"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...

 
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"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...
„Reduzierung freiheitsent­
ziehender MaSSnahmen (FEM)
in Einrichtungen der
Einglie­derungshilfe“

Abbildung der Inhalte eines
Qualifizierungsprojekts in
Rheinland-Pfalz
"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...
Impressum                                                                                       Inhalt
Herausgeber:
Ministerium für Soziales, Arbeit,                                                               1.	Einleitung – von der Konzeption über die Fachtage hin zur Broschüre .............................................. 8
Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz
Referat für Öffentlichkeitsarbeit                                                               2. Warum werden freiheitsent­ziehende Maßnahmen (eigentlich) angewandt? ................................. 10
Bauhofstraße 9
55116 Mainz                                                                                     3.	FEM – Definition, Formen und Folgen ...................................................................................................... 14
www.msagd.rlp.de
                                                                                                4.	Das Alternativengespräch – die richtigen Fragen sind der Schlüssel .................................................. 18
Gestaltung: Monika Kaemper – Kommunikationsdesign
Druck: Druckerei Adis GmbH                                                                      5. Qualitätskriterien in Hinblick auf die Vermeidung und Anwendung von FEM ................................. 24
Stand: Mai 2020
                                                                                                6.	Personzentriertes Denken und Handeln bei herausforderndem Verhalten ...................................... 26

                                                                                                7.	Ohne Führung geht es nicht: Auf dem Weg zu einer FEM-freien Einrichtung .................................. 30

                                                                                                8.	Hilfsmittel und technische Systeme ......................................................................................................... 34
Bildnachweise
                                                                                                9. Menschen mit geistiger Behinderung und dementiellen Veränderungen ......................................... 38
CareBasic Pflegeoverall von Suprima – www.suprima-gmbh.de
Pflegebody von Suprima – www.suprima-gmbh.de                                                    10.	PeDeS – Personzentrierte DeeskalationsStrategien in der Betreuung
Schutzhandschuh von Suprima – www.suprima-gmbh.de                                                   von Menschen mit geistiger Behinderung ............................................................................................... 42
Niedrigbett aldena von Mühle Müller Pflegebetten – www.muehle-mueller.de
Pivot-Rail von rehastage GmbH – www.rehastage.de                                                11.	Häufig gestellte juristische Fragen in Hinblick auf FEM ....................................................................... 46
FLM Sports Hoodie mit Protektoren von POLO Motorrad und Sportswear GmbH –
www.polo-motorrad.de                                                                            12. „PIA vor Ort“ – Personenzentriertes Handeln für Menschen mit geistiger Behinderung ............. 54
Full Protector Race Suit von Komperdell – www.komperdell.com
Starlight® Secure Evo, von ATO FORM GmbH – www.ato-form.com                                     13.	Das Bundesmodellprojekt „Ich will mich“................................................................................................ 60
GEFA Fallschutzsack von GEFA Hygiene-Systeme – www.gefatex.de
Safe Landing von Rölke Pharma GmbH – www.roelkepharma.de                                        14.	In uns hat sich etwas bewegt – freiheitssensible Behindertenarbeit in der GFB ............................. 66
Türwächter VarioMent Plus von Lehmann Electronic GmbH – www.aal-homecare.com
Keruve Ortungssystem von Keruve – www.keruve.de                                                 15.	Der Prozess der Entfixierung im Haus Soonwald – Haltung der
Optiseat, Optiscan von Daza Opticare GmbH – www.daza.nl                                             MitarbeiterInnen und Führungsverhalten sind zentral ......................................................................... 68
Safebed von Rölke Pharma GmbH – www.roelkepharma.de
Funk-Sensormatte Step-Control von Ludwig Bertram GmbH – www.russka.de                           Leitfragen für das Alternativgespräch .............................................................................................................. 74
Potac Kugeldecke, Protac SenSit, Protac MyBaSe, von PROTAC; Vertriebspartner in Deutschland –
www.san-kraft.de                                                                                Autorenverzeichnis .............................................................................................................................................. 76
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GruSSwort
    Liebe Leserinnen und Leser,                               gibt Denkanstöße, bisherige Handlungsweisen zu
                                                              durchbrechen. Zudem macht sie Mut, gemeinsam
    die Anwendung von freiheitsentziehenden                   mit dem Team der Einrichtung neue Wege zu
    Maßnahmen stellt für mich einen der denkbar               gehen, um freiheitsentziehende Maßnahmen zu
    schwersten Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte         reduzieren oder gar zu vermeiden. Hierzu infor­
    eines Menschen dar.                                       miert die Broschüre mit vielen guten Praxis­
                                                              beispielen und aktuellen Fachaufsätzen.
    Es ist ein schwieriges Thema, insbesondere für die
    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einrichtungen         Ich hoffe sehr, dass diese Information ein Gewinn
    der Eingliederungshilfe, die in den Wohnangeboten         für die Menschen ist, für die Sie täglich arbeiten,
    immer wieder mit Herausforderungen auf diesem             und zögern Sie bitte nicht, die Inhalte und Themen
    Gebiet konfrontiert sind. Für sie gibt es viele Fragen,   in Ihrer nächsten Teambesprechung zu diskutieren.
    angefangen von rechtlichen Voraus­setzungen bis
    hin zu Alternativen, die zum Teil unbeantwortet
    bleiben und im täglichen Dienstbetrieb nicht
    umfassend besprochen werden.                              Ihre

    Im Nachgang zu den Fachtagen, die als Schulungs-
    und Fortbildungsmodul aufgebaut waren, möchte
    ich daher den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
    in der Eingliederungshilfe diese Broschüre an die
    Hand geben.
                                                              Sabine Bätzing-Lichtenthäler
    Praxisnah vermittelt sie aktuelles Wissen über            Ministerin für Soziales, Arbeit,
    freiheitsentziehende Maßnahmen, informiert                Gesundheit und Demografie
    kompakt über die rechtlichen Grundlagen und               des Landes Rheinland-Pfalz

4                                                                                                                   5
"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...
Zum Projekt der Reduzierung von
freiheitsentziehenden MaSSnahmen
in Einrichtungen der Eingliede-
rungshilfe in Rheinland-Pfalz

Die Entstehung dieser Broschüre sowie die            	Evangelischen Hochschule in Freiburg              Praxiserfahrung ist es zu verdanken, dass sich die
ausgerichteten Fachtage zur Reduzierung               (Breisgau)                                        Fach- und Führungskräfte in knapp der Hälfte
freiheitsentziehender Maßnahmen sind Ausdruck                                                           aller Einrichtungen der Eingliederungshilfe in
einer großen Notwendigkeit sich einem                • Dieter Lang, Geschäftsführer der Diakonissen     Rheinland-Pfalz kompetent, dialogisch und
schwierigen aber wichtigen Thema zu widmen.          	Bethesda Landau                                   alltags­nah dem Thema der Reduzierung freiheits­
                                                                                                        entziehender Maßnahmen zuwenden konnten.
Wir von inverso. möchten uns für den                 • Marianne Martin, bso. - Beratung in
Projektauftrag bei Frau Ministerin Bätzing-          	Sozialen Organisationen / Hessischer              Die Broschüre ist mit dem Anspruch entstanden,
Lichtenthäler und den Mitarbeiterinnen und           	Konsulentendienst                                 ein praxisnahes Instrument als Ergänzung zur
Mitarbeiter des Ministeriums für Soziales, Arbeit,                                                      Schulung zu liefern. Dabei stand im Vordergrund,
Gesundheit und Demografie des Landes                 • Dr. Martin Jochheim, bso. - Beratung in          den Menschen, die von FEM betroffen sind,
Rheinland-Pfalz bedanken. Einen besonderen           	Sozialen Organisationen / Hessischer              wertschätzend gegenüber zu treten.
Dank richten wir darüber hinaus an Herrn             	Konsulentendienst
Matthias Rösch, Landesbeauftragter für die                                                              Alle Autoren wurden gebeten, ihre Beiträge
Belange behinderter Menschen in Rheinland-Pfalz      • Christine Seebohm, seebohm-qs -                  entsprechend zu gestalten, so dass ein direkter
und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der        Qualitätsmanagement zur Pflege in                Nutzen für die tägliche Praxis gegeben ist. Dafür,
Beratungs- und Prüfbehörde des Landes                	Einrichtungen der Eingliederungshilfe             dass dies so gut gelungen ist, möchten wir uns bei
Rheinland-Pfalz.                                                                                        den Autoren dieser Broschüre bedanken.
                                                     • Katja Becker - Referentin - Lebenshilfe für
Ein weiterer Dank gilt all den Expertinnen und         Menschen mit geistiger Behinderung,              Viel Freunde beim Lesen!
Experten, die wir für die Vorbereitung und           	Brandenburg                                       André Hennig & Madeleine Viol
Durchführung der Fachtage sowie die Erstellung
dieser Broschüre gewinnen konnten:                   • Tobias Schmitt - Facharzt für Neurologie sowie
                                                       für Psychiatrie und Psychotherapie,
                                                     	Brandenburg
• Prof. Dr. habil. Thomas Klie,                      Deren Expertise sowie auch deren so wichtige

6                                                                                                                                                            7
"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...
finden. Dort wird jedoch häufig eine FEM ange-       daran teil. Das Wissen über die Reduzierung von
                                                                                                          wandt, um Gefahren im Zuge einer Auto- oder          Fixierungsmaßnahmen in diese Einrichtungen zu
                                                                                                          Fremdaggression, enthemmten Verhaltens oder          tragen, dort Handlungskompetenz zu entwickeln
                                                                                                          unwillkürlichen Selbstverletzung zu reduzieren,      und Organisations- sowie weitere Personalent-
                                                                                                          was so wiederum sehr selten in der Altenhilfe zu     wicklungsmaßnahmen anzustoßen, war das Ziel
                                                                                                          finden ist.                                          der Fachtage. Die Projekte „ReduFix Praxis“ sowie
                                                                                                                                                               „Mehr-Freiheit-wagen“ konnten nachweisen, dass
                                                                                                          Ein Projekt in Rheinland-Pfalz – Auf der Suche       die Teilnahme an Fortbildungen das entschei-
                                                                                                          nach Denk- und Handlungsan­sätzen für die            dende Moment zur Veränderung in den Einrich-
                                                                                                          Eingliederungshilfe                                  tungen war, flankiert durch Maßnahmen der
                                                                                                          Das Land Rheinland-Pfalz engagiert sich bereits      Organisationsentwicklung.
                                                                                                          seit 2008 für eine Reduzierung freiheitsentzie-
                                                                                                          hender Maßnahmen und beauftrage im Jahr              Auf die Fachtage folgt diese Broschüre
                                                                                                          2016 das Institut inverso. mit der Durchführung      Das Projekt zielt auf Nachhaltigkeit. Daher ist es
                                                                                                          von Fachtagen für rheinland-pfälzische Einrich-      sinnvoll, etwas über das Projekt hinaus Bleibendes
                                                                                                          tungen der Eingliederungshilfe. Für diese Fachtage   zu gestalten. Neben weiteren Fortbildungs- und
1. Einleitung – von der Konzeption                                                                        bedurfte es jedoch einer fundierten Wissensbasis,
                                                                                                          einerseits um dem Anspruch der Evidenzbasierung
                                                                                                                                                               Beratungsangeboten, die aus diesem Projekt ent­
                                                                                                                                                               wachsen sind, neben Schulungsangeboten für

über die Fachtage hin zur Broschüre                                                                       zu entsprechen, aber auch um Glaubwürdigkeit in
                                                                                                          den Einrichtungen zu erreichen. Aktuell besteht
                                                                                                                                                               Betreuungsbehörden und -vereine, entstand diese
                                                                                                                                                               Broschüre.
                                                                                                          in Deutschland an vielen Stellen fragmentiertes
                                                                                        André Hennig
                                                                                                          Wissen sowie Praxiserfahrungen zur Reduzie-
                                                                                                          rung freiheitsentziehender Maßnahmen (FEM)           Verweise:
                                                                                                          im Bereich der Eingliederungshilfe. Es bedurfte
                                                                                                          einer Verbindung von Beispielen guter Praxis, dem
Es begann mit einem Projekt in der Altenhilfe …      deutschlandweit gelebte Praxis und konzeptio-        aktuellen Wissen der Heil- und Sonderpädagogik,
In den Jahren 2004 bis 2006 wurde erstmals in        neller Bestandteil der meisten Einrichtungen der     Erfahrungen der Aufsichtsbehörden, auch aus          www.redufix.de
Deutschland wissenschaftlich fundiert auf die        stationären Altenhilfe.                              anderen Bundesländern, der Erkenntnisse des
Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen                                                                 Projekts ReduFix, angereichert durch spezifisches
fokussiert. In dem Projekt „ReduFix – Reduktion      Ein blinder Fleck? – FEM in Einrichtungen der        rechtliches Wissen sowie um Aspekte der Organi-
von Fixierungen“ zur Reduktion körpernaher Fixie-    Eingliederungshilfe                                  sationsentwicklung. Durch mehrere Expertendis-
rung, durchgeführt vom Freiburger Innovations-       Entgegen der Erfahrungen und wissenschaftlichen      kurse, eine fundierte Literatursichtung und einem
und Forschungsverbund e.V. der Evangelischen         Untersuchungen in der Altenhilfe findet sich in      finalen Expertenworkshop wurden Denk- und
Hochschule Freiburg, „wurde untersucht, ob durch     Hinblick auf die Anwendung von FEM in Einrich-       Handlungsansätze identifiziert, die Einrichtungen
gezielte Interventionen Freiheitsentziehende         tungen der Eingliederungshilfe sehr wenig und        in Rheinland-Pfalz dabei unterstützen können,
Maßnahmen (FEM) bei demenzerkrankten Heim-           eine valide Datenbasis fehlt gänzlich.               freiheitsentziehende Maßnahmen bei Menschen
bewohnern zu verhindern oder zu reduzieren sind,                                                          mit Behinderung zu reduzieren.
ohne dass es dabei zu negativen Konsequenzen für     Altenhilfe und Eingliederungshilfe schwer
die Bewohnerin oder den Bewohner kommt“ (Viol        vergleichbar                                         Fachtage für Einrichtungen der Eingliederungs-       www.leitlinie-fem.de
2018 – redufix.de). In „45 Altenpflegeheimen         Die Gründe für die Anwendung von FEM in Ein-         hilfe in Rheinland-Pfalz
aus Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen            richtungen der Alten- sowie der Eingliederungs-      Basierend auf den ausgewählten Denk- und
konnte das Projekt zeigen, dass die Interventionen   hilfe sind teilweise ähnlich jedoch auch teilweise   Handlungsansätzen wurde allen Einrichtungen der
wirken: In der sog. Interventionsgruppe wurden       grundverschieden. So zählt eine Sturzgefährdung      Eingliederungshilfe in Rheinland-Pfalz das An-
bei insgesamt 20,8 % der Personen die Fixierung      in den allermeisten Fällen und seltener eine         gebot der kostenfreien Teilnahme an regionalen
vollständig beendet“ (Viol 2018 – redufix.de). Das   Hinlauf-/Weglauftendenz zu den Gründen für FEM       Fachtagen gemacht. Von den 230 Einrichtungen
ReduFix-Konzept sowie etwas später auch das          in der Altenhilfe. Diese Gründe lassen sich auch,    der Eingliederungshilfe für erwachsene Menschen
Konzept „Mehr Freiheit wagen“ sind mittlerweile      doch weit seltener, in der Eingliederungshilfe       mit Behinderung nahmen letztendlich 101 (44%)

8                                                                                                                                                                                                               9
"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...
Es wird ersichtlich, dass das Gesetz eine erheb-       Praxistipp
                                                                                                         liche gesundheitliche Gefährdung bis hin zum           Häufig ist es hilfreich, diese „Haftungsmythen“ im
                                                                                                         Tod zur Voraussetzung für die Anwendung einer          Team mal mit der Wirklichkeit abzugleichen: „Wer
                                                                                                         FEM macht. Damit sind die zuvor aufgeführten           wurde in unserem Haus aufgrund einer Verletzung
                                                                                                         Begründungen, die so häufig in der Praxis getä-        einer Bewohnerin oder eines Bewohners jemals
                                                                                                         tigt werden, nicht ausreichend und benötigen           in Haftung genommen oder ist ins Gefängnis ge-
                                                                                                         einer Präzisierung. Es bedarf der Beantwortung         kommen?“ Sicher werden dann die ein oder ande-
                                                                                                         der Fragen, welche konkreten Gefahren durch ein        ren Beispiele aus irgendwelchen anderen Häusern
                                                                                                         Weglaufen/Hinlaufen, Stürzen, enthemmtes Ver-          genannt, in denen „schlimme Dinge“ passiert sind.
                                                                                                         halten, etc. eigentlich entstehen. Wir alle kennen     Oder es wird erwähnt, dass die Polizei ja bereits
                                                                                                         Bewohnerinnen und Bewohner, die bereits un-            mal zur Befragung im Haus war oder die Kranken-
                                                                                                         zählige Male gestürzt sind, aber sich nicht verletzt   kasse einen Fragebogen zur Beantwortung vorlegt
                                                                                                         haben. Auch ein enthemmtes Verhalten ist noch          hat. Unserer Erfahrung nach benötigt es an dieser
                                                                                                         keine „erhebliche Gesundheitsgefährdung“; daher        Stelle einen „unaufgeregten“ Begleiter des Teams,
                                                                                                         die Notwendigkeit zur Präzisierung des Risikos,        der dabei hilft, folgendes zu unterscheiden und zu
                                                                                                         um dem Anspruch des Gesetztes zu entsprechen.          erkennen:
2. Warum werden freiheitsent­                                                                            Eine solche Präzisierung und auch Beschreibung
                                                                                                         der Gefahr vorzunehmen, ist eine fachliche Auf-
                                                                                                                                                                • Bei den „schlimmen Dingen“ aus anderen
                                                                                                                                                                	Einrichtungen handelt es sich in der Regel um

ziehende MaSSnahmen (eigentlich)                                                                         gabe und muss von Fachkräften geleistet werden.
                                                                                                         Diese sollten bei Ihrer Einschätzung der Gefahr
                                                                                                                                                                   vorsätzliche Straftaten, auf die durchaus
                                                                                                                                                                   „Gefängnis“ folgen kann und nicht um

angewandt?
                                                                                                         für die Bewohnerinnen und Bewohner bestenfalls            „Fahrlässigkeiten“, um die die Mitarbeiterinnen
                              André Hennig                                                               eben nur diese in Ihre „Urteilsfindung“ einfließen        und Mitarbeiter sich eigentlich sorgen.
                                                                                                         lassen, was gar nicht so leicht ist.                   • Eine Prüfung einer Angelegenheit durch die
                                                                                                                                                                	Polizei oder die Krankenkasse ist noch keine
                                                                                                         Illegitime „Hintergründe“ für FEM                         Verurteilung.
                                                                                                         Über viele Fortbildungen und Fallbesprechungen,
In der Diskussion über freiheitsentziehende        Entweder zeigen Bewohner dieses Verhalten             in denen von den Mitarbeitern der Einrichtungen
Maßnahmen (FEM) verschmelzen nicht selten          bereits oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter     durchaus kontrovers diskutiert wurde, entstand         „Es könnte doch aber passieren, dass …“
unterschiedliche Begründungen für oder gegen       nehmen an, dass dieses Verhalten entstehen wird.      ein Wissen über weitere „Hintergründe“, die            Es sind immer wieder einzelne Mitarbeiter in
deren Anwendung. Diese unterschiedlichen           Diese Begründung ist auf den ersten Blick sowohl      häufig auch in die Erörterung der FEM eingebracht      Teams anzutreffen, die mehr Gefahren sehen
Vorder- und Hintergründe, wie wir sie in diesem    juristisch legitim als auch fachlich richtig. Dabei   werden, die jedoch „eigentlich“ keine Relevanz für     als andere. Im Sinne eines „es könnte doch aber
Beitrag nennen, werden im Folgenden zu differen-   ist der § 1906 BGB relevant.                          die fachliche Einschätzung besitzen sollten:           passieren, dass …“ werden mögliche Gefahren für
zieren gesucht, damit einzelne Mitarbeiterinnen                                                                                                                 den Bewohner in die Diskussion eingebracht, die
und Mitarbeiter, Teams und auch Führungskräfte                                                           „Wir stehen mit einem Bein im Gefängnis“               schwer zu entkräften sind. Das einzelne Mitarbei-
klarer für sich herausarbeiten können, welchen     Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - § 1906                Die Angst vor Haftung oder Strafe hält sich            ter mehr Gefahren sehen als andere, kann ein Ver-
Zwecken eine FEM dienen kann:                      (1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den        „wacker“ in den Köpfen vieler Mitarbeiterinnen         weis auf Erfahrungen aus deren Berufsbiografie
                                                   Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden       und Mitarbeiter und wird mit dem Satz „wir             sein oder auch auf deren Persönlichkeitsstruktur,
Legitime „Vordergründe“ für FEM                    ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des       stehen mit einem Bein im Gefängnis“ versinn­           haben jedoch nichts in der Erörterung des Bewoh-
Fragt man nach dem Grund für die Anwendung         Betreuten erforderlich ist, weil                      bildlicht. Daher könnte der eigene Schutz vor          ners verloren. Würde aus diesen Ängsten heraus
von FEM werden in der Regel zunächst Risiken          1. auf Grund einer psychischen Krankheit 		        Haftung oder Strafe durchaus unbewusst Eingang         eine FEM angewendet, wäre dies eine vorsorgliche
benannt, die aus dem Verhalten eines Bewohners        oder geistigen oder seelischen Behinderung         in die fachliche Einschätzung pro oder contra          FEM, was rechtlich nicht legitim ist. Einrich-
resultieren können:                                   des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich     einer FEM einfließen, konterkariert jedoch die         tungen, Teams, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
• Weglaufen/Hinlaufen                                 selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen     Fachlichkeit (siehe dazu auch Klie Seite 46).          haben die Aufgabe, Bewohnerinnen und Bewoh-
• Sturzgefährdung                                  	Schaden zufügt, oder…                                                                                       ner vor den Gefahren zu schützen, die mit hoher
• Enthemmtes Verhalten                                                                                                                                          Wahrscheinlichkeit eintreten werden. „Die Risiken
• Autoaggression                                                                                                                                                müssen konkret und nicht abstrakt sein“ (siehe
• Unwillkürliche Selbstverletzungen                                                                                                                             dazu auch das Alternativengespräch Seite 18).
• Fremdaggression
• Sachaggression

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"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...
Unkenntnis über Alternativen                          Wir hoffen mit dieser Darstellung ein Stück weit
Einrichtungen sind grundsätzlich verpflichtet ihr     dahingehend motiviert zu haben, die Begrün-
Handeln am aktuellen Wissensstand zu orientie-        dungen für eine FEM kritisch im Team oder der
ren. Dazu gehört auch das Wissen um Hilfsmittel       Einrichtung zu prüfen und zu schauen, ob sich
und technische Unterstützungssysteme, deren           weitere Gründe unbemerkt von „hinten“ in die
Markt stetig wächst. Teils sind diese jedoch in den   fachliche Einschätzung eingeschlichen haben.
Einrichtungen nicht bekannt und können damit
auch nicht Teil der Alternativenprüfung sein. Die     Literatur
Erfahrung zeigt, dass das Wissen um diese Alter-      Heijkoop, Jacques (2014): Herausforderndes Ver-
nativen in den Einrichtungen sehr unterschiedlich     halten von Menschen mit geistiger Behinderung.
ist. Ein Besuch von Fachmessen (z.B. Altenpflege-     Neue Wege der Begleitung und Förderung. Beltz
messe) oder die Recherche in Fachdatenbanken          Juventa
(z.B. Rehadat-Hilfsmittel) bis hin zur freien
Schlagworte im Internet kann hier hilfreich sein.

Symptombekämpfung statt Ergründung von
Ursachen
Teilweise ist das Verhalten der Menschen massiv
störend, greift auf andere Bewohnerinnen und
Bewohner über, bringt die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in die Ohnmacht hinein und gefährdet
den Mensch nicht zuletzt selbst. Teilweise steht
die Unterbindung des Verhaltens so sehr im Fokus,
dass eine Ergründung der Ursachen für dieses Ver-
halten vernachlässigt wird. Heijkoop untersuchte
diese teilweise systemimmanente Reaktionsweise
von Einrichtungen, und beschrieb es als „Desinfi-
zieren“ von Problemverhalten:
• „direkt körperlich mit schnell wirkenden
   Medikamenten, Festbinden und dergleichen;
• sozial, durch Absonderung, Zurückhalten,
	Festhalten, ständig in der Nähe des
	Betroffenen bleiben;
• psychisch, durch Warnungen und Absprachen
   eventuell mit der Ankündigung von Belohnung
   oder Strafe; indem man dem Betroffenen das
	Heft aus der Hand nimmt, indem die Betreu-
   ung verstärkt wird;
• Räumlich, indem man die Orte, die der Be-
   troffene im Haus und außerhalb allein auf-
   suchen darf, stark begrenzt“
   (vgl. Heijkoop).

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"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...
komplizierte Konstrukt hat Prof. Dr. Klie auf Seite   Folgen freiheitsentziehender Maßnahmen
                                                                                                               46 eindeutig juristisch bewertet.                     Freiheitsentziehende Maßnahmen gehen not-
                                                                                                                                                                     wendigerweise mit einer reduzierten Bewe-
                                                                                                               Einkonditionierte FEM                                 gungsmöglichkeit und einer Beeinträchtigung
                                                                                                               Damit sind FEM gemeint, die seitens der Be-           des Selbstbestimmungsrechts einher. In dessen
                                                                                                               wohnerinnen und Bewohner gewünscht werden,            Folge wiederum können eine Vielzahl an Neben-
                                                                                                               obwohl diese mit immensen Folgen einhergehen          wirkungen bzw. Sekundärgefahren entstehen, die
                                                                                                               können. Der Wunsch der Menschen nach diesen           nachstehend kurz skizziert werden:
                                                                                                               FEM, resultiert häufig aus einer (jahre)langen Ge-
                                                                                                               wöhnung an diese Maßnahme, oft im häuslichen          • So kann es zu Quetschungen, Nervenver-
                                                                                                               Kontext. Diese Gewöhnung hat sich über die Jahre        letzungen, Ischämien, Strangulation (v.al. bei
                                                                                                               zu einer Abhängigkeit entwickelt, so dass diese         Versuchen sich zu befreien) und plötzlichem
                                                                                                               Maßnahmen seitens der Bewohnerinnen und Be-           	Herztod kommen (Parker 1997, Berzlanovich
                                                                                                               wohner z.B. zum Einschlafen oder zur Beruhigung         2007, BfArm 2004, Mohsenian 2003).
                                                                                                               eingefordert werden. Behält man den Menschen          • Indirekte Folgen freiheitsentziehender Maß-

3. FEM – Definition, Formen
                                                                                                               die Maßnahme vor, entstehen teils riesige Ängste,       nahmen sind eine Kraft- und Balancemin-
                                                                                                               Verunsicherungen oder Aggressionen. Eine juri-          derung durch Immobilisierung, eine Zunahme
                                                                                                               stische Einordnung findet sich auf Seite 49.            an Verhaltensauffälligkeiten, Harninkontinenz,
und Folgen                                                                                      André Hennig
                                                                                                               Kaschieren von Türen
                                                                                                                                                                       medizinische Komplikationen wie z.B. Kon-
                                                                                                                                                                       trakturen, Dekubitus und Infektionen mit der
                                                                                                               Die Idee, Aus- und Eingänge mittels Folien oder       	Konsequenz einer drastischen Verschlechte-
                                                                                                               Vorhängen zu kaschieren, demnach absichtsvoll           rung des Allgemeinzustands, der Lebensqualität
                                                                                                               Bewegungsräume, die den Bewohnerinnen und               und letztlich erhöhter Mortalität (Evans 2002).
Definition von FEM                                      3.	Die Person muss noch die Fähigkeit zur willens      Bewohnern zustehen, zu verwehren, stellt aus Sicht    • Aus pflegewissenschaftlicher Sicht, sind FEM
In Einrichtungen der Eingliederungshilfe findet            gesteuerten Fortbewegung besitzen.                  des Autors eine FEM dar. Einige wenige Amtsrichte-      zur Sturzvermeidung kontraproduktiv, schützen
eine Vielzahl an unterschiedlichen freiheitsent­                                                               rinnen und Amtsrichter bewerten dies anders.            nicht, sondern stellen selbst eine Gefährdung
ziehenden Maßnahmen Anwendung.                          Formen von FEM                                                                                                 dar. So schreibt der pflegerische Experten-
                                                        Konkret werden in der Praxis folgende freiheits-       Vorenthalten                                            standard zur Sturzprophylaxe durch FEM:
Nach einer international konsentierten Definition       entziehende Maßnahmen angewandt:                       In seltenen Fällen werden den Bewohnerinnen             „Der Schutz vor Stürzen wird in der Praxis häufig
des Joanna Briggs Instituts, Adelaide, Australien       • Geschlossene Türen (teilweise auch als               und Bewohnern Ihre Gehhilfen (Rollator, etc.)           als ein Argument herangezogen, um den Einsatz
umfasst eine freiheitsentziehende Maßnahme jeden          Maßnahme einer Unterbringung)                        „versteckt“, damit sie an Ort und Stelle ver-           von FEM zu rechtfertigen. Dem steht die Aussage
Gegenstand, Material oder Vorrichtung an oder           • Bettgitter                                           bleiben. Auch die Maßnahme, Kleidung oder               im Expertenstandard zur Sturzprophylaxe gegen-
in der Nähe einer Person, welche(-r/-s) sich nicht      • Gurte (Rumpf, Fuß/Arm, Kopf, etc.)                   Hausschuhe für den Menschen unauffindbar zu             über, dass diese Maßnahmen keinesfalls zu
eigenständig entfernen oder von der Person selbst-      • festgestellte Rollstuhlbremsen                       machen, wohlwissend darum, dass er sich ohne            diesem Zweck eingesetzt werden sollen“
ständig und leicht kontrollieren lässt. FEM schränken   • Sitzhosen                                            diese nicht aus seinem Zimmer bewegt, stellt aus        (DNQP 2013, S. 109).
Körperbewegungen oder Positionswechsel ein, die         • Time-Out-Räume                                       Sicht des Autors eine FEM dar und wäre darüber        • Weitere Folgen von FEM, die in der Literatur
eine Person willentlich ausführen möchte (Evans et                                                             hinaus nicht mit den Grundsätzen der Behinder-          beschrieben werden, sind Obstipation, Entmi-
al. 2002).                                              Darüber hinaus gibt es weitere Maßnahmen, die          tenrechtskonvention vereinbar.                          neralisierung der Knochen (Abnahme der
                                                        weniger eindeutig eine FEM darstellen und deren                                                              	Knochendichte), Muskelatrophie und nicht zu-
Demnach sind Gegenstände, wie z.B. ein Bett-            Genehmigungsnotwendigkeit seitens der Amts-            Tiefe Sessel und Co.                                    letzt die sozial-psychologische Beeinträchti-
gitter nicht an sich bereits eine FEM, sondern          richterinnen und Amtsrichter durchaus unter-           Sitzmöbel, wie beispielsweise tiefe und weiche          gung, Nähe oder Distanz zu anderen Menschen
bedürfen folgenden „Charakters“:                        schiedlich beurteilt wird.                             Sessel, ein schwerer und dadurch nicht verschieb-       erstens nicht wählen, zweitens dieser auch
1.	Entweder müssen die Maßnahmen gegen den                                                                     barer Stuhl oder auch ein Niederflurbett auf die        nicht entkommen zu können.
   Willen sein oder bei einer Person angewendet         Medikamente                                            tiefste Position zu stellen, mit dem Wissen, dass
   werden, die nicht mehr einwilligungsfähig ist.       Der Zweck und dessen Rechtmäßigkeit entschei-          die Bewohnerin oder der Bewohner daraus nicht
2.	Die Maßnahmen dürfen von der Person nicht            den darüber, ob Medikamente eine FEM darstel-          aufstehen kann, stellt ebenfalls eine FEM dar.
   selbst zu öffnen sein.                               len bzw. als FEM nicht anwendbar sind. Dieses

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"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...
Nur über die Kenntnis dieser Folgen und Neben-        Parker K, Miles S (1997): Deaths Caused by
wirkungen von FEM kann die notwendige fach-           Bedrails. In: J Am Geriatr Soc 45: S. 797-802
liche Abwägung des Nutzens und des Risikos einer
FEM erfolgen.                                         Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-
                                                      produkte (2004): Stellungnahme zu Fixierungs-
Literatur                                             systemen und Empfehlungen zur Anwendung von
Evans, David; Wood, Jacquelin; Lambert, Leonnie       Fixierungssystemen. Unter: https://www.bfarm.
(2002): A review of physical restraint minimiza-      de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinpro-
tion in the acute and residential care settings. In   dukte/DE/fixierungssysteme_Stellungnahme_Uni-
JAN – Journal of advanced Nursing. Volume40,          Witten.html (Stand 30.03.2018)
Issue6
Pages 616-625                                         Mohsenian C, et al. (2003): Todesfälle im
                                                      Zusammenhang mit mechanischer Fixierung in
DNQP (Deutsches Netzwerk für Qualitätsent-            Pflegeinstitutionen. In: Zeitschrift für Geronto­
wicklung in der Pflege (Hrsg.)(2013): Experten-       logie und Geriatrie 36:2003. S. 266-273
standard Sturzprophylaxe in der Pflege. 1. Aktuali-
sierung 2013. Osnabrück

Berzlanovich, Andrea (2007), Risiken bei der
Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen
Fachtagung des Bayerischen Staatsministeriums
für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
am 22.07.2007 in Eching – „FreiMut –Verantwor-
tungsvoller Umgang mit freiheitsentziehenden
Maßnahmen in der stationären Altenpflege“

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"REDUZIERUNG FREIHEITSENT ZIEHENDER MASSNAHMEN (FEM) IN EINRICHTUNGEN DER EINGLIE DERUNGSHILFE" - ABBILDUNG DER INHALTE EINES ...
Teilhabe der Bewohnerinnen und Bewohner,            Diese Frage ist zentral und darf nicht aus dem
                                                                                                       respektive der Betreuerin/des Betreuers bzw.        Blick geraten. Dies schließt eine Betrachtung
                                                                                                       der Angehörigen                                     dessen, wie sehr sich die Mitarbeiterinnen und
                                                                                                       Vor dem Hintergrund des Inklusionsanspruchs         Mitarbeiter durch die Situation selbst auch beein-
                                                                                                       empfinden viele die Durchführung einer Bespre-      trächtigt fühlen, nicht aus. Diesen Gefühlen (z.B.
                                                                                                       chung über und nicht mit den Bewohnerinnen          „ich habe Angst vor dem nächsten Dienst“) sollte
                                                                                                       und Bewohnern bereits als inakzeptabel. Es stellt   ein wertschätzender Raum gegeben werden, um
                                                                                                       jedoch aus unserer Sicht „keinen Widerspruch        dann wieder den Fokus auf die Bedürfnisse der
                                                                                                       zum Inklusionsgedanken“ dar, dass sich Mitar-       Bewohnerin bzw. des Bewohners zu richten.
                                                                                                       beiterinnen und Mitarbeiter zunächst ohne die
                                                                                                       Bewohnerinnen und Bewohner, deren Angehörige        Risiken müssen konkret und nicht abstrakt sein
                                                                                                       und gesetzlichen Betreuerinnen und Betreuer         Irgendwann wird in dem Alternativengespräch
                                                                                                       über eine Sache austauschen. Es ermöglicht viel-    die Gefährdung, das Risiko, welches im Raum
                                                                                                       mehr häufig in der Komplexität des Themas eine      steht durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
                                                                                                       Ortsbestimmung des Teams. Zudem fördert es          thema­tisiert werden (z.B. andere Bewohnerinnen
                                                                                                       eine Aussprache der mit dem Thema verbundenen       und Bewohner werden verletzt; ein Sturz wird
4. Das Alternativengespräch –                                                                          Gefühle. In weiteren Besprechungen kann dann
                                                                                                       die Einbindung der Bewohnerinnen und Bewohner
                                                                                                                                                           stattfinden; die Menschen werden sich „über-
                                                                                                                                                           fressen“; sie werden im Straßenverkehr verletzt).

die richtigen Fragen sind
                                                                                                       sowie deren Betreuerinnen und Betreuer und der      Da ein vorsorgliches Fixieren, im Sinne eines „es
                                                                                                       Angehörigen erfolgen.                               könnte passieren, dass“ rechtlich nicht legitim ist,
                                                                                                                                                           bedarf es zur Rechtfertigung immer einer kon-
der Schlüssel            Christine Seebohm, André Hennig
                                                                                                       Ziel des Alternativengesprächs
                                                                                                       Der Fokus des Gesprächs ist zugleich auch das
                                                                                                                                                           kreten und belegbaren Gefährdung. Es hat sich
                                                                                                                                                           als sehr wertvoll erwiesen, eine oft anzutreffende
                                                                                                       Ziel, nämlich ein alternatives Denken und/oder      „frei schwebende Gefährdung“ im Alternativenge-
                                                                                                       Handeln zum Bisherigen zu erreichen und ein         spräch zu „erden“:
                                                                                                       individualisiertes sowie konkretes Konzept zu
Die Qualität von Besprechungen jedweder Art         eine aus vielen Ansätzen zusammengefügte, die      entwickeln:                                         • Was wird ganz konkret passieren, wenn die FEM
hängt entscheidend von den Fragen ab, die ge-       einerseits der „Psychologie“ (siehe dazu auch      • wie bestehende Fixierungen gänzlich oder            entfernt wird/nicht verwendet wird?
stellt werden. Denn „wie die Frage gestellt wird,   2. Gründe für die Anwendung von FEM) und den          temporär reduziert werden können oder            • Was führt zu der Überlegung Freiheitsent-
ist entscheidend dafür, welche Richtung man         fachlich-juristischen Ansprüchen an FEM Rech-      • wie bestehende Fixierungen durch eine mildere       ziehende Maßnahmen anzuwenden?
einschlägt, um die Antworten zu finden“ (Anto-      nung trägt.                                        	Form ersetzt werden können oder
novsky). Werden beispielsweise in Hinblick auf                                                         • im Sinne einer Risikoabwägung (z.B. Selbst-       Sofern das Team hier sehr unentschieden ist, hieße
herausforderndes Verhalten von Bewohnerinnen        Moderation des Alternativengesprächs                  verletzungen auf ein erträgliches Maß zu         das, dass es zunächst ausprobiert werden müsste,
und Bewohnern Fragen zur Vermeidung des             Die Moderation des Alternativengesprächs,             reduzieren) bewusst unterlassen werden können.   da es sonst einem vorsorglichen Fixieren entspre-
Verhaltens oder zur Ergründung der möglichen        bestenfalls durch eine außerhalb des Teams                                                             chen würde. Aus der Praxis wissen wir, dass FEM
Ursachen gestellt?                                  befindliche Person (z.B. psychologischer Dienst,   Zentrale Fragen                                     teilweise über sehr lange Zeit Anwendung finden
                                                    Case-Manager, Konsulentendienst), ist sehr be-     Entsprechend des Auftrags jeder Einrichtung der     und der Grund für die damalige Anwendung mitt-
Sicher werden alle Mitarbeiterinnen und Mitar-      deutend. Das Thema FEM wird notwendigerweise       Eingliederungshilfe bedarf es während des Alter-    lerweile nur noch „nebulös“ rekonstruierbar ist, die
beiter von Einrichtungen der Eingliederungshilfe    viele Perspektiven (Bewohnerin und Bewohner,       nativengesprächs erfahrungsgemäß immer wieder       FEM in einer anderen Einrichtung oder zu Hause,
große Erfahrung mit Fallbesprechungen besitzen.     Mitbewohnerin und Mitbewohner, Mitarbeiterin       der Frage:                                          demnach in einem anderen Setting begonnen
Aufbauend auf diesem Erfahrungsschatz wird im       und Mitarbeiter, etc.) und konfligierende Werte                                                        wurde. Da Menschen sich körperlich und geistig
Folgenden ein Ansatz zur Erörterung der Anwen-      (Freiheitsrecht, Haftungsrecht, Lebensqualität,    • Was möchte die Bewohnerin oder der                weiterentwickeln, sich beispielsweise Bewälti-
dung von freiheitsentziehenden Maßnahmen            Unversehrtheit) in der Diskussion entstehen        	Bewohner?                                          gungstechniken und Bedürfnisse auch verändern,
vorgestellt, das „Alternativengespräch“ (eine       lassen. Um daraus keinen „undurchdringlichen       • Welches ist ihre bzw. sein mutmaßlicher Wille     ist es eine Aufgabe der Einrichtungen, dessen was
Kopiervorlage für die leitenden Fragen des Alter-   Dschungel“ werden zu lassen, wird eine externe       in dieser Sache?                                  konkret ohne FEM passieren könnte, anzuzweifeln
nativengesprächs findet sich in Anlage A). Es ist   Moderation empfohlen.                                                                                  und kontrolliert zu „erproben“.
keine neu erdachte Besprechungsform, sondern

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Verstehenshypothesen bilden                           Warum handelt/empfindet die Bewohnerin                 es außerordentlich wichtig, dass auch der Fokus          (z.B. Facharzt, Supervision, Fortbildung etc.)
Eine weitere, sehr bedeutende Frage wird im           bzw. der Bewohner so? Auf der Ebene:                   darauf gerichtet wird:                                   kann noch eingebunden werden, um eine FEM
Prozess des Alternativengesprächs auftauchen,         • der Lebensgeschichte                                 • Welches sind die Folgen von FEM?                       zu verhindern?
nämlich die nach dem Grund, dem „warum“ die           • des emotionalen Entwicklungsstandes                  • Was passiert auf der psychischen, sozialen und 		    • Wie können wir weitere biografische Informa-
Bewohnerin bzw. der Bewohner dieses Verhalten         • der Lebens-/Arbeitssituation                            körperliche Ebene durch die FEM?                      tionen über den Menschen erhalten?
zeigt. Hilfreich dabei ist auch die Frage zu beant-   • des Systems (Werte, Rollen, Strukturen)              • Welchen „Preis bezahlt“ der Bewohner für             • In welcher Form bedarf es einer Einbindung
worten:                                               • der sozialen Grundbedürfnisse (Bindung,                 die geistige oder körperliche Bewegungsein-           derAngehörigen bzw. der gesetzlichen Betreue-
                                                      	Teilhabe, Beschäftigung, Sexualität)                     schränkung?                                           rinnen und Betreuer in Hinblick auf die Anwen-
In welchen Situationen entsteht das Verhalten?        • der körperlichen Grundbedürfnisse (Schmerz-                                                                   dung von Alternativen?
Die Erfahrung zeigt, dass Teams relativ schnell         freiheit, Vitalzeichen, Ausscheidung, Sexualität)    Erst über die Beantwortung dieser Fragen entsteht
erste Verstehenshypothesen nennen können (z.B.                                                               ein umfassenderes Bild, das nun erst eine pro-         Was noch, was noch, was noch?
„der Mensch möchte Aufmerksamkeit“; „er oder          Welche Veränderungen wirkten in den letzten            fessionelle Abwägung der Folgen mit (siehe dazu        Oft greifen Menschen auf Routinen im Denken
sie genießt das Gefühl von Macht“; „er oder sie       Wochen auf die Bewohnerin, auf den Bewohner            auch Folgen von FEM, Seite 15) oder ohne FEM           und Handeln zurück und nennen bei der Be-
schätzt seine bzw. ihre Fähigkeiten falsch ein“;      (z.B. veränderter Tagesablauf, Medikation,             ermöglicht. Es sollte auch an dieser Stelle noch       sprechung von Bewohnerinnen und Bewohnern
„nur darüber spürt er oder sie sich“; „da besteht     Infektion, Krankenhausaufenthalt)?                     einmal darauf hingewiesen werden, dass Teams           immer wieder gleiche Hypothesen und erdenken
ein Entwicklungsdefizit“). Diese wurden zumeist       Für die Erarbeitung von Alternativen bedarf es         und Einrichtungen nicht dafür verantwortlich           ähnliche Maßnahmen. Die einfache Frage „was
bereits häufig im Team ventiliert und erwerben        demnach auch häufig eines veränderten Verständ-        sind, dass „nichts passiert“, sondern dafür fachlich   noch“ sollte seitens der Moderatorin bzw. des Mo-
darüber eine „quasi-Objektivität“. Etwas theore-      nisses dessen, was zu dem Verhalten führte.            richtig gehandelt zu haben (lege artis), wozu auch     derators immer wieder in den einzelnen Phasen
tisch betrachtet ist es interessant, dass das, was                                                           der Abwägungsprozess gehört.                           des Alternativengesprächs gestellt werden. Diese
als vermeintlicher Grund für das Verhalten des        Suche nach Ausnahmen                                                                                          Frage befördert ein freies Denken außerhalb des
Bewohners angenommen wird, auch die Suche             Die Dynamik von Besprechungen bewirkt zuwei-           Alternativen erdenken                                  bereits Gedachten. Ein „mehr desselben“ bringt
nach Alternativen entscheidend prägt. Demnach         len eine ausschließliche Fokussierung auf das          Basierend auf allen bisherigen Fragen, die das Ziel    jedoch häufig nicht die gewünschte Veränderung.
öffnen oder begrenzen die Art und Anzahl der          herausfordernde Verhalten an sich. Eine weitere        hatten, alternatives Denken zu fördern, Risiken        Diese Kraft wohnt der Frage „was noch“ inne
Verstehenshypothesen auch die Möglichkeit neue        Frage, die den Blick wieder öffnet, ist die nach der   realistisch einzuschätzen, Ausnahmen des heraus-       und sollte im Alternativengespräch viel Raum
Wege zu erarbeiten. Häufig wird beispielsweise        Ausnahme:                                              fordernden Verhaltens zu erkennen und neue Ver-        bekommen, auch auf die Gefahr hin, dass hierauf
der Blick auf sich selbst bei der Bildung von Ver-    • Wann zeigt der Bewohner das Verhalten nicht?         stehenshypothesen zu bilden sollten im Prozess         zunächst „Stille“ im Team folgt. Diese Stille gilt es
stehenshypothesen ausgespart (z.B. das Team, die      • Welche Bedürfnisse sind dann befriedigt?             des Alternativengesprächs nun auch Alternativen        auszuhalten und auf die „Kreativität“ der Mitar-
Bezugsbetreuerinnen und Betreuer, das Konzept).       • Wie können diese Situation vermehrt oder             erdacht und entwickelt werden:                         beiterinnen und Mitarbeiter zu vertrauen.
Hypothesen können ja nur auf der Grundlage               verlängert werden?                                  • Was braucht die Bewohnerin, der Bewohner?
dessen, was über den Mensch bekannt ist, gebildet                                                            • Wie können notwendige Persönlichkeitsent-            Appell an den Humanismus
werden.                                               Die Abwägung oder „und dann passiert etwas“               wicklungen befördert werden?                        Gerade in Fällen in denen Teams gefühlt schon
                                                      Über die Zeit und auch vor dem Hintergrund             • Wie kann die Lebens- und Arbeitssituation            hundertfach miteinander gesprochen und „alles
Vor dem Hintergrund dürfen folgende Fragen            unreflektierter Haftungsängste („wir stehen mit           bedürfnisorientierter gestaltet werden?             ausprobiert“ haben, kommt ab und zu eine grund-
durchaus gestellt werden:                             einem Bein im Gefängnis“) entwickelt sich in           • Wie kann das den Menschen umgebende                  legende Haltung sozialer Arbeit in Bedrängnis:
                                                      Teams ab und an eine ausschließliche Fokussierung      	System verändert werden?                              Die grundlegende Überzeugung, dass Menschen
Ist die Biografie weitumfänglich bekannt und          darauf, was passieren könnte, wenn eine FEM            • Wie können soziale und körperliche Bedürfnisse       sich entwickeln und dies grundsätzlich in Richtung
besprochen?                                           nicht angewendet werden sollte oder der Einsatz           anders, besser oder intensiver befriedigt werden?   positiver Verhaltensweisen wollen und können.
                                                      eingeschränkt würde (z.B. Stürze, Selbstverlet-        • Mit welchen Fähigkeiten der Menschen (z. B.          Dieser psychologische Humanismus geht in Hin-
Was wissen wir aus der vorherigen Lebens-             zungen, Fremdgefährdungen, etc.). Ein Argument,           kognitive, motorische, soziale, emotionale,         blick auf herausforderndes Verhalten davon aus,
welt/Wohngruppe über den Bewohner?                    welches sehr häufig benannt wird ist „und dann            soziale Fähigkeiten) lässt sich das Thema           dass Menschen konstruktive anstatt destruktive
                                                      passiert etwas“. Die Angst vor dem, was dann              positiv beeinflussen?                               Verhaltensweise wählen, wenn es Ihnen möglich
Grundsätzlich sollten die Bewohnerinnen und           droht wird damit geschürt. Diese Argumentation         • Wie sollten wir uns verändern?                       ist oder ermöglicht wird. Ein Humanismus-Appell
Bewohner im Rahmen des Alternativengesprächs          ist schwer zu entkräften und wirkt teils bleiern auf   • Macht eine neue medizinische oder psycholo-          an jeden Einzelnen des Teams kann helfen, wenn
auf verschiedenen Ebenen betrachtet und Hypo-         die Dynamik der Besprechung. Sofern sich Teams            gische Betrachtung Sinn?                            Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in der Kom-
thesen für das Verhalten gebildet werden:             in diese „Sackgasse“ hinein bewegt haben, ist          • Welche andere fachliche Unterstützung                plexität des „Falls“ verlieren und „der Glaube“
                                                                                                                                                                    droht verloren zu gehen.

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Weitere Fragen bei Entscheidung für FEM
Sofern FEM Anwendung finden sollen bzw. bereits
angewandt werden, sollte sich das Team mit fol-
genden Fragen auseinandersetzen:
• Welche Alternativen wurden bisher angewen-
  det, über welchen Zeitraum und wurden diese
  dokumentiert?
• Welches sind die notwendigen Sicht- und
	Kontrollzeiten?
• Ist in der Teilhabe oder Pflegeplanung die
  handlungsleitende Anwendung und Dauer der
	FEM aufgenommen?
• Muss ein Antrag beim Amtsgericht zur Verlän-
  gerung der eingesetzten FEM gestellt werden?

Der Ansatz des „Alternativengesprächs“ ist ein aus
der Praxis und aus der Erfahrung aus unzähligen
Besprechungen mit Teams entstanden. Er greift
auf die grundlegende Erkenntnis zurück, dass sich
Situationen grundsätzlich nur über zwei Wege
verändern lassen: Anders denken; Anders handeln.
Wir vertrauen auf die Kraft der Fragen, Teams auf
diese Wege zu bringen.

22                                                   23
• „Wann habe Sie das erste Mal einen Menschen           diese in Ihrer Einrichtung bereitgestellt. Wie
                                                                                                          in einer Fixierung gesehen und was hat das in         ist der Weg? Besprechung (Alternativenge-
                                                                                                        	Ihnen ausgelöst?“                                      spräch siehe Seite 18): Verhalten betrachten
                                                                                                        • „Wie gehen Sie mit diesem Erleben bisher um,          und erklären, Angebote, Zeitschiene der
                                                                                                          wie wird im Team darüber gesprochen?“               	Erprobung …
                                                                                                                                                              • benennen Sie Verantwortlichkeiten für die
                                                                                                        Vielleicht hören Sie Aussagen wie:                      verschiedenen Schritte
                                                                                                        • „das gehört hier zum Alltag…“                       • wenn eine FEM in Ihrer Einrichtung angewen-
                                                                                                        • „das muss man aushalten…“                             det wird, muss folgendes eingehalten werden:
                                                                                                        • „das gehört doch zum Beruf…“                          -	Deeskalationsmethoden oder andere päda-
                                                                                                        • „da gewöhnt man sich dran…“                         		 gogische interne Konzepte aufnehmen
                                                                                                        • „ich bin schuld, wenn ansonsten etwas                 -	Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitar-
                                                                                                          passiert“                                           		 beitern; Begleitung und Schutz…
                                                                                                        • „der Mensch muss fixiert werden, weil…“               -	Informationspflichten z.B. gegenüber gesetz-
                                                                                                                                                              		 lichen Betreuerinnen und Betreuern
                                                                                                        Geben Sie diesem Erleben Raum                           - Antrag Amtsgericht/Gutachten/Beschluss

5. Qualitätskriterien in Hinblick auf
                                                                                                        Notwendig für diesen Schritt ist eine offene Ge-        -	Dokumentationspflichten
                                                                                                        sprächskultur innerhalb der Einrichtung, eine klare
                                                                                                        gelebte Aussage der Leitungsebene gegenüber der       Beispiele für Dokumentationspflichten:
die Vermeidung und Anwendung                                                                            Anwendung von Freiheitsentziehenden Maßnah-
                                                                                                        men in der Einrichtung sowie die Möglichkeit der
                                                                                                                                                              FEM müssen immer begründet und dokumentiert
                                                                                                                                                              werden.
von FEM N                      Christine Seebohm
                                                                                                        Reflektion im Team und kontinuierliche Schu-
                                                                                                        lungen zur Vermeidung von Freiheitsentziehenden       • Alle freiheitsentziehenden Maßnahmen
                                                                                                        Maßnahmen.                                              müssen begleitet werden. Eine Kontrolle
                                                                                                                                                                während der Durchführung muss nach
                                                                                                        Nutzen Sie zudem interne, z. B. Mitarbeiter des         fachlicher Einschätzung erfolgen, mindestens
Das Bestreben aller Mitarbeiterinnen und Mitar-      kontinuierlich für dieses Thema sensibilisiert     Psychologischen Dienstes oder externe Hilfesy-          jedoch stündlich. Die Art der Kontrolle wird
beiter, einschränkende Maßnahmen weitestge-          und fortgebildet.                                  steme.                                                  vorher festgelegt, z.B. permanente Sichtkon-
hend zu vermeiden, sollte durch ein handlungsan-   • Die Anzahl der freiheitsentziehenden Maßnah-                                                               trolle über eine Live Kamera (nach richterlicher
leitendes Konzept in der Einrichtung unterstützt     men in der Einrichtung ist reduziert.              Wichtig ist, dass alle Mitarbeiterinnen und Mit-      	Genehmigung).
werden.                                            • Rechtssicherheit bei der Anwendung von FEM         arbeiter ein Bewusstsein dafür entwickeln, was        • Sichtkontrollen während der Nacht ergeben
                                                     für die in der Einrichtung lebenden Menschen       eine Fixierung für einen Menschen bedeuten kann,        sich aus der Teilhabe- und/oder Pflegeplanung
Mit einem vorliegenden Konzept soll der Umgang       sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter     aber auch dafür, was es in ihnen selbst auslöst,      • Alle Zeiträume, auch während der Nacht, in
mit freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM)            ist sichergestellt.                                wenn sie einen anderen Menschen in dessen Frei-         denen eine FEM kurz geöffnet wird, z.B. bei
eindeutig und transparent dargestellt werden.      • Für alle betroffenen Mitarbeiterinnen und Mit-     heit beschränken.                                       einem Positionswechsel, beim Wechsel einer
Zudem soll es den ausführenden Mitarbeiterinnen      arbeiter ist mit diesem Konzept eine einheit-                                                            	Inkontinenzversorgung u.ä. müssen genau
und Mitarbeitern Sicherheit vermitteln.              liche Grundlage zu diesem Thema geschaffen.        Empfehlungen zu möglichen Konzeptinhalten:              dokumentiert werden.
                                                                                                        Treffen Sie Aussagen zur Grundhaltung und Ziel        • Bei einer Fixierung von unruhigen Bewohnern,
Sie legen hiermit das Ziel und die Haltung Ihrer   Zu Beginn der Überlegungen zu einem solchen          der Einrichtung zur Vermeidung und Anwendung            mittels Gurtsystemen gemäß dem Hersteller-
Einrichtung dar. Sie treffen mögliche Aussagen,    Konzept, sollte die Tradition der Einrichtung zur    von Freiheitsentziehenden Maßnahmen.                    hinweis, ist eine ununterbrochene Beaufsichti-
wie z.B.:                                          bisherigen Anwendung von Freiheitsentziehenden                                                               gung notwendig.
• Die Menschenwürde ist geachtet und ein           Maßnahmen betrachtet werden, denn diese Tradi-       Beschreiben Sie zum Beispiel:
   größtmögliches Maß an Freiheit des Menschen     tion beeinflusst das Erleben und die Handlung der    • was eine FEM/oder beschränkende Maßnahme ist
   ist erhalten.                                   heute ausführenden Mitarbeiter.                      • was keine FEM ist
• Handlungsalternativen werden angeboten,                                                               • was die Einrichtung unternimmt, um möglichst
   angewendet und reflektiert.                     Stellen Sie Fragen zur bisherigen Erlebenswelt der     eine FEM zu verhindern
• Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden     Mitarbeiterin und des Mitarbeiters: z.B.:            • benennen Sie Alternativen und wie werden

24                                                                                                                                                                                                            25
Die Inklusive Perspektive auf den Klienten            weise der betroffenen Systeme und Strukturen
                                                                                                         Personzentrierte Betreuung und Beratung macht         (Erarbeitung des Istzustandes mit Hilfe der Folien
                                                                                                         den Inklusionsgedanken zum Ausgangspunkt              2-4).
                                                                                                         der Wahrnehmung des Klienten. Der Begriff der
                                                                                                         Sozialen Inklusion beschreibt die bewertungsfreie     3.	Im dritten Schritt werden die den behinderten
                                                                                                         Wahrnehmung von Unterschiedlichkeit und Viel-         Menschen umgebenden Mitmenschen, Systeme
                                                                                                         falt von Menschen mit und ohne Behinderung. An        und Strukturen daraufhin beleuchtet, inwiefern sie
                                                                                                         die Stelle der bisher vorherrschenden Bewertung       die Grundbedürfnisse des behinderten Menschen
                                                                                                         von „Normalität“, die faktisch alle „ab-normal“       befriedigen können (Abgleich von Ist-Zustand und
                                                                                                         scheinenden Menschen ausschließt, sollen ver-         Bedürfnissen des behinderten Menschen).
                                                                                                         schiedene Lebensformen und Verhaltensweisen
                                                                                                         gleichberechtigt nebeneinander treten, ohne           4.	Im vierten Schritt werden Veränderungsmög-
                                                                                                         dass diese als etwas „Besonderes“ angesehen           lichkeiten im Verhalten der Mitmenschen und
                                                                                                         würden. Die Inklusive Perspektive, d.h. die Per-      in der Organisation der Systeme und Strukturen
                                                                                                         spektivübernahme gegenüber dem Menschen mit           erarbeitet (Handlungsempfehlungen).

6.	Personzentriertes Denken und
                                                                                                         Behinderung verbunden mit der Bereitschaft, die
                                                                                                         konkreten Lebensverhältnisse zu seinen Gunsten        Die vier Folien
                                                                                                         zu verändern, ist neben dem Personzentrierten         Die vier Folien, die wir benutzen, sollen die Situ-
Handeln bei herausforderndem                                                                             Ansatz der zweite Brennpunkt, wie in einer Ellipse,
                                                                                                         auf den personzentrierte Betreuung und Beratung
                                                                                                                                                               ation des Menschen mit Behinderung erhellen.
                                                                                                                                                               Im Zentrum steht er selbst mit seiner Lebensge-
Verhalten             Dr. Martin Jochheim, Marianne Martin
                                                                                                         fokussiert. Die Erarbeitung von Verstehenshypo-
                                                                                                         thesen für das herausfordernde Verhalten und die
                                                                                                                                                               schichte, seinem Gewordensein. Darum herum
                                                                                                                                                               gruppieren sich die Menschen, die ihn betreuen
                                                                                                         Ableitung von Handlungsempfehlungen sind ein          bzw. mit ihm leben, das Funktionieren der Syste-
                                                                                                         wesentlicher Teil des kollegialen Austausches oder    me, an denen er Anteil hat, und die Struktur dieser
                                                                                                         einer Fachberatung.                                   Systeme.
Was heißt „personzentriert“ Denken und              • das Axiom der Aktualisierungstendenz als einer
Handeln?                                              jedem lebendigen Organismus innewohnenden          Das 4 Schritte - 4 Folien - Modell                    Folie I: Der behinderte Mensch im Mittelpunkt.
Die personzentrierte Beratung und Betreuung         	Kraft für Wachstum und Erhaltung, einschließ-       Das 4 Schritte - 4 Folien - Modell ist ein analy-     Seine Geschichte und sein (Selbst-)Erleben in
orientiert sich in ihren Grundlagen am Personzen-     lich der Einsicht, dass für konstruktive Persön-   tisches Hilfsmittel, das wir erarbeitet haben, um     der Gegenwart
trierten Ansatz (PZA) nach Carl Rogers.               lichkeitsveränderungen zwar die Berater hilf-      die Hintergründe des herausfordernden Verhal-         Wir informieren uns über die Lebensgeschichte
                                                      reiche Rahmenbedingungen anbieten, aber die        tens eines behinderten Menschen zu verstehen          der Klientin bzw. des Klienten, seine körperliche,
Dazu gehören                                          Aktualisierungstendenz im Klienten die Verän-      und die Inklusive Perspektive methodisch hand-        psychische, emotionale und geistige Entwicklung
• die drei „Kernbedingungen“ auf Seiten der           derung bewirkt,                                    habbar zu machen. Wir nutzen dieses Modell um         und die Bildungsgeschichte.
	Beraterin, auf Seiten des Beraters (Empathie,      • das personzentrierte Menschenbild, das einen       die Inklusive Perspektive auf die Klientin bzw. den
  unbedingte Wertschätzung, Kongruenz), um            Menschen als Person sieht, als Lebewesen, das      Klienten zu entwickeln (s. dazu S. 28).               Folie II: (Mit-) Menschen und ihr Verhalten
  die unbedingte Beratungsbeziehung zu gestalten,     gleichermaßen in sich selbst und für sich selbst                                                         Dazu gehören Eltern, Geschwister, Familien-
• die weiteren von Carl Rogers formulierten           steht wie es auf Beziehung angewiesen und          Die vier Schritte                                     angehörige, Betreuerinnen und Betreuer in der
  „notwendigen und hinreichenden Bedin-               davon abhängig ist (substantialer und rela-        1.	Im ersten Schritt der Analyse steht die Per-       Wohnstätte, Werkstatt für behinderte Menschen
  gungen“ für Persönlichkeitsentwicklung mit          tionaler Personbegriff),                           spektive des behinderten Menschen auf dem             (WfbM), Tagesstruktur; gesetzliche Betreuerinnen
	Hilfe einer Beratungsbeziehung: Psycholo-          • „the need for positive regard“ (das Bedürfnis      Hintergrund seiner Lebensgeschichte im Zentrum,       und Betreuer; Mitbewohnerinnen und Mitbe-
  gischer Kontakt zwischen Klientin bzw. Klient       nach wertschätzender Wahrnehmung) als              und es wird versucht, aus dieser Sicht heraus sein    wohner; Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der
  und Beraterin bzw. Berater, die Klientin, der       anthropologische Grundeinsicht in die Bedürf-      Verhalten zu verstehen (Bilden von Verstehenshy-      WfbM; Freundinnen und Freunde; Ärztinnen und
	Klient ist in einem Zustand der Inkongruenz, die     nisstruktur des Menschen.                          pothesen mit Hilfe von Folie 1).                      Ärzte und andere Behandlerinnen und Behandler.
	Kommunikation von Empathie und bedin-                                                                                                                         Wir versuchen zu eruieren, wo sich konflikthafte
  gungsloser Wertschätzung wird wenigstens in                                                            2.	Im zweiten Schritt betrachten wir die Verhal-      oder hilfreiche Beziehungen zeigen und ob das
  einem minimalen Ausmaß erreicht,                                                                       tensweisen der Menschen, die mit dem Menschen         Verhalten der Betreuerinnen und Betreuer person-
                                                                                                         mit Behinderung umgehen, und die Funktions-           angemessen ist.

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Folie III: Systeme                                   Grundbedürfnisse behinderter Menschen                    turen und Regeln für ein gemeinsames Miteinander       Vertrauen auf Entwicklungsmöglichkeiten
Wir überprüfen die Wohnstätte auf ihre Einrich-      Wir gehen davon aus, dass herausforderndes               und verlässliche Absprachen. Schließlich suchen        Zutrauen in die Entwicklungschancen des Men-
tungsgegenstände, lassen uns die Architektur         Verhalten oftmals mit nicht befriedigten Grund-          Menschen lustvoll fließende Energie im Körper,         schen mit Behinderung erhöhen seine Möglich-
erläutern, bewerten Größe, Helligkeit und Ge-        bedürfnissen der Menschen mit Behinderung                die sich in Sexualität, Sinnlichkeit, Erotik und dem   keiten, ein neues Verhalten auszuprobieren und
räusche. Wir fragen nach dem Betreuungsschlüs-       zusammenhängt, ein Zustand, auf den diese Men-           Wunsch nach Berührung und körperlicher Nähe            festgefahrene Muster loszulassen. Dieses Zu-
sel für den Klienten, besichtigen den Arbeitsplatz   schen mit heftigen Verhaltensweisen als Notbe-           ausdrückt, und aus unserer Sicht ein wichtiger Teil    trauen muss von außen kommen, damit es in der
in der Werkstatt, nehmen die Gestaltung der          helf reagieren, weil ihnen andere Verhaltensmög-         menschlichen Erlebens ist.                             Klientin bzw. im Klienten wirken kann.
Räume unter die Lupe, begutachten die Gruppen-       lichkeiten versperrt sind. Mit der Humanistischen
größe und fragen nach den Freizeitangeboten.         Psychologie (Abraham Maslows Bedürfnispy-                Personzentrierte Konsequenzen für eine gelin-          Selbstverantwortung
                                                     ramide) gehen wir von Grundbedürfnissen aus,             gende Unterstützung/Betreuung                          Der Mensch hat Verantwortung für sich selbst in
Folie IV: Strukturen                                 die sich vielfach ausdrücken: In den Bedürfnissen        Gleichgewicht zwischen Rahmen und Spielraum            dem Maß, in dem er sie übernehmen kann. Dies
Hierher gehören Fragen nach den Dienstplänen,        nach körperlicher und psychischer Integrität,            Soviel Rahmen wie nötig, soviel Spielraum wie          steigert sein Selbstwertgefühl.
Wochenend- und Nachtdiensten, Krankheits- und        nach Selbststeuerung (z.B. eigene Strukturen und         möglich. Ein zu enger Rahmen ist hinderlich für
Urlaubsvertretung, Stellenbesetzungen, Bildung       Regeln), Selbstbestimmung (z.B. Freiräume ohne           die Entwicklung von Eigeninitiative, zu wenig Rah-     Literatur in Auswahl
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Super-         Kontrolle), Selbstentfaltung (z.B. Räume für Krea-       men wirkt unübersichtlich und führt zu Orientie-       Došen, Anton: Psychische Störungen, Verhalten-
visionsangebote etc. Wir fragen nach dem Be-         tivität), Selbstwirksamkeit (z.B. eine Aufgabe, die      rungslosigkeit                                         sprobleme und intellektuelle Behinderung. Ein
treuungskonzept, nach der Zusammenarbeit der         befriedigt), dem Wunsch nach verbindlichen Ab-                                                                  integrativer Ansatz für Kinder und Erwachsene.
Hilfesysteme, klären die medizinische und psy-       sprachen (Zuverlässigkeit), körperlicher Bewegung        Klarheit                                               Göttingen (Hogrefe) 2010
chotherapeutische Behandlung und widmen uns          und gesundem und ausreichendem Essen; Men-               Keine Diskussion über Fakten, die nicht zu ändern
Fragen der Organisationskultur in der Wohnstät-      schen brauchen aus unserer Sicht u.a. verbindliche       sind. Keine Illusionen über Wahlmöglichkeiten          Jochheim, Martin: „Als ob man der Andere
te/WfbM/Tagesstruktur (was darf angesprochen         Beziehungen (wichtige Andere), bedingungslose            wecken, wo keine sind.                                 sei.“ Personzentrierte Beratung mit Inklusiver
werden, was nicht?).                                 Wertschätzung (Liebe), ehrliche Kontakte, Struk-                                                                Perspek­tive bei herausforderndem Verhalten von
                                                                                                              Erleben als zentraler Faktor                           Menschen mit Behinderung. In: Gesprächspsycho-
                                                                                                              Verstehen der Klientin bzw. des Klienten aus seinem    therapie und Personzentrierte Beratung 45 (2014)
                                                                                                              subjektiven Erleben heraus.                            231 – 240, (auch als Download unter: http://www.
                                                                                                                                                                     bso-hessen.com/wa_files/2014-4-gpb_als_ob-
                                                                                                              Ressourcenorientierung                                 man_der_andere_sei.pdf)
                                                                                                              Kritik führt Energie in die unerwünschten Bereiche
                                                                                                              und ist daher nicht hilfreich. Die Maßnahmen           Pörtner, Marlis: Erstnehmen – Zutrauen – Ver-
                                                                                                              orientieren sich ausschließlich an den Stärken der     stehen: Ein personzentriertes Alltagskonzept
                                                                                                              Klientin bzw. des Klienten.                            für den Umgang mit psychischen Störungen bei
                                                                                                                                                                     Menschen mit geistiger Behinderung. Vortrag vom
                                                                                                              Kleine Schritte würdigen                               5.11.1999. Materialien der DGSGB. Band 2. Berlin
                                                                                                              Jeder noch so kleine Veränderungsschritt ist zu        2000. (auch als Download unter: http://dgsgb.de/
                                                                                                              würdigen. Zeigt er doch die Entwicklungsmöglich-       index.php?volume=3-938931-01-9)
                                                                                                              keiten der Klientin bzw. des Klienten.
                                                                                                                                                                     Senckel, B.: Die entwicklungsfreundliche Bezie-
                                                                                                              Der Weg ist das Ziel                                   hung. Ein Angebot für Menschen mit schwerer
                                                                                                              Selbstwirksamkeitserfahrungen sind oft wichtiger       Verhaltensauffälligkeit. In: Geistige Behinderung
                                                                                                              für Entwicklung als die eigentliche Zielerreichung.    40, 2001, S. 337-349 (auch als Link, unter: www.
                                                                                                              Neue Aspekte und Erfahrungen eröffnen oft den          efbe-online.de)
                                                                                                              Blick für neue Perspektiven.

                                                                                Schaubild aus: M. Jochheim:
                                                                                Konsulentendienst. (aaO.)

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