MHR Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins Nr. 1/2021 - Hamburgischer Richterverein

 
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MHR Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins Nr. 1/2021 - Hamburgischer Richterverein
MHR
Mitteilungen des
Hamburgischen Richtervereins
Nr. 1/2021

         I N H AL T                             15. März 2021
       ____________________________________________________

       Editorial (Lanzius)                                              2

       Bericht über die Veranstaltung des HRV
       zum Versorgungsrechner (Lanzius)                                 3

       Bericht von Inken von Gadow über ihre Tätigkeit
       als Leiterin der Personalabteilung
       der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz                     5

       Zur Bedeutung des Initiativrechts
       im Beförderungsverfahren (Dose)                              11

       Aus der Rechtsprechung (Rinio)                               14

       Presse-Information der Debeka                                21
       Internationale Presse (Hirth)                                22
       Redaktionsschluss                                                2

Herausgeber:
Hamburgischer Richterverein e.V.
Verband der Richter und Staatsanwälte im Deutschen Richterbund
Sievekingplatz 1, Ziviljustizgebäude, 20355 Hamburg
Hamburger Sparkasse, IBAN: DE68200505501280143601, BIC: HASPDEHHXXX
verantwortlicher Redakteur: RiAG Dr. Tim Lanzius
 (040) 4013 8175  mhr(at)richterverein.de www: richterverein.de/mhr

Druck: Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel
Die Kosten sind im Mitgliedsbeitrag enthalten
MHR Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins Nr. 1/2021 - Hamburgischer Richterverein
2                                                                                  MHR 1/2021

                         Editorial                der Personalabteilung der Behörde für Justiz
                                                  und Verbraucherschutz. In der Rubrik „Aus
                                                  der Rechtsprechung“ zeigt uns unser Kollege
                Liebe Kolleginnen, liebe Kol-     Carsten Rinio unter anderem, welche rechtli-
                legen,                            chen Probleme dass gut gemeinte Ver-
                                                  schenken von Schokoladenweihnachtsmän-
                                                  nern nach sich ziehen kann.
Corona und kein Ende - das ist nach wie vor       Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wün-
leider der Stand der Dinge. Veranstaltungen       sche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen die-
können - wenn überhaupt - nur sehr einge-         ser Ausgabe der MHR.
schränkt stattfinden. Dementsprechend we-
                                                  Herzlichst
nig gibt es in der MHR auf diesem Feld zu
berichten. Die Redaktion plant vor diesem         Ihr Tim Lanzius
Hintergrund, in diesem Jahr lediglich drei
Ausgaben der MHR herauszugeben.
Seitens des Richtervereins konnte vor kur-        RiAG Dr. Tim Lanzius
zem eine Online-Informationsveranstaltung         AG Hamburg-St. Georg, Abt. 912
zum Online-Versorgungsrechner des Zent-           Tel.: 040 / 4013 8175
rums für Personaldienste durchgeführt wer-
den (siehe hierzu den Artikel in diesem Heft).
Diese Informationsveranstaltung hat einen
großen Anklang gefunden. Es haben knapp
100 Kolleginnen und Kollegen teilgenom-
men. Die Veranstaltung machte auch offen-
bar, welche Vorteile Online-Veranstaltungen
haben können. Eine Präsenzveranstaltung           Als Redaktionsschluss für die MHR
mit 100 Teilnehmern lässt sich schon aus           2/2021 ist vorerst der 25.6.2021 no-
Platzgründen nur mit einigem Aufwand reali-
                                                  tiert. Je nach Nachrichtenlage würde
sieren. Zudem konnte in der Online-
Veranstaltung jeder Teilnehmer die Präsen-        der Redaktionsschluss auf ein späte-
tation des Versorgungsrechners (der in der         res Datum verschoben werden und
Veranstaltung live vorgeführt wurde) bequem           die MHR entsprechend später
am eigenen Bildschirm mitverfolgen.                             erscheinen.
Die Veranstaltung zum Versorgungsrechner
wird auch nicht die einzige Veranstaltung des
Richtervereins in diesem Jahr bleiben. Die-
ses Jahr soll die - im letzten Jahr coronabe-
dingt ausgefallene - Ordentliche Mitglieder-
versammlung wieder stattfinden. Das genaue
Datum hierzu steht noch nicht fest. Ebenso
steht noch nicht fest, ob die Mitgliederver-
sammlung als Präsenzveranstaltung, als rei-
ne Online-Versammlung oder als hybride
Versammlung (d.h. sowohl als Präsenzver-
anstaltung als auch online) stattfinden wird.
Sie erhalten hierzu rechtzeitig Nachricht.
Glücklicherweise gibt es auch noch Themen
abseits von Corona. So blickt unsere Kolle-
gin Inken von Gadow in ihrem Artikel in die-
sem Heft zurück auf ihre Tätigkeit als Leiterin
MHR 1/2021                                                                                   3

                                                Weise lässt sich die Höhe der Pension für
  Der Versorgungsrechner                        eine Vielzahl von Konstellationen berechnen.
                                                Der Versorgungsrechner bietet damit einen
„Schon jetzt für das Alter vorsorgen“. Diesen   klaren Mehrwert gegenüber einer jährlichen
Satz liest man häufig, wenn es um die Alters-   Renteninformation, in der regelmäßig die
rente bzw. um die Pension geht. Regelmäßig      Rentenhöhe nur für einen bestimmten Ein-
stellt sich hierbei die Frage, wie hoch die     trittszeitpunkt in den Ruhestand angegeben
Pension eigentlich ist. Schließlich kann man    wird.
Versorgungslücken nur dann schließen,
wenn man weiß, wie hoch die Altersversor-       Um den Schutz seiner persönlichen Daten
gung überhaupt ist.                             braucht man sich übrigens keine Sorgen zu
                                                machen: die Dateneingabe erfolgt (mit Aus-
Zur Berechnung der Höhe der Pension hat         nahme des Geburtsdatums) anonym. Der
das Zentrum für Personaldienste (ZPD) ei-       Referent Herr Walter versicherte auch, dass
nen Online-Rechner entwickelt, den Versor-      es keine Schnittstellen zwischen dem Ver-
gungsrechner. Dieser Versorgungsrechner         sorgungsrechner und Echtdaten gebe. Das
ermöglicht es jedem, die Höhe seiner Pensi-     bedeutet, dass der Versorgungsrechner nicht
on selbst zu berechnen. Durch den Versor-       auf anderswo gespeicherte Personaldaten
gungsrechner soll die persönliche Versor-       zugreifen kann und umgekehrt.
gungsberatung durch das ZPD weitgehend
abgelöst werden; Anträge auf Versorgungs-       Der Vortrag von Herrn Walter sowie seine
beratung sollen nur noch im Einzelfall mög-     Live-Präsentation des Versorgungsrechners
lich sein.                                      waren sehr anschaulich und fundiert; das
                                                Feedback der Teilnehmer durchweg positiv.
Aber: Wie funktioniert dieser Versorgungs-      Eine gleichwertige Wiederholung des Vor-
rechner eigentlich? Und lässt er sich auch      trags ist an dieser Stelle natürlich nicht mög-
ohne vertiefte IT-Kenntnisse bedienen? Zur      lich. Die nachfolgenden Ausführungen be-
Klärung dieser und weiterer Fragen rund um      schränken sich daher auf Anmerkungen zu
den Versorgungsrechner haben der Ham-           den einzelnen Bedienungsschritten. Die
burgische Richterverein und das ZPD in Per-     Powerpointpräsentation von Herrn Walter
son von Alexander Walter kürzlich eine Onli-    finden Sie auf der Internetseite des Hambur-
ne-Informationsveranstaltung durchgeführt.      gischen Richtervereins (www.richterverein.
Dabei führte Herr Walter den Versorgungs-       de) unter der Rubrik „Download“.
rechner und seine Bedienung live am Bild-
schirm vor.                                     Zur Vorbereitung der Berechnung empfiehlt
Die Vorteile des Versorgungsrechners wur-       es sich, einen Lebenslauf für die Zeit nach
den schnell offenbar: der Versorgungsrech-      dem Abitur zu erstellen, in dem sämtliche
ner ermöglicht es, jederzeit eine Auskunft      Studien-/ Ausbildungszeiten sowie ggfs. ab-
über die Höhe seiner Pension zu erhalten.       geleisteter Wehrdienst/ Ersatzdienst oder
Bei einer Änderung der persönlichen Ver-        auch eine vorangegangene anderweitige
hältnisse kann die Berechnung jederzeit         Berufstätigkeit (wie z. B. als Rechtsanwalt)
durch Anpassung der Daten aktualisiert wer-     aufgeführt sind. Hintergrund ist, dass nicht
den. Auf diese Weise werden auch Planspie-      nur die Tätigkeit als Richter oder Staatsan-
le möglich, bei denen man beispielsweise        walt, sondern auch andere Dienstzeiten ru-
verschiedene Zeitpunkte für die Pensionie-      hegehaltsfähig und damit für die Berechnung
rung eingibt, um auf diese Weise zu ermit-      der Pension relevant sein können. Bei-
teln, um wie viel geringer die Pension bei      spielsweise ist Wehrdienst/ Ersatzdienst
einem früheren Eintritt in den Ruhestand        ebenso wie das Referendariat in vollem Um-
ausfällt. Ebenso ermöglicht es der Versor-      fang ruhegehaltsfähig. Das Jurastudium ist
gungsrechner, die Höhe der Pension für den      mit einem Zeitraum von maximal vier Jahren
Fall einer (hoffentlich nicht eintretenden)     ruhegehaltsfähig. Eine vorhergehende Tätig-
Dienstunfähigkeit zu bestimmen. Auf diese       keit als Rechtsanwalt ist zur Hälfte ruhege-
                                                haltsfähig bis zu einem Zeitraum von maxi-
4                                                                                  MHR 1/2021

mal vier Jahren. Je mehr ruhegehaltsfähige       reichen der Regelaltersgrenze oder auch ein
Zeiten zusammenkommen, desto höher ist           früherer Eintritt aufgrund eines entsprechen-
die Pension. Einzelheiten zu diesem The-         den Antrags).
menkomplex finden Sie im Leitfaden „Be-          Daneben werden unter Schritt 3 noch Anga-
messung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit“.      ben für die Berechnung von Kindererzie-
Dieser ist abrufbar über die Internetseite       hungszuschlägen abgefragt sowie Angaben
https://www.hamburg.de/zpd/ versorgungs-         zu anzurechnenden Renten und Einkommen
rechner/     11615596/     berechnung-des-       sowie zu Kürzungen aufgrund eines Versor-
ruhegehalts/. Seitens des ZPD ist geplant,       gungsausgleichs.
diesen Leitfaden um einen Abschnitt zu er-
weitern, der sich speziell mit der Situation     Für den Schritt 4 benötigt man den eingangs
von Richtern und Staatsanwälten befasst.         erstellten Lebenslauf. Hier sind nun die ent-
                                                 sprechenden Tätigkeiten einzutragen. Am
Nach der Erstellung des Lebenslaufs ist es       besten trägt man die Tätigkeiten in aufstei-
Zeit, den Versorgungsrechner zu starten.         gender Reihenfolge ein, beginnend mit dem
Dieser findet sich im Internet unter:            Studium. Neue Tätigkeiten können durch
https://versorgungsrechner.zpd.de.               einen Klick auf das gelb hinterlegte Pluszei-
Unter Schritt 1 gebe man sein Geburtsdatum       chen eingefügt werden.
ein. Falls man bereits eine Berechnung           Am Ende von Schritt 4 erhält man dann eine
durchgeführt hat und diese modifizieren will,    Berechnung seiner Pension.
gebe man die entsprechende Identifikations-
nummer ein (zu dieser Identifikationsnummer      Liebe Kolleginnen und Kollegen, der erste
noch später).                                    Eindruck vom Versorgungsrechner im An-
Unter Schritt 2 gebe man an, an welchem          schluss an den Vortrag ist (aus meiner Sicht)
Tag das Beamtenverhältnis begründet wor-         absolut positiv. Es gilt nun, im Umgang mit
den ist. Sofern man sich vor der Aufnahme        dem Versorgungsrechner weitere Erfahrun-
der Tätigkeit als Richter oder Staatsanwalt      gen zu sammeln. Bitte fühlen Sie sich einge-
bereits schon einmal in einem Beamtenver-        laden, die Leserschaft der MHR an Ihren Er-
hältnis befunden hat (beispielsweise weil im     fahrungen teilhaben zu lassen. Vielleicht
Referendariat eine Verbeamtung auf Wider-        lässt sich in diesem Rahmen auch die eine
ruf erfolgt ist), gebe man das Datum der er-     oder andere Frage klären.
neuten Begründung des Beamtenverhältnis-
ses (d. h. hier das Datum des Eintritts in das   Tim Lanzius
Amt als Richter oder Staatsanwalt) an. An-
schließend muss man noch die Beamtenka-
tegorie sowie einige weitere für die Berech-
nung relevante Informationen angeben (die
entsprechenden Felder sind aus meiner
Sicht selbsterklärend).
Nach einem Klick auf „Weiter zum nächsten
Schritt“ werden die eingegebenen Daten zu-
nächst zusammengefasst. In dieser Zusam-
menfassung findet man auch die bereits
oben erwähnte Identifikationsnummer.
Unter Schritt 3 fragt der Versorgungsrechner
ab, wann der Eintritt in den Ruhestand erfol-
gen soll. Durch Eingabe unterschiedlicher        © Pixabay
Daten für den ersten Ruhestandstag lassen
sich verschiedene Eintrittsszenarien durch-
spielen (beispielsweise der Eintritt nach Er-
MHR 1/2021                                                                                       5

                                                    sonalabteilung insgesamt verbunden. Eine
 Vier Jahre Leitung der Perso-                      Veränderung im Zuschnitt der Zuständigkei-
  nalabteilung der Behörde für                      ten der Abteilung brachte 2005 die Gründung
 Justiz und Verbraucherschutz                       der GPB – der Gemeinsamen Personalabtei-
                                                    lung und Bezügeabrechnung. Die Personal-
                                                    verwaltung für die Gerichte und Staatsan-
Zum 1. April 2020 beende ich nach mehr als          waltschaften wurde aus der Behörde ausge-
vier Jahren meine Abordnung in die Behörde          gliedert und weitgehend auf die GPB beim
für Justiz und Verbraucherschutz und meine          Hanseatischen Oberlandesgericht übertra-
Tätigkeit in der Leitung der Personalabtei-         gen. Die GPB übernimmt seither die gesam-
lung.                                               te Personalsachbearbeitung für OLG, LG,
Übernommen hatte ich diese Aufgabe am 1.            OVG, VG, FG die Staatsanwaltschaften so-
März 2017. Zuvor war ich seit meiner Ernen-         wie für die Arbeits– und Sozialgerichte. Das
nung im Dezember 2006 bereits etwas in der          Amtsgericht verfügte bereits vor der Grün-
Hamburger Justiz herumgekommen: Nach                dung der GPB (und danach auch weiterhin)
Proberichterjahren am Verwaltungsgericht,           über eine eigene Personalabteilung. Die
am Landgericht und in der Justizbehörde             Personalverwaltung für den Strafvollzug war
wurde ich 2009 zur Richterin am Landgericht         ebenfalls eigenständig geregelt, sie oblag
ernannt. Es folgten weitere Jahre am Land-          ursprünglich dem Strafvollzugsamt. Erst im
gericht, zwei Erprobungsjahre am OLG (im            Jahr 2014 wurde im Zuge einer Umstruktu-
Gemeinsamen Prüfungsamt und im 6. Zivil-            rierung der Behörde die Personalsachbear-
senat), dann wieder eine Tätigkeit am Land-         beitung (ohne die Personaldisposition) für
gericht, bis ich nach der Auswahlentschei-          den Strafvollzug der Personalabteilung an-
dung für die Leitung der Personalabteilung          gegliedert, die damit wieder anwuchs.
zur Richterin am Oberlandesgericht befördert        Die Personalabteilung der Behörde leistet
wurde.                                              seither die Personalverwaltung für das Per-
Noch nie war ich so lange auf ein und der-          sonal der Behörde selbst und für die Perso-
selben Stelle wie in diesen vergangenen vier        nalsachbearbeitung des Strafvollzugs, sie ist
Jahren. Das Stationenmodell, Unterbrechun-          zuständig für Grundsatzangelegenheiten des
gen durch Mutterschutz und Elternzeiten,            höheren, gehobenen, mittleren und einfa-
später die Erprobung, hatten bis dahin spä-         chen Justizdienstes der gesamten Justiz, für
testens nach zwei Jahren immer einen                Aus- und Fortbildung, sie übt die Dienstauf-
Wechsel bewirkt.                                    sicht über die Gerichte aus, betreut die An-
                                                    gelegenheiten des Richterwahlausschusses
Nun kehre ich nach diesen spannenden und            und des Bundesrichterwahlausschusses, ist
herausfordernden Jahren voller Vorfreude            zuständig für überbehördliche Personalange-
wieder in die Rechtsprechung zurück – zu-           legenheiten, für das Team für Beratung und
nächst im Wege einer Abordnung an das               Gesundheit und seit kurzem für die neu ein-
Oberverwaltungsgericht. Von meinem länge-           geführten Gesundheitslotsen.
ren Exkurs in die Welt der Exekutive möchte
ich hier berichten:                                 Der Aufgabenbereich des in die Personal-
                                                    verwaltung der Behörde abgeordneten Rich-
In der Personalverwaltung der Justizbehörde         ters bzw. der abgeordneten Richterin hatte
hatten eine abgeordnete Richterin oder ein          sich damit im Laufe der Jahre gegenüber
abgeordneter Richter früher eine Referats-          dem ursprünglichen Modell einer Referatslei-
leiterstelle (in Vollzeit) inne mit Zuständigkeit   tung für den höheren Justizdienst stark er-
ausschließlich für die Angelegenheiten des          weitert; er ist schrittweise inhaltlich und als
höheren Justizdienstes (Richter und Staats-         Führungsaufgabe umfangreicher geworden.
anwälte, inkl. Fortbildung und RWA-                 Heute sind in der Personalabteilung rund 50
Geschäftsstelle). Erst Ende der 90er Jahre          Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tätig.
wurde daraus eine Abteilungsleitung, noch
später wurde diese mit der Leitung der Per-
6                                                                                    MHR 1/2021

Man darf sich dabei nichts vormachen: Die         Jahr laufenden Projekte zur Einführung von
Abteilungsleitung durch eine – in der Regel       Gesundheitslotsen und zur Nachwuchsge-
nach drei oder vier Jahren wechselnde - ab-       winnung. In den Zuständigkeitsbereich der
geordnete Person aus der Richterschaft ruft       Stelle des abgeordneten Richters oder der
bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit    abgeordneten Richterin gehören hingegen
jeher nicht nur Begeisterung hervor - bei aller
                                                   die Dienstaufsicht über die Gerichte,
Kollegialität und Loyalität gegenüber der je-
weiligen Führungskraft. Denn eine Richterin        die Grundsatzangelegenheiten des höhe-
oder ein Richter bringt in aller Regel keine        ren Justizdienstes, im Zusammenhang
Kenntnisse des Kerngeschäfts der Personal-          damit die Angelegenheiten der Personal-
verwaltung mit und keine Erfahrung in der           gewinnung und –auswahl des höheren
Wahrnehmung von Führungsaufgaben. Er                Justizdienstes, d.h. die Begleitung aller
oder sie startet also in der Regel unvorberei-      Einstellungs- und Beförderungsverfahren
tet aber – beschwingt durch die mit der Aus-        von Richterinnen, Richtern, Staatsanwäl-
wahl für diese Stelle einhergehende Beförde-        tinnen und Staatsanwälten,
rung in ein Amt der Besoldungsgruppe R 2 -
                                                   die Aufsicht über die Angelegenheiten
mit neuen Ideen und Projekten, die möglichst
                                                    des Hamburger Richterwahlausschusses
im Laufe der drei- bis vierjährigen Abord-
                                                    und der Geschäftsstelle des Richterwahl-
nungszeit verwirklicht werden sollen.
                                                    ausschusses,
In dieser Hinsicht bot sich eine Gelegenheit
                                                   die Ausbildung für die Ausbildungsberufe
zur Veränderung, als ich die Abteilungslei-
                                                    des allgemeinen Justizdienstes und seit
tung erstmals als Teilzeitkraft übernahm (in
                                                    kurzem auch für den allgemeinen Verwal-
den ersten Monaten noch mit 50 % der re-
                                                    tungsdienst,
gelmäßigen Arbeitszeit, sehr schnell dann
aufgestockt auf 75%). Die Stelle war als           die Fortbildung und Personalentwicklung
„Vollzeit, auch teilzeitgeeignet“ ausgeschrie-      sowie Gleichstellung,
ben worden und ich hatte es mit meiner Be-
                                                   schließlich die überbehördlichen Perso-
werbung darauf ankommen lassen, ob man
                                                    nalangelegenheiten des höheren Justiz-
mich in Betracht ziehen würde. Mich reizte
                                                    dienstes, u.a. des Bundesrichterwahlaus-
die Aufgabe so sehr, dass ich es eben wag-
                                                    schuss.
te. Mit der Auswahl für die Stelle erhielt ich
die Zusicherung der damaligen Behördenlei-        In dem direkten Verantwortungsbereich die-
tung, dass man – ohnehin als erforderlich         ser Stelle sind derzeit rund 20 Mitarbeiterin-
erkannte – Umstrukturierungsmaßnahmen             nen und Mitarbeiter tätig.
unterstützen würde, die Leitung der Abtei-        Diese Aufteilung bewirkt eine sachgerechte
lung auf neue Füße stellen und zugleich eine      und befriedigendere Wahrnehmung der Auf-
Leitung in Teilzeit ermöglichen würde. Ich        gaben sowohl aus Sicht der Leitungsebene
startete mit dieser Zusage zunächst in der        als auch aus Sicht der Mitarbeiterinnen und
alten Struktur als alleinige Abteilungsleiterin   Mitarbeiter der Abteilung. Ob die Wahrneh-
mit einem Referatsleiter der Abteilung als        mung dieser noch immer umfangreichen Lei-
meinem Stellvertreter. Später haben wir die       tungsaufgabe in Teilzeit gelingt? Ich habe
Leitung der Abteilung zu einer sogenannten        hierzu von der Behördenleitung, von den
Tandem- oder Teamleitung mit wechselseiti-        Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der
ger Vertretung bei entsprechender Aufga-          Abteilung und aus Gerichten und Staatsan-
benverteilung umgestaltet. In der neuen           waltschaften nur positive Rückmeldungen
Struktur ist der dauerhaft in der Verwaltung      erhalten. Allerdings soll nicht geleugnet wer-
tätige Kollege zuständig für die Angelegen-       den, dass ich mir im vergangenen Jahr an-
heiten des Personals in der Behörde selbst        gesichts der zusätzlichen Arbeitslast in der
und des Strafvollzugs nebst den dazu gehö-        Corona-Krise eine – damals nicht mögliche –
renden Grundsatz- und überbehördlichen            Aufstockung auf 100 % gewünscht und diese
Angelegenheiten sowie für die seit einem
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faktisch gelebt habe. Meine Nachfolge ist als    herausfordernden aber immer bereichernden
Vollzeitstelle ausgeschrieben worden und         Eindrücken.
wird als solche besetzt. Gleichzeitig wird der   Neueinstellungen, Lebenszeiternennungen
Verantwortungsbereich der Stelle zeitgleich      und Beförderungen bedürfen eines zustim-
mit meinem Weggang reduziert, da künftig         menden Votums des Richterwahlausschus-
keine wechselseitige Vertretung innerhalb        ses; gleichwertige Versetzungen und Abord-
der Leitung der Personalabteilung mehr er-       nungen aus einem anderen Bundesland
folgt.
                                                 werden ihm zumindest zur Kenntnis ge-
Mein persönliches Fazit ist: Die Wahrneh-        bracht. Die Betreuung dieses Gremiums ist
mung von Leitungsaufgaben in der Justiz-         eine spannende Erfahrung. 14 Mitglieder
verwaltung in Teilzeit ist möglich. Sie bedarf   sind bei jeder Abstimmung stimmberechtigt:
der Flexibilität in der persönlichen Organisa-   drei Vertreter/innen des Senats (nämlich
tion und vor allem des klaren Bekenntnisses      derzeit die Justizsenatorin, ihre Staatsrätin
und wirklichen Willens aller Beteiligten, sie    sowie der Staatsrat der Senatskanzlei),
zu ermöglichen. In der Abteilung wird ge-        sechs von der Bürgerschaft gewählte Mit-
genwärtig das für Aus- und Fortbildung, für      glieder, zwei Mitglieder aus der Anwaltschaft
Personalentwicklung und –gewinnung zu-           oder (bei Personalentscheidungen für die
ständige Referat (Z 21) von einer Kollegin in    Arbeits- oder Sozialgerichtsbarkeit) zwei Mit-
Teilzeit (75 %) geleitet, zwei weitere Füh-      glieder der Spitzenorganisationen der Arbeit-
rungskräfte in dem Referat arbeiten ebenfalls    nehmer und Arbeitgeber, sowie drei Rich-
in Teilzeit (80 % und 50 %). Ein engagierte-     ter/innen (zwei ständige Mitglieder aus der
res, zuverlässigeres, gründlicheres und da-      Richterschaft sowie ein gerichtsspezifisches
bei kreativeres Team ist für mich nicht vor-     Mitglied für das jeweils von einer Personal-
stellbar.                                        entscheidung betroffene Gericht). Obwohl
Die Zeit meiner Tätigkeit war geprägt durch      nur 14 Mitglieder pro Abstimmung stimmbe-
eine große Personaloffensive in der Ham-         rechtigt sind, so nahmen doch – bis zu Be-
burger Justiz: Dazu gehört die Ausbildungs-      ginn der Corona-Krise - regelmäßig bis zu 50
offensive für unsere Justizsekretäre, Justiz-    RWA-Mitglieder an den Sitzungen teil. Denn
fachangestellten, Justizwachtmeister, Ge-        jedes Gericht verfügt über ein gerichtsspezi-
richtsvollzieher und Rechtspfleger, verbun-      fisches Mitglied und jedes RWA-Mitglied
den mit der Problematik einer gerechten Ver-     über einen Stellvertreter oder eine Stellver-
teilung der fertig ausgebildeten Nachwuchs-      treterin mit gesetzlichem Anwesenheitsrecht.
kräfte und der Nachqualifizierung von Quer-      Vor der Corona-Krise waren die RWA-
einsteingern. Hinzu kommen die vielen neu        Sitzungen daher geprägt von Begegnungen
geschaffenen Stellen an Gerichten und            und Gesprächen vor und nach den Abstim-
Staatsanwaltschaften - eine neue Hauptab-        mungsvorgängen, während sie nun unter
teilung für die Staatsanwaltschaft, neue Se-     Einhaltung der geltenden Abstandsregeln
nate am OLG und am OVG, mehrere neue             und mit Maske in freiwillig verkleinertem
Kammern am Landgericht, „Fixierungsrich-         Kreis abgehalten werden. Über dreißig Sit-
ter“ für das AG und, und, und... Die Zahlen      zungen des Richterwahlausschusses habe
sind aus der Presse hinlänglich bekannt. Für     ich in den vergangenen vier Jahren organi-
mich verbinden sich mit diesen Zahlen die        siert und begleitet. Neben all den vielen
vielen Persönlichkeiten, denen ich in den        Neueinstellungen, Lebenszeiternennungen,
vergangenen vier Jahren in den zahllosen         R2- und R3-Beförderungen aus dieser Zeit
Auswahlgesprächen für unsere fünf Ge-            standen insgesamt acht Präsident/innen- und
richtsbarkeiten und die beiden Staatsanwalt-     Vizepräsident/innen-Stellen auf den Tages-
schaften begegnen durfte - mit all den be-       ordnungen.
sonderen, bewegenden, berührenden, über-         Gestaltungsmöglichkeiten bietet die Stelle in
raschenden, beeindruckenden, manchmal            der Leitung der Personalabteilung der Be-
                                                 hörde für abgeordnete Richterinnen und
8                                                                                   MHR 1/2021

Richter vor allem im Bereich der Fortbildung    zum Fachwissen und zu Arbeitstechniken,
und Personalentwicklung:                        Sicherheit, Supervision, Management-Tools
Hamburg verfügt nicht über „das eine“ ge-       & Leitungskompetenzen sowie Psychosozia-
schlossene „Personalentwicklungskonzept“        le Unterstützung. Das Konzept beruht auf der
für den höheren Justizdienst. Es sind jedoch    Überzeugung, dass die Justiz in ihrer Ver-
zahlreiche Angebote, Maßnahmen und              antwortung als guter Arbeitgeber möglichst
Strukturen vorhanden, die der Personalent-      viele verschiedene Angebote zur Verfügung
wicklung der Hamburger Richterinnen und         stellen muss, um die Arbeitszufriedenheit
Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwäl-     und -leistung sowie die Gesundheit aller Be-
te dienen. Diese werden aus den Gerichten       schäftigten zu erhalten und den mit einer
heraus oder von der Behörde für Justiz und      Tätigkeit in der Justiz einhergehenden Belas-
Verbraucherschutz angestoßen und umge-          tungen gezielt zu begegnen. Diese Überzeu-
setzt. Anspruch und Ziel von Personalent-       gung verknüpft die vielfältigen Angebote aus
wicklung ist es, die beruflichen Kompeten-      der Personalabteilung der Behörde für Justiz
zen, Potentiale und persönlichen Berufsziele    und Verbraucherschutz zu einem ganzheitli-
aller Beschäftigten zu erkennen, bestmöglich    chen Ansatz.
einzusetzen und ständig weiterzuentwickeln.     Dabei ist es zunächst notwendig, dass Ham-
Dabei dürfen nicht ausschließlich klassisch     burger Richterinnen und Richter, Staatsan-
beförderungsrelevante Fähigkeiten und Ei-       wältinnen und Staatsanwälte wegen sich
genschaften in den Blick genommen werden        wandelnder Rechtsprechung oder Gesetzes-
- insbesondere angesichts nur begrenzt vor-     änderungen ein fachliches Fortbildungsan-
handener Beförderungsmöglichkeiten. Es          gebot wahrnehmen können müssen.
geht vielmehr insgesamt um die Entwicklung
                                                Es gibt sodann ein stetig anwachsendes
genereller juristischer und persönlicher Kom-
                                                Portfolio von Fortbildungen, das nicht juristi-
petenz, die Arbeitszufriedenheit, Motivation,
                                                sches Fachwissen, sondern Arbeitstechniken
Qualifikation und Gesundheit erhalten und
                                                und persönliche Stärken betrifft. Darunter
stärken. Personalentwicklung orientiert sich
                                                fallen Seminare zu Rhetorik, Belastungsma-
dabei an den beruflichen Lebensphasen,
                                                nagement/Resilienz und Veranstaltungen
beginnend mit Studium, Referendariat und
                                                zum Stimmentraining oder zum Erlernen
Einstellungsverfahren (Stichwort: gezielte
                                                mediativer Elemente.
Nachwuchsgewinnung), über die Probezeit
und Lebenszeiternennung, die Möglichkeit        Die Fortbildungen werden von der Behörde
von Sonderverwendungen in der Verwaltung,       selbst entwickelt und angeboten oder von
in Bundesgerichten oder –ministerien oder       externen Einrichtungen und Organisationen,
Auslandseinsätzen noch während der Pro-         mit denen die Behörde zusammenarbeitet
bezeit oder nach der Lebenszeiternennung,       (wie der Deutschen Richterakademie, dem
ehrenamtlichem Engagement neben dem             Nordverbund, dem European Judicial Trai-
Beruf, Engagement für die Ausbildung, einer     ning Network u.s.w.).
eventuellen Erprobung mit möglicher an-         Ein besonderes Augenmerk haben wir bei
schließender Beförderung bis hin zu geziel-     den landeseigenen Fortbildungen auf die
tem Wissenstransfer in den letzten Dienst-      Qualifizierung von Dienstjüngeren und De-
jahren und danach aus dem Ruhestand her-        zernatswechselnden gerichtet. Vornehmlich
aus.                                            für diesen Adressatenkreis haben wir damit
Arbeitsgrundlage des Referats Z 21 (Perso-      begonnen, schrittweise verschiedene Modul-
nalentwicklung und -gewinnung, Aus- und         reihen zu erarbeitet und einzuführen. In mo-
Fortbildung) in der Personalabteilung der       natlich aufeinander folgenden Modulen wer-
Behörde ist das von uns entwickelte Konzept     den die für das jeweilige Rechtsgebiet und
der „Stärkung der Justiz von innen“. Es fußt    zur Dezernatsbearbeitung zentralen rechtli-
auf sieben „Säulen der Unterstützung“ und       chen Themen von erfahrenen Richterinnen
deckt folgende Bereiche ab: Fortbildungen       und Richtern, Staatsanwältinnen und Staats-
                                                anwälten referiert. Die Modulreihe Familien-
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recht ist im vergangenen Jahr erfolgreich       prozessen unabhängiger Richterinnen und
angelaufen; eine Modulreihe zum Strafrecht      Richter geprägten Selbstverständnis der Ge-
ist in Vorbereitung; weitere Modulreihen sol-   richte hat hingegen lange keine Beachtung
len folgen.                                     gefunden, dass in Spruchkörpern und durch
                                                weitere Aufsicht führende Richterinnen und
Ausgebaut haben wir in den vergangenen
                                                Richter zwar keine hierarchische Führung,
Jahren darüber hinaus den interdisziplinären
                                                jedoch laterale Leitung erfolgt. Es bedarf
Austausch in Kooperationsveranstaltungen
                                                auch für die Justiz einer gezielten Schulung
mit anderen Behörden. Beispielsweise betei-
                                                von Führungs- und Leitungskompetenzen,
ligen sich die Behörde für Arbeit, Gesund-
                                                damit effektive Strukturen der Zusammenar-
heit, Soziales, Familie und Integration und
                                                beit und Entscheidung unterstützt werden,
die Behörde für Justiz und Verbraucher-
schutz regelmäßig gegenseitig an den für die    Personalführung gut gestaltet wird und Be-
jeweils andere Seite interessanten Fortbil-     lastungen durch planvolle Steuerung vermie-
dungsangeboten.                                 den werden.

Ergänzend werden Supervisionen angebo-          Für die Staatsanwaltschaften hat die Behör-
ten; auch dies haben wir in den vergangen       de eine gesonderte Führungsqualifizierung
Jahren deutlich ausweiten können. Supervi-      etabliert, die Bausteinreihen für alle Ersten
sionen stärken den fachlichen Austausch         Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie
und die kollegiale Beratung. Sie bieten die     Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsan-
Möglichkeit, individuelle Strategien zum Um-    wälte enthält. Ergänzend dazu werden
gang mit Belastungen am Arbeitsplatz und        Follow-Ups und thematische Einzelveranstal-
zur Arbeitsorganisation zu entwickeln. Mitt-    tungen nach Bedarf durchgeführt.
lerweile gibt es 13 Supervisionsgruppen mit     Schließlich können in Gruppen- oder Einzel-
bis zu elf Teilnehmenden, die von jeweils       coaching Bereiche oder Einzelpersonen ge-
zwei ausgebildeten Supervisorinnen und Su-      zielte Unterstützung erhalten, wenn sie durch
pervisoren aus der Richterschaft und Staats-    ihr Arbeitsumfeld (Öffentlichkeitsdruck, prob-
anwaltschaft geleitet werden.                   lematische Führungssituation etc.) oder die
Für einige Fachgebiete (Familienrecht, Straf-   Inhalte ihrer Tätigkeit (Konfrontation mit Tod
recht, Güterecht) besteht die Möglichkeit der   und Leid) besonders belastet sind. In beson-
Teilnahme an speziell auf diese richterlichen   ders belastenden Situationen sollen darüber
Thematiken und Bedürfnisse zugeschnitte-        hinaus künftig speziell in Psychotraumatolo-
nen Supervisionen, deren Kosten von der         gie und Gesprächsführung geschulte Kolle-
Behörde anteilig übernommen werden. Für         ginnen und Kollegen aus der Richterschaft
besonders belastete Bereiche der Staatsan-      und der Staatsanwaltschaft als „Peers“ zum
waltschaft gibt es spezielle Supervisionsan-    Einsatz kommen und als erste Anlaufstelle in
gebote.                                         Form von Einzel- oder auch Gruppengesprä-
                                                chen Unterstützung anbieten. Die ersten
Seit Kurzem habe ich Fortbildungsreihen wie     Peers sollen im Laufe des Jahres 2021 fertig
„VerwaltungsKnowHow für Richterinnen und        ausgebildet und einsatzbereit sein.
Richter“ oder zur „lateralen Leitungskompe-
tenz“ im Fortbildungsangebot der Behörde        Die Befassung mit den vorhandenen Perso-
für Justiz und Verbraucherschutz einführen      nalentwicklungsstrukturen, die tägliche Arbeit
können. Dahinter stehen folgende Gedan-         im Personalbereich und viele Gespräche
ken: Eine gezielte Schulung von Führungs-       zeigen, dass es einzelne Punkte gibt, zu de-
und Leitungskompetenzen ist in der Verwal-      nen besonders großer Handlungsbedarf be-
tung mit ihrem grundsätzlich hierarchischen     steht. Dies sind
Aufbau eine Selbstverständlichkeit. In der       die Nachwuchsgewinnung, denn die bis-
Gerichts- und Justizverwaltung sowie in den       her in Hamburg noch überwiegend un-
Staatsanwaltschaften sind ohnehin klassi-         problematische und auf unverändert ho-
sche Führungsstrukturen vorhanden. In dem         hem Niveau mögliche Nachwuchsgewin-
von fachlich weisungsfreien Entscheidungs-
10                                                                                 MHR 1/2021

     nung könnte angesichts der sinkenden       ob nicht mögliche Weichenstellungen für frü-
     Anzahl an Absolventinnen und Absolven-     he Erprobungen und Beförderungen – wie
     ten mit Prädikatsexamina künftig eine      die Auswahl von Präsidialrichter/innen –
     Herausforderung werden; dieser ist früh-   stets mit Hilfe von gezielten Interessebekun-
     zeitig und vorbeugend zu begegnen;         dungsverfahren zu gestalten sind.
 das Stationenmodell, denn die Umset-          Hinsichtlich der Gleichstellungsförderung
  zung der vielfältigen Wechsel in der ge-      wird zu betrachten sein, welche Gründe es
  wohnten Weise ist angesichts der vielen       hat, dass zwar im R1-Bereich nunmehr zum
  Neueinstellungen in den vergangenen           Teil Männer unterrepräsentiert sind, hinge-
  Jahren keine leichte Aufgabe;                 gen in den höheren Beförderungsämtern und
                                                an den Bundesgerichten noch immer über-
 im Hinblick auf Beförderungsentschei-
                                                wiegend eine Unterrepräsentanz von Frauen
  dungen: die Erprobungspraxis und die
                                                besteht.
  Auswahl von Präsidialrichterinnen und
  Präsidialrichtern, denn die Kriterien für     All diese Themen wird meine Nachfolgerin
  die Auswahl von Präsidialrichterinnen und     weiter bewegen können. Denn die Behörde
  Präsidialrichtern sind nicht vollständig      für Justiz und Verbraucherschutz plant, einen
  transparent; für Erprobungen gibt es le-      Gesprächsprozess mit den an der Personal-
  diglich bei der Generalstaatsanwaltschaft     entwicklung beteiligten Akteuren (den Lei-
  eine Erprobungsrichtlinie, im Übrigen wird    tungen der Gerichte und Staatsanwaltschaf-
  häufig und von verschiedenen Seiten be-       ten, Vertretungen der Richterräte und des
  klagt, dass die Rahmenbedingungen der         Personalrats der Staatsanwaltschaften, dem
  Erprobung ungeregelt sind; und                Hamburgischen Richterverein, Schwerbehin-
                                                derten– und Gleichstellungsbeauftragten) zu
 die Gleichstellungsförderung von Frauen       beginnen. Die Corona-Krise hat den Beginn
  und Männern, denn Frauen sind noch            dieses Gesprächsprozesses leider verzögert.
  immer in den höheren Beförderungsäm-          Ich rege an, sich für einen zügigen Start nun
  tern einiger Dienststellen unterrepräsen-     zunächst auf die als besonders dringlich er-
  tiert.                                        kannten und eben benannten Themen zu
Hinsichtlich der Nachwuchsgewinnung wird        konzentrieren.
zu überlegen sein, welche Maßnahmen in          Rückblickend und zusammenfassend be-
Betracht kommen, um bereits im Studium          trachtet gehört es zu den besonderen Anfor-
und im Referendariat junge Menschen, die        derungen an eine oder einen in die Leitung
persönlich und fachlich für eine Tätigkeit in   der Personalabteilung der Behörde abgeord-
der Hamburger Justiz geeignet erscheinen,       nete Richterin oder abgeordneten Richter,
hierfür zu interessieren und gezielt zu för-    einerseits Dienstleister für die Gerichte und
dern.                                           Staatsanwaltschaften und andererseits für
Hinsichtlich des Stationenmodells wird zu       die Dienstaufsicht zuständig zu sein: Einer-
besprechen sein, welche Veränderungen           seits die Auswahlrunden zu begleiten, den
und Anpassungen erforderlich sind, um die       Richterwahlausschuss zu betreuen, An-
immer wieder benannten Vorteile und positi-     sprechpartner/in zu sein für viele Anliegen
ven Ergebnisse des Stationenmodells erhal-      rund um das Stationenmodell, Beurteilungen,
ten zu können und es gleichzeitig in Zeiten     Lebenszeiternennungen und Beförderungen
besonders hoher Personalfluktuation (ange-      und bei der Behördenleitung die Sichtweise
sichts vieler Assessorinnen und Assessoren)     der Gerichte und Staatsanwaltschaften zu
umsetzbar bleiben zu lassen.                    vermitteln - andererseits aus Sicht der Ge-
                                                richte und Staatsanwaltschaften in Personal-
Hinsichtlich unserer Beförderungsentschei-
                                                sachen die Sichtweise der Behörde gegen-
dungen wird man sich fragen müssen, ob
                                                über den Dienststellen zu vertreten und für
nicht planvolle Personalentwicklung eine Re-
                                                die Wahrnehmung der Dienstaufsicht über
gelung der Erprobungspraxis erfordert und
                                                die Gerichte zuständig zu sein. Mit der Stelle
MHR 1/2021                                                                                                             11

geht es also einher, sowohl Vermittler und                    sam mit dem Vorsitzenden des Personalrats,
Bindeglied als auch Puffer zu sein zwischen                   dem Justizangestellten Bogdahn, betrieben.
den Wünschen der Behördenleitung und den
                                                              Was war damals geschehen?
Anliegen der Gerichte und Staatsanwalt-
schaften. Dieser Spannungsbogen ist mit der                   Der Staatsanwalt X4 war im Jahr 1976 von
Stelle unauflöslich verbunden, macht sie                      der staatsanwaltschaftlichen Behördenlei-
spannend und lehrreich – und zugleich her-                    tung für die Besetzung einer frei gewordenen
ausfordernd.                                                  Stelle als Oberstaatsanwalt in Aussicht ge-
                                                              nommen worden und wurde deshalb für be-
Meiner Nachfolgerin - Frau Ri´inAG Dr. Kirsa
                                                              grenzte Dauer, wie es damals häufig prakti-
Steinke - wünsche ich von ganzem Herzen
                                                              ziert wurde, für ein Jahr mit der Führung ei-
Glück und Erfolg auf dieser großartigen und
                                                              ner Abteilung zum Zwecke der Bewährung
schönen Stelle mit all ihren Gestaltungs- und
                                                              betraut. Das nach Ablauf des „Bewährungs-
Entwicklungsmöglichkeiten!
                                                              jahres“ dem Staatsanwalt X erteilte dienstli-
Inken von Gadow                                               che Zeugnis durch dessen staatsanwalt-
                                                              schaftlichen Vorgesetzten bestätigte eindeu-
                                                              tig die Befähigung zum Abteilungsleiter. Da
                                                              trotzdem bei dem Personalrat kein Beförde-
                                                              rungsvorschlag zugunsten des X einging,
         Zur Bedeutung des                                    beantragte der Personalrat aufgrund des ihm
          Initiativrechts im                                  - jedenfalls nach seiner Meinung - zustehen-
                                                              den Initiativrechts, gestützt auf § 87 Hmb-
       Beförderungsverfahren                                  PersVG damaliger Fassung, einstimmig
                                                              durch sein Schreiben vom 15.04.1977 bei
Als gegen Ende des vergangenen Jahres in                      dem Generalstaatsanwalt, den Staatsanwalt
der Hamburger lokalen Presse über eine                        X zum Oberstaatsanwalt zu ernennen5.
Auseinandersetzung zwischen den Leitern
der Hamburger Staatsanwaltschaften, dem                       Diesen Antrag beantwortete die Justizbehör-
Generalstaatsanwalt einerseits und dem Lei-                   de durch ihr Schreiben vom 21.04.1977 mit
ter der - diesem nachgeordneten – Staats-                     dem Text: „… die Justizbehörde vermag sich
anwaltschaft bei dem Landgericht anderer-                     dem Antrag des Personalrats nicht anzu-
seits berichtet wurde1, stand unter anderem                   schließen. Der Präses der Justizbehörde hat
die Frage zur Debatte, welchem von diesen                     nicht die Absicht, der Deputation die Ernen-
beiden Amtsträgern das Initiativrecht2 zuste-                 nung des Staatsanwalts … zum Oberstaats-
he. Dem Verfasser, der in den Jahren                          anwalt vorzuschlagen“6.
1977/1978 dem Personalrat der Staatsan-                       Unterstützend zu diesem Antrag des Perso-
waltschaften3 als Mitglied angehört hatte,                    nalrats richteten die fünf Dezernenten der
drängte sich in diesem Zusammenhang die                       von X geführten Abteilung am 22.04.1977
Erinnerung an ein Verfahren zwischen dem                      spontan ein von ihnen persönlich unterzeich-
Personalrat und der „obersten Dienstbehör-                    netes Schreiben an den Leiter der Staatsan-
de“ auf, welches das Initiativrecht zum Ge-
genstand hatte. Jenes Verfahren hatte der                     4 Der Verfasser versagt sich, den Klarnamen des betroffe-

Verfasser seinerzeit federführend gemein-                     nen Staatsanwalts zu nennen, insbesondere mit Rücksicht
                                                              auf die gegen diesen Staatsanwalt im gesamten Verfahren
                                                              nicht spezifizierten Vorwürfe, die „die Frage seiner fachli-
                                                              chen Qualifizierung“ nicht berühren, also den Persönlich-
1 Vgl. unter anderem Hamburger Abendblatt vom                 keitsbereich des Betroffenen angehen und besonderem
27.11.2020, Seite 1, 12.                                      Schutz unterliegen.
2 In den folgenden Ausführungen wird der Begriff „Initia-     5 Schreiben des Personalrats an den Generalstaatsanwalt
tivrecht“ gebraucht für das Recht einer Institution im Jus-   vom 15.04.1977. Eine Kopie befindet sich beim Verfasser,
tizgefüge, dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg        der diese - wie auch weitere Unterlagen - vom Senatsamt zu
einen bestimmten Staatsanwalt zur Beförderung zum Ober-       P 10/102 und 19/1.19,6 mit Schreiben vom 31.01.1978
staatsanwalt vorzuschlagen (§ 88 Abs. 1 Nr. 3, 82 Abs. 6      erhalten hat.
und 7 HmbPersVG).                                             6 Schreiben der Justizbehörde vom 21.04.1977 zu 2010 E -
3 Nachfolgend „Personalrat“.                                  2.19 - Kopie beim Verfasser vorhanden.
12                                                                                                       MHR 1/2021

waltschaft beim Landgericht Hamburg, unter                  Dieses Ergebnis referierte der Personalrat in
anderem mit ihrem Anliegen, „… den jetzigen                 seinem Schreiben vom 16.06.1977 an den
Abteilungsleiter der Abteilung 5 zu ernen-                  Senatsdienst für den Verwaltungsdienst und
nen“7.                                                      rief damit zugleich die Einigungsstelle nach
                                                            § 81 HmbPersVG damaliger Fassung an. Als
Unter dem 29.04.1977 wandte sich der Per-
                                                            Beisitzer berief er seine bisherigen Vertreter.
sonalrat an die Justizbehörde mit der Bitte,
                                                            Das Senatsamt – Personalamt – wies das
ihm „die erforderliche Begründung der Ab-
                                                            Anliegen des Personalrats, die Einigungs-
lehnung zuzuleiten“, rief aber vorsorglich -
bereits jetzt - die gesetzlich vorgesehene                  stelle zu bilden, jedoch durch Schreiben vom
Schlichtungsstelle an8.                                     22.06.197714 im wesentlichen unter Bezug-
                                                            nahme auf den Beschluss des Bundesver-
Demgegenüber argumentierte die Justizbe-                    waltungsgerichts vom 13.02.197615 zurück,
hörde in ihrer Antwort vom 16.05.1977 an                    weil der Staatsanwalt X aus Rechtsgründen
den Personalrat mit Gründen, die die Frage                  nicht in der Lage gewesen sei, seine Rechte
der fachlichen Qualifikation nicht berührten,               selbst im Verwaltungsverfahrensrechtsweg
ohne diese Gründe jedoch zu spezifizieren9,                 geltend zu machen. Dem trat der Personal-
und beraumte zugleich unter Benennung der                   rat, gestützt auf den Wortlaut des § 87 Abs. 1
Leiter der Justizbehörde und des Justizam-                  Nr. 3 HmbPersVG damaliger Fassung ent-
tes sowie eines Referenten der Justizbehör-                 gegen16 und bezog sich auf das vom Senat
de zu Mitgliedern der Schlichtungsstelle                    herangezogene Kernziel des Gesetzgebers,
Termin zur Schlichtungsverhandlung auf den                  „die Waffen- und Chancengleichheit zwi-
07.06.1977 an10. Somit traf die Behörde ge-                 schen Dienststelle und Personalrat herzu-
genüber ihrer ursprünglich ablehnenden Ent-                 stellen“17.
scheidung vom 21.04.197711 eine Abhilfe-
                                                            In der folgenden mündlichen Verhandlung
entscheidung.
                                                            vor der Fachkammer des Verwaltungsge-
Der Personalrat gab seinerseits als seine                   richts Hamburg, die unter dem Vorsitz der
Mitglieder der Schlichtungsstelle seine An-                 damaligen Vorsitzenden Richterin am Ver-
gehörigen Dose, Woltmann und Koeslin be-                    waltungsgericht,    späteren    Vorsitzenden
kannt12.                                                    Richterin am Oberlandesgericht Dr. Glitza,
Der Schlichtungstermin führte zu keinem die                 stattfand, bezog sich die Vertreterin des Se-
Parteien befriedigenden Ergebnis. Behör-                    natsamts mehr oder weniger auf das bisher
denvertreter brachten mündlich, wie sie                     Vorgetragene, während die Vertreter des
überhaupt zu keinem Zeitpunkt des gesam-                    Personalrats, der Justizangestellte Bogdahn
ten Personalvertretungsverfahrens ihre Ar-                  und der Verfasser, in ihren ausführlichen und
gumente zur Sache selbst festgelegt hatten,                 gründlichen Plädoyer ihren Standpunkt dar-
nicht spezifizierte oder nicht unter Beweisge-              legten18.
stellte Tatsachen vor13.
                                                            14 Schreiben des Senatsamts an den Personalrat vom
                                                            22.06.1977.
                                                            15 Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom
7 An den Leiter der Staatsanwaltschaft beim Landgericht     13.02.1976 zu VII P 4.75, abgedruckt unter anderem in
Hamburg gerichtetes Schreiben der fünf Dezernenten der      BVerwGE 50/186 (aus Corona-Gründen nicht überprüftes
Abteilung 5 der LGStA vom 22.04.1977.                       Zitat).
8 Schreiben des Personalrats an die Justizbehörde vom       16 Referat der vom Personalrat vorgelegten Antragsbegrün-
29.04.1977.                                                 dung, wiedergegeben bei OVG Hamburg zu VII P 4.75,
9 Schreiben der Justizbehörde vom 16.05.1977 an den Per-    abgedruckt unter anderem in BVerwGE 50/186 (aus
sonalrat.                                                   Corona-Gründen nicht überprüftes Zitat).
10 Vgl. Fußnote 8.                                          17 Vgl. OVG Hamburg zu VII P 4.75 in: „Die Personalver-
11 Schreiben der Justizbehörde vom 21.04.1977 zu 2010 E -   tretung“ 1979, Seite 248, rechte Spalte, Anfang des letzten
2.19 - Kopie beim Verfasser vorhanden                       Absatzes.
12 Schreiben des Personalrats vom 26.05.1977 an die Jus-    18 Vgl. OVG Hamburg zu VII P 4.75 in: „Die Personalver-
tizbehörde.                                                 tretung“ 1979, Seite 248, linke Spalte unten/rechte Spalte;
13 Schreiben des Personalrats vom 16.06.1977 an das Se-     soweit der obige Text sich nicht aus dem Abdruck des
natsamt.                                                    OVG-Beschlusses ergibt.
MHR 1/2021                                                                                                      13

Das Verwaltungsgericht folgte im Ergebnis                  der Seite des Personalrats dessen staatsan-
und im wesentlichen in der vom Personalrat                 waltschaftliche Mitglieder, auf Seiten des
geltend gemachten Ableitung dem Wortlaut                   Senatsamts die Bediensteten des Justizam-
des HmbPersVG in der damaligen Fassung19                   tes Bollhorn und Dr. Borchert sowie die Be-
(§ 87 Abs. 1 Nummer 3 lit. a). Schon aus                   dienstete des Senatsamts Bierstedt berufen.
dem Gesetzeswortlaut ergebe sich entgegen                  Nach eingehender Erörterung der gegenteili-
der Meinung des Senatsamts ein Initiativ-
                                                           gen Rechtsstandpunkte beschloss die Eini-
recht des Personalrats, und der zitierte Be-
                                                           gungsstelle mit fünf (Vorsitzender, Vertreterin
schluss des Bundesverwaltungsgerichts ste-
                                                           des Senatsamts und staatsanwaltschaftliche
he einem solchen Initiativrecht nicht entge-
                                                           Vertreter) gegen zwei Stimmen (Vertreter
gen, weil er sich auf eine völlig anders gere-
                                                           des Justizamtes), dem Senat der Freien und
gelte Fallgestaltung beziehe, nämlich nicht
                                                           Hansestadt Hamburg die Beförderung des
wie dem hier zu entscheidenden Beamten-
                                                           Staatsanwalts X zum Oberstaatsanwalt vor-
recht.
                                                           zuschlagen.
Auf die Beschwerde des Senatsamts setzte
                                                           Aufgrund dieser Vorlage wurde der Staats-
das Oberverwaltungsgericht Termin zur
                                                           anwalt X zum Oberstaatsanwalt befördert
mündlichen Verhandlung in der Beschwer-
                                                           und – nunmehr ohne Beschränkungen – mit
deinstanz auf den 13.12.1977 fest. Der
                                                           der Leitung einer Abteilung bei der Staats-
Fachsenat tagte unter dem Vorsitz des da-
                                                           anwaltschaft bei dem Landgericht betraut.
maligen Vizepräsidenten des Oberverwal-
                                                           Diese Stelle hatte X bis zu seiner altersbe-
tungsgerichts Dr. Reimers. Die Parteien, das
                                                           dingten Pensionierung unbeanstandet inne.
Senatsamt vertreten durch einen externen
Rechtsanwalt, der Personalrat durch seinen                 In der Zwischenzeit hat sich allerdings die
Vorsitzenden und den Verfasser, brachten in                Rechtslage zum Initiativrecht dadurch ein-
der Beschwerdeverhandlung keine neuen                      schneidend verändert, dass der Gesetzgeber
entscheidungserheblichen     Gesichtspunkte                des Hamburgischen Personalvertretungsge-
vor. Der Fachsenat sah die Beschwerde des                  setzes ausdrücklich dem Personalrat „Einzel-
Senats als unbegründet an20 und ließ eine                  fallentscheidungen im Besoldungsrecht mit
Rechtsbeschwerde nicht zu21. Zur Begrün-                   Ausnahme in der Leitungsebene“ und damit
dung wiederholte der Fachsenat im wesentli-                das Initiativrecht entzogen hat (§ 88 Abs. 2
chen die Argumentation des Verwaltungsge-                  HmbPersVG)23. Ein Verfahren wie das hier
richts.                                                    geschilderte bleibt damit aber dem Bereich
                                                           der Mitbestimmung versperrt.
In Ausführung dieser Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts über die Verpflich-                Norbert Dose
tung des Senatsamts zur Bildung der Eini-
gungsstelle einigten sich die Parteien auf
den damaligen Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht, späteren Präsidenten
des Oberlandesgerichts Dr. Plambeck als
Vorsitzenden der Einigungsstelle. Dieser
terminierte die mündliche Verhandlung auf
den 10.02.1978 im Senatsgehege des Ham-
burger Rathauses22. Als Beisitzer wurden auf

19 Vgl. OVG Hamburg zu VII P 4.75 in: „Die Personalver-
tretung“ 1979, Seite 249, linke Spalte untere Hälfte.
20 Vgl. OVG Hamburg zu VII P 4.75 in: „Die Personalver-
tretung“ 1979, Seite 249, rechte Spalte unten, Seite 250
linke Spalte.                                              23 Das HmbPersVG vom 08.07.2014, erlassen als Art. 1 des
21 A.a.O., insbesondere Seite 250 rechte Spalte oben.      Gesetzes zur Neuregelung des HmbPersVG vom
22 Schreiben des Senatsamts an die Mitglieder der Eini-    08.07.2014 – HmbGVBl Nr. 39 vom 25.07.2014, Seite 299,
gungsstelle vom 31.01.1978.                                in Kraft getreten am 01.09.2014.
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                                                mittag des ersten Verhandlungstages wäh-
     Aus der Rechtsprechung                     rend der Verlesung des Anklagesatzes, dass
                                                der Schöffe S. die Augen geschlossen, den
Ist aufgrund der dienstlichen Stellung-         Mund leicht geöffnet und eine erschlaffte
nahmen der Verfahrensbeteiligten erwie-         Sitzhaltung eingenommen hatte. Er beobach-
sen, dass ein Schöffe während eines er-         tete den Schöffen, der weiterhin in dem be-
heblichen Teils der Anklageverlesung            schriebenen Zustand auf der Richterbank
schlief, so liegt der absolute Revisions-       saß, mindestens eine Minute lang und wand-
grund des § 338 Nr. 1 StPO vor.                 te sich dann während der Verlesung der Tat-
                                                vorwürfe Nr. 176 bis 177 der Anklageschrift
BGH, Beschluss vom 14.10.2020 – 1 StR
                                                mit der Bemerkung an den Vorsitzenden
616/19
                                                Richter, er möge sich versichern, ob der
Zum Sachverhalt:                                Schöffe noch wach sei. Der Vorsitzende er-
                                                widerte spontan, dass der Schöffe noch
Das LG Kassel hatte den Angeklagten unter       wach sei; der Schöffe selbst reagierte auf die
Freisprechung im Übrigen wegen Steuerhin-       vom Verteidiger veranlasste Unterbrechung
terziehung in 159 Fällen, davon in 112 Fällen   der Verlesung der Anklageschrift und den
in Tateinheit mit Untreue und davon in zwei     Wortwechsel zwischen dem Verteidiger und
Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung,     dem Vorsitzenden nicht. Als sich die Berufs-
sowie wegen Bestechlichkeit in 33 Fällen zu     richter zu dem Schöffen hinwandten, öffnete
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren     dieser die Augen und benötigte ersichtlich
verurteilt und zwei Monate der verhängten       einen kurzen Augenblick, um zu realisieren,
Strafe wegen rechtsstaatswidriger Verfah-       dass er eingeschlafen war. Die Verlesung
rensverzögerung für vollstreckt erklärt. Zu-    der Anklageschrift wurde anschließend fort-
dem hat es eine Einziehungsentscheidung         gesetzt, aber nicht - auch nicht teilweise -
getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf die    wiederholt.
Rüge einer Verletzung formellen und materi-
ellen Rechts gestützte Revision des Ange-       Diese Darstellung des Verteidigers wird
klagten führte zur Aufhebung des Urteils des    durch die Angaben des Sitzungsvertreters
LG Kassel und zur Zurückverweisung der          der Staatsanwaltschaft in der Revisionsge-
Sache.                                          generklärung dahin bestätigt, dass der Ver-
                                                teidiger, als er selbst mit der Verlesung der
Aus den Gründen:                                Anklageschrift befasst gewesen sei, den
„(…) Die Revision macht zu Recht geltend,       Vorsitzenden um Prüfung gebeten habe, ob
dass die Wirtschaftsstrafkammer, die in die-    der Schöffe eingeschlafen sein könne. Der
ser Sache entschieden hat, nicht vor-           Schöffe habe seiner - des Staatsanwalts -
schriftsmäßig besetzt war, weil der Schöffe     Beobachtung nach weder die Intervention
S. im ersten Termin zur Hauptverhandlung        des Verteidigers noch die Äußerung des
am 12. März 2019 über einen nicht unerheb-      Vorsitzenden mitbekommen. Wie es dazu
lichen Zeitraum fest geschlafen hat, so dass    gekommen sei, dass der Schöffe kurze Zeit
er der Verlesung der Anklageschrift nicht       später „erwacht sei“, sei ihm nicht bekannt.
vollständig folgen konnte. Dass der Schöffe     Er könne auch über den „Zeitraum des
geschlafen hat, ist nach einer Gesamtwürdi-     Schlafs“ des Schöffen keine Angaben ma-
gung der Umstände, wie sie sich aus der         chen.
Darstellung des Verteidigers in der Revisi-
onsbegründung ergeben, die durch die            Die Angaben der beisitzenden Richter in ih-
dienstliche Äußerung des Staatsanwalts be-      ren dienstlichen Stellungnahmen stehen der
stätigt wird, bewiesen.                         Darstellung von Verteidiger und Sitzungsver-
                                                treter der Staatsanwaltschaft nicht entgegen.
Nach der Revisionsbegründung bemerkte           Insbesondere ergeben sich aus diesen Stel-
der Verteidiger des Angeklagten am Nach-        lungnahmen keine Anhaltspunkte dafür, dass
MHR 1/2021                                                                                    15

der Schöffe in der fraglichen Zeit entgegen       Funktionen, insbesondere das Maß der von
dem nachvollziehbar auf das geschilderte          den einzelnen Geschworenen bei der Ver-
Verhalten des Schöffen gestützten Eindruck        handlung angewendeten Aufmerksamkeit
von Verteidiger und Staatsanwalt wach ge-         könne daher nicht zum Gegenstand eines
wesen sein könnte; beide beisitzenden Rich-       Angriffs mittels des Rechtsmittels der Revisi-
ter haben erklärt, dass sie nicht aus eigener     on gemacht werden (RGSt 22, 106, 107 f.).
Wahrnehmung heraus sagen könnten, ob              Ähnlich argumentierte das RG, das sich hier-
der Schöffe geschlafen hat.                       zu mittlerweile auf seine "ständige Recht-
                                                  sprechung" berief, im zweiten Fall. Ausweis-
Danach liegt, weil es sich bei der Verlesung      lich des Sitzungsprotokolls habe der betref-
des Anklagesatzes um einen wesentlichen           fende Berufsrichter als Vorsitzender an der
Teil der Hauptverhandlung handelt und der         gegen den Beschwerdeführer abgehaltenen
Schöffe dieser während einer erheblichen          Strafkammerverhandlung         teilgenommen.
Zeitspanne schlafbedingt nicht gefolgt ist, der   Das Gesetz gehe davon aus, dass sämtliche
absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 1           Richter, die der Verhandlung beigewohnt
StPO vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. April       hätten, nicht nur ununterbrochen körperlich
2019 - 5 StR 87/19 Rn. 9; vom 19. Juni 2018       anwesend, sondern auch geistig in ihr vertre-
- 5 StR 643/17 Rn. 3 und vom 20. Oktober          ten seien. Dabei müsse das Maß der von
1981 - 5 StR 564/81 Rn. 1). (…)“                  dem einzelnen Richter anzuwendenden
                                                  Aufmerksamkeit seinem eigenen Pflichtge-
Praxishinweis:                                    fühl überlassen bleiben, so dass ein Revisi-
Strafprozesse sind, das weiß jeder Praktiker,     onsangriff hiergegen nicht gerichtet und ein
nicht immer eine spannende Angelegenheit          Beweis hierüber nicht erhoben werden könne
und sind dies auch in der Vergangenheit           (RG JW 1925, 1007).
nicht in jedem Fall gewesen. Immer wieder
hatten sich deutsche Obergerichte mit Fällen      Dann aber kam es zu einer, bei näherem
zu beschäftigen, in denen im Rahmen von           Hinsehen jedoch nur scheinbaren Wende. In
Rechtsmittelverfahren dargetan wurde, dass        einer Entscheidung aus dem Jahre 1926 ju-
ein Verfahrensbeteiligter, insbesondere einer     dizierte das RG, ein Gericht sei auch dann
der beteiligten Richter, während eines Ab-        nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn einer
schnitts der Hauptverhandlung geschlafen          der Richter in so tiefen Schlaf verfallen sei,
hatte.                                            dass er unfähig sei, die Vorgänge in der
                                                  Hauptverhandlung wahrzunehmen. Jedoch
Das RG hatte in zwei Entscheidungen aus           seien Zeichen großer Ermüdung, Neigung
den Jahren 1891 und 1924 entsprechende            zum Schlafen oder Kämpfen mit dem Schlaf
Revisionsrügen zunächst noch als unbeacht-        noch kein sicherer Beweis dafür, dass der
lich abgetan. Im ersten Fall hatte es sich mit    hier interessierende Schöffe die Vorgänge in
einer reichlich formalen Argumentation auf        der Hauptverhandlung nicht wahrnehmen
das Sitzungsprotokoll des Ausgangsverfah-         konnte. Selbst ein einmaliger oder gelegent-
rens zurückgezogen. Wenn hiernach wirklich        licher "schnarchender Ton", wie ihn die bei-
zwölf Geschworene teilgenommen und ihren          den unmittelbaren Nachbarn des Schöffen
Wahrspruch abgegeben hätten, so müsse,            bekundet hätten, könne noch auf andere
da das Gesetz die Entscheidung über die           Weise gedeutet werden. Jedenfalls schließe
Schuldfrage lediglich der gewissenhaften          er nicht aus, dass der Schöffe - vielleicht ge-
Beurteilung der Geschworenen überlasse,           rade infolge des von ihm verursachten Ge-
angenommen werden, dass sie hierbei ge-           räusches - "gleich" wieder munter geworden
wissenhaft und nach eigener Überzeugung           sei. Eine andere Beurteilung müsse dann
verfahren seien und insbesondere dem Gan-         eintreten, wenn der Schöffe fortgesetzt, häu-
ge der ganzen Verhandlung die erforderliche       fig oder wenigstens bald nacheinander
Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Der Grad         Schnarchlaute von sich gegeben hätte, die
ihrer Gewissenhaftigkeit bei Ausübung ihrer       eine kurze, nach Lage des Falls unerhebli-
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