Monatsbericht des BMF Juli 2017 - Bundesfinanzministerium
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Editorial Monatsbericht des BMF Juli 2017 des Ausschusses von Bundesbank, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Bundes- anstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) und dem BMF über die systemische und aufsichtliche Relevanz von Cyberrisiken und die gesetzliche Um- setzung der AFS-Empfehlung zur Schaffung neuer nationaler makroprudenzieller Instrumente für den Wohnimmobilienmarkt. Sie finden zudem in der vorliegenden Ausgabe eine Zusammenfassung des Gutachtens „Herausforderungen der Niedrigzins phase für die Finanzpolitik“ des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen. Liebe Leserinnen, liebe Leser, Am 28. Juni hat das Bundeskabinett den Regie- rungsentwurf für den Haushalt 2018 und den Fi- in Brüssel wurde am 22. Juni 2017 das europäische nanzplan bis 2021 beschlossen. Während die Forschungsnetzwerk „EconPol Europe“ der Öffent- wachstumsorientierten Ausgaben weiter anstei- lichkeit vorgestellt. Unter der Leitung des ifo Ins- gen, kann in jedem Jahr des Finanzplans auf die tituts München haben sich neun europäische For- Aufnahme neuer Schulden verzichtet werden. Für schungsinstitute zu einem Forschungsverbund die Jahre 2019 bis 2021 enthält der Finanzplan aus zusammengeschlossen, um die zukünftige Ausge- heutiger Sicht frei verfügbare Haushaltsmittel von staltung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Eu- kumuliert 14,8 Mrd. €. Deutschland ist somit auf ei- ropa wissenschaftlich zu begleiten. Die Gründung nem guten Weg, die Schuldenstandsquote bis 2020 von „EconPol Europe“ geht auf eine Initiative des auf unter 60 % des Bruttoinlandsprodukts zu sen- BMF zurück. Das Ziel ist eine Stärkung grenzüber- ken – entsprechend der Vorgabe des Stabilitäts- schreitender Forschung und wissenschaftlicher Zu- und Wachstumspakts. Haushalt und Finanzplan sammenarbeit. „EconPol Europe“ soll neue Ideen sind wichtige Beiträge, um das Vertrauen von Wirt- und Lösungsmöglichkeiten in die aktuellen euro- schaft und Verbrauchern in eine anhaltend stabile päischen Debatten einbringen. Die Arbeit des Netz- Wirtschaftsentwicklung zu stärken. werks erfolgt in aller Unabhängigkeit. Wir freuen uns auf diese Bereicherung der Diskussionen und stellen das neue Netzwerk in diesem Heft vor. Am 27. Juni ist in Berlin der Ausschuss für Finanz- stabilität (AFS) zu seiner 18. Sitzung zusammen- Dr. Thomas Steffen gekommen. Neben der Finanzstabilität im Um- Staatssekretär im Bundesministerium feld niedriger Zinsen diskutierten die Mitglieder der Finanzen 3
Inhaltsverzeichnis Analysen und Berichte____________________________________________7 G20-Afrika-Partnerschaftskonferenz am 12./13. Juni in Berlin_____________________________________________ 8 Herausforderungen der Niedrigzinsphase für die Finanzpolitik___________________________________________ 11 Das Europäische Forschungsnetzwerk „EconPol Europe“_________________________________________________ 17 Ein größerer Haushalt für das neue Europa?_____________________________________________________________ 19 Abschluss des Forschungsprojekts „Staatseigentum“_____________________________________________________ 22 Zweite Jahrestagung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank______________________________________ 25 Neue Marksteine im Datenschutz________________________________________________________________________ 30 Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________37 Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 38 Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 39 Steuereinnahmen im Juni 2017__________________________________________________________________________ 46 Entwicklung des Bundeshaushalts bis einschließlich Juni 2017___________________________________________ 51 Entwicklung der Länderhaushalte bis Mai 2017__________________________________________________________ 56 Finanzmärkte und Kreditaufnahme des Bundes__________________________________________________________ 59 Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 70 Aktuelles aus dem BMF__________________________________________75 Termine_________________________________________________________________________________________________ 76 Publikationen___________________________________________________________________________________________ 77 Statistiken und Dokumentationen_______________________________79 Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 80 Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 81 Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunkturkomponenten des Bundes________________ 81 Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 82 5
Analysen und Berichte G20-Afrika-Partnerschaftskonferenz am 12./13. Juni in Berlin 8 Herausforderungen der Niedrigzinsphase für die Finanzpolitik 11 Das Europäische Forschungsnetzwerk „EconPol Europe“ 17 Ein größerer Haushalt für das neue Europa? 19 Abschluss des Forschungsprojekts „Staatseigentum“ 22 Zweite Jahrestagung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank 25 Neue Marksteine im Datenschutz 30
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Juli 2017 G20-Afrika-Partnerschaftskonferenz am 12./13. Juni in Berlin ●● Am 12./13. Juni fand die G20-Konferenz „G20 Africa Partnership – Investing in a Common Future“ in Berlin statt. ●● Zu der Konferenz hatten das Bundeskanzleramt, das BMF, das Bundesministerium für wirt- schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie die Deutsche Bundesbank eingeladen. ●● Im Mittelpunkt der Gespräche standen die drei Säulen der G20-Partnerschaft mit Afrika: 1. Förderung inklusiven Wirtschaftswachstums und inklusiver Beschäftigung, 2. Aufbau hochwertiger Infrastruktur insbesondere im Energiesektor und 3. Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Finanzierung und private Investitionen in Afrika (der sogenannte Compact with Africa). ●● Zur G20-Initiative „Compact with Africa“ erklärten die Minister von afrikanischen Ländern, die sich an dieser Initiative beteiligen („Compact-Länder“), ihre Bereitschaft, Reformen umzusetzen, um ihre Länder für private Investoren attraktiver zu machen. Sie nutzten auch die Gelegenheit, ihre Reformvorhaben mit den G20-Partnern, den internationalen Finanzinstitutionen und der Privatwirtschaft zu besprechen. Einleitung Im Mittelpunkt der Konferenz standen die drei Säulen der G20-Partnerschaft mit Afrika: Das Bundeskanzleramt, das BMF, das Bundesmi- nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit 1. Förderung inklusiven Wirtschaftswachstums und Entwicklung sowie die Deutsche Bundesbank und inklusiver Beschäftigung, hatten am 12./13. Juni 2017 in Berlin zur interna- tionalen Konferenz „G20-Partnerschaft mit Af- 2. Aufbau hochwertiger Infrastruktur insbesonde- rika – Investitionen in eine gemeinsame Zukunft“ re im Energiesektor und eingeladen. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel eröffnete die Tagung, die afrikanische Staatschefs 3. Verbesserung der Rahmenbedingungen für und Minister, G20-Vertreter und internationale private Finanzierung und private Investitionen Vertreter der Wirtschaft und des Finanzsektors zu- in Afrika (der sogenannte Compact with Africa). sammenbrachte. 8
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF G20-Afrika-Partnerschaftskonferenz am 12./13. Juni in Berlin Juli 2017 Über zwei Tage wurde diskutiert, wie Wirtschafts- Menschen auf dem afrikanischen Kontinent. Viele wachstum und inklusive Beschäftigung durch mehr afrikanische Staaten haben in den vergangenen private Investitionen und bessere Infrastruktur ins- Jahren tiefgreifende Reformen umgesetzt. Diese Analysen und Berichte besondere im Energiesektor gefördert werden kön- haben die Stabilität erhöht und die institutionel- nen. Die „Compact with Africa“-Initiative, die auf len Rahmenbedingungen verbessert, was sich nun eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für in stabilem Wirtschaftswachstum und besserer Re- private Investitionen zielt, stellte einen besonderen gierungsführung niederschlägt. Dennoch gibt es Schwerpunkt der Diskussionen dar. Private Investi- weiterhin Schwachpunkte – viele Länder sind wirt- tionen bilden eine Grundvoraussetzung für starkes, schaftlich von Rohstoffexporten abhängig und re- ausgewogenes und nachhaltiges Wachstum. agieren daher empfindlich auf Schwankungen bei den Rohstoffpreisen. Gleichzeitig müssen die An- Bei der Konferenz kamen über 800 Teilnehmer aus sprüche einer wachsenden und jungen Bevölke- afrikanischen sowie G20- und Partnerländern zu- rung erfüllt werden; zudem wird nachhaltiges sammen, darunter 11 Staats- und Regierungschefs Wachstum nach wie vor durch Friedens- und Si- und 35 Fachminister, mehr als 130 Investoren der cherheitsgefährdungen sowie anhaltende Schwie- Privatwirtschaft aus 25 Ländern, Vertreter der in- rigkeiten in den Bereichen Regierungsführung und ternationalen Organisationen und Repräsentan- Rechtsstaatlichkeit gehemmt. ten der Zivilgesellschaft mit Fachwissen zu Afrika. Insgesamt 178 Journalisten berichteten von der Ta- gung. Die Konferenzteilnehmer befürworteten die Dialog auf höchster Ebene zur G20-Partnerschaft mit Afrika und erklärten ihre G20-Initiative „Compact with Bereitschaft, diese aktiv zu unterstützen. Africa“ Hochrangige politische Der Dialog zum „Compact with Africa“ wurde Eröffnung vom Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, und dem Bundesminister für wirtschaft- Am ersten Tag wurde die Konferenz von Bundes- liche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd kanzlerin Dr. Angela Merkel gemeinsam mit Alpha Müller, eröffnet. Die Finanzminister der afrikani- Condé, Präsident der Republik Guinea und Vor- schen Compact-Länder Äthiopien, Elfenbeinküste, sitzender der Afrikanischen Union, sowie Paolo Ghana, Marokko, Ruanda, Senegal und Tunesien, Gentiloni, Ministerpräsident der Italienischen Re- die Führungsspitzen internationaler Finanzinstitu- publik und Vorsitzender der G7, eröffnet. Es folg- tionen (Afrikanische Entwicklungsbank, Internati- ten Eröffnungsreden der folgenden Staats- und onaler Währungsfonds, Weltbank) sowie Vertreter Regierungschefs: Abdel Fattah al-Sisi (Ägypten), von G20-Mitgliedern und Gastländern erörter- PhD Alassane Dramane Outtara (Elfenbeinküste), ten den neuen Ansatz der im Finanzstrang der G20 Nana Addo Dankwa Akufo-Addo (Ghana), Ibrahim entwickelten Initiative: Durch Investitionspartner- Boubacar Keïta (Mali), Mahamadou Issoufou (Ni- schaften zwischen den Compact-Ländern, den inter- ger), Paul Kagame (Ruanda), Macky Sall (Senegal) nationalen Finanzinstitutionen und Partnerländern und Béji Caïd Essebsi (Tunesien). sollen die Rahmenbedingungen für private Investi- tionen und Investitionen in Infrastruktur durch ge- Die Staats- und Regierungschefs würdigten die zielte Maßnahmen und Instrumente verbessert wer- jüngsten Erfolge bei nachhaltigem Wachstum den. Einige Vertreter von G20-Ländern sowie der und beachtlicher Entwicklung in Afrika und be- Niederlande und Norwegens erklärten ihre Bereit- schrieben die Erwartungen und Bedürfnisse der schaft, sich an den Partnerschaften zu beteiligen. 9
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF G20-Afrika-Partnerschaftskonferenz am 12./13. Juni in Berlin Juli 2017 Folgende Aspekte des „Compact with Africa“ wur- Investorengespräche den dabei besonders hervorgehoben: Gesprächsrunden zwischen Finanzministern der 1. Eine Teilnahme steht allen afrikanischen Staa- afrikanischen Compact-Staaten, Investoren und ten offen, die Interesse an einer nachhaltigen Vertretern von Organisationen der Entwicklungsfi- Verbesserung der Rahmenbedingungen für nanzierung gaben Raum für einen Austausch über private Investitionen haben. erste Entwürfe für Investitionspartnerschaften und konkrete Sektoren und Projekte, bei denen eine Be- 2. Eines der Hauptelemente ist eine engere Koope- teiligung der Privatwirtschaft in den betreffenden ration und bessere Koordinierung zwischen den Ländern am meisten benötigt wird. Beteiligten. Die Investoren begrüßten die „Compact with 3. Ziel ist ein geschlossenes Handeln auf der Basis Africa“-Initiative sowie die Möglichkeit, in einen der Bereitschaft aller Seiten, die richtigen Rah- Dialog mit den Compact-Staaten zu treten. Sie un- menbedingungen für private Investitionen zu terstrichen, dass eine gute öffentliche Infrastruk- schaffen. tur, der Zugang zu politischen Entscheidungsträ- gern, eine transparente Entscheidungsfindung, 4. Der Fortbestand der Initiative über die deutsche kompetente und gut ausgebildete Arbeitskräfte, Präsidentschaft hinaus wird durch eine G20-Ar- funktionierende inländische Kapitalmärkte, eine beitsgruppe gesichert. zuverlässige Regulierung und Besteuerung sowie einfache bürokratische Prozesse für Investoren von entscheidender Bedeutung sind. Verschiedene Ver- Fachgespräche zu Rahmen treter der Wirtschaft bekundeten ihr Interesse, in konkrete Länder und Sektoren zu investieren. An- bedingungen für Investitionen dere unterstrichen ihre bereits bestehende Präsenz am zweiten Tag der Konferenz in den Compact-Staaten und den Umfang ihrer Ge- schäfte dort. Die Vertreter der Entwicklungsfinan- Nach Eröffnung durch Dr. Jens Weidmann, den Prä- zierungsinstitutionen betonten ebenfalls ihr Be- sidenten der Deutschen Bundesbank, und Moussa kenntnis zur Initiative und präzisierten mögliche Faki Mahamat, den Präsidenten der Kommission Beiträge – von technischer Hilfe bis zur Entwick- der Afrikanischen Union, standen am zweiten Tag lung innovativer Produkte – die zur Mobilisierung thematische Fachgespräche auf dem Programm. privaten Kapitals beitragen werden. Dabei ging es vor allem um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen in afrika- nischen Ländern und um die Schaffung hochwerti- Schlussfolgerung ger Infrastruktur, auch in instabilen Staaten. Zudem fanden Gespräche mit privaten Investoren statt. Die G20-Konferenz „G20 Africa Partnership – In- vesting in a Common Future“ hat einen wichti- gen Beitrag zur weiteren Umsetzung der G20-Af- rika-Partnerschaft geleistet. Sie vertiefte damit die Grundlagen für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der G20 und afrikanischen Staaten weiter und stärkte die Aufmerksamkeit bei privaten In- vestoren für Chancen in Afrika. 10
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Juli 2017 Herausforderungen der Niedrigzinsphase für die Finanzpolitik Analysen und Berichte ●● Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen hat ein Gutachten zu den Herausforderungen der Niedrigzinsphase vorgelegt. Der Artikel gibt eine Kurzfassung wieder. ●● Die Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der Staatsschulden bleibt von zentraler Bedeutung. ●● Gegebenenfalls geringere Kapitalkosten sind keine hinreichende Bedingung für eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen. ●● Das niedrige Zinsniveau bringt Stabilitätsrisiken mit sich. Die Finanzmarktregulierung sollte daher konsequent weiterentwickelt werden. Einleitung öffentlicher Ausgaben zu nutzen, um eine in den niedrigen Zinsen zum Ausdruck kommende Stag- Die anhaltende Niedrigzinsphase (siehe Abbil- nation der wirtschaftlichen Entwicklung zu über- dung 1) geht einher mit geänderten Bedingungen winden. Vor diesem Hintergrund diskutiert der und neuen Herausforderungen für die Finanzpo- Wissenschaftliche Beirat beim BMF in einer aktu- litik. Der unmittelbare Effekt für die öffentlichen ellen Stellungnahme1, ob und gebenenfalls wie die Haushalte ist eine Entlastung bei der Bedienung Finanzpolitik reagieren soll. Sollen wegen der ver- staatlicher Schulden. Wenn diese Entlastung zu ei- änderten Finanzierungskosten die Staatsschulden ner Rückführung der Neuverschuldung genutzt erhöht werden und damit öffentliche Investitionen wird, kann es zu einer Verbesserung der langfris- zur Bekämpfung wirtschaftlicher Stagnation aus- tigen Tragfähigkeit der Verschuldung kommen. geweitet werden? Dies wäre zu begrüßen, da sich Bund und Länder im Rahmen der Schuldenbremse enge Ziele zur 1 Die Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF sind Konsolidierung gesetzt haben. In der Debatte wer- als Beitrag zum allgemeinen Diskurs zu verstehen und geben nicht notwendigerweise die Meinung des BMF wieder. Die den aber auch Forderungen erhoben, die Niedrig- Langfassung wurde auch als Broschüre herausgegeben zinsphase zu einer kreditfinanzierten Ausweitung (http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20170721). 11
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen der Niedrigzinsphase für die Finanzpolitik Juli 2017 Abbildung 1 Rendite der langfristigen Staatsanleihen im Unterschied zur Inflationsrate in % 8 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. Jan. 1960 1963 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 10-Jahressatz abzüglich Verbraucherpreisindex (CPI) Gleitender Durchschnitt 12 Monate Differenz der durchschnittlichen Rendite der langfristigen Staatsanleihen des Bundes in % p. a. und der Jahresrate der Verbraucherpreisentwicklung (Monatswerte). Quellen: OECD, eigene Berechnungen Die Ursachen für den Rückgang des Zinsniveaus Kreditfinanzierte Ausweitung sind Gegenstand einer intensiven akademischen der Staatsausgaben? und politischen Diskussion. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es vielfältige und teilweise Für die Beurteilung der Frage, ob eine kreditfinan- kontroverse Erklärungsansätze für den Rückgang zierte Ausweitung staatlicher Ausgaben die ange- des Zinsniveaus gibt, die sowohl auf einen wesent- messene Reaktion darstellt, ist zunächst zu klä- lichen Einfluss der Geldpolitik als auch auf eine ren, ob mit einer Fortsetzung der Niedrigzinsphase Reihe realwirtschaftlicher Faktoren verweisen. zu rechnen ist. Sofern die Geldpolitik für das nied- Eine theoretisch und empirisch gleichermaßen rige Niveau der realen Zinsen verantwortlich ist, überzeugende zentrale Erklärung liegt nicht vor. stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, mit Diese Unsicherheit über die Ursachen muss bei der welchem Kurs der Geldpolitik zu rechnen ist. Auf Ableitung wirtschaftspolitischer Handlungsemp- der Grundlage seiner Bewertung der makroöko- fehlungen berücksichtigt werden. nomischen Entwicklung im Euroraum hält der 12
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen der Niedrigzinsphase für die Finanzpolitik Juli 2017 Sachverständigenrat (2016) die expansive Geldpo- Bei verschiedenen realwirtschaftlichen Faktoren, litik der Europäischen Zentralbank (EZB) für un- die zur Entwicklung der Realzinsen über Erspar- angemessen und empfiehlt den Ausstieg aus dieser nisbildung und Anlegerverhalten beitragen, ist eine Analysen und Berichte Politik. Die EZB hat eine Abkehr von der gegenwär- Entspannung zu erwarten. So wird sich der Auf- tigen Politik niedriger Zinsen und der Käufe von holprozess in den Schwellenländern abschwächen Staats- und Unternehmensanleihen für den Fall in und damit das Angebot an Ersparnissen reduzieren Aussicht gestellt, dass die Inflationsentwicklung in (vgl. Eichengreen, 2015). Auch wenn sich in diesen Europa an Dynamik gewinnt und sich wieder dem Ländern stabile Institutionen herausbilden, welche von der EZB genannten Ziel von knapp unter 2 % die Anleger dieser Länder veranlassen, die Erspar- nähert. Zwar hat sich die Preisentwicklung im Eu- nisse in den heimischen Märkten anzulegen, käme roraum in den vergangenen Quartalen wieder es zu einer Normalisierung der Zinsentwicklung deutlich belebt, eine Kurswende in der Geldpolitik in den entwickelten Ländern. Auch bei den Fakto- steht aber noch aus. ren, die eine geringe Investitionsneigung herbei- führen, ist teilweise mit einer Erholung zu rechnen. Kritiker der deutschen Finanzpolitik (Krugman, Die hohe Schuldenlast in der Folge der Wirtschafts- 2014) führen die expansive und unkonventionelle und Finanzkrise im Euroraum ist im Kern transito- Geldpolitik der EZB auf die mangelnde fiskalpoliti- rischer Natur. Erholt sich die wirtschaftliche Ent- sche Koordinierung in Europa und auf die auf den wicklung in Europa, ist mit einer Normalisierung Haushaltsausgleich ausgerichtete Finanzpolitik in des Zinsniveaus im Sinne einer Angleichung an die Deutschland zurück. Nach dieser Sichtweise würde üblichen Niveaus der Vergangenheit zu rechnen. eine schuldenfinanzierte Expansion der Staatsaus- gaben in Deutschland wichtige Impulse zur Über- Geht man von Erklärungsansätzen aus, die auf windung der geringen Nachfrage in Europa liefern. den demografischen Wandel oder auf den Rück- Empirische Erkenntnisse zeigen indes, dass die gang des Produktivitätswachstums abstellen, ist Überschwappeffekte höherer fiskalischer Ausga- eine Rückkehr des realen Zinssatzes zu histori- ben und damit die hieraus resultierenden Wirkun- schen Normalwerten nicht abzusehen. Im Hinblick gen der „Lokomotivfunktion“ Deutschlands für die auf die demografische Veränderung in den entwi- europäischen Nachbarländer begrenzt sind.2 Von ckelten Ländern ist zu erwarten, dass auf mittlere einer schuldenfinanzierten Expansion der Staats- Frist geburtenschwächere Jahrgänge nachrücken, ausgaben in Deutschland erhoffen sich Kritiker die durch den Volumeneffekt einen Rückgang der der deutschen Finanzpolitik auch, dass die Preis Ersparnisse herbeiführen. Dies könnte zu einer Ab- entwicklung in Deutschland weiter angeregt wird, schwächung der Ersparnis führen. Allerdings ist was die Wiedergewinnung der preislichen Wett- wegen des Schrumpfens der nachwachsenden Ko- bewerbsfähigkeit in den Krisenländern des Euro- horten keine Stabilisierung des Altersquotienten zu raums indirekt begünstigen und deren Anpassung erwarten, sodass das Vorsorgemotiv auch weiter- entsprechend erleichtern würde. Dies könnte dann hin die Bildung der Ersparnisse antreiben dürfte. auch die EZB veranlassen, eine weniger expansive Zudem führt die zunehmende Lebenserwartung Geldpolitik zu führen. Ob sich eine solche Politik- vermutlich zu einer fortgesetzten Verstärkung des reaktion einstellt, ist aber völlig ungewiss, zumal Sparmotivs. Was die Entwicklung der Produktivität dies nicht nur von der EZB, sondern auch von der angeht, hat sich das Wachstum an der technologi- Wirtschafts- und Finanzpolitik der anderen Länder schen Grenze deutlich verlangsamt (Gordon, 2012, innerhalb und außerhalb der Währungsunion ab- 2015). Auch andere Triebkräfte des Produktivitäts- hängt. wachstums wie vermehrte Bildungsanstrengungen haben nachgelassen (Fernald und Jones, 2014). Ein weiteres Argument sieht die anhaltende Schwäche in der Investitionsnachfrage nicht so sehr in nach- 2 Siehe Hebous und Zimmermann (2013) und Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 08-2016, S. 13-17. lassendem Produktivitätswachstum begründet als 13
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen der Niedrigzinsphase für die Finanzpolitik Juli 2017 vielmehr in einem starken Rückgang der Preise für dadurch erschwert, dass neben der Reduktion der Investitionsgüter (z. B. Eichengreen, 2015). Als Er- bereits bestehenden Schulden auch die zusätzlich klärung dafür wird der Übergang in das „Informa- aufgenommenen Schulden zurückgeführt werden tionszeitalter“ angeführt.3 müssten (siehe auch Lo und Rogoff, 2015). Als Reaktion auf eine aus der Demografie oder der Dies gilt im Ansatz auch, wenn die Ausweitung der Entwicklung der Produktivität herrührende anhal- Verschuldung verbunden wird mit einer Auswei- tende Niedrigzinsphase wird vielfach eine aktive tung von staatlichen Investitionen oder Bildungs- Rolle der Finanzpolitik eingefordert. Insbesondere ausgaben. Werden durch diese Maßnahmen starke wird eine durch die Aufnahme von Schulden finan- Produktivitätseffekte ausgelöst, stünden der hö- zierte Ausweitung staatlicher Ausgaben zur Über- heren Verschuldung eventuell auch höhere Ein- windung der säkularen Stagnation gefordert (ver- nahmen in der Zukunft gegenüber, was entspre- gleiche Summers, 2015, Eichengreen, 2015). Dies chend zu berücksichtigen ist. Allerdings gilt das wird zumeist verbunden mit dem Vorschlag, zusätz- unabhängig von der Niedrigzinsphase. Der reale liche Mittel für die öffentliche Infrastruktur oder Zinssatz und die Wachstumsrate sind wichtige Pa- für das Bildungssystem bereitzustellen. Ginge man rameter zur Bewertung der Nutzen öffentlicher davon aus, dass die gegenwärtige Niedrigzinsperi- Projekte. Bei niedrigen Werten für diese Parame- ode letztlich durch ein Überangebot an Ersparnis- ter fällt die Diskontierung geringer aus und zu- sen verursacht ist, wäre die konkrete Verwendung künftige Erträge bekommen ein höheres Gewicht. der Mittel allerdings zweitrangig. Die Notwendig- Ob aber ein Ausgabenprogramm einen Nettonut- keit für eine Ausweitung öffentlicher Ausgaben zen erzielt, hängt von vielen Faktoren ab. Bei ei- läge vielmehr in dem Fehlen von rentierlichen In- nem Investitionsprojekt beispielsweise sind zu- vestitionsmöglichkeiten. Nach dieser Sichtweise nächst die Kosten des Projekts zu nennen, die von bieten staatliche Ausgaben, die durch öffentliche den Preisen für Investitionsgüter sowie den Pla- Verschuldung finanziert werden, die Möglichkeit nungs- und Umsetzkosten abhängen.4 Im Hinblick zur Absorption all der übermäßigen Ersparnisse, auf den Nutzen ist die Höhe des durch Investitio- die in den Schwellenländern oder auch von den Er- nen in der Vergangenheit gebildeten Bestands der werbstätigen hierzulande angehäuft werden. Da- öffentlichen Infrastruktur von Bedeutung. Gibt es mit würde ein weiterer Aufbau des Kapitalbestands bereits eine leistungsfähige Infrastruktur, entsteht verhindert, der nach dieser Sichtweise den Realzins aus der Ausweitung der Ausgaben nur ein geringer unter Druck bringt. Wie stark die Verschuldung in- Gegenwert.5 In einer breiteren Perspektive ist da- des anwachsen sollte oder müsste, um eine Stagna- her die Ausweitung der öffentlichen Investitionen tionskrise zu überwinden, lässt sich aus der theore- keineswegs zwangsläufig die richtige Reaktion auf tischen Diskussion nicht ableiten. niedrige Zinsen. So sind die Baukosten in den ver- gangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als die Sieht man einmal davon ab, dass eine starke Aus- Verbraucherpreise. Im Zuge der Wirtschafts- und weitung der Verschuldung mit den Bestimmungen Finanzkrise ist in Deutschland gerade vor wenigen des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht verein- Jahren ein umfangreiches Programm zur Förde- bar ist, würde eine solche Reaktion die Stabilität der rung öffentlicher Investitionen umgesetzt worden öffentlichen Finanzen beeinträchtigen. Angesichts und der Finanzplan des Bundes sieht ohnehin eine der erheblichen Unsicherheit in der Diagnose der Niedrigzinsphase und ihrer Ursachen ist davon 4 Vielfach sind auch Probleme bei der Planung und Umsetzung auszugehen, dass die Tragfähigkeit der öffentli- von öffentlichen Investitionsprogrammen zu konstatieren. chen Haushalte dann nicht mehr gewährleistet Als Beispiel für derart verfehlte staatliche Investitionen wird häufig der Flughafen BER Berlin Brandenburg angeführt. ist. Dann würde die wirtschaftliche Erholung aber Dies legt allerdings in erster Linie Reformen im Prozess der öffentlichen Investitionstätigkeit nahe. 3 Siehe z. B. Karabarbounis und Neiman (2013). 5 Vergleiche hierzu Fernald (1999). 14
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen der Niedrigzinsphase für die Finanzpolitik Juli 2017 deutliche Steigerung der Investitionen bis 2018 vor. Voraussetzung einer adäquaten makroökonomi- Auch wenn weitere profitable Investitionsprojekte schen Strategie zur Bewältigung des demografi- vorliegen und wenn ein Anstieg der Bildungsaus- schen Wandels ist. Analysen und Berichte gaben deutliche Produktivitätseffekte auslöst, ist die Entscheidung für solche Ausgabenprogramme Zweitens ist zu berücksichtigen, dass der Rück- aber von der Frage der Finanzierung zu trennen. gang des Bevölkerungswachstums ebenso wie In den vergangenen Jahren sind die Steuereinnah- die Abschwächung des Produktivitätsfortschritts men in Deutschland massiv gestiegen, die für 2017 zwangsläufig mit einem Rückgang des Wirtschafts- prognostizierten Steuereinnahmen liegen um wachstums einhergeht. Dieser reduziert für sich ge- rund 29 % oberhalb der Einnahmen im Jahr 2008 nommen die Tragfähigkeit der bestehenden öffent- vor der Finanzkrise.6 Finanzierungsengpässe, die lichen Verschuldung. Indikatoren zur langfristigen eine Verschuldung für etwaige Investitions- oder Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung stel- Ausgabenprogramme erforderlich machen, sind in len entsprechend nicht auf den Zinssatz ab, son- dieser Lage nicht zu erkennen. dern vielmehr auf die Differenz zwischen Zinssatz und Wachstumsrate. Demgemäß kann ein Rück- Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich für die Fi- gang des Zinsniveaus, der begleitet wird von einem nanzpolitik ein vorsichtiger Ansatz, der nicht alles hinreichend starken Rückgang des Wachstums, auf eine Karte setzt und angesichts verschiedener trotz niedriger Zinsen auch zu einer Verschlechte- gegenwärtig konkurrierender Erklärungsansätze rung der langfristigen Tragfähigkeit führen. und der Komplexität der Auswirkungen auf ver- schiedene wirtschaftliche Akteure auch offen für Drittens bestehen in Deutschland bereits erhebli- Erkenntnisgewinn über die Zeit ist. che Zahlungsverpflichtungen vor allem bei gesetz- lichen Renten und Beamtenpensionen. Vor diesem Hintergrund ergeben sich bei der zur Überwin- Risiken für die Finanzpolitik dung einer säkularen Stagnation geforderten mas- siven Ausweitung staatlicher Verschuldung nicht Ein solcher vorsichtiger Ansatz erhält zusätzliches nur Zweifel an der Wirksamkeit. Eine solche Poli- Gewicht durch weitere Aspekte. Erstens erfolgt ge- tik müsste im Falle Deutschlands und anderer eu- rade in Deutschland – wie in anderen entwickelten ropäischer Länder als überaus riskant eingestuft Ländern bereits durch die verschiedenen Zweige werden. So nennt der jüngste Tragfähigkeitsbericht der Sozialversicherung – in erheblichem Umfang des BMF eine Reihe von Risiken für die langfris- eine Finanzierung des Ruhestands durch öffent- tige Tragfähigkeit der Sozialkassen und der öffent- liche Transfers.7 In diesen Systemen führt der de- lichen Haushalte, und dies sowohl auf der Einnah- mografische Wandel in den kommenden Jahren men- als auch auf der Ausgabenseite.8 bekanntermaßen zu erheblichen Anpassungserfor- dernissen. Eine konsistente Adressierung der Kapi- Viertens geht das niedrige Zinsniveau auch ohne talmarkteffekte des demografischen Wandels kann eine Ausweitung staatlicher Verschuldung einher daher nicht darin bestehen, Anlagemöglichkeiten mit wachsenden Risiken für Finanzmärkte und öf- für private Ersparnisse zu finden. Sie muss viel- fentliche Haushalte. Das niedrige Zinsniveau im- mehr berücksichtigen, dass die nachhaltige Finan- pliziert ein starkes Wachstum der Vermögens- zierung der Sozialversicherung eine wesentliche werte. Dies kann unter Ausnutzung vermeintlich dauerhaft höherer Beleihungswerte zum übermä- 6 Siehe Finanzbericht (2017), Tabelle 11. ßigen Aufbau privater Verschuldung führen, die 7 Nach Mason, Lee, Stojanovic, Abrigo und Ahmed (2015, S. 13) bei Zinsänderungen zu verbreiteter Zahlungsun- liegen 2010 die öffentlichen Nettotransfers an Altersjahrgänge fähigkeit führt, vergleichbar mit der Entwicklung über 60 Jahren in Deutschland, Japan und den USA bei etwa 30 % des Durchschnittseinkommens der Altersjahrgänge zwischen 30 und 50 Jahren. 8 Vergleiche BMF (2016). 15
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen der Niedrigzinsphase für die Finanzpolitik Juli 2017 in Irland, Spanien und den USA in der Finanzkrise Zusammenfassung der Jahre 2008 und 2009. Hinzu kommt, dass deut- sche Kreditinstitute in ihren Erträgen besonders Einsparungen beim Schuldendienst sind kein Ar- zinsabhängig sind, die niedrigen Zinsen daher de- gument dafür, vom Pfad einer konsequenten wei- ren Ertragslage gefährden und die Bildung von Ei- teren Haushaltskonsolidierung abzuweichen. genkapital behindern, gerade wenn die Umstellung Die Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der auf ein stärker gebührenfinanziertes Geschäftsmo- Staatsschulden bleibt von zentraler Bedeutung so- dell längere Zeit in Anspruch nehmen sollte (SVR, wohl angesichts der Zinsänderungsrisiken als auch 2015). Daher ist zu befürchten, dass Finanzinstitu- wegen der sich aus dem demografischen Wandel tionen vermehrt übermäßige Risiken eingehen, um ergebenden Risiken für öffentliche Haushalte und sich höhere Renditen zu sichern.9 Hinzu kommt, die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung. dass Zinsänderungsrisiken bei Niedrig- und spezi- Die durch das niedrigere Zinsniveau implizierten ell Nullzinsen angesichts der größeren Hebelwir- geringeren Kapitalkosten sind keine hinreichende kung auf die Vermögenswerte besonders aufmerk- Bedingung für eine Ausweitung von öffentlichen sam zu betrachten sind. Dies stellt insbesondere Investitionen, da auch die Quantität und Qualität auch die Regulierung auf den Finanzmärkten vor der bestehenden Infrastruktur, die aktuellen Bau- erhebliche Herausforderungen. kosten und die zu erwarteten Produktivitätseffekte zu berücksichtigen sind. Angesichts der massiv ge- stiegenen Steuereinnahmen erscheint eine Aus- 9 Solvenzgefährdete Finanzinstitutionen könnten z. B. ein „Gambling for Resurrection“ betreiben, also hochspekulative weitung der Neuverschuldung ohnehin nicht er- Geschäfte eingehen, bei denen bei positivem Ausgang die forderlich. Solvenz wiederhergestellt ist, bei negativem Ausgang und unvollständigem Bail-in die Lasten aber beim Steuerzahler landen. 16
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Juli 2017 Das Europäische Forschungsnetzwerk „EconPol Europe“ Analysen und Berichte ●● Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung in Brüssel hat sich das europäische Forschungsnetzwerk „EconPol Europe” am 22. Juni 2017 der Öffentlichkeit vorgestellt. ●● Neun europäische Forschungsinstitute haben sich unter der Leitung des ifo Instituts zu einem Forschungsverbund zusammengeschlossen, um die zukünftige Ausgestaltung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa wissenschaftlich zu begleiten. ●● Die Gründung des Netzwerks geht auf eine Initiative des BMF zurück und zielt darauf ab, die grenzüberschreitende Forschung und wissenschaftliche Zusammenarbeit in Europa zu stärken. Hintergrund acht europäische Forschungsinstitute an. Damit wird das Netzwerk auf die Expertise von mehre- Am 22. Juni 2017 fand in Brüssel die Auftaktveran- ren hundert Forschern des ifo Instituts (München), staltung des europäischen Forschungsnetzwerks des Centre for European Policy Studies (CEPS, Brüs- „EconPol Europe“1 statt. Hierbei stellte sich das Netz- sel), des Centre d’Études Prospectives et d’Informa- werk vor und präsentierte erste Arbeitsergebnisse.2 tions Internationales (CEPII, Paris), des Instituts für Die Gründung des Netzwerks erfolgte auf Initiative Höhere Studien (IHS, Wien), der Toulouse School des BMF, das das ifo Institut mit der Etablierung ei- of Economics, der University of Oxford (Centre for nes europäischen Forschungsverbunds mit Präsenz Business Taxation), der Università di Trento (UdT), in Brüssel beauftragt hat. Die Arbeit des Netzwerks des Instituts Valtion Taloudellinen Tutkimuskes- erfolgt in aller Unabhängigkeit. kus (VATT, Helsinki) sowie des Zentrums für Euro- päische Wirtschaftsforschung (ZEW, Mannheim) zu- Zielsetzung des Netzwerks ist es, die grenzüber- rückgreifen können. schreitende Forschung in Europa zu vertiefen und die öffentliche Wahrnehmung stabilitätsorien- tierter Wirtschafts- und Finanzpolitik zu stärken. Themenschwerpunkte Das Netzwerk soll dazu beitragen, die europäische Idee in den Mitgliedsländern noch tiefer zu veran- Das Forschungsnetzwerk wird sich mit aktuellen kern und gleichzeitig die jeweiligen nationalen In- europapolitischen Fragen befassen. Hierzu gehört teressens- und Bedürfnislagen bei der Erarbeitung die Fortentwicklung der Europäischen Wirtschafts- effizienter und tragfähiger gesamteuropäischer und Währungsunion (EWWU). Zudem sollen For- Lösungsansätze besser zu berücksichtigen. Dem For- schungsbeiträge zu mittelfristigen strukturellen schungsnetzwerk gehören neben dem ifo Institut Fragen in den Bereichen Finanz- und Wirtschafts- politik bearbeitet und möglicher Handlungsbedarf 1 Informationen zu Organisation und Arbeit des Forschungs mit Blick auf die Wahrung der Stabilität der Wäh- netzwerks sind im Internet unter www.econpol.eu verfügbar. rungsunion und der Funktionsfähigkeit des Binnen- 2 Vergleiche Delatte et al. (2017): „The Future of Eurozone markts aufgezeigt werden. Das Forschungsnetzwerk Fiscal Governance”, EconPol Policy Report 01/2017 (http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20170731). 17
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Das Europäische Forschungsnetzwerk „EconPol Europe“ Juli 2017 wird seine Arbeit auf vier Themenschwerpunkte Governance und konzentrieren: makroökonomische Politik in der EWWU Nachhaltiges Wachstum und „Best Dieses Themenfeld umfasst Fragen der politischen Practice“ Ökonomie bei der institutionellen Architektur der EWWU. Es wird untersucht, ob die im Zuge der Hier wird das Forschungsnetzwerk herausarbeiten, Schuldenkrise ergriffenen Reformmaßnahmen für was die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Stabilisierung von öffentlichen Haushalten, Ban- (EU) voneinander lernen können, um nachhalti- kensektor und Wirtschaft hinreichend sind. Hierbei ges und inklusives Wirtschaftswachstum zu fördern sollen insbesondere die Rolle der Finanzpolitik ana- und die Voraussetzungen für die erfolgreiche Um- lysiert und mögliche Ansatzpunkte für eine Verbes- setzung von Strukturreformen zu schaffen. Hierbei serung der Koordinierung von Fiskalpolitik in Eu- wird ein Schwerpunkt auf der vergleichenden Ana- ropa diskutiert werden. lyse der Determinanten des Produktivitätswachs- tums in den Mitgliedstaaten liegen. Ausblick Reform der EU-Politiken und des Mit der Auftaktveranstaltung am 22. Juni 2017 in EU-Haushalts Brüssel hat das europäische Forschungsnetzwerk „EconPol Europe“ offiziell seine Arbeit aufgenom- In diesem Themenfeld wird u. a. die Frage nach der men. Das Netzwerk wird zukünftig mit einer Reihe künftigen Ausrichtung des EU-Haushalts bearbei- von Publikationen und Veranstaltungen zur euro- tet. Dabei wird sowohl die Ausgaben- als auch die päischen Politikdebatte beitragen. Anlässlich seiner Einnahmenseite betrachtet. Zudem wird analysiert, Gründung lädt das Netzwerk am 9. und 10. Novem- wann und in welchem Umfang eine Koordinierung ber 2017 zu einer Konferenz in Brüssel ein, die als oder Harmonisierung nationaler Politiken für das Plattform für den fachlichen Austausch von Netz- Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. werkmitgliedern, Politikvertretern und Wissen- schaftlern verschiedenster Fachgebiete dienen soll. Kapitalmärkte und die Regulierung Durch seine Präsenz in Brüssel wird sich das Netz- des Finanzsektors werk zu einer wichtigen Stimme in der europäischen Politikdebatte entwickeln. Ein zentrales Ziel der Ar- Dieser Themenbereich widmet sich Fragestellungen beit des Forschungsnetzwerks ist es dabei, die Mei- zur Funktionsfähigkeit und Resilienz des europäi- nungsvielfalt und Analysetiefe dieser Debatte weiter schen Finanz- und Kapitalmarkts. Hierbei werden zu erhöhen und sich auf diese Weise konstruktiv in Maßnahmen zur Risikoreduktion analysiert und mit die Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Blick auf ihre Wirksamkeit evaluiert. Europapolitik einzubringen. 18
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Juli 2017 Ein größerer Haushalt für das neue Europa? Analysen und Berichte ●● Die Europäische Union steht finanziell vor großen Herausforderungen (Migration, Sicherheit, Brexit, etc.). ●● Eine tiefgreifende Reform des EU-Haushalts kann gelingen, wenn sie sich an den aktuellen euro- päischen Prioritäten orientiert. ●● Für eine solche zukunftsfähige Ausrichtung der EU-Finanzen ist keine Erhöhung des Finanzvo- lumens erforderlich. Größe und Inhalt des Einsatz von Strukturmitteln in reicheren Mitglied- EU‑Haushalts staaten der Aufholprozess in ärmeren Mitgliedstaa- ten verlangsamt. Auch die Ziele der EU-Agrarpoli- Der Haushalt der Europäischen Union (EU) tik könnten zu einem großen Teil ohne finanzielle hat heute schon eine Ausstattung von jährlich EU-Förderung erreicht werden. Es geht deshalb in rund 150 Mrd. €. Dieses Geld wird jedoch nicht kon- erster Linie nicht um die Frage von mehr Geld für sequent für europäische Prioritäten, sondern traditi- den EU-Haushalt, sondern um richtige Prioritä- onell bedingt zu rund 80 % zur Finanzierung der Ag- tensetzung bei der Finanzierung angesichts aktuel- rar-, Struktur- und Kohäsionspolitik eingesetzt. ler Herausforderungen. Kohäsionspolitik Herausforderungen Gemäß Art. 174 des Vertrags über die Ar- beitsweise der Europäischen Union entwi- Der EU-Haushalt verliert durch den Brexit einen ckelt und verfolgt die EU eine Politik zur seiner größten Beitragszahler. Gleichzeitig steht Stärkung ihres wirtschaftlichen, sozialen und die EU aber vor weiteren enormen Herausforde- territorialen Zusammenhalts, um eine har- rungen. Die Erklärung von Rom gibt die Agenda für monische Entwicklung der Union als Ganzes die kommenden Monate und Jahre vor: zu fördern. Die Union setzt sich insbesonde- re zum Ziel, die Unterschiede im Entwick- ●● Umgang mit Migration lungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachtei- ●● Sicherheit innerhalb Europas ligten Gebiete zu verringern. ●● Nachhaltiges Wachstum durch Struktur reformen Ein Großteil der EU-Ausgaben ersetzt oftmals nur nationale Maßnahmen und erzielt daher kei- ●● Europäische Stärke nach außen nen europäischen Mehrwert. So wird z. B. mit dem 19
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ein größerer Haushalt für das neue Europa? Juli 2017 EU-Haushalt nach Rubriken 2015 Abbildung 1 Sicherheit 2% Außenpolitik Agrarpolitik 5% 40 % Verwaltung 5% Forschung, Technologie 11 % Strukturpolitik 37 % Quelle: Finanzbericht der Europäischen Kommission vom 19. Juli 2016, S. 33 Mögliche Lösungsansätze durch die Rom-Agenda vorgegebenen Bereichen können – im Gegensatz zu den im Bereich der Ag- Die EU hat es sich nach ihren Gründungsverträgen rar- und Strukturförderung bestehenden ineffek- u. a. zur Aufgabe gemacht, Ressourcen zum Nut- tiven Mitnahmeeffekten – einen echten europäi- zen Europas zu bündeln. Dabei muss die EU die für schen Mehrwert generieren. ihre Tätigkeit geltenden Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, Subsidiarität und Verhältnis- mäßigkeit sowie das Prinzip der Eigenverantwor- Rom-Agenda tung der Mitgliedstaaten beachten. Am 25. März 2017 haben die Staats- und Re- gierungschefs der EU-27 in einer gemein- samen Erklärung zum 60. Jahrestag der Rö- Reform des EU-Haushalts mischen Verträge die Ziele der EU für die nächsten zehn Jahre definiert: ein sichere- Das BMF setzt sich für eine Reform des EU-Haus- res Europa, ein Europa mit nachhaltigem halts und seiner Rahmenbedingungen ein, um Wachstum, ein soziales Europa und ein Eu- die aktuellen politischen Prioritäten stärker be- ropa, das seinen Platz in der Welt einnimmt. rücksichtigen und auch den wirtschaftlichen Auf- Mit dieser sogenannten Rom-Agenda re- holprozess einiger Mitgliedstaaten beschleunigen agiert die EU auch unter dem Eindruck des zu können. Gezielt eingesetzte Finanzmittel in den Brexit auf aktuelle Herausforderungen auf globaler und nationaler Ebene: regionale Konflikte, Terrorismus, wachsender Migra- tionsdruck, Protektionismus sowie soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten. 20
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ein größerer Haushalt für das neue Europa? Juli 2017 Verknüpfung von EU-Förderung Keine Notwendigkeit einer mit Strukturreformen Erhöhung des EU-Haushalts Analysen und Berichte Die trotz jahrzehntelanger Förderung zuneh- Mit einem Finanzvolumen von rund 1 % des menden wirtschaftlichen Divergenzen der Mit- EU‑Bruttonationaleinkommens verfügt der gliedstaaten belegen, dass Subventionen aus dem EU‑Haushalt über ausreichende Mittel. Für eine Er- EU-Haushalt kein Allheilmittel sind. Für viele Mit- höhung besteht keine Notwendigkeit. Es mangelt gliedstaaten sind zunächst Strukturreformen für nicht an Geld, sondern an politischem Willen, die die Stärkung von Produktivität und Wettbewerbs- richtigen Prioritäten bei den Ausgaben zu setzen. fähigkeit erforderlich, um ihr Wachstum nachhal- Die europäischen Mittel müssen so umgeschichtet tig zu erhöhen. Erst dann können gezielt einge- werden, dass Aufgaben mit europäischem Mehr- setzte EU-Fördermittel ihre Wirkung angemessen wert finanziert werden, die auf nationaler Ebene entfalten. Die Erfahrung Deutschlands (ebenso wie nicht zufriedenstellend gelöst werden können. anderer reformorientierter Mitgliedstaaten) hat ge- zeigt: Strukturreformen und nachhaltige Finanz- Im Kohäsionsbereich entfaltet der aktuelle politik sind kein Gegensatz, sondern unterstützen EU‑Haushalt bereits eine signifikante Umvertei- sich gegenseitig. So hat Deutschland in den Jah- lungswirkung. Wenn diese Mittel konsequent für ren 2003 bis 2007 Strukturreformen durchgeführt die Unterstützung von nationalen Reformen ge- und gleichzeitig seine Staatsausgabenquote deut- nutzt würden, könnte ein Beitrag zur Steigerung lich zurückgeführt. Insofern sollte die EU nicht von Konvergenz und Wohlstand erreicht werden. noch mehr Mittel in reformbedürftige Systeme ste- cken, sondern insbesondere künftige Zahlungen Gleiches gilt für Überlegungen zu einer einsei- aus den EU-Struktur- und Investitionsfonds zur tigen Erhöhung des Finanzierungsanteils ein- Unterstützung von Strukturreformen nutzen, d. h. zelner Mitgliedstaaten am EU-Haushalt. Erstens der Umsetzung der jährlichen länderspezifischen können Vorteile, die Mitgliedstaaten außerhalb Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Se- des EU-Haushalts – direkt oder indirekt – aus der mesters. EU-Mitgliedschaft ziehen, nicht in konkrete Geld- beträge umgerechnet werden. Zweitens würde In der Anwendung des Regelwerks des Stabilitäts- der Versuch (oder Anschein) einer solchen Quan- und Wachstumspakts haben Kommission und Rat tifizierung die spaltend wirkende – und bei ent- gerade in den Jahren seit der Wirtschafts- und Fi- sprechender Ausgabenpriorisierung überflüs- nanzkrise der Bedeutung von Strukturreformen sige – Diskussion um Nettozahler beziehungsweise Rechnung getragen und dabei die Fristen zur Kor- Nettoempfänger unnötig weiter befeuern. rektur übermäßiger Defizite teilweise erheblich ge- streckt. Allerdings darf das Regelwerk auch nicht überdehnt werden. Die öffentlichen Schulden- Fazit stände im Euroraum sind zum Teil deutlich ge- stiegen und liegen in wichtigen Volkswirtschaften Die EU-27 legen mit der Rom-Agenda den Fokus deutlich über oder nahe bei 100 % des Bruttoin- auf die Stärkung des vereinten Europas angesichts landsprodukts und damit weit entfernt von den nie dagewesener Herausforderungen u. a. in Migra- Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts. tions- und Sicherheitsfragen sowie durch die Not- Hier kann der erforderliche Abbau der Schulden- wendigkeit dringender Investitionen und Struktur- stände nicht weiter vertagt werden. Die Tragfä- reformen. Das Ziel kann erreicht werden mit einem higkeit der öffentlichen Finanzen ist eine zentrale reformierten und zukunftsfähigen EU-Haushalt, Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit aller der diese aktuellen Prioritäten adressiert. Mitgliedstaaten und für die Funktionsfähigkeit der gemeinsamen Währung. 21
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Juli 2017 Abschluss des Forschungsprojekts „Staatseigentum“ ●● Ende Mai 2017 wurde die Publikation „Staatseigentum – Legitimation und Grenzen“ der Öffent- lichkeit vorgestellt. Sie entstand im Rahmen eines Projekts zwischen dem BMF mit der Univer- sität zu Köln und der Deutschen Stiftung Eigentum. Das Forschungsvorhaben untersuchte aus historischer, ökonomischer und rechtlicher Sicht Legitimation und Grenzen staatlicher Vermö- genspositionen. ●● Ausgangspunkt war eine Fachtagung im Jahr 2016 von Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Ver- waltung und Rechtsanwaltschaft im BMF zum Thema Staatseigentum. ●● Kernbotschaft der Publikation: Trotz aller Krisen bleibt der Grundsatz „Privat vor Staat“ ein wichtiges Postulat der deutschen Wirtschaftsrechtsordnung. Staatseigentum bedarf einer beson- deren Rechtfertigung, da der Staat sich nicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums als Institutsgarantie oder als Grundrecht berufen kann. Einleitung Fachtagung von Vertretern aus Wissenschaft, Poli- tik, Verwaltung und Rechtsanwaltschaft aus. Am 31. Mai 2017 wurde in der Deutschen Parla- mentarischen Gesellschaft Berlin das Buch „Staats- eigentum – Legitimation und Grenzen“ (Band 15 Forschungsansatz der Reihe „Bibliothek des Eigentums“) der Öffent- lichkeit vorgestellt. Michaela Noll, Vizepräsiden- Gemäß der Grundentscheidung der deutschen tin des Deutschen Bundestags, nahm das Werk von Rechts- und Wirtschaftsordnung gilt der Vorrang den Projektbeteiligten entgegen. Die Publikation des Privateigentums vor staatlichen Eigentums- gibt die Forschungsergebnisse eines mehrjährigen positionen. Staatseigentum ist im modernen Ver- Projekts des BMF mit der Universität zu Köln und fassungsstaat legitimierungspflichtig und nur in der Deutschen Stiftung Eigentum wieder. Hierzu engen Grenzen zulässig. In der sozialen Markt- richtete das BMF am 1. April 2016 – dem 25. To- wirtschaft sind deshalb z. B. unmittelbare staatli- destag von Dr. Detlef Karsten Rohwedder, dem che Unternehmensbeteiligungen aus ordnungspo- früheren Präsidenten der Treuhandanstalt – eine litischen Gründen auf ein Minimum zu reduzieren. 22
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Abschluss des Forschungsprojekts „Staatseigentum“ Juli 2017 Gold im Bundesvermögen ist Teil der Währungsreserven. Abbildung 1 Analysen und Berichte Quelle: Deutsche Bundesbank Das Projekt „Staatseigentum“ untersuchte daher Inhalt der Publikation aus praktischer und wissenschaftlicher Sicht, ins- besondere mit Blick auf das Bundesvermögen, wo An dem Forschungsprojekt und damit an der dazu- der Staat Eigentumspositionen innehat, wie diese gehörigen Veröffentlichung arbeiteten insgesamt sich legitimieren lassen und welchen Wert das 25 Wissenschaftler und Praktiker mit, die jeweils Staatsvermögen aufweist. eine Facette des Themenkreises „Staatseigentum“ beleuchteten, und zwar von der historischen über eine ökonomische bis hin zu einer rechtlichen so- Bundesvermögen wie politischen Betrachtung. Das Werk gliedert sich Das BMF ist zuständig für das Bundesver- in drei Teile. Im ersten Teil werden die geschicht- mögen. Wichtige Vermögenswerte des Bun- liche Entwicklung des Staatsvermögens sowie Be- des sind dessen Unternehmensbeteiligungen griff und Typologie untersucht. Ferner werden die und Immobilien. Das BMF ist verantwort- Vermögensrechnung des Bundes sowie die Gren- lich für die Grundsätze der Privatisierungs- zen einer staatlichen Vermögensrechnung aus fi- und Beteiligungspolitik des Bundes. Für die nanzökonomischer Sicht dargestellt. Im zweiten Verwaltung des Immobilienbesitzes und der Teil des Bandes wird das Staatseigentum aus ver- Grundstücke im Eigentum des Bundes be- schiedenen verfassungsrechtlichen Perspekti- dient sich das BMF der Bundesanstalt für ven betrachtet, bevor im dritten Teil verschiedene Immobilienaufgaben. Über das gesamte Ver- Vermögenspositionen im Detail untersucht wer- mögen des Bundes gibt die Vermögensrech- den. So werden insbesondere das Immobilienver- nung Auskunft, die das BMF nach Art. 114 mögen des Bundes, das staatliche Bodeneigentum, Abs. 1 des Grundgesetzes einmal jährlich die Währungsreserven, die Unternehmensbe- aufzustellen hat. teiligungen des Bundes an Finanzinstituten, an 23
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