LANDTECHNIK ENTWICKLUNGSTRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN BRANCHENREPORT 2017 - Industrie - IG Metall NRW
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
IMPRESSUM Herausgeber: IG Metall Vorstand, VB 04, 60329 Frankfurt/Main Verantwortlich: Wolfgang Lemb Text: Ulrich Hartl, TBS gGmbH, Mainz Redaktion: Flavio Benites, Astrid Ziegler, IG Metall Ressort Industrie-, Struktur- und Energiepolitik Textbearbeitung, Satz und Layout: Agentur WAHLE COM, 56479 Elsoff Druckerei: Henrich Druck + Medien, Schwanheimer Straße 110, 60528 Frankfurt am Main Titelfotos: Case IH/CNH Industrial, John Deere, Same Deutz-Fahr Fotos: Bernard Krone, Case IH/CNH Industrial, Claas, John Deere, Fendt/AGCO, Same Deutz-Fahr Bestellung im Intra-/Extranet der IG Metall über Produktnummer 39469-73124 Kontakt und Bestellung für Nichtmitglieder: sarah.menacher@igmetall.de Erste Auflage: Oktober 2017
INHALT Vorwort............................................................................................................ 4 Innovations- und Technologieführer Landtechnik............................................... 6 Struktur und Entwicklung der Landtechnikindustrie............................................7 Landtechnikindustrie am Standort Deutschland................................................. 9 Stärken der deutschen Landtechnikindustrie.................................................... 12 Trends und Herausforderungen für die Branche................................................. 14 ENTWICKLUNGEN IM AGRARSEKTOR..................................................................................... 14 GLOBALISIERUNG................................................................................................................. 16 DIGITALISIERUNG................................................................................................................. 17 DEMOGRAPHISCHER WANDEL...............................................................................................20 GREENTECH..........................................................................................................................23 Bewertung der Branchenentwicklung: Auswirkungen auf …................................ 25 … PRODUKTE UND PRODUKTINNOVATIONEN.........................................................................25 … FERTIGUNG UND FERTIGUNGSTECHNOLOGIEN.................................................................. 26 … FORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSTÄTIGKEITEN............................................................ 28 Auswirkungen auf die Beschäftigten................................................................. 30 Handlungsfelder für eine zukunftsfähige Landtechnik....................................... 34 BETRIEBLICHE HANDLUNGSFELDER.......................................................................................34 BRANCHENPOLITISCHE HANDLUNGSFELDER........................................................................ 38 Anhang........................................................................................................... 40 Literaturverzeichnis......................................................................................... 42 3
VORWORT Die Landtechnik ist nicht nur für die Volkswirt- dringende Notwendigkeit, die Überalterung der schaft in Deutschland eine Schlüsselbranche des Belegschaften anzugehen. Allerdings fehlt zu- Maschinenbaus, sie ist es auch für die IG Metall. meist eine entsprechende Zukunftsplanung, um Sie hat sich in den letzten Jahren stabil entwi- die Beschäftigten verstärkt aus- und kontinu- ckelt und sich trotz Krisensituationen im Ausland ierlich weiterzubilden. Weitere Schwachstellen robust gezeigt: Nachdem die Umsätze der Land- sind die hohe Arbeitsverdichtung sowie Arbeits- technik seit 2013 rückläufig waren, stabilisierte zeiten, die aus dem Ruder gelaufen sind und ein sich der Markt seit 2016 und zeigt seither erste saisonal hoher Anteil prekärer Beschäftigung. Anzeichen einer dauerhaften Erholung. Die Zahl der Beschäftigten ist dabei – selbst in den Jah- Die bundesweite Beschäftigtenbefragung der ren mit Umsatzrückgang – seit 2013 vergleichs- IG Metall 2017 hat auf diese Defizite nachdrück- weise stabil geblieben. lich aufmerksam gemacht. An dieser Befragung haben sich mehr als viertausend Arbeitneh- Die Fertigungstiefe in der Landtechnik ist nach merinnen und Arbeitnehmer der Landtechnik wie vor verhältnismäßig hoch. Die mehr als beteiligt. Wir haben sie um ihre Einschätzung 33000 Beschäftigten in den deutschen Stand- der Branche gebeten. Ihre Sicht ist in dem hier orten leisten gute und qualifizierte Arbeit. Fünf vorliegenden Branchenreport dargestellt. Global Player sind hierzulande angesiedelt und bedienen mit ihrer hochwertigen Produktpalette Die Betriebsräte der Landtechnik sind gegen- Europa und den Weltmarkt. Die Landtechnik- wärtig damit konfrontiert, dass die Geschäfts- industrie steht auch im internationalen Vergleich leitungen nicht nur Hightech-Produkte anbieten sehr gut da. Dazu hat die gute Kooperation von wollen, sondern auch das sogenannte mittlere Betriebsräten und Management im Rahmen der Marktsegment bedienen müssen. Die aufstre- Mitbestimmung einen großen Anteil beigetragen. benden Schwellenländer verlangen solche Stra- tegien seitens der Unternehmen. Das erfordert Trotz dieser positiven Bewertung: Ein diffe- eine differenzierte Produktentwicklung. renzierter Blick auf die Branche und ihre Zu- kunftsperspektiven zeigt einige Schwachstel- Auch aus Sicht der IG Metall ist es für das Massen- len. Aufgrund ihrer hohen Exportquote (über geschäft notwendig, das mittlere Marktsegment 66 Prozent) ist die Branche stark von weltwirt- zu bedienen. Aber die deutsche Landtechnik- schaftlichen Entwicklungen abhängig. In die- industrie darf deshalb ihre Innovationsführer- sem Zusammenhang geraten die Märkte durch schaft nicht aus der Hand geben. Die negativen den stärker protektionistischen Kurs in den Folgen einer vernachlässigten Hochtechnologie Vereinigten Staaten, den Handelsstreit und bei einer Konzentration auf das mittlere Seg- die Sanktionen zwischen der EU und Russland ment wären für die hiesigen Produktions- und sowie aufgrund der unklaren zukünftigen Han- Entwicklungsstandorte gravierend. Die Branche delsbeziehungen mit Großbritannien nach dem muss in Europa und weltweit ihre technologische BREXIT weiter unter Druck. Führerschaft behaupten. Dies muss auch in Zu- kunft die Strategie der Landtechnik bleiben. Die Stärken dieses Industriezweigs sind be- kannt: Innovationskraft, Hightech-Produktion, Um die Zukunft nicht zu verspielen, ist es jetzt gute Ausbildung der Beschäftigten – um nur geboten, die genannten Schwächen abzustellen einige zu erwähnen. Zu den Defiziten zählt der und die Stärken weiter auszubauen. Damit ist demografische Wandel in den Betrieben, vor al- die Branche gefordert, in ihr eigentliches Poten- lem das hohe Durchschnittsalter der Belegschaf- zial – die Beschäftigten – zu investieren. Das ten. Es gibt in der Branche den Bedarf und die bedeutet: mehr Ausbildungsplätze anbieten, 4
Weiterbildung fördern und eine vorausschauen- maßnahmen rechtzeitig bewältigen zu können. de Personalpolitik betreiben. Nur so lassen sich Der Strukturwandel muss zum Aufbau von Be- die Innovationskraft und die Innovationsführer- schäftigung führen. Er darf nicht den Abbau von schaft der Landtechnik erhalten. Die IG Metall Arbeitsplätzen zur Folge haben. und ihre Betriebsräte werden den Unternehmen, die sich dieser Aufgabe stellen, kooperative Mit diesem Branchenreport liefert die IG Metall Partner sein. Denkanstöße und bezieht Positionen. Unsere Einschätzungen wollen wir mit Vertreterinnen Von der Politik erwarten wir eine vorausschau- und Vertretern der Arbeitgeber, des VDMA und ende Industriepolitik, die die Umbrüche in der der Politik diskutieren. Unser gemeinsames Inte- Branche aktiv begleitet. Denn der Strukturwan- resse muss es sein, dass die Landtechnikindus- del kennt nicht nur Gewinner. Der direkte Erfah- trie mit guter Arbeit und motivierten Beschäftig- rungsaustausch mit den Betriebsräten ist ein ten eine sichere Zukunft hat. Schritt in die richtige Richtung. Der begonnene Branchendialog des Bundesministeriums für Der vorliegende Report basiert auf einer von der Wirtschaft und Energie (BMWi) ist ein positives Technologieberatungsstelle (TBS gGmbH) Mainz Signal. Aber es bedarf mehr: Gefordert sind erstellten Recherche über die Lage, Entwicklung staatliche Investitions- und Innovationsinitia- und Perspektive der Branche. Sie ist im Auftrag tiven, um vor allem die Herausforderungen der der IG Metall und der Hans-Böckler-Stiftung ent- wachsenden Digitalisierung in den Betrieben mit standen. Der TBS und der HBS möchte ich an die- geeigneten Qualifizierungs- und Weiterbildungs- ser Stelle herzlich danken. Wolfgang Lemb Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall 5
Innovations- und Technologieführer Landtechnik Landtechnik ist Hightech. Die Landtechnikindus- Die Landtechnikbranche leistet als Vorlieferant trie hat sich längst zu einem internationalen der Landwirtschaft einen wichtigen volkswirt- Innovations- und Technologieführer entwickelt. schaftlichen Beitrag zum Agribusiness, einem Zu den Produkten der Branche gehören Traktoren, der bedeutendsten Wirtschaftszweige. Das Agri- Erntemaschinen, Sä- und Düngetechnik, Boden- business umfasst den Agrarsektor mit seinen bearbeitungsmaschinen, Anbaugeräte und Zu- vor- und nachgelagerten Bereichen – also alle behörteile, Forsttechnik und Maschinen der Hof- Tätigkeiten, die zur Herstellung und Verbreitung innenwirtschaft. landwirtschaftlicher Produkte ausgeführt wer- den. Vor allem dem technischen Fortschritt in der Der Stand der eingesetzten Technik reicht Landtechnik – neben den Fortschritten im Bereich dabei von satellitenbasierten Orientierungs- Pflanzenschutzmittel und der Zucht von leistungs- (GPS-Steuerung) und Kartierungssystemen, fähigen Pflanzen und Tieren – ist die heutige Posi- die für eine enorme Präzision und zielgerech- tion der Deutschen Landwirtschaft zu verdanken: te Ausbringung der Mengen sorgen, bis hin zu Nahezu jeder achte Beschäftigte ist in der Land- sensorgestützter Informationsgewinnung, Ro- und Ernährungswirtschaft tätig, die gemeinsam boter- und Drohnen-Technologie. Entsprechend den viertgrößten Wirtschaftszweig bilden. machte der Digitalanteil an der Wertschöpfung (Sensortechnik, Elektronik und Software) bei Rein rechnerisch erzeugt Deutschland mehr als vier Landmaschinen bereits im Jahr 2015 – nach Fünftel seines Bedarfs an Lebensmitteln selbst. Tat- Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure – sächlich werden größere Mengen Milch und Fleisch rund dreißig Prozent aus. Zum Vergleich: In ausgeführt, Obst und Gemüse werden in größerem der Automobilbranche lag der Digitalanteil zu Umfang eingeführt. Nirgendwo in Europa wird mehr diesem Zeitpunkt bei zehn Prozent. Die hohen Milch und mehr Schweinefleisch erzeugt als hier- Standards aus der Landtechnik werden selbst zulande. Im Weltagrarhandel nimmt das Land den von innovativen Industrien wie der Automobil-, zweiten Platz ein und beim Export steht es hinter Luft- und Raumfahrttechnik genutzt. den USA und den Niederlanden auf Platz drei. 6
Neben der ökonomischen Bedeutung bezüglich Der vorliegende Report befasst sich mit der aktu- Einkommen und Beschäftigung im Agribusiness ellen Lage, der Entwicklung und den branchen- dürfen auch die sozialen und ökologischen As- spezifischen Herausforderungen der deutschen pekte nicht außer Acht gelassen werden. Erst das Landtechnikindustrie. Auf Basis von Workshops hohe Know-how in der Landtechnik ermöglicht und Interviews mit zahlreichen Betriebsräten aus eine umweltschonende Produktion von Erzeug- dem Branchennetz Landtechnik der IG Metall so- nissen. Eine energiesparende Landtechnik sowie wie einer umfassenden Literaturstudie wurden Precision- und Smart-Farming-Systeme leisten die wesentlichen betrieblichen und politischen einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz Handlungsfelder identifiziert. Die Ergebnisse sowie zur stabilen Versorgung mit Qualitäts- lassen sich im Sinne einer zukunftsorientierten lebensmitteln. Qualität und Produktionssicher- Branchenarbeit nutzen, um die betriebs- und ar- heit mittels moderner Landtechnik sichern somit beitspolitische Entwicklung aktiv zu gestalten und das Erfolgsmodell der deutschen Agrarprodukte Maßnahmen für den Erhalt und für die Sicherung im In- und Ausland. von Arbeitsplätzen zu ergreifen. Struktur und Entwicklung der Landtechnikindustrie Weltweit erreichte die Landtechnikbranche im fast zehn Milliarden Euro auf 91 Milliarden Euro. Jahr 2013 mit einem Umsatz von rund 103 Mil- Insbesondere in den wichtigen Absatzmärkten liarden Euro ihr Allzeithoch und befindet sich Russland, Indien, Nord- und Südamerika lag der seitdem in einer Phase der Konsolidierung. reale Rückgang 2015 im zweistelligen Bereich. Während das globale Produktionsvolumen 2014 Dagegen blieb die Marktlage in der EU und in noch 100,3 Milliarden Euro betrug, verringer- China bis dato stabil. Der Abschwung setzte sich ten sich die Umsätze im Jahr 2015 deutlich um 2016 mit einem Umsatz von 88,2 Milliarden Euro 7
Abbildung 1 wirtschaft spezialisiert. Dazu zählen sowohl UMSATZENTWICKLUNG LANDTECHNIKINDUSTRIE WELTWEIT Maschinen und Technik für die Hofinnenwirt- Jahresumsatz in Milliarden Euro schaft – beispielsweise Melk-, Kühl- oder Füt- 103 100,3 terungstechnik – als auch die Außentechnik 91 91 wie etwa Traktoren, Erntemaschinen, Bodenbe- 88,2 80 arbeitungsgeräte oder Sä- und Düngetechnik. 68 Nach Angaben des Fachverbandes Landtechnik 65 58 im Verband Deutscher Maschinen- und Anla- 57,8 genbauer e.V. (VDMA) entfallen rund neunzig Prozent des globalen Landtechnikumsatzes auf die Außentechnik und zehn Prozent auf die Innentechnik. Der Hauptanteil des gesam- ten Umsatzes entfällt mit vierzig Prozent auf den Verkauf von Traktoren, gefolgt von Ernte- maschinen. 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Die Landtechnikmärkte entwickelten sich in Quelle: Jahrbuch Agrartechnik, 2016. VDMA, 2015. Eigene Darstellung den vergangenen Jahren – mit Ausnahme von Russland – in eine ähnliche Richtung wie die weiter fort und erreichte damit in etwa das Ni- Traktorenabsätze. 2016 wurden weltweit – mit veau des Jahres 2011 (vgl. Abb. 1). Erst in diesem leichtem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr – Jahr scheint sich die Lage zu stabilisieren. 1,9 Millionen Traktoren verkauft. Die mengen- mäßig größten Absatzmärkte für Traktoren sind Die Gründe für den globalen Rückgang liegen Indien (Jahr 2016: 569066 Stück) und China vor allem in den geringeren Einkünften der Land- (Jahr 2016: 420189 Stück). Hier sind zusammen- wirte als Abnehmer für Landtechnikerzeugnisse. gerechnet rund fünfzig Prozent der weltweit ver- Die Preise für Agrarerzeugnisse sind in den ver- kauften Maschinen zugelassen. Danach folgen gangenen Jahren deutlich gesunken und befin- die USA (Jahr 2016: 211194 Stück) und Europa den sich (Stand: 2016) über alle Warengruppen (Jahr 2016: 165353 Stück). hinweg auf einem fast siebenjährigen Tiefst- stand. Trotz insgesamt hoher Erntemengen Jedoch weisen die meisten der nach Indien und bleibt die Investitionsbereitschaft der Landwirte China verkauften Traktoren wesentlich niedrige- daher gering, und der Markt stabilisiert sich auf re Durchschnittsleistungen (und Preise) auf als derzeitigem Niveau. die Traktoren, die vorwiegend in den großflächi- gen Agrarstrukturen der wichtigen Agrarländer Im weltweiten Vergleich ist die Europäische Uni- wie den USA und Russland oder in den Ländern on mit einem Anteil von 28 Prozent zum stärksten mit intensiver Landwirtschaft in Westeuropa zum Landtechniklieferanten aufgerückt. Das Produk- Einsatz kommen. Zwar existiert auch dort eine tionsvolumen der Landtechnik in der Europäi- Nachfrage nach kleineren Leistungsklassen – in schen Union hat sich allein im ersten Jahrzehnt den USA machen Traktoren unter dreißig PS in- dieses Jahrhunderts von 2000 bis 2010 nahezu zwischen 63 Prozent des Marktvolumens aus –, verdoppelt. Mit einem Anteil von 22 Prozent am jedoch befördert der Trend in Richtung Großfar- globalen Produktionsvolumen folgt Nordame- men die Nachfrage im oberen Leistungs- und rika (NAFTA). China belegt mit einem Anteil von Preissegment. Ähnlich ist der Ausblick im Inland: 18 Prozent Platz drei. Die Landtechnikindustrie geht für den deutschen Markt von einer steigenden Betriebsgröße bei Die Landtechnikhersteller sind auf hoch ent- einem Rückgang der Betriebe von jährlich drei wickelte Produkte für den Einsatz in der Land- Prozent bis 2030 aus. 8
Landtechnikindustrie am Standort Deutschland 2016 erwirtschafteten die rund zweihundert Vorjahr fiel der Umsatz 2014 mit 10,2 Milliarden Eu- Landtechnikhersteller (mit mehr als zwanzig Be- ro 3,3 Prozent geringer aus. Das Jahr 2015 beendete schäftigten) am Standort Deutschland mit 33035 die Branche mit einem Minus von weiteren 6,6 Pro- Beschäftigten einen Umsatz in Höhe von rund zent (9,5 Milliarden Euro). 2016 (minus 1,0 Prozent) 9,6 Milliarden Euro und damit etwa 10,9 Prozent stabilisierte sich der Markt und zeigt seitdem erste des weltweiten Landtechnikumsatzes. Damit ge- Anzeichen für eine dauerhafte Erholung. hört die Branche zu den zehn größten innerhalb der insgesamt 32 Fachzweige, in die der VDMA Die deutsche Landtechnikindustrie ist durch den Maschinenbau unterteilt: Hinsichtlich der einen hohen Internationalisierungsgrad cha- Umsatzentwicklung lag die Branche im Jahr 2015 rakterisiert. Im Jahr 2016 betrug der Anteil des auf Rang sieben und beim Produktionswert auf Auslandsumsatzes 66,6 Prozent (etwa 6,39 Mil- Rang acht. liarden Euro) des Gesamtumsatzes. Damit er- reicht die Branche einen der höchsten Aus- Der Branchenumsatz in Deutschland verlief dabei landsanteile am Umsatz im gesamten Agribu- ähnlich wie die globale Entwicklung (vgl. Abb. 2). siness. Die wichtigsten Abnehmerländer für Auf die Boom-Phase bis zum Allzeithoch im Jahr deutsche Landtechnik befinden sich in der Eu- 2013 – die Umsatzsteigerung der Branche zwi- ropäischen Union. Dorthin wurden 63,4 Prozent schen den Jahren 2010 und 2013 betrug 39,5 Pro- der Exporte abgesetzt – vor allem nach Frank- zent – folgten Umsatzrückgänge. Im Vergleich zum reich (15,8 Prozent), Großbritannien (6,7 Pro- Abbildung 2 UMSATZENTWICKLUNG DEUTSCHE LANDTECHNIKINDUSTRIE Jahresumsatz in Milliarden Euro 10,7 10,6 10,2 10,2 9,6 9,5 9,6 8,6 3,9 3,9 8 3,8 3,7 7,4 7,6 3,6 3,5 3,6 2,2 6,8 2,4 2,3 2,7 1,9 3,4 3,1 2,9 2,9 3,5 2,7 2,7 2,8 2,6 2,4 2,4 2,1 3,4 3,3 3,5 3,6 3,6 3,3 2,9 3 3,2 2,5 2,7 2,8 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Inlandsumsatz Auslandsumsatz mit der Eurozone Auslandsumsatz mit dem sonstigen Ausland gesamt Quelle: Statistisches Bundesamt. Eigene Darstellung 9
zent), Polen (5,0 Prozent), den Niederlanden von 1357,4 Millionen Euro (2015) den Hauptanteil (4,5 Prozent), Österreich (4,4 Prozent) und Italien in der Landtechnikproduktion dar (vgl. Abb. 3). (3,8 Prozent). In die USA wurden 12,1 Prozent der landtechnischen Produkte exportiert. Und In der deutschen Landtechnikindustrie (Betriebe trotz des Handelsstreits zwischen der EU und mit mehr als fünfzig Beschäftigten) arbeiteten Russland sowie der daraus resultierenden bei- 2016 insgesamt 33035 Menschen. Die Zahl der derseitigen Sanktionen nahm Russland mit Beschäftigten ist auch in den Jahren mit Umsatz- 4,2 Prozent den siebten Platz in der Außenhan- rückgang seit 2013 vergleichsweise stabil ge- delsstatistik ein. blieben (vgl. Abb. 4). Langfristig betrachtet ent- wickelte sich die Zahl der Beschäftigten in den Traktoren mit einer Motorleistung von mehr als deutschen Landtechnikbetrieben positiv. Der neunzig Kilowatt stellen mit einem Anteil in Höhe Anstieg der letzten sechs Jahre beträgt – in den Abbildung 3 PRODUKTION AUSGEWÄHLTER LANDMASCHINEN IN DEUTSCHLAND Angaben in 1 000 Euro Maschinenart 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Schlepper 1 345 117 1 698 747 1 900 870 2 046 280 1 972 721 1 862 452 bis 37 kW 93 950 127 720 103 454 84 705 98 504 91 172 37 kW – 90kw 390 651 454 081 498 198 502 092 449 174 390 000 über 90 kW 843 498 1 092 476 1 275 939 1 433 784 1 397 425 1 357 439 Mähdrescher* 210 579 312 321 331 597 298 030 314 147 303 086 Wender und Schwader 78 429 99 217 125 033 124 253 109 833 109 922 Feldhäcksler* 107 206 127 002 142 150 105 475 110 097 129 551 Pflanzenschutzgeräte 71 930 72 285 91 133 112 820 128 026 113 069 Sämaschinen 57 973 77 391 112 253 120 955 121 265 100 867 Mineraldüngerstreuer 25 049 34 804 38 193 45 064 43 704 37 952 *inkl. Anbaugeräten Quelle: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2010 – 2016. Eigene Darstellung 10
Betrieben mit mehr als fünfzig Beschäftigten – durchschnittlich 3,9 Prozent pro Jahr. Die Anzahl der Beschäftigten wuchs von 26781 im Jahr 2010 auf 33035 im Jahr 2016. Die vorliegenden Zahlen beziehen sich auf Be- triebe mit mehr als fünfzig Beschäftigten und betreffen damit 64 Prozent aller Unternehmen in der Landtechnik. Diese repräsentieren 93 Pro- zent der Beschäftigten in der Branche und er- wirtschaften etwa 96 Prozent des gesamten Um- satzes. Diese Zahlen verdeutlichen zugleich den hervor. Während im Jahr 2012 noch 323,7 Milli- vergleichsweise hohen Konzentrationsgrad der onen Euro investiert wurden, waren es 2014 nur Branche. Allein die vier „Full-Liner“ – Deere & noch 282,8 Millionen Euro. Im langjährigen Ver- Company sowie AGCO, CNH Industrial und CLAAS gleich entwickelte sich das Investitionsverhalten – erzielen zusammen etwa vierzig Prozent des hingegen weiterhin positiv und liegt gegenwär- weltweiten Landtechnikumsatzes. tig deutlich über dem Niveau des Jahres 2008 (190,4 Millionen Euro). Der überwiegende Anteil Die Investitionen in der Landtechnikbranche sind floss in Ersatzinvestitionen und Kapazitätser- entsprechend den rückläufigen Umsatzzahlen weiterungen. 83,4 Prozent der Investitionen im insgesamt niedriger als in den vergangenen Jah- Jahr 2014 wurden für Maschinen verwendet. Eine ren. Das geht aus den Daten des Konjunkturba- tendenziell größere Rolle für das Investitionsver- rometers Agribusiness in Deutschland 2017 der halten spielt derzeit die voranschreitende Digita- Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young lisierung der Branche. Abbildung 4 BESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG IN DER LANDTECHNIK 33 329 32 788 33 035 31 820 30 450 27 421 27 572 26 781 25 813 23 968 22 637 21 633 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung nach Destatis 2016 11
Stärken der deutschen Landtechnikindustrie Vielfältige Stärken sichern den weltweiten Er- biet der komplexen elektronischen Steuerungs-, folg der deutschen Landtechnikindustrie. Ein Regelungs- und Informationstechnik entwickeln großer Vorteil ist die lange Landmaschinentra- viele Landtechnikhersteller ihre Elektronik- und dition, die als Inspiration für echte Innovatio- Dokumentationssysteme am Standort Deutsch- nen genutzt wird und weltweit zu einer starken land. Dies hat regelmäßig hohe Investitionen in Reputation beiträgt. Die unterschiedlichen be- diesem Bereich zur Folge. trieblichen, topografischen und klimatischen Gegebenheiten in Deutschland bieten dabei ein Entscheidend für den Erfolg der deutschen großes Erprobungsterrain für den Einsatz in an- Landtechnik sind ihre Innovationskraft und Fer- deren Ländern. tigungsqualität, die im Wesentlichen von der Qualifikation der Beschäftigten abhängen. Die Wesentliche Erfolgsfaktoren der Branche sind Branche zeichnet sich somit durch ein differen- die hohe Spezialisierung und gleichzeitig eine ziertes Know-how aus, das die Produktspezifi- enge Verflechtung der Landtechnik mit vor- und kationen und Lösungsangebote ebenso umfasst nachgelagerten Wirtschaftsbereichen. Als äu- wie die Produktions- und Fertigungstechniken. ßerst günstig erweisen sich ferner die über Jahre Nicht nur die Hightech-Traktoren, sondern bei- gewachsenen Wertschöpfungsketten sowie eta- spielsweise auch die anspruchsvollen Produk- blierte Strukturen der Zusammenarbeit zwischen te der Selbstfahrtechnik – Mähdrescher, Feld- Herstellern, ihren Zulieferern, Kunden, Hoch- häcksler, Mähaufbereiter, Futtermischwagen, schulen und Universitäten. Diese tragen dazu Kartoffelvollernter, Zuckerrübenvollernter und bei, den Nutzen neuer Technologien zu erschlie- Feldspritzen – illustrieren den Wettbewerbsvor- ßen und Ideen in marktreife Lösungen umzuwan- teil durch Hochtechnologie „made in Germa- deln. Dank der hervorragenden Voraussetzungen ny“. In diesem Zusammenhang ist das deutsche für die Forschung und Entwicklung auf dem Ge- Berufsbildungssystem hervorzuheben, das im 12
internationalen Wettbewerb nach wie vor ein Er- Die Vorteile sind offensichtlich: Wer sich an sein folgsmodell darstellt und zum hohen Qualifika- Unternehmen gebunden fühlt, zeigt mehr Eigen- tionsniveau beiträgt. initiative, Leistungsbereitschaft, Verantwortungs- bewusstsein, ist weniger häufig krank und zu- Darüber hinaus schaffen die große Flexibilität, dem innovativer. Hinzu kommt: Emotional en- Effizienz und Produktivität der Belegschaften die gagierte Beschäftigte bringen 45 Prozent mehr Voraussetzungen dafür, in kurzer Zeit auf die Kun- Anregungen und Verbesserungen ein (vgl. Gallup denwünsche einzugehen und Innovationen schnell Engagement-Index 2012). an den Markt zu bringen. Vorteilhafte Standort- faktoren liegen in Deutschland zudem in der ex- Generell sind die Wettbewerbsvorteile aus dem zellenten Forschungsinfrastruktur, der räumlichen deutschen System der Mitbestimmung nicht zu Nähe von Entwicklungszentren und Produktions- unterschätzen: Empirische Studien (vgl. unter stätten sowie in der Verbindung von Konstruktion anderem Wigboldus/Grift et. al., 2014) zur Mit- und Fertigung in der Produktionsstätte. bestimmung belegen, dass Unternehmen mit Betriebsräten produktiver und profitabler sind Weitere wichtige Erfolgsfaktoren für Landtech- als jene ohne Betriebsräte. Wesentliche Aspek- nikbetriebe liegen im deutschen Modell der te sind der verbesserte Informationsfluss und industriellen Beziehungen mit seiner dualen Vertrauensaufbau zwischen Belegschaft und Struktur von gewerkschaftlicher und betrieb- Management sowie das Korrigieren von Fehl- licher Interessenvertretung. Tarifverträge ma- entscheidungen. In diesem Zusammenhang ist chen Arbeitsbedingungen attraktiv. Deshalb ist das gut funktionierende Netzwerk der IG Metall- vor allem bei den tarifgebundenen Unternehmen Betriebsräte der Landtechnikbranche positiv eine starke Mitarbeiterbindung festzustellen. hervorzuheben. NETZWERK LANDTECHNIK Bereits seit März 1999 finden regelmäßig zweimal pro stimmung und Zusammenarbeit mit Kolleginnen Jahr Treffen zwischen den Betriebsräten aus der Land- und Kollegen in anderen Ländern vorangetrie- technikbranche sowie Vertreterinnen und Vertretern der ben. Der Austausch wurde im August 2007 mit der IG Metall statt. In diesem Rahmen werden einerseits Gründung des Europäischen Arbeitnehmernetzwer- aktuelle betriebliche und branchenbezogene Entwick- kes Landtechnik institutionalisiert. Die Kontakte lungen und Schwerpunktthemen behandelt. Anderer- sind angesichts der grenzüberschreitenden Unter- seits finden eine intensive Vernetzung und ein Infor- nehmensstrategien bedeutsam, um sich nicht mit mationsaustausch zwischen den Teilnehmern statt. „billiger“-Argumenten gegeneinander ausspielen In einer gemeinsamen Positionsbestimmung der zu lassen und den Forderungen vieler Arbeitgeber Betriebsräte wurden folgende Ziele des IG Me- auf Lohnverzicht oder Arbeitszeiterhöhungen etwas tall-Netzwerks Landtechnik formuliert: entgegensetzen zu können. Der Dialog und die Kooperation zwischen den Be- triebsräten wird organisiert und verstärkt. Probleme der Beschäftigten in den Unternehmen der Landtechnik werden betriebsübergreifend angegangen. Betriebsräte werden zu speziellen betrieblichen und branchenorientierten Themen qualifiziert. Brancheninitiativen werden gemeinsam entwi- ckelt und im Dialog mit den Unternehmensleitun- gen diskutiert. Darüber hinaus wurde im Zuge der fortschreitenden Internationalisierung die grenzüberschreitende Ab- Branchenteam Landtechnik der IG Metall 13
Trends und Herausforderungen für die Branche Die Beschäftigten der Landtechnikbranche wer- Mehreinsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln den gegenwärtig durch eine Reihe von Entwicklun- und Bewässerung – in den vergangenen fünfzig gen vor immer neue Herausforderungen gestellt. Jahren nahezu verdreifacht hat, wird von einer Für die Zukunftsfähigkeit und damit Standort- Verdopplung der Nachfrage nach Agrarprodukten sicherheit der deutschen Landtechnikbetriebe bis zum Jahr 2050 ausgegangen. Der Nachfrage- wird die erfolgreiche Problembearbeitung von anstieg beträgt aufgrund der Entwicklungen im entscheidender Bedeutung sein. Im Folgenden Nahrungsmittel-, Futtermittel- und Bioenergie- werden die wesentlichen Trends nachgezeichnet. sektor insgesamt 1,8 Prozent jährlich. Neben der starken Nachfrage macht nicht zuletzt die Flächen- ENTWICKLUNGEN IM AGRARSEKTOR konkurrenz – also die Konkurrenz zwischen dem Anbau von Energiepflanzen zur Erzeugung von Bio- Die Landtechnikbranche ist stark von den nationa- energie und dem Anbau von Nahrungs- und Futter- len und internationalen Entwicklungen des Agrar- mittelpflanzen – eine immer effizientere Landtech- sektors als Nachfrager der Produkte abhängig. Gro- nik notwendig. ße Herausforderungen für die Landtechnikbranche ergeben sich insbesondere aus dem Agrarstruktur- Der fortwährende Wettbewerb zeigt sich insbeson- wandel, der Flächenkonkurrenz, der Bio- und Gen- dere beim Strukturwandel in der Landwirtschaft technologie sowie dem Weltagrarhandel. in Richtung größere Betriebe, höhere Leistungen, stärkere Spezialisierung und Rationalisierung. Al- Positiv auf die Nachfrage nach Landtechnikproduk- lein in Deutschland hat sich die Zahl der landwirt- ten wirkt sich das globale Bevölkerungswachstum schaftlichen Betriebe zwischen den Jahren 2010 aus: Während sich die globale Nahrungsproduk- und 2016 um rund 23000 Betriebe verringert. Die tion – vor allem aufgrund neu gezüchteter Getrei- Tendenz zu immer größeren Agrarbetrieben ist desorten mit höherem Ertragspotenzial und dem nicht neu: 1990 waren insgesamt noch fast 630000 14
Agrarbetriebe in Deutschland registriert, 2016 wa- ben, sind es inzwischen nur noch zehn bis zwanzig ren es nur mehr 275000. Prozent. Heute sind im landwirtschaftlichen Sektor vier Firmen – genannt die „ABCD Gruppe“ (Archer Befeuert wird der Trend zu weiterer Konzentration Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Drey- und Industrialisierung der Landwirtschaft vor allem fus) – für schätzungsweise 75 Prozent bis neunzig durch die Entwicklungen an den Märkten und einer Prozent des weltweiten Getreidehandels verant- entsprechenden politischen Subventionspolitik. wortlich. Sechs Firmen (BASF, Bayer, Dow Agroche- Zum einen machen Preisschwankungen an den micals, DuPont, Monsanto, Syngenta) haben die Börsen die Spekulation mit Nahrungsmitteln für Kontrolle über den kommerziellen Saatgutmarkt Investoren interessant. Die Preisvolatilitäten auf und bestimmen die zukünftige Richtung der Agrar- den Weltmärkten für Agrarrohstoffe und tierische forschung.1 Sie geben 4,7 Milliarden US-Dollar für Produkte haben großen Einfluss auf die landwirt- landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung aus schaftlichen Betriebe und damit auf die Nachfrage und generieren pro Jahr fünfzig Milliarden US-Dol- nach Produkten der Landtechnik. Zum anderen lar Umsatz mit Saatgut, Genetik und Agrarchemie. führt Preisdumping und Subventionspolitik zur landwirtschaftlichen Massenproduktion in inves- Der vermehrte Anbau und Absatz gentechnisch torengeführten Großbetrieben, denn Lebensmittel veränderter Pflanzen und Nutztiere erfordert neue sind heutzutage Massenware. Die Discounter un- Technologien in der Landtechnik. Darüber hinaus terbieten sich gegenseitig mit Niedrigpreisen. sind die Unternehmen der Landtechnikindustrie in diesem Dreieck unterschiedlicher Interessen (Ag- Während die Menschen in den Industrieländern rarwirtschaft, Pharmaindustrie und Nahrungsmit- noch bis in die 1970er Jahre vierzig bis fünfzig Pro- telindustrie) herausgefordert, sich mit ihren Forde- zent ihres Einkommens für Essen ausgegeben ha- rungen entsprechend strategisch zu positionieren. New Holland Agriculture, New Holland Construction, IVECO, IVECO Astra, IVECO Bus, Heuliez Bus, Magirus, Iveco Defence Vehicles, FPT Industrial KARL KLUG oder seit Februar 2017 die Sparte Bodenbearbei- tung, Aussaat und Grünlandtechnik von Kongskilde: KONZERNBETRIEBSRATS- Alle hatten ihre eigenen Prioritäten, die es zu sam- VORSITZENDER meln und unter einen Hut zu bringen galt. CASE NEW HOLLAND INDUSTRIAL- Durch eine gute Zusammenarbeit der Betriebsräte ERSATZTEILLAGER HEIDELBERG an den Standorten, in den Gesamt- und Konzern- betriebsräten kommt das Ziel in greifbare Nähe. Die Ausarbeitungen der neuen Betriebsvereinba- DREIZEHN MARKEN, EIN KONZERN – rungen, wie zum Beispiel die Gefährdungsbeur- VIEL ZU TUN FÜR BETRIEBSRÄTE… teilung auf Konzernebene, sind bereits im vollen » Aus Fiat Industrial und CNH wurde CNH Industrial: Gange. Natürlich sind auch die Themen „Digita- Im September 2013 war es endlich offiziell. Viele lisierung“ und „demografischer Wandel“ an den ein- Baustellen galt es, zu bewältigen. Neue Zuständig- zelnen Standorten präsent. Die stetig ausgefeiltere keiten und manche offene Frage mussten geklärt Technik und die neuen Möglichkeiten der Daten- werden. Für die Betriebsräte der CNHi hieß das: die erfassung machen eine kontinuierliche Kommu- Vernetzung verbessern, um den Beschäftigten die nikation zwischen Datenschutzbeauftragten, dem Vertretung zu garantieren, die sie verdienten. Betriebsrat und der Geschäftsleitung erforderlich. Dies stellte sich jedoch als gar nicht so leicht her- Der Schutz der Beschäftigten, damit sie nicht aus, denn für jede Marke gab es andere Belange. zum gläsernen Mitarbeiter werden, steht hier an Egal ob Case IH, Steyr, Case Construction Eqipment, erster Stelle. « 1 Die Zulässigkeit der beabsichtigten Fusion zwischen Bayer und Monsanto wird derzeit durch die zuständige Behörde der europäischen Union geprüft. 15
GLOBALISIERUNG ckelten Regionen noch Technik aus der Frühzeit der Landwirtschaft eingesetzt wird. Die fortschreitende Globalisierung, die dazu führt, dass sich Produktion und Handel über Dennoch versuchen die Schwellenländer, in der nationalstaatliche Grenzen hinaus ausdehnen, Landtechnik aufzuholen: Die globale wirtschaft- bringt vielschichtige Herausforderungen für die liche Dynamik, aufgrund derer eine Verschie- Landtechnikbranche mit sich. Einerseits profi- bung von Marktanteilen hin zu den Wachstums- tieren die Landtechnikhersteller vom globalen märkten in den aufstrebenden Schwellenländern Handel, denn die weltweit unterschiedlichen zu beobachten ist, betrifft den Maschinebau Vegetationsperioden sichern die Nachfrage nach insgesamt. Der Nachholbedarf an industriellen Landtechnikprodukten zu verschiedenen Jah- Maschinen und Produkten geht mit einer mas- reszeiten. Andererseits müssen auch Vertrieb siven Zunahme des Wettbewerbsdrucks einher. und Service in den unterschiedlichen Regionen Für die Landtechnikindustrie ergibt sich folgen- gewährleistet werden. Zudem ist der Einsatz des Bild: Die Branche hat die großen Konzentra- von Landtechnik grundsätzlich von strukturel- tionsprozesse bereits vollzogen. Einige wenige len, pflanzenbaulichen und verfahrenstechni- Konzerne teilen sich den Großteil des Marktes schen Gegebenheiten am jeweiligen Standort auf. Insbesondere folgende fünf Unternehmen abhängig. Hinzu kommt, dass die Bandbreite dominieren den Weltmarkt der Landtechnik: der Mechanisierung weltweit nach wie vor groß der US-Konzern Deere & Company, der zu FIAT ist: Über Weizenfelder in den USA und Westeuro- gehörige niederländische Konzern CNH Indust- pa rollt die voll automatisierte, GPS-gesteuerte rial (umfasst unter anderem Case, New Holland, Hightech-Maschine, während in weniger entwi- Steyr, Magirus und Iveco), der japanische Kon- zern Kubota (unter anderem Kverneland, Great Plains), der US-Konzern AGCO (unter anderem Gleaner, Deutz-Fahr, Fendt und Massey Fergu- son) sowie das deutsche Unternehmen Claas. Ihre Expansion gelang weniger aus eigener Kraft als vielmehr infolge des ununterbrochenen Auf- kaufs von kleineren Herstellern, deren Marken zum Teil erhalten blieben. Der Trend, die mittelständischen Landtechnik- hersteller zu übernehmen und entweder ins ei- gene Unternehmen einzugliedern oder in eine Beteiligungsgesellschaft zu integrieren, hält bis heute an. Dabei verfolgen die großen Landtech- nikanbieter die Full-Liner-Strategie. Ziel ist es, das Produktprogramm weiter auszubauen und dem Kunden alles aus einer Hand zu bieten: vom Traktor über Drescher und Häcksler bis hin zu Maschinen für die Futterernte und Bodenbear- beitung. Diese Marktkonsolidierung betrifft insbesonde- re das preisliche und technologische Premium- segment (Hightech). Für die deutschen Betriebe besteht daher die besondere Herausforderung darin, neben dem Hightech-Segment auch das 16
volumenstarke mittlere und untere Marktseg- ment abzudecken. Ersteres bietet zwar höhe- re Gewinnmargen. Die großen Absatzmengen werden weltweit allerdings im unteren und mittleren Segment erzielt. Die Unternehmen der Hersteller aus den aufstrebenden Schwel- lenländern versuchen strategisch im unteren und mittleren Technologiesegment Fuß zu fas- sen, um künftig Märkte in den sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, Chi- na), aber auch in Afrika erfolgreich bedienen zu können. Durch große Verkaufsmengen er- zielen sie hohe Gewinne, die dazu verwendet werden, entweder eigene Forschungs- und Ent- wicklungsaktivitäten (F&E) zu finanzieren, oder ihr technologisches Defizit durch Übernahmen (Mergers und Acquisitions, M&A) von Premi- umanbietern zu überwinden. Folglich wird es künftig für die deutschen Landtechnikhersteller schwieriger werden, ihren technologischen Vor- sprung aufrechtzuerhalten. Die Branche und ihre Geschäftsmodelle werden darüber hinaus durch die Globalisierung und den Trend zum Einsatz digitaler Technologien unter Druck gesetzt. Wertschöpfungsketten kön- nen aufgespalten und Teile ins Ausland verla- gert werden, während man sie dank Computern Die transnationalen Unternehmen sind weder und Telekommunikation weiterhin unter Kon- lokal noch national gebunden, sondern Kno- trolle behält. Unternehmen sind in der Lage ihr tenpunkte eines sich permanent verändernden Know-how mit billiger Arbeit in aufstrebenden Netzes. Der Druck auf die industriellen Standort- Volkswirtschaften zu kombinieren. Damit ste- schwerpunkte steigt. hen alle Aktivitäten entlang der gesamten Wert- schöpfungskette (Forschung und Entwicklung, Weitere Tendenzen sind die Modularisierungs- Konstruktion, Fertigung und Montage, Beschaf- und Standardisierungsstrategien der Landtech- fung, Service und administrative Funktionen) nikhersteller, durch die diese versuchen, ihre auf dem Prüfstand. Verlagerungsdiskussionen, Wettbewerbsfähigkeit auszubauen und Kosten aber auch neue Kooperationen und strategi- zu senken. Die Standardisierung von Modulen sche Allianzen gewinnen an Bedeutung. Diese und Komponenten zielt dabei auf kostensenken- Internationalisierung der Wertschöpfungsketten de Gleichheit, ohne auf die kundengerechte Fle- setzt auch die Zulieferkette unter Druck, da sich xibilität zu verzichten. die Zulieferer tendenziell nahe am Standort der Endhersteller positionieren. In den Abnehmer- DIGITALISIERUNG ländern versuchen sie ebenfalls weltweit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und mit den Im globalen Wettlauf um die Produkte und Märk- europäischen Zulieferbetrieben zu konkurrieren. te von morgen forcieren Politik und Wirtschaft Damit treibt die Globalisierung sogenannte Ent- durch vielfältige Initiativen sowie durch millionen- lokalisierungstendenzen voran. Das bedeutet: schwere Förderprogramme und Pilotprojekte den 17
Trend zur Digitalisierung oder „Industrie 4.0“. während der Landwirt eine zunehmend über- Hinter diesen Begriffen steht die Vision der ver- wachende Rolle übernimmt. „Smart-Farming“- netzten Fabrik, die durch intelligente selbststeu- und „Precision-Farming“-Lösungen digitalisie- ernde und selbstoptimierende Systeme und Fer- ren die Landwirtschaft. Beispiele für „Smart tigungsprozesse gekennzeichnet ist. Farming“ sind voll autonome Bearbeitungs- und Erntemaschinen, technische Systeme für Das Ziel ist die Erschließung weiterer Wertschöp- Echtzeit-Bodenanalysen mit individuellen Aus- fungspotenziale: Mittels hochautomatisierter, bringungsmatrizen oder für spektografische hochflexibler und ressourceneffizienter Produk- Online-Schädlingsanalysen und -bekämpfungs- tion sollen individuelle Produkte annähernd zu programme mittels Drohnen. „Precision Far- den Kosten traditioneller Massenfertigung her- ming“ umfasst die digitale Aufbereitung von gestellt werden. Darüber hinaus birgt die Digita- Informationen zur Entscheidungsunterstützung lisierung das Potenzial, die wachsende globale wie Farm-Management-Systeme, Agrar-Apps Nachfrage nach Lebensmitteln zu befriedigen oder Online-Plattformen für Informationsgewin- und gleichzeitig die Nachhaltigkeit der Primär- nung und -austausch. Dem Landwirt ist es durch produktion sicherzustellen. die Digitalisierung möglich, beispielsweise den Bedarf an Nährstoffen – wie Stickstoff und Groß angelegte Pilotprojekte für Smart Agri- Phosphor – auch für Teilbereiche seiner Felder culture werden beispielsweise durch das For- präzise zu bestimmen und auf diese Weise die schungs- und Innovationsprogramm der EU Ausbringung von Düngemittel zu optimieren. „Horizont 2020“ unterstützt. Als internationaler Dazu werden während der Wachstumsphase Innovations- und Technologieführer ist die deut- Daten von Erderkundungssatelliten ausgewer- sche Landtechnikindustrie sehr gut aufgestellt, tet, um Biomasse-Karten zu erstellen. Über den wobei zwischen der Digitalisierung der Land- Zuwachs an Biomasse lässt sich dann ausrech- technikprodukte („Smart- und Precision-Far- nen, wie der Ernährungszustand der Felder ist. ming“) und der Digitalisierung in der Produktion Außerdem fließen in die Berechnungen Daten unterschieden werden muss. von Bodenproben sowie von Sensoren ein, die den Stickstoffgehalt des Pflanzenbestan- Smart- und Precision-Farming-Technologien des direkt auf dem Acker messen. Aus diesen Die modernen Landtechnikprodukte ermög- Informationen generiert das System eine Dün- lichen der Landwirtschaft derzeit eine Vorrei- gerapplikationskarte und liefert auch gleich die terrolle bei der Digitalisierung – insbesondere notwendigen Einstellparameter für den Dünger- Innovationen in den Bereichen Sensorik, di- streuer mit. gitale Standortbestimmung, optische Erken- nungssysteme oder Datenvisualisierung. Diese Das Marktpotenzial für die digitalen Produkte ermöglichen landwirtschaftlichen Betrieben un- und Geschäftsmodelle ist weltweit riesig. Al- ter anderem eine genauere Überwachung und lein in Deutschland betrug das Alter der etwa Versorgung des Viehbestands, eine präzisere 1,2 Millionen zugelassenen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung von Ackerflächen und eine voll- Zugmaschinen (Stand: 2012) im Durchschnitt ständige Dokumentation der Produktion. 27,5 Jahre. Diese Maschinen sind derzeit nicht auf dem neuesten technologischen Stand be- Während in der Automobilindustrie über auto- ziehungsweise nicht vernetzungsfähig und ent- nom gesteuerte Fahrzeuge im Jahr 2020 disku- sprechend ineffizient. Erst jeder fünfte Landwirt- tiert wird, ist die autonom gesteuerte, voll digi- schaftsbetrieb (19 Prozent) nutzte im Jahr 2015 talisierte Erntemaschine in der Landwirtschaft Industrie 4.0-Anwendungen. In Betrieben mit längst Realität. Landmaschinen und Geräte ver- hundert und mehr Beschäftigten war es hinge- arbeiten selbständig Informationen und tref- gen schon jedes dritte Unternehmen (33 Pro- fen zumindest teilautonome Entscheidungen, zent). Tendenz steigend. 18
STAND DER DIGITALISIERUNG IN DER LANDWIRTSCHAFT Eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft dert befragten Betrieben nutzten bereits etwas mehr PricewaterhouseCoopers aus dem Jahr 2016 gibt als die Hälfte (53 Prozent) intelligente Landmaschi- Aufschluss über den aktuellen Digitalisierungsstand nen oder planten dies in naher Zukunft zu tun (vgl. in der deutschen Landwirtschaft. Unter den einhun- Abb. 5). Abbildung 5 NEUE TECHNOLOGIEN IM ACKERBAU Angaben in Prozent Farm-Management-Software 29 30 90 59 intelligente landwirtschaftliche 45 50 30 47 Maschinen Drohnen 10 10 11 87 Roboter 50 95 Agrar-Apps, Onlineplattformen oder Daten Dritter 39 40 70 50 GPS-Technologien 58 20 12 28 vorausschauende analytische Informationssysteme 20 10 79 Sensorik 15 30 80 74 bereits im Einsatz in der Testphase Einsatz geplant weder noch Quelle: PricewaterhouseCoopers, 2016. Eigene Darstellung Für die befragten Landwirtschaftsbetriebe stand der effizienter sowie Fungizide und Pestizide deutlich Nutzen der digitalen Landtechnik außer Frage. Im weniger eingesetzt werden. Die moderne Landtech- Hinblick auf unterschiedliche Nachhaltigkeitsaspek- nik ermöglicht es, Ressourcen zu schonen, wovon te ergab die Umfrage, dass Düngemittel wesentlich Umwelt und Verbraucher profitieren (vgl. Abb. 6). Abbildung 6 OPTIMIERUNG DES MITTELEINSATZES Angaben in Prozent … bei Dünger 24 13 11 22 30 … bei Pestiziden 2 20 13 7 26 31 … bei Fungiziden 2 20 15 6 26 31 … bei der Energie 17 11 7 31 33 … bei Saatgut 15 17 6 33 30 … bei Benzin 2 11 11 7 30 39 … bei Wasser 11 7 6 43 33 über 20 10-20 5-9 1-4 keine weiß ich nicht/k.A. Quelle: PricewaterhouseCoopers, 2016. Eigene Darstellung 19
Digitalisierung in der Produktion in den Aufbau von Technologien und Kompe- Im Gegensatz zu ihren Produkten befindet sich tenzen investiert. die Digitalisierung im Bereich der Landtechnik mit Blick auf Produktion und Wertschöpfungs- Bereits heute schätzen 64 Prozent der Befragten kette und dem Ziel der „intelligenten Fabrik“ den Vernetzungsgrad der Wertschöpfungskette noch in den Anfängen. Sie entspricht in etwa – von der Bestellung des Kunden über die Fer- dem Digitalisierungsgrad im deutschen Maschi- tigung beziehungsweise Dienstleistungserstel- nenbau insgesamt. lung, das Supply Chain Management und die Lo- gistik bis hin zum Kontakt mit dem Kunden und Eine repräsentative Umfrage im Oktober 2016 dem Kundenservice – als hoch ein. In der Umfra- für den deutschen Maschinenbau kam zu dem ge erreicht der Maschinenbau insgesamt 47 von Ergebnis, dass die befragten Unternehmen möglichen hundert Punkten und rangiert damit ihre Prozesse zu 38 Prozent in geringem Um- im Branchenvergleich beim Digitalisierungsgrad fang digitalisiert haben. Erst zehn Prozent der auf dem sechsten Platz (vgl. Abb. 7). Maschinenbauunternehmen haben ihre Pro- zesse in sehr großem Umfang digitalisiert. DEMOGRAPHISCHER WANDEL Abgesehen von der großen Spannbreite der Umsetzung gab die überwiegende Mehrheit Der Altersdurchschnitt der Belegschaften in der (69 Prozent) der Befragten an, dass die Digi- Landtechnikbranche ist – ebenso wie im Maschi- talisierung in die strategische Ausrichtung des nenbau insgesamt – mit tendenziell 50 Jahren Unternehmens eingebunden ist. Entsprechen- verhältnismäßig hoch. Diese Entwicklung wird de Reorganisationen der Unternehmenspro- durch den demographischen Wandel verstärkt: zesse sind daher abzusehen, denn auch in der Der Bevölkerungsvorausberechnung zufolge Landtechnikbranche wird gegenwärtig massiv wird – insbesondere in den Altersgruppen der Abbildung 7 DIGITALISIERUNGSGRAD MASCHINENBAU 2016 Gewerbliche Wirtschaft 55 Dienstleitungen 57 Verarbeitendes Gewerbe 39 Informations- und Kommunikationstechnologie 75 Wissensintensive Dienstleister 70 Finanz- und Versicherungsdienstleieter 61 Handel 55 Energie- und Wasserversorgung 48 Maschinenbau 46 Chemie/Pharma 45 Verkehr und Logistik 43 Fahrzeugbau 40 Gesundheitswesen 36 Sonstiges verarbeitendes Gewerbe 35 Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2016. Eigene Darstellung 20
unter 20-Jährigen und der 20- bis 65-Jährigen – in Zukunft mit einem Bevölkerungsschwund gerechnet. Bis zum Jahr 2030 rechnen Progno- sen mit einem Schwund der 20- bis 65-jährigen Bevölkerung um 15 Prozent, bis zum Jahr 2060 sogar um 21 Prozent. Für Unternehmen bedeutet dies, dass insge- samt weniger potenzielle Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und sich der Wettbewerbsdruck auf dem Arbeitsmarkt er- höht. Ein daraus resultierender Fachkräfteman- gel dürfte sich allerdings regional und je nach Berufsfeld sehr unterschiedlich darstellen. Es ist davon auszugehen, dass die Landtechnik- branche nicht stärker als der Maschinenbau insgesamt betroffen sein wird. Besonders Un- ternehmen in Regionen, in denen schon heute Die demographische Entwicklung gefährdet die verstärkte Bevölkerungsrückgänge verzeichnet Innovations- und damit die Wettbewerbsfähig- werden und die es überdies noch beispiels- keit, denn die Fachkräfte sind der wesentliche weise wegen einer weniger gut ausgestatteten Erfolgsfaktor für die industrielle Wertschöpfung Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten, medizi- am Standort Deutschland. Für die Landtechnik- nische Versorgung, Schulen und Kinderbetreu- branche ergibt sich aus dieser Entwicklung die ungseinrichtungen, Verkehrsanbindung usw.) Herausforderung, Fachkräfte zu gewinnen und und weniger ausgeprägten Beschäftigungs- sie durch gute Arbeitsbedingungen und beruf- möglichkeiten schwerer haben, Bewerber „an- liche Entwicklungschancen zu halten. Hier gilt zulocken“, sprechen heute bereits von einem es, den Wissenstransfer von Alt zu Jung zu orga- Fachkräftemangel. nisieren und die Arbeitsbelastung abzumildern, um ein gesundes Arbeiten bis zur Rente zu er- Hinsichtlich der Berufsfelder zeigt eine Fach- möglichen. kräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit im Juni 2017 Engpässe, die sich zwischen Chancen und Risiken, im Zusammenhang mit den einzelnen Bundesländern unterscheiden. dem demographischen Wandel, ergeben sich Ein bundesweiter Fachkräftemangel ist dem überdies aus den voranschreitenden Digitali- Bericht zufolge nicht generell, wohl aber vor al- sierungstendenzen in der Landtechnikbranche. lem in folgenden Berufsgruppen erkennbar:2 Neue Technologien und digitalisierte Prozesse Metallbau und Schweißtechnik; Fahrzeugtech- unterliegen einem immer schnelleren Wandel, nik; Mechatronik; Automatisierungstechnik; mit der Folge, dass sich die Halbwertzeit von Konstruktion und Gerätebau; Energietechnik; Wissen und Fähigkeiten tendenziell verkürzt. Aus- und Trockenbau; Softwareentwicklung und Der digitale Wandel verändert Arbeitsinhalte Programmierung. In diesen Bereichen dauert es und verlangt neue Inhalte der Aus- und Fortbil- schon jetzt überdurchschnittlich lange, bis freie dungsmaßnahmen. Eine wichtige Voraussetzung Stellen besetzt werden können. Die Fachkräf- dafür ist die Etablierung einer lernfreundlichen teengpässe betreffen hier zunehmend nicht nur Unternehmenskultur, in der Ältere nicht von her- akademische, sondern auch nicht-akademische ausfordernden Aufgaben und Weiterbildungsan- Bereiche. geboten ausgeschlossen sind. 2 In der Auflistung fehlen diejenigen Berufsgruppen, die für die Landtechnik nicht relevant sind. 21
„VON UNSEREM BEM PROFITIEREN ARBEITGEBER UND ARBEITNEHMER“ » Wir Betriebsräte stehen permanent vor der Heraus- Im Falle einer längeren Krankheit ist das BEM-Team forderung, die Themen im Betrieb zu identifizieren, – bestehend aus Betriebsratsmitgliedern, Personal- die die Beschäftigten umtreiben. Um möglichst früh- verantwortlichen und unserem Werksarzt als Fall- zeitig von ihren Sorgen und Nöten zu erfahren, set- manager – schnell in der Lage, gezielt zu helfen. zen wir uns vor Ort für eine bessere Kommunikation Die Maßnahmen reichen von orthopädischen Einla- ein. Ein positives Beispiel hierfür ist unser betrieb- gen für Arbeitsschuhe, einem höhenverstellbaren liches Eingliederungsmanagement (BEM) im Rahmen Schreibtisch bis hin zur Veränderung von Arbeitsauf- des betrieblichen Gesundheitsmanagements. gaben oder medizinischen Reha-Maßnahmen. Die Initiative dafür ging vom Betriebsrat aus. Den Besonders hilfreich ist dabei unser betriebliches ersten Entwurf für ein BEM hatten wir bereits im Jahr Frühwarnsystem. Früher bekam der Betriebsrat die 2011 ausgearbeitet. Im Februar 2013 traten wir in Fehlentwicklung oftmals erst dann mit, wenn das Kind erste Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ein, und bereits in den Brunnen gefallen war. Heute haben wir im Juli 2015 wurde die Betriebsvereinbarung letztlich durch präventive Handlungsmöglichkeiten eine ganz unterzeichnet. Der Zeitraum spiegelt die anfäng- neue Qualität. Wir können im Rahmen des BEM nach lichen Vorbehalte gegen ein BEM wider. Die Ängs- langer Krankheit und vor einer geplanten Wiederein- te bezogen sich vor allem auf den möglichen Miss- gliederung der Kollegin beziehungsweise des Kolle- brauch des BEM zu Lasten des Arbeitnehmers (unter gen Maßnahmen für eine gesundheitlich verträgliche anderem Arbeitsplatzverlust oder Abschiebung in Rückkehr an den Arbeitsplatz treffen. den vorzeitigen Ruhestand) oder des Arbeitgebers Insgesamt hat sich die Kommunikation verbessert. (unter anderem mögliche hohe Kosten im Vergleich Durch den Austausch sind vielfältige Innovationen zum Nutzen). entstanden, um die Motivation und Kreativität der Es hat sich aber gelohnt, bei dem Thema nicht locker Kolleginnen und Kollegen zu steigern. Gerade vor zu lassen. Denn die anfängliche Skepsis ist inzwi- dem Hintergrund der zunehmenden Arbeitsverdich- schen gewichen, und es gibt heute eine weitgehen- tung und des demographischen Wandels ist es de Akzeptanz. Das liegt insbesondere an den posi- wichtig, eine betriebliche Präventionskultur zu eta- tiven Erfahrungen der Beschäftigten sowie an der blieren, die frühzeitig und ganzheitlich ansetzt. Im Öffentlichkeitsarbeit: Sowohl Betriebsrat als auch Vordergrund der Bemühungen stehen eine gesunde Arbeitgeber sind vom Nutzen eines professionellen Belegschaft und zukunftsorientierte Arbeitsplätze, BEM überzeugt und werben gemeinsam dafür. von denen wir alle profitieren. « MARIA CORDO-CASTRO RAINER STRAUBE BETRIEBSRATSVORSITZENDE STELLVERTRETENDER BETRIEBSRATSVORSITZENDER CLAAS WERK HARSEWINKEL UND KOORDINATOR DES ARBEITSSICHERHEITS- UND GESUNDHEITSAUSSCHUSSES (AUGA) BEIM CLAAS WERK HARSEWINKEL 22
Sie können auch lesen