RECHTSPOLITISCHE SCHLAGLICHTER - DER PARLAMENTARISCHE ABEND DER BRAK FEBRUAR 2019 AUSGABE 1/2019 WANDERAUSSTELLUNG "ANWALT OHNE RECHT" WER HAT ...
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Februar 2019 · Ausgabe 1/2019 Rechtspolitische Schlaglichter Der parlamentarische Abend der BRAK Wanderausstellung „Anwalt ohne Recht“ Wer hat Recht? – Anwaltschaft kabarettistisch Datenschutz – Durchblick bei Löschfristen Foto: Michael Gottschalk
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Editorial Wir können das! Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Ulrike Paul, Sindelfingen Präsidentin der RAK Stuttgart und Vizepräsidentin der BRAK Der Anteil der Frauen bei den zugelassenen Rechts- die eigene berufliche Existenz. Auch das schlechte anwältinnen und Rechtsanwälten ist stetig gestie- Gewissen der Frauen, die meinen, sie könnten ne- gen. Waren 1960 noch weniger als 2 % der zuge- ben der hohen zeitlichen Beanspruchung durch lassenen Berufsträger Frauen, lag der Anteil 2017 den Beruf nicht auch noch Zeit fürs Ehrenamt auf- bei 34,37 %, bei den Neuzulassungen sogar bei wenden, ist ein Hemmnis. Dabei engagieren sich 45,6 %. Anders sieht es mit der Präsenz von Frau- Frauen durchaus im Ehrenamt, meist in sozialen Be- en in Vorständen und Präsidien der Rechtsanwalts- reichen oder in Bereichen, die mit ihrer Familie im kammern aus. In den Vorständen liegt der Frauen- Zusammenhang stehen. Dies entspricht offensicht- anteil immerhin bei 28,3 %, in den Präsidien bei lich mehr der gesellschaftlichen Erwartungshaltung 23,35 % und bei den Präsidentinnen bei 7,14 %. Die an Frauen. Luft nach oben scheint für Frauen dünn zu sein. Nur Im Leitartikel des Spiegels 47/2018 hat Barba- wenn die „Frauenpyramide“ auf einen breiteren So- ra Supp unter dem Titel: „Engagiert Euch!“ ausge- ckel gestellt wird, kann die Spitze breiter werden. führt, dass es oft an den Frauen liegt, wenn diese Brauchen wir hierzu gesetzliche Regelungen? sich nicht in der Politik engagieren. Unter anderem, Nein – wir Freiberufler wollen unseren Beruf und weil Frauen anders kommunizieren als Männer. unsere Selbstverwaltung mit möglichst geringer Re- Frauen würden oftmals signalisieren, sie könnten glementierung ausüben. Was wir aber brauchen, ein Amt nicht ausüben. Sie erwarteten dann, dass ist das Verständnis bei Frauen und Männern, dass andere sie ermutigen, sie auffordern und ihnen sa- es eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung ist, gen: Doch, Du kannst. Genau dies würde oft nicht mehr Frauen in Leitungsfunktionen in der Selbstver- geschehen. Dann würden ganz selbstverständlich waltung zu bringen. Männer aufstehen und es einfach machen. Diese Wir Rechtsanwältinnen verbringen, wie unsere Ausführungen zur Politik lassen sich auf Vorstände männlichen Kollegen, viel Zeit in unserem Beruf. und Präsidien der Rechtsanwaltskammern übertra- Offensichtlich gibt es nach wie vor einen Gender gen. Viele Frauen lassen sich schon gar nicht für die Pay Gap und, so jedenfalls das Ergebnis des Auf- Vorstandswahlen aufstellen. Sie haben Angst, in satzes von Ulrike Schultz (Haben Frauen in der An- Männerzirkel zu geraten, in denen sie nicht ernstge- waltschaft schlechte Karten?, BRAK-Mitt. 5/2018, nommen werden. Diese Angst ist unbegründet, das 223 ff.), Frauen haben in der Anwaltschaft aus meh- kann ich aus eigener Erfahrung sagen. reren Gründen schlechte Karten. Daher ist wichtig, sich darüber zu informieren, Nur dann, wenn sich Rechtsanwältinnen in den welche Arbeit in den Kammern im Ehrenamt geleis- Kammern engagieren, können sie selbst mitgestal- tet wird. Nur wenn sich Frauen in diesen Bereichen ten. Vielen Kolleginnen (und Kollegen) ist gar nicht engagieren und nicht darauf vertrauen, dass ande- bekannt, welch vielfältige Tätigkeiten in den Kam- re die Dinge schon regeln, können sie selbst etwas mern vom Ehrenamt geleistet werden und welche bewirken. Nur dann werden sie auch die Erfahrung Gestaltungsmöglichkeiten es gibt. machen können, dass Kammerarbeit eine wichtige Oft beklagen Frauen, dass sie die Betätigung und spannende Tätigkeit ist und sie bei dieser Tä- im Ehrenamt zeitlich nicht mit Beruf und Familie in tigkeit viele interessante Frauen und Männer ken- Einklang bringen können. Bei einem zeitaufwändi- nenlernen. Und – natürlich können wir Frauen das! gen Beruf wie unserem ein nicht von der Hand zu Daher mein Appell an die Kolleginnen (und Kol- weisender Einwand, auch wenn das Engagement legen), wenn in Ihren Kammern Wahlen anstehen: durchaus zeitlich dosierbar wäre. Andererseits geht Engagieren Sie sich! es um die Gestaltung der Rahmenbedingungen für Ja, wir können das! Impressum br ak Maga zin 01/2019 Bundesrechtsanwaltskammer – Körperschaft des öffentlichen Rechts, Littenstraße 9, 10179 Berlin Redaktion: Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ. (verantwortlich) Verlag: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln 3 (ausführliches Impressum unter www.brak.de/fuer-anwaelte/publikationen/brak-mitteilungen-brak-magazin/impressum-und-mediadaten/)
Rechtspolitische Schlaglichter Der parlamentarische Abend der BRAK Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin Fotos: Michael Gottschalk Zur ersten Sitzungswoche des Bundestags im neu- CSU), Katja Keul (Grüne), Dr. Johannes Fechner en Jahr gehört der parlamentarische Abend der (SPD) und Dr. Jürgen Martens (FDP) sowie die stell- BRAK. Eine gute Tradition – dient sie doch dazu, vertretenden Fraktionsvorsitzenden Thorsten Frei Kontakte zu Rechtspolitikerinnen und -politikern (CDU/CSU) und Stephan Thomae (FDP). und zum Justizministerium zu pflegen und mit ih- Neben Bundesjustizministerin Dr. Katarina Bar- nen ausgiebig über berufs- und rechtspolitische ley und hochrangigen Mitarbeiterinnen und Mitar- Fragen zu diskutieren. beitern ihres Hauses gaben sich auch ihre sachsen- anhaltinische Ministerkollegin Anne-Marie Keding Zuerst die Arbeit: sowie ihr rheinland-pfälzischer Kollege Herbert die BRAK-Präsidentenkonferenz Mertin die Ehre. Nicht nur bei der BRAK, auch im Vor den angeregten Abendgesprächen steht für Bundesjustizministerium hatte sich das Personalka- die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechtsan- russell gedreht, und so durfte Wessels die frischge- waltskammern und das BRAK-Präsidium – auch backene Leiterin der Abteilung Rechtspflege, Gab- das ist traditionell – die Arbeit: Sie kamen tags- riele Nieradzik, ebenso willkommen heißen wie ihre über zur ersten Präsidentenkonferenz des Jahres Vorgängerin Marie-Luise Graf-Schlicker. zusammen. Neben einem Tätigkeitsbericht von BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels, Fragen zur Blick zurück und nach vorn weiteren Entwicklung des besonderen elektroni- In seiner Neujahrsansprache warf Wessels einen schen Anwaltspostfachs und einigen berufspoliti- Blick zurück auf das vergangene Jahr, in dem das schen Themen stand ein bestürzender Vorfall auf besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) der Tagesordnung: für Turbulenzen gesorgt Eine Kollegin, die zuvor unter anderem Ange- hatte. Beim letzten par- hörige eines der NSU-Mordopfer vertreten hatte, lamentarischen Abend erhielt aktuellen Medienberichten zufolge persön- hatte man es gerade liche Drohungen gegen sie und ihre Familie. Die erst wegen Sicherheits- Präsidentinnen und Präsidenten waren sich einig: bedenken abschalten „Es darf keine Rolle spielen, welchen Mandanten müssen. Nun läuft das eine Anwältin oder ein Anwalt vertritt; die Garan- System stabil und die tie für jedermann auf ungehinderten und vollstän- Nutzerzahlen entwi- digen Zugang zum Recht und das Recht auf eine ckeln sich erfreulich – uneingeschränkte Verteidigung müssen gewahrt doch davor stand ein Empfang im Foyer bleiben.“ In den Vorfällen sahen sie einen Angriff gründlicher Analyse- auf die freie Berufsausübung der Anwaltschaft all- und Reparaturprozess. gemein. Beim beA werde es noch einiges zu tun geben: Un- ter anderem habe die BRAK-Präsidentenkonferenz Illustre rechtspolitische Gäste am Vormittag beschlossen, die zum Jahresende Erstmals kam es Wessels als neuem Präsidenten 2019 auslaufenden Verträge zur Entwicklung und der BRAK zu, die zahlreichen Gäste aus Rechts- zum Betrieb des beA neu auszuschreiben. politik und Justizministerien zum parlamentari- Berufspolitisch steht für die BRAK weiterhin die schen Abend zu begrüßen. Unter ihnen waren die Wahrung der anwaltlichen Kernwerte und ganz rechtspolitischen Sprecher/innen mehrerer Bun- besonders der Verschwiegenheit auf der Agenda. destagsfraktionen, Dr. Jan Marco Luczak (CDU/ Gesetzesvorhaben wie etwa zum Schutz von Whist- br ak Maga zin 01/2019 4
leblowern geben hier aktuell Anlass zur Besorgnis. Mandanten vertrat – beides zeigt, wie fragil unser In diesen Kontext gehört auch die Forderung nach Rechtsstaat sein kann und wie wichtig es deshalb einem unabhängigen Datenschutzbeauftragten ist, für ihn einzutreten. der Anwaltschaft, der die berufsrechtlichen Bindun- „Die Herausforderungen für das Recht und für gen der Anwaltschaft im Rahmen der Datenschutz- unseren Rechtsstaat sind immens“, konstatierte aufsicht im Blick hat. Barley, daher wolle die Regierung den Rechtsstaat Eine zentrale Forderung ist und bleibt die An- mit dem – an diesem Abend noch häufiger zitier- passung und strukturelle Verbesserung der An- ten – „Pakt für den Rechtsstaat“ stärken. Dass die waltsgebühren. Der Anwaltschaft stehe das zu, gab BRAK sich in Deutschland wie auch international Wessels sich selbstbewusst. Kritik übte er am Mi- für die Anliegen der Anwaltschaft einsetzt, hob die nisterium: Der gemeinsame Forderungskatalog von Ministerin besonders hervor und dankte für ihren BRAK und DAV zum Gebührenrecht wurde bereits Einsatz: „Ohne eine funktionierende Anwaltschaft im April 2018 vorgelegt – und so recht werde das ist ein Rechtsstaat nicht denkbar.“ Anliegen nicht gefördert, schließlich sei der Katalog Das sah auch BRAK-Präsident Wessels so – er erst im November den Ländern zur Stellungnahme hatte moniert, dass die Anwaltschaft im „Pakt für weitergeleitet worden. Realistisch würden es nach den Rechtsstaat“ bislang schlicht gar nicht vorkom- Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens acht Jahre me. Die Anwaltschaft sei bereit, ihren Beitrag zu seit der letzten Gebührenanpassung – für Wessels leisten. Barley griff dies auf und sprach von einer ein inakzeptabel langer Zeitraum. Bundesjustizmi- zweiten Stufe des Paktes, bei der auch die Anwalt- nisterin Dr. Katarina Barley zeigte Verständnis und schaft involviert werden solle. deutete an, dass Widerstand hier nicht vom Bund, sondern von den Ländern zu erwarten sei. Diese Auf der rechtspolitischen Agenda hätten die finanziellen Auswirkungen, etwa wegen Einen Ausblick auf das beginnende Jahr gab die steigender Kosten für Pkh, zu tragen. Ministerin ebenfalls: Auf der rechtspolitischen Agenda stehen nicht nur Maßnahmen gegen den Klare Worte von der Ministerin Missbrauch von Abmahnungen – die BRAK erinner- Traditionell folgt auf die Neujahrsansprache des te in diesem Zusammenhang, dass man nicht die BRAK-Präsidenten ein Grußwort des Vorsitzenden gesamte Anwaltschaft wegen einiger „schwarzer des Bundestags-Rechtsausschusses – immerhin Schafe“ pauschal diskreditieren sollte. Das Ministe- ist man an diesem Abend dort zu Gast, genauer: rium arbeite außerdem derzeit daran, die Aufsicht in den ehrwürdigen Räumen der Deutschen Parla- über Inkassounternehmen zu verstärken und das mentarischen Gesellschaft. Dieses Grußwort fiel Inkassorecht verbraucherfreundlicher zu gestalten. erstmals Stephan Brandner zu, der sich in seiner Das gewichtigste Gesetzesvorhaben ist derzeit Funktion als Vorsitzender des Rechtsausschusses die Neuregelung des Rechts der anwaltlichen Be- mit aktuellen berufspolitischen Forderungen der rufsausübungsgesellschaften. Einen Vorschlag zur BRAK auseinandersetzte. Ausgestaltung hatte die BRAK im Mai 2018 unter- Ministerialdirektorin Nieradzik, Bundesjustizministerin Barley und BRAK-Präsident Dr. Wessels, Dr. Luczak (CDU/CSU-Fraktion) und Angeregte Tischgespräche BRAK-Vizepräsidentin Paul BRAK-Vizepräsident Dr. Remmers Überstrahlt wurde sein Grußwort jedoch von breitet; auch der Deutsche Juristentag hatte sich der Bundesjustizministerin: Barley fand klare Wor- mit der Thematik befasst, der DAV hatte ebenfalls te zu den Bombenanschlägen, mit denen jüngst einen Regelungsvorschlag erarbeiten lassen. Ob- mehrere deutsche Landgerichte bedroht worden wohl nicht im Koalitionsvertrag, schaffte es das waren. Passiert sei glücklicherweise nichts. Aber Vorhaben daher auf die Agenda. Barley kündigte wer Gerichte bedrohe, greife die unabhängige an, dass demnächst ein Eckpunktepapier des Mi- Justiz und den Rechtsstaat insgesamt an. Diese nisteriums zur Reform des anwaltlichen Gesell- Vorfälle stehen durchaus in einer Reihe mit der schaftsrechts vorgelegt werden solle. Es wird mit Bedrohung einer Anwältin, weil sie bestimmte Spannung erwartet! br ak Maga zin 01/2019 5
Die Tücken der E-Mail-Verschlüsselung Rechtsanwalt Alexander Gottwald, EMBA, zertifizierter Datenschutzbeauftragter (GDDcert. EU), Münster Seit rund acht Monaten ist die Datenschutz-Grund- Contra: Die Teilnehmer können die Nachricht le- verordnung (DS-GVO) nun in Kraft und nach de- diglich in dem Portal lesen, dass der Versender ren Art. 32 I lit. a sind personenbezogene Daten benutzt. Der Empfänger verfügt nicht über die zu verschlüsseln. Ein erhebliches Problem – denn Nachricht in seinem E-Mail-Postfach, daher ist eine die Kommunikation mit Mandanten erfolgt mitt- Suche nach den E-Mail-Inhalten nicht mehr mög- lerweile überwiegend per E-Mail. Dabei wird die lich. Die Nutzung von Clouds ist für revisionssiche- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als Stand der Tech- re E-Mail-Archivierungs-Systeme ein No-Go, denn nik betrachtet, weshalb zu gewährleisten ist, dass die Nachricht befindet sich nicht auf dem Server die gesamte E-Mail samt etwaigen Anhängen vom des Empfängers und kann daher entsprechend der jeweiligen E-Mail-Client des Versenders zu dem des handels- und steuerrechtlichen Vorgaben nicht au- Empfängers verschlüsselt wird. Ein guter Zeitpunkt, tomatisch archiviert werden. um die Alternativen der Verschlüsselung und deren Praxistauglichkeit im anwaltlichen Alltag zu begut- Erzwingung der TLS-Transport- achten: Verschlüsselung Der E-Mail-Server des Versenders stellt mit dem Public-Key-Infrastruktur (PKI) des Empfängers eine sichere Transport-Verschlüs- Versender und Empfänger verfügen jeweils über ei- selung über ein TLS-Zertifikat (derzeit ab Version nen privaten und einen öffentlichen Schlüssel. Die zu 1.3) her. Hierzu müssen die beteiligten Server die Foto: yongyut/fotolia.com versendende Nachricht wird über den öffentlichen Konfiguration „Mandatory TLS“ unterstützen. Schlüssel des Empfängers – den dieser zuvor an den Pro: Die E-Mail wird automatisch ver- und ent- Versender übermittelt haben muss – vom Versender schlüsselt. automatisch verschlüsselt und verschickt. Der Emp- Contra: Streng genommen keine Ende-zu-Ende- fänger entschlüsselt die Nachricht ebenfalls auto- Verschlüsselung, da die E-Mail nur zwischen den matisch mit seinem privaten Schlüssel. E-Mail-Servern verschlüsselt übertragen wird, die Pro: Ende-zu-Ende-Ver- E-Mail aber noch unternehmensintern an das je- schlüsselung. Das Ver- weilige Postfach übertragen werden muss. Die Ver- senden und Verschlüs- wendung müssen die Teilnehmer zuvor abstimmen, seln ist unkompliziert, d.h. bei jeder Neumandatierung müssen die IT- da lediglich im E-Mail- Fachleute der Teilnehmer die Server entsprechend Client die Verschlüs- einstellen. Bei Dauermandaten vorstellbar, bei selung vom Versender wechselnden Empfängern unpraktikabel. aktiviert werden muss. Contra: Setzt eine Handlungsempfehlungen komplexe Verschlüsse Die Nutzung einer PKI ist vorzugswürdig, die flä- lungsinfrastruktur auf chendeckende Etablierung eines Standards wird beiden Seiten voraus, aber sicher noch einige Jahre dauern. Daher sollte die sich im Markt zu im Moment nach Möglichkeit auf die Transportver- nächst etablieren muss. Der Nutzer muss die Ver- schlüsselung zurückgegriffen werden, auch wenn wendung der PKI beim Versand in der Regel manu- der Weg zwischen Server und E-Mail-Client nicht ell einschalten. abgesichert ist. Bei häufig wechselnden Kommu- nikationspartnern ist es praktischer, personenbe- „Cloud-Mail“ zogene Daten in den Anhang der E-Mail zu ver- Eine E-Mail wird nicht unmittelbar dem Empfänger schieben und diesen mit einem zuvor telefonisch zugestellt, sondern in eine Cloud hochgeladen. Der vereinbarten Passwort zu sichern (z.B. Passwörter Empfänger erhält per E-Mail lediglich den Hinweis auf Word-, Excel- oder pdf-Dateien bzw. Zip-Datei- über eine bereitstehende Nachricht. Nun meldet en). Alternativ kann man personenbezogene Daten sich der Empfänger auf dem Portal mittels eines verschlüsselt auf sichere Cloudspeicher hochladen, Passworts an, das zuvor telefonisch übergeben von denen sich der Empfänger die Daten anschlie- wurde, und kann dann die Nachricht auf dem Por- ßend herunterladen und entschlüsseln kann. Dazu tal lesen. bieten viele Kanzleiprogramme mittlerweile eine Pro: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. sog. Web-Akte an. br ak Maga zin 01/2019 6
Online-Vorträge Live-Übertragung Gewohnte DAI-Qualität Fortbildung gem. § 15 Abs. 2 FAO Ortsunabhängig Bei einem Online-Vortrag verfolgen Sie den Referenten und seine Präsentation zum angegebenen Termin live im Video. In einem moderierten Chat haben Sie die Möglichkeit, Ihre Fragen direkt an den Referenten zu richten und mit den anderen Teilnehmenden zu interagieren. Der Referent, die Präsentation und der Chat werden in einer übersichtlichen Oberfläche gemeinsam angezeigt. Arbeitsrecht/ Miet- und Wohnungseigentumsrecht Informationstechnologierecht Aktuelle Brennpunkte der Gewerberaummiete Beschäftigtendatenschutz – Worauf Arbeitgeber 22.05.2019 · Nr. 172407 und Arbeitnehmer achten müssen Dr. Rainer Burbulla, Rechtsanwalt 21.05.2019 · Nr. 013049 Dr. Michael Witteler, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Sozialrecht Der vorläufige Bescheid nach § 41a SGB II 06.06.2019 · Nr. 042376 Bau- und Architektenrecht Dr. Jens Blüggel, Vors. Richter am Landessozialgericht Aktuelle Praxisprobleme des neuen Bauvertrags- rechts 10.05.2019 · Nr. 162322 Steuerrecht Dr. Paul Popescu, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Aktuelle Fragen der Körperschaftsteuer Architektenrecht 24.05.2019 · Nr. 052609 Thomas Müller, Rechtsanwalt, Vors. Richter am Finanz- gericht a. D. Familienrecht Aktuelle Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht 14.03.2019 · Nr. 092858 Verkehrsrecht/Versicherungsrecht Dr. Wolfram Viefhues, Richter am Amtsgericht als weiterer Der Erwerbsschaden im Verkehrsunfallmandat aufsichtsführender Richter a. D. 14.03.2019 · Nr. 152281 Dr. Jan Luckey, LL.M., LL.M., Richter am Oberlandes- gericht Medizinrecht Praktische Tipps und Tricks für den arzthaftungs- Zeitstunden: jeweils 2,5 – mit Bescheinigung nach rechtlichen Zivilprozess unter besonderer Berück- § 15 Abs. 2 FAO sichtigung der klassischen Fehlerquellen Kostenbeitrag: 125,– € (USt.-befreit) 23.05.2019 · Nr. 122295 Ermäßigt: 105,– € (USt.-befreit) für Mitglieder der Dr. med. Helge Hölzer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für kooperierenden Rechtsanwaltskammern Medizinrecht, Facharzt für Chirurgie Das Angebot wird stetig erweitert. Schauen Sie regelmäßig nach neuen Themen unter www.anwaltsinstitut.de/elearning Deutsches Anwaltsinstitut e. V. · Universitätsstraße 140 · 44799 Bochum · Tel. 0234 970640 · Fax 0234 703507 · onlineservice@anwaltsinstitut.de
Blick in die Ausstellung, Foto: Michael Gottschalk/photothek Erinnern heiSSt bedenken Wanderausstellung „Anwalt ohne Recht“ in Augsburg präsentiert Marina Bayer, BRAK, Berlin Unter welchen politischen Bedingungen und Dy- lage der systematischen Vernichtung von rund namiken, aus welchen psychologischen wie gesell- sechs Millionen europäischen Juden – unter ihnen schaftlichen Gründen wird ein bestimmter Unter- zahlreiche Anwälte auf der einen wie auf der an- schied zwischen Menschen zur Grundlage einer deren Seite. Ausgrenzung, die alle nur denkbaren Straftaten Und kein anderes Kapitel macht die Wichtig- gerechtfertigt? keit und Notwendigkeit einer sich selbst reflek- Kein anderes Kapitel der europäischen Ge- tierenden (d.h. parlamentarischen) Demokratie schichte erinnert in dem Ausmaß an diese frag- mit ihren 1949 rechtlich festgeschriebenen Errun- lichen – auch heute noch latent vorhandenen – genschaften – wie insbesondere den Prinzipien zerstörerischen Potentiale auf individuellen sowie der Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit – so überindividuellen Ebenen wie der Holocaust. In deutlich wie dieses. Denn so sehr dieses dunkle weniger als zehn Jahren ab der Machtergreifung Kapitel für immer einen erschreckenden Teil der der Nationalsozialisten wurden latent vorherr- Vergangenheit bilden wird, so sehr stellt die re- schende Vorurteile und Verschwörungstheorien gelmäßige Ermahnung vor den Schreckenstaten schrittweise zur mehrheitlich anerkannten Grund- in dieser Vergangenheit heute gleichfalls eine we- sentliche Bedingung unserer Gegenwart dar, die sich mit den daraus gezogenen Lehren sowie ihren politischen und gesellschaftlichen Weiterentwick- lungen präsentiert. Bücher und Ausstellungen gegen das Vergessen und gegen den Krieg Mit dem regelmäßigen Erinnern an den Holocaust – d.h. mit der Bewahrung einer Erinnerungskultur in Form von Ausstellungen, Büchern und anderen Medien – wird nicht nur ehemals Verfolgten und Vertriebenen eine Aufarbeitung entsprechender Traumata und ihrer Folgen für auch die nächsten Generationen erleichtert. Die Pflege einer Erinne- rungskultur ermöglicht es allen nachfolgenden Generationen, derartige Überzeugungen zumin- dest in ihrer Gegenwart und Zukunft besser zu hin- terfragen, falschen Versprechungen, Fehlschlüs- sen und folgenschweren Fehlern zu widerstehen – und jene Grundpfeiler einer gerechteren Welt zu bewahren, die unsere heutige Gesellschaft im We- Jüdische Anwälte – Ausschnitt einer Ausstellungstafel br ak Maga zin 01/2019 8
sentlichen ausmachen. Oder anders: Sie erweitert immer umfassenderen Wanderausstellung heran. die Reflexionsfähigkeit aller Menschen – indem sie So ist bis heute aus der ersten Ausstellung mit das Potenzial, sich in andere Identitäten in Raum rund 20 Ausstellungstafeln eine Sammlung aus und Zeit einzufühlen, z.B. durch das Erzählen ihrer über 200 Tafeln und Geschichten entstanden – Lebensumstände und -geschichten fördert – eben- und mit ihr eine tiefgreifende Erinnerung. so wie ein praktisches Verständnis der Bedeutung von Politik als Rahmen menschlicher Handlungs- Stationen der Wanderausstellung möglichkeit. Zuletzt war die Ausstellung in Augsburg zu sehen: Aus dieser Haltung und Hoffnung ist auch die Hier wurde sie in Rahmen einer Feier zum 140. Ausstellung „Anwalt ohne Recht – Schicksale jü- Gründungsjubiläum des Augsburger AnwaltVereins discher Anwälte in Deutschland nach 1933“ ge- eingebunden und war anschließend vom 19.11.2018 boren. Sie nimmt eine besondere Ambivalenz in bis zum 18.1.2019 im Augsburger Justizpalast so- Zeiten des Nationalsozialismus in den Fokus: Dass wie vom 21.1. – 7.2.2019 im Augsburger Rathaus jüdischen Rechtsvertretern selbst – unter Beru- öffentlich kostenlos zugänglich. Dabei waren ne- fung auf das Reichsgesetzblatt – schrittweise jeg- ben Portraits bekannter Anwälte wie Max Alsberg liche Rechte, vom Berufsausübungsrecht bis hin oder Adolf Arndt die zumeist unbekannten Namen zum Existenzrecht, entzogen wurden. und ihre Geschichten – schwerpunktmäßig aus der eigenen Region – ausgestellt und im gesamt- Bewegt vom Wunsch nach gesellschaftlichen bzw. politischen Zusammenhang Information und Aufklärung dargestellt. Eine wichtige Grundlage für die Augs- Den wesentlichen Anstoß zu der heute internati- burger Ausstellung bildet das Buch von Reinhard onal vertretenen Ausstellung gab der israelische Weber „Das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte Anwalt Joel Levi aus Tel Aviv. Seine Eltern wander- in Bayern nach 1933“ (herausgegeben vom Bayeri- ten 1932 nach Israel aus; und er nahm 1961 als schen Staatsministerium der Justiz, den Rechtsan- Jurastudent am Prozess gegen den ehemaligen waltskammern Bamberg, München und Nürnberg SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann in Je- sowie der pfälzischen Rechtsanwaltskammer Zwei- rusalem teil – jenem international viel beachteten brücken, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006). Prozess, der seinerzeit eine neue Betrachtungswei- Bis heute war die Ausstellung an bereits mehr se, die kritische Aufarbeitung der NS-Vergangen- als 60 Standorten in Deutschland, in zahlreichen heit, einleitete. Städten in Kanada und den USA sowie in den Für sein Leben hatte Joel Levi es sich zur Aufga- Ländern Belgien, den Niederlanden, Italien und be gemacht, die israelisch-deutsche Beziehung zu England zu sehen. Besonders großen Zuspruch verbessern. Sein Lebensziel war eine Versöhnung erfährt sie in den USA, wo sie mit Unterstützung der Verhältnisse; und sein Wunsch, „das Erinnern“ des Auswärtigen Amtes und in Kooperation mit der in der Anwaltschaft einzuprägen, ist Ausdruck sei- American Bar Association präsentiert wird. Weite- nes Beitrages gegen Krieg, gegen das Vergessen re Informationen zur Ausstellung sowie eine Liste und für eine umsichtige Demokratie. aller Publikationen, die im Zusammenhang mit die- Bewegt von der Anfrage Joel Levis nach einer ser Aufarbeitungsarbeit stehen, finden Sie unter: Namensliste der in 1933 in Berlin zugelassenen anwalt-ohne-recht.de. jüdischen Anwälte, erarbeitete die RAK Berlin in Zusammenarbeit mit der Historikerin Simone Lad- wig-Winters ein 300-seitiges Buch, das die Lebens- wege jüdischer Anwälte in der Region erstmals recherchierte und nachzeichnete: „Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933“ (von Dr. Simone Ladwig-Winters & RAK Berlin, be.bra verlag, 2007). Zu bedenken gibt dabei im Besonderen, dass zu dieser Zeit über 50 Prozent der in Berlin tätigen Anwälte jüdischer Herkunft waren. Als Ergänzung und Erweiterung dieser Arbeit konzipierte die BRAK im Jahr 2000 die erste Aus- stellung zum Thema. Mit dem anschließend ge- fassten Vorhaben, neben Berlin als regionalem Schwerpunkt möglichst alle Regionen in Deutsch- land einzubinden, wuchs sie – durch die entge- genkommende Mitarbeit der zahlreichen Rechts- BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels bei seinem Grußwort zum 140. Jubiläum des Augsburger anwaltskammern – in den Folgejahren zu einer Anwaltvereins, Foto Roberto Cacciato br ak Maga zin 01/2019 9
Frühjahrsputz für das Automatisches Löschen von Nachrichten startet zum 1.4.2019 Rechtsanwältin Julia von Seltmann und Andrea Lindowsky, M.A., BRAK, Berlin Die kommunikation über das besondere elektronische unbedingt eine E-Mail-Adresse hinterlegt werden, an Anwaltspostfach (beA) hat in den vergangenen Mo- die die Benachrichtigungen versandt werden können. naten fahrt aufgenommen und kommt zunehmend im Außerdem öffnet sich bei jedem aktiven Verschie- anwaltlichen Arbeitsalltag an. immer mehr Gerichte ben einer Nachricht in den Papierkorb durch den schließen sich dem elektronischen rechtsverkehr Postfachnutzer ein Fenster mit dem Warnhinweis, an und versenden nachrichten elektronisch an die dass die Nachricht nach 31 Tagen endgültig aus dem postfächer der rechtsanwältinnen und rechtsanwäl- Papierkorb gelöscht wird. te. nachdem nun eine gewisse eingewöhnungsphase vorbei ist, wird die brAk im rahmen der gesetzlichen 1.4.2019 Vorgaben zum 1.4.2019 das automatische löschen von nachrichten aus dem beA aktivieren. 1.1.2019 und älter § 31a BRAO berechtigt die BRAK 1.4.2019 zum Löschen von Nachrichten § 31a III 4 BRAO berechtigt die BRAK als Betreiberin seit 1.3.2019 des beA, im beA gespeicherte Nachrichten nach angemessener Zeit zu löschen. Welche Zeiträume angemessen sind, gibt § 27 der Rechtsanwaltsver- Sinnvoll archivieren, aber wie? zeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV) vor. Das beA ist so konzipiert, dass es sowohl die papier- Danach dürfen Nachrichten frühestens 90 Tage ne als auch die elektronische Handaktenführung nach ihrem Eingang automatisch in den Papierkorb unterstützt. Durch die Funktionen „Drucken“ oder des beA verschoben werden. Im Papierkorb befind- „Exportieren“ kann der Nutzer im beA liegende liche Nachrichten dürfen frühestens nach 30 Tagen elektronische Dokumente je nach seiner Kanzlei- automatisch gelöscht werden. organisation zur Handakte nehmen. Hierfür gibt es zwei gute Gründe: Zum einen ver- Es ist aber zu überlegen, ob die Nutzung des beA pflichtet § 50 BRAO jede Rechtsanwältin und jeden nicht Anlass bietet, auf die elektronische Handakten- Rechtsanwalt dazu, Handakten zu führen. Über das führung umzustellen, um Medienbrüche zu vermei- beA versandte und empfangene Nachrichten müs- den. Die beA-Webanwendung eröffnet zudem die sen schon deshalb zur jeweiligen Akte genommen Möglichkeit, in einer ZIP-Datei den gesamten Inhalt werden. Zum anderen ist das beA nicht als Archiv- einer Nachricht zu exportieren. Diese liefert später system konzipiert und daher kein dauerhafter Spei- zu jedem Zeitpunkt einen Nachweis über Absender, cherort für Nachrichten und deren Anlagen. Denn Empfänger, Zeitpunkt des Versands und des Zugangs überstrapazierte Serverstrukturen und ein rasantes sowie Inhalt der Nachricht. Anwachsen des Datenvolumens würden auch einen erheblichen Anstieg der Kosten für alle Nutzerinnen Achtung bei noch nicht und Nutzer mit sich bringen. aktivierten Postfächern! Was wird wann gelöscht? Anwältinnen und Anwälte, die eine Erstregistrierung bisher noch nicht vorgenommen haben, sollten die Nachrichten, die am 1.4.2019 älter sind als 90 Tage, Aktivierung der Löschfunktion zum Anlass nehmen, werden an diesem Tag automatisch in den Papier- dies unverzüglich nachzuholen und Ihrer passiven korb verschoben und 30 Tage später, also am Nutzungspflicht (§ 31a VI BRAO) nachzukommen. 1.5.2019, endgültig gelöscht. Nachrichten, die sich Denn vom automatischen Löschen sind auch zum Zeitpunkt des 1.4.2019 bereits seit mindestens Nachrichten betroffen, die ungelesen in noch nicht 31 Tagen im Papierkorb befunden haben, werden aktivierten beA-Postfächern liegen. Ein selektives an diesem Tag unwiederbringlich gelöscht. Bevor Zurückholen von Nachrichten ist nicht möglich. Ge- eine Nachricht endgültig gelöscht wird, werden löschte Nachrichten bleiben dauerhaft verloren. Da- die Nutzerinnen und Nutzer darüber per E-Mail her nutzen Sie den Schwung des noch jungen Jahres informiert. Falls noch nicht geschehen, sollte daher und beginnen Sie mit dem digitalen Frühjahrsputz! be A – DAs besonDere elek tronische AnwAltspostfAch
Per beA ans Gericht Aktuelle Rechtsprechung zum elektronischen Rechtsverkehr Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin noch sind Anwältinnen und Anwälte nur zur „passi- eingehalten werden, sieht die Rechtsprechung eine ven“ nutzung des elektronischen rechtsverkehrs ver- Hinweispflicht des Gerichts (vgl. etwa BSG, BRAK- pflichtet, müssen also nachrichten in ihren beA-post- Mitt. 2018, 266 mit Anm. Siegmund; BAG, BRAK-Mitt. fächern zur kenntnis nehmen (vgl. § 31a Vi brAo). bis 2018, 266 Ls.). die aktive nutzungspflicht eintritt (zum 1.1.2022; kann aber von den ländern auf den 1.1.2020 oder 2021 Wann ein Schriftsatz ohne qualifizierte elektronische vorgezogen werden), ist Zeit, sich an den rechtlichen Signatur (qeS) des Anwalts formwirksam einge- rahmen dafür zu gewöhnen – und die rechtsprechung reicht werden kann, regelt § 130a III Alt. 2 ZPO: Der konturiert diesen nach und nach. Anwalt muss den Schriftsatz selbst aus seinem beA versenden. Versendet jemand anderes den Schrift- Schriftsätze per E-Mail satz, so bedarf er einer qeS des verantwortenden Anwalts (§ 130a III Alt. 1 ZPO). Es genügt also nicht, unzulässig einen Schriftsatz selbst einfach zu signieren und ihn Die zentrale Vorschrift zum elektronischen Einrei- dann z.B. durch einen Anwaltskollegen versenden chen von Schriftsätzen ist § 130a ZPO (bzw. die zu lassen. Es ist also Personenidentität von einfach Parallelregelungen in den übrigen Prozessordnun- Signierendem und Versender nötig, das hat das ArbG gen: § 46c ArbGG, § 65a SGG, § 55a VwGO und Lübeck in einem jüngst veröffentlichten Beschluss § 52a FGO). Sie enthält eine Verweisung auf die (v. 10.10.2018 – 6 Ca 2050/18) klargestellt. Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV), in der Formalia wie etwa Dateiformate, -namen, Bundesverfassungsgericht der anzufügende Strukturdatensatz (§ 2 ERVV) und noch nicht dabei zulässige Übermittlungswege (§ 4 I ERVV) geregelt sind. Die Bekanntmachung zu § 5 ERVV regelt De- Anders als die ordentlichen Gerichte und die Fach- tails u.a. zu zulässigen Versionen der Dateiformate gerichte nimmt das BVerfG noch nicht am ERV teil. und zu Höchstgrenzen für Anzahl und Größe in einer § 23 I BVerfGG verlangt vielmehr, dass Anträge Nachricht zu versendender Dokumente. schriftlich einzureichen sind. Hieran ändert auch die ERVV nichts. Denn sie ist nach ihrem § 1 I nur über Dass man danach Schriftsätze nicht wirksam per eine Verweisungsnorm in der jeweiligen Prozessord- E-Mail einreichen kann, sollte inzwischen klar sein. nung anwendbar, nämlich über § 130a ZPO, § 46c Gleichwohl beschäftigt dies immer wieder Gerichte. ArbGG, § 65a SGG, § 55a VwGO und § 52a FGO. So hat etwa das VG Gera (Beschl. v. 12.9.2018 – 2 E Eine vergleichbare Regelung gibt es im BVerfGG 1480/18 Ge) klargestellt, dass eine Klageeinreichung bislang nicht. per E-Mail unzulässig sei; ebenso hat das BSG (Beschl. v. 4.7.2018 – B 8 SO 44/18 B) im Fall einer per E-Mail Dies hat das BVerfG jüngst in einem Nichtannahme- eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde entschieden. beschluss (v. 19.11.2018 – 1 BvR 2391/18) unter- Entsprechendes gilt übrigens auch für das verwal- strichen, in dem es eine per De-Mail eingereichte tungsrechtliche Widerspruchsverfahren. Auch ein Verfassungsbeschwerde für unzulässig hielt. Nichts Widerspruch kann nicht wirksam per E-Mail eingelegt anderes gilt damit auch für das werden, so entschied jüngst das VG Schleswig (Beschl. beA. Wie De-Mail ist es ein v. 10.1.2019 – 4 B 88/18); denn §§ 3a, 70 VwVfG „sicherer Übermittlungs- s sehen für die elektronische Einreichung bestimmte weg“ und kann nur dort Aktuelle Info a s b eA Wege vor. formwahrend genutzt rund um d werden, wo die FAQ Obacht bei Einreichung per beA! jeweilige Verfahrens- https://bea.b rak.de/ ordnung (z.B. § 130a ut zu ng -des-bea/ faq-zur -n Wer per beA einen Schriftsatz bei Gericht einreicht, ZPO) dies vorsieht. ter umschifft zwar die eben angesprochene Zulässigkeits- Es ist aber nur eine beA -Newslet .b k.de/ ra hürde, muss aber dennoch die weiteren Vorgaben der Frage der Zeit, bis auch https://w w w ter ERVV einhalten, damit die eingereichten Dokumente das BVerfG am elekt- bea-new et sl „für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet“ sind ronischen Rechtsverkehr (§ 130a II ZPO). Sollten einzelne dieser Vorgaben nicht teilnimmt. be A – DAs besonDere elek tronische AnwAltspostfAch
Die Abenteuer der LAWASIA auf den Malediven Rechtsanwältin Swetlana Schaworonkowa, BRAK, Berlin Ein Thema beherrschte die 31. LAWASIA-Jahresta- nale Organisationen ein, sich von der angeblich gung im November 2018 in Siem Reap (Kambod- sicheren Lage vor Ort zu überzeugen und mit offi- scha): die Erkundungsmission einer Delegation von ziellen Vertretern zu sprechen. Wir folgten der Ein- Vertretern der Anwaltschaft auf die Malediven. Zu- ladung. Als wir im üblichen Einreiseformular als nächst scheinbar gescheitert, nahm die Mission eine Grund unserer Reise verschiedene Treffen anga- überraschende Wende. LAWASIA-Präsident Christo- ben, wurden wir in ein separates Zimmer geführt pher Leong nahm an der Mission teil und berichtet. und befragt. Uns wurde daraufhin die Einreise ver- weigert und wir wurden von Sicherheitsbeamten in Herr Leong, was ist LAWASIA? eine Haftanstalt gebracht. Am nächsten Morgen LAWASIA ist die einflussreichste internationale An- setzte man uns in eine Maschine zurück nach Sri waltsorganisation in der Region Asien-Pazifik. Sie Lanka. Sofort verfassten wir Pressemitteilungen besteht aus regionalen Anwaltsvertretungen und und nutzten alle uns verfügbaren Kanäle bis hin Individualmitgliedern der einzelnen Länder. Wir set- zum maledivischen Botschafter und dem General- zen uns für den Schutz der Rechtspflege, die Unab- konsul in Australien – leider erfolglos. Die Exper- hängigkeit von Justiz und Anwaltschaft, aber auch ten und Vertreter der Regierungsorganisationen für die Förderung der Rechtsstaatlichkeit ein. konnten wir somit nur ins Ausland zu Gesprächen bitten. Die Ergebnisse der Untersuchungskommis- Was untersuchten Sie auf den Malediven? sion wurden auf der LAWASIA-Konferenz im No- Der ehemalige Generalstaatsanwalt der Male- vember 2018 präsentiert. diven hatte im Herbst 2017 von der Situation vor Ort berichtet: 56 Anwälte hatten in einer Petition Was waren die Ergebnisse? an den Obersten Gerichtshof Zweifel an der Un- Der Bericht des ehemaligen Generalstaatsan- abhängigkeit der Gerichtsbarkeit geäußert und walts wurde bestätigt. Die Regierungsbehörden auch die bedenkliche Situation der Anwälte ange- hatten die Rechtsanwaltskammer aus dem Re- sprochen, etwa Berufsverbote oder den Entzug von gister gelöscht. Anwälte wurden unter Druck ge- Anwaltslizenzen ohne die obligatorische Anhörung. setzt. Unabhängige Organe der Rechtspflege und Die 56 Anwälte seien verhaftet und die Rechtsan- Staatsanwaltschaft waren gegenüber den Gerich- waltskammer aus dem Register gelöscht worden. ten nicht gleichgestellt. Politische Einflussnahme bei der Besetzung von Ämtern sowie bei der Straf- verfolgung war Alltag. Christopher Leong ist Rechtsanwalt am Obersten Doch dann gab es eine Überraschung… Gerichtshof in Malaysia und Die Präsidentschaftswahlen im September 2018 amtierender Präsident der gewann der Kandidat der Opposition mit über- LAWASIA wältigender Mehrheit. Eine der Expertinnen, mit der wir in Colombo gesprochen hatten, wurde Mitglied des Ausschusses für den Regierungsüber- gang. Sie teilteuns zu unserer Überraschung mit, dass die neue Regierung bei den anstehenden Jus- Der LAWASIA-Council setzte noch 2017 eine un- tizreformen gern mit LAWASIA zusammenarbei- abhängige Untersuchungskommission ein, die sich ten und eine neue, unabhängige Rechtsanwalts bei Vertretern der staatlichen Organisationen, Ex- organisation gründen will. perten und Betroffenen ein genaues Bild über die Situation der Anwaltschaft verschaffen sollte. Wir Was bedeutet das für die internationale sollten im Februar 2018 auf die Malediven fliegen. Gemeinschaft? Sie sollte weiterhin ihre Stimme denen geben, Was lief schief? die außerstande sind, selbst zu sprechen. Denn Anfang Februar 2018 rief die maledivische Regie- diejenigen, die für Rechtsstaat und Bürgerrechte rung den Ausnahmezustand aus. Hohe Beamte kämpfen, tun dies oft in einer von Unterdrückung wurden verhaftet. Die Regierung lud internatio- geprägten Umgebung. br ak Maga zin 01/2019 12
HorroRtrip mit Nachwirkungen Cum-Ex und die Rolle der Rechtsberater Karin Matussek, Legal Affairs Correspondent for Germany, Bloomberg News, Berlin Eigentlich sollte der Spuk ja längst aus und vorbei sein, doch der Geist, den die Finanzindustrie einst beschwor, will nicht mehr in die Flasche zurück. Das Gespenst, um das es hier geht, nennt man Cum-Ex, ein „steuergetriebenes“ Produkt, einst sehr populär. Eigentlich machte ihm der Gesetz- geber 2012 den Garaus. Doch seither führt es ein Leben nach dem Exitus, den Untoten hollywood- Foto: Gina Sanders/fotolia.com scher Manier gleich, die gern frühere Gefährten heimsuchen. Cum-Ex ist in der Tat ein Grusel-Thema. Die Leiche wird inzwischen ausgiebig von der Justiz obduziert. Diverse Staatsanwaltschaften gehen den Verästelungen unzähliger Transaktionen in allen Einzelheiten nach und blicken auf das Werk von Hexenmeistern des Finanzkapitalismus. Mit selbstgebrauten Zutaten – Aktienleihen, Leerver- dellen bescheinigten, sie seien rechtskonform, käufen, Termingeschäften usw. – zauberten sie hätten die allermeisten Transaktionen kaum statt- scheinbar herbei, was nur Alchemisten zugetraut gefunden. Man brauchte willige Rechtsberater. wird: Gold aus dem Nichts. Bei Cum-Ex hieß das: Aber gäbe es wirklich etwas zu bemerken, Man bekam vom Finanzamt ein Sümmchen, das wenn ein Anwalt in einer umstrittenen Rechtsfra- exakt der Kapitalertragssteuer auf Dividenden ge eine Auslegung für vorzugswürdig erklärt? entsprach – und zwar nur, weil man Aktien kurz Ja, im Fall von Cum-Ex gäbe es das – mal vor der Dividendenausschüttung kaufte und rucki- unterstellt, der gemeinsame Senat der obersten zucki zurückverkaufte (und nicht etwa, weil man Gerichtshöfe des Bundes werde die Deals irgend- selbst die Steuer auch bezahlt hätte). wann für rechtmäßig erklären. Denn es ging um Aber bekanntlich ist noch jede magische Geld- eine Praxis, die aufs Ganze gesehen dazu führte, vermehrung als das durchschaut worden, was sie dass mehr Geld pro ausschüttendem Unterneh- ist: ein Trick auf Kosten anderer. Steuer- und Straf- men erstattet wurde als vorher an den Staat floss. verfolgungsbehörden halten die höheren Künste Ein Trick auf Kosten anderer bleibt einer, auch der Aktienrotation inzwischen für einen verdammt wenn das jeweils geltende Recht ihn ermöglicht. faulen Zauber, der mindestens illegal, mutmaßlich Nicht alles, was theoretisch ginge, muss man aber kriminell war. machen – auch dann nicht, wenn ein kläglich agie- Ob sie damit richtig liegen, ist umstritten, render Gesetzgeber geradezu dazu einlädt. Selbst und mancher in der Branche hofft auf Erlösung dann lohnt es sich zu fragen, wie universalisierbar vom Dämon der Cum-Ex-Ermittlungen durch ein die eigene Handlungsmaxime ist. obergerichtliches Machtwort. Das zeigt auf den Es soll Anwaltskanzleien gegeben haben, die Kern dieses Geschäfts: Es war die Wette auf eine es ablehnten, zu Cum-Ex zu beraten, ungefähr aus bestimmte Interpretation des deutschen Steuer- solchen Motiven. Andere, so wird eine Aussage rechts. vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Daher verdankt der Fiskus den schätzungswei- Bundestags zitiert, haben das Problem gesehen, se 10 Milliarden Euro hohen Steuerschaden nicht es aber „hingenommen“, dass eine Rendite auf allein Aktienakrobaten in Londoner Investment- Kosten der Steuerzahler erwirtschaftet wurde. banken. Wohl keines der so zahlreich beteiligten Nicht immer ist man erst hinterher schlau- Finanzhäuser wäre eingestiegen, hätte sich nicht er. Übernatürliche Kräfte jedenfalls waren nicht jemand gefunden, der erklärte: Ihr könnt das ma- vonnöten, um sich den Verlockungen solcher chen. Ohne anwaltliche Gutachten, die den Mo- Schauergestalt(ung)en zu verschließen. br ak Maga zin 01/2019 13
What is law? Baby don`t hurt me! Ein Kabarett-Abend mit Dr. Dominik Herzog Rechtsanwältin Stephanie Beyrich, BRAK, Berlin „Jetzt bist Du da, beA. Du bist unser größter Star. ich ein Lied für Dich, von 99 Klageschriften….“. Wir wollen nie wieder analog kommuniziern“, so Offensichtlich hat er sich viele Mandate erträllert. der Refrain des beA-Songs, den Dr. Dominik Her- Herzog ist überaus erfolgreich auf dem Gebiet zog unter dem Pseudonym RCHTSNWLT auf You- des Medienrechts tätig. tube veröffentlicht hat – und der mir mehr als ein Neben musikalischer Unterhaltung gewährt Schmunzeln abgerungen hat. Wir Rechtsanwälte Herzog auch Einblicke in seinen anwaltlichen Er- haben ja so gar keinen Sinn für Humor, so ein gän- fahrungsschatz. Ich schreibe fleißig mit, man lernt giges Vorurteil. Richtig! Oder nicht? schließlich nie aus. Dinge die ein Anwalt nie sagt: „Mein Examen habe ich gerade so geschafft, aber Mandate erträllert für Ihren Fall reicht es“. Ich mache mir eine No- Wo könnte man dieser Frage besser auf den Grund tiz mit Ausrufezeichen. Ich sollte unbedingt auf- gehen als bei einem Kabarett-Abend? Ein Besuch hören, das zu sagen. „Fristen sind Anwalts Freud von Herzogs Abendprogramm „Wer hat Recht?“ und Leid“, so Herzog weiter. „Freud, weil man ein drängte sich da geradezu auf. Beim Betreten des Ziel hat, auf das man hinarbeiten kann. Leid, weil Veranstaltungsraums sprang mir zunächst ein Fristen einfach immer scheiße sind“. Ich nicke zu- großes Paragrafenzeichen ins Auge. Aha, hier bin stimmend. „Von 23 bis 1 Uhr lese ich ja immer ich richtig. Was das Klavier auf der Bühne zu su- BGH-Urteile“. Ach Du Schande! Ich nicht! Da ich chen hat, zeigte sich schnell. In bester Helene Fi- aufzuholen habe, vermerke ich „Urteile lesen“ von scher-Manier pflanzt Herzog mir einen grausigen 23 bis 2 Uhr täglich in meinem Kalender. Ohrwurm ein: „Arbeitslos durch die Nacht, schau was Jura mit mir macht“. Dem Publikum gefällt es. Verpetzt Und mir auch. Herzog geht auch auf Vorurteile gegenüber der Fotos: Stephanie Beyrich Anwaltschaft ein: „Ich habe gegoogelt: Anwalt + sympathisch… Google sucht immer noch“. Ist das wahr? Sind wir alle unsympathisch? Na, vermut- lich ein bisschen. Montags und generell morgens vielleicht. Und abends. Vor Gericht sowieso. Ver- mutlich auch bei Regenwetter. Ansonsten sind wir Anwälte aber eher putzig, finde ich. Ich fühle mich bestens unterhalten – bis ich Her- zog fragen höre: „Kennen Sie eigentlich das beA, das besondere elektronische Anwaltspostfach? Das ‚besonders‘ steht für ‚besonders lange gedau- ert‘. Das hat es nämlich, bis es endlich da war. Wir haben heute einen besonderen Gast unter uns; ich verrate nicht, wo sie sitzt. Es freut mich aber ganz besonders, dass heute eine Vertreterin der BRAK anwesend ist, die viel davon abfedern musste, was dann so kam, als das beA erstmal nicht kam.“ Ich schlucke und werfe mich unter den Tisch, um meine Schnürsenkel zu binden. Verflixt: Ich tra- Herzog berichtet von seinem Einstieg in die ge Stiefel mit Reißverschluss. Auch keine Serviette Juristerei. Er habe schon immer Jura studieren, in Sicht, die dringend aufgehoben werden müss- aber nie Staatsanwalt werden wollen. Vor allem te. Ich überlege kurz, ob ich es unter den Tischen nie Staatsanwältin. In der Fußgängerzone habe er, hindurch ungesehen bis zum Ausgang schaffe, einen Hut vor sich, um die ersten Mandate gesun- entscheide mich dann aber doch fürs Bleiben. Der gen: „Hast Du ein Mandat für mich, dann singe Abend war bislang einfach zu lustig. Vorsichtig br ak Maga zin 01/2019 14
tauche ich wieder auf. Keiner wirft etwas nach mir. Puh! Herzog spricht weiter über das beA. Recht freundlich obendrein. Die Stimmung im Pu- blikum ist gut. Nebenan ist ein ganzer Tisch durch eine Großkanzlei besetzt. Auch dort positive und ausgelassene Stimmung, als Herzog seinen beA- Song zum Besten gibt. Bestens amüsiert, hinsichtlich meiner Ausgangs- frage aber noch nicht restlos zufrieden gestellt, ver- abredete ich mich am nächsten Tag mit Herzog. Was hat er nur immer mit dem Fax? Das war meine drängendste Frage. Das Fax sei sein Lieblingsgimmick im Büro, so Herzog. Wenn er digital mit Mandanten kommuniziere, dann ausschließlich über das Darknet. Ich muss lachen. man bei Nichterfüllung dann den Gerichtsvollzie- Weshalb er dann über das beA singe, wenn doch her? Urteile selbst sind natürlich in der Regel nicht das Fax so großartig sei? Das beA sei klasse, keine witzig gemeint. Sie sind allenfalls manchmal un- Frage. „Es spart Zeit und Papier und man kann su- freiwillig komisch.“ perschnell und direkt mit den Gerichten kommuni- Den Anwaltsberuf nimmt Herzog übrigens zieren. Die wiederum drucken dann alles aus und sehr ernst. Auf seinem YouTube Channel findet kopieren es ein paar Mal.“ Das beA laufe jetzt bei sich keineswegs nur Klamauk, sondern witzig Ver- allen in der Kanzlei. „Ich kriege über das beA vor packtes für den Nachwuchs. „Ich drehe viele Mo- allem nette Post zum beA-Song.“ tivationsvideos für Studenten. Mich hat damals Eine Lieblingsbeschäftigung von Herzog kann selbst genervt, dass es die übermächtigen Groß- das beA aber nicht ersetzen: Kostenfestsetzungs- kanzleien gibt, die einem höllischen Druck machen beschlüsse mit dem Filzstift entwerten. Herzog und sagen, unterhalb einer gewissen Note hat lächelt verträumt. Ich als etwas älteres Semester man eh keine Chance. Aber man kann mit Jura ergänze nostalgisch: Gerichtskostenmarken kau- einfach alles machen. Man kann zum Beispiel ja fen und aufkleben! Insgesamt bringt der digitale auch zur BRAK gehen oder Kabarett machen. Das Fortschritt viel Positives mit sich, da sind wir uns haben viele Studenten gar nicht auf dem Schirm. einig. Aber auch Herzog hat eine Frage an mich: Man könnte auch sagen: Vier Punkte heißt das „Gibt es eine statistische Erhebung dazu, wer nicht Spiel, alles drüber ist zu viel“. Eine großartige Idee, sein Geburtsdatum als PIN für das beA genom- finde ich. Motivation und Ermutigung kommen in men hat?“ Natürlich nicht. Ich tippe auf maximal der Prä-Examens-Panik gerade recht. 50 Prozent. Der Hochzeitstag dient sicher seltener als PIN. Kann sich ja kaum einer merken. Mechanisch subsumiert Was ich sonst noch aus dem Gespräch mit- Der Weg zum Kabarett nehme? Die härteste Staatsanwaltschaft der Welt Mich interessiert, wie Herzog zum Kabarett kam. sitzt in Ingolstadt. Wer Näheres erfahren will, soll- „Ich wollte eigentlich immer schon Theater spie- te das Programm besuchen. Echte Insider-Stories len. Mit sechs oder sieben Jahren hatte ich eine aus Herzogs Referendarzeit! erste Rolle im Stadttheater Nördlingen. Dann Und einen Wunsch nehme ich mit: Eine Ver- kam die Musik dazu, Klavier und Geige.“ Die ers- handlung! Mit Herzog auf der Gegenseite und te Show habe er auf eigene Faust durchgezogen einem Richter, der den von Herzog verfolgten An- und vor allem Songs parodiert. Sein Mentor habe spruch für mindestens zweifelhaft hält. Holt Her- ihn darauf gebracht, Musik und Jura zu verbinden. zog dann ein kleines elektronisches Piano aus der Herzog scheint die richtige Entscheidung getrof- Aktentasche? Und singt er – frei nach Grönemeyer fen zu haben. Das gestrige Publikum war jeden- – „Du subsumierst mechanisch, völlig steril, eiskal- falls begeistert, mich eingeschlossen. te Hand, mir graut vor Dir! Oh, Herr Vorsitzender, „Ist Jura per se witzig oder kann man es nur gib mir meine Klage zurück! Du brauchst meine deshalb so leicht auf die Schippe neben, weil es Liebe nicht, gib mir meinen Schriftsatz zurück, be- so völlig unwitzig ist?“, will ich von Herzog wissen. vor er auseinanderbricht!“ „Wenn man sich den juristischen Unterbau eines Abschließend diskutieren wir, ob Herzog mit Urteils wegdenkt, sind viele Ergebnisse ziemlich seinem Kabarett einen Tatbestand erfüllt, der den ulkig. Der BGH hat beispielsweise 1966 geurteilt, Widerruf der Zulassung rechtfertigen würde. Wir dass Ehegatten zur gegenseitigen Zuneigung ver- subsumierten – nur mäßig mechanisch – und ka- pflichtet sind. Das ist auf jeden Fall skurril: Holt men zu dem Ergebnis: Nö! br ak Maga zin 01/2019 15
Durchblick bei Löschfristen Rechtsanwälte Stephan Kopp, München, und Dr. Hans Klees, Freiburg BRAK-Ausschuss Datenschutzrecht Foto: freshidea/fotolia.com In der Natur der anwaltlichen Berufsausübung dem die Geschäftsbeziehung endet, in den übri- liegt es, dass sich im Laufe der Zeit zahlreiche gen Fällen mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in persönliche Daten ansammeln. Die dadurch im- dem die jeweilige Angabe festgestellt worden ist. mer voller werdenden Aktenschränke und Kel- Große Bedeutung gewonnen haben bei der lerräume, aber auch die Notwendigkeit immer anwaltlichen Tätigkeit die datenschutzrechtlichen größerer Speicherkapazitäten bei der EDV und Vorschriften. Im Zusammenhang mit den Lösch- nicht zuletzt die durch verschiedene Gesetze fristen ist das Recht auf Löschung, das so genann- vorgeschriebenen Fristen zur Aufbewahrung und te „Recht auf Vergessenwerden“ nach Art. 17 DS- Speicherung dieser Daten erfordern eine beson- GVO zu nennen. dere Aufmerksamkeit für die Frage, wie lange die Nach Art. 17 I lit. a DSGVO haben betroffene Daten aufbewahrt werden dürfen bzw. sogar ge- Personen grundsätzlich den Anspruch auf unver- löscht werden müssen. zügliche Löschung ihrer personenbezogenen Da- ten, wenn diese nicht mehr für die ursprüngliche Mandatsakten Zweckerfüllung oder zur Wahrung der berechtig- Für die Mandatsakten sieht das anwaltliche Be- ten Interessen des Anwalts benötigt werden (vgl. rufsrecht in Hinblick auf die Aufbewahrung in hierzu auch Art. 17 III lit. b DSGVO und die Befug- § 50 BRAO (Handakten des Rechtsanwalts) und nis zur Verarbeitung nach Art. 6 S. 1 lit. b, c und in § 17 BORA (Zurückbehaltung von Handakten) f DSGVO). eigene Vorschriften vor. Umgekehrt ist der Anwalt nach Art. 17 III lit. e Als Handakte, egal ob in Papierform oder digi- DSGVO nicht verpflichtet, die Daten zu löschen, tal (vgl. § 50 IV BRAO), gehören alle Dokumente, wenn die weitere Verarbeitung der personenbe- die der Anwalt aus Anlass seiner Tätigkeit in ei- zogenen Daten zur Geltendmachung, Ausübung nem bestimmten Mandat erhält, unabhängig da- oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des von, wer sie gefertigt hat und wie sie in den Besitz Anwalts oder seines Mandanten erforderlich ist. des Anwalts gelangt sind. Hiervon sind vor allem die gerichtliche Geltend- Nach § 50 BRAO sind Handakten für die Dau- machung von Honorarforderungen oder die Ver- er von sechs Jahren aufzubewahren. Diese Frist teidigung gegen Schadensersatzansprüche zu beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der nennen. Auftrag beendet wurde. Abgekürzt werden kann Für die Löschfrist ist in diesem Zusammenhang diese Frist, wenn der Mandant die Dokumente he- die jeweilige Verjährungsfrist gem. § 195 i.V.m. rausverlangt oder der Rechtsanwalt den Mandan- § 199 BGB von Bedeutung, wonach die regelmä- ten auffordert, die Dokumente in Empfang zu neh- ßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres men, und dieser der Aufforderung nicht binnen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und sechs Monaten nach Zugang der Aufforderung der Gläubiger von den den Anspruch begründen- nachkommt. den Umständen und der Person des Schuldners Neben den Regelungen in § 50 BRAO sind Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit auch die in anderen Vorschriften getroffenen Re- erlangen müsste. Ohne Rücksicht auf diese Kennt- gelungen zu beachten. Als steuerlich relevante nis oder grob fahrlässige Unkenntnis verjähren Unterlagen sind der Kostenteil ebenso wie die Schadenersatzansprüche in zehn Jahren von ih- Buchungsbelege gem. § 147 III 1 AO zehn Jahre rer Entstehung an und ohne Rücksicht auf ihre aufzubewahren. Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrläs- Nach § 8 GwG sind die nach dem Geldwä- sige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung schegesetz aufzubewahrenden Aufzeichnungen der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem und sonstigen Belege fünf Jahre aufzubewahren sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an und danach unverzüglich zu vernichten. Die Auf- (§ 199 I, III BGB). Diese Verjährungsregelung kann bewahrungsfrist im Fall des § 10 III 1 Nr. 1 GwG zur Berechtigung führen, die Handakten jedenfalls beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in bis zum Ablauf der Zehn-Jahres-Frist, in einzelnen br ak Maga zin 01/2019 16
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