Modellvorhaben Problemimmobilien - Kommunale Strategien zum Umgang mit stark vernachlässigten Wohngebäuden - MHKBG NRW
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Modellvorhaben Problemimmobilien Kommunale Strategien zum Umgang mit stark vernachlässigten Wohngebäuden Zwischenfazit: September 2019
INHALT VORWORT ......................................................................................... 5 1. DAS MODELLVORHABEN IM ÜBERBLICK ..................................... 6 1.1 ANLASS UND TEILNEHMENDE MODELLKOMMUNEN 1.2 FÖRDERTATBESTÄNDE UND FÖRDERRAHMEN 1.3 PROZESSFORTSCHRITT IN DEN MODELLKOMMUNEN BIS MAI 2019 2. PROBLEMLAGEN .............................................................................14 2.1 PROBLEMIMMOBILIEN IN DEN MODELLSTÄDTEN DES MODELLVORHABENS 2.2 BEWIRTSCHAFTUNGSLOGIKEN DER EIGENTÜMER VON PROBLEMIMMOBILIEN IN DEN MODELLSTÄDTEN DES MODELLVORHABENS 2.3 SCHLUSSFOLGERUNGEN: WELCHE KUMULIERENDEN PROBLEMLAGEN SIND ZU LÖSEN? 3. SYSTEMATISCHE VORGEHENSWEISE BEIM UMGANG MIT PROBLEMIMMOBILIEN .................................................................. 20 3.1 STUFE 1: ÄMTERÜBERGREIFENDE ORGANISATIONSSTRUKTUR SCHAFFEN ............................22 3.2 STUFE 2: PROBLEMIMMOBILIEN ERKENNEN UND ERFASSEN ................................................... 26 3.3 STUFE 3: PROBLEMIMMOBILIEN AUSWERTEN UND EINORDNEN ............................................. 30 3.4 STUFE 4: EIGENTÜMERSITUATION UND INTERVENTIONSMÖGLICHKEITEN KLÄREN ........... 38 3.5 STUFE 5A: EIGENTÜMER ANSPRECHEN, FÖRDERN UND/ODER FORDERN ............................. 45 3.6 STUFE 5B: EIGENTÜMERWECHSEL FORCIEREN, NACHNUTZUNGSPERSPEKTIVE KLÄREN . 53 3.7 STUFE 6: NACHNUTZUNGSPERSPEKTIVE KLÄREN UND UMSETZEN ...................................... 60 4. SCHLUSSFOLGERUNGEN ............................................................ 68 IMPRESSUM ................................................................................. 74
5 VORWORT In allen Städten und Gemeinden finden wir Gebäude, die aufgrund ihres baulichen Zustands, einer zurück- gehenden Wohnungsnachfrage am jeweiligen Standort, besonders nachteiligen Standortbelastungen wie Lärm oder gewerblichen Immissionen und auch im Hinblick auf eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung problematische Entwicklungen genommen haben. Diese Gebäude können aufgrund ihres Zustandes oder ihrer Bewirtschaftung die Lebensqualität und das Image des gesamten örtlichen Umfelds beeinträchtigen. In besonders schwerwiegenden Fällen geht von diesen Gebäuden sogar eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Um die Städte und Gemeinden auf der Suche nach Lösungen und der Umsetzung von Handlungsstrategien und Gemeinden mit vergleichbaren Aufgaben wollen zu unterstützen, hat das nordrhein-westfälische Bau- wir in ihrer praktischen Arbeit unterstützen. Damit die ministerium ein Modellprojekt für Problemimmobilien gewonnenen Erkenntnisse möglichst einfach genutzt in Stadterneuerungsgebieten aufgelegt. In Abstimmung werden können, verzichten wir hier auf vertiefte Ausfüh- mit dem Bundesbauministerium wurde die Innovations- rungen zu Rechtsinstrumenten, und konzentrieren uns klausel der Städtebauförderung genutzt, um unter den elf hier zunächst auf systematische, erfolgreiche kommu- teilnehmenden Kommunen den Erfahrungsaustausch zur nale Handlungsstrategien. Weitergehende Informationen Anwendung ordnungsrechtlicher Instrumente sowie effi- zu den einzelnen Rechtsinstrumenten folgen in einem zienter Kooperationsstrukturen zu intensivieren. Darüber separaten Leitfaden. Die Erfahrungen aus unserem hinaus wurden für den Erwerb solcher Immobilien und die Modellvorhaben bieten praktische Hinweise zur Problem- Beseitigung der damit verbundenen Missstände Finanz- bewältigung. Alle Akteure in den Städten und Gemeinden mittel zur Verfügung gestellt. möchte ich ermuntern, aus diesen Hinweisen Konse- quenzen für das eigene Verwaltungshandeln abzuleiten. Im Rahmen des Modellprojekts wurde eine systematische Zusammen mit einer konsequenten Anwendung aller Vorgehensweise für den Umgang mit Problemimmobilien rechtlichen Möglichkeiten können so sichtbare Erfolge erarbeitet, die auch für andere Städte wegweisend sein im Umgang mit problematischen Immobilien erreicht kann. Dazu gehören zum Beispiel Erkenntnisse, wie Prob- werden. lemimmobilien typischerweise entstehen, und Empfehlun- gen zur ämterübergreifenden Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung. Die ersten mit dem Modellvorhaben erreichten Verände- rungen sind ermutigend. Mehrere der beteiligten Kommu- nen setzen inzwischen bislang selten angewandte Instru- mente des Baugesetzbuches wie das Vorkaufsrecht oder das Modernisierungs- und Instandhaltungsgebot erfolg- reich ein. 50 Problemimmobilien wurden bislang durch die Städte erworben und bereits in 25 Fällen konnten Eigentümer zum Handeln – das heißt zu einer Sanierung Ina Scharrenbach oder zu einem Verkauf – bewegt werden. Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen Das Interesse an den Erfahrungen des Modellvorhabens ist groß, sodass wir schon jetzt, vor Ende der Laufzeit im Jahr 2022, ein erstes Zwischenfazit veröffentlichen. Vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Städten
6 1. DAS MODELLVORHABEN IM ÜBERBLICK 1.1 Anlass und teilnehmende Modellkommunen Problemimmobilien finden sich grundsätzlich in allen Re- Stadterneuerungsgebiete – insbesondere die Programm- gionen, Städten und Gemeinden. Sie finden sich sowohl in gebiete der Sozialen Stadt und des Stadtumbaus – sind schrumpfenden als auch in prosperierenden Räumen. Sie u.a. gekennzeichnet durch eine in die Jahre gekommene sind also nicht ausschließlich Nebenerscheinung von de- Bausubstanz, häufig einfache Wohnstandards und ein mografischen und ökonomischen Umbrüchen. Allerdings Wohnumfeld, das oft nicht mehr zeitgemäße Funktio- sind Problemimmobilien wesentlich häufiger in Räumen nalitäten und Qualitäten bietet. Sie stellen eine Wohn- im wirtschaftlichen Strukturwandel anzutreffen, in denen lage dar, in der die Mieten niedrig und viele Wohnungen wegen geringerer Nachfrage und Kaufkraft mögliche Er- verfügbar sind. Bevölkerungsgruppen, die über wenig haltungsinvestitionen nur mit geringer Rendite verbunden Einkommen verfügen oder von Benachteiligung bei der sind. Solche Immobilien sind überproportional in Stadt- Wohnungssuche bedroht sind, wohnen hier überpro- erneuerungsgebieten vorhanden, da dort städtebauliche portional. Auch die innereuropäische Zuwanderung aus Missstände und Funktionsverluste bestehen, die mithilfe Südosteuropa richtet sich in diese Viertel. von integrierten Erneuerungs- und Umbauansätzen be- seitigt werden sollen. Abb. 2: Räumliche Lage der acht 2017 (schwarz) und drei 2018 (türkis) aufgenommenen Modellkommunen im Modellvorhaben
7 Abb. 3: Problemimmobilie in Düren Diese Situation nutzen Vermieter dazu, Wohnräume mit ■■ dicht bebaute Wohnquartiere „aufgelockert“ und geringen Ausstattungsstandard, zum Teil auch mit un- gesunden Wohnverhältnissen, zu vermieten und teilweise ■■ den Negativimages entgegen getreten werden. auch Wohnungen überzubelegen. Investitionen in die Bausubstanz finden in der Regel nicht statt. Diese Ver- Die Modellkommunen profitieren durch die Bereitstellung mietungspraxis kann binnen kurzer Zeit zum Herunter- von Städtebauförderungsmitteln und eine Flexibilisierung wirtschaften ganzer Häuser führen mit entsprechend der Fördervoraussetzungen (Gebietsbezug). Gleichzeitig negativen Auswirkungen auf das städtebauliche, woh- ist das Modellvorhaben als Netzwerk zum Erfahrungs- nungswirtschaftliche und soziale Gefüge ganzer Straßen- austausch konzipiert, von dessen Erkenntnisgewinnen züge und Quartiere. die beteiligten Kommunen profitieren. Die Erkenntnisse im Netzwerk, das wissenschaftlich begleitet wird, werden Vor diesem Hintergrund hat das Ministerium für Heimat, systematisch ausgewertet, um u.a. Empfehlungen im Hin- Kommunales, Bau und Gleichstellung (MHKBG) Anfang blick auf geeignete Organisations- und Arbeitsstrukturen 2017 das „Modellvorhaben Problemimmobilien“ ins Leben sowie zum Einsatz von Rechtsinstrumenten geben zu gerufen. Acht nordrhein-westfälische Städte (Dortmund, können. Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne und Wuppertal) werden in diesem Rahmen fünf Jahre lang dabei unterstützt, systematisch den Erscheinungsformen Definition Problemimmobilie von problematischen Immobilien zu begegnen. Anfang Eine Problemimmobilie ist eine nicht angemessen 2018 wurden Ahlen, Düren und Krefeld aufgenommen. genutzte und/oder bauliche Missstände (Verwahr- losung) aufweisende Liegenschaft, die negative Ziel des Modellvorhabens ist gemäß § 136 BauGB die Ausstrahlungseffekte auf ihr Umfeld verursachen Behebung städtebaulicher Missstände, zu denen u.a. un- kann und die gesunde Wohnverhältnissen zählen. Es sollen: ■■ eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ■■ „Schandflecken“ beseitigt, Ordnung darstellt oder ■■ problematische und ungesunde Mietverhältnisse auf- ■■ den geltenden Vorschriften zu Umgang, Nutzung gelöst, und Bewirtschaftung nicht entspricht oder ■■ Multiproblemlagen mit negativer Ausstrahlung ■■ städtebaulichen Entwicklungszielen bzw. woh- entgegengewirkt, nungspolitischen Zielsetzungen entgegensteht. ■■ brach gefallene Flächen für neue Nutzungen Die Definition wurde vom Forschungsvorhaben „Leitfaden hergerichtet, zum Umgang mit Problemimmobilien - Herausforderungen und Lösungen im Quartierskontext“ des BBSR entnommen
8 Das Modellvorhaben im Überblick 1.2 Förderrahmen und Fördertatbestände Grundlage der Förderung im Modellvorhaben ist der Leit- Folgende Fördergegenstände sind Bestandteil des Modell- faden zur Ausgestaltung des Städtebauförderungspro- vorhabens: gramms Stadtumbau West vom 21./22.04.2005 i. V. m. Nr. 21.2. Förderrichtlinien Stadterneuerung NRW 2008. ■■ Erwerb, Die im Rahmen des Modellvorhabens geförderten Projek- ■■ Entmietung / Umzug von Bewohnern, te müssen folgende Voraussetzungen erfüllen: ■■ Kosten für Beauftragte, ■■ E s muss sich um eine Problemimmobilie handeln: Eine Problemimmobilie ist eine Immobilie, die durch die ■■ erforderliche Sicherungsmaßnahmen an Nachbarge- Art ihrer Bewirtschaftung ungesunde Wohnverhältnisse bäuden, begründet oder verfestigt, weil sie den geltenden recht- lichen Vorschriften zum Umgang, zur Nutzung und zur ■■ Abriss, Bewirtschaftung nicht entspricht oder die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. ■■ einfache Herrichtung des Grundstücks („Pocketpark“), ■■ Die Problemimmobilie muss im Kontext pro- ■■ Wiederherstellung der Modernisierungsfähigkeit. blematischer Bewirtschaftung stehen: Die Problemimmobilie wirkt sich im Kontext einseitiger ■■ Mitte 2018 wurde der Fördergegenstand Sicherung Entwicklungen der Bewohnerstruktur, die mit besonde- von sanierungsfähigen Problemimmobilien (Dach- und ren Herausforderungen für die Kommune verbunden Fachsanierung) im Modellvorhaben ergänzt. Diese sind, baulich und sozial problematisch auf ein Förder- Ergänzung erfolgte vor dem Hintergrund der Ziele und gebiet der Städtebauförderung aus. Bedarfe im Modellvorhaben: Einerseits handelt es sich bei dem Modellvorhaben nicht um ein „generelles Ab- ■■ Die Kommune hat einen strategischen Um- rissprogramm“ zur Bereinigung von strukturellen Über- gang mit Problemimmobilien gefunden: hängen am lokalen Wohnungsmarkt. Andererseits sind Die Kommune hat Informationen zu Problemimmobi- viele der Problemimmobilien gründerzeitlich geprägt lien erhoben und notwendige Verwaltungsstrukturen und erhaltenswert. geschaffen bzw. vorbereitet. Weiterhin hat sie mehrere Problemimmobilien identifiziert, die in einem Modellvor- haben angegangen werden können. ■■ Die Problemimmobilie muss in einem oder im Einflussbereich eines Förder- gebiets der Städtebauförderung liegen: Die Problemimmobilie befindet sich in einem Förderge- biet der Städtebauförderung oder wirkt sich negativ auf ein unmittelbar benachbartes Fördergebiet der Städte- bauförderung aus.
9 Das Modellvorhaben im Überblick 1.3 Prozessfortschritt in den Modellkommunen bis Juli 2019 Im Modellvorhaben konnten zwischen Anfang 2017 und ■■ Für den Gesamtzeitraum des Modellvorhabens stellen Juni 2019 erhebliche Prozessfortschritte erzielt werden. das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Diese Prozessfortschritte betreffen Erkenntnisgewinne Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen im Netzwerk der beteiligten Modellkommunen sowie den (MHKBG) und das Bundeministerium des Innern, Erwerb von Problemimmobilien in den Modellkommunen für Bau und Heimat (BMI) insgesamt elf Kommunen mit Beseitigung von städtebaulichen Missständen. Fördermittel zur Verfügung, mit denen die elf Kommu- nen den Ankauf von 155 Gebäuden geplant haben. Die Zwischenbilanz: bereits 50 Erfahrungen der ersten beiden Jahre im Modellvor- Problemimmobilien erworben haben zeigen, dass der Erwerb der Immobilien auch bei systematischer Vorgehensweise und intensiven Die Zwischenbilanz im Modellvorhaben weist auf den Verhandlungen schwer planbar ist und von Kommunen hohen Handlungsdruck in den beteiligten Kommunen und Fördermittelgebern eine hohe Flexibilität erfordert. hin. Folgende Zahlen belegen die Prozessfortschritte (vgl. Diese Flexibilität umfasst auch den Austausch von auch Tabelle): potenziellen Förderobjekten. Acht Kommunen wurden 2017 durch Zuwendungsbe- ■■ Die kommunalen Erfahrungen belegen, dass der erfolg- scheid im Modellvorhaben aufgenommen. Sieben dieser reiche Ankauf häufig auch ein Ergebnis von nur kurzfris- Kommunen konnten zwischenzeitlich ein bis 20 Gebäude tig auftretenden Gelegenheiten ist, die dann ein zügiges erwerben, insgesamt 50 Problemimmobilien. Die drei Handeln der Kommune notwendig machen. Vor diesem 2018 neu aufgenommenen Modellkommunen haben noch Hintergrund stehen die meisten Modellkommunen keine Immobilien kaufen können. parallel mit mehreren Eigentümern in Verhandlungen, um die Chance auf Erwerb zu erhöhen. Die Modell- kommunen verhandelten Mitte 2019 mit Eigentü- mern von insgesamt 47 Problemimmobilien. Abb. 4: AG Problemimmobilien auf Besuch in Dortmund
10 Prozessfortschritte im Netzwerk: vom Er- ■■ Der erfolgreiche Umgang mit Problemimmobilien hängt nicht unbedingt vom Erwerb durch die Kommune ab, fahrungsaustausch zur Ermutigung manchmal gelingt es auch, den Eigentümer zur Inves- tition zu bewegen oder einen Eigentümerübergang an Aktiv am Modellvorhaben mitwirkende Vertreter der einen Dritten mit Investitionsbereitschaft zu initiieren. Modellkommunen treffen sich sechsmal im Jahr zum Eine systematische Übersicht über diese Begleit- Erfahrungsaustausch in der „Arbeitsgruppe Problem- effekte im gesamten Modellvorhaben gibt es nicht. immobilien“. Die Kommunen entscheiden selbst über die Die Kommunen Hagen, Hamm, Herne und Wuppertal Zusammensetzung ihrer Vertreter in der Arbeitsgruppe. berichten aber über insgesamt neun Fälle der Bereini- In der Regel sind Mitarbeiter aus den Bereichen Stadt- gung einer Problemimmobilie durch private Investition. planung, Stadtentwicklung oder Stadterneuerung für die Steuerung des Modellvorhabens verantwortlich und in der AG vertreten. Je nach inhaltlicher Schwerpunktsetzung des jeweiligen AG-Treffens werden sie von Kollegen aus den Bereichen Bauordnung, Wohnungsaufsicht, aus der Kämmerei, vom Rechtsamt oder aus der Liegenschafts- verwaltung begleitet. Der Besuch der AG-Sitzungen ist außerordentlich rege und umfasst in der Regel zwischen 35 und über 50 Teilnehmer. Ankauf mit Immobilien Immobilienerwerb in Stadt Start Fördermitteln erworben Verhandlung geplant Ahlen 2018 4 - ja, 1 Dortmund 2017 8 3 ja, 8 Duisburg 2017 15 11 ja, 4 Düren 2018 12 - ja Essen 2017 15 1 ja, 20 Gelsenkirchen 2017 25 20 ja, 5 Hamm 2017 21 8 ja, 4 Hagen 2017 21 6 ja, 1 Herne 2017 10 1 ja, 2 Krefeld 2018 12 - ja Wuppertal 2017 12 - ja gesamt 155 50 Abb. 5: Umsetzungsstand der kommunalen Modellvorhaben Problemimmobilien im Juni 2019
11 Die AG-Sitzungen werden in enger Abstimmung mit dem Bei den Treffen folgten in der Regel auf allgemeine Einfüh- Referat Stadtumbau des MHKBG von Mitarbeitern des rungen zum Schwerpunktthema Erfahrungsberichte aus Beratungsunternehmens FORUM Huebner, Karsten & einzelnen Kommunen. Dieser Erfahrungsaustausch be- Partner konzipiert, moderiert und nachbereitet. Die AG währt sich als fruchtbar. An einer zweitägigen Fachexkur- gibt sich über mindestens ein halbes Jahr ein inhaltliches sion per Bus im April 2018 zu insgesamt fünf Standorten Programm. So wurden in den Sitzungen zwischen Sep- in Niedersachsen und Bremen mit anregenden Ansätzen tember 2017 und Mai 2019 folgende wichtige Themen- in der Bewältigung von Problemimmobilien nahmen über stellungen im Kontext von Problemimmobilien vertieft 30 Mitglieder des Netzwerks teil. Diese Exkursion inten- diskutiert: sivierte den Informationsaustausch unter den Modell- kommunen ebenso wie Vor-Ort-Besuche des Netzwerks ■■ Zwangsversteigerungen, in Dortmund, Gelsenkirchen, Duisburg und Düren im September und Dezember 2018 sowie März und Mai 2019. ■■ Vorkaufsrecht und Rückbaugebot, In der Folge dieses Austauschs und gemeinsamen Er- ■■ Wohnungsaufsichtsgesetz und Bauordnung, kenntnisgewinns ist aus dem „Lern“-Netzwerk ein „Er- mutigungs“-Netzwerk entstanden: Die Modellkommunen ■■ Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot, ermutigen sich gegenseitig zu „experimentellen“ Vor- gehensweisen und erproben beispielsweise den Einsatz ■■ Mobilität und Motivlagen innereuropäischer Zuwande- formeller Verfahren, die die jeweiligen Kommunen vorher rung, nie oder selten eingesetzt haben. Beispiele dafür sind: ■■ Wohnraumförderung, ■■ Die Stadt Essen hat 2018 ein Enteignungsverfahren nach § 85 BauGB eingeleitet. ■■ Sanierungsrecht, Zusammenarbeit mit Sanierungsträ- gern und Wohnungsunternehmen, ■■ Die Stadt Dortmund hat 2018 ein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot nach § 175 BauGB erlassen. ■■ flankierende soziale und kulturelle Maßnahmen sowie ■■ Task Force und Objektprüfungen. Abb. 6: AG Problemimmobilien bei einer Busreise nach Emden
12 ■■ Die Stadt Herne hat im November 2018 eine Vorkaufs- Diese Erfahrungen haben die Modellkommunen gesam- rechtsatzung nach § 25 für ausgewählte Problemimmo- melt und in gegenseitiger Beratung Handlungsansätze bilien beschlossen. entwickelt, bei denen sie vielfältige „fordernde“ Rechtsinst- rumente einsetzen. Das Rechtsinstrumentarium reicht von ■■ Die Städte Ahlen, Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen der Wohnungsaufsicht über das Bauordnungsrecht, das haben zum Zweck des Erwerbs einer Problemimmobilie Städtebaurecht bis zum Polizei-, Gesundheits- und ein Vorkaufsrecht angewandt auf der Basis von § 24 Umweltrecht. Die entwickelten Verfahrensansätze werden BauGB (in Verbindung mit § 142 BauGB). im Kapitel 3 näher erläutert. Integriertes Verwaltungshandeln ist Voraus- Eigentümerwechsel initiieren setzung für einen erfolgreichen Umgang mit Problemimmobilien Die Mitarbeiter der Modellkommunen machen die Er- fahrung, dass die erfolgreiche Bewältigung von Problem- Die Auswirkungen von Problemimmobilien betreffen immobilien eine aktive Rolle der Kommune erfordert. vielfältige Aspekte des Verwaltungshandelns. Neben der Die Beobachtung und Begleitung der Eigentümer reicht Wohnungsaufsicht, der Bauordnung und der Stadtpla- nicht aus, vielmehr gilt es für jede Problemimmobilie eine nung gibt es häufig Handlungsbedarf bei Polizei, Ord- Strategie zu entwickeln, die Optionen des Ankaufs genau- nungsamt, Gesundheitsamt, Jugendamt, Sozialamt, Zoll, so umfasst wie Visionen zur Nachnutzung. In vielen Fällen Finanzamt, Entsorgungsbetrieb sowie Energie- und Was- sind Fortschritte ohne Eigentümerwechsel nicht möglich. serversorgung. Die komplexe Problemlage lässt sich in Weil das Modellvorhaben hier ansetzt und die Kommunen der Regel nur durch koordiniertes, ämterübergreifendes auch bei der Initiierung des Eigentümerwechsels unter- Handeln erfolgreich bewältigen. Zu dieser Schlussfolge- stützt, können Quartiersentwicklungsprozesse neuen rung sind alle beteiligten Kommunen gelangt und haben Schub erhalten. daher ämterübergreifende Koordinierungsstrukturen (häufig als Task Force Problemimmobilien bezeichnet) Großes Interesse anderer betroffener Kom- geschaffen. Eine wichtige Grundlage für das ämterüber- munen an den Ergebnissen greifende Handeln stellt ein fortschreibungsfähiger In- formationspool dar, in dem die relevanten Informationen Das auf fünf Jahre angelegte Modellvorhaben hat die aller Ämter zu Problemimmobilien dokumentiert werden. Mitte der Laufzeit erreicht. Trotzdem hat sich unter von Problemimmobilien betroffenen Kommunen in Nord- Eigentümer fördern und von Eigentümern rhein-Westfalen herumgesprochen, dass schon heute fordern für die kommunale Praxis unmittelbar nutzbare Erkennt- nisse im Netzwerk gewonnen werden konnten. Zahlrei- Seit den 1990er Jahren hat sich in der städtebaulichen che Anfragen im MHKBG, bei Modellkommunen sowie Sanierung schleichend ein Paradigmenwechsel zu beson- bei der Begleitforschung belegen das große Interesse ders kooperativen Formen vollzogen. Ein Ausdruck dieses an der Erfahrungsauswertung. Dies ist der Grund dafür, Paradigmenwechsels war u.a. 2004 die Einführung des dass dieses Zwischenfazit mit vielen Anregungen für die Stadtumbaus im BauGB (§ 171 a-d), dessen Instrumen- kommunale Praxis in dieser Form schon zur Halbzeit des tarium in besonderer Weise auf städtebauliche Verträge Modellvorhabens vorgelegt wird. im Sinne des § 11 BauBG beim Umgang mit beteiligten Eigentümern setzt. Die Erfahrungen zeigen, dass dieses Instrumentarium bei kooperationswilligen Eigentümern außerordentlich wirksam ist. Bei den meist kooperations- unwilligen Eigentümern von Problemimmobilien versagen auf Kooperation ausgerichtete Verfahren.
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14 2. PROBLEMLAGEN 2.1 Problemimmobilien in den Modellstädten des Modellvorhabens Problemimmobilien treten in den Modellstädten vermehrt Im Grundsatz treten Problemimmobilien in unterschied- in deren Stadterneuerungsgebieten auf. Es handelt sich lichen städtebaulichen Strukturen und Baualterstypen nicht um ein völlig neues Phänomen. Bereits die Stadter- von Gebäuden auf. Einen wesentlichen Einfluss haben neuerungsprozesse der 1980er und 90er Jahre begegne- die Bewirtschaftungsstrategien der Eigentümer und die ten städtebaulichen Missständen wie fehlender Nachfra- Wohnungsmarktsituation. Wenn aufgrund von Struk- ge, Leerstände, Überhänge am Wohnungsmarkt oder auch turkrisen langjährig ein Nachfragemangel oder zumin- „Schrottimmobilien“ etc. Im Ergebnis konnten diese Quar- dest ein geringes Mietniveau vorliegt, ist in der Regel tiere vielfach stabilisiert werden, ohne Unternutzungen ein Sanierungsstau bei vielen Gebäuden festzustellen. oder Leerstände aber gänzlich zu bewältigen. Inzwischen Dieser Sanierungsstau verleitet Eigentümer dazu, die hat sich die Marktlage für leerstehende oder untergenutz- Gebäude mit geringer Sorgfalt zu bewirtschaften und nur te Immobilien in diesen Quartieren verändert. Seit einigen die Vermeidung von Leerstand anzustreben, ohne eine Jahren ist hier die gezielte Nachfrage nach derlei Immobi- angemessene Bestandssicherung oder Aufwertung zu lien zur Vermietung an Personengruppen mit schwierigem verfolgen. Seit wenigen Jahren bemühen sich private Zugang zum Wohnungsmarkt zu beobachten. Personen, Investoren um den Erwerb vernachlässigter Ge- die im Zuge der innereuropäischen Zuwanderung bäude, die auf hohen Profit durch Vermietung von aus Südosteuropa ab 2014 insbesondere in Wohnungen mit Substandard, teilweise auch in das Ruhrgebiet gekommen ungesunden Wohnverhältnissen abzielen . sind, haben einen großen Anteil an die- ser Gruppe. Abb. 7: Prob- lemimmobilie der 1960er Jahre in Hamm während des Abrisses
15 Wenn dieses Phänomen auch auf unterschiedliche Bau- Die Wohnanlage in der Heessener Straße in Hamm ist ein strukturen zutrifft, so sind doch die Gründerzeitviertel mittlerweile von der kommunalen Stadtentwicklungs- der Modellstädte in besonderer Weise betroffen. Hier gesellschaft erworbenes und anschließend abgerissenes verbinden sich vernachlässigte Altbausubstanz, ein Beispiel aus den 1960er Jahren. In Düren sind es Bestän- nachfragegeschwächter Wohnungsmarkt und häufig de aus den 1950er Jahren. unprofessionell agierende private Einzeleigentümer zu einer Negativspirale, an deren Ende eine hohe Anzahl von Auch die Größe der Problemimmobilien variiert. In der Problemimmobilien steht. Die überwiegende Mehrheit Mehrheit sind es mehrstöckige Gründerzeithäuser mit dieser Immobilien sind Gründerzeitgebäude in Blockrand- 300 bis 500 qm Wohn- und Nutzfläche, in wenigen Fällen bebauung oder Nachkriegsersatzbauten in dieser städte- handelt es sich um kleine Reihen- oder Einzelhäuser oder baulichen Kulisse. um große Wohnanlagen. Es gibt aber auch Wohnanlagen aus den 1950er bis 1970er Jahren, die sich aufgrund der Bewirtschaftung durch die Eigentümer zu Problemimmobilien entwickelt haben. Abb. 8: Problemimmobilie aus der Gründerzeit in Gelsenkirchen
16 Problemlagen 2.2 Bewirtschaftungslogiken der Eigentümer von Problemimmobilien in den Modellstädten des Modellvorhabens Problemimmobilien sind unter starker Beobachtung der gar Verbindlichkeiten sie sich mit eingekauft haben. Diese Bewohnerschaft und auch der Presse. Vielfach wird ins- Eigentümer werden dann vom „unwissenden Erwerber“ besondere in Presseartikeln, Fernseh- und Rundfunkbei- schnell zum „überforderten Eigentümer“. trägen der Eindruck vermittelt, dass die Bewirtschaftung von bewohnten Problemimmobilien von deren Eigentü- Die „Überforderten“: mern am Rande oder auch jenseits der Legalität erfolgt. Die Berichte der Verantwortlichen in den Modellkommu- Ein Teil der Eigentümer von Problemimmobilien ist finan- nen bestätigen, dass es diese Bewirtschaftungsformen ziell nur begrenzt in der Lage, die qualitätsvolle Bewirt- gibt, beschreiben aber zusätzlich auch weitere Motive von schaftung eines Mehrfamilienhauses zu sichern. In man- Eigentümern. Eine belastbare Abschätzung, wie groß der chen Fällen liegen auch Erbfälle vor, bei denen die Erben Anteil der Eigentümer ist, die durch Ausbeutung und In- oder Erbengemeinschaften mit den Anforderungen eines kaufnahme ungesunder Wohnverhältnisse einen maxima- Immobilienmanagements überfordert sind. Liegt die Im- len Ertrag erwirtschaften und dabei ggf. noch zusätzlich mobilie in einem nachfrageschwachen Raum, erhöht das Sozialbetrug begehen, ist nicht möglich. die Bereitschaft der Eigentümer, jeden Mieter zu akzep- tieren. Wenn dann eine Mieterschaft gefunden wurde, die Folgende Eigentümertypen mit dazugehörigen Bewirt- nachlässig mit dem häufig schon sanierungsbedürftigen schaftungsformen ihrer Immobilien können aktuell identi- Gebäude umgeht, sehen sich überforderte Eigentümer fiziert werden: außerstande, die darauf folgenden Problemlagen zu lösen. So kann aus einer Immobilie mit Sanierungsstau schritt- Die „Unwissenden“: weise eine Problemimmobilie werden. Nicht wenige Problemimmobilien, die in einem Stadter- Die „Profiteure“: neuerungsgebiet liegen oder Einfluss auf ein Stadterneue- rungsgebiet haben, gehören Eigentümern, die nicht am In den Modellkommunen konnten auch Gebäudebesitzer Ort wohnen. Sie sind Eigentümer, weil sie geerbt oder ggf. identifiziert werden, die sich u.a. durch die häufig in der auch aus steuerlichen Gründen ein Gebäude erworben Presse veröffentlichte Vermietungspraxis einer Überbe- haben, nicht selten ohne jede persönliche Inaugenschein- legung von Wohnungen, Mietbarzahlungen etc. angeregt nahme des Objekts. Sie halten den Aufwand für die Be- fühlten, diese Chance der sicheren und überdurchschnitt- wirtschaftung gering und übergeben die Verwaltung des lichen Mieteinnahmen zu nutzen. Die Gelegenheitsnutzer Gebäudes an einen Verwalter, den sie womöglich eben- handeln im Rahmen der Gesetze bzw. am Rande der falls nie gesehen haben. Investitionen in das Gebäude sind Legalität, sind beim Einsatz von Rechtsinstrumenten wie über Jahrzehnte nur in geringem Maße erfolgt. Ange- z.B. Anordnungsverfügungen nach Wohnungsaufsichts- botene Wohnungen besitzen damit Sub-Standard und gesetz aber durchaus verhandlungsbereit. können nur an Bevölkerungsgruppen vermietet werden, die ansonsten auf dem Mietwohnungsmarkt schlechte Die „Skrupellosen“: Chancen haben. Die beauftragte Verwaltung vermietet dann an Bevölkerungsgruppen mit eingeschränktem Zu- Als skrupellos können Bewirtschaftungsstrategien be- gang zum Wohnungsmarkt, kümmert sich ggf. wenig und zeichnet werden, bei denen ggfs. auch durch Rechtsbruch so gerät die Immobilie in eine Abwärtsspirale. Die Eigentü- ein maximaler Ertrag einer Immobilie generiert werden mer sind, weil sie nicht an Ort und Stelle sind, ahnungslos soll. In den Modellkommunen sind insbesondere drei Vor- über die Zustände ihres Hauses. Häufig erkennen sie das gehensweisen auffällig: Ausmaß des Problems erst, wenn ihnen eine Anordnung zugestellt wird. In manchen Fällen erwerben auch Ein- heimische vermeintliche „Schnäppchen“, z. B. im Rah- men von Zwangsversteigerungen, ohne jede Vorstellung davon, welche Investitionsrückstände, Restriktionen oder
17 ■■ E rsteigerung einer Immobilie und sofortige Überbele- gung: Zwangsversteigerungen von Immobilien erfreuen sich in den Stadterneuerungsgebieten der Modell- kommunen einer großen Nachfrage. Hintergrund ist u.a., dass es aktuell eine Anzahl von Investoren gibt, die zum Zweck der sofortigen Vermietung Immobilien in einer Zwangsversteigerung erwerben, die notwendige Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % des festgesetzten Verkehrswertes hinterlegen, unmittelbar anschließend die Wohnungen vermieten und durch monatliche Bar- zahlungen die Miete „eintreiben“. Nicht selten wird das Bargebot am so genannten Verteilungstermin gar nicht geleistet, d.h. der Erwerber nutzt die Immobilie und die Einnahmen so lange, bis das Bargebot fällig wird und verschwindet dann vorher. In manchen Fällen vermittelt der Erwerber Minijobs an Mieter, die eine Berechtigung u.a. für Kindergeldleistungen zur Folge haben, behält selbst einen Anteil des Kindergelds ein und begeht da- mit zusätzlich Sozialbetrug. Viele Problemimmobilien, die sich in diesem Verwertungszyklus befinden, ver- stoßen gegen Anforderungen der Landesbauordnung Abb. 9: Ausschnitt einer Problemimmobilie und / oder des Wohnungsaufsichtsgesetzes und sind mit entsprechenden Anordnungen zur Instandsetzung belegt oder gar für unbewohnbar erklärt. Diese Typenbildung von Eigentümern von Problemimmo- ■■ F reihändiger Erwerb einer Immobilie mit anschließen- bilien enthält Überzeichnungen. Diese Überzeichnungen der Bewirtschaftung bei Verstoß gegen Landesbau- dienen der Sensibilisierung für Bewirtschaftungsstra- ordnung und / oder das Wohnungsaufsichtsgesetz: tegien von Eigentümern von Problemimmobilien. Die Vergleichbar mit dem beschriebenen Verwertungsver- Typisierung kann helfen einzuschätzen, welche Anreiz- fahren nach Ersteigerung werden Problemimmobilien oder Zwangsinstrumente geeignet sein können, um einen auch nach freihändigem Erwerb bewirtschaftet. Unter Eigentümer zu Bestandsinvestitionen zu aktivieren oder Vernachlässigung von Rechtsvorschriften oder An- ihn zum Verkauf der Immobilie zu bewegen. Tendenziell ordnungen der Bauordnung und der Wohnungsaufsicht ist bei den „Unwissenden“ und „Profiteuren“ im Einzelfall werden Gebäude meist (über)belegt. Um Kündigungs- zu prüfen, ob eine Bereitschaft für eine Investition in das rechte zu umgehen, müssen die Nutzer bei Mietver- Gebäude unter gewissen Umständen vorliegt. Überfor- tragsabschluss häufig auch schon eine Kündigung derte Eigentümer bleiben überfordert und sollten dazu bestätigen, dabei wird Barzahlung der Miete vereinbart. bewegt werden, die Immobilie zu veräußern. Skrupello- sen Eigentümern gilt es das Handwerk zu legen und alle ■■ Kauf von Eigentumswohnungen in einer Wohnungs- Möglichkeiten, einen Eigentumswechsel herbeizuführen, eigentümergemeinschaft (WEG) mit anschließender zu ergreifen. Belegung mit problematischen Mietern. Bei zunehmen- der Vernachlässigung des Gebäudes erhöht sich die Bereitschaft von anderen Miteigentümern ebenfalls zu verkaufen. Auf diesem Wege können Gebäude in Wohnungseigentümergemeinschaften in relativ kurzer Zeit von Eigentümern mit problematischen Bewirt- schaftungsstrategien mit geringem Kapitaleinsatz übernommen werden.
18 Problemlagen 2.3 Schlussfolgerungen: Welche kumulierenden Problemlagen sind zu lösen? Vernachlässigte Immobilien in von Strukturwandel Zusätzlich entwickeln sich Brennpunkte mit sozialer betroffenen und benachteiligten Quartieren sind in Benachteiligung, kultureller Ausgrenzung und u.a. deutschen Städten keine neue Erscheinung. Inzwi- auch Müllproblemen, die die Quartiere in eine Ab- schen hat sich in ausgewählten Städten aber eine wärtsspirale drängen. Die zunehmende, von vernach- Nachfrage nach Wohnraum in vernachlässigten bzw. lässigten Gebäuden mit EU2-Mietern ausgehende Substandard-Gebäuden entwickelt, die es vorher in Problematik in den Modellkommunen lässt sich nur dieser Form nicht gab. Diese Nachfrage führt dazu, durch ämterübergreifendes Handeln lösen. Gerade dass ehemals leerstehende oder untergenutzte die enge ämterübergreifende Zusammenarbeit und Gebäude häufig von skrupellosen die Philosophie, gegenüber Eigentümern von Pro- Eigentümern intensiv, teilweise blemimmobilien nicht nur fördernd, sondern auch überbelegt werden. Infolge u.a. der fordernd aufzutreten, stellen besondere Heraus- Überbelegung kommt es zu forderungen für Großstadtverwaltungen dar. Verstößen gegen Regelun- Ein Teil der Modellkommunen zeigt, dass es gen z.B. des Wohnungs- sich lohnt, mit hohem Aufwand Organi- aufsichtsgesetzes sationsstrukturen und Handlungs- oder der Landes- perspektiven zu entwickeln, bauordnung. um Problemimmobilien zu reduzieren. Abb. 10: Pro- blemimmo- bilie in Dort- mund-Nord- stadt
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20 3. SYSTEMATISCHE VORGEHENSWEISE BEIM UMGANG MIT PROBLEMIMMOBILIEN Der Umgang mit Problemimmobilien im Kontext der Zu- Stufe 1 Ämterübergreifende Organisationsstrukturen wanderung aus Südosteuropa stellt eine große Heraus- schaffen: forderung für die im Modellvorhaben beteiligten Kom- munen dar. Eine besondere Herausforderung liegt darin, Am Anfang steht der Aufbau einer arbeitsfähigen Organi- dass zur Lösung von Problemlagen eine große Anzahl von sationsstruktur, mit der effizient Gefahrenabwehr voll- Ämtern und teilweise auch von städtischen Gesellschaf- zogen und städtebauliche Missstände behoben werden ten koordiniert handeln muss und dies teilweise unter können. Zeitdruck. Hinzu kommt, dass ein Teil der Eigentümer von Problemimmobilien Geschäftsmodelle entwickelt hatten, Stufe 2 Problemimmobilien erkennen und erfassen: die ihnen durch Übertreten gesetzlicher Regelungen eine hohe Rendite versprechen. Kommunen sind keine Ermitt- Zu Problemimmobilen müssen ämterübergreifend lungsbehörden und tun sich daher schwer, Strategien im Informationen gesammelt und dokumentiert werden. Umgang mit nicht gesetzeskonform agierenden Eigentü- Insofern gehört zum Start einer systematischen Vor- mern zu erarbeiten. gehensweise im Umgang mit Problemimmobilien eine Bestandsaufnahme der Problemimmobilien, die in einer Die zunehmende Komplexität der Aufgabenstellung hat fortschreibungsfähigen Datenbank abgelegt wird. bei den Modellkommunen dazu geführt, ihre Vorgehens- weise im Hinblick auf die Problemimmobilien weiter zu Stufe 3 Problemimmobilien auswerten und systematisieren. Die Stadt Dortmund hatte als erste der einordnen sowie Gefahrenabwehr organisie- Kommunen ein Vier-Stufen-Modell entwickelt. Die Aus- ren: wertungen über alle Modellkommunen legen nahe, dieses Modell auf sechs Stufen zu erweitern. Dieses Sechs-Stu- Angesichts der Menge der Problemimmobilien in den fen-Modell wird hier kurz im Überblick vorgestellt und Modellkommunen gilt es, den Informationspool zu den in den folgenden Berichtsteilen als Grundlage für die Immobilien nach Handlungsbedarf einzuordnen. Dabei Auswertung von Erfahrungen und Empfehlungen aus dem sind Gefahrenabwehr-Fälle sofort zu bearbeiten und von Modellvorhaben angewendet. Fällen städtebaulicher Missstände zu trennen. Abb. 11: AG Problemimmobilien beim Vor-Ort-Besuch
21 Stufe 4 Intervention für Problemimmobilien mit hoher Stufe 6 Nachnutzungsperspektive umsetzen: Priorität klären: Mit altem oder neuem Eigentümer: Um Quartiere zu Nach Bearbeitung der Gefahrenabwehr verbleibt bei den entlasten, gilt es zügig eine Nachnutzungsperspektive meisten Modellkommunen eine große Anzahl von umzusetzen. Bauplanungsrechtliche Aspekte sind dabei Problemimmobilien als städtebauliche Missstände. Diese ebenso wie der Einsatz potenzieller Förderprogramme zu gilt es nach Handlungsbedarf zu priorisieren und für die berücksichtigen. priorisierten Immobilien Interventionsoptionen zu prüfen. Problemimmobilien unterliegen einer ständigen Verände- Stufe 5a Eigentümer ansprechen, fördern und / oder rung. Die hohe Veränderungsrate ist Teil des Problems: fordern: Eigentümer wechseln, die Mieterschaft wechselt, Inter- ventionen zeigen Wirkung oder auch nicht. Im Hinblick Ein nicht unerheblicher Aufwand kann darin liegen, Eigen- auf gezielte Eingriffe und ihre Wirkungsüberprüfung tümer zu identifizieren, um erste sondierende Gespräche sind ein kontinuierliches Monitoring und gelegentliche zu führen. Im Rahmen dieser Gespräche stellt sich heraus, Evaluierungen von besonders hoher Bedeutung. In den ob Eigentümer für Anreize (fördern) oder für Sanktio- meisten Modellkommunen sind die Prozesse so angelegt, nen (fordern) empfänglich sind. In vielen Fällen kann die dass systematische Beobachtung als Routine vorgenom- Kommune Fortschritte erzielen, indem sie gleichzeitig men wird. So stellen z.B. Treffen von Task Forces vielfach fördernd und fordernd auftritt. Formen einer systematischen Auswertung dar, weil ein ämterübergreifender Austausch in Bezug auf alle priori- Stufe 5b Eigentümerwechsel forcieren: sierten Problemimmobilen stattfindet und dokumentiert wird. Die Eigentümer zahlreicher Problemimmobilien sind zu einer Veränderung ihrer Bewirtschaftungsstrategie nicht mobilisierbar. Sobald die Kommune dies erkennt, sollte sie das Ziel eines zügigen Eigentümerwechsels in den Blick nehmen. Optionen dabei sind, die Immobilie als Kommune selbst zu erwerben oder den Erwerb eines Drit- ten anzustreben, der die Stadterneuerungsziele mitträgt. Abb. 12: Stufenmodell der Vorgehensweise mit Problemimmobilien
22 Systematische Vorgehensweise 3.1 S tufe 1: Ämterübergreifende Organisationsstrukturen schaffen 3.1.1 Überblick ■■ Energie- und Wasserversorgung: Ist eine technisch intakte Energie- und Wasserversorgung gewährleistet? Mit Problemimmobilien sind vielfältige Aufgabenstellun- gen des kommunalen Verwaltungshandelns verbunden. ■■ Amt für Wohnen und Stadterneuerung: Gibt es Die für Stadtentwicklung oder Städtebau zuständigen Verstöße gegen das Wohnungsaufsichtsgesetz? Verwaltungseinheiten sind zwar mit integriertem Handeln Liegen städtebauliche Missstände vor, die einen Ein- vertraut, für die Bewältigung der Herausforderung durch satz städtebaulicher Instrumente erfordern? Können Problemimmobilien müssen aber in der Regel eigene Förderangebote helfen? Strukturen der Verwaltungszusammenarbeit aufgebaut werden. Häufig besteht die Notwendigkeit, auch Akteure ■■ Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle: Stehen nicht angemel- außerhalb der kommunalen Verwaltung zu integrieren. dete Fahrzeuge in der Nähe der Problemimmobilien? Die Organisationsstrukturen von Kommunen können ■■ Umweltamt: Wird auf dem Grundstück der Problemim- sich unterscheiden, ebenso die mit Problemimmobilien mobilie gegen das Abfallrecht verstoßen? zusammen hängenden Aufgabenstellungen. Eine wichtige Aufgabe der Kommunen ist es daher, die Aufgabenbe- ■■ Feuerwehr: Wird gegen Regelungen des Brandschutzes reiche zu identifizieren, die beim Umgang mit Problem- verstoßen? immobilien relevant und deshalb in eine Struktur der Zusammenarbeit zu integrieren sind. Folgende Aufgaben ■■ Stadtentwicklungsgesellschaft / städtische Wohnungs- und mit Problemimmobilien zusammen hängende Frage- baugesellschaft: Bestehen Chancen des (freihändigen) stellungen gilt es hinsichtlich der jeweiligen kommunalen Erwerbs der Problemimmobilie? Relevanz umzusetzen: ■■ Jugendamt: Ist bei Mietern der Problemimmobilie das ■■ Bürgerdienste: Wer ist in der Problemimmobilie ge- Kindeswohl gefährdet? meldet? Gibt es Scheinanmeldungen? Liegen auffällige KFZ-Anmeldungen vor? ■■ Schulaufsicht: Sorgen Eltern dafür, dass Kinder regel- mäßig die Schule besuchen? ■■ Rechtsamt: Gibt es übergeordnete Rechtsfragen im Kontext der Problemimmobilie? ■■ Sozialamt: Sind Kosten zur Unterbringung angemes- sen? Sind Ersatzwohnungen notwendig? ■■ Polizei: Liegen Meldungen über Ruhestörungen oder Straftatbestände der Mieterschaft oder des Eigentü- ■■ Quartiersmanagement: Gibt es Kontakte in die Mieter- mers vor? schaft oder Informationen zu Mietern? ■■ Finanzamt: Gibt es Hinweise auf Steuerhinterziehung? ■■ Gesundheitsamt: Wird auf dem Grundstück gegen Wird die Grundsteuer bezahlt? Gibt es andere Außen- Regelungen des Infektionsschutzes verstoßen? stände des Eigentümers gegenüber der Kommune (z.B. geleistete Ersatzvornahme)? ■■ Stadtplanungs- und Bauordnungsamt: Ist die gegen- wärtige Nutzung planerisch zulässig? Gehen von der ■■ Entsorgung: Sind Abfallgefäße in dem für die Belegung Problemimmobilie Gefahren aus, die den Eingriff der angemessenen Volumen vorhanden? Wird die Entsor- Bauordnung begründen? gungsgebühr regelmäßig entrichtet? Die Auswertung hinsichtlich der jeweiligen Relevanz der ■■ Job-Center: Gibt es Hinweise auf Leistungsmissbrauch Aufgabenstellung führt zu einer für die Kommune ange- durch die Mieterschaft? passten Organisationsstruktur. Die meisten Kommunen schaffen ein wöchentlich oder zweiwöchentlich tagendes ■■ Zoll: Liegen Verstöße gegen Bestimmungen des Gremium zur Abstimmung mit einem Kernteam von Mindestlohn-, des Arbeitnehmer-Entsende- oder des Mitarbeitern, die für Bewertungen und Entscheidungen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vor? regelmäßig erforderlich sind. Dieses Team wird vielerorts
23 „Task Force Problemimmobilien“ genannt und übernimmt Die Städte Essen, Gelsenkirchen, Hamm und Duisburg häufig auch die Koordination und Durchführung von bedienen sich daher Eigenbetrieben oder Unternehmen Objektprüfungen. Dieses Kernteam wird bedarfsweise in mehrheitlich städtischem Eigentum mit immobilien- ergänzt um die Fachleute, die bei spezifischen Fragestel- wirtschaftlicher Kompetenz. Die Einbindung von kom- lungen Unterstützung leisten können. munalnahen Immobilienunternehmen in den Erwerb von Problemimmobilien trägt u.a. zur Beschleunigung der Stadtentwicklungsgesellschaft oder kommu- Prozesse bei (vgl. Praxis-Kasten Gelsenkirchen). nales Wohnungsunternehmen als Plattform zum Erwerb von Problemimmobilien Viele Problemlagen im Zusammenhang mit Problemim- mobilien lassen sich nur durch einen Eigentümerwechsel beheben. Damit der gelingt, werden den Kommunen im Modellvorhaben Fördermittel zum Ankauf von Gebäuden zur Verfügung gestellt. Die Fachbereiche Stadtplanung oder Bauordnung haben in der Regel wenig Erfahrung mit dem Kauf von Gebäuden. Vielfach sind ihre Ent- scheidungsprozesse auch sehr aufwändig, was sie bei freihändigem Erwerb oder bei Zwangsversteigerungen einschränkt. Abb. 13: Akteure, die zur erfolgreichen Bewältigung von Problemimmobilien zusammenarbeiten müssen
24 3.1.2 Anregungen aus der Praxis Stadtentwicklungsgesellschaft Hamm im und personelle Überschneidungen. Beide Institutionen Zusammenspiel mit den Ämtern identifizieren und bewerten gemeinsam die Objekte, um die sich dann letztlich die SEG kümmert – darunter Was? Die Stadtentwicklungsgesellschaft Hamm GmbH auch die im Rahmen des Modellvorhabens geförderten (SEG) wurde 2015 als 100%ige Tochter der Stadt Hamm Objekte. gegründet. Sie ist personell und organisatorisch eng mit dem Stadtplanungsamt verwoben und versteht sich Aufgrund der besonderen Konstellation als 100%ige als ein Instrument der Stadtentwicklung in Hamm. Die Tochter kann die SEG für die Stadt Hamm die SEG nimmt bei der Organisation des Modellvorhabens in Bearbeitung der Maßnahmen im Modellprogramm in Hamm als steuerndes Organ eine Schlüsselrolle ein. enger Kooperation übernehmen. Auch hier ist die SEG ein Instrument der Stadtentwicklung. Die SEG benötigt Wer? Vorsitzender der SEG ist der Oberbürgermeister, zum Ankauf problematischer Immobilien z.B. keine der Haupt-und Finanzausschuss ist das Kontrollorgan. Ratsbeschlüsse (fünf Sitzungen pro Jahr) und kann daher Geschäftsführer und im Prinzip einzige Personalstelle der deutlich flexibler agieren und verhandeln. SEG ist ein Mitarbeiter aus dem Stadtplanungsamt der in Teilzeit die Geschäftsführungsaufgaben der SEG wahr- Besonderheiten / Anmerkungen: nimmt. Die Abstimmungs- und Entscheidungswege sind daher sehr kurz und flexibel. ■■ Die SEG fragt fallbezogen auch die Mitarbeit anderer Wie? Die SEG handelt als Instrument in der Ressorts und Einrichtungen stundenweise über einen Stadtentwicklung unter anderem mit Problemimmobilien. Dienstleistungsvertrag an. Dies erhöht die Effizienz und Die Projektgruppe Problemimmobilien, die ebenfalls die Akzeptanz ressortübergreifender Zusammenarbeit. beim Stadtplanungsamt (bei der Wohnraumförderung) angesiedelt ist, führt ein Kataster auffälliger Immobilien. ■■ Die Stadt Hamm steht unter der kommunalen Finanz- Mitglieder der Projektgruppe sind Vertreter aller Ressorts, aufsicht. Die SEG wurde auch deshalb gegründet, um die im weiteren Sinn bauliche Fragestellungen bearbeiten. dennoch handlungs- und entwicklungsfähig zu sein. Die Außerdem sind Teilnehmer der Stabstelle Soziale Planung finanzielle Ausstattung der SEG ist über eine Grund- vertreten. In dieser sind wiederum Vertreter aller im steuererhöhung erfolgt. Insgesamt werden der Ge- weitesten Sinne sozialer sellschaft aus kommunalen Haushaltsmitteln bis zum Belange organisiert. Der Jahe 2021 bis zu 35 Mio. Euro an Kapital zur Verfügung Austausch zwischen gestellt. Inzwischen finanziert allen Bereichen sich die SEG z.T. auch über funktioniert im rentierliche Wesentlichen über Grundstücks- die jeweiligen entwicklungen, Mitgliedschaften sie ist aber von der jährlichen Kapitalzu- führung der Stadt Hamm abhängig. Abb. 14: Rückbau einer Problemimmbilie in Hamm
25 Abb. 15: Gesellschafter der Stadterneuerungsgesellschaft in Gelsenkirchen Stadterneuerungsgesellschaft (SEG) erwirbt Wie? Die SEG versucht freihändig, durch Zwangsverstei- Problemimmobilien in Gelsenkrichen gerungen oder durch Vorkaufsrecht Problemimmobilien zu erwerben. Innerhalb von zwei Jahren konnte sie bereits Was? 2012 wurde das innenstadtnah gelegene Stadt- 20 Gebäude kaufen. Ein großer Vorteil der SEG ist, dass umbau-Gebiet „Bochumer Straße“ in die Städtebauförde- Entscheidungen zügig herbei geführt werden können. rung aufgenommen. Die Missstände mit hohem Leerstand Wenn ein Gebäudekauf wenig Zeit in Anspruch nehmen und baulichen Mängeln waren ausgeprägt. Die Eigentü- darf, gelingt es der Geschäftsführerin innerhalb von drei merschaft war von Einzeleigentümern dominiert und die Tagen, einen Umlaufbeschluss des Aufsichtsrats herbei- Stadt Gelsenkirchen setzte in ihrem Sanierungskonzept zuführen. u.a. auf (Zwischen-)Erwerb von Gebäuden. Um diesen im- mobilienwirtschaftlichen Ansatz in der Bochumer Straße, Besonderheiten / Anmerkungen: aber auch in weiteren Stadträumen der Stadt effizient umsetzen zu können, gründete Gelsenkirchen 2013 eine Stadterneuerungsgesellschaft. Ihre Aufgaben sind laut ■■ Die SEG finanziert sich durch Einlagen der Gesellschaf- Gesellschaftszweck Erwerb, Bewirtschaftung, Sanierung, ter, insbesondere durch die Beleihung von der Stadt Vermietung und Veräußerung von Grundstücken und eingebrachter Grundstücke. Bei Erwerb und Sanierung Gebäuden innerhalb von Sanierungs- und Entwicklungs- setzt die SEG Fördermittel der Städtebau- und Wohn- gebieten in Gelsenkirchen. raumförderung ein. Wer? Gesellschafter der SEG sind die Stadt mit 94,6 %, ■■ Die Kombination von SEG und städtebaulichem Sanie- weiterhin die Sparkasse und die städtische Wohnungs- rungsrecht bietet besonders große Chancen, sowohl baugesellschaft ggw. Für das operative Geschäft stehen Erwerb als auch Sanierung zügig voranzutreiben. eine Geschäftsführerin, eine Architektin und eine Assis- tenz zur Verfügung. Die SEG bedient sich für Projekt- entwicklung, Wertermittlung und Sanierungsgutachten Dritter als Beauftragte. Das Team der SEG arbeitet eng mit der Task Force Problemimmobilien, in deren Mittel- punkt die Gefahrenabwehr bei Problemimmobilien liegt, zusammen.
26 Systematische Vorgehensweise 3.2 Stufe 2: Problemimmobilien erkennen und erfassen 3.2.1 Überblick Grundlage für eine systematische Vorgehensweise bei der Bewältigung von Problemimmobilien ist die Bestands- aufnahme der Immobilien. Weil diese Bestandsaufnahme wiederum eine wichtige Basis der ämterübergreifenden Zusammenarbeit darstellt und einer intensiven Pflege be- darf, lohnt es sich, Ressourcen für das technische und or- ganisatorische Konzept der Dokumentation einzusetzen. Angesichts von in den Großstädten meist weit über 100 Problemimmobilien mit vielfältigen zu dokumentierenden Merkmalen haben sich viele Kommunen für die Anlage einer Datenbank entschieden, die mancherorts mit einem Geografischen Informationssystem verknüpft ist. Folgen- de Aspekte fließen in die Überlegungen zur Konzeption eines Erfassungssystems mit ein: ■■ Zugriff und Pflege durch ämterübergreifende Zusam- menarbeit: Die Datenbasis zu den Problemimmobilien ist dann eine große Hilfe, wenn Informationen verschiedener Ämter ständig aktuell eingepflegt werden. Beispiel: Wenn eine Objektprüfung vorgenommen wurde, gilt es, die Hinweise von z.B. Bauordnung, Jugendhilfe, Wohnungs- aufsicht, Feuerwehr und Entsorgung gebäudebezogen und zeitnah in einer Datenbank abzulegen. Nur so kann eine Task Force das weitere Vorgehen strategisch abstimmen. Ein Teil dieser Daten ist sensibel, deren Abb. 16: Problemimmobilie in der Dortmunder Nordstadt Speicherung unterliegt hohen Datenschutzanforderun- gen. Der Zugriff auf besonders sensible Daten kann mit beschränkten Zugriffsrechten geregelt werden. ■■ Verteilung des Pflegeaufwands auf verschiedene Schul- ■■ „Gefahr im Verzug“ und Monitoring: tern: Ein großer Teil der bewohnten Problemimmobilien Erfahrungen mit Datenbanken zeigen, dass deren Auf- steht unter Beobachtung. Hinweise von Bürgern oder bau häufig schon einen Kraftakt darstellt, eine beson- aus Politik und Verwaltung führen zu Objektprüfungen. dere Herausforderung aber im Aufwand für die Pflege Erfolg haben Objektprüfungen dann, wenn die damit liegt. Im Fall der Problemimmobilien sollte die Chance erworbenen Informationen und damit verbundenen der ämterübergreifenden Zusammenarbeit genutzt Anordnungen gut dokumentiert werden. Ein derartiges werden: Mitarbeiter einzelner Ämter erhalten den Auf- Monitoring unterstützt beim strategischen Handeln, das trag, „ihre“ Daten einzupflegen. So verteilt sich der Auf- sich häufig über einen relativ langen Zeitraum erstreckt. wand auf viele Schultern, wenn sichergestellt werden kann, dass alle Verantwortlichen ihnen zur Verfügung stehende Informationen zeitnah in die Datenbank ein- bringen.
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