Mauern überwinden Wie sich sektorenübergreifend die Versorgung sichern lässt
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1. QUARTAL DAS MAGAZIN DER 2018 KASSENÄRZTLICHEN BUNDESVEREINIGUNG Mauern überwinden Wie sich sektorenübergreifend die Versorgung sichern lässt Mission Zukunftspraxis Interview mit Dr. Gaß, DKG Gesundheit anderswo Ideenwettbewerb um „Wir sollten nicht auf Polen: Grundversorgung digitale Lösungen Abgrenzung setzen. “ in Gefahr
Editorial KBV Klartext Das Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Erscheinungsweise: Liebe Leserin, lieber Leser, vierteljährlich Herausgeber: die intersektorale Versorgung bietet Chancen, die heute noch Kassenärztliche Bundesvereinigung zu wenig genutzt werden. Wenn wir auch in strukturschwachen Dr. Andreas Gassen (Vorstandsvor- sitzender der KBV, V.i.S.d.P.) Gegenden Deutschlands wohnortnah medizinische Angebote erhalten wollen, müssen wir der gemeinsamen Versorgung eine Redaktion: Alexandra Bodemer (Chefredakteurin), größere Bedeutung beimessen. Dazu gehört auch die (Teil-) Meike Ackermann, Nicolas Ebert, Sarah Weckerling, Corina Glorius, Filip Lassahn Umwandlung von Krankenhäusern in ambulante Zentren mit teilstationären Angeboten (ab Seite 4). Redaktionsbeirat: Dr. Roland Stahl „Das Grundprinzip, sektorenübergreifend zu denken und Ressourcen zusam- Redaktionsanschrift: Kassenärztliche Bundesvereinigung menzuführen, ist ein Modell, an dem wir zukünftig gar nicht mehr vorbeikom- Redaktion Klartext men“, sagt auch der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin Tel.: 030 4005-2205 Gerald Gaß. Im Interview kritisiert er außerdem eine „dramatische Überregulie- Fax: 030 4005-2290 rung“ (ab Seite 20). E-Mail: redaktion@kbv.de www.kbv.de Der Innovationsfonds fördert besondere Projekte, um die Versorgung weiter- Gestaltung: KloseDetering, Hamburg zuentwickeln. Voraussichtlich wird er das auch über das Jahr 2019 hinaus tun. Doch was ist seit seiner Einführung im Jahr 2016 bereits geschehen? Wir haben Druck: Druckerei Kohlhammer, Stuttgart eine Zwischenbilanz gezogen (ab Seite 10). Fotos: Titel: © iStock.com/erhui1979/Klose- Innovativ sind auch die Projekte Zukunftspraxis und KV Digital der KBV und Detering > S. 2: © Lopata/axentis.de > S. 3: ihres Tochterunterunternehmens KV Telematik. Die KBV lässt ausgewählte Ent- © iStock.com/erhui1979; Nicolas Ebert > S. 4: © iStock.com/erhui1979/KloseDetering > wickler und Start-ups an ihrem Know-how des KV-Systems teilhaben. Außerdem S. 5: © iStock.com/PeopleImages > S. 6: © iStock.com/sturti > S. 7: © iStock.com/ ermöglicht sie ihnen, ihre Produkte unter realen Bedingungen in Arztpraxen zu AndreyPopov > S. 8: © BNHO e. V. > S. 9: testen. Im März fand eine erste Auswahlrunde statt (ab Seite 13). © iStock.com/Wavebreakmedia > S. 10: © iStock.com/treety > S. 13: © Nicolas Ebert > S. 14: © Meike Ackermann > S. 15-16: Zu viel staatlicher Einfluss auf ein Gesundheitssystem hilft weder den Ärzten © Nicolas Ebert > S. 17: © picture alliance/ PantherMedia; dpa > S. 18-20: © Alexandra noch den Patienten. Das zeigt in dieser Ausgabe die Serie „Gesundheit anders- Bodemer > S. 22: © Alexandra Bodemer > wo“. Der Blick in unser Nachbarland Polen verdeutlicht, wie gut wir es hier in S. 23-25: © Sarah Weckerling > S. 26: © iStock.com/scanrail > S. 27: © iStock. Deutschland tatsächlich haben (ab Seite 28). com/Anastasiia_New > S. 28 © picture alliance/NurPhoto > S. 30: © picture alliance/ZUMA Press Ich wünsche Ihnen eine informative und anregende Lektüre. Ihr Dr. Andreas Gassen, Vorsitzender des Vorstandes www.twitter.com/kbv4u KBV Klartext Die App KBV2GO! kostenlos abonnieren www.youtube.com/kbv4u kostenlos downloaden: und downloaden: www.kbv.de/klartext www.kbv.de/kbv2go www.kbv.de/praxisnachrichten 2 KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018
Inhalt Titel Themen Interview 10 Innovationsfonds: Zwischenbilanz 20 DKG-Präsident Gaß will nicht auf 4 Grenzen des Förderprogramms Abgrenzung setzen überwinden: Mit 13 Zukunftspraxis: Testlabor für intersektoralen Zentren digitale Angebote Gesundheit anderswo Versorgung sichern 18 Vertreterversammlung: Lösungen statt Scheindebatten 28 Polen: Wie Staatsmedizin die Versorgung gefährdet 26 Bericht aus Brüssel: EU-weite Standard-Nutzenbewertung soll kommen Kurz gefasst 9 Meldungen aus dem Bund Reportage aus den KVen 17 Meldungen aus den Ländern 23 Thüringen: Niederlassungstag macht fit für die Praxis 31 Angeklickt und aufgeblättert Beim 1. KV-Digital-Pitching-Day bewarben sich Start-up's um Förderung. KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018 3
TITEL Gemeinsam Grenzen überwinden In der intersektoralen Versorgung liegt viel Potenzial, vor allem in Gegenden, in denen Krankenhäuser mangels Wirtschaftlichkeit und medizinischer Notwendigkeit schließen müssen. Die Umwandlung solcher Häuser in Zentren, in denen Niedergelassene und (ehemalige) Klinikärzte gemeinsam arbeiten können, wäre ein Beitrag zum Abbau der Sektorengrenzen und zum Erhalt der wohnortnahen Versorgung. 4 KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018
D ie Mauer muss weg! Diese oft skandierte Forderung vieler DDR-Bürger aus der Vorwende- zeit ging 1989 in Erfüllung. Im deutschen Gesundheitswesen verläuft im Jahr 2018 rung voran. Nicht alle Krankenhäuser sind diesen neuen Herausforderungen gewach- sen. Gerade bei kleinen Häusern mit wenig spezialisiertem Angebot stellt sich zudem die Frage nach der Qualität der Versor- Sorgenfall sind kleinere Krankenhäuser in ländlichen Regionen, die wirtschaftlich aus sich heraus nicht überlebensfähig und daher von der Schließung bedroht sind. Ein Beispiel, das es jüngst in die überre- immer noch eine „Mauer“ – wenn auch gung. So hatten im Jahr 2012 35 Prozent gionale Berichterstattung schaffte, ist das weniger martialisch und nur bildlich der Plankrankenhäuser keinen Computer- Krankenhaus im sachsen-anhaltinischen gesprochen – zwischen den Sektorengren- tomografen und 18 Prozent keine Intensiv- Genthin. Das Haus mit 150-jähriger zen. Diese ist zwar im Lauf der Jahre durch betten. Dennoch leistet sich Deutschland Geschichte verfügte zuletzt noch über diverse gesetzliche Maßnahmen immer nach Zahlen der OECD eine Bettenzahl 35 Betten. Nun muss es schließen. Ein durchlässiger geworden. Allerdings funk- auf Rekordniveau – mit entsprechenden Schritt, über den Politiker und Einwohner tioniert diese Durchlässigkeit vor allem in Überkapazitäten. „Ziel einer modernen vor Ort natürlich nicht glücklich sind. Aus eine Richtung: Die Krankenhäuser und de- Versorgungsplanung kann nicht sein, Sicht der KBV sollte in solchen Fällen die ren Institutionen sind verstärkt ambulant die Bettenzahl X vorzuhalten. Ziel muss Frage erörtert werden, wie ein Standort, unterwegs, sei es in Form klinikeigener ein vernünftiger und sinnvoller Ressour- gegebenenfalls samt der vorhandenen und Medizinischer Versorgungszentren, beim ceneinsatz sein. Das wiederum erfordert, oft teuren Infrastruktur sowie Arbeits- ambulanten Operieren, bei Ermächtigun- die Kapazitäten dem Bedarf anzupassen plätzen, für die Versorgung in der Region gen, Institutsambulanzen und derglei- – und nicht umgekehrt!“, so Gassen. Der erhalten werden kann. Eine Umwidmung chen mehr. In umgekehrter Richtung gibt KBV-Chef kritisiert in diesem Zusammen- in ambulante oder auch teilstationäre es vergleichsweise wenige Tätigkeiten, hang auch eine finanzielle Fehlallokation: Angebote – eben intersektorale Zentren – die den Niedergelassenen einen „Pas- „Eine Milliarde Euro im Jahr sind es, die in wäre die Lösung. sierschein“ gewähren: als Honorararzt, bei den Krankenhausstrukturfonds gesteckt der sogenannten Besonderen Versorgung werden. Ich würde das eine aussichtslose Konkret könnte das so aussehen: Nieder- nach Paragraf 140a SGB V, in Praxisklini- Reanimation nennen“, sagte er auf der gelassene Ärzte nutzen ehemalige Kli- ken oder als Belegarzt. KBV-Vertreterversammlung am 2. März. nikgebäude oder -räume, um dort Praxen oder Zweigpraxen einzurichten. Sie bieten Die Forderung, die Mauer zwischen den dort operative Eingriffe an, die sowieso Sektoren zu überwinden, ist nicht neu, ambulant oder belegärztlich vorgenom- wird aber immer dringlicher. „Die künst- men werden, und halten im Hintergrund liche Trennung zwischen ambulant und Vor-Ort-Versorgung erhalten einige Betten vor, falls etwa ein Patient stationär ist heutzutage immer schwerer nach einer OP noch überwacht werden nachvollziehbar – besonders für die Tatsache ist: Zu viele Krankenhaus- muss. Als Erweiterung dazu hält das Zen- Patienten“, meint der Vorstandsvorsitzen- standorte mit einem zu breiten Spektrum trum Betten für das sogenannte „betreute de der KBV, Dr. Andreas Gassen. Hinzu und zu wenig Personal liefern sich einen Schlafen“ vor. Dort können Patienten, die kommt: Aufgrund des medizinisch-tech- ruinösen und die Qualität der Versorgung keiner vollstationären Versorgung, aber nischen Fortschritts werden immer mehr beeinträchtigenden Wettbewerb um Pa- dennoch einer Betreuung bedürfen, bis zu Leistungen, für die früher ein stationärer tienten und Ressourcen. Dies meint nicht 72 Stunden bleiben. Die Anzahl der Betten Aufenthalt nötig war, ambulant in Praxen nur die KBV, sondern auch der Präsident würde sich nach dem Bedarf beziehungs- erbracht. Aus dem gleichen Grund schrei- der Deutschen Krankenhausgesellschaft weise der Lage des Hauses richten: In tet im stationären Bereich die Spezialisie- (siehe Interview ab Seite 20). Ein anderer einem dünn besiedelten Landstrich > KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018 5
TITEL wären die Stationen kleiner als in einem frastruktur geführt habe: „Dort tauchten Rahmenbedingungen unterstützt wird. Gebiet, in dem mehr Menschen versorgt genau solche Fragen auf: Wer könnte Trä- Im Gegenteil: Die sogenannte „Versäu- werden müssen. „Eine maßgebliche Rolle ger sein? Kann das die KV machen? Wer lung“ des Gesundheitswesens – hier die wird dabei das regionale fachärztliche übernimmt nötige Investitionen? Bleibt Kliniken, dort die Niedergelassenen in Angebot spielen, das heißt der Bedarf an der Budgetdeckel?“ Derlei Unsicherheiten ihren Praxen – verdankt sich auch der Betten, der sich seitens der mit der Einrich- würden zeigen, wie wichtig es ist, solche Finanzierungssystematik: Ambulante tung kooperierenden Ärzte ergibt“, erläu- Umwandlungsprozesse frühzeitig anzusto- Leistungen werden über den Einheitlichen tert der stellvertretende KBV-Vorstands- ßen und zu begleiten, resümierte KBV- Bewertungsmaßstab (EBM) abgedeckt, vorsitzende Dr. Stephan Hofmeister. Als Chef Gassen: “... und nicht erst, nachdem stationäre über das DRG-System. „Für das Betreiber solcher Einrichtungen kommen das Krankenhaus geschlossen wurde.“ Die Interim fehlt die Struktur. Dabei sollte aus Sicht des KBV-Vorstands verschiedene KBV hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, für diese moderne Form der Versorgung Player in Betracht, auch eine Kassenärzt- das die Machbarkeit solcher Umwandlun- Geld verfügbar sein, weil dadurch teure liche Vereinigung (KV). „Wir fordern vom gen entsprechend regionaler Gegebenhei- stationäre Strukturen entfallen“, mahnt Gesetzgeber das Recht für die KVen, solche ten analysieren und dabei die konkrete der stellvertretende KBV-Chef Hofmeister. Zentren als Eigeneinrichtungen zu tragen, rechtliche und finanzielle Ausgestaltung Diese Mauer zwischen den Vergütungssys- zumindest in der Anfangsphase. Mittelfris- berücksichtigen soll. Die Studie wird von temen sei auch ein Grund dafür, warum tig könnten andere Interessenten überneh- der Universität Bayreuth durchgeführt und das Belegarztwesen – gewissermaßen die men, etwa die beteiligten Ärzte vor Ort“, soll bis zum Herbst abgeschlossen sein. personifizierte intersektorale Versorgungs- erklärt Hofmeister. Dass eine frühzeitige form – zurzeit eher ein Schattendasein Planung und finanzielle Absicherung bei friste, so Hofmeister. „Belegärztliche solchen Überlegungen eine wesentliche Leistungen sind nur über Verträge mit Rolle spielt, zeigt das Beispiel Genthin. In einzelnen Krankenkassen realisierbar. Das der Vertreterversammlung der KBV am 2. Hemmnisse beseitigen erschwert es sehr, diese an sich abso- März berichtete der Vorstandsvorsitzende lut sinnvolle und zeitgemäße Form der der KV Sachsen-Anhalt, Dr. Burkhard Die Zentrenlösung ist eine, die in lokalen Versorgung ‚groß‘ zu denken“, kritisiert John, von Gesprächen, die seine KV mit und regionalen Einzelfällen bereits prak- Hofmeister. Das Motto „Das Geld muss der den ortsansässigen Vertragsärzten über tiziert, von der Bundespolitik bislang aber Leistung folgen“ gilt auch hier. Notwendig eine mögliche Weiternutzung der Klinikin- nicht mit entsprechenden gesetzlichen wäre dafür allerdings, durch die Um- 6 KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018
strukturierung frei werdende Gelder aus mal mehr als 30 Kilometer fahren muss, dem Krankenhausbereich entsprechend ist hinnehmbar, wenn die Grundversor- FAZIT umzuwidmen. Dies muss der Gesetzgeber gung vor Ort gewährleistet bleibt“, so den Kassen ermöglichen und die Rah- Gassen. Die Kommunen dürften ebenfalls menbedingungen entsprechend ändern. ein vitales Interesse daran haben, dass Weniger und dafür besser ausge- Das Interesse der Krankenkassen an einer ihren Bürgern eine wohnortnahe Versor- stattete Kliniken für die intensiv- solchen Lösung liegt auf der Hand, denn gung erhalten bleibt. Gleiches gilt für das medizinische und hochspeziali- unnötige Krankenhausbehandlungen las- ärztliche und pflegerische Personal. Für sierte Versorgung, im Gegenzug sen die Kosten explodieren. Im Gegenzug jenes eröffnen sich viele Möglichkeiten: Abbau ineffizienter stationärer müssten dafür aber auch die Budgets in Klinikangestellte können genauso gut Einheiten und Aufbau ambulanter der ambulanten Versorgung abgeschafft in ambulanten Einrichtungen arbeiten. und teilstationärer Strukturen werden. Außerdem notwendig: eine über- Krankenhausärzte könnten mit einem vol- in Form von Zentren – das ist die sektorale Bedarfsplanung. len oder halben Vertragsarztsitz an einer Versorgungslandschaft, die das belegärztlichen Versorgung teilnehmen, deutsche Gesundheitswesen Vertragsärzte könnten sich im Gesund- aus Sicht der KBV zukunftsfest heitszentrum anstellen lassen. „Das Ganze machen würde. Andere Länder soll keine Einbahnstraße sein, sondern fle- haben diesen Strukturwandel Keine Einbahnstraße xible Versorgungs- und Arbeitsformen für bereits vorgemacht und damit die beide Seiten schaffen“, betont Hofmeister. Sektorengrenzen geöffnet. Standorte zu erhalten und somit keine größeren versorgungstechnischen weißen Eine zentrale Rolle in den Überlegungen Flecken auf der Landkarte zu riskieren, der KBV spielt das Belegarztwesen, stellt müsste eigentlich im Interesse aller liegen. es doch schon heute ein Bindeglied dar „Für die Patienten ist die wohnortnahe zwischen dem ambulanten und stationä- Versorgung von Alltagserkrankungen ren Bereich. In der künftigen intersektora- wichtig. Ob auf dem Schild vor dem len Versorgung soll die Belegarzttätigkeit Gebäude dann Klinik oder Ärztezentrum nicht auf bestimmte Prozeduren und Fach- steht, ist ihnen letztendlich egal“, ist KBV- gruppen beschränkt bleiben, sondern wei- Chef Gassen überzeugt. Und dass eine ter ausgebaut werden. Auch die Hausärzte Hüftoperation schon aus Qualitätsgrün- sollen einen wichtigen Part übernehmen, den nicht in jedem Provinzkrankenhaus indem sie beispielsweise die Bettenabtei- durchgeführt werden sollte, leuchte wohl lungen der Zentren organisieren. auch jedem ein: „Dass man für einen solchen planbaren Eingriff dann auch Alexandra Bodemer KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018 7
TITEL Versorgung aus einer Hand Gemeinsam mit dem Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen so- wie dem Bundesverband der Belegärzte hat die Vertragswerkstatt der KBV ein Konzept zur sektorenübergreifenden Versorgung entwickelt. Eine zentrale Rolle spielen Belegärzte. K ern des Konzepts ist, dass Krebspa- tienten sowohl in der Praxis als auch bei kurzfristigen stationären Aufenthalten vom selben Arzt betreut wer- den. Dazu sollen Belegärzte sogenannte Ansprechpartnern sowie eine lückenlose Therapie sicherzustellen. Neben der Team- struktur definiert das Konzept weitere Anforderungen, etwa hinsichtlich des Schnittstellenmanagements und der Qua- in Berlin. Der Entwurf der Versorgungsver- einbarung soll den Bundesmantelvertrag zwischen Ärzten und Krankenkassen als Anlage ergänzen und somit allen Versi- cherten offenstehen. Voraussetzung dafür Kompetenznetzwerke bilden, denen weite- litätssicherung. Neben dem intensiven kol- ist allerdings – wie bei allen Versorgungs- re Fachleute angehören, etwa onkologisch legialen Austausch im Team gehören dazu konzepten der KBV-Vertragswerkstatt – qualifizierte Medizinische Fachangestell- spezifische Fortbildungen, Qualitätszirkel, dass Krankenkassen sich bereit erkären, te, Psychotherapeuten beziehungsweise die Implementierung verbundspezifischer das Ganze zu unterstützen. Psychoonkologen sowie ein Case Manager. Behandlungspfade sowie eine elektroni- Weitere Hilfsangebote, etwa aus dem sche Dokumentation. „Mit diesem Konzept pflegerisch-sozialen Bereich, sollen eben- haben wir einen konkreten Vorschlag ent- falls einbezogen werden. Das Team mit wickelt, wie Versorgung aus einer Hand Weitere Informationen unter: den behandlungsführenden Ärzten soll 24 unabhängig von den Sektorengrenzen www.kbv.de/html/32818.php Stunden am Tag erreichbar sein. Ziel ist, funktionieren kann“, erklärte KBV-Vor- eine kontinuierliche Betreuung sowohl standsvorsitzender Dr. Andreas Gassen am ambulant als auch stationär mit festen 17. Januar bei der Vorstellung des Konzepts DREI FRAGEN AN ... PROF. STEPHAN SCHMITZ VORSITZENDER DER VORSTANDS DES BERUFSVERBANDES DER NIEDERGELASSENEN HÄMATOLOGEN UND ONKOLOGEN IN DEUTSCHLAND (BNHO) plexen Bedarfs ist es nur folgerichtig, hier etwa nach einem Klinikaufenthalt eine kri- ein qualifiziertes, multiprofessionelles tische Medikation nahtlos fortgeführt und und sektorenübergreifendes Versorgungs- überwacht werden. Umgekehrt ist eine sta- konzept zu etablieren. tionäre Aufnahme in Krisenfällen jederzeit und ohne Informationsverlust möglich. Warum eignet sich dieser Ansatz beson- ders für Krebspatienten? Wie bewerten Sie die Rolle der Beleg- Warum engagiert sich der BNHO für eine ärzte hierbei? sektorenübergreifende Versorgung? Das Vertrauensverhältnis zur behandeln- den Ärztin oder zum behandelnden Arzt ist Belegärzte sind sozusagen von Natur aus Aufgrund des prognostizierten demografi- besonders wichtig. Eine Krebsdiagnose ist in beiden Welten, Klinik und Praxis, zu schen Wandels erwarten wir einen starken ein drastischer Lebenseinschnitt. Je nach Hause. Sie arbeiten sowohl mit niederge- Anstieg onkologischer Erkrankungen in Krankheitsphase zwischen Klinik und Pra- lassenen Haus- und Fachärzten als auch den nächsten Jahren. Eine Krebserkran- xis „hin- und hergereicht“ zu werden, mit mit Krankenhäusern zusammen. Deshalb kung ist heutzutage jedoch dank des entsprechend wechselnden Ansprechpart- sind sie prädestiniert dafür, ein sekto- Fortschritts der Medizin kein unausweich- nern, bedeutet eine zusätzliche Belastung renübergreifendes Behandlungsteam liches Todesurteil mehr, sondern eine für die Patienten. Die Kontinuität in der zu leiten und eine Therapie ohne Ver- behandelbare chronische Erkrankung Betreuung über alle Versorgungsebenen sorgungsbrüche zu gewährleisten. Und: mit wiederkehrenden Klinikaufenthalten. hinweg ist sowohl in psychologischer als Die Patienten genießen mit ihnen immer Gleichzeitig bedarf es neben der rein me- auch in medizinscher Hinsicht wünschens- „Chefarztbehandlung“. dizinischen oft auch einer psychosozialen wert. Wenn ein Arzt die Patientin oder den Betreuung. Angesichts eines derart kom- Patienten die ganze Zeit begleitet, kann 8 KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018
MELDUNGEN AUS DEM BUND Ärztemonitor thematisiert Gewalt in den Praxen Auch 2018 führt die KBV wieder gemeinsam mit dem NAV-Virchow-Bund einen Ärztemonitor durch. Dazu befragt das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (infas) von Februar bis Mai netto 11.000 Ärzte und Psychotherapeuten telefonisch nach ihren Erfahrungen Bessere Versorgung für im Praxisalltag. Neben den wiederkehrenden Themen berufliche Zufriedenheit, Arbeitszeit und Einkommen Beatmungspatienten werden die Teilnehmer in diesem Jahr zu neuen Themen befragt: zu ihren persönlichen Erfahrungen mit Gewalt Patienten, die zu Hause beatmet werden, sollen künftig in der Praxis – sowohl verbal als auch körperlich –, zur von einer fachübergreifenden und abgestimmten Be- Zusammenarbeit mit Kliniken im Rahmen des Entlass- treuung durch Ärzte und Pflegekräfte profitieren können. managements sowie zur Arzt-Patienten-Kommunikation. Die KBV hat gemeinsam mit dem Bundesverband der Der Ärztemonitor ist die bundesweit größte Befragung Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner ein niedergelassener Ärzte und Psychotherapeuten. Die entsprechendes Versorgungsprogramm erarbeitet. In aktuelle Auflage ist bereits die vierte. Der Vergleich der Deutschland werden immer mehr Patienten außerhalb Ergebnisse der Befragungen in den Jahren 2012, 2014 des Krankenhauses beatmet. Schätzungen gehen von und 2016 ermöglicht es, Entwicklungen wie auch stabile rund 15.000 invasiv und einer weit größeren Anzahl Muster aufzuzeigen und Probleme zu erkennen. Der Ärz- nichtinvasiv beatmeter Menschen aus. Für die Zukunft ist temonitor bildet somit eine wichtige Grundlage für die mit einer weiteren Zunahme zu rechnen. Neben Ärzten politische Arbeit der KBV. Die Resultate der diesjährigen sind andere Akteure, etwa spezialisierte Pflegedienste, Befragung sollen im Sommer vorliegen. (abo) in die Betreuung involviert. Hier setzt das Konzept an: Teilnehmende Fachärzte sollen regionale Netzwerke schaffen, die eine koordinierte und qualitätsgesicherte Behandlung sicherstellen. Ziele sind neben einer höhe- ren Lebensqualität der Patienten unter anderem, ihre Ab- hängigkeit von künstlicher Beatmung zu reduzieren und wiederkehrende Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Nähere Informationen gibt es hier: www.kbv.de/html/33618.php. (abo) Laborreform gestartet Die überproportional wachsenden Ausgaben im Labor- bereich in den Griff zu kriegen ist das Ziel einer Reform, Urteil zum Medizinstudium deren erste Stufe zum 1. April in Kraft tritt. Dabei haben sich die KBV und der Spitzenverband der gesetzlichen Die Vergabe von Studienplätzen im Fach Humanmedizin Krankenversicherung unter anderem auf eine neue Ver- muss neu geregelt werden. Das hat das Bundesverfas- gütungssystematik verständigt. Außerdem sollen stär- sungsgericht in Karlsruhe in einem Urteil am 19. Dezem- kere Anreize für eine wirtschaftliche Veranlassung und ber vorigen Jahres entschieden. Demnach soll die Verga- Abrechnung von Laboruntersuchungen gesetzt werden. be bis Ende 2019 reformiert werden. Die Bundesländer Nach Berechnungen der KBV steigen die Ausgaben für wollen die Zulassung zum Studium nun per Staatsvertrag Laboruntersuchungen jedes Jahr um rund fünf Prozent regeln, wie die Deutsche Presseagentur berichtete. Ent- und damit stärker als die morbiditätsbedingte Gesamt- scheidungen sind hierzu noch nicht gefallen. Das Gericht vergütung. Dies geht zulasten anderer ärztlicher Leis- hatte das bisherige Verfahren als teilweise verfassungs- tungen. Ein Grund für den überproportionalen Anstieg widrig eingestuft. Dabei hatte es die Beschränkung der sind Veränderungen in der Versorgung, etwa im Bereich Zulassungen nicht grundsätzlich abgelehnt. Allerdings der Onkologie. Dem ersten Reformschritt sollen weitere müsse es standardisierte und strukturierte Verfahren ge- folgen. Ziel der KBV ist, statt über Mengenbegrenzungen ben, beim Auswahlverfahren an den Hochschulen müsse über qualitative Vorgaben den Bereich Labor ganz neu eine Vergleichbarkeit der Abiturnoten über Landesgren- auszurichten. (abo) zen hinweg sichergestellt werden. Zurzeit kommen auf jeden Studienplatz für Humanmedizin in Deutschland fast fünf Bewerber. (abo) KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018 9
THEMA Innovationsfonds zahlt sich aus Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 hat der Bundestag den Innovationsfonds beschlossen. Für die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung sollen in den Jahren 2016 bis 2019 insgesamt 1,2 Milliarden Euro in innovative Projekte im Gesundheitswesen fließen. Zeit für eine Zwischenbilanz. 10 KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018
F ür die vier Jahre 2016 bis 2019 stehen jeweils 300 Millionen Euro bereit – 225 Millionen Euro für neue Versor- gungsformen und 75 Millionen Euro für die Versorgungsforschung. Ziel ist es, über der ambulanten Versorgung stark. Nicht nur in Großprojekten, sondern auch in kleineren Vorhaben steckt häufig enormes Potenzial. „Die KBV war aus diesem Grund von Beginn an bei der Errichtung und sowie Internisten aus den teilnehmenden KVen für RESIST ein und absolvierten erfolgreich die Online-Schulung. Momen- tan läuft die qualitative Evaluation, bei der sich eine hohe Teilnahmebereitschaft an die Förderung verschiedenster Projekte die der Erreichung der Arbeitsfähigkeit des der Befragung zeigt. „Die ersten Eindrücke medizinische Versorgung in der gesetz- Innovationsausschusses maßgeblich und zeigen ein durchweg positives Feedback. lichen Krankenversicherung dauerhaft sehr intensiv beteiligt“, so Gassen, „seit Im zweiten Schritt wollen wir nun auch weiterzuentwickeln und zu verbessern. zwei Jahren beobachten wir mit Freude Praxismitarbeiter und Patienten befra- Die Mittel für den Fonds kommen von regelrechte Antragsfluten, die wir in guter gen“, sagt Gassen. den gesetzlichen Krankenkassen sowie Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren aus dem Gesundheitsfonds und werden bewerten und abarbeiten.“ vom Bundesversicherungsamt verwaltet. Angesiedelt ist der Innovationsfonds beim In der ersten Förderwelle im Jahr 2016 Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). erhielt unter anderem das Modellvorhaben Versorgungsforschung Über die Vergabe der Mittel bestimmt im „RESISTenzvermeidung durch adäquaten profitiert Rahmen jährlicher Förderwellen ein zehn- Antibiotikaeinsatz bei akuten Atem- köpfiger Innovationsausschuss aus Vertre- wegsinfektionen“ unter Konsortialführung Die KBV begrüßt die Einführung des tern der Träger des G-BA und zweier Minis- des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) in Innovationsfonds nach wie vor, da auf terien (Bundesministerium für Gesundheit Zusammenarbeit mit der KBV sowie acht diese Weise relevante Versorgungsthemen sowie Bundesministerium für Bildung und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) aufgegriffen werden können, mit dem Ziel Forschung). Für die Interessen der Ver- einen Zuschlag. Das Projekt RESIST zielt der Weiterentwicklung der Versorgung. tragsärzte und Vertragspsychotherapeuten darauf ab, den rationalen Einsatz von Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Rahmen der Entscheidungsprozesse Antibiotika zu fördern. Dazu werden Ärzte veröffentlicht und sind damit allgemein setzt sich Dr. Andreas Gassen als Vor- und Patienten für die Themen Antibiotika- nutzbar. „Insbesondere die Förderung der standsvorsitzender der KBV ein. Gassen einsatz und Resistenzbildungen sensibili- Versorgungsforschung ist als sehr positive macht sich für eine breite Nutzung des siert. Bis zum Ende der Frist schrieben sich Entwicklung hervorzuheben, da Deutsch- Innovationsfonds zur Weiterentwicklung 2.481 Haus-, Kinder- und HNO-Fachärzte land in diesem Bereich im internationalen > BEISPIELE FÜR AUSGEWÄHLTE FÖRDERPROJEKTE DIMINI – Aktivierung der Gesundheitskompetenz von Versicherten mit erhöhtem Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 mittels Coa- ching in der Vertragsarztpraxis (Dimini – Diabetes mellitus? – Ich nicht!) KV-BETEILIGUNG: ZIEL: Bewegungstagebuch zu führen. Dadurch Schleswig-Holstein und Hessen Die Entstehung eines DMT2 soll ver- sollen die individuellen Gesundheitsres- zögert beziehungsweise verhindert sourcen gestärkt und langfristige Verhal- HINTERGRUND: werden, wodurch letztlich auch Kosten tensänderungen angestoßen werden. Etwa acht Prozent der Erwachsenen sind eingespart werden können. Dazu sol- von Diabetes mellitus Typ 2 (DMT2) be- len Betroffene frühzeitig anhand eines VORGEHEN: troffen. Zusätzlich leben drei bis fünf Mil- flächendeckenden Screenings (FINDRISK) Die Inhalte zur Lebensstilveränderung lionen Menschen mit einem unentdeckten erkannt werden und die bedarfsgerechte können die Teilnehmer in der eigens kon- DMT2 oder Prädiabetes. Langfristig kann Lebensstilintervention „aha!“ erhalten. zipierten aha-App abrufen und dokumen- dieser zu schweren Spätfolgen, wie bei- Die Intervention beinhaltet ein Set von ge- tieren. Dieses Präventionsangebot wird spielsweise kardiovaskulären Erkrankun- sundheitsrelevanten Informationen und in Form von Zwischencoachings durch gen, sowie hohen Kosten führen. die Aufforderung, ein Ernährungs- und Hausärzte unterstützt und begleitet. KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018 11
BILANZ DEMAND – Implementierung einer standardisierten Ersteinschätzung als Basis eines Demand-Managements in der ambulanten Notfallversorgung KV-BETEILIGUNG: dadurch, dass Patienten mit nicht dring- Patient an die bedarfsgerechten Versor- Berlin, Baden-Württemberg, Hessen, lichem oder weniger schwerwiegendem gungssettings verwiesen. Die Patienten Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Beratungs- und Behandlungsbedarf in den können so beispielsweise dem Rettungs- Schleswig-Holstein, Thüringen, Notaufnahmen versorgt werden. dienst, einer ambulanten Behandlung Westfalen-Lippe, Bremen, Brandenburg, oder telefonischen ärztlichen Beratung Bayerns sowie das Zentralinstitut für die ZIEL: zugeteilt werden. kassenärztliche Versorgung Um die Situation in den Notaufnahmen zu verbessern, wird zunächst an bestimm- VORGEHEN: HINTERGRUND: ten Erstkontaktstellen zur (ambulanten) Die Effektivität und Umsetzbarkeit dieser Die stetig steigende Inanspruchnahme von Notfallversorgung der tatsächliche Ver- Zuteilung wird anhand von Routinedaten Notaufnahmen in Krankenhäusern führt sorgungsbedarf des Patienten bestimmt. der beteiligten KVen und Krankenkassen zu einer Überbeanspruchung der Notfall- Nach der Ersteinschätzung, die telefo- und auf Grundlage von Patienten- und ressourcen. Die Problematik entsteht auch nisch oder vor Ort stattfindet, wird der Mitarbeiterbefragungen bewertet. COCARE – Erweiterte koordinierte ärztliche Pflegeheimversorgung (coordinated medical care) KV-BETEILIGUNG: ZIEL: VORGEHEN: Baden-Württemberg Um vermeidbare Krankenhauseinweisun- Die Bewohner werden hinsichtlich ihres gen und Krankentransporte zu reduzie- Gesundheitszustandes, der ärztlichen HINTERGRUND: ren, sind in der neuen Versorgungsform Betreuung und der Kooperation zwischen Viele Klinikeinweisungen von Altenheim- unter anderem gemeinsame haus- und Ärzten und Pflegekräften, wahrgenomme- bewohnern wären vermeidbar, wenn die fachärztliche Visiten durch Ärzte und ner Versorgungskontinuität und -qualität ärztliche Versorgung in Heimen ver- Pflegeheimkoordinatoren, die Bildung sowie zur Zufriedenheit mit verschiede- bessert würde. Allerdings erschweren von Ärzteteams, eine gemeinsame nen Versorgungsleistungen befragt. Bei unattraktive Vergütungsstrukturen und elektronische Patientenakte, gemein- Pflegekräften und Ärzten werden zudem organisatorische Barrieren die ausrei- same Schulungen und eine erweiterte Einschätzungen zur Zusammenarbeit chende medizinische Versorgung in Erreichbarkeit der ärztlichen Versorgung sowie zur resultierenden Versorgungs- solchen Einrichtungen. vorgesehen. kontinuität und -qualität erhoben. Vergleich noch einen deutlichen Nach- innovativen Projekten, unter anderem zur 200 Millionen Euro jährlich fortsetzen zu holbedarf aufweist“, sagt der stellver- Verzahnung des Bereitschaftsdienstes mit wollen – mit dem Bestreben, erfolgreiche tretende KBV-Vorstandsvorsitzende und der stationären Notfallversorgung, zur Versorgungsansätze zügig in die Regelver- stellvertretendes Mitglied des Innovations- Verbesserung der Arzneimitteltherapie- sorgung zu überführen“, sagt Gassen. ausschusses, Dr. Stephan Hofmeister. sicherheit, zur Nutzung von Telemedizin, zur Gesundheitskompetenz oder zur in- Nicolas Ebert terprofessionellen Zusammenarbeit, zum Beispiel zwischen Hausärzten und Pfle- geheimen, gefördert und getestet werden. Starke Beteiligung des Gerade die Beteiligung vieler KVen zeigt KV-Systems die Innovationskraft im vertragsärztlichen Am 28. Mai 2018 findet in Berlin Bereich!“, so Gassen. der Kongress „Zwei Jahre Inno- In den ersten beiden Jahren der Förderung vationsfonds – Impulsgeber für konnten die vorhandenen Mittel jeweils Auch die Politik scheint die vielverspre- eine bessere Versorgung“ statt. komplett ausgeschöpft und auf insgesamt chenden Projekte zu registrieren. „Wir freu- Nähere Infos finden Sie hier: etwa 200 Projekte verteilt werden. „Aus en uns über die Entscheidung von Union https://innovationsfonds.g-ba.de/ Sicht des KBV/KV-Systems können wir das und SPD, den Innovationsfonds über das Fazit ziehen, dass eine ganze Fülle von Jahr 2019 hinaus mit einem Volumen von 12 KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018
THEMA In der Höhle der Ärzte Die KBV geht mit der Zukunftspraxis neue Wege in der Digitalisierung. In einem Ideenwettbewerb sucht sie innovative Anwendungen, die den Alltag für Praxen und Patienten vereinfachen. D as dunkle Sofa steht auf einem Podest mitten im Raum. Darauf Platz genommen haben Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsit- zender der KBV, KBV-Vorstandsmitglied Superstar“. Acht Jungunternehmer stellen der Jury beim heutigen ersten Pitching- Day der Innovationsplattform KV Digital in den Räumen des KBV-Tochterunterneh- mens KV Telematik ihre digitalen Ideen Praxistest für digitale Produkte Mit dieser etwas anderen Art der Veranstal- Dr. Thomas Kriedel und KV-Telematik- und Apps vor. Und wie beim Casting- tung möchte die KBV innovative digitale Geschäftsführer Dr. Florian Fuhrmann. Show-Vorbild kann die Jury ein Ticket für Dienste und Dienstleistungen identifizieren Die Atmosphäre ist spannungsgeladen. die nächste Runde vergeben: Der Sieger und fördern, die dazu geeignet sind, den Die Szenerie mutet an wie eine Mischung des Pitching-Days hat damit die Chance, Alltag in den Arztpraxen nachhaltig zu aus den Fernsehsendungen „Die Höhle am Projekt KBV-Zukunftspraxis teilzuneh- verbessern. Darüber hinaus füllt sie ihr Po- der Löwen“ und „Deutschland sucht den men. sitionspapier zur Digitalisierung aus dem > KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018 13
THEMA Dr. Bernhard Tenckhoff (links) und Dr. Florian Fuhrmann im Gespräch. Pitching-Days und KBV-Zukunftspraxis lisierung, holt letztendlich den Umset- anderen Branchen und der besondere sind mehr als einzelne Projekte – zu- zungstand in den Praxen ein. Sozusagen Stellenwert des Datenschutzes führen sammen ergeben sie eine Mission. Im handelt es sich um eine Mission – mit dazu, dass wir in der Versorgung noch Interview verraten Dr. Bernhard Tenck- bewusst getrennten Projekten, die jedoch nicht ganz so weit sind. Noch zu oft sind hoff, KBV-Abteilungsleiter für Innovation, eng aneinander angelehnt sind. es kleine Insellösungen, mit wenig Chan- Strategische Analyse und IT-Beratung, cen in der Regelversorgung anzukommen. und Dr. Florian Fuhrmann, Geschäftsfüh- Woher rührt die Motivation, dass KBV Es ist nun unsere Aufgabe, gute Ansätze rer der KV Telematik, warum. und KV Telematik gleich eine ganze zu finden, zu testen, zu evaluieren und in Mission starten? die Versorgung zu bringen. Gleichzeitig Wie ist die Idee zu diesem wollen wir den Kassenärztlichen Verei- Wettbewerb entstanden? Fuhrmann: Die Digitalisierung voll- nigungen (KVen) die Möglichkeit geben, zieht sich in allen Branchen. Es ist kein sich stärker mit den digitalen Ansätzen Tenckhoff: Die Idee der KBV-Zukunfts- Forschungsthema, es ist die Realität. Im der Start-up-Szene auseinanderzuset- praxis ist im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen haben wir allerdings zen. Digitalisierungsansätze im Rahmen KBV-Positionspapier zur Digitalisierung besondere Regeln und Prozesse, die den des Innovationsraums mit Gründern und im Gesundheitswesen entstanden. Im Einzug der Digitalisierung schwieriger Experten zu erleben, kann für den Auftrag Zuge dessen ist der Bedarf an sinnvollen machen. Nehmen wir das Beispiel E-Com- der KVen und den Arbeitsalltag wichtige digitalen Lösungen deutlich geworden. merce: Normalerweise ist es so, dass der Impulse geben. Wir möchten eine Pforte Darauf wollten wir reagieren und haben derjenige, der die Entscheidung für ein für digitale Transformation im KV-System eine Plattform geschaffen, wo wir gute Produkt trifft, auch die Leistung bekommt schaffen. Ideen sammeln und testen können. Letzt- und am Ende bezahlt. Im Gesundheitswe- endlich ist daraus ein Dreiklang entstan- sen wird die Entscheidung in den meisten Eine längerfristige Mission? den: KV Digital berät und führt Pitching- Fällen vom Arzt getroffen, der Patient Days durch, die KBV-Zukunftspraxis stellt erhält die Therapie beziehungsweise Fuhrmann: Es ist ein agiles Format! Wie den Testmodus dar und eine Befragung das Medikament und die Krankenkasse wir das weiterentwickeln, ist noch offen. von Ärzten, das PraxisBarometer Digita- trägt die Kosten. Dieser Unterschied zu Wir haben nicht vor, die nächsten drei 14 KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018
Jahre immer das Gleiche zu machen. Wir Format ohne klassische Gremienarbeit, INTERVIEW MIT wollen erst einmal das Feedback der bei dem wir nicht bestimmten Etiketten DR. BERNHARD TENCKHOFF UND Start-ups mitnehmen und schauen, was folgen. Wir wollten das so gestalten, dass DR. FLORIAN FUHRMANN funktioniert und was nicht. Regelmäßig sich die Teilnehmer wohlfühlen und keine werden wir ein Fazit ziehen und unter Bange vor der Selbstverwaltung haben. Berücksichtig des ärztlichen Nutzens die Es soll ein offener Austausch sein, der Formate anpassen. ihnen Spaß macht. Wir möchten gern ein Welcher Anspruch wird damit an die offener Ansprechpartner für die Start-ups Bewerber gestellt? Was ist das besondere an diesem Format? sein. Fuhrmann: Wir sind auf der Suche nach Tenckhoff: Für das KBV/KV-System ist es In welchen Bereichen sehen Sie den kommunikations- und umsetzungsstar- ein eher ungewöhnliches Unterfangen. meisten Digitalisierungsbedarf? ken Teams, die in der Lage sind, ihre Normalerweise handeln wir nach gesetz- sinnvollen Konzepte nach vorne zu brin- lichen Aufträgen, bei denen zunächst Tenckhoff: Die digitale Anwendung sollte gen. In den Pitching-Runden wollen wir ein Plan und eine Ausschreibung erstellt für den Arzt schlichtweg sinnvoll sein. diejenigen Projekte herauspicken, die das werden. Meist weiß man vorher, wie es Häufig ist es so, dass sich neue digitale Potenzial haben, ihren Nutzen später in am Ende aussehen soll. Mein Eindruck ist, Angebote an Patienten richten, woraufhin den KBV-Zukunftspraxen zu entfalten. dass das KV-System willens und auch einzelne Krankenkassen Apps fördern, in der Lage ist, solch ein offenes und die in Selektivverträge münden. Der Arzt Mit dem Ziel, das Produkt später in die zugleich sehr vielversprechendes For- sieht sich schließlich mit einem ganzen Regelversorgung zu überführen? mat auszuprobieren. Das ist schon ein Fächer an Applikationen konfrontiert, Umdenkungsprozess, der hier stattfin- für die er sich Verbindungs- und Auswer- Tenckhoff: Die Regelversorgung ist eine det: Körperschaften öffentlichen Rechts tungsschnittstellen installieren müsste, erstrebenswerte Möglichkeit – muss aber werden kreativ und mitsteuernd. Das tut was sich für die marginale Patientenzahl nicht unbedingt sein. Wenn der Dienst unserem System gut. je Arzt oft aber nicht lohnt. Wir versuchen nicht direkt für den Leistungskatalog der jetzt das Pferd von der richtigen Seite aus gesetzlichen Krankenversicherung geeig- Kann man hier auch von einem aufzuzäumen, Anwendungen zu finden, net ist, sind auch Selektivverträge oder Experiment sprechen? die Ärzte im Arbeitsalltag unterstützen andere Vertragsformen vorstellbar. und gleichzeitig auch den Patienten nüt- Fuhrmann: Mit Sicherheit! Dabei wollen zen. Dieser Fokus fehlte bisher. Die Fragen stellte Nicolas Ebert. wir uns auch kulturell öffnen. Es ist ein vergangenen Sommer mit Leben. Darin steht unter anderem: „Ärztliches und psychotherapeutisches Handeln muss menschlich bleiben. Die KBV setzt sich dafür ein, durch E-Health-Lösungen den Ärzten und Psychotherapeuten eine Fokussierung auf ihre Kernexpertise zu ermöglichen. Durch die frei werdenden Ressourcen bleibt dem Arzt mehr Zeit für den einzelnen Patienten.“ Und weiter: „Digitale Innovationen und die Digitali- sierung von bestehenden Prozessen in der Gesundheitsversorgung müssen grund- sätzlich sicher (Datenschutz und Datensi- cherheit) und nutzbringend (Verringerung der Bürokratie in der Praxis und/oder Verbesserung der Versorgung) sein.“ Wer könnte besser über den Nutzen solcher Anwendungen entscheiden, als die Betroffenen selbst? Genau aus diesem Grund testen ab dem kommenden Jahr in der KBV-Zukunftspraxis echte Ärzte und deren Patienten die Produkte und geben Rückmeldungen zu Nutzen und Proble- men. Am Ende der Testphase gibt > KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018 15
es einen Evaluationsbericht. Ein Ticket Gesundheits-IT zu fördern und Bürokratie – oder besser eine Überweisung – in die abzubauen. Daher darf das Thema auch KBV-Zukunftspraxis bekommen aber nicht beim Pitching-Day nicht fehlen. Nachdem Informationen und Bewerbungs- nur die Tagessieger der Pitching-Days. die Teilnehmer am Vormittag ihre Projekte unterlagen zur KBV-Zukunfts- Unternehmen und Entwickler können sich vorgestellt haben, müssen sie sich drei Ex- praxis sind zu finden unter noch bis zum 28. Juni auch direkt bei der pertentischen stellen und ihre Vorstellung www.kbv.de/zukunftspraxis. KBV um einen der Plätze bewerben. zur Verknüpfung ihres Produktes an das Praxisverwaltungssystem erläutern. Dort Informationen rund um die bekommen sie auch ein erstes Feedback Bewerbung für den 2. Pitching- zu den Themen Medizin und ärztliche Ver- Day im Mai gibt es unter sorgung, Technik und Datenschutz sowie www.kv-digital.de. Crash-Kurs in Sachen zu juristischen Fragen und solchen zum Versorgung Geschäftsmodell. „Die meisten Entwickler kennen das KV- Am Nachmittag stehen die Teilnehmer System ja nur aus Patientensicht. Daher nun im direkten Wettbewerb vor der Jury. PRAXISBAROMETER bieten wir gezielt unser Know-how an. Wir Eine große Digitaluhr zählt mit: Fünf DIGITALISIERUNG erklären zum Beispiel, was die Bedarfspla- Minuten hat jeder Zeit, seine Innovation nung ist, was der Einheitliche Bewertungs- überzeugend rüberzubringen. Die Ideen maßstab und wie der Sicherstellungsauf- sind vielfältig. Sie reichen von einer App Wie digital sind die Praxen trag lautet“, sagt Kriedel. Wer genau von für den Bereich Reha-Robotik, über die der an der vertragsärztlichen eben diesem Know-how profitieren darf, Unterstützung der ärztlichen Dokumenta- Versorgung teilnehmenden Ärzte entscheidet sich dann am 26. September. tion bis hin zu einem Gerät für die Körper- und Psychotherapeuten in Dann präsentieren sich ausgewählte Pro- Kern-Temperaturmessung zur frühzeitigen Deutschland eigentlich? jekte und die Sieger der beiden KV-Digital- Erkennung von Krankheiten. Überzeugen Wie stehen die Mediziner zum Pitching-Days in der KBV. Insgesamt gibt konnten die Jury letzten Endes zwei Pro- Thema Digitalisierung? es zehn Plätze für die Zukunftspraxis. Die jekte: doctorly, ein cloudbasiertes Praxis- Was wünschen sie sich? drei besten Ideen erhalten zudem Prämi- verwaltungssystem mit Patientenanbin- Welche Probleme gibt es? en in Höhe von 15.000, 10.000 und 5.000 dung, und magnosco mit einem Tool zur Euro. Hautkrebsdiagnostik. „Wir konnten uns Um das herauszufinden, hat die tatsächlich nicht auf einen Tagessieger KBV das IGES-Institut beauftragt, Ein ganz zentraler Punkt im Positions- festlegen. Also haben wir zwei Tickets von Anfang Mai bis zum 15. Juni papier der KBV ist die Vernetzung und für die Auftaktveranstaltung der KBV- eine Umfrage in netto 1.000 Interoperabilität der Systeme. Ziel ist, Zukunftspraxis vergeben“, sagt Gassen. zufällig ausgewählten Arztpraxen einen nahtlosen Informationsfluss sicher- durchzuführen. Die Ergebnisse zustellen, einen innovativen Markt für Meike Ackermann sollen im Herbst veröffentlicht werden. Gewinner und Veranstalter des 1. KV- Digital-Pitching-Days, v. l. n. r.: Nicklas Teike (doctorly), KBV-Vor- stand Dr. Gassen und Dr. Kriedel, Inga Bergen (magnosco), KV- Telematik-Geschäfts- führer Dr. Fuhrmann, Larissa Middendorf (magnosco) 16 KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018
MELDUNGEN AUS DEN LÄNDERN KV RHEINLAND-PFALZ Masterplan erweitert Zehn Jahre nach der Einführung ihres „Masterplans zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung“ hat die Kassenärztliche Vereini- gung (KV) Rheinland-Pfalz Anfang dieses Jahres gemein- sam mit den Partnern des Plans Bilanz gezogen und weite- re Maßnahmen darin aufgenommen. Besonders bewährt KV BERLIN habe sich ein Wiedereinstiegskurs für nicht berufstätige Ärztinnen und Ärzte. Hinzu kommt in diesem Jahr ein Be- Notfallversorgung ratungsprojekt, das die Kommunen bei der Weiterentwick- lung der ärztlichen Versorgung in ihrer Region unterstützen wird neu organisiert soll. Die KV initiiert außerdem zusammen mit dem Ge- sundheitsministerium eine Vielzahl an Fördermaßnahmen Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin hat ein für die allgemeinmedizinische Versorgung. Dazu gehört Konzept zur Reform der ambulanten Notfallversorgung in beispielsweise die Einrichtung einer „Koordinierungsstelle der Hauptstadt angekündigt. Geplant ist, langfristig ein Weiterbildung in der Allgemeinmedizin.“ Partner des Mas- stadtweites Netz an Bereitschaftsdienstpraxen aufzu- terplans sind neben der KV und dem rheinland-pfälzischen bauen, die von der KV betrieben werden und direkt an Gesundheitsministerium unter anderem auch die Landes- Kliniken angeschlossen sind. Insgesamt geht die KV von ärztekammer und der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz einem Bedarf an acht Praxen in ganz Berlin aus. Derzeit sowie die Universitätsmedizin Mainz. (saw) finden Gespräche mit Krankenhäusern statt. Ab dem 1. April wird die bisherige eigene Bereitschaftsdienst-Ruf- nummer der KV durch die bundesweite Nummer 116117 er- setzt. Eine telefonische Ersteinschätzung durch Fachärzte sowie die Reorganisation des fahrenden Hausbesuch- dienstes sind außerdem vorgesehen. (saw) KV WESTFALEN-LIPPE eGK-Anwendungen im Test Ab Herbst 2018 wird die Kassenärztliche Vereinigung (KV) KV BADEN-WÜRTTEMBERG Westfalen-Lippe die ersten medizinischen Applikationen für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) testen. So Videosprechstunde sollen der Notfalldatensatz und der elektronische Medika- tionsplan probeweise eingeführt werden. Dies sei wichtig startet „um für noch mehr Akzeptanz der elektronischen Gesund- heitskarte bei Ärzten und Patienten zu sorgen“, sagte Im April startet die Kassenärztliche Vereinigung (KV) KV-Vorstandsmitglied Thomas Müller. Teilnehmen werden Baden-Württemberg das Pilotprojekt „DocDirekt“, mit 70 bis 75 Arztpraxen, einige Zahnarztpraxen, bis zu 16 Apo- dem Patienten, die akute Beschwerden haben und keinen theken und eine kassenärztliche Bereitschaftsdienstpraxis Termin bekommen, ihren Arzt in einer Videosprechstun- sowie ein Krankenhaus. Der Feldtest findet über einen de kontaktieren können. „Wir wollen zeigen, dass man Zeitraum von acht Wochen statt. (saw) telemedizinisch genauso gut beraten kann wie in einer Praxis“, betonte KV-Vorstand Johannes Fechner. Für Mo- dellprojekte, mit denen Ärzte auch unbekannte Patienten online beraten dürfen, wurde das Fernbehandlungsverbot im Land gelockert. „DocDirekt“ soll zunächst in den Re- gionen Stuttgart und Tuttlingen laufen, bevor es auf das gesamte Bundesland ausgedehnt wird. (saw) KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018 17
THEMA KBV-Chef Gassen fordert den Einstieg in den Ausstieg aus der Budgetierung. Selbstverwaltung gegen Scheindebatten Am selben Tag, an dem das Mitgliedervotum der SPD zur Großen Koalition endete, fand die Vertreter- versammlung der KBV in Berlin statt. Aufgrund des unklaren Ausgangs der Abstimmung verzichtete der Vorstand auf eine detaillierte Bewertung des Vertragsentwurfs. Stattdessen forderte er die Politik auf, die „Gespensterdebatte“ um ein angeblich ungerechtes Gesundheitswesen zu beenden. D er Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Gassen, nahm die Ver- tretersammlung (VV) am 2. März zum Anlass, in seinem Bericht erneut die Budgetierung im ambulanten Bereich könnten die Grundleistungen ausbudge- tiert werden“, verdeutlichte Gassen. Den Koalitionsvertrag kommentierte er aufgrund des noch laufenden SPD- Hofmeister und Dr. Thomas Kriedel von den Mitgliedern der VV. Einstimmig ver- abschiedeten diese eine Resolution, in der sie die Politik aufforderten, die bewährten Prinzipien der Freiberuflichkeit und den anzuprangern. Der erste und wichtigste Mitgliedervotums an diesem Tag nicht. Bis notwendigen Spielraum für die Selbstver- Schritt sei, die ärztlichen Grundleistungen auf eine Ausnahme: „Die Ausweitung der waltung zu erhalten. „Die Scheindebatte aus der Quotierung herauszunehmen. Mindestsprechstundenzeit von 20 auf 25 um eine angebliche Zwei-Klassen-Medizin „Die jährlichen Ausgaben im Gesundheits- Stunden ist ein unzumutbarer Eingriff in und um eine postulierte Terminungerech- system liegen bei 375 Milliarden Euro. die Arbeitszeitgestaltung und Praxisfüh- tigkeit weisen wir als realitätsfern und 28 Milliarden beträgt das aktuelle Finanz- rung von uns Freiberuflern“, betonte der unsachlich zurück“, heißt es in der Resolu- polster der gesetzlichen Krankenversiche- KBV-Chef. Rückendeckung erhielten er tion. Eine Leistungsausweitung, wie im rung. Mit nur 450 Millionen Euro pro Jahr und seine Vorstandskollegen Dr. Stephan Koalitionsvertragsentwurf angekündigt, 18 KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018
Konnektoren einer einzigen Firma, weitere seien zwar angekündigt, aber faktisch nicht vorhanden. „Unsere Marktanalyse aus den zum jetzigen Zeitpunkt verfügba- ren Informationen hat ergeben, dass im dritten Quartal 2018 voraussichtlich kein Angebot verfügbar sein wird, das die Re- finanzierung der TI-Komponenten sichert. Daraus ergeben sich zwei Risiken für die niedergelassenen Ärzte und Psychothera- peuten: Zum einen das Preisrisiko, wobei Pressekonferenz zur VV: Die VV-Vorsitzende Dr. Petra Reis-Berkowicz und der KBV-Vorstand Dr. Andreas die Praxen auf einem Teil der Kosten für Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Thomas Kriedel (v. l. n. r.) die TI-Komponenten sitzenbleiben, weil die Marktpreise über den Erstattungsbe- sei mit den Budgets in der ambulanten ein leistungsfähiges, technisch einwand- trägen liegen. Zum anderen das Sanktions- Versorgung nicht vereinbar. frei funktionierendes Angebot sein mit risiko. Hier drohen den Praxen Sanktionen kurzen Wartezeiten für die Anrufer“, so durch einen Honorarabzug von einem Der stellvertretende KBV-Vorstandsvor- der KBV-Vize. Darüber hinaus müsse Prozent, wenn das Versichertenstammda- sitzende Hofmeister konstatierte in seiner die Rufnummer mit einem einheitlichen tenmanagement nicht ab 1. Januar 2019 Rede eine thematische Schieflage in der telefonischen Ersteinschätzungssystem über die TI durchgeführt wird“, erläuterte aktuellen gesundheitspolitischen Debatte: verbunden werden, das es erlaube, bereits Kriedel. „Der Irrglaube von der Gesundheitsversor- vor jedem Arztkontakt das Anliegen des gung in der Krise führt zu unergiebigen Anrufers zu erkennen und zu kanalisie- Aus dieser Situation werde die KBV nun und polemischen Diskussionen.“ Statt ren. Um die Bereitschaftsdienstnummer zweierlei Konsequenzen ziehen: „Erstens sich um die echten Problemfelder wie 116117 auch in der Wahrnehmung der werden wir sofort in die Verhandlungen Bildung, Verwaltung und Infrastruktur zu breiten Öffentlichkeit stärker bekannt zu mit dem Spitzenverband der gesetzlichen kümmern, führe die Politik eine Alibidis- machen, erhielt der KBV-Vorstand von den Krankenversicherung einsteigen, um die kussion um ein angeblich ungerechtes VV-Delegierten den Auftrag, eine Kommu- aktuellen Marktpreise bei der Finanzie- Gesundheitssystem. nikations- und Werbekampagne durchzu- rung der TI-Komponenten zu berücksich- führen. Diese soll Anfang des Jahres 2019 tigen. So ist es in der TI-Finanzierungsver- starten. einbarung vorgesehen. Zweitens werden wir, um das Sanktionsrisiko für die Praxen zu entschärfen, auf die Politik zu- Notfallversorgung: gehen, um eine weitere Fristverlängerung kein dritter Sektor bis Mitte 2019 zu erwirken. Denn eines Nachverhandlungen dürfte allen klar sein: Nicht die Vertrags- Einig zeigte sich die KBV-Vertreterver- bei TI-Rollout ärzte sind schuld an dieser Verzögerung, sammlung beim Thema Reform des Bereit- sondern es ist der Markt, der aktuell nicht schaftsdienstes und dessen Verzahnung Skepsis macht sich unterdessen beim liefern kann“, so Kriedel. mit der stationären Notfallversorgung. KBV-Vorstand mit Blick auf die Anbindung Gemeinsam wollen die Kassenärztlichen der Praxen an die Telematikinfrastruktur Nicolas Ebert Vereinigungen (KVen) und die KBV für (TI) breit. Vorstandsmitglied Dr. Thomas die Patienten Bereitschaftsdienstangebote Kriedel zog dazu in seinem VV-Bericht ein und Portalpraxen schaffen. In diesem nüchternes Fazit. Nach wie vor gebe es nur Zusammenhang sprach sich der stell- Die Resolution, Vorstandsreden und vertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Beschlüsse der VV finden Sie hier: Hofmeister auch gegen die Vorstellungen www.kbv.de/html/33291.php des Sachverständigenrates für Gesundheit aus, die Notfallversorgung in einen dritten Sektor auszugliedern. „Neue Sektoren- grenzen, neue Zuständigkeiten und neue Finanztöpfe würden nur weitere Konflikte hervorrufen. Was wir brauchen, ist eine kooperative Zusammenarbeit mit den Kli- nikärzten“, sagte Hofmeister. Er betonte, die Selbstverwaltung müsse dem Aktionis- mus der Politik vorgreifen und eine griffige und klare Lösung präsentieren. Dies sei die bundeseinheitliche Rufnummer 116117 in Kombination mit einer Bereitschafts- und Notfall-App, der Website 116117info.de und der BundesArztsuche-App. „Die 116117 kann nur groß gedacht werden. Sie muss Große Einigkeit: Die Delegierten verabschiedeten fast alle Beschlüsse einstimmig. KBV KLARTEXT > 1. QUARTAL 2018 19
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