LANDTECHNIK ENTWICKLUNGSTRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN BRANCHENREPORT 2017 - Industrie - IG Metall NRW

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LANDTECHNIK ENTWICKLUNGSTRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN BRANCHENREPORT 2017 - Industrie - IG Metall NRW
Industrie Energie

LANDTECHNIK
ENTWICKLUNGSTRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN
BRANCHENREPORT 2017
LANDTECHNIK ENTWICKLUNGSTRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN BRANCHENREPORT 2017 - Industrie - IG Metall NRW
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Industrie Energie

LANDTECHNIK
ENTWICKLUNGSTRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN
BRANCHENREPORT 2017
LANDTECHNIK ENTWICKLUNGSTRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN BRANCHENREPORT 2017 - Industrie - IG Metall NRW
IMPRESSUM
Herausgeber: IG Metall Vorstand, VB 04, 60329 Frankfurt/Main
Verantwortlich: Wolfgang Lemb
Text: Ulrich Hartl, TBS gGmbH, Mainz
Redaktion: Flavio Benites, Astrid Ziegler, IG Metall Ressort Industrie-, Struktur- und Energiepolitik
Textbearbeitung, Satz und Layout: Agentur WAHLE COM, 56479 Elsoff
Druckerei: Henrich Druck + Medien, Schwanheimer Straße 110, 60528 Frankfurt am Main
Titelfotos: Case IH/CNH Industrial, John Deere, Same Deutz-Fahr
Fotos: Bernard Krone, Case IH/CNH Industrial, Claas, John Deere, Fendt/AGCO, Same Deutz-Fahr
Bestellung im Intra-/Extranet der IG Metall über Produktnummer 39469-73124
Kontakt und Bestellung für Nichtmitglieder: sarah.menacher@igmetall.de
Erste Auflage: Oktober 2017
LANDTECHNIK ENTWICKLUNGSTRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN BRANCHENREPORT 2017 - Industrie - IG Metall NRW
INHALT

Vorwort............................................................................................................ 4

Innovations- und Technologieführer Landtechnik............................................... 6

Struktur und Entwicklung der Landtechnikindustrie............................................7

Landtechnikindustrie am Standort Deutschland................................................. 9

Stärken der deutschen Landtechnikindustrie.................................................... 12

Trends und Herausforderungen für die Branche................................................. 14
       ENTWICKLUNGEN IM AGRARSEKTOR..................................................................................... 14
       GLOBALISIERUNG................................................................................................................. 16
       DIGITALISIERUNG................................................................................................................. 17
       DEMOGRAPHISCHER WANDEL...............................................................................................20
       GREENTECH..........................................................................................................................23

Bewertung der Branchenentwicklung: Auswirkungen auf …................................ 25
       … PRODUKTE UND PRODUKTINNOVATIONEN.........................................................................25
       … FERTIGUNG UND FERTIGUNGSTECHNOLOGIEN.................................................................. 26
       … FORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSTÄTIGKEITEN............................................................ 28

Auswirkungen auf die Beschäftigten................................................................. 30

Handlungsfelder für eine zukunftsfähige Landtechnik....................................... 34
       BETRIEBLICHE HANDLUNGSFELDER.......................................................................................34
       BRANCHENPOLITISCHE HANDLUNGSFELDER........................................................................ 38

Anhang........................................................................................................... 40

Literaturverzeichnis......................................................................................... 42

                                                                                                                                               3
LANDTECHNIK ENTWICKLUNGSTRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN BRANCHENREPORT 2017 - Industrie - IG Metall NRW
VORWORT
    Die Landtechnik ist nicht nur für die Volkswirt-    dringende Notwendigkeit, die Überalterung der
    schaft in Deutschland eine Schlüsselbranche des     Belegschaften anzugehen. Allerdings fehlt zu-
    Maschinenbaus, sie ist es auch für die IG Metall.   meist eine entsprechende Zukunftsplanung, um
    Sie hat sich in den letzten Jahren stabil entwi-    die Beschäftigten verstärkt aus- und kontinu-
    ckelt und sich trotz Krisensituationen im Ausland   ierlich weiterzubilden. Weitere Schwachstellen
    robust gezeigt: Nachdem die Umsätze der Land-       sind die hohe Arbeitsverdichtung sowie Arbeits-
    technik seit 2013 rückläufig waren, stabilisierte   zeiten, die aus dem Ruder gelaufen sind und ein
    sich der Markt seit 2016 und zeigt seither erste    saisonal hoher Anteil prekärer Beschäftigung.
    Anzeichen einer dauerhaften Erholung. Die Zahl
    der Beschäftigten ist dabei – selbst in den Jah-    Die bundesweite Beschäftigtenbefragung der
    ren mit Umsatzrückgang – seit 2013 vergleichs-      IG Metall 2017 hat auf diese Defizite nachdrück-
    weise stabil geblieben.                             lich aufmerksam gemacht. An dieser Befragung
                                                        haben sich mehr als viertausend Arbeitneh-
    Die Fertigungstiefe in der Landtechnik ist nach     merinnen und Arbeitnehmer der Landtechnik
    wie vor verhältnismäßig hoch. Die mehr als          beteiligt. Wir haben sie um ihre Einschätzung
    33000 Beschäftigten in den deutschen Stand-         der Branche gebeten. Ihre Sicht ist in dem hier
    orten leisten gute und qualifizierte Arbeit. Fünf   vorliegenden Branchenreport dargestellt.
    Global Player sind hierzulande angesiedelt und
    bedienen mit ihrer hochwertigen Produktpalette      Die Betriebsräte der Landtechnik sind gegen-
    Europa und den Weltmarkt. Die Landtechnik-          wärtig damit konfrontiert, dass die Geschäfts-
    industrie steht auch im internationalen Vergleich   leitungen nicht nur Hightech-Produkte anbieten
    sehr gut da. Dazu hat die gute Kooperation von      wollen, sondern auch das sogenannte mittlere
    Betriebsräten und Management im Rahmen der          Marktsegment bedienen müssen. Die aufstre-
    Mitbestimmung einen großen Anteil beigetragen.      benden Schwellenländer verlangen solche Stra-
                                                        tegien seitens der Unternehmen. Das erfordert
    Trotz dieser positiven Bewertung: Ein diffe-        eine differenzierte Produktentwicklung.
    renzierter Blick auf die Branche und ihre Zu-
    kunftsperspektiven zeigt einige Schwachstel-        Auch aus Sicht der IG Metall ist es für das Massen-
    len. Aufgrund ihrer hohen Exportquote (über         geschäft notwendig, das mittlere Marktsegment
    66 Prozent) ist die Branche stark von weltwirt-     zu bedienen. Aber die deutsche Landtechnik-
    schaftlichen Entwicklungen abhängig. In die-        industrie darf deshalb ihre Innovationsführer-
    sem Zusammenhang geraten die Märkte durch           schaft nicht aus der Hand geben. Die negativen
    den stärker protektionistischen Kurs in den         Folgen einer vernachlässigten Hochtechnologie
    Vereinigten Staaten, den Handelsstreit und          bei einer Konzentration auf das mittlere Seg-
    die Sanktionen zwischen der EU und Russland         ment wären für die hiesigen Produktions- und
    sowie aufgrund der unklaren zukünftigen Han-        Entwicklungsstandorte gravierend. Die Branche
    delsbeziehungen mit Großbritannien nach dem         muss in Europa und weltweit ihre technologische
    BREXIT weiter unter Druck.                          Führerschaft behaupten. Dies muss auch in Zu-
                                                        kunft die Strategie der Landtechnik bleiben.
    Die Stärken dieses Industriezweigs sind be-
    kannt: Innovationskraft, Hightech-Produktion,       Um die Zukunft nicht zu verspielen, ist es jetzt
    gute Ausbildung der Beschäftigten – um nur          geboten, die genannten Schwächen abzustellen
    einige zu erwähnen. Zu den Defiziten zählt der      und die Stärken weiter auszubauen. Damit ist
    demografische Wandel in den Betrieben, vor al-      die Branche gefordert, in ihr eigentliches Poten-
    lem das hohe Durchschnittsalter der Belegschaf-     zial – die Beschäftigten – zu investieren. Das
    ten. Es gibt in der Branche den Bedarf und die      bedeutet: mehr Ausbildungsplätze anbieten,

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Weiterbildung fördern und eine vorausschauen-      maßnahmen rechtzeitig bewältigen zu können.
de Personalpolitik betreiben. Nur so lassen sich   Der Strukturwandel muss zum Aufbau von Be-
die Innovationskraft und die Innovationsführer-    schäftigung führen. Er darf nicht den Abbau von
schaft der Landtechnik erhalten. Die IG Metall     Arbeitsplätzen zur Folge haben.
und ihre Betriebsräte werden den Unternehmen,
die sich dieser Aufgabe stellen, kooperative       Mit diesem Branchenreport liefert die IG Metall
Partner sein.                                      Denkanstöße und bezieht Positionen. Unsere
                                                   Einschätzungen wollen wir mit Vertreterinnen
Von der Politik erwarten wir eine vorausschau-     und Vertretern der Arbeitgeber, des VDMA und
ende Industriepolitik, die die Umbrüche in der     der Politik diskutieren. Unser gemeinsames Inte-
Branche aktiv begleitet. Denn der Strukturwan-     resse muss es sein, dass die Landtechnikindus-
del kennt nicht nur Gewinner. Der direkte Erfah-   trie mit guter Arbeit und motivierten Beschäftig-
rungsaustausch mit den Betriebsräten ist ein       ten eine sichere Zukunft hat.
Schritt in die richtige Richtung. Der begonnene
Branchendialog des Bundesministeriums für          Der vorliegende Report basiert auf einer von der
Wirtschaft und Energie (BMWi) ist ein positives    Technologieberatungsstelle (TBS gGmbH) Mainz
Signal. Aber es bedarf mehr: Gefordert sind        erstellten Recherche über die Lage, Entwicklung
staatliche Investitions- und Innovationsinitia-    und Perspektive der Branche. Sie ist im Auftrag
tiven, um vor allem die Herausforderungen der      der IG Metall und der Hans-Böckler-Stiftung ent-
wachsenden Digitalisierung in den Betrieben mit    standen. Der TBS und der HBS möchte ich an die-
geeigneten Qualifizierungs- und Weiterbildungs-    ser Stelle herzlich danken.

                                Wolfgang Lemb
                                Geschäftsführendes Vorstandsmitglied
                                der IG Metall

                                                                                                       5
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Innovations- und Technologieführer
    Landtechnik

    Landtechnik ist Hightech. Die Landtechnikindus-   Die Landtechnikbranche leistet als Vorlieferant
    trie hat sich längst zu einem internationalen     der Landwirtschaft einen wichtigen volkswirt-
    Innovations- und Technologieführer entwickelt.    schaftlichen Beitrag zum Agribusiness, einem
    Zu den Produkten der Branche gehören Traktoren,   der bedeutendsten Wirtschaftszweige. Das Agri-
    Erntemaschinen, Sä- und Düngetechnik, Boden-      business umfasst den Agrarsektor mit seinen
    bearbeitungsmaschinen, Anbaugeräte und Zu-        vor- und nachgelagerten Bereichen – also alle
    behörteile, Forsttechnik und Maschinen der Hof-   Tätigkeiten, die zur Herstellung und Verbreitung
    innenwirtschaft.                                  landwirtschaftlicher Produkte ausgeführt wer-
                                                      den. Vor allem dem technischen Fortschritt in der
    Der Stand der eingesetzten Technik reicht         Landtechnik – neben den Fortschritten im Bereich
    dabei von satellitenbasierten Orientierungs-      Pflanzenschutzmittel und der Zucht von leistungs-
    (GPS-Steuerung) und Kartierungssystemen,          fähigen Pflanzen und Tieren – ist die heutige Posi-
    die für eine enorme Präzision und zielgerech-     tion der Deutschen Landwirtschaft zu verdanken:
    te Ausbringung der Mengen sorgen, bis hin zu      Nahezu jeder achte Beschäftigte ist in der Land-
    sensorgestützter Informationsgewinnung, Ro-       und Ernährungswirtschaft tätig, die gemeinsam
    boter- und Drohnen-Technologie. Entsprechend      den viertgrößten Wirtschaftszweig bilden.
    machte der Digitalanteil an der Wertschöpfung
    (Sensortechnik, Elektronik und Software) bei      Rein rechnerisch erzeugt Deutschland mehr als vier
    Landmaschinen bereits im Jahr 2015 – nach         Fünftel seines Bedarfs an Lebensmitteln selbst. Tat-
    Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure –        sächlich werden größere Mengen Milch und Fleisch
    rund dreißig Prozent aus. Zum Vergleich: In       ausgeführt, Obst und Gemüse werden in größerem
    der Automobilbranche lag der Digitalanteil zu     Umfang eingeführt. Nirgendwo in Europa wird mehr
    diesem Zeitpunkt bei zehn Prozent. Die hohen      Milch und mehr Schweinefleisch erzeugt als hier-
    Standards aus der Landtechnik werden selbst       zulande. Im Weltagrarhandel nimmt das Land den
    von innovativen Industrien wie der Automobil-,    zweiten Platz ein und beim Export steht es hinter
    Luft- und Raumfahrttechnik genutzt.               den USA und den Niederlanden auf Platz drei.

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Neben der ökonomischen Bedeutung bezüglich         Der vorliegende Report befasst sich mit der aktu-
Einkommen und Beschäftigung im Agribusiness        ellen Lage, der Entwicklung und den branchen-
dürfen auch die sozialen und ökologischen As-      spezifischen Herausforderungen der deutschen
pekte nicht außer Acht gelassen werden. Erst das   Landtechnikindustrie. Auf Basis von Workshops
hohe Know-how in der Landtechnik ermöglicht        und Interviews mit zahlreichen Betriebsräten aus
eine umweltschonende Produktion von Erzeug-        dem Branchennetz Landtechnik der IG Metall so-
nissen. Eine energiesparende Landtechnik sowie     wie einer umfassenden Literaturstudie wurden
Precision- und Smart-Farming-Systeme leisten       die wesentlichen betrieblichen und politischen
einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz        Handlungsfelder identifiziert. Die Ergebnisse
sowie zur stabilen Versorgung mit Qualitäts-       lassen sich im Sinne einer zukunftsorientierten
lebensmitteln. Qualität und Produktionssicher-     Branchenarbeit nutzen, um die betriebs- und ar-
heit mittels moderner Landtechnik sichern somit    beitspolitische Entwicklung aktiv zu gestalten und
das Erfolgsmodell der deutschen Agrarprodukte      Maßnahmen für den Erhalt und für die Sicherung
im In- und Ausland.                                von Arbeitsplätzen zu ergreifen.

Struktur und Entwicklung
der Landtechnikindustrie

Weltweit erreichte die Landtechnikbranche im       fast zehn Milliarden Euro auf 91 Milliarden Euro.
Jahr 2013 mit einem Umsatz von rund 103 Mil-       Insbesondere in den wichtigen Absatzmärkten
liarden Euro ihr Allzeithoch und befindet sich     Russland, Indien, Nord- und Südamerika lag der
seitdem in einer Phase der Konsolidierung.         reale Rückgang 2015 im zweistelligen Bereich.
Während das globale Produktionsvolumen 2014        Dagegen blieb die Marktlage in der EU und in
noch 100,3 Milliarden Euro betrug, verringer-      China bis dato stabil. Der Abschwung setzte sich
ten sich die Umsätze im Jahr 2015 deutlich um      2016 mit einem Umsatz von 88,2 Milliarden Euro

                                                                                                        7
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Abbildung 1                                                                                      wirtschaft spezialisiert. Dazu zählen sowohl
 UMSATZENTWICKLUNG LANDTECHNIKINDUSTRIE WELTWEIT                                                 Maschinen und Technik für die Hofinnenwirt-
 Jahresumsatz in Milliarden Euro                                                                 schaft – beispielsweise Melk-, Kühl- oder Füt-
                                                           103
                                                                   100,3                         terungstechnik – als auch die Außentechnik
                                                  91                          91                 wie etwa Traktoren, Erntemaschinen, Bodenbe-
                                                                                      88,2
                                        80                                                       arbeitungsgeräte oder Sä- und Düngetechnik.
          68                                                                                     Nach Angaben des Fachverbandes Landtechnik
                               65
                     58
                                                                                                 im Verband Deutscher Maschinen- und Anla-
  57,8
                                                                                                 genbauer e.V. (VDMA) entfallen rund neunzig
                                                                                                 Prozent des globalen Landtechnikumsatzes
                                                                                                 auf die Außentechnik und zehn Prozent auf
                                                                                                 die Innentechnik. Der Hauptanteil des gesam-
                                                                                                 ten Umsatzes entfällt mit vierzig Prozent auf
                                                                                                 den Verkauf von Traktoren, gefolgt von Ernte-
                                                                                                 maschinen.
 2007    2008       2009     2010      2011     2012      2013     2014      2015     2016

                                                                                                 Die Landtechnikmärkte entwickelten sich in
                           Quelle: Jahrbuch Agrartechnik, 2016. VDMA, 2015. Eigene Darstellung
                                                                                                 den vergangenen Jahren – mit Ausnahme von
                                                                                                 Russland – in eine ähnliche Richtung wie die
                           weiter fort und erreichte damit in etwa das Ni-                       Traktorenabsätze. 2016 wurden weltweit – mit
                           veau des Jahres 2011 (vgl. Abb. 1). Erst in diesem                    leichtem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr –
                           Jahr scheint sich die Lage zu stabilisieren.                          1,9 Millionen Traktoren verkauft. Die mengen-
                                                                                                 mäßig größten Absatzmärkte für Traktoren sind
                           Die Gründe für den globalen Rückgang liegen                           Indien (Jahr 2016: 569066 Stück) und China
                           vor allem in den geringeren Einkünften der Land-                      (Jahr 2016: 420189 Stück). Hier sind zusammen-
                           wirte als Abnehmer für Landtechnikerzeugnisse.                        gerechnet rund fünfzig Prozent der weltweit ver-
                           Die Preise für Agrarerzeugnisse sind in den ver-                      kauften Maschinen zugelassen. Danach folgen
                           gangenen Jahren deutlich gesunken und befin-                          die USA (Jahr 2016: 211194 Stück) und Europa
                           den sich (Stand: 2016) über alle Warengruppen                         (Jahr 2016: 165353 Stück).
                           hinweg auf einem fast siebenjährigen Tiefst-
                           stand. Trotz insgesamt hoher Erntemengen                              Jedoch weisen die meisten der nach Indien und
                           bleibt die Investitionsbereitschaft der Landwirte                     China verkauften Traktoren wesentlich niedrige-
                           daher gering, und der Markt stabilisiert sich auf                     re Durchschnittsleistungen (und Preise) auf als
                           derzeitigem Niveau.                                                   die Traktoren, die vorwiegend in den großflächi-
                                                                                                 gen Agrarstrukturen der wichtigen Agrarländer
                           Im weltweiten Vergleich ist die Europäische Uni-                      wie den USA und Russland oder in den Ländern
                           on mit einem Anteil von 28 Prozent zum stärksten                      mit intensiver Landwirtschaft in Westeuropa zum
                           Landtechniklieferanten aufgerückt. Das Produk-                        Einsatz kommen. Zwar existiert auch dort eine
                           tionsvolumen der Landtechnik in der Europäi-                          Nachfrage nach kleineren Leistungsklassen – in
                           schen Union hat sich allein im ersten Jahrzehnt                       den USA machen Traktoren unter dreißig PS in-
                           dieses Jahrhunderts von 2000 bis 2010 nahezu                          zwischen 63 Prozent des Marktvolumens aus –,
                           verdoppelt. Mit einem Anteil von 22 Prozent am                        jedoch befördert der Trend in Richtung Großfar-
                           globalen Produktionsvolumen folgt Nordame-                            men die Nachfrage im oberen Leistungs- und
                           rika (NAFTA). China belegt mit einem Anteil von                       Preissegment. Ähnlich ist der Ausblick im Inland:
                           18 Prozent Platz drei.                                                Die Landtechnikindustrie geht für den deutschen
                                                                                                 Markt von einer steigenden Betriebsgröße bei
                           Die Landtechnikhersteller sind auf hoch ent-                          einem Rückgang der Betriebe von jährlich drei
                           wickelte Produkte für den Einsatz in der Land-                        Prozent bis 2030 aus.

                8
Landtechnikindustrie am Standort
Deutschland
2016 erwirtschafteten die rund zweihundert               Vorjahr fiel der Umsatz 2014 mit 10,2 Milliarden Eu-
Landtechnikhersteller (mit mehr als zwanzig Be-          ro 3,3 Prozent geringer aus. Das Jahr 2015 beendete
schäftigten) am Standort Deutschland mit 33035           die Branche mit einem Minus von weiteren 6,6 Pro-
Beschäftigten einen Umsatz in Höhe von rund              zent (9,5 Milliarden Euro). 2016 (minus 1,0 Prozent)
9,6 Milliarden Euro und damit etwa 10,9 Prozent          stabilisierte sich der Markt und zeigt seitdem erste
des weltweiten Landtechnikumsatzes. Damit ge-            Anzeichen für eine dauerhafte Erholung.
hört die Branche zu den zehn größten innerhalb
der insgesamt 32 Fachzweige, in die der VDMA             Die deutsche Landtechnikindustrie ist durch
den Maschinenbau unterteilt: Hinsichtlich der            einen hohen Internationalisierungsgrad cha-
Umsatzentwicklung lag die Branche im Jahr 2015           rakterisiert. Im Jahr 2016 betrug der Anteil des
auf Rang sieben und beim Produktionswert auf             Auslandsumsatzes 66,6 Prozent (etwa 6,39 Mil-
Rang acht.                                               liarden Euro) des Gesamtumsatzes. Damit er-
                                                         reicht die Branche einen der höchsten Aus-
Der Branchenumsatz in Deutschland verlief dabei          landsanteile am Umsatz im gesamten Agribu-
ähnlich wie die globale Entwicklung (vgl. Abb. 2).       siness. Die wichtigsten Abnehmerländer für
Auf die Boom-Phase bis zum Allzeithoch im Jahr           deutsche Landtechnik befinden sich in der Eu-
2013 – die Umsatzsteigerung der Branche zwi-             ropäischen Union. Dorthin wurden 63,4 Prozent
schen den Jahren 2010 und 2013 betrug 39,5 Pro-          der Exporte abgesetzt – vor allem nach Frank-
zent – folgten Umsatzrückgänge. Im Vergleich zum         reich (15,8 Prozent), Großbritannien (6,7 Pro-

Abbildung 2

  UMSATZENTWICKLUNG DEUTSCHE LANDTECHNIKINDUSTRIE
  Jahresumsatz in Milliarden Euro
                                10,7                                        10,6
                                                                   10,2                10,2
                                                          9,6                                      9,5        9,6

                       8,6
                                 3,9                                         3,9
                                           8                        3,8                 3,7
               7,4                                 7,6
                                                           3,6                                     3,5        3,6
                       2,2
       6,8
                                          2,4
               2,3                                 2,7
       1,9
                                 3,4                                         3,1        2,9
                                                                    2,9
                        3,5                                2,7                                     2,7        2,8
                                          2,6
       2,4     2,4                                 2,1

                                 3,4                       3,3      3,5      3,6        3,6        3,3
                       2,9                 3                                                                  3,2
       2,5     2,7                                 2,8

      2005    2006     2007     2008     2009     2010    2011     2012     2013       2014       2015       2016

      Inlandsumsatz    Auslandsumsatz mit der Eurozone   Auslandsumsatz mit dem sonstigen Ausland         gesamt

                                                                      Quelle: Statistisches Bundesamt. Eigene Darstellung

                                                                                                                            9
zent), Polen (5,0 Prozent), den Niederlanden                von 1357,4 Millionen Euro (2015) den Hauptanteil
     (4,5 Prozent), Österreich (4,4 Prozent) und Italien         in der Landtechnikproduktion dar (vgl. Abb. 3).
     (3,8 Prozent). In die USA wurden 12,1 Prozent
     der landtechnischen Produkte exportiert. Und                In der deutschen Landtechnikindustrie (Betriebe
     trotz des Handelsstreits zwischen der EU und                mit mehr als fünfzig Beschäftigten) arbeiteten
     Russland sowie der daraus resultierenden bei-               2016 insgesamt 33035 Menschen. Die Zahl der
     derseitigen Sanktionen nahm Russland mit                    Beschäftigten ist auch in den Jahren mit Umsatz-
     4,2 Prozent den siebten Platz in der Außenhan-              rückgang seit 2013 vergleichsweise stabil ge-
     delsstatistik ein.                                          blieben (vgl. Abb. 4). Langfristig betrachtet ent-
                                                                 wickelte sich die Zahl der Beschäftigten in den
     Traktoren mit einer Motorleistung von mehr als              deutschen Landtechnikbetrieben positiv. Der
     neunzig Kilowatt stellen mit einem Anteil in Höhe           Anstieg der letzten sechs Jahre beträgt – in den

      Abbildung 3

       PRODUKTION AUSGEWÄHLTER LANDMASCHINEN IN DEUTSCHLAND
       Angaben in 1 000 Euro

        Maschinenart                2010           2011            2012              2013            2014              2015

        Schlepper                  1 345 117    1 698 747 1 900 870 2 046 280                      1 972 721 1 862 452
               bis 37 kW             93 950       127 720   103 454    84 705                         98 504     91 172
               37 kW – 90kw         390 651       454 081   498 198   502 092                        449 174   390 000
               über 90 kW           843 498     1 092 476 1 275 939 1 433 784                      1 397 425 1 357 439
        Mähdrescher*                210 579        312 321          331 597         298 030           314 147         303 086
        Wender und Schwader          78 429         99 217          125 033          124 253         109 833          109 922
        Feldhäcksler*               107 206       127 002           142 150          105 475          110 097          129 551
        Pflanzenschutzgeräte         71 930         72 285            91 133        112 820          128 026           113 069
        Sämaschinen                  57 973          77 391         112 253          120 955          121 265         100 867
        Mineraldüngerstreuer         25 049         34 804           38 193           45 064           43 704           37 952
       *inkl. Anbaugeräten              Quelle: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2010 – 2016. Eigene Darstellung

10
Betrieben mit mehr als fünfzig Beschäftigten –
durchschnittlich 3,9 Prozent pro Jahr. Die Anzahl
der Beschäftigten wuchs von 26781 im Jahr 2010
auf 33035 im Jahr 2016.

Die vorliegenden Zahlen beziehen sich auf Be-
triebe mit mehr als fünfzig Beschäftigten und
betreffen damit 64 Prozent aller Unternehmen
in der Landtechnik. Diese repräsentieren 93 Pro-
zent der Beschäftigten in der Branche und er-
wirtschaften etwa 96 Prozent des gesamten Um-
satzes. Diese Zahlen verdeutlichen zugleich den            hervor. Während im Jahr 2012 noch 323,7 Milli-
vergleichsweise hohen Konzentrationsgrad der               onen Euro investiert wurden, waren es 2014 nur
Branche. Allein die vier „Full-Liner“ – Deere &            noch 282,8 Millionen Euro. Im langjährigen Ver-
Company sowie AGCO, CNH Industrial und CLAAS               gleich entwickelte sich das Investitionsverhalten
– erzielen zusammen etwa vierzig Prozent des               hingegen weiterhin positiv und liegt gegenwär-
weltweiten Landtechnikumsatzes.                            tig deutlich über dem Niveau des Jahres 2008
                                                           (190,4 Millionen Euro). Der überwiegende Anteil
Die Investitionen in der Landtechnikbranche sind           floss in Ersatzinvestitionen und Kapazitätser-
entsprechend den rückläufigen Umsatzzahlen                 weiterungen. 83,4 Prozent der Investitionen im
insgesamt niedriger als in den vergangenen Jah-            Jahr 2014 wurden für Maschinen verwendet. Eine
ren. Das geht aus den Daten des Konjunkturba-              tendenziell größere Rolle für das Investitionsver-
rometers Agribusiness in Deutschland 2017 der              halten spielt derzeit die voranschreitende Digita-
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young              lisierung der Branche.

Abbildung 4

  BESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG IN DER LANDTECHNIK                                            33 329
                                                                                                    32 788     33 035
                                                                               31 820
                                                                    30 450

                                         27 421            27 572
                                                  26 781
                                25 813
                       23 968
              22 637
     21 633

      2005    2006     2007     2008     2009     2010     2011      2012       2013       2014      2015       2016

                                                                Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung nach Destatis 2016

                                                                                                                               11
Stärken der deutschen
     Landtechnikindustrie

     Vielfältige Stärken sichern den weltweiten Er-      biet der komplexen elektronischen Steuerungs-,
     folg der deutschen Landtechnikindustrie. Ein        Regelungs- und Informationstechnik entwickeln
     großer Vorteil ist die lange Landmaschinentra-      viele Landtechnikhersteller ihre Elektronik- und
     dition, die als Inspiration für echte Innovatio-    Dokumentationssysteme am Standort Deutsch-
     nen genutzt wird und weltweit zu einer starken      land. Dies hat regelmäßig hohe Investitionen in
     Reputation beiträgt. Die unterschiedlichen be-      diesem Bereich zur Folge.
     trieblichen, topografischen und klimatischen
     Gegebenheiten in Deutschland bieten dabei ein       Entscheidend für den Erfolg der deutschen
     großes Erprobungsterrain für den Einsatz in an-     Landtechnik sind ihre Innovationskraft und Fer-
     deren Ländern.                                      tigungsqualität, die im Wesentlichen von der
                                                         Qualifikation der Beschäftigten abhängen. Die
     Wesentliche Erfolgsfaktoren der Branche sind        Branche zeichnet sich somit durch ein differen-
     die hohe Spezialisierung und gleichzeitig eine      ziertes Know-how aus, das die Produktspezifi-
     enge Verflechtung der Landtechnik mit vor- und      kationen und Lösungsangebote ebenso umfasst
     nachgelagerten Wirtschaftsbereichen. Als äu-        wie die Produktions- und Fertigungstechniken.
     ßerst günstig erweisen sich ferner die über Jahre   Nicht nur die Hightech-Traktoren, sondern bei-
     gewachsenen Wertschöpfungsketten sowie eta-         spielsweise auch die anspruchsvollen Produk-
     blierte Strukturen der Zusammenarbeit zwischen      te der Selbstfahrtechnik – Mähdrescher, Feld-
     Herstellern, ihren Zulieferern, Kunden, Hoch-       häcksler, Mähaufbereiter, Futtermischwagen,
     schulen und Universitäten. Diese tragen dazu        Kartoffelvollernter, Zuckerrübenvollernter und
     bei, den Nutzen neuer Technologien zu erschlie-     Feldspritzen – illustrieren den Wettbewerbsvor-
     ßen und Ideen in marktreife Lösungen umzuwan-       teil durch Hochtechnologie „made in Germa-
     deln. Dank der hervorragenden Voraussetzungen       ny“. In diesem Zusammenhang ist das deutsche
     für die Forschung und Entwicklung auf dem Ge-       Berufsbildungssystem hervorzuheben, das im

12
internationalen Wettbewerb nach wie vor ein Er-           Die Vorteile sind offensichtlich: Wer sich an sein
folgsmodell darstellt und zum hohen Qualifika-            Unternehmen gebunden fühlt, zeigt mehr Eigen-
tionsniveau beiträgt.                                     initiative, Leistungsbereitschaft, Verantwortungs-
                                                          bewusstsein, ist weniger häufig krank und zu-
Darüber hinaus schaffen die große Flexibilität,           dem innovativer. Hinzu kommt: Emotional en-
Effizienz und Produktivität der Belegschaften die         gagierte Beschäftigte bringen 45 Prozent mehr
Voraussetzungen dafür, in kurzer Zeit auf die Kun-        Anregungen und Verbesserungen ein (vgl. Gallup
denwünsche einzugehen und Innovationen schnell            Engagement-Index 2012).
an den Markt zu bringen. Vorteilhafte Standort-
faktoren liegen in Deutschland zudem in der ex-           Generell sind die Wettbewerbsvorteile aus dem
zellenten Forschungsinfrastruktur, der räumlichen         deutschen System der Mitbestimmung nicht zu
Nähe von Entwicklungszentren und Produktions-             unterschätzen: Empirische Studien (vgl. unter
stätten sowie in der Verbindung von Konstruktion          anderem Wigboldus/Grift et. al., 2014) zur Mit-
und Fertigung in der Produktionsstätte.                   bestimmung belegen, dass Unternehmen mit
                                                          Betriebsräten produktiver und profitabler sind
Weitere wichtige Erfolgsfaktoren für Landtech-            als jene ohne Betriebsräte. Wesentliche Aspek-
nikbetriebe liegen im deutschen Modell der                te sind der verbesserte Informationsfluss und
industriellen Beziehungen mit seiner dualen               Vertrauensaufbau zwischen Belegschaft und
Struktur von gewerkschaftlicher und betrieb-              Management sowie das Korrigieren von Fehl-
licher Interessenvertretung. Tarifverträge ma-            entscheidungen. In diesem Zusammenhang ist
chen Arbeitsbedingungen attraktiv. Deshalb ist            das gut funktionierende Netzwerk der IG Metall-
vor allem bei den tarifgebundenen Unternehmen             Betriebsräte der Landtechnikbranche positiv
eine starke Mitarbeiterbindung festzustellen.             hervorzuheben.

NETZWERK LANDTECHNIK
 Bereits seit März 1999 finden regelmäßig zweimal pro     stimmung und Zusammenarbeit mit Kolleginnen
 Jahr Treffen zwischen den Betriebsräten aus der Land-    und Kollegen in anderen Ländern vorangetrie-
 technikbranche sowie Vertreterinnen und Vertretern der   ben. Der Austausch wurde im August 2007 mit der
 IG Metall statt. In diesem Rahmen werden einerseits      Gründung des Europäischen Arbeitnehmernetzwer-
 aktuelle betriebliche und branchenbezogene Entwick-      kes Landtechnik institutionalisiert. Die Kontakte
 lungen und Schwerpunktthemen behandelt. Anderer-         sind angesichts der grenzüberschreitenden Unter-
 seits finden eine intensive Vernetzung und ein Infor-    nehmensstrategien bedeutsam, um sich nicht mit
 mationsaustausch zwischen den Teilnehmern statt.         „billiger“-Argumenten gegeneinander ausspielen
 In einer gemeinsamen Positionsbestimmung der             zu lassen und den Forderungen vieler Arbeitgeber
 Betriebsräte wurden folgende Ziele des IG Me-            auf Lohnverzicht oder Arbeitszeiterhöhungen etwas
 tall-Netzwerks Landtechnik formuliert:                   entgegensetzen zu können.
    Der Dialog und die Kooperation zwischen den Be-
     triebsräten wird organisiert und verstärkt.
     Probleme der Beschäftigten in den Unternehmen
      der Landtechnik werden betriebsübergreifend
      angegangen.
      Betriebsräte werden zu speziellen betrieblichen
       und branchenorientierten Themen qualifiziert.
       Brancheninitiativen werden gemeinsam entwi-
       
       ckelt und im Dialog mit den Unternehmensleitun-
       gen diskutiert.
 Darüber hinaus wurde im Zuge der fortschreitenden
 Internationalisierung die grenzüberschreitende Ab-       Branchenteam Landtechnik der IG Metall

                                                                                                               13
Trends und Herausforderungen
     für die Branche

     Die Beschäftigten der Landtechnikbranche wer-        Mehreinsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln
     den gegenwärtig durch eine Reihe von Entwicklun-     und Bewässerung – in den vergangenen fünfzig
     gen vor immer neue Herausforderungen gestellt.       Jahren nahezu verdreifacht hat, wird von einer
     Für die Zukunftsfähigkeit und damit Standort-        Verdopplung der Nachfrage nach Agrarprodukten
     sicherheit der deutschen Landtechnikbetriebe         bis zum Jahr 2050 ausgegangen. Der Nachfrage-
     wird die erfolgreiche Problembearbeitung von         anstieg beträgt aufgrund der Entwicklungen im
     entscheidender Bedeutung sein. Im Folgenden          Nahrungsmittel-, Futtermittel- und Bioenergie-
     werden die wesentlichen Trends nachgezeichnet.       sektor insgesamt 1,8 Prozent jährlich. Neben der
                                                          starken Nachfrage macht nicht zuletzt die Flächen-
     ENTWICKLUNGEN IM AGRARSEKTOR                         konkurrenz – also die Konkurrenz zwischen dem
                                                          Anbau von Energiepflanzen zur Erzeugung von Bio-
     Die Landtechnikbranche ist stark von den nationa-    energie und dem Anbau von Nahrungs- und Futter-
     len und internationalen Entwicklungen des Agrar-     mittelpflanzen – eine immer effizientere Landtech-
     sektors als Nachfrager der Produkte abhängig. Gro-   nik notwendig.
     ße Herausforderungen für die Landtechnikbranche
     ergeben sich insbesondere aus dem Agrarstruktur-     Der fortwährende Wettbewerb zeigt sich insbeson-
     wandel, der Flächenkonkurrenz, der Bio- und Gen-     dere beim Strukturwandel in der Landwirtschaft
     technologie sowie dem Weltagrarhandel.               in Richtung größere Betriebe, höhere Leistungen,
                                                          stärkere Spezialisierung und Rationalisierung. Al-
     Positiv auf die Nachfrage nach Landtechnikproduk-    lein in Deutschland hat sich die Zahl der landwirt-
     ten wirkt sich das globale Bevölkerungswachstum      schaftlichen Betriebe zwischen den Jahren 2010
     aus: Während sich die globale Nahrungsproduk-        und 2016 um rund 23000 Betriebe verringert. Die
     tion – vor allem aufgrund neu gezüchteter Getrei-    Tendenz zu immer größeren Agrarbetrieben ist
     desorten mit höherem Ertragspotenzial und dem        nicht neu: 1990 waren insgesamt noch fast 630000

14
Agrarbetriebe in Deutschland registriert, 2016 wa-           ben, sind es inzwischen nur noch zehn bis zwanzig
ren es nur mehr 275000.                                      Prozent. Heute sind im landwirtschaftlichen Sektor
                                                             vier Firmen – genannt die „ABCD Gruppe“ (Archer
Befeuert wird der Trend zu weiterer Konzentration            Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Drey-
und Industrialisierung der Landwirtschaft vor allem          fus) – für schätzungsweise 75 Prozent bis neunzig
durch die Entwicklungen an den Märkten und einer             Prozent des weltweiten Getreidehandels verant-
entsprechenden politischen Subventionspolitik.               wortlich. Sechs Firmen (BASF, Bayer, Dow Agroche-
Zum einen machen Preisschwankungen an den                    micals, DuPont, Monsanto, Syngenta) haben die
Börsen die Spekulation mit Nahrungsmitteln für               Kontrolle über den kommerziellen Saatgutmarkt
Investoren interessant. Die Preisvolatilitäten auf           und bestimmen die zukünftige Richtung der Agrar-
den Weltmärkten für Agrarrohstoffe und tierische             forschung.1 Sie geben 4,7 Milliarden US-Dollar für
Produkte haben großen Einfluss auf die landwirt-             landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung aus
schaftlichen Betriebe und damit auf die Nachfrage            und generieren pro Jahr fünfzig Milliarden US-Dol-
nach Produkten der Landtechnik. Zum anderen                  lar Umsatz mit Saatgut, Genetik und Agrarchemie.
führt Preisdumping und Subventionspolitik zur
landwirtschaftlichen Massenproduktion in inves-              Der vermehrte Anbau und Absatz gentechnisch
torengeführten Großbetrieben, denn Lebensmittel              veränderter Pflanzen und Nutztiere erfordert neue
sind heutzutage Massenware. Die Discounter un-               Technologien in der Landtechnik. Darüber hinaus
terbieten sich gegenseitig mit Niedrigpreisen.               sind die Unternehmen der Landtechnikindustrie in
                                                             diesem Dreieck unterschiedlicher Interessen (Ag-
Während die Menschen in den Industrieländern                 rarwirtschaft, Pharmaindustrie und Nahrungsmit-
noch bis in die 1970er Jahre vierzig bis fünfzig Pro-        telindustrie) herausgefordert, sich mit ihren Forde-
zent ihres Einkommens für Essen ausgegeben ha-               rungen entsprechend strategisch zu positionieren.

                                                             New Holland Agriculture, New Holland Construction,
                                                             IVECO, IVECO Astra, IVECO Bus, Heuliez Bus,
                                                             Magirus, Iveco Defence Vehicles, FPT Industrial
                             KARL KLUG                       oder seit Februar 2017 die Sparte Bodenbearbei-
                                                             tung, Aussaat und Grünlandtechnik von Kongskilde:
                             KONZERNBETRIEBSRATS-
                                                             Alle hatten ihre eigenen Prioritäten, die es zu sam-
                             VORSITZENDER                    meln und unter einen Hut zu bringen galt.
                             CASE NEW HOLLAND INDUSTRIAL-    Durch eine gute Zusammenarbeit der Betriebsräte
                             ERSATZTEILLAGER HEIDELBERG      an den Standorten, in den Gesamt- und Konzern-
                                                             betriebsräten kommt das Ziel in greifbare Nähe.
                                                             Die Ausarbeitungen der neuen Betriebsvereinba-
     DREIZEHN MARKEN, EIN KONZERN –
                                                             rungen, wie zum Beispiel die Gefährdungsbeur-
     VIEL ZU TUN FÜR BETRIEBSRÄTE…                           teilung auf Konzernebene, sind bereits im vollen
     » Aus Fiat Industrial und CNH wurde CNH Industrial:     Gange. Natürlich sind auch die Themen „Digita-
     Im September 2013 war es endlich offiziell. Viele       lisierung“ und „demografischer Wandel“ an den ein-
     Baustellen galt es, zu bewältigen. Neue Zuständig-      zelnen Standorten präsent. Die stetig ausgefeiltere
     keiten und manche offene Frage mussten geklärt          Technik und die neuen Möglichkeiten der Daten-
     werden. Für die Betriebsräte der CNHi hieß das: die     erfassung machen eine kontinuierliche Kommu-
     Vernetzung verbessern, um den Beschäftigten die         nikation zwischen Datenschutzbeauftragten, dem
     Vertretung zu garantieren, die sie verdienten.          Betriebsrat und der Geschäftsleitung erforderlich.
     Dies stellte sich jedoch als gar nicht so leicht her-   Der Schutz der Beschäftigten, damit sie nicht
     aus, denn für jede Marke gab es andere Belange.         zum gläsernen Mitarbeiter werden, steht hier an
     Egal ob Case IH, Steyr, Case Construction Eqipment,     erster Stelle. «

1
    Die Zulässigkeit der beabsichtigten Fusion zwischen Bayer und Monsanto wird derzeit durch die zuständige
    Behörde der europäischen Union geprüft.

                                                                                                                    15
GLOBALISIERUNG                                     ckelten Regionen noch Technik aus der Frühzeit
                                                        der Landwirtschaft eingesetzt wird.
     Die fortschreitende Globalisierung, die dazu
     führt, dass sich Produktion und Handel über        Dennoch versuchen die Schwellenländer, in der
     nationalstaatliche Grenzen hinaus ausdehnen,       Landtechnik aufzuholen: Die globale wirtschaft-
     bringt vielschichtige Herausforderungen für die    liche Dynamik, aufgrund derer eine Verschie-
     Landtechnikbranche mit sich. Einerseits profi-     bung von Marktanteilen hin zu den Wachstums-
     tieren die Landtechnikhersteller vom globalen      märkten in den aufstrebenden Schwellenländern
     Handel, denn die weltweit unterschiedlichen        zu beobachten ist, betrifft den Maschinebau
     Vegetationsperioden sichern die Nachfrage nach     insgesamt. Der Nachholbedarf an industriellen
     Landtechnikprodukten zu verschiedenen Jah-         Maschinen und Produkten geht mit einer mas-
     reszeiten. Andererseits müssen auch Vertrieb       siven Zunahme des Wettbewerbsdrucks einher.
     und Service in den unterschiedlichen Regionen      Für die Landtechnikindustrie ergibt sich folgen-
     gewährleistet werden. Zudem ist der Einsatz        des Bild: Die Branche hat die großen Konzentra-
     von Landtechnik grundsätzlich von strukturel-      tionsprozesse bereits vollzogen. Einige wenige
     len, pflanzenbaulichen und verfahrenstechni-       Konzerne teilen sich den Großteil des Marktes
     schen Gegebenheiten am jeweiligen Standort         auf. Insbesondere folgende fünf Unternehmen
     abhängig. Hinzu kommt, dass die Bandbreite         dominieren den Weltmarkt der Landtechnik:
     der Mechanisierung weltweit nach wie vor groß      der US-Konzern Deere & Company, der zu FIAT
     ist: Über Weizenfelder in den USA und Westeuro-    gehörige niederländische Konzern CNH Indust-
     pa rollt die voll automatisierte, GPS-gesteuerte   rial (umfasst unter anderem Case, New Holland,
     Hightech-Maschine, während in weniger entwi-       Steyr, Magirus und Iveco), der japanische Kon-
                                                        zern Kubota (unter anderem Kverneland, Great
                                                        Plains), der US-Konzern AGCO (unter anderem
                                                        Gleaner, Deutz-Fahr, Fendt und Massey Fergu-
                                                        son) sowie das deutsche Unternehmen Claas.
                                                        Ihre Expansion gelang weniger aus eigener Kraft
                                                        als vielmehr infolge des ununterbrochenen Auf-
                                                        kaufs von kleineren Herstellern, deren Marken
                                                        zum Teil erhalten blieben.

                                                        Der Trend, die mittelständischen Landtechnik-
                                                        hersteller zu übernehmen und entweder ins ei-
                                                        gene Unternehmen einzugliedern oder in eine
                                                        Beteiligungsgesellschaft zu integrieren, hält bis
                                                        heute an. Dabei verfolgen die großen Landtech-
                                                        nikanbieter die Full-Liner-Strategie. Ziel ist es,
                                                        das Produktprogramm weiter auszubauen und
                                                        dem Kunden alles aus einer Hand zu bieten: vom
                                                        Traktor über Drescher und Häcksler bis hin zu
                                                        Maschinen für die Futterernte und Bodenbear-
                                                        beitung.

                                                        Diese Marktkonsolidierung betrifft insbesonde-
                                                        re das preisliche und technologische Premium-
                                                        segment (Hightech). Für die deutschen Betriebe
                                                        besteht daher die besondere Herausforderung
                                                        darin, neben dem Hightech-Segment auch das

16
volumenstarke mittlere und untere Marktseg-
ment abzudecken. Ersteres bietet zwar höhe-
re Gewinnmargen. Die großen Absatzmengen
werden weltweit allerdings im unteren und
mittleren Segment erzielt. Die Unternehmen
der Hersteller aus den aufstrebenden Schwel-
lenländern versuchen strategisch im unteren
und mittleren Technologiesegment Fuß zu fas-
sen, um künftig Märkte in den sogenannten
BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, Chi-
na), aber auch in Afrika erfolgreich bedienen
zu können. Durch große Verkaufsmengen er-
zielen sie hohe Gewinne, die dazu verwendet
werden, entweder eigene Forschungs- und Ent-
wicklungsaktivitäten (F&E) zu finanzieren, oder
ihr technologisches Defizit durch Übernahmen
(Mergers und Acquisitions, M&A) von Premi-
umanbietern zu überwinden. Folglich wird es
künftig für die deutschen Landtechnikhersteller
schwieriger werden, ihren technologischen Vor-
sprung aufrechtzuerhalten.

Die Branche und ihre Geschäftsmodelle werden
darüber hinaus durch die Globalisierung und
den Trend zum Einsatz digitaler Technologien
unter Druck gesetzt. Wertschöpfungsketten kön-
nen aufgespalten und Teile ins Ausland verla-
gert werden, während man sie dank Computern         Die transnationalen Unternehmen sind weder
und Telekommunikation weiterhin unter Kon-          lokal noch national gebunden, sondern Kno-
trolle behält. Unternehmen sind in der Lage ihr     tenpunkte eines sich permanent verändernden
Know-how mit billiger Arbeit in aufstrebenden       Netzes. Der Druck auf die industriellen Standort-
Volkswirtschaften zu kombinieren. Damit ste-        schwerpunkte steigt.
hen alle Aktivitäten entlang der gesamten Wert-
schöpfungskette (Forschung und Entwicklung,         Weitere Tendenzen sind die Modularisierungs-
Konstruktion, Fertigung und Montage, Beschaf-       und Standardisierungsstrategien der Landtech-
fung, Service und administrative Funktionen)        nikhersteller, durch die diese versuchen, ihre
auf dem Prüfstand. Verlagerungsdiskussionen,        Wettbewerbsfähigkeit auszubauen und Kosten
aber auch neue Kooperationen und strategi-          zu senken. Die Standardisierung von Modulen
sche Allianzen gewinnen an Bedeutung. Diese         und Komponenten zielt dabei auf kostensenken-
Internationalisierung der Wertschöpfungsketten      de Gleichheit, ohne auf die kundengerechte Fle-
setzt auch die Zulieferkette unter Druck, da sich   xibilität zu verzichten.
die Zulieferer tendenziell nahe am Standort der
Endhersteller positionieren. In den Abnehmer-       DIGITALISIERUNG
ländern versuchen sie ebenfalls weltweit, ihre
Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und mit den        Im globalen Wettlauf um die Produkte und Märk-
europäischen Zulieferbetrieben zu konkurrieren.     te von morgen forcieren Politik und Wirtschaft
Damit treibt die Globalisierung sogenannte Ent-     durch vielfältige Initiativen sowie durch millionen-
lokalisierungstendenzen voran. Das bedeutet:        schwere Förderprogramme und Pilotprojekte den

                                                                                                           17
Trend zur Digitalisierung oder „Industrie 4.0“.      während der Landwirt eine zunehmend über-
     Hinter diesen Begriffen steht die Vision der ver-    wachende Rolle übernimmt. „Smart-Farming“-
     netzten Fabrik, die durch intelligente selbststeu-   und „Precision-Farming“-Lösungen digitalisie-
     ernde und selbstoptimierende Systeme und Fer-        ren die Landwirtschaft. Beispiele für „Smart
     tigungsprozesse gekennzeichnet ist.                  Farming“ sind voll autonome Bearbeitungs-
                                                          und Erntemaschinen, technische Systeme für
     Das Ziel ist die Erschließung weiterer Wertschöp-    Echtzeit-Bodenanalysen mit individuellen Aus-
     fungspotenziale: Mittels hochautomatisierter,        bringungsmatrizen oder für spektografische
     hochflexibler und ressourceneffizienter Produk-      Online-Schädlingsanalysen und -bekämpfungs-
     tion sollen individuelle Produkte annähernd zu       programme mittels Drohnen. „Precision Far-
     den Kosten traditioneller Massenfertigung her-       ming“ umfasst die digitale Aufbereitung von
     gestellt werden. Darüber hinaus birgt die Digita-    Informationen zur Entscheidungsunterstützung
     lisierung das Potenzial, die wachsende globale       wie Farm-Management-Systeme, Agrar-Apps
     Nachfrage nach Lebensmitteln zu befriedigen          oder Online-Plattformen für Informationsgewin-
     und gleichzeitig die Nachhaltigkeit der Primär-      nung und -austausch. Dem Landwirt ist es durch
     produktion sicherzustellen.                          die Digitalisierung möglich, beispielsweise den
                                                          Bedarf an Nährstoffen – wie Stickstoff und
     Groß angelegte Pilotprojekte für Smart Agri-         Phosphor – auch für Teilbereiche seiner Felder
     culture werden beispielsweise durch das For-         präzise zu bestimmen und auf diese Weise die
     schungs- und Innovationsprogramm der EU              Ausbringung von Düngemittel zu optimieren.
     „Horizont 2020“ unterstützt. Als internationaler     Dazu werden während der Wachstumsphase
     Innovations- und Technologieführer ist die deut-     Daten von Erderkundungssatelliten ausgewer-
     sche Landtechnikindustrie sehr gut aufgestellt,      tet, um Biomasse-Karten zu erstellen. Über den
     wobei zwischen der Digitalisierung der Land-         Zuwachs an Biomasse lässt sich dann ausrech-
     technikprodukte („Smart- und Precision-Far-          nen, wie der Ernährungszustand der Felder ist.
     ming“) und der Digitalisierung in der Produktion     Außerdem fließen in die Berechnungen Daten
     unterschieden werden muss.                           von Bodenproben sowie von Sensoren ein,
                                                          die den Stickstoffgehalt des Pflanzenbestan-
     Smart- und Precision-Farming-Technologien            des direkt auf dem Acker messen. Aus diesen
     Die modernen Landtechnikprodukte ermög-              Informationen generiert das System eine Dün-
     lichen der Landwirtschaft derzeit eine Vorrei-       gerapplikationskarte und liefert auch gleich die
     terrolle bei der Digitalisierung – insbesondere      notwendigen Einstellparameter für den Dünger-
     Innovationen in den Bereichen Sensorik, di-          streuer mit.
     gitale Standortbestimmung, optische Erken-
     nungssysteme oder Datenvisualisierung. Diese         Das Marktpotenzial für die digitalen Produkte
     ermöglichen landwirtschaftlichen Betrieben un-       und Geschäftsmodelle ist weltweit riesig. Al-
     ter anderem eine genauere Überwachung und            lein in Deutschland betrug das Alter der etwa
     Versorgung des Viehbestands, eine präzisere          1,2 Millionen zugelassenen landwirtschaftlichen
     Bewirtschaftung von Ackerflächen und eine voll-      Zugmaschinen (Stand: 2012) im Durchschnitt
     ständige Dokumentation der Produktion.               27,5 Jahre. Diese Maschinen sind derzeit nicht
                                                          auf dem neuesten technologischen Stand be-
     Während in der Automobilindustrie über auto-         ziehungsweise nicht vernetzungsfähig und ent-
     nom gesteuerte Fahrzeuge im Jahr 2020 disku-         sprechend ineffizient. Erst jeder fünfte Landwirt-
     tiert wird, ist die autonom gesteuerte, voll digi-   schaftsbetrieb (19 Prozent) nutzte im Jahr 2015
     talisierte Erntemaschine in der Landwirtschaft       Industrie 4.0-Anwendungen. In Betrieben mit
     längst Realität. Landmaschinen und Geräte ver-       hundert und mehr Beschäftigten war es hinge-
     arbeiten selbständig Informationen und tref-         gen schon jedes dritte Unternehmen (33 Pro-
     fen zumindest teilautonome Entscheidungen,           zent). Tendenz steigend.

18
STAND DER DIGITALISIERUNG IN DER LANDWIRTSCHAFT
Eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft                                                dert befragten Betrieben nutzten bereits etwas mehr
PricewaterhouseCoopers aus dem Jahr 2016 gibt                                                   als die Hälfte (53 Prozent) intelligente Landmaschi-
Aufschluss über den aktuellen Digitalisierungsstand                                             nen oder planten dies in naher Zukunft zu tun (vgl.
in der deutschen Landwirtschaft. Unter den einhun-                                              Abb. 5).

 Abbildung 5

NEUE TECHNOLOGIEN IM ACKERBAU                                                                                                               Angaben in Prozent

   Farm-Management-Software                      29                      30                                      90                                    59

intelligente landwirtschaftliche                           45                                        50                      30                        47
                     Maschinen
                         Drohnen            10             10            11                                                  87

                         Roboter                                50                                                                95
Agrar-Apps, Onlineplattformen
            oder Daten Dritter                        39                           40                                   70                              50

              GPS-Technologien                                                58                                        20             12               28
  vorausschauende analytische
          Informationssysteme                     20                         10                                              79

                         Sensorik           15              30                                        80                                         74

   bereits im Einsatz     in der Testphase                  Einsatz geplant                     weder noch

                                                                                                          Quelle: PricewaterhouseCoopers, 2016. Eigene Darstellung

Für die befragten Landwirtschaftsbetriebe stand der                                             effizienter sowie Fungizide und Pestizide deutlich
Nutzen der digitalen Landtechnik außer Frage. Im                                                weniger eingesetzt werden. Die moderne Landtech-
Hinblick auf unterschiedliche Nachhaltigkeitsaspek-                                             nik ermöglicht es, Ressourcen zu schonen, wovon
te ergab die Umfrage, dass Düngemittel wesentlich                                               Umwelt und Verbraucher profitieren (vgl. Abb. 6).

 Abbildung 6
OPTIMIERUNG DES MITTELEINSATZES		                                                                                                           Angaben in Prozent

    … bei Dünger                   24                               13                     11                      22                             30

… bei Pestiziden 2                 20                           13                 7                         26                                  31

… bei Fungiziden 2                 20                               15                 6                      26                                 31

… bei der Energie             17                      11                 7                            31                                         33

   … bei Saatgut          15                          17                      6                             33                                    30

    … bei Benzin 2            11            11                  7                               30                                          39

    … bei Wasser         11             7        6                                              43                                               33

  über 20        10-20             5-9            1-4                    keine              weiß ich nicht/k.A.

                                                                                                          Quelle: PricewaterhouseCoopers, 2016. Eigene Darstellung

                                                                                                                                                                     19
Digitalisierung in der Produktion                             in den Aufbau von Technologien und Kompe-
     Im Gegensatz zu ihren Produkten befindet sich                 tenzen investiert.
     die Digitalisierung im Bereich der Landtechnik
     mit Blick auf Produktion und Wertschöpfungs-                  Bereits heute schätzen 64 Prozent der Befragten
     kette und dem Ziel der „intelligenten Fabrik“                 den Vernetzungsgrad der Wertschöpfungskette
     noch in den Anfängen. Sie entspricht in etwa                  – von der Bestellung des Kunden über die Fer-
     dem Digitalisierungsgrad im deutschen Maschi-                 tigung beziehungsweise Dienstleistungserstel-
     nenbau insgesamt.                                             lung, das Supply Chain Management und die Lo-
                                                                   gistik bis hin zum Kontakt mit dem Kunden und
     Eine repräsentative Umfrage im Oktober 2016                   dem Kundenservice – als hoch ein. In der Umfra-
     für den deutschen Maschinenbau kam zu dem                     ge erreicht der Maschinenbau insgesamt 47 von
     Ergebnis, dass die befragten Unternehmen                      möglichen hundert Punkten und rangiert damit
     ihre Prozesse zu 38 Prozent in geringem Um-                   im Branchenvergleich beim Digitalisierungsgrad
     fang digitalisiert haben. Erst zehn Prozent der               auf dem sechsten Platz (vgl. Abb. 7).
     Maschinenbauunternehmen haben ihre Pro-
     zesse in sehr großem Umfang digitalisiert.                    DEMOGRAPHISCHER WANDEL
     Abgesehen von der großen Spannbreite der
     Umsetzung gab die überwiegende Mehrheit                       Der Altersdurchschnitt der Belegschaften in der
     (69 Prozent) der Befragten an, dass die Digi-                 Landtechnikbranche ist – ebenso wie im Maschi-
     talisierung in die strategische Ausrichtung des               nenbau insgesamt – mit tendenziell 50 Jahren
     Unternehmens eingebunden ist. Entsprechen-                    verhältnismäßig hoch. Diese Entwicklung wird
     de Reorganisationen der Unternehmenspro-                      durch den demographischen Wandel verstärkt:
     zesse sind daher abzusehen, denn auch in der                  Der Bevölkerungsvorausberechnung zufolge
     Landtechnikbranche wird gegenwärtig massiv                    wird – insbesondere in den Altersgruppen der

     Abbildung 7
       DIGITALISIERUNGSGRAD MASCHINENBAU 2016

                               Gewerbliche Wirtschaft                                                   55

                                      Dienstleitungen                                                    57

                             Verarbeitendes Gewerbe                                      39

         Informations- und Kommunikationstechnologie                                                                     75

                        Wissensintensive Dienstleister                                                              70

                Finanz- und Versicherungsdienstleieter                                                        61

                                               Handel                                                   55

                       Energie- und Wasserversorgung                                               48

                                       Maschinenbau                                            46

                                      Chemie/Pharma                                            45

                                 Verkehr und Logistik                                         43

                                         Fahrzeugbau                                      40

                                   Gesundheitswesen                                  36

                    Sonstiges verarbeitendes Gewerbe                                35

                                                         Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2016. Eigene Darstellung

20
unter 20-Jährigen und der 20- bis 65-Jährigen
– in Zukunft mit einem Bevölkerungsschwund
gerechnet. Bis zum Jahr 2030 rechnen Progno-
sen mit einem Schwund der 20- bis 65-jährigen
Bevölkerung um 15 Prozent, bis zum Jahr 2060
sogar um 21 Prozent.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass insge-
samt weniger potenzielle Arbeitskräfte auf dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und sich der
Wettbewerbsdruck auf dem Arbeitsmarkt er-
höht. Ein daraus resultierender Fachkräfteman-
gel dürfte sich allerdings regional und je nach
Berufsfeld sehr unterschiedlich darstellen. Es
ist davon auszugehen, dass die Landtechnik-
branche nicht stärker als der Maschinenbau
insgesamt betroffen sein wird. Besonders Un-
ternehmen in Regionen, in denen schon heute                  Die demographische Entwicklung gefährdet die
verstärkte Bevölkerungsrückgänge verzeichnet                 Innovations- und damit die Wettbewerbsfähig-
werden und die es überdies noch beispiels-                   keit, denn die Fachkräfte sind der wesentliche
weise wegen einer weniger gut ausgestatteten                 Erfolgsfaktor für die industrielle Wertschöpfung
Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten, medizi-                am Standort Deutschland. Für die Landtechnik-
nische Versorgung, Schulen und Kinderbetreu-                 branche ergibt sich aus dieser Entwicklung die
ungseinrichtungen, Verkehrsanbindung usw.)                   Herausforderung, Fachkräfte zu gewinnen und
und weniger ausgeprägten Beschäftigungs-                     sie durch gute Arbeitsbedingungen und beruf-
möglichkeiten schwerer haben, Bewerber „an-                  liche Entwicklungschancen zu halten. Hier gilt
zulocken“, sprechen heute bereits von einem                  es, den Wissenstransfer von Alt zu Jung zu orga-
Fachkräftemangel.                                            nisieren und die Arbeitsbelastung abzumildern,
                                                             um ein gesundes Arbeiten bis zur Rente zu er-
Hinsichtlich der Berufsfelder zeigt eine Fach-               möglichen.
kräfteengpassanalyse der Bundesagentur für
Arbeit im Juni 2017 Engpässe, die sich zwischen              Chancen und Risiken, im Zusammenhang mit
den einzelnen Bundesländern unterscheiden.                   dem demographischen Wandel, ergeben sich
Ein bundesweiter Fachkräftemangel ist dem                    überdies aus den voranschreitenden Digitali-
Bericht zufolge nicht generell, wohl aber vor al-            sierungstendenzen in der Landtechnikbranche.
lem in folgenden Berufsgruppen erkennbar:2                   Neue Technologien und digitalisierte Prozesse
Metallbau und Schweißtechnik; Fahrzeugtech-                  unterliegen einem immer schnelleren Wandel,
nik; Mechatronik; Automatisierungstechnik;                   mit der Folge, dass sich die Halbwertzeit von
Konstruktion und Gerätebau; Energietechnik;                  Wissen und Fähigkeiten tendenziell verkürzt.
Aus- und Trockenbau; Softwareentwicklung und                 Der digitale Wandel verändert Arbeitsinhalte
Programmierung. In diesen Bereichen dauert es                und verlangt neue Inhalte der Aus- und Fortbil-
schon jetzt überdurchschnittlich lange, bis freie            dungsmaßnahmen. Eine wichtige Voraussetzung
Stellen besetzt werden können. Die Fachkräf-                 dafür ist die Etablierung einer lernfreundlichen
teengpässe betreffen hier zunehmend nicht nur                Unternehmenskultur, in der Ältere nicht von her-
akademische, sondern auch nicht-akademische                  ausfordernden Aufgaben und Weiterbildungsan-
Bereiche.                                                    geboten ausgeschlossen sind.

2
    In der Auflistung fehlen diejenigen Berufsgruppen, die für die Landtechnik nicht relevant sind.

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„VON UNSEREM BEM PROFITIEREN ARBEITGEBER
     UND ARBEITNEHMER“
     » Wir Betriebsräte stehen permanent vor der Heraus-      Im Falle einer längeren Krankheit ist das BEM-Team
     forderung, die Themen im Betrieb zu identifizieren,      – bestehend aus Betriebsratsmitgliedern, Personal-
     die die Beschäftigten umtreiben. Um möglichst früh-      verantwortlichen und unserem Werksarzt als Fall-
     zeitig von ihren Sorgen und Nöten zu erfahren, set-      manager – schnell in der Lage, gezielt zu helfen.
     zen wir uns vor Ort für eine bessere Kommunikation       Die Maßnahmen reichen von orthopädischen Einla-
     ein. Ein positives Beispiel hierfür ist unser betrieb-   gen für Arbeitsschuhe, einem höhenverstellbaren
     liches Eingliederungsmanagement (BEM) im Rahmen          Schreibtisch bis hin zur Veränderung von Arbeitsauf-
     des betrieblichen Gesundheitsmanagements.                gaben oder medizinischen Reha-Maßnahmen.
     Die Initiative dafür ging vom Betriebsrat aus. Den       Besonders hilfreich ist dabei unser betriebliches
     ersten Entwurf für ein BEM hatten wir bereits im Jahr    Frühwarnsystem. Früher bekam der Betriebsrat die
     2011 ausgearbeitet. Im Februar 2013 traten wir in        Fehlentwicklung oftmals erst dann mit, wenn das Kind
     erste Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ein, und         bereits in den Brunnen gefallen war. Heute haben wir
     im Juli 2015 wurde die Betriebsvereinbarung letztlich    durch präventive Handlungsmöglichkeiten eine ganz
     unterzeichnet. Der Zeitraum spiegelt die anfäng-         neue Qualität. Wir können im Rahmen des BEM nach
     lichen Vorbehalte gegen ein BEM wider. Die Ängs-         langer Krankheit und vor einer geplanten Wiederein-
     te bezogen sich vor allem auf den möglichen Miss-        gliederung der Kollegin beziehungsweise des Kolle-
     brauch des BEM zu Lasten des Arbeitnehmers (unter        gen Maßnahmen für eine gesundheitlich verträgliche
     anderem Arbeitsplatzverlust oder Abschiebung in          Rückkehr an den Arbeitsplatz treffen.
     den vorzeitigen Ruhestand) oder des Arbeitgebers         Insgesamt hat sich die Kommunikation verbessert.
     (unter anderem mögliche hohe Kosten im Vergleich         Durch den Austausch sind vielfältige Innovationen
     zum Nutzen).                                             entstanden, um die Motivation und Kreativität der
     Es hat sich aber gelohnt, bei dem Thema nicht locker     Kolleginnen und Kollegen zu steigern. Gerade vor
     zu lassen. Denn die anfängliche Skepsis ist inzwi-       dem Hintergrund der zunehmenden Arbeitsverdich-
     schen gewichen, und es gibt heute eine weitgehen-        tung und des demographischen Wandels ist es
     de Akzeptanz. Das liegt insbesondere an den posi-        wichtig, eine betriebliche Präventionskultur zu eta-
     tiven Erfahrungen der Beschäftigten sowie an der         blieren, die frühzeitig und ganzheitlich ansetzt. Im
     Öffentlichkeitsarbeit: Sowohl Betriebsrat als auch       Vordergrund der Bemühungen stehen eine gesunde
     Arbeitgeber sind vom Nutzen eines professionellen        Belegschaft und zukunftsorientierte Arbeitsplätze,
     BEM überzeugt und werben gemeinsam dafür.                von denen wir alle profitieren. «

     MARIA CORDO-CASTRO                                       RAINER STRAUBE
     BETRIEBSRATSVORSITZENDE                                  STELLVERTRETENDER BETRIEBSRATSVORSITZENDER
     CLAAS WERK HARSEWINKEL                                   UND KOORDINATOR DES ARBEITSSICHERHEITS- UND
                                                              GESUNDHEITSAUSSCHUSSES (AUGA) BEIM CLAAS WERK
                                                              HARSEWINKEL

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