)

Klimaschutz braucht Tierschutz
Schweine in artgerechterer Tierhaltung emittieren bis zu          50 % weniger Luftschadstoffe.
(Quelle: LUFA Nord-West, 2019)                                                                                                           © Icons: frilled dragon (Pute, Ziege)/stock.adobe.com, Icon54

Ammoniak                 NH3                     Nitrat         NO3                           Methan          CH4
Die Landwirtschaft ist für    %  95
aller Ammoniak-Emissionen verant-                                                             62 % der gesamten
wortlich. Durch Ammoniak entsteht                26,7 % der Grundwasser-                      Methanemissionen stammen
Feinstaub (PM2,5).                               Messstellen unter landwirtschaft­-           aus der Landwirtschaft.
Verursacher u. a.:                               lich genutzter Fläche weisen einen           Ein Großteil dieser Methan-

Rinderhaltung 43 %                               erhöhten Nitratwert von über                 emissionen entsteht bei der
                                                 50 Milligramm pro Liter aus.                 Aufzucht und Haltung von
Schweinehaltung 19 %                             (Quelle: BMU, Nitratbericht 2020)
                                                                                              Milch- und Fleischkühen,
                                                                                              Schafen und Ziegen.
Geflügelhaltung 8 %.
                                                 Zu gut  60  % wird unser Trink­
(Quelle: UBA 2020)                               wasser aus Grundwasser gewonnen.             (Quelle: UBA 2020)

                                                                                                                    DUH welt 1|2021 15
Themen

Energiewende

Erdgas für den Klimaschutz?
Das falsche Versprechen
Der Ausstieg aus Kohle und Atomkraft ist beschlossen. Allzu oft geht dies aber mit der Botschaft einher, Erdgas müsse
nun die Lücke schließen. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass Erdgas dem Klimaschutz im Wege steht und von der echten
Energiewende ablenkt.

B      is allerspätestens 2050 müssen wir
       die Energiewende geschafft und un-
sere Emissionen auf nahezu Null gesenkt
                                               teuer und zu wertvoll, um ihn zum Heizen
                                               von Gebäuden oder Betanken von Pkw zu
                                               nutzen. Er muss da eingesetzt werden, wo
                                                                                            Umwelthilfe so vehement gegen neue
                                                                                            fossile Einfallstore wie Nord Stream 2
                                                                                            und die Flüssigerdgas-Terminals an der
haben. Das gelingt nur mit dem Einsatz         es keine alternativen Energiequellen gibt,   Nordseeküste zur Wehr. Und deshalb ist
erneuerbarer Energien. Erdgas aber ist ein     zum Beispiel bei der Stahlherstellung.       sie dagegen, dass die Bundesregierung
fossiler Rohstoff, bei dessen Verbrennung                                                   immer noch Fördergelder für neue Erdgas-
klimaschädliche Gase in die Atmosphäre         Erdgas verzögert die                         heizungen und Gasanschlüsse vergibt. Wir
gelangen. Selbst wenn die Emissionen           echte Energiewende                           müssen aus Erdgas aussteigen.
etwas geringer sind als bei Kohle, liegen                                                       Für die Energiewende brauchen wir
sie zu hoch. Zudem führen Leckagen bei         Obwohl sich der Stellenwert von Erdgas       keinen Umweg über Erdgas. Die erneuer-
Förderung, Transport und Verwendung zur        mit der Energiewende grundlegend ändert,     baren Technologien sind gut entwickelt
Freisetzung von Methan – dem Hauptbe-          wird in Deutschland immer noch massiv        und einsatzbereit. Wenn wir gleich in er-
standteil von Erdgas. Dieses wirkt in der      in Erdgasprojekte investiert. Doch wer       neuerbare Energien investieren, spart das
Atmosphäre insbesondere kurzfristig extrem     heute in Erdgas investiert, rüstet morgen    Geld und lässt uns die Klimaziele schneller
stark und heizt das Klima 87 Mal stärker an    nicht auf erneuerbare Alternativen um,       erreichen. (jg) 		                       n
als CO2. Wenn wir jetzt mehr Erdgas nutzen,    sondern versucht, aus seiner Investition
bekommt die Erderhitzung erneut Anschub,       so lange wie möglich Geld zu machen.
die Klimaziele geraten in Gefahr. Die Me-      Wir hängen dann für Jahrzehnte in der        Studien zeigen: Nur wenn der Gasbedarf
than-Lecks werden bei der Klimabilanz von      fossilen Energieversorgung fest. Das darf    sinkt, sind die Klimaziele erreichbar.
Erdgas bisher zu wenig berücksichtigt.         nicht passieren. Deshalb setzt sich die
    Die Rolle von Erdgas für den Klima-                                                                                      3000
schutz haben Wissenschaftler schon in
                                                                                              Erdgasverbrauch in Petajoule

                                                                                                                             2500
verschiedenen Studien untersucht. Das
                                                                                                                             2000
Umweltbundesamt hat die Studien 2019 zu-
                                                                                                                             1500
sammenfassend ausgewertet und stellt fest,
                                                                                                                             1000
dass die Klimaschutzziele nur zu erreichen
                                                                                                                              500
sind, wenn der Erdgasverbrauch deutlich
                                                                                                                               0
zurückgeht. Wir brauchen nicht mehr Erd-
                                                                                                                                    2020

                                                                                                                                           2030

                                                                                                                                                  2040

                                                                                                                                                         2050

gas, sondern weniger, um die Emissionen
ausreichend zu senken.
    Erneuerbares Gas ist zwar ein Teil der
Lösung, insbesondere synthetischer Was-
serstoff, der über das Power-to-Gas Ver-
                                                                                                                                                                Foto: akiyoko/stock.adobe.com

fahren aus erneuerbarem Strom gewonnen
wird. Doch so viel Gas, wie wir heute ver-
brauchen, können wir nicht erneuerbar
herstellen. Noch ein Grund, warum der
Gasverbrauch sinken muss. Gas wird zu-
künftig keine Lösung mehr für den einzel-
nen Haushalt sein. Grüner Wasserstoff ist zu

16 DUH welt 1|2021
Themen

                                         Interview

                                         »Erdgas ist genauso eine Sackgasse wie Kohle «
                                         Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner und Constantin Zerger, Leiter des Bereichs Energie und Klimaschutz im
                                         Gespräch zu den immensen staatlichen Investitionen in eine klimaschädliche fossile Gas-Infrastruktur.

                                         Die Ostseepipeline Nord Stream 2 und Terminals für Flüssig-             umgebaut werden. Und bisher ist auch noch völlig unklar, wie
                                         erdgas an der Nordsee sind riesige Investitionen. Die Unter-            viel grüner Wasserstoff überhaupt erzeugt werden kann und wo
                                         nehmen sehen offenbar einen wachsenden Bedarf an Erdgas.                er dann herkommt. Die Investition wäre dann eine Wette auf eine
                                             Sascha Müller-Kraenner: Es ist Wunschdenken der Investoren,         sehr ungewisse Zukunft.
                                         dass der Gasverbrauch steigt. Alle Studien,
                                         die die Klimaziele ernst nehmen, sagen                                                        Warum hält die Bundesregierung dann an
                                         genau das Gegenteil. Hier erhoffen sich                                                       den Plänen fest?
                                         finanzkräftige Investoren hohe Renditen                                                            Sascha Müller-Kraenner: Offiziell hält
                                         auf Kosten des Klimaschutzes.                                                                 sie sich aus diesen Großprojekten ja raus,
                                             Constantin Zerger: Leider fährt die                                                       aber das haben wir längst widerlegt. Vize-
                                         Bundesregierung bei Erdgas keinen klaren                                                      kanzler Scholz hat den USA eine Milliarde
                                         Kurs. Sie formuliert einerseits ambitionier-                                                  Euro für die LNG-Terminals angeboten – im
                                         te Klimaziele, steckt aber andererseits mas-                                                  Tausch gegen die Duldung von Nord Stream
                                         siv Geld in Erdgasprojekte. Damit macht sie                                                   2. Und Mecklenburgs Ministerpräsidentin
                                         der Erdgas-Lobby falsche Hoffnungen für                                                       Schwesig gründet ganz unverhohlen eine
                                         die Zukunft. Das ist fahrlässig.             » Wir schauen vor allem auch                     Stiftung, um die Fertigstellung von Nord
                                                                                                                                       Stream 2 abzusichern. Da stecken geopoli-
                                                                                      nach Lösungen, die ohne
                                         Der Kohleausstieg reißt eine Lücke in                                                         tische Interessen dahinter. Die DUH treibt
                                         die Erzeugung von Strom und Wärme.           Erdgas funktionieren. Da gibt                    dagegen der Klimaschutz an. Und dieser
                                         Gaskraftwerke lassen sich schnell um-                                                         wird durch die Pläne an Nord- und Ostsee
                                                                                      es jede Menge. «
                                         setzen, dann hätten wir genug Zeit, um                                                        weiter torpediert.
                                         anschließend auf erneuerbare Energien        Constantin Zerger (li.)
                                         umzustellen?                                                                                  Die DUH geht also weiter gegen Erdgas
                                             Sascha Müller-Kraenner: Zeit ist ge-                                                      vor?
                                         nau das, was wir nicht haben. Die Kli-       » Erdgas ist genauso eine                             Sascha Müller-Kraenner: Erdgas ist
                                         maerhitzung schreitet weiter voran. Wir                                                       genauso eine Sackgasse wie Kohle. Es ist
                                                                                      Sackgasse wie Kohle. Es ist und
                                         müssen die Emissionen so schnell wie                                                          und bleibt ein fossiles Gas, auf das wir so
                                         möglich auf nahe Null bringen. Wenn wir      bleibt ein fossiles Gas, auf                     weit wie möglich verzichten müssen. Das
                                         jetzt auf Erdgas umsteigen, sparen wir nur                                                    weiß auch die Bundesregierung und steckt
                                                                                      das wir so weit wie möglich
                                         wenig Emissionen ein und verschieben die                                                      dennoch Steuergelder in neue Erdgasinfra-
                                         Energiewende auf später. Mit erneuerbaren    verzichten müssen. «                             struktur. Das können wir nicht zulassen.
                                         Energien kommen wir schneller ans Ziel.                                                       Unser Protest wird also weitergehen.
                                                                                      Sascha Müller-Kraenner (re.)
                                             Constantin Zerger: Die Umstellung auf                                                          Constantin Zerger: Wir schauen vor al-
                                         erneuerbare Energien ist technisch sofort                                                     lem auch nach Lösungen, die ohne Erdgas
                                         möglich. Erdgas kommt nur deshalb so häufig ins Spiel, weil es          funktionieren. Da gibt es jede Menge. Wenn etwas gefördert wird,
                                         dafür eine massive Förderung gibt. Die Subventionierung fossiler        dann müssen das Wärmepumpen, Solarthermieanlagen, Windener-
                                         Energie muss umgehend gestoppt werden, dann können die Er-              gieanlagen & Co. sein. Dafür setzen wir uns ein.             n
Foto: Finke/DUH, Stefan Wieland (o.r.)

                                         neuerbaren durchstarten.

                                         Könnte man nicht sowohl die Ostseepipeline als auch die
                                         Flüssigerdgas-Terminals später für erneuerbares Gas nutzen?
                                         Dann wäre die Investition gar keine Verschwendung.
                                                                                                                                           Das Interview führte Judith Grünert,
                                             Constantin Zerger: Bei erneuerbarem Gas reden wir vor allem                                   Projektmanagerin
                                         von Wasserstoff. Und einfach ein anderes Gas einfüllen – das geht                                 Energie und Klimaschutz
                                         nicht so ohne Weiteres. Dafür müssten die Anlagen aufwändig

                                                                                                                                                                 DUH welt 1|2021 17
Themen

Mehrweg statt Einweg

Gehen Sie mit?
Verpackungen sind ein lukratives Geschäft. Mit Werbetricks machen Plastikkonzerne uns ihre Produkte schmackhaft, die

                                                                                                                                      Fotos: nedomacki/Stock.adobe.com (o), R. Lehmann/DUH, digitalstock, psdesign1, by-studio/alle Fotolia (u., v.l.n.r.)
wir gar nicht brauchen. Die Abfallexpertinnen und -experten der Deutschen Umwelthilfe decken Greenwashing auf und
erklären, wie die verschiedenen Akteure Verpackungsmüll vermeiden können.

M       it der Produktion von drei Millionen
        Tonnen Kunststoff ist Coca-Cola der
weltweit größte Plastiksünder. Auf den             Abfallaufkommen und Ressourcenverbrauch durch die jährliche
weiteren Plätzen folgen PepsiCo, Nest-             Produktion von Einweg-Plastikflaschen in Deutschland
lé und Danone. Statt Verantwortung für
diese gigantischen Abfallmengen zu über-
nehmen, bieten die Unternehmen Schein-
lösungen an: zum Beispiel Einweg-Plastik-
flaschen aus 100 Prozent Rezyklat. Mit
solchen Showprodukten, die häufig nur in
geringem Umfang für ein paar Flaggschiff-
Marken produziert werden, suggerieren die
Konzerne geschlossene Materialkreisläufe.
Damit führen sie die Verbraucher in die
Irre, denn sie erzählen nicht, dass Verluste         17,4 Milliarden            450.300                438.000       8,9 Milliarden
beim Recycling entstehen und dem Kreis-
                                                        Flaschen                Tonnen            Tonnen Rohöl und       kWh
lauf immer neuer Kunststoff hinzugefügt
                                                          Abfall               Kunststoff         Erdgaskondensate      Energie
werden muss. Mehrwegflaschen hingegen
schonen Umwelt und Klima. Sie werden
bis zu 50 Mal wiederverwendet, bevor sie       Einweg-Plastikflaschen sind Ressourcenfresser und Klimakiller.

18 DUH welt 1|2021
Themen

                                                    schließlich ins Recycling gehen. Genau aus
                                                    diesem Grund ist im Verpackungsgesetz
                                                    eine Mehrwegquote von 70 Prozent für              Durch Pappbecher entsteht in
                                                    Getränkeverpackungen verankert. „Statt            Deutschland
                                                    sich von Greenwashing-Produkten blenden           pro Jahr ein Abfallvolumen
                                                    zu lassen, muss Umweltministerin Svenja
                                                                                                      von 400.000m³. Genug, um täglich
                                                    Schulze diese Quote endlich konsequent
                                                    umsetzen. Eine Verbrauchssteuer auf Ein-          über 12.000 der öffentlichen
                                                    wegverpackungen könnte hierbei helfen“,           90-Liter-Abfalleimer
                                                    sagt Barbara Metz, Stellvertretende Bun-          komplett zu füllen.

                                                                                                                                                                                         ©DUH, pixelio
                                                    desgeschäftsführerin der DUH.

                                                                                                      (Quelle: ifeu (2019), Bezugsjahr: 2016)
                                                     Die große Müllflut

                                                     • Im Jahr 2020 fielen 3,2 Millionen
                                                       Tonnen Kunststoffverpackungen an.
                                                                                                 verursachen riesige Müllmengen in unseren        und der Politik für die Förderung und Ver-
                                                       Das sind 20 Prozent mehr Müll als
                                                                                                 Städten. Mehrwegsysteme sind hier ebenso         breitung dieser Mehrwegsysteme ein.
                                                       noch 2010.
                                                                                                 eine praktische Lösung für abfallarmen Ge-
                                                     • Getränkeverpackungen machen
                                                                                                 nuss. Ob Becher oder Schalen, sie werden         Wie wäre es mit
                                                       rund 10 Prozent des Verpackungs-
                                                                                                 von Gastronomiebetrieben gegen ein Pfand         Verpackungsfasten?
                                                       aufkommens aus.
                                                                                                 ausgegeben und in allen teilnehmenden
                                                     • Zwischen 1994 und 2017 haben              Verkaufsstellen zurückgenommen.                  In der diesjährigen Fastenzeit haben wir
                                                       sich die Abfallmengen aus Pizza-              Immer mehr Anbieter solcher umwelt-          wieder zum Verpackungsfasten aufgerufen.
                                                       kartons, Nudelboxen und Menüscha-         freundlichen Verpackungen sind am Markt.         Als langjähriger Wegbegleiter der DUH hat
                                                       len für den Außer-Haus-Verzehr auf
                                                                                                 Besonders interessant sind sie für die so-       auch Schauspieler und Umweltaktivist Han-
                                                       490.000 Stück pro Stunde vervier-
                                                                                                 genannte Systemgastronomie – das sind            nes Jaenicke diese Aktion mit einem Appell
                                                       facht.
                                                                                                 Restaurant- und Caféketten. Mit dem Pro-         unterstützt. An unserem Online-Zähler auf
                                                     Die Zahlen gelten für Deutschland.          jekt „Mehrweg statt Einweg“ setzt sich die       www.duh.de können Sie die eingesparten
                                                                                                 DUH im Dialog mit der Systemgastronomie          Einweg-to-go-Verpackungen ablesen. Bis

                                                    Takeaway-Anbieter und Liefer-
                                                    dienste können umsteigen

                                                    Die DUH hat bereits vor vielen Jahren be-
                                                    gonnen, die Vermüllung durch Einweg-Kaf-
                                                    feebecher zu thematisieren. Unsere Kam-
                                                    pagne „Becherheld*in“ richtet sich vor
                                                    allem an Verbraucherinnen und Verbrau-
                                                    cher sowie an Verkaufsstellen in Berlin.
Foto: Ian Shive, Tandem Stock/stock.adobe.com (u)

                                                    Der Erfolg strahlt aus: Hierzulande fragen
                                                    immer mehr Coffee-to-go-Trinkerinnen und
                                                    -Trinker einen Mehrwegbecher nach oder
                                                    bringen ihn selbst mit. Betrachtet man die
                                                    Kundinnen und Kunden, die ausschließlich
                                                    zum Mehrwegbecher greifen, so lag ihr
                                                    Anteil 2018 bei knappen 19 Prozent. Im
                                                    Jahr 2020 hatte sich der Anteil auf fast
                                                    29 Prozent gesteigert.
                                                        Auch Essensboxen, Menüschalen und
                                                    Pizzakartons für den Außer-Haus-Konsum       Plastik in der Umwelt hat für Meeresvögel und andere Tiere verheerende Auswirkungen.

                                                                                                                                                                             DUH welt 1|2021 19
Themen

                                                  fach für die Nutzung von wiederverwend-
                                                  baren Verpackungen ausgesprochen. Metz          Mehrweg wird
                                                  sagt: „Lassen Sie sich nicht verunsichern,
                                                  sondern bringen Sie Ihre eigene Box oder        immer besser
                                                  Ihren Mehrwegbecher zum Befüllen mit und
                                                  weisen Sie Ihr Lieblingscafé oder -restaurant   Getränkedosen und Einweg-Plastikfla-
                                                  auf die Vorteile von Mehrwegsystemen hin.“      schen haben einen großen Anteil an
                                                                                                  Deutschlands wachsenden Bergen aus
    »Mehrwegbecher und                            Plastikfreie Städte                             Verpackungsmüll. Dass es mit Mehrweg
    -boxen können trotz                                                                           umweltschonend geht, beweisen zwei
                                                  Jedes Jahr zahlen Städte und Gemeinden          pfiffige unternehmerische Ideen.
    Pandemie bedenkenlos                          insgesamt 720 Millionen Euro für die Ent-
    verwendet werden.«                            sorgung von Einwegverpackungsmüll im öf-

    Barbara Metz,
    Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin
                                                  fentlichen Raum. „Sie besitzen jedoch Spiel-
                                                  räume, die Müllflut zu begrenzen“, erklärt
                                                  Metz. „Wir haben Bürgerinnen und Bürger
                                                                                                  A      uch in diesem Jahr zeichnen die
                                                                                                         Stiftung Initiative Mehrweg und
                                                                                                  die Deutsche Umwelthilfe Unternehmen
                                                  dazu aufgerufen, uns Städte zu nennen, die      aus, die das Mehrwegsystem in der Ge-
                                                  plastikfrei werden sollen. Über 2.000 Hin-      tränkebranche weiterentwickeln. Mit dem
Redaktionsschluss waren es etwa 8.500             weise erreichten uns. Wir haben daraufhin in    Mehrweg-Innovationspreis machen sie Ini-
Stück. Aber das ganze Jahr über tut es            mehr als 120 Kommunen entsprechende An-         tiativen sichtbar, die mit ihrer Verbraucher-
uns allen gut, den „Verpackungsgürtel“            träge gestellt.“ Hierbei fordert die Umwelt-    ansprache oder technischen Neuerungen
etwas enger zu schnallen.                         hilfe dazu auf, konkrete Schritte zu prüfen:    zur Abfallvermeidung und dem Ressourcen-
    „Während der Corona-Pandemie ha-              eine kommunale Verbrauchssteuer auf to-go-      schutz beitragen.
ben der Verbrauch von Speisen und Ge-             Einweg-Verpackungen, wie sie Tübingen im
tränken zum Mitnehmen oder das Be-                Jahr 2022 einführen wird, einen Verzicht von
stellen über Lieferdienste noch einmal            Einweg-Verpackungen in der öffentlichen
zugelegt. Das ist verständlich. Mehrweg-          Beschaffung oder die finanzielle Förderung
becher und -boxen können aber trotz               von Mehrweg-to-go-Systemen. Metz möchte
Pandemie bedenkenlos verwendet wer-               viele Nachahmer finden: „Derzeit stehen wir
den“, betont Metz. Der Lebensmittelver-           im intensiven Austausch mit 31 Städten.
band Deutschland hat hierfür mit seinen           Und es werden sicher noch mehr werden.“
Hygieneleitfäden Standards geschaffen.            (cb, jk) 				                              n
Der Spitzenverband, der unter anderem             Förderer:
den DEHOGA und den Bundesverband der
Systemgastronomie unter seinem Dach
vereint, hat sich in der Pandemie mehr-

                                                                                                                                                  Fotos: DUH (u), Hassia Mineralquellen GmbH & Co.KG (Mitte), Holzmann/DUH (o)
                                                                                                  Sie haben einen Preis verdient

                                                                                                  Preisträger sind die Hassia Mineralquellen
                                                                                                  GmbH & Co.KG und fritz-kola. Durch mo-
                                                                                                  dernste Abfüll- und Anlagentechnik tragen
                                                                                                  die Hassia Mineralquellen dazu bei, dass
                                                                                                  Mehrwegflaschen noch mehr Ressourcen und
                                                                                                  Energie einsparen und den ökologischen Vor-
                                                                                                  sprung vor Einweg weiter ausbauen.
                                                                                                      fritz-kola hat 2020 mit der Aktion „Trink
                                                                                                  aus Glas“ eine beispielgebende Bewegung
                                                                                                  gestartet, um regional abgefüllte Getränke
                                                                                                  in Glas-Mehrwegflaschen in den Verkaufs-
                                                                                                  regalen zum Standard zu machen. Das Unter-
                                                                                                  nehmen will die Menschen dazu bewegen,
                                                                                                  nur noch solche Getränke zu wählen. „Trink
                                                                                                  aus Glas“ erreicht auch die junge Generation.
Kluge, praxistaugliche Mehrwegkonzepte sind auch für Food-to-go bereits vorhanden.                (db, tf)			                                n

20 DUH welt 1|2021
Themen

                                                                                                                                         Auch wenn brauchbare Ergebnisse vorliegen,
                                                                                                                                         besteht oftmals erheblicher Sanierungsbe-
                                                                                                                                         darf: Knapp 50 Prozent der vorliegenden Be-
                                                                                                                                         darfsausweise weisen pro Jahr einen Primär-
                                                                                                                                         energiebedarf von über 140 Kilowattstunden
                                                                                                                                         pro Quadratmeter auf und sind so nicht mit
                                                                                                                                         den Klimazielen vereinbar. Lediglich 13 Pro-
                                                                                                                                         zent der Gebäude mit Bedarfsausweis sind
                                                                                                                                         bereits heute mit einem Energiebedarf unter
                                                                                                                                         70 Kilowattstunden pro Quadratmeter und
                                                                                                                                         Jahr auf einem guten Weg zur Klimaneu­
                                                                                                                                         tralität. Deshalb fordert die DUH, dass für
                                                                                                                                         alle öffentlichen Gebäude ein gültiger Ener-
                                                                                                                                         giebedarfsausweis vorliegt. Noch in diesem
                                                                                                                                         Jahr müssen verbindliche Sanierungsfahr-
                                              Klimaschutz                                                                                pläne vorgelegt und entsprechende Mittel in
                                                                                                                                         den Haushalten eingeplant werden. Denn die
                                                                                                                                         öffentliche Hand muss ihrer Vorbildfunktion

                                              Aufdecken, wo der Staat                                                                    beim Klimaschutz nachkommen.

                                              das Klima verheizt                                                                           Verbrauchs- und Bedarfsausweis
                                                                                                                                           Der Verbrauchsausweis basiert auf drei
                                              Wie steht es eigentlich um die Energieeffizienz von Rathaus, Schule und Land-                aufeinanderfolgenden Heizkostenab-
                                                                                                                                           rechnungen und der Energiemenge, die
                                              ratsamt? Ist die öffentliche Hand auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050? Die
                                                                                                                                           in diesen Jahren verbraucht wurde. Da-
                                              DUH und FragDenStaat haben gemeinsam nachgefragt.                                            durch sind Verbrauchsausweise stark vom
                                                                                                                                           Verhalten der Nutzenden abhängig und
                                                                                                                                           können nicht untereinander verglichen

                                             S     eit 2009 müssen für die meisten öf-      oder lediglich Verbrauchsausweise erstellt     werden.
                                                   fentlichen Gebäude in Deutschland        wurden. Diese sind stark vom Verhalten            Bei Bedarfsausweisen wird auf Grund-
                                                                                                                                           lage der im Gebäude verwendeten Mate-
                                             Energieausweise vorliegen. Dabei können        der Nutzenden abhängig. Ohne Transparenz
                                                                                                                                           rialen und Baustoffe der Energiebedarf
                                             entweder Verbrauchs- oder Bedarfsausweise      und Vergleichbarkeit fehlt es jedoch der       errechnet. Dadurch kann die energetische
                                             erstellt werden (siehe Kasten). In anderen     Bundesregierung an Orientierung für eine       Qualität des Gebäudes bewertet und ver-
                                             europäischen Ländern werden diese Auswei-      deutschlandweite energetische Sanierungs-      glichen werden.
                                             se in einem zentralen Register zur Verfügung   offensive.
                                             gestellt, nicht so in Deutschland.
                                                 Daher hat die DUH gemeinsam mit Frag-
                                             DenStaat eine Plattform geschaffen, über die                                                Fordern Sie bei Ihrer Kommune
                                             Energieausweise angefragt und eingesehen        Zwischenbilanz des                          den Energieausweis an!
                                             werden können. Die Zwischenbilanz (siehe        Klima-Gebäude-Checks
                                             Kasten) zeigt erschreckende Ergebnisse: Von     • 11% der angefragten Ausweise wurden       Wir wollen weiter aufdecken, wo der Staat
                                             über 2200 angefragten Energieausweisen            vorgelegt                                 das Klima verheizt. Über die Online-Platt-
                                             wurden nur etwas mehr als 250 vorgelegt.        • 20% der vorliegenden Ausweise sind
                                                                                                                                         form fragdenstaat.de/kampagnen/klima-
                                                                                               abgelaufen                                check/ können alle Menschen die Ener-
Foto: picture-alliance/ ZB | Soeren Stache

                                             Unwissenheit und                                • 71% sind lediglich Verbrauchsausweise
                                                                                                                                         gieausweise von öffentlichen Gebäuden
                                             mangelnde Transparenz                                                                       erfragen. Die Behörden müssen innerhalb
                                                                                             • 49% der Bedarfsausweise erhalten
                                                                                                                                         von vier Wochen antworten. (nst)        n
                                                                                               eine rote Karte
                                             Die Anfragen haben gezeigt, dass der Ge-                                                    Mehr Informationen:
                                                                                             • 38% der Bedarfsausweise erhalten
                                             bäudebereich beim Klimaschutz nicht aus-                                                    www.duh.de/klima-gebaeude-check/
                                                                                               eine gelbe Karte
                                             reichend berücksichtigt wird. Oftmals kann
                                                                                             • 13% der Bedarfsausweise erhalten          Gefördert durch:
                                             der energetische Zustand von Gebäuden
                                                                                               eine grüne Karte
                                             nicht bestimmt werden, da die Energie-
                                                                                             			                     Stand: Dez. 2020
                                             ausweise nicht vorliegen, abgelaufen sind

                                                                                                                                                                  DUH welt 1|2021 21
Themen

                                                                               kurzfristig errichtete Radwege, die vorerst
                                                                               provisorisch mit gelber Farbmarkierung ge-
                                                                               kennzeichnet sind. „Sie müssen nicht kom-
                                                                               plett neu gebaut werden, sondern verlaufen
                                                                               auf der bestehenden Fahrbahn und ersetzen
                                                                               oder schmälern die Pkw-Spuren. Vom Auto-
                                                                               verkehr sind sie deutlich getrennt und sie
                                                                               erfüllen alle Sicherheitsanforderungen“, er-
                                                                               klärt Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
                                                                               Pop-up-Radwege bieten sich als erster
                                                                               Schritt einer dauerhaften Lösung an: Die
                                                                               Gelbmarkierungen auf der Fahrbahn er-
                                                                               setzen die weißen Markierungen und sind
                                                                               gültig, ohne dass letztere sofort entfernt
                                                                               werden müssen. Poller zum Schutz des Rad-
                                                                               weges vor Autos und Falschparkern können
                                                                               anfangs durch Baustellenbaken realisiert
                                                                               werden.

                                                                               Die DUH will Pop-up-Radwege
                                                                               deutschlandweit etablieren

                                                                               Der Vorschlag findet große Zustimmung in
Verkehrswende                                                                  der Bevölkerung. Laut einer Umfrage im
                                                                               Auftrag des Bundesverkehrsministeriums

Die DUH fordert:
                                                                               aus dem Herbst 2020 bewerten 70 Prozent
                                                                               der Befragten in Deutschland Pop-up-Rad-
                                                                               wege als positiv.

Pop-up-Radwege Jetzt!
                                                                                   Um Menschen zum Umstieg aufs Rad
                                                                               zu bewegen, müssen sie eine hervorragen-
                                                                               de Infrastruktur vorfinden: breite und gut
                                                                               sichtbare Fahrradwege sowie sichere Ab-
                                                                               stellmöglichkeiten. „Die Kommunen müs-
Es ist höchste Zeit, dem zukunftsfähigen Verkehrsmittel Fahrrad mehr Raum in   sen den öffentlichen Raum umverteilen
den Städten zu geben. Sicher und rechtskonform müssen die neuen Radwege        – weg vom Auto und hin zum Menschen.
sein und noch dazu sollen sie die Menschen zum Umstieg einladen.               Damit sich auch Kinder, Familien und ältere

S     tellen Sie sich eine Stadt vor, in der
      die Verkehrsfläche für Fahrräder ver-
doppelt und die Anzahl an Autos halbiert
                                                                                                                              Fotos: Peter Broytmann/Qimby CCO (u), ARochau/stock.adobe.com (o)

ist. Genügend Platz für den Fußverkehr und
fürs soziale Miteinander im öffentlichen
Raum gibt es dort auch, Lärm und Abga-
se dagegen viel weniger. Um diesem Ziel
näherzukommen, brauchen wir die Mobili-        Gelbmarkierungen
tätswende! Die Umwelthilfe setzt sich dafür    sind relativ kurz­
ein, dass diese Wende schnell beginnt.         fristig umzusetzen.

Was sind Pop-up-Radwege?                       Das Ziel: Dauer­
                                               hafte Radwege
In der Regel brauchen Kommunen zwei bis        müssen den
zehn Jahre, um neue Fahrradwege zu planen      Pop-up-Rad­wegen
und einzurichten. Pop-up-Radwege sind          folgen (oben).

22 DUH welt 1|2021
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