MENSCHENBILDER - 2 Euro - Arge für Obdachlose

Die Seite wird erstellt Selma Hartmann
 
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Arge für Obdachlose                                   Stra enzeitung von Randgruppen und sozial Benachteiligten

MAI 2022 ı 1 Euro bleibt den VerkäuferInnen ı Achten Sie auf den Verkaufsausweis                            2 Euro

                                                                              MENSCHENBILDER
IMPRESSUM
                                                         Spendenaufruf für Menschen in der Ukraine
Die Straßenzeitung Kupfermuckn ist ein Angebot zur       Die Kupfermuckn unterstützt die Spenden-         ten Kartons verpackt – sind in einem der 22
Selbsthilfe für Wohnungslose und für Menschen an oder
unter der Armutsgrenze. Unsere Zeitung versteht sich
                                                         aktion »Nothilfe Ukraine« der Volkshilfe         Volkshilfe-Shops in Oberösterreich zu deren
als Sprachrohr für Randgruppen und deren Anliegen.       OÖ. Helfen bitte auch Sie!                       Öffnungszeiten abzugeben.
Der Zeitungsverkauf und das Schreiben bringen neben      Geldspenden können an das Spendenkonto           Die Transporte aus dem Sammellager in
dem Zuverdienst das Gefühl, gemeinsam etwas ge-
schaffen zu haben. Von Wohnungslosigkeit Betroffene
                                                         der Volkshilfe Oberösterreich (IBAN AT70         Traiskirchen gehen direkt in die Ukraine. In
bilden mit Mitarbeitern des Vereins »Arge für Obdach-    5400 0000 0023 2009) mit dem Verwen-             Czernowitz werden die Hilfsgüter dann von
lose« in partnerschaftlichem Verhältnis die Redaktion.   dungszweck »Nothilfe Ukraine« getätigt           der Schwesterorganisation »Narodna Dopo-
                                                         werden. Mit diesen Geldern wird die Schwes-      moha«, der Volkshilfe Ukraine, in kleinere
Redaktion
Straßenzeitung Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020        terorganisation in der Ukraine bei der Versor-   Einheiten für die Weiterverteilung umge-
Linz, Tel. 0732/770805-13, kupfermuckn@arge-ob-          gung der großen Fluchtbewegung unterstützt.      packt – einerseits für die Versorgung der
dachlose.at, www.kupfermuckn.at                          Auch Sachspenden werden für die Menschen         Flüchtlinge in Czernowitz selbst, anderer-
Projektleitung, Koordination, Layout, Fotos:             vor Ort dringend benötigt. Allen voran halt-     seits auch für den Weitertransport in die um-
Heinz Zauner (hz), Chefredakteur                         bare Lebensmittel und Getränke. Aber auch        kämpften Gebiete.
Daniela Warger (dw), Leitung Redaktion                   Hygieneartikel für Babys und Frauen, Ver-        In die Grenzgebiete nach Moldawien und
Christian Wögerbauer (cw), Redaktion
Katharina Krizsanits (kk), Vertrieb, Layout              bandsmaterial, Wolldecken, Schlafsäcke, ori-     Rumänien gehen die Hilfslieferungen der
                                                         ginalverpackte, fiebersenkende Schmerzmit-       Volkshilfe OÖ. Die Zielorte sind etwa ein
                                                         tel und Antibiotika sowie Blutdruckmittel        Zentrallager in Siret in Rumänien sowie das
Redakteure: Anna Maria, August, Christine, Claudia,
Helmut, Heinz, Hermann, Johannes, Leo, Manfred F.,       und Stirnlampen mit Batterien.                   moldawische Edinet, wo Kriegsflüchtlinge
Manfred R., Manfred S., Sonja, Ursula, Walter;           Sachspenden – am besten in stabilen, ver-        an den Grenzübergängen und auf den Stra-
                                                         schließbaren und mit dem Inhalt beschrifte-      ßen versorgt werden. Foto: Volkshilfe
Titelfoto (hz), Grafik (kk): Menschenbilder
Auflage: 25.000 Exemplare

Bankverbindung und Spendenkonto
Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz
IBAN: AT461860000010635860, BIC: VKBLAT2L

Ausgabe in Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck
Menschen, die in Armut leben und ihren Lebensmittel-
punkt in Oberösterreich haben, können sich Montag bis
Freitag zwischen 8 und 12 Uhr bei den Ausgabestellen
melden und erhalten einen Verkäuferausweis. 50 Pro-
zent des Verkaufspreises verbleiben den Verkäufern.

Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel.,
0732/770805-19
Soziales Wohnservice Wels, E 37, Salzburgerstraße 46,
4600 Wels, Tel. 07242/290663
Verein Wohnen Steyr, B 29, Hessenplatz 3, 4400 Steyr,
Tel. 07252/50 211
Verein Wohnungslosenhilfe Mosaik, Gmundner Straße
102, 4840 Vöcklabruck, Tel. 07672/75145

Medieninhaber und Herausgeber
Vorstand des Vereines »Arge für Obdachlose«, Vorsit-
zende Mag.a Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11,
4020 Linz, www.arge-obdachlose.at

                       International
                       Die Kupfermuckn ist Mitglied
                       beim »International Network
                       of Street Papers« INSP
                                                         Achten Sie bitte auf den Verkaufsausweis
                       www.street-papers.com
                                                                                                                    Liebe Leserinnen und Leser!

                                                                                                                    Bitte kaufen Sie die Kupfermuckn
                                                                                                                    ausschließlich bei Verkäuferinnen
                                                                                                                    und Verkäufern mit sichtbar getra-
                                                                                                                    genem und aktuellem Ausweis.
                                                                                                                    Nur so können Sie sicher sein,
                                                                               Stadlbauer                           dass auch wirklich die Hälfte des
                                                                                                                    Ertrages der Zielgruppe zu Gute
                                                                               Claudia                              kommt: Wohnungslosen und
                                                                                                                    Menschen, die in Armut leben und
                                                                               Verkäuferausweis 2022                ihren Lebensmittelpunkt in Ober­
                                                                                                                    österreich haben.
2                      05/2022
Uns allen droht eine böse Überraschung!
Wie die explodierenden Energiekosten die untere Bevölkerungsschicht treffen

Ich musste aus dem Billigvertrag                   ich, von einem Billiganbieter »Top Energie«.      Tarif-Erhöhungen, denn sonst wird es müh-
                                                   Ich könne mir eine Menge Geld sparen, wenn        sam. Doch an dieses Szenario möchte ich der-
wieder aussteigen                                  ich umsteige, erzählte er mir. Er half mir dann   zeit noch nicht denken. Christine
                                                   auch bei der Umstellung. Zuerst meldete ich
Als I-Pension-Bezieherin bekomme ich im            mich bei der Linz AG ab und machte einen
Monat knapp 1.000 Euro. Ich lebe in einer          Vertrag mit dem neuen Anbieter. Ich war dann
                                                                                                     Trotz Geschirrspüler wasche ich
43-Quadratmeter-Wohnung in einem Wohn-             tatsächlich überrascht, da ich mir im Jahr doch   händisch ab, um zu sparen
block, der im Jahr 1978 erbaut wurde. Saniert      etwas Geld ersparen konnte. Und dann bekam
wurde das Gebäude bisher noch nicht, was           ich Ende des Jahres 2021 folgenden Brief mit      Ich mag mir jetzt noch gar nicht vorstellen,
sich – vor allem in der kalten Jahreszeit – auch   der Aufforderung, einen neuen Stromliefer-        wie ich mein Leben meistern kann, wenn die
immer wieder durch höhere Heizkosten be-           vertrag mit einem neuen Unternehmen zu ma-        Strom- und Heizkosten nun merklich teurer
merkbar macht. Zum Glück besitze ich kaum          chen. Der alte Vertrag verliere die Wirksam-      werden. Als Sozialhilfe-Bezieherin muss ich
Elektrogeräte. Ich habe keinen Computer,           keit mit dem 31. Jänner 2022. So musste ich       ohnehin bereits um jeden Euro kämpfen.
auch keine Mikrowelle oder Ähnliches. Nur          zwangsläufig den Vertrag kündigen und bin         Wenn es nun zu Teuerungen kommt, dann
zwei Herdplatten ohne Backrohr. Die Strom-         dann doch wieder zu meinem ursprünglichen         wird es für mich ganz knapp. Es gibt zwar
kosten hielten sich deshalb auch immer in          Anbieter umgestiegen. Die Kosten haben sich       angeblich einen Heizkostenbonus, doch habe
Grenzen. Vor gut einem Jahr erzählte mir ein       um mindestens ein Drittel erhöht. Hoffentlich     ich auch schon beim versprochenen Corona-
lieber Nachbar, der im selben Haus wohnt wie       kommt es in Zukunft nicht noch zu weiteren        Bonus durch die Finger geschaut. Arbeitslose
                                                                                                                        05/2022                3
Walter macht sich Sorgen wegen den steigenden
             Stromkosten. Es wird knapp für ihn. Fotos: hz

hingegen haben diesen Bonus drei Mal ausbe-
zahlt bekommen. Aber den Sozialhilfe-Bezie-
hern wird auch noch das Wenige genommen,
das sie besitzen. Meine Stromrechnung be-
trägt im Monat 37 Euro. Das klingt für den
Otto-Normalverbraucher womöglich gar nicht
so schlimm. Da mir jedoch schon die Wohn-
beihilfe abgezogen wird, bleiben mir, wenn
ich alle Rechnungen bezahlt habe, nur noch
300 Euro im Monat übrig. Mit diesem Geld
muss ich mein Leben bestreiten. Im Winter,
wenn es dunkel wird, kann ich ja nicht im
Finsteren sitzen. Man braucht die lebensnot-
wendigen Dinge wie Beleuchtung, einen
Kühlschrank, den Ofen zum Kochen und den
Boiler für Warmwasser. Bei mir läuft das alles
bedauerlicherweise mit Strom. Ich versuche
jedoch jetzt bereits, Strom zu sparen, indem
ich händisch abwasche, obwohl ich einen Ge-                  Decken eingewickelt in meiner dunklen Woh-          aber nicht zu warm. Gerade so, dass wir nicht
schirrspüler besitze. Ich bin nun wirklich ge-               nung verbringen, denn das Licht muss ich            in der Winterjacke drinnen sitzen müssen. Bis
spannt, wie hoch meine nächste Stromabrech-                  dann unweigerlich auch ausschalten. Und an-         jetzt sind wir immer halbwegs gut durch die
nung ausfallen wird, und wie meine neue Vor-                 statt zu kochen, werde ich mir jeden Tag ein        kalten Jahreszeiten gekommen. Wie wird das
schreibung lauten wird. Ich kann wegen der                   Wurstsemmerl kaufen, um Strom zu sparen.            nun weiter gehen? Werden wir uns in Zukunft
Teuerungen doch nicht einfach auf das Essen                  Was für düstere Zukunftsaussichten. Bleibt zu       überhaupt noch Strom und Fernwärme leisten
verzichten. Anna Maria                                       hoffen, dass die Politiker etwas für uns arme       können? Bei uns kommt erschwerend hinzu,
                                                             Bürger machen! Helmut                               dass wir finanziell immer am Limit sind. Wir
                                                                                                                 können uns also nicht einfach von heute auf
Ich werde nur noch Wurstsemmeln                                                                                  morgen neue, energiesparende Geräte kaufen.
essen, um Strom zu sparen                                    Heizung auf klein eingestellt                       So haben wir mit dem alten Backofen, dem
                                                             und LED statt Glühbirnen                            alten Herd und dem alten Kühlschrank so
Es ist unglaublich, in welchem Ausmaß die                                                                        richtige Stromfresser in unserem Haushalt.
Preise für das Heizen und den Strom gestiegen                In den letzten Jahren wurde alles merklich          Der Wohnblock, in welchem wir wohnen,
sind. Und ich befürchte, dass das erst der An-               teurer, leider auch die Energie. Manchmal           wurde auch noch nie saniert. Im Sommer ist es
fang ist. Armutsgefährdete Bürger kommen da                  überlege ich mir, ob ich das Licht oder das         viel zu heiß, und in der kalten Jahreszeit zieht
unweigerlich in eine größere Existenzkrise.                  eine oder andere Gerät jetzt einschalten soll       es an allen Ecken und Wänden. Wir müssten
Ich befürchte, dass ich mir den Strom und das                oder lieber doch nicht. Ähnlich ergeht es mir       frieren, wenn sich das Heizen finanziell nicht
Heizen bald nicht mehr leisten kann, denn es                 bei der Heizung. Ich will nicht mein Dasein in      mehr ausgeht. Das wäre ein echter Alptraum.
war bis zum heutigen Tag immer schon sehr                    einer dunklen und kalten Wohnung fristen            Bedauerlicherweise bringt die derzeitige In-
knapp. Doch nun befinden wir uns in einer                    müssen. Da kann ich gleich wieder wie früher        flation noch eine massive Steigerung der Le-
noch größeren Krise. Wir haben eine Inflation,               auf der Straße leben, wobei ich das auch nicht      bensmittelpreise mit sich. Wie soll sich da ein
die so hoch ist, wie seit 40 Jahren nicht mehr.              mehr möchte. Mein Partner und ich sparen            Überleben noch ausgehen? Als wir eingezo-
Und leider bekommen wir vom Staat nicht                      ohnehin schon wie verrückt. Die Glühbirnen          gen sind, mussten wir uns zwischen zwei An-
mehr Geld. Wenn man den Berichten Glauben                    wurden in der Wohnung alle durch LED-Bir-           bietern entschieden. Für uns kam nur die Linz
schenken darf, und hört, dass in Budapest in                 nen ersetzt. Das war schon einmal ein guter         AG infrage. Denn, im Falle eines Problems,
Ungarn über hundert Menschen in ihren Woh-                   Ansatz. In der Küche benutze ich bevorzugt          kommt ein Verantwortlicher relativ schnell
nungen erfroren sind, weil sie sich das Heizen               einen Dampfgarer und eine Heißluft-Fritteuse,       vorbei. Bei einem anderen Anbieter kann mir
nicht mehr leisten konnten, dann kann man                    um nicht immer den E-Herd einschalten zu            das niemand versprechen. Doch auch hier
nur sagen: »Gute Nacht«. Ich zahle für Strom                 müssen. Dieser braucht nämlich eine gewisse         wird es künftig teurer werden. Meiner Mei-
und Heizung hundert Euro im Monat. Mit den                   Vorheizzeit, was bei den anderen Geräten            nung nach muss Energie, die man immer
neuen Preisen muss ich von nun an 150 Euro                   nicht der Fall ist. Ist die Zeit abgelaufen, ste-   braucht, leistbar bleiben. Sonja
zahlen. Das sind 50 Euro mehr. Und wenn die                  cke ich sie aus, damit ich keinen weiteren
Preise dann noch höher steigen, dann kann ich                Strom verschwende. Ich habe keine Geräte
mit meinem geringen Einkommen überhaupt                      auf »Standby« laufen, denn auch das kostet
                                                                                                                 Ich werde mich dick einpacken
nicht mehr mithalten. Was soll ich dann tun?                 Strom, zwar nicht viel, aber immerhin doch          müssen, damit ich nicht friere
Das sind große Sorgen! Womöglich werde ich                   ein wenig. Die Heizung ist auf wenige Grad
dann wohl den nächsten Winter mit einem di-                  eingestellt. Die Heizkörper sind nicht ver-         Meine derzeitige Angst ist, dass der heurige
cken Pelzmantel bekleidet und in mehreren                    stellt. Wir haben es warm in der Wohnung            Winter furchtbar teuer wird! Für mich als
4                   05/2022
Mindestsicherungs-Bezieherin wird es beson-      »Schlaustrom« erhöhte von                        ich in eine wirkliche finanzielle Not. Der
ders schwierig werden. Ich habe derzeit schon                                                     nächste Winter steht auch bald wieder vor der
so viel zu zahlen, dass ich bereits am Monats-   Monat zu Monat den Preis                         Tür. Bei diesen Preisen geht dann gar nichts
anfang kaum mehr Geld habe. Leider muss                                                           mehr. Ich habe daraufhin sofort den Stroman-
ich noch Schulden von früher abstottern. Wä-     Ich habe lange Zeit den Strom bei der »Linz      bieter gewechselt und bin wieder zur »Linz
ren da nicht die Sozialeinrichtungen in Linz,    AG« bezogen und zahlte monatlich knapp 30        AG« zurückgekehrt. Ich hoffe, dass hier weni-
wo man warme Mahlzeiten bekommt, dann            Euro. Anfang 2020 wurde ich bei einem Infor-     ger Kosten für den Strom anfallen. Es bleibt
würde ich wahrscheinlich vom »Containern«        mations-Stand auf »Schlaustrom« aufmerk-         auch zu hoffen, dass die Politiker schnell et-
leben müssen. Das heißt, ich müsste also im      sam gemacht, die mit sehr günstigen Konditi-     was machen. Denn, dieses Problem trifft ja
Müll nach Verwertbarem suchen. Das habe          onen für den Strom geworben hatten. Da ich       nicht nur mich alleine. Wenn ich mich in mei-
ich übrigens auch schon öfters gemacht, wenn     nur über ein geringes Einkommen verfüge,         nem Bekanntenkreis herumhöre, dann sind
ich kein Geld mehr hatte. Meine Wäsche wa-       wechselte ich den Anbieter. Das zahlte sich      momentan viele Menschen, vor allem Men-
sche ich längst schon in der Wärmestube, da      anfangs auch aus. Neben den rund 20 Euro,        schen der unteren Bevölkerungsschicht, von
ich selbst kein solches Gerät besitze. Trotz-    welche ich für das Benutzen des Stromnetzes      diesen Preissteigerungen betroffen. Über 200
dem sind die Stromkosten in meiner 32 m2         der Linz AG bezahlen muss, zahlte ich monat-     Euro im Monat kann ich mir für den Strom
Wohnung relativ hoch. Das liegt wahrschein-      lich nur noch den geringen Betrag von 6,22       alleine ganz bestimmt nicht leisten. Claudia

»Schon im Oktober 2021 erfolgte ein weiterer Preissprung. Rund Dann kam die Kündigung des
60 Euro im Monat waren dann mehr zu bezahlen.« Claudia         Energieliefervertrags
                                                                                                  Mit dem Umzug in eine neue Wohnung habe
                                                                                                  ich mir auch Gedanken um den Strom ge-
lich auch daran, dass ich elektrisch heizen      Euro für den Strom. Doch kurze Zeit später       macht. Ich war zuvor bei der Linz AG, wo ich
muss. Das Haus, in welchem ich wohne, hat        kam dann schon das erste böse Erwachen:          36 Euro für den Strom bezahlte. Im Grunde
schon viele Jahre auf dem Buckel und wurde       Denn, ab dem ersten Juni 2020 erhöhte sich       genommen war ich immer zufrieden mit dem
noch niemals saniert. Es zieht. Vor allem im     die monatliche Vorschreibung auf rund 32         Preis. Ich konnte mir den Strom leisten, trotz
Winter ist es ziemlich kalt, da die Fenster      Euro. Ein Betrag, mit dem ich zwar noch le-      meines Lebens am Rande des Existenzmini-
nicht dicht und die Außenwände schlecht iso-     ben konnte, doch es tat weh, denn ich muss oft   mums. Eines Tages bin ich dann jedoch auf
liert sind. Eigentlich müsste ich im September   jeden Cent dreimal umdrehen, bevor ich ihn       das Angebot des Energie-Unternehmens »Ver-
bereits die Heizung einschalten. Doch ist zö-    ausgebe. Im Oktober 2021 erfolgte dann ein       bund« aufmerksam geworden, wo mit »vier
gere das immer so lange wie möglich hinaus,      weiterer Preissprung: Rund 60 Euro waren         Monate Gratis-Strom« geworben wurde.
ziehe mich warm an und heize erst dann, wenn     dann zu bezahlen. Auch dieser Preis war nicht    Ohne zu zögern, wechselte ich den Anbieter.
es wirklich nicht mehr auszuhalten ist. Leider   in Stein gemeißelt, und so erhöhte »Schlaus-     Ein Wechsel, der mir dann auch bald schon
kommt bei mir kaum ein Sonnenstrahl in den       trom« von nun an Monat für Monat die Ener-       zum Verhängnis wurde. Als ich nämlich lange
Raum. Was nun erschwerend hinzu kommt,           giepreise. Im November waren es dann 76          Zeit keinen Zahlschein erhalten habe, dachte
sind die steigenden Preise aufgrund des Krie-    Euro, im Dezember bereits 111 Euro und im        ich mir: »Das werden wohl die vier Gratis-
ges in der Ukraine. Als ich die letzte Strom-    Jänner 2022 plötzlich gar 189 Euro – zuzüg-      Monate sein.« Doch leider lag ich mit meinen
rechnung in meiner Hand hielt, war ich so        lich den gut 20 Euro für das Netz. Das war       Gedanken vollkommen falsch. Nach drei Mo-
schockiert, dass ich mich hinsetzen musste.      dann so richtig schmerzhaft! Also Stromkos-      naten bekam ich nämlich bereits einen Brief,
Ich habe nun doppelt so viel zu zahlen. Doch     ten von über 200 Euro in einer 75 m2 Woh-        in welchem mir die Kündigung des Energie-
die Mindestsicherung bleibt dieselbe. Wie soll   nung, ohne dass ich mehr Energie verbraucht      liefervertrags mitgeteilt wurde. In dem Brief
das weitergehen? Ich werde mich im Herbst        hätte. Ich habe dann auch den Stromanbieter      wurde mir weiterhin mitgeteilt, dass ich keine
dick einpacken müssen. Hoffentlich kommen        kontaktiert, doch dieser meinte, dass der        einzige Teilzahlungsvorschreibung bezahlt
Lösungen und Hilfen von politischer Seite.       Preisanstieg derzeit ganz normal sei. Wenn ich   hätte. Diese waren mit 126 Euro pro Monat
Maria                                            das weiterhin zu bezahlen habe, dann gerate      um einiges höher als bei der Linz AG. Ich rief

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beim »Verbund« an. Da wurde mir mitgeteilt,         benvorfall, einen Bauchdeckenbruch und           Die Stromrechnung in der Höhe von 150 Euro
dass es dort keine Zahlscheine gegeben hat.         leide an Ernährungsunverträglichkeiten. Mein     konnte Dank REWO auf 105 Euro reduziert
Es handle sich um eine Dauerrechnung, die           Körper ist vollkommen instabil. Auch Atem-       werden. Ein Tropfen auf den heißen Stein.
ich zu zahlen hätte. Darüber hinaus wurde mir       not, Herzrhythmus-Störungen und Schweiß-         Was jedoch die Gas-Kosten betrifft, ist mir
mitgeteilt, dass die vier gratis Monate erst mit    ausbrüche kommen noch hinzu. Nachts kann         jetzt schon angst und bange. Für die letzten
der Jahresabrechnung zum Tragen kämen.              ich kaum schlafen, da mich der Kummer be-        vier Monate sollten 311 Euro pro Monat nach-
Dass der monatliche Betrag so viel höher sei        gleitet. In diesem Zustand kann ich unmöglich    gezahlt werden. Und ab April sollte ich pro
als bei der Linz AG, begründete man beim            arbeiten. Meine beiden Söhne sind außerdem       Monat 115 Euro bezahlen. Ich frage mich:
»Verbund« damit, dass ich Neukunde bin und          noch sehr klein. Sie brauchen mich noch sehr.    »Mit welchem Geld?« Vom AMS bekomme
eben die Energiepreise angestiegen sind. Ich        So leben wir fast schon unter dem Existenzmi-    ich 638 Euro und pro Kind 225 Euro Ali-
habe derzeit noch überhaupt keine Ahnung,           nimum. Dank den Sozialarbeitern von REWO         mente. Das Fatale ist: Mit unserer Erkrankung
wie ich den Rückstand begleichen soll. David        (Projekt der Arge für Obdachlose, Anm.) kam      können wir niemals in einer kalten Wohnung
                                                    ich bisher halbwegs über die Runde. Sie          leben, denn Kälte verschlimmert den Krank-
                                                    brachten mir Gutscheine und kümmerten sich       heitsverlauf auf dramatische Weise. Da wür-
Ich bin nervlich am Ende und weiß                   darum, dass ich einen Heizkostenzuschuss be-     den sich unsere Körper sofort verkrampfen
nicht, wie ich das zahlen kann                      komme. Ohne ihre Unterstützung und Bera-         und die Schmerzen zunehmen. Wir leben in
                                                    tung wäre ich vollkommen verloren und hätte      einer 65 m2 Wohnung. Zum Glück befindet
Die Energiepreise sind nicht nur merklich teu-      die Nerven bereits aus dem Fenster geworfen.     sich die Wohnung in der Mitte eines Wohn-
rer, sondern erschlagend teurer. Als ich die        Sie sind derzeit auch meine einzigen An-         blocks, also über und unter uns sind Nach-
Rechnungen bekam, hatte ich beinahe einen           sprechpartner. Von Seiten des AMS hieß es        barn. So profitiere ich ein wenig von deren
Nervenzusammenbruch. Dazu muss ich gleich           bisher immer, ich solle auf den Bescheid von     Wärme. Über die kalte Jahreszeit drehe ich
klarstellen, dass ich AMS-Bezieherin und ge-        der PVA warten. Diesen bekam ich letzthin.       den Heizkörper nur im Kinderzimmer auf, aus
sundheitlich sehr angeschlagen bin. Meine           Darin steht geschrieben, ich sei noch 25 Stun-   Angst vor den Heizungskosten. Ich kenne
beiden Söhne und ich leiden am Ehlers-Dan-          den in der Woche arbeitsfähig. Das wurde in      mich mit dem Verbrauch nicht aus und kann
los-Syndrom: Unsere Haut ist sehr dünn. Wir         einem kurzen Gespräch mit mir abgeklärt. Für     mir deshalb nicht erklären, warum ich so eine
bekommen leicht blaue Flecken und Verlet-           mich war dieser Bescheid sehr erniedrigend       hohe Rechnung zahlen sollte. Einkaufen ist
zungen. Im gesamten Körper befinden sich            und ernüchternd. Sie haben meine ernste Lage     für mich ebenfalls eine Katastrophe. Ganz zu
Entzündungsherde. Wir haben chronische Ge-          nicht erkannt. Nun sitze ich da und bin sehr     schweigen von den notwendigen Präparaten
lenkschmerzen sowie Arthrose in den Fingern         verzweifelt. Vor allem die steigenden Preise     und Tabletten, die ich mir derzeit nicht leisten
und Knien. Zudem habe ich einen Bandschei-          von Strom und Gas machen mir große Angst.        kann. Nervlich bin ich am Ende. Frau S.

Wo und wie man im Alltag Energie sparen kann
Werden die Stromrechnungen zu hoch, genügen oft einfache Maßnah-            Wäsche waschen
men, um Kosten zu sparen. Hier ein paar Tipps, hauptsächlich entnom-           aschmaschine nur gut befüllt einschalten
                                                                              W
men aus der Broschüre »Strom sparen leicht gemacht« des OÖ Ener-              Wäsche nicht zu warm waschen. Normal verschmutzte
giesparverbands. Weitere Infos unter: www.energiesparverband.at                Wäsche wird auch bei 30° sauber
                                                                               Vorwäsche ist nur bei stark verschmutzter Wäsche nötig
Kochzeiten und richtiges Kochen
     estwärme nutzen: bei langen Kochzeiten die Herdplatte
    R                                                                       Beleuchtung
    fünf bis zehn Minuten früher ausschalten                                   EDs benutzen: Sie brauchen weniger Strom und halten
                                                                              L
    Kaffeemaschine und Wasserkocher regelmäßig entkalken                     wesentlich länger; Halogenlampen sind Energiefresser!
     Deckel auf den Kochtopf geben                                           Licht abschalten und Tageslicht nutzen
      der Wasserkocher braucht weniger Strom als die Herdplatte
       Mikrowelle nur bei kleinen Mengen und zum Aufwärmen                 Computer
        verwenden                                                              ildschirm bei längeren Pausen abschalten
                                                                              B
                                                                              Energiesparfunktion beim PC einschalten
Geschirr-Spülen                                                                nach der Arbeit den Computer herunterfahren und am Hauptschalter
     iedrige Wassertemperatur wählen
    N                                                                           ausschalten. Wenn der PC keinen Hauptschalter hat – eine Stecker-
    Geschirrspüler nur vollgefüllt einschalten                                 leiste mit Schalter verwenden
     Energiesparprogramme nutzen
                                                                            Warmwasser
Kühlen und Gefrieren                                                          Duschen statt baden
     icht zu kalt einstellen. Kühlschrank 6°, Gefrierschrank -18°,
    N                                                                          asser nicht rinnen lassen
                                                                              W
    Türdichtungen kontrollieren                                                bei einem Untertisch-Speicher Vorschaltgerät
    Geräte – wenn möglich – kühl aufstellen, nicht neben Herd                  sollte man eine Zeitschaltuhr verwenden
6                   05/2022
AK Präsident Stangl zu den steigenden Preisen
Bedrohliches Duo: hohe Wohnungskosten und steigende Energiepreise

Das Wort »Energiearmut« wird verwendet,
um darauf hinzuweisen, dass Menschen es
sich nicht mehr leisten können, ihre Energie-
rechnung zu bezahlen und ihre Wohnung an-
                                                                                                        Konsumentenschutz
gemessen zu heizen. Diese Gefahr steigt mit
den explodierenden Energiepreisen für viele                                                             Darf mein Energielieferant einfach
Menschen derzeit enorm!                                                                                 den Vertrag kündigen?
Etwas irreführend ist der Begriff, wenn da-
durch Armut eindimensional auf die Ursache                                                              Es ist gesetzlich geregelt, dass der Ener-
Energiekosten zurückgeführt wird. In den al-                                                            gielieferant den Vertrag mit den Kunden
lermeisten Fällen wird Armut durch mehrere                                                              unter Einhaltung einer Frist von acht Wo-
Komponenten verursacht. Die wesentlichste                                                               chen kündigen darf. Ausnahme: Vor Ab-
Ursache von Armut ist und bleibt ein zu gerin-                                                          lauf einer Vertragsbindung oder Preisga-
ges Einkommen. Ein ebenso großes Problem                                                                rantie darf nicht gekündigt werden, an-
wie die Energiekosten sind in diesem Zusam-                                                             sonsten drohen dem Energielieferanten
menhang die Wohnungskosten, also vor allem                                                              Schadenersatzansprüche.
die Mieten. Diese sind Österreich in den letz-
ten in Jahren massiv gestiegen.                                                                         Was soll ich nach Erhalt einer
                                                                                                        Vertragskündigung tun?
»Wer rasch hilft, hilft doppelt! Besonders bei bedürftigen
                                                                                                        Prüfen Sie ob eine Vertragsbindung oder
Haushalten!« AK Präsident Andreas Stangl                                                                Preisgarantie besteht und fordern Sie den
                                                                                                        Energielieferanten gegebenenfalls schrift-
                                                                                                        lich zur Einhaltung der vertraglichen Ver-
Die wesentliche Ursache für den zuletzt so dra-      nicht länger wegsehen, sondern müssen rasch        pflichtungen auf. Gibt es keine Vertrags-
matischen Anstieg der Öl- und Gaspreise ist          die Einkommenssituation der Betroffenen sta-       bindung oder Preisgarantie, müssen Sie
ohne Zweifel der Krieg Russlands gegen die           bilisieren«, so AK-Präsident Andreas Stangl.       einen neuen Energielieferanten finden. Ei-
Ukraine. Aber es liegt der Verdacht nahe, dass       Maßnahmen gegen die exorbitant steigenden          nen Überblick über aktuelle Angebote bie-
es da »Trittbrettfahrer« gibt. Die Weitergabe        Energiekosten dürfen nicht mehr auf die lange      tet der Strom- und Gaspreisrechner auf der
steigender Rohölpreise an die Konsumenten            Bank geschoben werden. Sie müssen in An-           Homepage der Arbeiterkammer Oberös-
erfolgt - etwa an der Tankstelle - zumeist sofort,   griff genommen und auf den Weg gebracht            terreich www.arbeiterkammer.at/konsu-
in umgekehrte Richtung hingegen nur teil-            werden. Hier sind die Erfahrungen der letzten      mentenschutz.
weise. Auf diese Weise versucht offensichtlich       Monate zu nutzen und seriöse Verhandlungen
die Mineralölwirtschaft, sich ein möglichst          zu führen.                                         Was tun, wenn Abschaltung droht und
großes »Körberlgeld« zu verdienen!
                                                                                                        ich keinen Energielieferanten finde?
Auch die Strompreise haben im letzten Halb-          Keine weitere Armut erzeugen!
jahr stark angezogen und all das darf die Poli-                                                         Sie haben gegenüber jedem Strom- und
tik nicht einfach so hinnehmen. Sie muss zum         Jetzt nicht rasch zu handeln bedeutet, zusätzli-   Gaslieferanten das Recht auf Grundversor-
Schutz der Menschen und Familien mit nied-           che Armut in Kauf zu nehmen, ja sogar zu er-       gung. Das Unternehmen muss Sie zu dem
rigen Einkommen nötigenfalls auch den Mut            zeugen. Der von der Regierung kurzfristig          Preis beliefern, den der größte Teil der
haben, Höchstpreise zu verordnen! Sie muss           beschlossene Teuerungsausgleich war ein ers-       Kundinnen und Kunden bezahlt. Der Ener-
gerade in solchen Situationen der Spekulation        ter Schritt, aber er ist zu wenig. Vor allem für   gielieferant kann eine Kaution in Höhe
einen Riegel vorschieben!                            Menschen mit niedrigen Einkommen, die              von maximal einer Teilzahlung verlangen,
Was die anhaltende Teuerung und damit den            schon bisher schwer über die Runden gekom-         die zurückgezahlt werden muss, wenn es
starken Anstieg der Kosten für das tägliche          men sind, wird das nicht reichen.                  in weiterer Folge keine Zahlungsschwie-
Leben betrifft, liegen viele Vorschläge zur Be-      Neben dem Hauptfaktor Mieten, belasten die         rigkeiten gibt.
wältigung auf dem Tisch. Vorrang müssen nun          gestiegenen Preise für Strom, Heizung und
jene haben, die rasch umsetzbar sind. Das be-        Warmwasser die Mieterinnen und Mieter. Zu-         Für weitere Fragen steht Ihnen der Konsu-
trifft vor allem, das Ende der Anrechnung der        dem sind es die Vermieter, die über den Zu-        mentenschutz der Arbeiterkammer Oberös-
Wohnbeihilfe auf die Sozialhilfe, aber auch          stand der Wohnungen, über das vorhanden            terreich unter 050-6906-2 oder auf www.
eine rasche Erhöhung des Arbeitslosengeldes.         sein einer Wärmedämmung und andere Maß-            arbeiterkammer.at/konsumentenschutz
Ebenfalls rasch umsetzbar sind Verbesserun-          nahmen zur Steigerung der Energieeffizienz         gerne zur Verfügung.
gen beim Heizkostenzuschuss. »Wir dürfen             entscheiden. Foto und Text: AK OOE
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Mit »Street-Art« Randgruppen ins Bild setzen
Ein LINZimPuls2021-Kulturprojekt der Straßenzeitung Kupfermuckn und Mural Harbor

Drei Transporter des Arge Trödlerladens      »Vorurteile gegenüber sozialen Randgruppen     Wohnungslose bei Wohnungsräumungen, Re-
werden Ihnen im Straßenbild von Linz als     führen oft zu Ausgrenzung und Verdrängung      cycling und Wiederverwertung. Die Transpor-
fahrende Kunstwerke sicher bald ins Auge     aus dem öffentlichen Raum. Mit den großen      ter sind nun im Stadtbild sichtbar. Ein Portrait
stechen. Im März war der serbische Street-   Portraits auf den Lastwagen wollen wir diese   von Christopher (siehe oben) hat der serbische
Art-Künstler WUPER zu Gast bei Mural         Randgruppen sichtbar machen und ihre Integ-    Künstler auch in der Hafengalerie gestaltet.
Harbor und gestaltete die Fahrzeuge mit      ration einfordern«, meint Heinz Zauner von     Die Klienten des Vereines Arge für Obdach-
Portraits von Verkäufern der Straßenzei-     der Straßenzeitung Kupfermuckn. Im März        lose waren jedoch nicht nur beim Fotoshoo-
tung Kupfermuckn. Hintergrund ist das        und April entstanden dazu große Graffiti auf   ting eingebunden. »Leinen los«, hieß es schon
gemeinsame Kulturprojekt – »Mit Street-      den Planen der drei Transporter des Arge       im Herbst bei einer Bootstour durch die Ha-
Art soziale Randgruppen ins Bild setzen«     Trödlerladens, der, wie die Straßenzeitung,    fengalerie. Es folgten Graffiti- und Stencil-
– der Straßenzeitung mit der Graffiti- und   zum Verein Arge für Obdachlose gehört. Das     (Schablonentechnik) Crashkurse. Weitere Ak-
Muralismo-Galerie im Linzer Hafen.           Recycling-Projekt schafft Beschäftigung für    tionen werden folgen. Fotos: cw, Text: hz
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Beim Portrait-Malworkshop mit der Künstlerin
und Sozialarbeiterin Helga Fürlinger-Nagl und
Michael Url von Mural Harbor wurden die Kon-
turen von Fotos verwendet und dann mit Schablo-
nen, Sprays und Malfarben kreativ gestaltet. Im
Herbst wird es dazu eine Ausstellung geben.
Fahrende Kunstwerke

                                                                                                       Immer am Limit
                                                                                                       Ich bin in diesem Leben noch nie-
                                                                                                       mals auf der Sonnenseite gestanden.
                                                                                                       Es gab Zeiten, da hatte ich drei Jobs
                                                                                                       und trotzdem zu wenig zum Leben.
                                                                                                       So war ich finanziell immer am Li-
                                                                                                       mit. Als alleinerziehende Mutter von
                                                                                                       fünf Kindern hatte ich noch zusätzli-
                                                                                                       che Herausforderungen zu meistern.
                                                                                                       Margit

   Heinz Zauner (Arge für Obdachlose und Kupfermuckn),
der serbische Street-Art Künstler WUPER und Leonhard Gruber
            (Mural Harbor), Foto: Volker Weihbold

Der Arge-Trödlerladen schlägt drei Fliegen
mit einem Schlag: Es gibt Beschäftigung für
200 wohnungslose Menschen im Jahr, wir tun
etwas für den Umweltschutz in Linz und bie-
ten für sozial benachteiligte Menschen ein
günstiges Warenangebot an. Nun sind diese
Menschen symbolisch auch auf drei Transpor-
tern dargestellt. Die Künstler von Mural Har-
bor haben dies in die Gestaltung einfließen
lassen. »Auch Street-Art hat ihren Ursprung
in weniger privilegierten Stadtteilen, mit bild-
lichen Darstellungen einer nichtkommerziel-
len, vergänglichen Kunst. Vor einem halben
Jahr lernte ich bei einem internationalen Festi-
val den serbischen Künstler WUPER kennen,
der sich auf Portraits spezialisiert hat. Er                  Fliegen ist meine Leidenschaft
folgte unserer Einladung zur Gestaltung
zweier Transporter und auch von Bildern in                    Ich selbst war zum Glück nie obdachlos, kenne aber Menschen, die
der Hafengalerie«, freut sich Leonard Gruber                  wenig dafür können, weil sie auf der Straße leben. Meine große
von Mural Harbor. Infos zu Führungen und                      Leidenschaft ist das Fliegen. Leider wurde mir der Flugschein ge-
Kursen: info@muralharbor.at und www.mu-                       nommen. Dieser Verluste ist bis heute schmerzhaft. Anton
ralharbor.at, Text: hz
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Und dann: »Aus der Traum!«
Alles verlief in geordneten Bahnen. Ich arbei-
tete, heiratete, baute ein Haus und schenkte ei-
nem Sohn das Leben. Und dann: Aus der Traum!
Es folgte die Trennung und dann die Diagnose:
»Paranoide Schizophrenie«. Ich war einsam
und trank. Heute lebe ich eigenständig und en-
gagiere mich bei der Kupfermuckn. Manfred

                                                                    Der serbische Künstler Wuper signiert sein
                                                                    Kunstwerk. Die Vorlagen für die Portraits
                                                                    stammen von einem Shooting des Fotografen
                                                                    Robert Maybach. Mit kreativen Aktionen im
Setze mich intensiv mit Malerei auseinander                         öffentlichen Raum zur Rückeroberung der ge-
                                                                    sellschaftlichen und kulturellen Teilhabe wol-
Immer schon verspürte ich den Drang, Dinge, die mich bewegen        len wir bald überraschen und erneut sichtbar
auf Papier zu bringen. Seit 1975 setze ich mich intensiv mit der    werden.
Malerei auseinander, und seit 1983 bin ich Mitglied des OÖ Künst-   Die Aktionen sind Teil eines prämierten
lerbundes. Elfriede Poferl                                          Kulturprojekts LINZimPULS 2021 »divide
                                                                    et impera«
                                                                                       05/2022                 11
»Tauglich! Antreten zum Grundwehrdienst!«
Kupfermuckn-Redakteure erinnern sich an ihre Zeit beim Bundesheer

Fast wäre nur mehr Staub                         nem ausreichenden Alkoholkonsum überste-         und warteten auf die Angabe des Komman-
                                                 hen. Ich habe noch bruchstückhafte Erinne-       danten. Ich hatte hörte nur mehr das marker-
von uns übriggeblieben                           rungen an diese Zeit: Die Kommandanten-          schütternde Schreien des Kommandanten.
                                                 Kuppel befand sich auf der linken Turmseite.     Dann sah ich, wie die Auswurfgabel für die
Ich wurde 1953 geboren. Nach meiner Gesel-       Hinten im Turm befanden sich jeweils links       Granatenhülse hinten auf die neu geladene
lenprüfung als Kfz-Mechaniker kam ich 1972       und rechts sechs Granaten, und eine in der       Granate in der Laderinne aufschlug. Hätte es
zum Bundesheer. In meinem Innersten war ich      Latrine in der Mitte. Mit dem Rückstoß nach      die neu geladene Granate zerfetzt, dann hätte
damals schon ein Pazifist. Dennoch musste        dem Abschießen wurde die Granatenhülse mit       es auch die übrigen Granaten in den Lade-
ich beim Bundesheer antreten. »Melde dich        der Auswurfgabel hinter dem Turm ausgesto-       trommeln im Turm zerrissen. Vom Komman-
für den Dienst in der Werkstatt. Da kannst du    ßen. Danach wurde eine neue Granate gela-        danten und mir wäre dann durch die Explo-
unter dem Fahrzeug liegen und schlafen«,         den. Einmal durfte ich im Turm stehen. Der       sion mit diesen Granaten, eingeschlossen in
sagte man zu mir. Was ich dann auch getan        Kommandant saß links von mir. Und nach ei-       diesem dick ummantelten Stahlturm wirklich
habe. Leider wurde ich dann aber in der Sie-     ner Weile hat er mich gefragt, ob ich auch ein   nur mehr Staub übriggeblieben. Er war käse-
zenheim Kaserne in Salzburg als Richtschütze     Bier wolle. Das war ein erhabenes Gefühl,        weiß im Gesicht. Diese Panzerserie war da-
auf dem Jagdpanzer »Kürassier« eingeteilt.       oben im Panzer zu sein und zu sehen, wenn so     mals noch neu und noch nicht ganz ausgereift.
Mit dem Schlafen war es da nichts. Ich musste    was daherkommt. Und das alles mit einem          Noch eine traurige Geschichte. Ein Kamerad
alles Technische über Panzer lernen und eine     Bier in der Hand. Eine andere Begebenheit        hat sich mit dem Sturmgewehr erschossen.
Funkverkehr-Ausbildung absolvieren. Da           war ebenfalls beeindruckend. Wir waren in        Leider war ich zu diesem Zeitpunkt direkt an-
lernte ich alles über Fliegerabwehr, Pistolen,   Hochfilzen in Tirol, um auf dem Truppen-         wesend. Wir übten Scharfschießen. Bei den
Maschinengewehre, Sturmgewehre, Handgra-         übungsplatz Schießübungen zu machen. Die         nachfolgenden Waffenübungen nach dem Prä-
naten und Panzer. Für einen Pazifisten wie       Kuppel war geschlossen, wir hatten die Kopf-     senzdienst habe ich mich dann unter Alkoho-
mich war das eine beinahe unerträgliche Aus-     hörer des Funkgerätes über unseren Ohren,        leinfluss immer so schrecklich aufgeführt,
bildung. So konnte ich das Ganze nur mit ei-     blickten durch das Zielferngerät nach vorne      dass ich die Übungen nicht mehr fertig ma-
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chen durfte. Heute bin ich heilfroh, dass ich    wichtig ist, das Vaterland zu verteidigen. Ei-    heer würde sich schon bei mir melden. Da ich
Pazifist bin und in meinem Leben keine Waffe     nige Wochen später erhielt ich dann den Be-       nun also offiziell nicht auffindbar war, schick-
mehr in die Hand nehme. Manfred S.               scheid mit der Post zugestellt: »Tauglich.« –     ten sie die Militärpolizei zu meinen Eltern
                                                 Ich hatte also den Präsenzdienst anzutreten.      nach Hause, um mich zu suchen. Dort fanden
                                                 Da für mich allerdings der »Dienst mit der        sie mich aber nicht. Als nächstes wurde die
Als Theologiestudent ließ mich die               Waffe« aus Gewissensgründen nicht in Frage        »normale« Polizei verständigt, die mich auch
Militär-Behörde dann in Ruhe                     kam, entschied ich mich für den Zivildienst.      nicht fand, da ich ständig unterwegs war und
                                                 Die Leute von der Kommission haben es mir         auch draußen schlief. Mit etwa 27 Jahren hatte
Wenn man a) Österreicher und b) männlich         nicht sehr schwer gemacht. Außerdem war           ich dann meine erste Gerichtsverhandlung, da
ist, bekommt man so um den 18. Geburtstag        meine liebe Mutter als Vertrauens-Person zur      ich nicht eingerückt war. Ich hatte damals
herum einen netten Brief vom Bundesheer, die     Kommission mitgekommen, die dann auch             keine Vorstrafen und bekam sechs Monate be-
(netter formuliert) Einladung zur Stellung       noch einmal von ihrer Seite meine grundle-        dingt. Einen Monat lang war ich in Untersu-
oder (weniger nett formuliert) den Stellungs-    gend pazifistische Haltung bestätigte. Somit      chungshaft. Ich war schon immer frech und
befehl. Da ich mich bei meinem 18. Geburts-      bestand ich diese Gewissens-Prüfung bei der       meinte daraufhin zum Richter: »Für das
tag gerade im Ausland aufhielt, erreichte mich   Zivildienst-Kommission, wurde in weiterer         Schmalz, was du mir aufgebrummt hast, hätte
dieser nette Brief nicht. Nach meiner Rück-      Folge von der Militär-Behörde mit einer Ein-      ich auch gleich stehlen gehen können. Da
kehr im Herbst 1982 trat ich gleich ins Wiener   berufung nicht mehr behelligt, sondern trat       hätte ich auch nicht mehr gekriegt.« Dann
Priesterseminar ein. Bei Priesterseminaristen    stattdessen den »Zivildienst« in der CARI-        hatte ich vorerst meine Ruhe. Doch drei Jahre
gibt es die Regelung, dass sie von der Ver-      TAS in Wien an. So kam ich schon damals           später begann das Theater von Neuem. Bei
pflichtung, den Wehrdienst abzuleisten, be-      sehr früh mit obdachlosen Männern in Kon-         meiner zweiten Verhandlung bekam ich den-
freit sind. Mitglied des Priesterseminars war    takt. Johannes S.                                 selben Richter, aber nur drei Monate bedingt.
ich bis zu meinem Austritt im Jahr 1991. Dann                                                      Mit 31 Jahren stand plötzlich die Militärpoli-
erlosch für mich die Befreiung, und ich war                                                        zei vor der Tür und brachte mich nach Klagen-
wiederum zur Ableistung des Präsenzdienstes
                                                 Die Militärpolizei suchte mich                    furt zur Grundausbildung. Aufgrund meines
verpflichtet. In etlichen medizinischen und      Zuhause, fand mich aber nicht                     Alters wurde ich dort jedoch geschont und
psychologischen und Intelligenz-Untersu-                                                           bekam Sonderrechte. Da ich damals schon
chungen wurden wir von oben bis unten, von       Meine Geschichte ist bereits fünfzig Jahre her.   verheiratet war, wollte ich mich nach Graz
außen nach innen äußerst gründlich auf die       Da ich als Matrose bei der Donauschifffahrt       versetzen lassen. Dies wurde aber abgelehnt
Eignung und Motivation für den Militärdienst     tätig war, hatte ich eine Freistellung vom Bun-   und ich landete stattdessen in Villach. Dort
durchgecheckt. Außerdem bekamen wir einen        desheer. Diese war jedoch nur so lange gültig,    ging es mit den Sonderrechten weiter. Ich
Crash-Kurs, was das Bundesheer und seine         wie ich dort arbeitete. Als ich mit 23 Jahren     hatte zum Beispiel keinen regulären Dienst
unterschiedlichen Gliederungen und Waffen-       kündigte, hätte ich meinen Wohnsitz bekannt       und stets Ausgang, Freitagnachmittag durfte
gattungen betrifft und warum es sinnvoll und     geben sollen. Ich dachte mir aber, das Bundes-    ich nach Graz heimfahren und auch meinen
                                                                                                                      05/2022                   13
Foto S. 12: (Konflozius Florian Holter) »In der Herkules«, Fotos Seite 13-14: (privat) Kupfermuckn-Verköufer Anton bei der Luftlandejäger-Battallion und den Fallschirmjägern in den 80er Jahren

Dienstantritt an den Montagen um 6 Uhr ver-                      darüber in Grenzen. Denn, als ich dort war,                       von vielen anderen anspruchsvollen Tätigkei-
säumte ich oft. Das blieb ohne Konsequenzen.                     waren wir zu ungewöhnlichen Dingen ver-                           ten, die man uns zumutete. Daneben wurde
Meine einzige Aufgabe für die sechs Monate                       pflichtet wie etwa täglich rasieren und meine                     hart trainiert. Man musste in körperlich guter
nach der Grundausbildung war es, den Sport-                      Schuhe putzen. So habe ich mir das nicht vor-                     Verfassung sein. In Treffling übten wir im
platz zu mähen. Aber auch das war schon zu                       gestellt. All das ging mir dann schon nach                        freien Gelände, wo wir auch eine Woche lang
viel für mich. Doch Sport hat dort sowieso                       zwei Tagen auf den Keks. Ich kam mir vor, als                     in Zelten übernachteten. Das war eine ziemli-
keiner gemacht. Nur wenn da Gras dann knie-                      müsste ich ständig auf eine Hochzeit gehen.                       che Abhärtung. Nur die fittesten Soldaten hat-
hoch war, bin ich halt wieder einmal mit dem                     Ich weigerte mich dann eines Tages, diese                         ten die Chance, bei den Panzerpionieren auf-
Mäher drüber gegangen. Das gemähte Gras                          nichtsnutzigen Dinge zu tun. So kam es un-                        genommen zu werden. Wir erlernten dort auch
ließ ich einfach liegen. Als ich deshalb mit                     weigerlich zu Problemen mit meinen Vorge-                         den Umgang mit den langen Gewehren, wel-
dem Rasenmäher nicht mehr durchkam, habe                         setzten. Bier trinken mit Kollegen war für                        che man mit zwei Händen bedienen musste.
ich dann komplett aufgehört zu mähen. Trotz-                     mich jedenfalls wichtiger. Das zweiwöchige                        Ich war für die Panzerfahrer zuständig. Das
dem hatte ich den Ruf eines fleißigen Arbei-                     Ausgangsverbot war dann ziemlich hart für                         war eine verantwortungsvolle Aufgabe. Es
ters. Mein Vorgesetzter, ein Vizeleutnant, war
sogar immer recht glücklich, da ich ihm Heu
für seine Hasen mitbrachte. Schließlich hat es
                                                                 »Ich wollte noch länger beim Bundesheer bleiben. Das war je-
mir beim Bundesheer so gut gefallen, dass ich                    doch aufgrund meiner Vorstrafen nicht möglich.« Johannes D.
mich länger verpflichten lassen wollte. Dies
war jedoch aufgrund meiner Vorstrafen nicht
möglich. Johannes D.                                             mich. Zusätzlich gab es auch noch ein Alko-                       war eine gute Zeit. Wir schliefen nur sehr we-
                                                                 holverbot. Das war dann noch bitterer, da ich                     nig. Wir waren ja noch sehr jung. Doch, so
                                                                 damals schon gerne viel trank. Trotzdem hat                       geschah dann auch eines Tages ein Unfall mit
Ich kam mir vor, als müsste ich                                  mir die Zeit dort im Nachhinein nicht gescha-                     dem Panzer. Der Fahrer und ich waren wieder
ständig auf eine Hochzeit gehen                                  det. Ich lernte die Kameradschaft kennen. Das                     einmal zu lange wach geblieben. Wir mussten
                                                                 war besonders wertvoll für das spätere Leben.                     den Panzer ins Gelände zurückbringen. So ein
Als ich im Alter von 18 Jahren das erste Mal                     Leo                                                               Panzer hat kein wirkliches Lenkrad, sondern
beim Arbeitsmarktservice war, um mich über                                                                                         nur zwei Hebel, die man vor- und zurück be-
die Wintersaison arbeitslos zu melden, wurde                                                                                       wegen kann. Der Fahrer war eindeutig zu
ich gefragt, ob ich schon bei der Stellung war,
                                                                 Der Panzer fuhr mit viel zu hohem                                 schnell unterwegs. Ich mischte mich nicht ein.
was ich mit einem »Ja« beantwortet habe. Da-                     Tempo auf eine Brücke zu                                          Bei einer starken Linkskurve konnte er dann
raufhin wurde ich gefragt, welche Kaserne ich                                                                                      das Fahrzeug nicht mehr lenken. Wir fuhren in
denn bevorzugen würde. Ich dachte kurz nach                      Ich war im Jahr 1995 im Bundesheer. In der                        zu hohem Tempo gerade aus auf eine Brücke
und gab dann zur Antwort: »Enns oder Ams-                        Maria-Theresien-Kaserne in Ebelsberg leistete                     zu. Zum Glück blieben wir beide unverletzt.
tetten wären mir ehrlich gesagt am liebsten.«                    ich damals den Grundwehrdienst. Ich war bei                       Die Brücke war jedoch ziemlich beschädigt.
Bereits zwei Wochen später war es dann so                        den Panzerpionieren. Wir waren eine starke                        Die Militärpolizei kümmerte sich um alles und
weit. Ein RSB-Brief landete in meinem Brief-                     Truppe und wir wurden am meisten von allen                        wir mussten zur Strafe zwei Tage und Nächte
kasten. Als ich in öffnete las ich darin, dass ich               gedrillt. Brücken sprengen, Brücken aus Eisen                     lang in der Gefängniszelle im Militärgelände
vom Jänner bis August 1992 in die damalige                       aufbauen, Panzer fahren, mit Holzbooten ge-                       verbringen mit einem ziemlich bescheidenen
HUOS nach Enns zum Bundesheer einberufen                         gen den Donaustrom rudern mit schweren Ge-                        Mahl. Es war trotz allem eine sehr aufregende
werde. Anfangs hielt sich meine Begeisterung                     schützen im Gepäck – das waren nur ein paar                       Zeit. Josi
14                       05/2022
»Das Arbeitslosengeld« in Österreich muss ein armutsfestes Leben ermöglichen! 128.000 Haushalte in Österreich konnten sich diesen Winter das
Heizen nicht oder nur eingeschränkt leisten. Die Heizkörper blieben abgedreht und durch die Kostensteigerungen stieg die Energiearmut! Men-
schen, die Strom, Gas und Co nicht mehr bezahlen konnten und können, führten bzw. bestreiten jetzt ein sehr intensiv eingeschränktes Leben.
Schätzungen der Europäischen Union gehen von 2,7 Millionen betroffenen Haushalten aus. Am Abend früh ins Bett und am Morgen früh aus dem
Haus gehen, war die einzige Möglichkeit, Energie zu sparen. Laut AK-Energie-Expertin und Lektorin an der Wiener Wirtschaftsuniversität Sandra
Matzinger werden in den kommenden Monaten die Preise weiter hoch bleiben. Die erste preisliche Entlastung könnte vielleicht 2024 eintreten.
Die Strompreise werden wohl noch weiter steigen. Mit der ökosozialen Steuerreform sollen die Verbraucher entlastet werden. Bis diese aber in
der Geldbörse spürbar wird, stellt sich die Frage des Auskommens mit dem Einkommen. Besonders hart betroffen sind die niedrigen Einkommen
bei erwerbstätigen Pendlern, Alleinerziehern, Teilzeitbeschäftigten, Arbeitslosen, Notstands- und Mindestsicherungsbeziehern und noch vielen
mehr, die nicht durch Erspartes die Zeit bis zum Eintreffen von Unterstützungen überbrücken können.

Die Proponent*innen des Volksbegehrens »Arbeitslosengeld Rauf«, das in der Eintragungswoche zwischen 2. und 9. Mai aufliegt, treten
in diesem Sinn für einen Ausbau des bewährten Systems der Arbeitslosenversicherung durch eine Erhöhung der Nettoersatzrate auf
70 Prozent, dem Erhalt der Notstandshilfe und einer gesamten Stärkung des Sozialstaats ein.
                                                                                                                  05/2022                 15
Gedankenschätze von Eva
Der Obdachlose                           Der Obdachlose                                   Frage ihn nicht nach seinem Leben,
                                         mit nichts außer den Kleidern auf seinem Leib,   er könnte dich anbellen
Da geht er, sitzt er,                    die diesen bedecken.                             oder sich aggressiv abwenden,
liegt er, steht er,                      Es gehört ihm nichts mehr.                       dir ganz schnell Angst machen,
immer noch aufrecht.                     Doch die Freiheit der Straße                     die Angst, die du sowieso verspürst
                                         hat er als Besitz.                               in deinem Leben.
Ob du's glaubst oder nicht,              Beneide ihn nicht.
draußen, ganz weit draußen,                                                               Beneide ihn nicht.
wo der Wind noch um den Körper pfeift,   Der Obdachlose, dieser Radikale,                 Denn doch atmet er
atmet er Freude.                         oft sind sie psychisch krank,                    in der frischen Luft,
                                         manchmal faulen ihnen die Füße ab –              auf der Straße draußen
                                         den Sandlern, Vagabunden, Landstreichern.        Freude.

16                      05/2022
Noch kann ich flüchten,
                                          doch ich schleppe das Trauma
                                        meiner Seele mit mir herum

Traum und Trauma                                       Ausbruch aus dem Krieg                                Verdammte Einsamkeit
was man sich vorstellen kann,                          auf der seite nur die kontur eines kreises            Diese Einsamkeit.
ein großer schrecken ereilt jemanden                   im kreis : innen der krieg, veraltet                  Ich, nur von mir selbst umgeben
und dieser jemand leidet darunter                      wiederholung der dummheit                             und habe es schon so satt.
ja, ich meine, die familie müsste zerbrechen           denke ich mir                                         Im Zimmer ein Spiegel,
und ich wäre ganz alleine                              und stelle mich auf eine seite                        nur ich darin sichtbar.
in dieser großen stadt                                 »auf der seite nur die kontur eines kreises«*         Verdoppelung des Menschen auf Glas.
und wie ich die stadt anfeinde                         innen der krieg, veraltet                             Allein.
menschen und autos werden zu feinden                   kreisförmig und wieder
in meinem schnellen galopp zur universität und         doch menschliches leid wiederholt sich nicht
wieder zurück zur wohnung                              ist einzigartig
das pferd, ein traum, und schreckhaft das ist es,      und vermeidbar
was will ein pferd ohne herde?                         und stelle mich auf eine seite
es vereinsamt doch nur und                             breche aus
verändert seine verhaltensweisen                       aus dem kreis
ausgebüchst im galopp, ein paar sprünge,               aus dem krieg
und dann die ermüdung                                  *) Zitat: Sarah Rinderer, Lyrikerin
ich meine, ich sterbe unter diesem schrecken
noch kann ich flüchten,
doch ich schleppe das trauma
in meiner seele mit mir herum                          Machtmensch
und das pferd, meinen glücksbringer, mein seelenbild
klar, ich muss da raus                                 Er braucht immer das Gefühl, oben zu sein
doch wie bearbeitet man einen schrecken,               und immer jemanden unter sich.
der einem in den gliedern sitzt                        Er duldet keine andere Weltsicht, als seine eigene,
also kampf und flucht, ich habe beides probiert        und wenn man eine konträre Meinung vertritt,
und sie kosteten mich nur energie                      äußert er sich in zynischen Witzen darüber.
na gut, dann wurde ich eben krank.                     Er liebt es, Menschen zu Objekten zu machen,
                                                       und über sie zu verfügen.
                                                       So jemanden würde ich auch fliehen.                      Die Autorin:
                                                       So wie du.
                                                                                                                Eva Renner-Martin, geboren 1981 in Vil-
Das Dritte                                             Damals, als du geflohen bist,                            lach, studierte Biologie. Kurz vor dem Ab-
                                                       weg, nur weg vom Kontrolltyp,                            schluss kam es zum Absturz. Sie lebte ein
Das Dritte ist kein Entweder-Oder,                     über Stock und Stein.                                    Jahr als Obdachlose in Wien und hatte
sondern ein Sowohl-Als-Auch.                           Und in der Flucht bewiesest du Größe.                    mehrmalige Psychiatrieaufenthalte. In ih-
                                                                                                                ren Büchern u. a. »Gedankensammlung mit
Sowohl ich, als auch du.                               Er hingegen ist so klein,
                                                                                                                schwarzer Katze« oder »In dieser spießbür-
Dich gibt es, und mich gibt es.                        dass er niemand gleichberechtigt                         gerlichen Welt«, versucht sie, diesen Le-
Es ist ein Früher und Später,                          neben sich dulden kann.                                  bensabschnitt und ihre Erkrankung aufzu-
es ist die Zeit.                                       Und er weiß nichts von diesen Genüssen.                  arbeiten. Die Autorin neigt zur Literatur
Es ist eine Veränderung.                                                                                        »von unten« mit dem Fokus auf Armut, sozi-
Es ist das Neue im Dazwischen.                                                                                  ales Außenseitertum und Ausgegrenztheit.
                                                                                                                (Foto: privat; Foto Seite 16: Walter Hartl)
                                                                                                                                  05/2022               17
Dem Tod von der Schaufel gesprungen
Auszüge aus den vielen Aufs und Abs im Leben von Christian

Christian kann mit seinen 48 Jahren be-        Christian erblickte im Jahr 1972 in Vöckla-      licherseits. Bei ihr fühlte er sich geborgen.
reits auf ein bewegtes Leben zurückblicken.    bruck das Licht der Welt. »Ich war ein Unfall,   »Sie war eine religiöse Frau mit gutem Draht
In Vöcklabruck geboren, wuchs er in einem      kein Wunschkind«, räumt er gleich zu Beginn      zum Herrn da oben«, erinnert sich Christian.
lieblosen, distanzierten Elternhaus auf. In    ein. Seine Eltern, beide erwerbsmäßige Bau-
einem Gespräch gibt der gelernte Konst-        ern, waren überfordert und unfähig, eine Bin-    Oma zeigt ihm den göttlichen Weg
rukteur und langjährige Feuerwehrmann          dung zu dem Neuankömmling aufzubauen.
Einblicke in sein Leben, das geprägt ist von   »Meine Mutter hatte keine Nerven für so ei-      Wann immer er sie bei ihren Kirchenbesuchen
Depressionen, schweren Erkrankungen            nen kleinen Buben. Einmal drohte sie, mich       begleitete, bekam er zum Dank dafür eine
und Unfällen. Ein Leben, das in der Ob-        mit dem Holzscheitl zu erschlagen«, erinnert     Schokolade. Anfangs machte er es wegen der
dachlosigkeit sein vorläufiges Ende findet.    er sich und fügt noch hinzu: »Ich war einfach    Schokolade, doch bald fand auch er die Bezie-
Christians derzeitige Ziele: Raus aus der      nur ihr Sündenbock.« Christian fehlte es vor     hung zu Gott. Eine Kraft, die ihn seither im-
Opferrolle, sich mit seiner Kindheit und       allem an Liebe und Geborgenheit. Keine gute      mer wieder aufrichtet. »Wahrscheinlich hat
seinen Eltern aussöhnen, um endlich inne-      Basis für ein gesundes Leben. Die Folgen die-    der liebe Gott noch etwas mit mir vor, denn
ren Frieden zu finden. Erst dann kann er       ser kühlen, distanzierten Erziehung spürt er     ich bin dem Tod schon oft von der Schaufel
neu durchstarten.                              heute noch. Zum Glück gab es die Oma väter-      gesprungen«, sagt er. Trotz Omas Zuwendung
18                05/2022
und seinem Glauben, wurde Christian jedoch       mich ins Krankenhaus.« Sein Kopf blieb zum        richtung. So überlebte er die Zeit mit eigener
zunehmend depressiv. Schon früh verspürte er     Glück ohne Schaden. Christian bekam ledig-        Kraft. Erst ein halbes Jahr später entdeckte er
den Wunsch, lieber tot als lebendig zu sein.     lich eine Halskrause und Bettruhe. Im Nachhi-     das Vinzenzstüberl, wo er zu Mittag essen
Christians Selbstmordgedanken waren letzt-       nein war das für ihn ein »fetzengeiles Erleb-     gehen konnte und die Notschlafstelle, wo er
lich eine mächtige Grundlage für einen Ge-       nis«, und seither habe er keine Angst mehr vor    ein Dach über dem Kopf bekam. Erst dann
hirntumor, an welchem er im Alter von 14         dem Tod. Da gäbe es noch andere Unfälle, die      meldete sich Christian beim AMS arbeitslos.
Jahren fast verstorben wäre. Die Erkrankung      er überlebte, etwa der, vom Fall einer Mauer      Dank der Hilfe eines Sozialarbeiters bekam er
wurde zufällig entdeckt, als der junge Bub mit   auf die Betonstiege, als er einem befreundeten    kurz darauf ein Zimmer um 150 Euro und ei-
der Feuerwehrjugend bei einem Jugendlager        Kollegen beim Hausbau half, oder vom Dreh-        nen Job in seinem alten Beruf. Es wurde ihm
in Ried i. Innkreis dabei war. Sie machten un-   bruch seines Beines, als er auf einer eisigen     zwar der Lohn gepfändet, doch er war erleich-
ter anderem bei einem ÖAMTC Fahrsimula-          Fahrbahn ausrutschte.                             tert. »Tja«, meint er und runzelt die Stirn, »ir-
tor-Training mit. Christian zeigte keine Reak-                                                     gendwie musste ich ja meine Schulden abstot-
tion, als er sein rechtes Auge verdeckte.        Vereinsmeier und aktiv im Ehrenamt                tern.« Zum Leben blieb nicht mehr viel übrig.

Schreckliche Diagnose »Hirntumor«                Zum Dank dafür, dass ihm so oft das Leben         Stress mit epileptischen Anfällen
                                                 geschenkt wurde, wollte er den Menschen et-
Er befolgte dann den dringenden Rat der          was zurückgeben. So stürzte er sich beherzt in    Anfangs war Christian froh um die Arbeit.
ÖAMTC-Mitarbeiter, einen Augentest zu ma-        ehrenamtliche Tätigkeiten. »Ich wurde zum         Sein neuer Einsatz: Ein Groß-Betrieb in Düs-
chen. Das Resultat war schockierend: Ge-         uneigennützigen Vereinsmeier«, erzählt er. 26     seldorf. Dort musste eine Anlage entworfen
sichtsausfall aufgrund eines fünf Zentimeter     Jahre lang war er bei der Feuerwehr als Jun-      und entwickelt werden. Als alleiniger gelern-
großen Tumors, der bereits auf den Sehnerv       gendbetreuer und Kassier tätig. Darüber hin-      ter Konstrukteur lud sich Christian nun große
drückte. Nach einer fünfwöchigen Bestrah-        aus engagierte er sich bei der Gestaltung einer   Verantwortung auf seine Schultern. »Die Kun-
lung im Frühjahr 1988 wurde er erfolgsbrin-      Parteizeitung und übertrug als Kamera-Chef        den wollten immer alles anders haben. Die
gend operiert. Die Bestrahlungen blieben je-     eines regionalen Fernsehers sämtliche Gottes-     Kosten waren nicht gut kalkuliert. Ich war
                                                                                                   wieder – wie so oft im Leben – der Sünden-
»Statt Kredite zurückzuzahlen, habe ich das Geld locker ausge-                                     bock und derjenige, der den Rücken herhalten
                                                                                                   musste«, erzählt er. Christian war emotional
geben. So ging es in meinem Leben allmählich abwärts.«                                             überlastet, was sich bald rächte. Als er im Zug
                                                                                                   nach Linz saß, bekam er seinen ersten epilep-
                                                                                                   tischen Anfall. Es folgten noch vier weitere.
doch nicht ohne Nebenwirkungen. Als Chris-       dienste aus dem Bezirk. »So konnten die Müt-      Bei einem fiel er so unglücklich, dass seine
tian die dritte Klasse der HTL besuchte,         ter am Herd die Messfeier verfolgen«, erzählt     Schulter brach und er operiert werden musste.
konnte er die Overhead-Folien und das »Ge-       er. Auch bei den Stockschützen war er mit         Nach dem Krankenstand arbeitete Christian
kritzel« auf der Tafel nicht mehr lesen. Ein     Leib und Seele dabei. Daneben arbeitete er        wieder auf der Baustelle, bis er seine Arbeit
Jahr später war er beinahe blind. Der Augen-     viel und hart. Als Konstrukteur konnte er je-     erledigt hatte. Dann folgte 2013 einvernehm-
arzt diagnostizierte einen »Grauen Star«. »Die   doch nie lange bei einer Firma bleiben. So war    lich die Kündigung. Im Laufe der nächsten
Bestrahlungen waren sinnlos«, ist er heute       er in seinem Leben bei 15 unterschiedlichen       Jahre fand Christian noch weitere drei Jobs,
noch überzeugt. »Da wurde nur in die eigene      Unternehmen beschäftigt. Ein weiteres und         mit denen er sich über Wasser hielt.
Tasche gewirtschaftet.« Seither steht Chris-     ernstes Problem zeichnete sich schon früh ab:
tian der Schulmedizin skeptisch gegenüber        Christian hat den Umgang mit Geld nie er-         Wieder arbeitslos mit Perspektiven
und bleibt dem alternativen Weg treu. »Nicht     lernt. Aus unterschiedlichen Gründen geriet er
die Ärzte, sondern die Schutzengel haben         immer weiter in eine Schuldenspirale. Statt       Seit November 2017 ist er jedoch wieder ar-
mich geheilt«, ist er überzeugt.                 Kredite zurückzuzahlen, habe er das Geld lo-      beitslos. Christian wollte nichts wie weg. Er
                                                 cker ausgegeben. Für sich selbst und – gutmü-     flog nach Costa Rica, mit dem Wunsch, ewig
Ein himmlisches Nahtoderlebnis                   tig, wie er war – auch für andere. Vieles wurde   dort zu bleiben. Von den Ersparnissen konnte
                                                 auf Leasing gekauft. Und so ging es abwärts.      er gut leben, bis ihm im Frühling 2020 der
Und Schutzengel hatte er in der Tat bereits                                                        Schlag traf. Nach dem Anfall konnte er seine
mehrere. So auch damals, als er nach der HTL     Schulden führen in die Abwärtsspirale             Arme und Beine nicht mehr bewegen. In ei-
als Konstrukteur in einer Baufirma arbeitete.                                                      nem Krankenhaus wurde er behandelt. Dann
Da fiel ihm eines Tages eine Staplergabel von    Im Jahr 2009 hatte er keine Arbeit mehr. Ei-      flog er nach Hause zu seinen Eltern. Eine
zwei Metern Höhe auf den Kopf. Christian         gentlich hätte er sich beim AMS als arbeitssu-    mehrwöchige Reha in Wilhering brachte ihn
erinnert sich: »Vom Gefühl her sank ich lang-    chend melden sollen, stattdessen versuchte er     wieder auf die Beine. Der linke Arm hingegen
sam zusammen und dachte, jetzt ist es aus. Es    den Weg in die Selbstständigkeit ohne finanzi-    ist lahm geblieben. Als die Situation zu Hause
war eindeutig ein Nahtoderlebnis. Ich sah be-    elles Polster. So lebte er zwei Jahre ohne Fi-    eskalierte, zog er wieder nach Linz in die Not-
reits das Licht. Alles war schwerelos, ich       xeinkommen, bis er die Miete nicht mehr be-       schlafstelle. Nun möchte er vieles regeln, vor
glaubte, Richtung Himmel zu schweben.«           zahlen konnte und delogiert wurde. »Da stand      allem seine Finanzen und endlich Frieden
Noch auf der Baustelle erlangte er das Be-       ich nun auf der Straße«, erzählt Christian. Er    schließen mit seinen Eltern und mit sich selbst.
wusstsein. »An die 20 Leute standen um mich      wollte nach Linz und fuhr mit dem Zug dort-       Erst dann, so Christian, könne er in eine gute
herum. Dann kam die Rettung und brachte          hin. Damals kannte er noch keine soziale Ein-     Zukunft blicken. Foto und Text: dw
                                                                                                                       05/2022                   19
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