NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text

 
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NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
31. Jahrgang – Nr. 4 November 2017 bis Januar 2018
                                Natur + Text GmbH, Friedensallee 21, 15834 Rangsdorf, ISSN 0935-7602

                                                   Ausgabe 4/2017

NATUR IM WINTER
AM PULS DES WEISSEN RIESEN
VORSICHT WINTERSCHLAF
WINTERLICHE SPUREN

           IM BRENNPUNKT                                 NATUR ERKUNDEN
           Gemeinsame Aufgabe
           Herdenschutz                                  Gamengrund
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NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
EDITORIAL
Reihe: Alte Buchenwälder Deutschlands
Band 1
Band 2
         Serrahn – Weltnaturerbe im Müritz Nationalpark
         Nationalpark Hainich – Weltnaturerbe in Thüringen
                                                                                                                                  LIEBE LESERINNEN UND LESER,
Band 3   Grumsin – Weltnaturerbe im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin                                                                                      der Wahlkampf ist vorbei, eine         Umstand angesprochen. Als Ursachen werden die Veränderungen
Band 4   Nationalpark Kellerwald-Edersee – Weltnaturerbe in Hessen (erscheint im IV. Quartal 2017)                                                             schwierige Regierungsbildung           der Landbewirtschaftung, der Verlust an Landschaftsstrukturen
                                                                                                                                                               steht bevor. Was wird die neue         und insbesondere der Einsatz immer wirksamerer Pestizide an-

                                                  NE0U17
                                                                     Der Grumsin, im Biosphärenreservat Schorf-                                                Bundesregierung zum Schutz von         gesehen. Der Schwund der Insekten ist ein dramatischer Verlust,
                                                                     heide-Chorin gelegen, ist die einzige Welt-                                               Natur und Umwelt tun? Im Wahl-         sie fehlen auch im vernetzten System der Natur und als Bestäuber
                                                                     naturerbefläche des Landes Brandenburg.                                                   kampf haben solche Zukunftsfra-        und besonders als Nahrung für unsere Vögel.
                                                     2               Auf 590 Hektar bleibt ein historischer Wald-
                                                                     standort sich selbst überlassen. Dort laufen
                                                                                                                                                               gen keine besondere Rolle gespielt,
                                                                                                                                                               dabei werden Arten- und Natur-         In der Agrarpolitik muss umgesteuert werden, Geld ist mehr
                                                                     Prozesse ab, die weit über ein Menschenle-
                                                                     ben hinausgehen.                                                                          schutz in der Gesellschaft ernst       als genug da, es muss nur anders eingesetzt werden. Allein in
                                                                     Eingebettet in die außerordentlich reich ge-                 genommen. Unter dem Titel „Der stille Sommer“ etwa setzte           Brandenburg werden jedes Jahr mehr als 500 Millionen Euro
                                                                     gliederte, von den Gletschern der letzten                    sich der Spiegel Anfang September in einem mehrseitigen Arti-       überwiegend als Flächenprämie an die Landwirte ausgeschüttet.
                                                                     Kaltzeit geformte Jungmoränenlandschaft,                     kel mit diesem Thema auseinander. Breit dargestellt werden die      Mit diesen Mitteln müssen endlich die konkreten Leistungen der
                                                                     weist der Grumsin eine Reihe von Besonder-                   Forschungen des Entomologischen Vereins Krefeld, die durch          Landwirte für das Gemeinwohl, für Natur und Umwelt honoriert
                                                                     heiten auf: zahlreiche kleine Seen, Moore und                fundierte Erfassungen über mehr als 20 Jahre nachweisen, dass       werden. Eine solche Landwirtschaftspolitik wäre der beste Beitrag
                                                                     Reliefunterschiede von fast 100 Metern auf                   die Masse der Insekten insgesamt um 80 Prozent zurückgegan-         für den Natur- und Artenschutz.
                                                                     engem Raum. In keiner der anderen Weltna-
                                                                                                                                  gen ist. Viele bemerken es selbst: Ganz anders als früher blei-
                                                                     turerbeflächen ist die Verquickung von Wald
                                                                     und Wasser so ausgeprägt. Im Grumsin be-                     ben die Frontscheiben der Autos im Sommer fast völlig frei von      Friedhelm Schmitz-Jersch
                                                                     findet sich der höchstgelegene See Branden-                  Insekten. Bei privaten Gelegenheiten werde ich oft auf diesen       Vorsitzender des NABU Brandenburg
                                                                     burgs und dort brütet der Kranich in einer
                                                                     Dichte wie nirgendwo sonst in Deutschland.

Beate Blahy, Martin Flade                                                                                                                                                                                                                       INHALT
(Landesamt für Umwelt Brandenburg)                                                            168 Seiten, Hardcover, 24 × 22 cm
Grumsin – Weltnaturerbe im Biosphärenreservat                                         zahlreiche Abbildungen, Natur+Text 2017
Schorfheide-Chorin                                                                    ISBN 978-3-942062-20-6, Preis 24,90 Euro    NATUR IM WINTER                                NATUR …                                        RUBRIKEN
                                                                                                                                  Titelthema                                     28   … ERKUNDEN                                18   IM BRENNPUNKT
                                                                                                                                                                                      Gamengrund                                20   PORTRAIT
                                                                                                                                  4    AM PULS DES WEISSEN RIESEN                32   … OHNE GRENZEN                            22   NACHGEFRAGT
                                                                                                                                  8    VORSICHT WINTERSCHLAF                          Amorpha auf dem Vormarsch                 25   REZENSIONEN
                                                                                                                                  10   WINTERLICHE SPUREN
                                                                                                                        artal
                                                                                                                                                                                                                                36   INTERVIEW
                                                                                                                  . Q u           13   HÄUFIGE SPUREN IM SCHNEE                                                                 40   NACHRUF
                                                                                                                IV 17                                                            AKTUELLES
                                                                                                                    20
                                                                                                                                  14   DER WINTER AN DER ELBE                                                                   48   AUS DEN VERBÄNDEN
                                                                                                                                  16   „JA“ ZUR ZWIEBEL                                                                         51   IMPRESSUM
                                                                                                                                                                                 38   LEBEN IM GROSSSTADTDSCHUNGEL
                                                                                                                                                                                 42   STILL RUHT DER SOLL
                                                                                                                                  VERANSTALTUNGEN                                44   VON LOKAL BIS LANDESWEIT
                                                                                                                                  26   BLICKE UNTER DIE OBERFLÄCHE               47   EXKURSION ALS DANKESCHÖN
                                                                                                                                  27   WORKSHOP HERDENSCHUTZ

Hans-Jürgen Spieß, Peter Wernicke          Manfred Großmann, Siegfried Klaus,         Norbert Panek
Serrahn – Weltnaturerbe im Müritz-         Thomas Stephan                             Nationalpark Kellerwald-Edersee –                                                                                                           DIESE AUSGABE
Nationalpark                               Nationalpark Hainich – Weltnaturerbe       Weltnaturerbe in Hessen
156 Seiten, Hardcover, 24 × 22 cm          in Thüringen                               168 Seiten, Hardcover, 24 × 22 cm                                                                                                           ALS eBOOK LESEN!
Natur+Text 2013                            156 Seiten, Hardcover, 24 × 22 cm          Natur+Text, erscheint im IV. Quartal 2017
                                                                                                                                                                                                                                  FÜR ALLE N
                                                                                                                                                                                                                                           ­ ATURMAGAZIN-LESER
ISBN 978-3-942062-07-7, Preis 24,90 Euro   Natur+Text 2014                            ISBN 978-3-942062-30-5, Preis 24,90 Euro
                                                                                                                                                                                                                                  KOSTENLOS ZUM DOWNLOAD UNTER:
                                           ISBN 978-3-942062-14-5, Preis 24,90 Euro
                                                                                                                                                                                                                                  naturmagazin.info/epub/04-2017.epub
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                                                                                                                                                     Foto: Roland Schulz   4                   Foto: Manuela Brecht   22
NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
4   NATUR IM WINTER Titelthema                                                                                                                                                                                    NATUR IM WINTER Titelthema                5

AM PULS DES                                                                                                       R
                                                                                                                           egiert mit eisigem Atem der Frost, wer-
                                                                                                                           den offene Wasserflächen zu Magneten für
                                                                                                                           überwinternde Gänse- und Entenarten wie
                                                                                                                  Saat- und Blessgans, Zwergsäger oder Krickente. Gut

W
­ EISSEN RIESEN
                                                                                                                  möglich, dass Gevatter Seeadler dort seine nächste
                                                                                                                  Mahlzeit plant und Tauchenten vor seinen Sturz-
                                                                                                                  flügen solange unter Wasser flüchten, bis die erste
                                                                                                                  atemlos in seinen Fängen stirbt. Wo Weidenäste tief
                                                                                                                  über das Wasser hängen, finden Eisvögel ihren An-

WINTERLICHE NATURBEOBACHTUNGEN
                                                                                                                  sitz. An solchen Stellen lohnt sich die Suche mit dem
                                                                                                                  Fernglas nach den im Wintergrau leuchtend blau­
                                                                                                                  orangen Speerfischern.
Was in der kalten Jahreszeit zu sehen ist, entscheidet der Winter. Legt er seine weiße Decke übers Land, können
Spurensucher die Geschichten der letzten Nacht oder gar der vergangenen Tage lesen. Dachse, Rehe, Baummarder,     Beachtung verdient auch der Boden entlang offener
                                                                                                                  Gewässer – gut möglich, dass dort Fußspuren von
Hermelin oder in den Schnee eingedrückte Flügelspitzen von Krähen oder Amseln, vielleicht sogar der schneestie-
                                                                                                                  Fischottern den Weg weisen. Sie können leicht an
bende Krallengriff eines Waldkauzes in eine Maus, haben sich vergänglich in Weiß geprägt.                         fünf nebeneinander liegenden Zehenballen, der run-
                                                                                                                  den Pfotenform und ihrem auf dem Schnee immer
                                                                                                                  wieder nachschleifenden Schwanz erkannt werden.         an die Oberfläche. Dort drehen sie sich, schleifen     Singschwäne:
                                                                                                                  Liegt am Gewässerrand ein Hang, eine Böschung,          sich an Nachbarschollen rund, kleine Eisschneesäu-     Ihr Gesang berührt.

                                                                                                                  lohnt sich in jedem Fall ein genauerer Blick. Jede      me rund herum. Die Sonne glitzernd brechend trei-      links: „Pfannkucheneis“.
                                                                                                                  Wette, die verspielten Wassermarder haben ihn           ben sie Richtung Ostsee – manchmal mit einem Kor-
                                                                                                                  entdeckt und durch mehrmaliges Rutschen zu ei-          moran oder einer Ente als blindem Passagier. Ruhige
                                                                                                                  ner Schneerinne geformt. Wer unverschämtes Glück        mehrfach bewegte Meditation, die Menschen warm
                                                                                                                  hat, kann tagsüber einen in seltsam wellenförmigem      berühren mag. Meditation, eine Weile am Ufer sit-
                                                                                                                  Gang über Schnee laufenden Otter schon von weitem       zen, in den Bewegungen versinken – das geht. Frieren
                                                                                                                  erkennen. Er ist dann auf der Suche nach einer offe-    würde den Genuss aber verhindern. Deshalb Mütze,
                                                                                                                  nen Wasserstelle, wo er zu klammen Fischmahlzei-        dicke Jacke, lange Unterhose, warme Schuhe anzie-
                                                                                                                  ten tauchen kann. Ist weit und breit alles Stein und    hen und dampfenden Tee und Fernglas einpacken.
                                                                                                                  Bein gefroren, verhungern Fischotter und Eisvogel.
                                                                                                                                                                          Kronenkunde
                                                                                                                  Wer Rutschen auf ebenen oder nur leicht abschüssi-      Der Wald dient Tieren als Schlafquartier. Er bricht
                                                                                                                  gen Strecken findet, wird sich an den Otter erinnern.   den Wind und damit ein Stück weit die Kälte. Dort
                                                                                                                  Stimmt auch – fast. Grobe Holzspäne, so groß wie        lohnen sich Blicke in die leergefegten Baumkronen.
                                                                                                                  eine Zweieuromünze oder auch deutlich größer, ver-      Lebende Holzschnitte gegen den Himmel. Still und
                                                                                                                  raten den heimischen Wasserbaumeister: den Biber.       starr, vom Wind berührt bis schwankend im Sturm.
                                                                                                                  Wer genau im Schlamm oder Schnee hinsieht, fin-         Jede Art hat ihre eigene Form. Die knorrigen ver-
                                                                                                                  det kleine Abdrücke seiner Vorderpfoten und qua-        drehten Äste der Eichen. Die silbernen Stämme und
                                                                                                                  dratlatschengroße Abdrücke der hinteren Pendants.       sich zum Licht nach oben reckenden Äste der Rot-
                                                                                                                                                                          buchen. Die Eschen mit ihren wie Kandelaber sich
                                                                                                                  Offenes Wasser ist die Bühne für Wintersymphoni-        zum Himmel streckenden Zweigen an den Enden
                                                                                                                  en. Wer noch nie dem nächtlichen Geplapper von          stärkerer Äste. Jede Baumart folgt einem Bauplan,
                                                                                                                  Singschwänen unter frostig klarem Sternenhimmel         und wer Augen hat, wird sehen, wie vielfältig die
                                                                                                                  lauschen durfte, darf auf diesen Winter hoffen. Im      Bäume einer Art diesen Plan auslegen und dehnen.
                                                                                                                  Nationalpark Unteres Odertal, im Biosphärenreser-
                                                                                                                  vat Flusslandschaft Elbe, am Gülper See. Für mich       Eine weitere Eigenart in den Kronen bringt das
                                                                                                                  eine der berührendsten Vorstellungen, die ein Win-      Fernglas nah: Zahlreiche Äste sind seltsam bizarr
                                                                                                                  ter weltweit bieten kann.                               miteinander verwachsen. Manchmal sogar starke
                                                                                                                                                                          Äste zweier unterschiedlicher Arten, Hainbuche und
                                                                                                                  Ein letztes Mal die Oder: Ihr Pfannkucheneis ent-       Kiefer etwa. Was wie gewollte Nähe oder Zuneigung
                                                                                                                  steht am Grunde des Stromes und steigt in Schollen      aussehen mag, ist die Folge schwerer Verletzungen.

naturmagazin 4/2017                                                                                                                                                                                                                   naturmagazin 4/2017
NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
6   NATUR IM WINTER Titelthema                                                                                                                                                                                                                      NATUR IM WINTER Titelthema                 7

                                                                                     Buntspechte verraten ihren Arbeitsplatz noch, wenn       Gefieder, so fein wie nur wenig andere, ihr keckes
                                                                                     sie ihn längst verlassen haben. In die grobe Borke ei-   Federhäubchen, dazu eine Spur Gelb in den Hand-
                                                                                     ner Kiefer, Eiche oder Douglasie zwängen sie Fichten-    schwingen, machen diese starengroßen Flugreisen-
                                                                                     zapfen, die sie so fixiert gut bearbeiten können und     den unverwechselbar. Und doch, es bedarf wacher
                                                                                     an die Samen zwischen den Zapfenschuppen gelan-          Sinne und gespitzer Ohren, um nicht unbedacht an
                                                                                     gen. Spechtschmiede, der Fachbegriff. Scharfe Ohren      Wintergästen wie diesen vorüber zu gehen.
                                                                                     und fallende Erlensamen verraten große Trupps von
                                                                                     Zeisigen, zierlichen Finken, die in Erlenkronen aus
                                                                                     feinen schwarzen Zäpfchen eiweißreiche Samen zie-        Die Schlagkraft von Tänzern
                                                                                     hen. Mächtige Ameisenhaufen sind im Winter häufig        Wenig bleibt, wie es war. Einzelne Kranichtrupps blei-
                                                                                     mit Kratern übersät. Ein andermal wirken sie kom-        ben bereits ganzjährig im Land. Die in Spanien über-
                                                                                     plett verwühlt. Auf ihrer Suche nach starrer protein-    winternden Vögel kehren Jahr für Jahr früher zurück,
                                                                                     reicher Nahrung schmieden sich Grünspechte in die        um möglichst attraktive Brutplätze zu besetzen. Mitte
                                                                                     Haufen oder graben sich Wildschweine grob hinein.        Februar erreichen die ersten mit günstigen West- und
                                                                                     Ärgerlich, verlustreich, aber keine Bedrohung für das    Südwestwinden heimatliche Gefilde. Trupps von 20,
                                                                                     ruhende Volk. Ameisenhaufen sind wie Eisberge, ihr       30, 100 und mehr dieser großen Grauen stehen auf
                                                                                     größerer Teil ist tief im Boden geborgen. Beim ersten    den Äckern. Tanzen, springen in die Höhe, breiten
                                                                                     Frühlingsschein geht es wieder an die Arbeit, wer-       die großen Schwingen aus, senken ihre langen Hälse
                                                                                     den die Winterschäden begutachtet und ausgebessert.      Richtung Boden, springen ein nächstes Mal übermü-
                                                                                                                                              tig in die Höhe, trennen sich von den Reisegesellschaf-   Nur drei Dinge müssen sich treffen. Drei Tage um den        Schnee verrät dem
                                                                                     Kernige Imbissecken auf dem Land                         ten, finden ein Revier und trompeten ihre Besitzan-       Vollmond, eine Schneedecke und Lust, in die weiße           ­K undigen, was gewesen ist.

                                                                                     Zurück in Siedlung und Flur. Wohl dem, der Brenn-        sprüche weit übers Land. Und wehe, ein anderes, spät      Nacht zu wandern. Zu guter Letzt die dringende Bit-
                                                                                     nesseln, Disteln, Nachtkerzen oder Wegwarten in          angekommenes Paar ignoriert diesen Besitzanspruch,        te, den Winter zu entdecken, zu genießen und dabei
                                                                                     seinem Garten weiß oder ungemähte Wegraine, Bö-          landet sogar in wenigen Metern Abstand. Dann sehen        immer die Tiere, die in der kalten Jahreszeit um ihr
                                                                                     schungen und Ackersäume in naher Feldmark. An            die großen Vögel des Glücks rot und kämpfen mit           Überleben ringen, zu berücksichtigen. Nie zu nah
                                                                                     kältestarr windgewiegten Hochstauden turnen Scha-        ihren Schnäbeln, ihren hornspitzen Krallen, bis Blut      herangehen, wofür gibt es Ferngläser. Keine Wald-
                                                                                     ren buntgekleckster Stieglitze beim Finden von Sä-       fließt. Mindestens. Gut, wenn das unterlegene Paar        wege verlassen, den Wasservögeln ihre Ruhe lassen.
                                                                                     mereien. Was für eine flatternde Augenweide in der       dann wenigstens halbwegs ungerupft gerade noch das        Beobachten kann nur, wer Tiere respektiert und sie
                                                                                     winterlichen Farbenknauserei.                            Weite finden kann. Das Recht der Sieger: Sie posau-       nicht zur Flucht treibt. Sie brauchen jetzt jede Kalorie.
                                                                                                                                              nen ihre Überlegenheit in die weiße Welt.
                                                                                     Hecken sind Anziehungspunkte für Vögel aller Art.                                                                  Roland Schulz, Text und Fotos
                                                                                     Ebenso wie Futterhäuschen, hinter Fensterglas be-        Zuletzt das vielleicht wunderbarste. Für jeden erleb-     Naturjournalist, der sich freut,
                                                                                     quem zu beobachten. Aus den Hecken leuchten blau         bar. Im Stadtpark, auf weiter Feldflur. Ganz gleich.      mit den ­Jahreszeiten leben zu dürfen
                                                                                     bereift Beeren der Schlehen, rot die Hagebutte, Weiß-                                                                                                                                             Anzeige
     Vom Wind aneinander       Der Wind hatte die Äste so lange aneinander gerie-    dorn- und Vogelbeeren, vielfach spiegelnd schwarz-
gerieben, sind die einzelnen   ben, bis deren schützende Borke und Rinde vollstän-   rote Holundertrauben, orangerosa Pfaffenhütchen,
  Stämme nun fest mitein­
        ander verwachsen.      dig weggefegt war. Die nun aufeinanderliegenden       elfenbeinstrahlende Mistelbeeren und so viele mehr.
                               Wachstumsschichten beider Äste, das Kambium,          Filigrane Augenweide für Menschen und kalorien-
                               verwuchsen fest miteinander.                          reiche Lebensversicherung für Vogelarten. Das wis-
                                                                                     sen natürlich auch Habicht und Sperber genau. Aus
                               Den Waldvögeln hat der Winter weitgehend die          der Deckung eines Obstbaumes oder einer Scheune
                               Sprache verschlagen. Nur Kleiber schimpfen über       stoßen sie jedes mal von neuem unerwartet auf brei-
                               Eindringlinge, ein Trupp Eichelhäher mag ein-         ten Schwingen hervor. Sekunden später halten sie ei-
                               stimmen. Wer schleichen und sich langsam bewe-        nen kleinen grauen, braunen oder bunten Federball
                               gen kann, immer wieder Pausen einlegt, am bes-        unentrinnbar in ihren Krallen. Leben für Leben, das
                               ten im Schatten eines Baumstammes, der darf auf       eiserne Gesetz der Natur. Gelegentlich bringt die kal-
                               holzdurchdringenden Trommelwirbel hoffen. Einen       te Jahreszeit rosafarbene Überraschungen auf sanf-
                               rhythmisch vertieften Specht anpeilen, den Trom-      ten Schwingen. Wenn leise in hohen Tönen sirrende
                               melbaum ausmachen, in dem er emsig nach Futter        Schwärme von Seidenschwänzen in Ost­europa oder
                               sucht, sich anschleichen und das Ohr an den Stamm     Skandinavien keine Vogelbeeren mehr finden, ziehen
                               schmiegen, im Wohlklang versinken!                    sie auf Nahrungssuche bis zu uns. Ihr erlesenes rosa

naturmagazin 4/2017                                                                                                                                                                                                                                                      naturmagazin 4/2017
NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
8   NATUR IM WINTER Titelthema                                                                                                                                                                                                            NATUR IM WINTER Titelthema             9

VORSICHT                                                                                                                               lustig hat’s die Forstpartie – der Wald, der wächst
                                                                                                                                       auch ­ohne sie“ immer wieder bewahrheitet.
                                                                                                                                                                                                regelrechten Aktionismus ausgesetzt, der mittler-
                                                                                                                                                                                                weile Kultstatus erlangt hat. Gemeint ist das Einsam-
                                                                                                                                                                                                meln vermeintlich untergewichtiger Jungtiere und
                                                                                                                                                                                                                                                         Eichhörnchen halten nur
                                                                                                                                                                                                                                                         Winterruhe. Zur Nahrungs-
                                                                                                                                                                                                                                                         aufnahme müssen sie hin
                                                                                                                                                                                                                                                         und wieder ihr Winter­

­WINTERSCHLAF
                                                                                                                                       Wer nicht schläft, muss fressen                          deren Unterbringung in sogenannten Igelstationen,        quartier verlassen.
                                                                                                                                       Eichhörnchen gehen die Winterzeit eher ruhig an          wo sie mehr oder weniger fach-, aber ganz bestimmt
                                                                                                                                       und machen es sich in einem ihrer Kobel bequem.          nicht artgerecht, über den Winter gebracht werden.
                                                                                                                                       Wie Dachs und Maulwurf verfallen sie nicht in ei-        Igel, die in freier Natur überwintern konnten, su-
                                                                                                                                       nen Winterschlaf, sie halten Winterruhe. Ihre Kör-       chen sich im späten Herbst ein geeignetes Quartier,

STÖRUNGEN IM WINTERQUARTIER KÖNNEN
                                                                                                                                       perfunktionen sind zwar etwas gedrosselt, aber hin       beispielsweise in größeren Reisig-, Laub- oder Kom-
                                                                                                                                       und wieder werden sie wach, um dann Nahrung zu           posthaufen. Dort verschlafen sie dann den Winter bis

LEBENSBEDROHLICHE FOLGEN HABEN
                                                                                                                                       sich zu nehmen. Während das Eichhörnchen dazu            zum Frühjahr, wobei sie ihre Körperfunktionen auf
                                                                                                                                       sein Quartier verlassen muss, hat es der Maulwurf        etwa zwei Prozent reduzieren.
                                                                                                                                       in seiner Unterwelt äußerst bequem. Er hat gewis-
                                                                                                                                       sermaßen immer Frischfleisch zur Verfügung. Das          Noch extremer überwintern wechselwarme Arten,
                                                                                                                                       Nahrungsdepot des fleißigen Erdarbeiters ist mit Re-     also die Amphibien und Reptilien sowie Insekten.
                                                                                                                                       genwürmern gefüllt, denen er die vorderen Segmente       Ihre Körpertemperatur ist abhängig von der jewei-
                                                                                                                                       entfernt hat, um sie am Leben zu halten, aber den-       ligen Umgebungstemperatur und kann von den Tie-
                                                                                                                                       noch an der Flucht zu hindern.                           ren nicht reguliert werden. Den Winter verbringen
                                                                                                                                                                                                sie kältestarr in frostfreien Erdhöhlen, Totholz oder
                                                                                                                                       Auf Sparflamme durch den Winter                          Komposthaufen, manche Frösche auch auf dem
                                                                                                                                       Scheinbar gut haben es jene Spezies, die den Win-        Gewässergrund.
                                                                                                                                       ter in geeigneten Quartieren einfach verschlafen. Zu
                                                                                                                                       den Tieren, die in einen festen Winterschlaf fallen,     Gefahr durch Störung
                                                                                                                                       gehören unsere allbekannten Igel sowie die Sieben-       Störungen jeglicher Art können für Winterschläfer
                                                                                                                                       schläfer, Haselmäuse, Fledermäuse und Feldhams-          fatale Folgen haben. Jedes Erwachen bedeutet zu-
                                                                                                                                       ter. Unterbrochen von gelegentlichen kurzen Auf-         sätzlichen Energieverbrauch, geht an die Fettreser-
                                                                                                                                       wachphasen, in denen sie Kot und Urin absetzen,          ven und kann letztlich den Tod für das betreffende
                                                                                                                                       schlafen diese Tiere von Herbst bis Frühjahr. Ihre       Tier bedeuten. Selbstredend, dass im Winter mögli-
                                                                                                                                       Körperfunktionen sind auf ein Minimum reduziert,         che Quartiere wie Totholz und Reisighaufen nicht be-
                                                                                                                                       gleiches gilt für ihre Körpertemperatur. Mit Ausnah-     treten, weggeräumt oder gar verbrannt werden dür-
                                                                                                                                       me des in Brandenburg inzwischen ausgestorbenen          fen. Auch das Umsetzen von Komposthaufen muss
                                                                                                                                       Feldhamsters, zehren diese Tiere während des Win-        im Interesse winterschlafender Bewohner bis zum
                                                                                                                                       ters ausschließlich von ihren Fettpolstern. Hamster      Frühjahr unterbleiben, ebenso, das „Aufräumen“ un-
                                                                                                                                       greifen während der Wachphasen auf ihre Vorräte          ter Sträuchern und Hecken. Die Unsitte, im Herbst
                                                                                                                                       zurück, die sie in speziellen Kammern ihrer unter-       oder Frühjahr zusammengeharktes Laub und Rei-
                                                                                                                                       irdischen Bauten eingebunkert haben. Dort verbrin-       sig zu verbrennen, ist bei vielen Gartenbesitzern lei-
                                                                                                                                       gen die bunten Nager ab Ende August das nächste          der noch immer weit verbreitet. Abgesehen von der
                                                                                                                                       halbe Jahr. Kurz nach ihnen beginnen die Sieben-         damit einhergehenden Luftverunreinigung können
                                                                                                                                       schläfer ihren Winterschlaf. In sorgfältig angelegten    solche brennenden Gebilde rasch zu Scheiterhaufen
                                                                                                                                       Quartieren verbringen sie in Erd- und Baumhöhlen         werden. Viel besser ist es, Reisig und Laub an einer
                                                                                                                                       – wie könnte es anders sein – gute sieben Mona-          geschützten Stelle im Garten abzulagern und es dort
Wenn das Jahr sich seinem Ende nähert, die Tage deutlich kürzer werden und die Temperaturen zunehmend im                               te. Auch für Fledermäuse ist die insektenarme Zeit       Igel und Co. als Winterquartier anzubieten. Wer das
einstelligen Bereich verharren, beginnt für die heimische Tierwelt eine harte Zeit. Nahrungsknappheit, Kälte und                       des Winters die Periode des Winterschlafs. Je nach       Zündeln nicht lassen kann, sollte, sofern dies über-
                                                                                                                                       Art ziehen sie sich dafür in frostfreie Höhlen, Keller   haupt erlaubt ist, zumindest das zu verbrennende Gut
winterliche Witterungsunbilden verlangen ihnen alles ab, um in der kalten Jahreszeit zu überleben.
                                                                                                                                       oder alte Bunkeranlagen, aber auch in Mauerspal-         kontrollieren und vor dem Anzünden umschichten.

                        S
                                                                                                                                       ten oder Zwischenräume von Holzstapeln zurück.           Das gilt einmal mehr für das Abbrennen sogenann-
                              eit dem Spätsommer sind Eichhörnchen em-        Verstecke allerdings nicht wieder, was wiederum den      Vorraussetzung ist allerdings stets eine relativ ho-     ter Herbst- und Osterfeuer, die in nahezu jeder Ge-
                              sig dabei, sich für den Winter zu bevorraten.   Förster freut. Aus den vergessenen Samen erwach-         he Luftfeuchtigkeit im Fledermaus-Winterquartier.        meinde zu einem jährlichen Ritual geworden sind.
                              In Bäumen – aber auch im Boden – legen sie      sen ohne sein Zutun neue Bäume. Den hübschen
                        ihre Nahrungsdepots an, um für die kommenden          Nagern gleich macht es übrigens der Eichelhäher.         Unser wohl bekanntester Winterschläfer dürfte aber       Wolfgang Ewert
                        kargen Monate gerüstet zu sein. Oft finden sie ihre   Auch er trägt dazu bei, dass sich der alte Spruch „Gar   der Igel sein. Seit einigen Jahren ist die Art einem     Text und Foto

naturmagazin 4/2017                                                                                                                                                                                                                                          naturmagazin 4/2017
NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
10 NATUR IM WINTER Titelthema                                                                                                                                                                                                                     NATUR IM WINTER Titelthema 11

WINTERLICHE SPUREN                                                                                                                           Nester verschiedener Grasmücken-Arten angelegt.
                                                                                                                                             Diese kleinen Singvögel sind allesamt Zugvögel, die
                                                                                                                                             den Winter im Süden verbringen.
                                                                                                                                                                                                        hinterlassen werden. Die Nagespuren verschiedener
                                                                                                                                                                                                        Nagetiere können der jeweiligen Art anhand der Grö-
                                                                                                                                                                                                        ße (Breite der Zähen) zugeordnet werden, zusätzlich
                                                                                                                                                                                                        hilft dabei aber auch der von den Tieren hinterlassene

MEHR ALS EIN FUSSABDRUCK
                                                                                                                                             Meistens etwas höher gebaut sind die größeren Napf-        Kot. Dieser ist bei Mäusen sehr klein und länglich,
                                                                                                                                             nester der Drosseln. Das der Amsel ist weich mit           bei Kaninchen rundlich und sehr dunkel und beim
                                                                                                                                             feinen Würzelchen und Pflanzenfasern gepolstert.           Hasen ebenfalls rundlich, aber deutlich größer und
Der Winter ist für viele Tiere auch Zeit des Mangels. Andere wiederum finden ausreichend oder sogar                                          Das Nest der Singdrossel hingegen hat keine Pols-          meistens graugrün oder bräunlich gefärbt. Regelmä-
­reichlich Nahrung. Die Überreste dieser Nahrungssuche, aber auch vielerlei andere Tierspuren lassen sich                                    terung. Dafür ist es innen mit einer festen Lage aus       ßig sind aber auch Kotspuren von Räubern wie Fuchs
                                                                                                                                             verklebten Pflanzenfasern, Holzresten etc. ausgeklei-      oder Marder zu finden. Besonders bei hoher Schnee-
 im Winter besonders gut entdecken.
                                                                                                                                             det. Diese Schicht fühlt sich an wie ein derber Eier-      lage nagen Hasen und Kaninchen, aber auch Mäuse,
                                                                                                                                             karton und ist so beständig, dass sie oft noch gut zu      die nahrhafte Rinde von Zweigen und Stämmen ab.
                                                                                                                                             erkennen ist, wenn der Rest des Nestes schon zerfällt.     Lage und Größe der Fraßstellen oder Zahnspuren
                                                                                                                                             Wo solche Nester in Rosensträuchern angelegt sind,         können helfen, sie zuzuordnen.
                                                                                                                                             die Hagebutten tragen, werden die Bauten gern von
                                                                                                                                             Nachmietern genutzt.                                       In größeren Feldgehölzen oder am Waldrand wach-
                                                                                                                                                                                                        sen Haselnusssträucher. Auch sie ziehen viele Tiere
                                                                                                                                             Nachmieter im Vogelnest                                    an, denn diese haben es auf die sehr energiereichen
                                                                                                                                             Manche Mäuse, wie etwa Gelbhalsmäuse, können               Nüsse abgesehen. Kleiber und Buntspecht klem-            Spechtschmiede.
                                                                                                                                             besonders gut klettern. Sie nutzen die alten Nester,       men die Nüsse am Holz ein und brechen sie mit            Foto: Frank Leo
                                                                                                                                             um dort die geernteten Hagebutten gut geschützt zu
                                                                                                                                             fressen. Doch sie fressen nicht die ganzen Butten:
                                                                                                                                             Zuerst nagen sie die rote Schale (die wir Menschen
                                                                                                                                             wegen des hohen Vitamin C-Gehaltes nutzen) ab, um
                                                                                                                                             an die Samen zu kommen. Auf diese kleinen Nüss­
                                                                                                                                             chen haben sie es abgesehen. Jedes Nüsschen wird
                                                                                                                                             einzeln aufgenagt, und geleert. Die Reste dieser Mahl-
                                                                                                                                             zeiten sammeln sich im Drosselnest an. Häufiger fin-
                                                                                                                                             det man zernagte Hagebutten am Boden im Schutze
                                                                                                                                             der stacheligen Büsche. Nicht selten bilden sie einen
                                                                                                                                             Ring um ein Mauseloch herum, wo die kleinen Na-
                                                                                                                                             ger – ständig fluchtbereit – gefressen haben. Schon ab
                                                                                                                                             Spätsommer haben auch verschiedene Vögel die Ha-
                                                                                                                                             gebutten genutzt. Nicht nur die heimischen Wildro-
                                                                                                                                             sen, auch die dicken Butten der aus Asien stammen-
                                                                                                                                             den Kartoffelrose werden regelmäßig von Grünfinken

                             D
                                                                                                                                             geöffnet. Auch Spatzen sind daran oft zu beobachten.
    Foto: Frank Derer/NABU             er Begriff „Tierspur“ ist hier weit gefasst   Folgenden können nur ein paar Anregungen gege-
   /Stunde der Wintervögel             zu betrachten. Es sind nicht nur Abdrücke     ben werden, aus dem reichen Spurenschatz, den uns       Auf Fraßspuren achten
                                       von Füßen gemeint, sondern es geht um         die Natur offenbart. Sehr hilfreich beim Erkennen       Während manche Früchte schnell abgeerntet werden,
                             alles, was auf die Tätigkeit oder auch nur die An-      und Deuten der Spuren ist ein gutes Buch (oder auch     hängen andere länger am Busch. Die leuchtend ro-
                             wesenheit von Tieren hinweist. Dazu gehören auch        mehrere). Im Buchhandel sind verschiedene Spuren-       ten (und für uns giftigen) Schneeballfrüchte bleiben
                             Fraßspuren. Da alle Tiere eine für sie typische Er-     führer erhältlich, die einzelne Bereiche unterschied-   meistens den ganzen Winter über hängen und wer-
                             nährungsweise haben, hinterlassen sie auch typische     lich vertiefen.                                         den sehr spät oder gar nicht gefressen. Sollte unsere
                             Spuren, die in der Regel sehr genau zuzuordnen sind.                                                            Hecke noch einen Apfelbaum enthalten, so ziehen die
                             Die Spuren lassen erkennen, wie das jeweilige Tier      Tierspuren in der Hecke                                 Äpfel im Winter verschiedenste Tiere an, die alle i­ hre
                             seine Zähne, Krallen, Schnabel oder sonstige Hilfs-     Beginnen wir an einer Hecke, vielleicht zwischen Dorf   Spuren hinterlassen. Vögel hinterlassen ihre Pick­
                             mittel eingesetzt hat. Wer diese Spuren lesen und       und Wald. Dort finden wir, wenn das Laub der Büsche     spuren in den mehr oder weniger gefrorenen Äpfeln.
                             verstehen kann, dem erschließt sich auch in einer       gefallen ist, verschiedene Vogelnester, die den Som-    Besonders im Schnee sind dann auch die vielfälti-
                             vermeintlich „ausgestorbenen“ Winterlandschaft          mer über gut versteckt waren: Relativ bodennah sind     gen Fußspuren von Vögeln und Säugetieren zu sehen,
                             eine Fülle von Leben und tierischer Aktivität. Im       die kleinen, aus Grashalmen zusammengesteckten          die oft sternförmig um solche ergiebigen Futterplätze

naturmagazin 4/2017                                                                                                                                                                                                                                                  naturmagazin 4/2017
NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
12 NATUR IM WINTER Titelthema                                                                                                                                                                                         NATUR IM WINTER Titelthema 13

                                                                                                                                                         HÄUFIGE SPUREN IM SCHNEE
                                                                                              Kleiber hingegen sucht sich für jedes Stück eine neue
                                                                                              Stelle zum Bearbeiten.

                                                                                              Rötel- oder Gelbhalsmaus?
                                                                                              Eichhörnchen öffnen Haselnüsse mit ihren kräfti-
                                                                                              gen Nagezähnen, indem sie jede Nuss von der Spitze
                                                                                              bis zur Basis aufspalten. Das kann bei unerfahrenen                   FUCHS
                                                                                              Jungtieren noch etwas unsauber aussehen, aber rou-                    Ca. 5 cm lange und 4–4,5 cm breite Abdrücke mit einer Schrittlänge von 25–35 cm (Schritt)
                                                                                              tinierte Nussknacker machen das sehr schnell und                      bzw. 70–80 cm (Trab). Vorder- und Hinterfuß hinterlassen Abdrücke von jeweils vier Zehen
                                                                                              sauber. Sehr häufig findet man Nüsse, die von Mäusen                  und vier Zehenballen sowie einem großen Hauptballen. Spur ist symmetrisch, eine Unter-
                                                                                              ausgefressen sind. Auch hier gibt es ganz verschiede-                 scheidung zwischen linkem und rechtem Fuß nicht möglich. Leicht mit Hundespur zu ver-
                                                                                              ne Methoden: Wald- und Gelbhalsmäuse nagen ein                        wechseln, Fuchsballen sind jedoch kleiner und stehen weniger dicht beieinander. Auf festem
                                                                                              Loch, das am Außenrand viele Zahnspuren aufweist,                     Boden im Trab schräg gestellte Spurenpaare, im Schnee und auf weichem Boden: Abdrücke
                                                                                              während Rötelmäuse so nagen, dass das Loch außen                      in einer Linie („Schnüren“).
                                                                                              am Rand glatt ist. Mäuse legen im Herbst Vorräte an.
                                                                                              Dabei können sie große Mengen an Haselnüssen, Ei-
                                                                                              cheln, etc. horten. Manchmal stopfen sie Vogelnist-
                                                                                              kästen bis unter das Dach voll, so dass diese für Vögel,
                                                                                              aber auch Fledermäuse unbenutzbar werden. Solan-
                                                                                                                                                                    IGEL
                                                                                              ge noch kein Schnee liegt, sind unter den Büschen                     Etwa 2,5 cm lange und 2,8 cm breite Abdrücke von Vorder- und Hinterfüßen. Sohlengän-
                                                                                              auch immer Nüsse zu finden, die nur ein sehr kleines                  ger mit fünf Zehen und langen Krallen, vor allem am Hinterfuß. Innenzehen hinterlassen
                                                                                              rundes Loch aufweisen. Dort hat sich die Larve eines                  oft keine oder nur schwache Abdrücke. Zehen des Vorderfußes stark gespreizt, Hinterfuß
                                                                                              kleinen hochspezialisierten Rüsselkäfers entwickelt.                  schlanker. Hinterfußspur meist hinter die Vorderfußspur gesetzt, bei schnellerer Gangart
                                                                                              Es ist der Haselnussbohrer. Das Weibchen legt im                      aber auch in oder sogar vor die Vorderfußspur. Schrittlänge 20–25 cm.
      Hagebutten werden nicht         dem Schnabel auf. Wo saubere Schnabeleinschläge         Frühjahr ein Ei in die gerade erst entstehende Nuss,
         nur von Feldsperlingen       zu sehen sind, kann man erkennen, dass sie beim         von der sich die Larve später ernährt. Wenn sie aus-
          ­g eschätzt. Am Boden
       zeugen ihre Reste von so       Kleiber queroval sind und beim Specht hochforma-        gewachsen ist, knabbert sie sich durch die Schale, um
          manchem Mäusemal.
                 Foto: Frank Leo
                                      tig – eben so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
                                      Beide haben aber noch einen grundsätzlichen Un-
                                                                                              sich an einer geschützten Stelle zu verpuppen. So ha-
                                                                                              ben wir auf unserer kurzen Wanderung entlang der
                                                                                                                                                                    EICHHÖRNCHEN
                                      terschied in ihrer Vorgehensweise: Der Specht fertigt   Hecke schon viele Spuren gefunden und der Winter                      Vorderfußspur: etwa 4 cm lang und 2 cm breit. Hinterfuß: 5 cm lang und 2,5–3,5 cm breit.
                                      sich ein Loch, das er immer wieder nutzt. Unter einer   hält noch weitere Entdeckungen bereit.                                Vorderfußabdruck: vier schlanke, stark gespreizte Zehen mit deutlichen Krallenabdrü-
                                      solchen Spechtschmiede können sich große Mengen                                                                               cken. Der Daumen ist stark verkümmert und hinterlässt kaum Abdrücke, dafür jedoch der
                                      an Nussschalen (oder auch Zapfen) ansammeln. Der        Walter Wimmer                                                         Daumen-Ballen. Hinterfuß: fünf Zehen mit Krallen, die mittleren drei sind lang und etwa
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                                                                                                                                                                    gerichtet mit schwächerem Abdruck. Wegen der stets sprunghaften Fortbewegung stehen

                                                          Saubere Energie
                                                                                                                                                                    die Fußabdrücke in Vierergruppen zusammen. Abdrücke der Hinterfüße befinden sich au-
                                                                                                                                                                    ßerhalb und vor denen der Vorderfüße. Spur beginnt und endet meistens an Baum.

                                                                                                                    25 € + 25 €                                     HASE UND WILDKANINCHEN
                                                                                                                     je Wechsel         je Wechsel
                                                                                                                       für Gas           für Strom
                                                                                                                                                                    Hase: Spur Vorderlauf: ca. 5 cm lang und 3 cm breit. Hinterlauf: ca. 6 cm lang und 3,5
                                                                                                                                                                    cm breit, in Schnee auch deutlich länger und auch breiter. Charakteristisch regelmäßi-
                                                                                                                                                                    ge Spurengruppen mit vier separaten Fußabdrücken: vorne die beiden fast nebeneinander
Jetzt wechseln und 25 € Startguthaben je Strom- bzw. Gaszähler erhalten:       www.naturstrom.de/umwelt                                                             stehenden Hinterfußspuren, dahinter fast in einer Linie die kürzeren Vorderlaufspuren.
                                                                                                                                                                    Häufig auch Spuren in Sitzstellung mit langen Hinterlaufspuren hinten, direkt davor die
                                   • Strom aus Wasser- und Windkraft, empfohlen vom NABU
                                                                                                                                                                    kleinen Spuren der nebeneinander stehenden Vorderläufe.
                                   • Biogas aus Rest- und Abfallstoffen
                                   • Anbieter unabhängig von Kohle- und Atomindustrie
                                                                                                                                                                    Wildkaninchen: Spur ähnelt stark der des Hasen, nur kleiner. Hinterlaufspur: 4 cm lang
                                   • Bau und Förderung neuer Öko-Kraftwerke                                                                                         und 2,5 cm breit.
                                   • fairer Preis, keine Mindestvertragslaufzeit,
                                     einfacher Wechsel, ausgezeichneter Kundenservice
   naturmagazin 4/2017
NATURSTROM AG, Düsseldorf, Tel 0211 77 900 - 300, www.naturstrom.de
                                                                                                                                                                                                                                              naturmagazin 4/2017
NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
14 NATUR IM WINTER Titelthema                                                                                                                                                                                                                NATUR IM WINTER Titelthema 15

DER WINTER
AN DER ELBE
                             D
 Frühes Aufstehen entlohnt             er November bleibt sich treu und geht son-    Zwischenruhe. Am Horizont taucht ein Seeadler auf.        Wie also machen sie das? Wintervögel verfügen         melancholischen Rufen. Dann ein weiterer Trupp.        Der Winter hält ganz
 mit einmaligen Momenten.              nenscheu durch seine Zeit. So sagt man je-    Wieder ist der Luftraum von schnatternden Gänsen          über einen körpereigenen Wärmetauscher, der bes-      Ohne Gesang mit lautem Flügelschlag. Höcker-           ­b esondere „Blüten“ bereit.

                                       denfalls. Kein farbenfroher Blättertanz im    erfüllt. So geht es eine Weile, dann wird es still. Der   tens funktioniert. Warmes und kaltes Blut laufen so   schwäne im Anflug. Allmählich verschwindet die
                             Rampenlicht, dafür graue Nebelschleier. Und doch        junge Adler sitzt entspannt auf dem Eis, dreihundert      dicht nebeneinander, dass ein Energieaustausch pro-   Sonne hinter dem Horizont und der Mond klettert
                             zeigt er dann und wann, was er wirklich kann und        Singschwäne in offenen Wasserstreifen dahinter. Ge-       blemlos möglich ist. Das warme Blut zu den Füßen      an ihre Stelle. Zeit für den Biber. Erst am Nachmit-
                             lässt sein Finale ein Goldenes sein. Vielleicht wer-    mächlich Flügel schlagend beim Morgenbad oder bei         gibt dem kalten in Richtung Körper seine Energie.     tag habe ich das Resultat seiner Nachtschicht be-
                             den wir belohnt mit einem grandiosen Supermond.         der Gefiederpflege. Hier droht heute keine Gefahr.        Außerdem haben Bläss- und Saatgänse, Sing- und        trachtet, gleich wird Meister „Bockert“ es fortset-
                             Längst haben gelborange Laubteppiche ihr Antlitz                                                                  Zwergschwäne ziemlich kurze Beine. Achten Sie ein-    zen. Eine Pappel zur Sanduhr geformt und ich bin
                             in Ockerfarben getaucht und am Fuße alter Buchen        Einer wie der andere?                                     mal darauf.                                           gespannt, wann sie fallen wird. Familie Nutria labt
                             leuchtet es kupferrot. Vielleicht verzaubert schon      Ihre melodischen Rufe machen Singschwäne zur                                                                    sich an Uferpflanzen. Schwimmend sehen die gleich-
                             bald ein Winterwald und über die Landschaft legt        stimmungsvollen Winterkulisse an Flüssen und              Schöne Schwärmerei                                    großen Tiere Bibern zum Verwechseln ähnlich. Ein
                             sich ein wärmendes weißes Band. Zeit für Beson-         Seen. Heute hält es sie lange am Moor, erst spät bre-     Mit der kargen Jahreszeit halten Vogelschwärme Ein-   Ententrupp zieht zügig vorbei, im Schilf verrät sich
                             nenheit. Wer der Natur behutsam über die Schul-         chen die anmutigen Vögel zur Tagesrast auf. Wer ge-       zug in unsere Dörfer und Städte. Putzmunter bele-     die Wasserralle mit lautem Quieken. Ein Zaunkönig
                             ter schaut und nicht laut sondern leise durch die       nau hinsieht, entdeckt vielleicht einige Zwergschwä-      ben sie winterliche Ruheräume. Eben noch in der       präsentiert beim Abendkonzert eine Strophe seines
                             Ruhezeit geht, wird in seiner Besinnlichkeit einen      ne, die nur schwer von ihren größeren Verwandten          Krone einer Birke, stieben sie zwitschernd ausein-    Könnens. Dann wird es still. Nur die Schwäne singen
                             Kraftquell finden. Direkt vor der Haustür, in unse-     zu unterscheiden sind. Das Schnabelgelb ist beiden        ander, um sogleich in der Pappel gegenüber zu lan-    die ganze Nacht und wachen über unseren Schlaf.
                             ren Brandenburger Naturlandschaften.                    eigen, bei Singschwänen ist mehr Farbe im Spiel.          den. Kaum hat das Auge den neuen Rastplatz erfasst,
                                                                                     Wussten Sie, dass nordische Schwäne an ihrem in-          geht es zurück in die Birke. Dort gibt es Nahrung.    Ricarda Rath
                             Dezembermorgen                                          dividuellen Schnabelmuster zu erkennen sind? Die          Wer jetzt zusammenrückt hat`s leichter. In der Ab-    Text und Fotos
                             Dampfender Atem verrät die frostklare Nacht und         schwarz-gelbe Verteilung macht jeden Vogel einzig-        wehr von Feinden, bei der Futtersuche, im Schutz      Rangerin und Gebietsleiterin im Biosphären­
                             gefrorene Grashalme brechen wie Glas unter den          artig, ähnlich einem Fingerabdruck. Die Sonne steht       vor Kälte. Sperlinge und Meisen turnen in Garten-     reservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg              Singschwäne
                             Füßen. Mit jedem Schritt zum Wasser wird es ein         am königsblauen Himmel, als die letzten Vögel den         hecken, Wacholderdrosseln landen in Parkanlagen
                             wenig lauter. Spannung liegt in der Luft. Wie vie-      Schlafplatz verlassen. Mit der Dämmerung werden           und weit gereiste Wintergäste tummeln sich in ho-
                             le werden es heute sein? Auf dem Beobachtungs-          sie wiederkehren, und es beginnt eine melancholisch       hen Bäumen. Zweckgemeinschaften, die das Über-
                             turm bietet sich ein fantastisches Bild. Im rosaroten   singend klingende Nacht.                                  leben sichern.
                             Morgenlicht zeigen sich die Silhouetten unzähliger
                             Gänse, dazwischen leuchten Schwäne in strahlen-         Kalte Füße                                                Winterabend
                             dem Weiß. Wintergäste aus dem hohen Norden, die         Wer nicht warm eingepackt ist, zu dünne Socken            Feuerrote Wolkenschleier bilden die Kulisse zie-
                             hier ihren Süden finden. Plötzlich ein Donnergroll,     trägt und keinen heißen Tee im Rucksack hat, wird         hender Gänseketten auf ihrem Weg an die Schlaf-
                             ein Geräusch, das kaum zu beschreiben ist. Tausen-      schnell vor Kälte zittern. Und bibbernd fragt man         gewässer. Pausenlos, ein Trupp nach dem anderen.
                             de Gänse erheben sich zugleich, kreisen, rufen, flie-   sich, wie es Vögel eigentlich aushalten, nächtelang       Bis in die Dunkelheit sind die Nordischen auf dem
                             gen von links nach rechts und umgekehrt, ein Spek-      in eisigem Wasser zu schwimmen, stundenlang auf           Flug und erfüllen den Luftraum mit nasalen Rufen.
                             takel ohne Gleichen. Wer da wohl das Kommando           dem Eis zu stehen und sich dennoch wohlzufühlen.          Aus Osten erklingt Schwanengesang. Langsam kom-
                             hat? Manche ziehen ab, andere setzen sich wieder.       Ihre nackten Füße sind kaum vor Kälte geschützt.          men sie näher und überfliegen ihre Beobachter mit

naturmagazin 4/2017                                                                                                                                                                                                                                              naturmagazin 4/2017
NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
16 NATUR IM WINTER Titelthema                                                                                                                                                                                                                        NATUR IM WINTER Titelthema 17

„JA“ ZUR ZWIEBEL
                                                                                                                                                Beschaffenheit äußern. Es lohnt sich unter Umstän-        wasserabweisend. Kombiniert mit einer darunter ge-
                                                                                                                                                den, mehrere Hersteller auszuprobieren!                   tragenen Leggings oder langen Unterhose – am bes-
                                                                                                                                                                                                          ten aus Merino-Wolle – sind auch tiefe Temperatu-
                                                                                                                                                Wolle jeglicher Art eignet sich auch für die weiter au-   ren kein Problem.
                                                                                                                                                ßen liegenden Kleidungsschichten. Wärmende Zwi-

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                                                                                                                                                schenschichten, gestrickt oder als Fleece verarbeitet,    Mein absoluter Geheimtipp kommt aber den Fü-
                                                                                                                                                gibt es in hochwertigen Ausführungen. Hier sind           ßen zu gute: Gummistiefel gehen immer! Sie sind

­M ULTIFUNKTIONALE ­KLEIDUNG
                                                                                                                                                aber auch Kunstfasern eine gute Alternative. Diese        für mich vom Herbst bis zum Frühling das perfekte
                                                                                                                                                können zwar kaum Wasser aufnehmen, trocknen da-           Schuhwerk für Spaziergänge und Wanderungen bei
                                                                                                                                                für aber schnell. Zudem sind sie leicht und günstig.      jedem Wetter. Mit übergroßen Botten aus dem Bau-
Der Winter steht vor der Tür – und mit ihm stellt sich die Frage nach der richtigen Bekleidung für Erlebnisse                                                                                             markt geht das allerdings nicht. Im Jagd- und Out-
in Eis und Schnee. Für Jäger oder Naturfotografen gelten beim Ansitz andere Maßstäbe, doch wer in Bewegung                                      Ich trage Shirts und Leggings aus Merinowolle             doorbedarf gibt es jedoch Gummistiefel, in denen
                                                                                                                                                von Icebreaker und Dilling.                               der Fuß so gut sitzt, dass mit ihnen auch längere Stre-
bleibt, braucht in Brandenburg eher keine Alpin-Ausrüstung. Bei der ganzjährigen Arbeit in freier Natur, bei der
                                                                                                                                                                                                          cken kein Problem sind. Besonders im Winter sind
täglichen Runde mit dem Hund und bei Winterwanderungen vom Flachland bis ins Mittelgebirge konnte ich                                           Der Wetterschutz                                          Stiefel mit flexibler Sohle günstig, da sich in ihnen
erproben, was für mich sinnvoll und nützlich ist.                                                                                               Schutz vor Regen, Schnee und Wind bietet die äu-          die Füße beim Gehen stärker bewegen. Das fördert
                                                                                                                                                ßerste Bekleidungsschicht. Da bereits die inneren         die Durchblutung und beugt kalten Zehen vor. Ist
                                                                                                                                                Schichten die Thermoregulation übernehmen, reicht         im Schuh noch Platz für dicke Socken oder Füßlin-
                                                                                                                                                an dieser Stelle eine ungefütterte Jacke. Gut geeig-      ge aus Schafwolle, die gut wärmen und die zwangs-
                                                                                                                                                net sind solche mit einer atmungsaktiven Membran,         läufig anfallende Feuchtigkeit absorbieren (deshalb
                                                                                                                                                die Feuchtigkeit von innen nach außen lässt, aber         keine Kunstfaser!), kann nichts mehr passieren. Als
                                                                                                                                                nicht umgekehrt. Wer auf Naturmaterialien setzt,          Alternative gibt es auch Gummistiefel mit integrier-
                                                                                                                                                findet in Loden- oder gewachsten Baumwolljacken           ter Fütterung. Die sind dann aber nicht mehr so uni-
                                                                                                                                                universelle Klassiker, die allerdings nur bei kurzen      versell einsetzbar. Naturkautschuk ist für den Winter
                                                                                                                                                Schauern oder Schneefall wasserdicht bleiben. Einen       das beste Material, im Gegensatz zu PVC wird er bei
                                                                                                                                                großen Vorteil haben sie aber: Kein Rascheln, das         tiefen Temperaturen weder spröde noch hart. Aller­
                                                                                                                                                Tiere vertreibt und leise Geräusche übertönt. Nicht       dings schlagen sich diese Eigenschaften in einem hö-
                                                                                                                                                umsonst werden solche Jacken vor allem im Jagd-           heren Preis nieder. Doch die Investition kann sich
                                                                                                                                                bedarf angeboten.                                         lohnen: Meine Gummistiefel sind seit sechs Jahren
                                                                                                                                                                                                          meine treuen Begleiter.
                                                                                                                                                Von Kopf bis Fuß
                                                                                                                                                Über den Kopf verliert der Mensch die meiste Wär-         Wer sich mit Gummistiefeln nicht anfreunden kann,
                                                                                                                                                me – bei kalter Witterung ist eine Kopfbedeckung          schon robuste Wanderstiefel besitzt oder Winterstie-
                                                                                                                                                daher unverzichtbar. Zwar schützt auch eine wind-         fel mit Fütterung vorzieht, kann diese auch mit Ga-
                                                                                                                                                dichte Kapuze vor Wärmeverlust, sie schränkt aber         maschen kombinieren. Sie schützen zuverlässig in
                                                                                                                                                Sichtfeld und Hörvermögen ein. Eine Mütze – ob aus        nassem Gras und tiefem Schnee oder auf schlam-
                                                                                                                                                Wolle, Baumwolle oder Kunstfaser ist Geschmacks-          migen Wegen. In einfacher Ausführung gibt es sie

                                 B
                                                                                                                                                sache – ist die bessere Wahl.                             schon für wenig Geld, sie sind robust und leicht zu
  Stiefel aus echtem Gummi              esonders auf längeren Touren sollte man ge-      absorbieren als auch weiterleiten können. Altbe-                                                                 säubern.
   und eine Hose aus Misch-             nügend Kleidung mitnehmen, um in den Pau-        währt ist das Naturmaterial Wolle, vor allem die des   Beim Schutz der Beine kommt man in der nasskal-
 gewebe eignen sich bestens
    für Aktivitäten in Herbst           sen noch eine zusätzliche wärmende Schicht       Merino-Schafes. Deren besonders weiche Wollfaser       ten Jahreszeit mit Jeans nicht allzu weit: Robust sind    Ich trage eine Hose von Fjällräven mit Leggings
                 und Winter.     anziehen zu können. Nach schweißtreibender Bewe-        kann bis zu 35 Prozent ihres Gewichts an Feuchtig-     sie zwar, doch einmal nass, werden sie so bald nicht      von Dilling, Gummistiefel von Aigle und Gama-
                                 gung friert man sonst schnell in der nassen Kleidung.   keit aufnehmen, ohne sich feucht anzufühlen. Da-       wieder trocken. Besser sind Hosen aus dünnerem            schen von Sea to Summit.
  Mit Mütze, Schal und einer
  Kombination aus wärmen-        Besser als dicke Daunenjacken sind daher mehrere        mit behält sie ihre thermoregulierende Funktion län-   Stoff geeignet, der im Idealfall Nässe schnell wieder
dem Fleece und ­regendichter     dünnere Schichten im Zwiebel-Prinzip. Am besten         ger als vergleichbare Kunstfasern und auch länger      abgibt. Besonders robust und seit Jahrzehnten be-         Meine Erfahrung hat gezeigt, dass man nicht un-
 Jacke ist der Oberkörper gut
                                 bewährt hat sich Kleidung, die sich schnell an- und     als andere Naturmaterialien. Die Eigenschaften der     währt ist das Kunstfaser-Baumwoll-Mischgewebe             bedingt für jede Jahreszeit eine eigene Garnitur an
          vor Kälte geschützt.
                                 ausziehen oder über Reißverschlüsse regulieren lässt.   Merino-Wolle kommen besonders dann zum Tra-            „G1000” des Herstellers Fjällräven, das inzwischen        Kleidung braucht. Wer geschickt kombiniert und auf
   Fotos: David Nöggenrath                                                               gen, wenn man in der Bewegung schwitzt, anschlie-      viele Nachahmer gefunden hat. Es ist geräuscharm,         universell einsetzbaren Wetterschutz setzt, kann sich
                                 Universaltalent Merino-Wolle                            ßend aber länger stehen bleibt. Wichtig für Men-       haltbar und schnell trocknend. Alle Stoffe ab einem       auch bei Schnee und Eis nach draußen wagen.
                                 Schichten, die nah am Körper getragen werden,           schen mit sensibler Haut: Es gibt große Unterschiede   Baumwoll-Anteil von etwa 30 Prozent lassen sich mit
                                 sollten atmungsaktiv sein und Feuchtigkeit sowohl       in der Materialqualität, die sich in teils kratziger   Wachs imprägnieren und werden dann zumindest              Anne Nöggerath

naturmagazin 4/2017                                                                                                                                                                                                                                                 naturmagazin 4/2017
NATUR IM WINTER AM PULS DES WEISSEN RIESEN VORSICHT WINTERSCHLAF WINTERLICHE SPUREN - Natur+Text
18 IM BRENNPUNKT                                                                                                                                                                                                                                             IM BRENNPUNKT 19

                                                                                                                                        Flächenkonkurrenz durch den Anbau von Kulturen                                                                        Herdenschutzhunde bieten

GEMEINSAME
                                                                                                                                                                                                                                                              wirksamen Schutz vor
                                                                                                                                        wie Mais und Raps zur Energieerzeugung in Bran-
                                                                                                                                                                                                                                                              Wolfsübergriffen. Ihr Unter-
                                                                                                                                        denburg massiv zugenommen hat.                                                                                        halt verursacht allerdings
                                                                                                                                                                                                                                                              erhebliche Kosten.
                                                                                                                                        In der Landschaftspflege trägt die Schafsbeweidung
                                                                                                                                                                                                                                                               Weidetiere leisten einen

­AUFGABE HERDEN-
                                                                                                                                        beispielsweise dazu bei, artenreiche Wiesen offen zu                                                                   wichtigen Beitrag zur
                                                                                                                                        halten, die ansonsten in Folge einer natürlichen Ent-                                                                 ­L andschaftspflege.
                                                                                                                                        wicklung mit der Zeit zuwachsen und sich schluss­
                                                                                                                                                                                                                                                              Fotos: Wolfgang Ewert
                                                                                                                                        endlich zu Wald entwickeln würden. Nur durch ein

 SCHUTZ
                                                                                                                                        adäquates Beweidungsmanagement können Tro-
                                                                                                                                        ckenrasen, Feuchtwiesen, Niedermoore, Heideflä-
                                                                                                                                        chen und Orchideenwiesen sowie ihre oft einmali-          bisherigen Lösungsansätze der Politik seien zu kurz
                                                                                                                                        gen Tier- und Pflanzenarten erhalten werden. Das          gedacht. Beispielsweise werde die Anschaffung eines
                                                                                                                                        betrifft die Oderhänge bei Mallnow oder Lebus mit         Herdenschutzhundes subventioniert – jedoch nicht
                                                                                                                                        ihren berühmten Adonisröschen genauso wie die             dessen Unterhalt wie Futter, Tierarzt und Betreuung.
                                                                                                                                        Reicherskreuzer Heide oder die Wiesen bei Altlands-       Hier sei erheblich nachzubessern. An mangelnden
                                                                                                                                        berg mit den größten Vorkommen des seltenen Wie-          ­f­inanziellen Mitteln könne es allerdings nicht liegen,
                                                                                                                                        senknopfes in Brandenburg.                                betrachte man so manche Ausgabe des Landes. Bei
                                                                                                                                                                                                  der bis 2020 anstehenden Überarbeitung der Richt-
                                                                                                                                        Durch eine naturschutzgerechte, mosaikartige Be-          linien zur Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik
                                                                                                                                        weidung entwickelt sich ein vielseitiges Landschafts-     (GAP) könnte die Politik nun zeigen, dass sie die Pro-
                                                                                                                                        bild. Durch die unterschiedlichen Entwicklungssta-        bleme der Weidetierhalter und deren enormen Bei-
                                                                                                                                        dien der Flächen verwischen oftmals die Grenzen           trag zum Erhalt einer attraktiven Landschaft und der
                                                                                                                                        zwischen Wald- und Offenlandbiotopen. Bei Hei-            Artenvielfalt verstanden hat, indem sie deren Leis­
                                                                                                                                        deflächen ergibt sich beispielsweise durch die vor-       tungen künftig angemessen honoriert.
                                                                                                                                        handenen Gehölze, Wald- und Totholzreste eine
                                                                                                                                        beeindruckende Strukturvielfalt, die viele verschie-      Der weitverbreiteten Wahrnehmung, dass Natur-
                                                                                                                                        dene ökologische Nischen und damit eine hohe Ar-          schützer und Weidetierhalter beim Thema Wolf auf
                                                                                                                                        tenvielfalt ermöglicht. Es ist daher nur folgerichtig,    unterschiedlichen Seiten stehen, will der NABU Bran-
                                                                                                                                        dass der NABU das Wirken der Schäfer und Weide-           denburg mit einer Kampagne zum Herdenschutz be-

NABU BRANDENBURG FORDERT STÄRKERE
                                                                                                                                        tierhalter unterstützt und sich für den Erhalt dieses     gegnen. In Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft
                                                                                                                                        Berufes stark macht. Der Vorsitzende des NABU-            Herdenschutzhunde e.V. und WikiWolves, einer eh-

­U NTERSTÜTZUNG VON WEIDETIERHALTERN
                                                                                                                                        Landesverbands Brandenburg, Friedhelm Schmitz-            renamtlichen Plattform zur Unterstützung von Wei-
                                                                                                                                        Jersch, sagt dazu: „Es ist ein ganz wichtiger Aspekt,     detierhaltern, soll es noch in diesem Jahr losgehen.
                                                                                                                                        die Weidetierhalter, die zumeist schon vor der Rück-      Vordergründig geht es allen Beteiligten darum, so-
                                                                                                                                        kehr des Wolfes nach Deutschland unter immensem           wohl die Öffentlichkeit als auch die Politik für die
Der Wolf hat sich in Brandenburg etabliert. Für die extensive Weidetierhaltung als besonders                                            wirtschaftlichem Druck standen, nicht weiter finan-       Probleme der Weidetierhalter und deren Leistungen
­naturverträgliche Form der Landnutzung bedeutet dies eine besondere Herausforderung.                                                   ziell zu belasten. Die Weidetierhaltung benötigt drin-    zu sensibilisieren. Durch vielseitige Informationsan-
                                                                                                                                        gend zukunftsfähige Perspektiven – auch unabhän-          gebote und das Sammeln von Spenden für betroffene

                       D
                                                                                                                                        gig von der Wolfsdebatte.“                                Schäfer soll ein klares Signal an die Politik gesendet
                                 ie Rückkehr des Wolfes nach Deutsch-         Zum Erhalt der strukturreichen Kulturlandschaft                                                                     werden. Darüber hinaus sind für das erste Quartal
                                 land ist ein hoch emotionales und dem-       Brandenburgs ist die extensive Beweidung der da-          Fraglos bedeutet die Rückkehr des Wolfes für viele        2018 Schulungen für Ehrenamtliche geplant, bei de-
                                 entsprechend viel diskutiertes Thema. Mit    für infrage kommenden Landschaftsteile unerläss-          Weidetierhalter zunächst ein Problem. Zusätzliche         nen Wissen über Schafhaltung in Wolfsgebieten ver-
                        den bundesweit meisten Wölfen befindet sich Bran-     lich. Umso mehr ist es alarmierend, dass die Weide-       Belastungen müssen deswegen dringend durch die            mittelt und das fachkundige Aufstellen von wolfsab-
                        denburg politisch und naturschutzfachlich in einer    tierhaltung in Brandenburg, vor allem die Schaf- und      Politik vermieden oder aufgefangen werden. „Es wäre       weisenden Weidezäunen trainiert wird. Ziel dieser
                        besonders exponierten Position. Zur Zeit leben in     Ziegenhaltung, seit Jahren stark rückläufig ist. Wur-     mehr recht als billig, wenn es aufwandsbezogene An-       Weiterbildungen ist es, die bisherige Unterstützung
                        märkischen Gefilden 21 Wolfsrudel und zwei ­Paare.    den im Jahr 2000 noch rund 170.000 Schafe in Bran-        reize für die ökologischen und gesellschaftlichen Leis-   von Weidetierhaltern durch freiwillige Helfer beim
                        Nunmehr ist insbesondere die Politik gefragt, prak-   denburg gehalten, betrug der Bestand 2016 nur noch        tungen der Weidetierhalter geben würde, die sie für       Zaunbau zu qualifizieren und zu stärken. Weitere In-
                        tikable Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein        knapp 75.000. Dies liegt in erster Linie daran, dass im   den Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft Bran-      formationen unter www.nabu-brandenburg.de.
                        Zusammenleben von Weidetierhaltern und Wolf           Jahr 2005 die Haltungsprämie für Schafe in Form der       denburgs erbringen“, erklärt auch Christiane Schrö-
                        ermöglichen.                                          Mutterschafprämie weggefallen ist und zusätzlich die      der, die Geschäftsführerin des Landesverbandes. Die       Wolfgang Ewert

naturmagazin 4/2017                                                                                                                                                                                                                                                naturmagazin 4/2017
20 PORTRAIT                                                                                                                                                                                                                                                              PORTRAIT 21

BLÜHENDE LANDSCHAFTEN                                                                                                                                                                                                                                             Was für ein regionaler
                                                                                                                                                                                                                                                                  Schatz! Ein Sack voll
                                                                                                                                                                                                                                                                 ­W iesenkerbel-Samen.

­WÖRTLICH ­GENOMMEN                                                                                                                                                                                                                                               Nicht so schön wie im
                                                                                                                                                                                                                                                                  Freien, aber notwendig:
                                                                                                                                                                                                                                                                  Schreibtischarbeit für
                                                                                                                                                                                                                                                                 ­C hristina Grätz.
CHRISTINA GRÄTZ GRÜNDETE EIN BREIT AUFGESTELLTES,
­E RFOLGREICHES ­U NTERNEHMEN IN DER LAUSITZ

                                                                                  Energieindustrie fügt, ist eine der erfolgreichsten
                                                                                  Gründungen der vergangenen Jahre in Brandenburg.
                                                                                  Es produziert viel Einzigartiges und schafft republik-
                                                                                  weit Maßstäbe bei der Renaturierung verschiedens-
                                                                                  ter Arten von Flächen. Christina Grätz ist mit Bun-
                                                                                  des-, Landes- und regionalen Preisen ausgezeichnet
                                                                                  worden. Wenn sie in ihrem kühlen Lagerraum mit           Christina Grätz gehörte zu den Besetzern des Sied-         artenvielfältiges Biotop, das Samen in der gebietsty-
                                                                                  dem markanten Geruch steht, die Hand prüfend in          lungsplatzes. Die Abbaggerung konnte sie nicht ver-        pischen Zusammensetzung enthält. Auf Düngung
                                                                                  einen der großen Papiersäcke steckt und feine Samen      hindern. Doch das Unternehmen, das diesen Schritt          kann verzichtet werden, die Keimlinge trocknen im
                                                                                  durch ihre Finger rinnen, huscht ein zufriedenes Lä-     veranlasste, brachte Christina Grätz 2009/2010 auf         Mulch nicht aus, es gibt kaum Wind- und Wasserero-
                                                                                  cheln über ihr Gesicht. Dafür hat sie hart gearbeitet:   die Idee, die Renaturierung ehemaliger Tagebauflä-         sion und auch Mikroorganismen und Sporen werden
                                                                                  Etwa 800 Kilo Samen verschiedener regionaler Wild-       chen natürlich, hochwertig und effektiv in die Tat         für den gesunden Boden mit übertragen. „So einfach,
                                                                                  pflanzen, darunter seltene Arten und Erhaltungskul-      umzusetzen. Sie arbeitete für ein Eberswalder Inge-        effektiv und natürlich ist das“, ist Christina Grätz bis
                                                                                  turen, stehen sofort versand- und verwendungsfähig       nieurbüro in den Bereichen Bodenschutz und Land-           heute begeistert. Und an diese Erkenntnis schlossen
                                                                                  bereit. Sie entstanden aus ihrer Idee, aus Kraft, Mut,   schaftsplanung. Ihr Einsatzgebiet war die Lausitz,         sich weitere an: Der Vertragsnaturschutz, bei dem ge-
                                                                                  Fleiß, Zeit und Geld. Vor allem die Liebe zur Natur,     sie befasste sich als Botanikerin mit Monitoring und       mäht und die Mahd kostenpflichtig entsorgt wird, ist
                                                                                  die Verbundenheit mit der oft verwundeten heimat-        Gutachtertätigkeiten. Als das Bergbauunternehmen           nicht optimal. „Mahdgut ist doch kein Müll, sondern
                                                                                  lichen „Scholle“ ist ihr stetiger Motor.                 ein Konzept suchte, um wertvolle Biotope auf Re-           wertvoll“, sagt die Praktikerin überzeugt. Außerdem
                                                                                                                                           naturierungsflächen eines ehemaligen Tagebaus zu           muss sie kein Saatgut mehr in anderen Bundeslän-

                           W
                                                                                  Achtung vor allen Tieren und Pflanzen wurde der          schaffen, begab sich Christina Grätz tief in Litera-       dern kaufen, das Geld bleibt vor Ort und sie kann lo-
    Wiesenmargeriten und                 er unvermittelt über die schmale As-     dreifachen Mutter schon als Kind besonders vom           tur und Forschung. Ihre Diplomarbeit hatte „Berg-          kale Kooperationen mit Eigentümern, Nutzern und
 Rauer Löwenzahn wachsen                 phaltstraße kommt, zwischen reifen       Vater vermittelt. Sie ist mit ihren Geschwistern in      baufolgelandschaften“ (BFL) zum Thema. Doch aus            Dienstleistern zum gegenseitigen Nutzen anstoßen.
     zur Samengewinnung.
                                         Maisfeldern mit dampfenden Kühltür-      der Lausitz, in Radeweise, aufgewachsen. „Wir wa-        der Vergangenheit lagen nur Erfahrungen und An-
                           men im Hintergrund, reibt sich wahrscheinlich ver-     ren eigentlich immer draußen“, sagt sie. Ihren ei-       leitungen zu land- und forstwirtschaftlicher Renatu-       Dass die Samenübertragung mit der Mahd nicht aus-
                           wundert die Augen. Vor einem einsamen Hof liegen       genen Kindern kann sie die schöne Umgebung des           rierung vor. Nie zuvor wurde die planmäßige Her-           reicht, war bald klar. Wollte Nagola Re der steigen-
                           lange Beete mit seltsamen Anpflanzungen. Unregel-      Elternhauses nicht mehr zeigen. An Radeweise er-         stellung von Naturschutzflächen in BFL praktiziert.        den Nachfrage gerecht werden, musste man selbst
                           mäßig scheinen die Reihen, viele verschiedene Arten    innert nur noch ein Gedenkstein. Mitte der 1980er        Das interessierte sie so sehr, dass sie über die theore-   Samenproduzent werden. Die Novellierung des Bun-
                           wachsen auf relativ kleiner Fläche. Ein Versuchsan-    Jahre mussten Christina und ihre Familie umziehen,       tische Beschäftigung mit dem Thema in den Vollzug          desnaturschutzgesetzes 2010 passte da gut: Bei der
                           bau? Beim Näherkommen erkennt man, dass hier           weil ihr Dorf für den Braunkohletagebau abgebag-         der Aufgabe ging. Doch das war kein Arbeitsfeld für        Begrünung freier Landschaft musste fortan heimi-
                           Pflanzen gedeihen, nach denen der Unkrautstecher       gert wurde. Ein Schicksal von vielen in der Regi-        ein Ingenieurbüro und auch nicht für sie als Ange-         sches Saatgut verwendet werden. Und weil Christina
                           des Kleingärtners allzu gern ausrückt: Rotklee, Sau-   on. Doch obgleich die Eltern an anderer Stelle ein       stellte. Ohne Scheu vor dem Schritt in die Eigenver-       Grätz frühere Kernkompetenzen nicht brachliegen
                           erampfer, Wegeriche, Kerbel, verschiedenste Grä-       Haus bauten, es ringsum Natur gab, kam die Heran-        antwortlichkeit gründete sie ihr Unternehmen. 2011         lässt, sind sie und ihr 18-köpfiges Mitarbeiterteam
                           ser und letztes Blühendes wie Wiesenmargerite oder     wachsende mit diesem Einschnitt schlecht klar. Ih-       stand die Idee, Mahdgut- und Oberbodenübertra-             auch bei der Umsiedlung von Ameisennestern, beim
                           Rauer Löwenzahn. Die Feldecken kommen „wüst“           re Heimatscholle bleibt Radeweise. Sie begann, sich      gung bekannt zu machen und auszubauen, auf ih-             Monitoring und als Gutachter tätig. Sie schreibt Be-
                           daher. Dort lässt die Hofherrin stehen, was wächst,    für Umweltschutz zu interessieren, engagierte sich       rer Agenda. Auf diese Weise konnte sie ihren Beitrag       richte und Förderanträge, dreht Imagefilme, sammelt
                           denn wenn ringsum alles abgeerntet ist, brauchen       schon als Abiturientin gegen den Braunkohleabbau.        leisten, die naturräumliche Identität der vom Berg-        wertvolle Samen per Hand und hat noch Ideen in der
                           Insekten einen Überwinterungsplatz.                    Der Berufswunsch, Ärztin zu werden, war irgend-          bau beeinflussten Heimat wiederherzustellen und zu         Schublade: Es soll gekocht werden. Wildpflanzen als
                                                                                  wann vom Tisch. Stattdessen begann sie 1993 an der       erhalten: Durch das Mähen einer kompletten, heilen         Nahrungsmittel könnten in einer weiteren Firma auf
                           Die Frau, die solches im Sinn hat, ist Christina       Berliner Humboldt-Uni ein Biologie-Studium. Sie          Naturfläche (Parentalfläche) und die Übertragung           dem Speisezettel stehen.
                           Grätz, Biologin und seit 2011 Inhaberin der Firma      pendelte in die Hauptstadt und wohnte zu dieser Zeit     der gesamten Mahd auf eine geobotanisch und klima-
                           „Nagola Re“. Ihr Unternehmen, das sich so natür-       in Lakoma, einem Ort, den das gleiche Schicksal wie      tisch ähnliche Filialfläche (z.B. Bergbau- oder Aus-       Andrea von Fournier
                           lich in die Lausitzer Wiesen neben Jänschwaldes        Radeweise ereilen sollte.                                gleichsfläche, Deich) entsteht auf der Filialfläche ein    Text und Fotos

naturmagazin 4/2017                                                                                                                                                                                                                                                   naturmagazin 4/2017
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