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ZUKUNFTSBERICHT Nephrologie ZUKUNFTSBERICHT Nephrologie ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE niere-hochdruck.at
1 Vorwort Der medizinische Meilenstein, PatientInnen mit akutem und chronischem Nierenver- sagen mittels Dialyse ein Überleben zu ermöglichen, markiert in den 1960er Jahren den Anfang der Nephrologie als Subdisziplin der Inneren Medizin. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kam es weltweit und auch in Österreich zur Errichtung von Dialyse- zentren und zur Etablierung von nephrologischen Fachabteilungen. Seither hat sich die Nephrologie zu einem breiten Fach mit einem umfassenden Leistungsspektrum entwickelt. Der nachfolgende Bericht bietet Ihnen einen Überblick über die zentrale Rolle von NephrologInnen in der Behandlung internistischer und kritisch kranker PatientInnen, sowohl in der Versorgung von Akutfällen, als auch in der dauerhaften, chronischen Behandlung. Die Attraktivität der Nephrologie begründet sich heute vor allem auf den zukunfts- weisenden neuen Entwicklungen auf klinischem und wissenschaftlichem Gebiet. Die Interaktionen mit anderen Fachgebieten werden sich deshalb in der Zukunft weiter intensivieren und ausbreiten. Die Nephrologie kann sich so vor allem für junge KollegInnen als ein Fach der Zukunft präsentieren. Die Österreichische Gesellschaft für Nephrologie wünscht Ihnen beim Lesen dieser Übersicht viel Freude und hofft Ihr Interesse für die Nephrologie zu wecken und Ihr Verständnis für die Probleme von NierenpatientInnen, aber auch von jenen Patient- Innen anderer Disziplinen, die von NephrologInnen mitbetreut werden, vertiefen zu können.
2 3 Inhaltsverzeichnis Einführung und historischer Hintergrund 4 Die Nephrologie – ein zentrales Fach 8 1. Extrakorporale Therapieverfahren 11 1.1 Chronische Hämodialyse 11 ZUKUNFTSSZENARIEN 11 1. Individualisierte Therapie 11 2. Gefäßzugänge 13 3. Biosensorgesteuerte Dialyse 14 4. Die tragbare Niere 14 5. Nierenfunktion ist mehr als glomeruläre Filtration 15 6. „ReBuilding a Kidney“ 15 1.2 Hämofiltration als besonderes Nierenersatzverfahren 16 1.3 Peritonealdialyse (CAPD) 17 1.4 Hämoperfusion 2.0 20 1.5 Plasmaseparation 23 2. Interventionelle Nephrologie 26 2.1 Biopsie 26 2.2 Skills 28 2.3 Gefäßzugänge und Monitoring 28 3. Schwangerschaften bei Nierenerkrankungen 30 4. Zelltherapie 34 5. SpezialistInnen für die klassische Nephrologie 36 5.1 Lifestyle 38 5.2 Genetik 38 5.3 Medikamentöse Blutdruck-Therapie 38 5.4 Interventionelle Techniken 39 6. Salz, Wasser und Säure-Basen-Regulation 41 6.1 Salz 41 6.2 Säure-Basen-Haushalt 43 7. Systemerkrankungen mit Nierenbeteiligung 44 8. Nierentransplantation 48 9. Pädiatrische Nephrologie 53
4 5 Die Nephrologie – das Fach der Zukunft der Immunologie und in der Technik der extrakorporalen Therapieverfahren ermöglichen es, Abstoßungsreaktionen Expertise auch andere extrakorporale Therapieverfahren betreuen. Epidemiologische Studien zeigen, dass die zu minimieren oder Transplantationen über die Blutgrup- Anzahl von PatientInnen, die diese spezielle Betreuung penbarriere durchzuführen. benötigen, in Europa und global deutlich weiter zu- Einführung und historischer nehmen wird (Kainz A et al. NDT 2015; „Global Burden Auch auf dem Gebiet der akuten und chronischen Eigen- of Disease“ 2016: The Lancet: 2017). Dies ist u. a. auf Hintergrund nierenerkrankungen gab es enorme Fortschritte. Die Arbeitsgruppe um Brenner in Bosten, USA beschrieb die gestiegene Lebenserwartung und die Zunahme von wesentlichen renalen Risikofaktoren wie Diabetes und in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts die Hypertonie zurückzuführen. Ungeachtet der Fortschritte In Österreich leben je nach Definition (Reduktion der intraglomeruläre Hypertonie als entscheidenden Faktor kommt die Studie „Global Burden of Disease“ daher auch glomerulären Filtrationsrate unter 60 ml/min/1,73 m2 für die Progression von chronischen Nierenerkrankungen. nicht ganz überraschend zum Schluss, dass der Verlust an oder Verlust von mehr als 30 mg Albumin/Tag) zwischen In Österreich leben Der daraus resultierende Einsatz von Medikamenten, die gesunden Lebensjahren durch chronische Nierenerkran- 200 und 900 Tausend Menschen mit einem chronischen die Aktivität des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems kungen in den letzten 25 Jahren jährlich um 0,6 Prozent Nierenleiden. Diese werden von 250 SpezialistInnen, so- zwischen 200 und reduzieren, hat es vielen PatientInnen ermöglicht, trotz zugenommen hat. In Österreich stieg die Mortalität durch genannten NephrologInnen (NierenärztInnen) und etwa 100 ÄrztInnen in Ausbildung betreut. Diese Fachkräfte 900 Tausend Menschen einer Nierenerkrankung ein Leben ohne Nierenersatz- therapie zu führen. Auch auf dem Gebiet von immuno- ein chronisches Nierenversagen in den letzten Jahr- zehnten um etwa 4 Prozent und damit stärker als durch behandeln aber auch PatientInnen mit akuten Nieren- mit einem chronischen logischen oder genetischen Nierenerkrankungen gab und andere Erkrankungen, derzeit sind etwa 3 Prozent aller erkrankungen, nach einer Transplantation, mit Hypertonie gibt es bahnbrechende diagnostische und therapeutische Todesfälle darauf zurückzuführen (siehe Grafik Seite 6–7). oder Störungen des Elektrolyt- oder Säure-Basenhaus- Nierenleiden. Weiterentwicklungen. In den letzten Jahren wurden Anti- halts umfassend und mit höchster fachlicher Qualifika- diabetika entwickelt, die nicht nur über die Niere selbst tion. Gemäß der Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung ist die Nephrologie auch ein eigenes internistisches Sonder- niere durch Alwall 1946, der Plattendialysatoren durch ihre Wirkung entfalten (wie die SGLT-2 Hemmer), sondern auch über die blutzuckersenkende Wirkung hinaus die In Österreich stieg die fach. Skeggs und Leonards 1948 und vor allem der Spulenniere Niere schützen. Mortalität durch ein (TwinCoil), die der Österreicher Bruno Watschinger ge- In der Geschichte der klinischen Medizin ist die Nephro- meinsam mit Kolff 1955 in Cleveland, USA entwickelte, Erythropoetin war eines der ersten gentechnologisch chronisches Nierenver- logie eine vergleichsweise relativ junge Disziplin, obwohl sowie wiederverwendbaren Dialysatoren durch Kiil 1960, hergestellten Hormone und sein Einsatz zur Therapie der PhysiologInnen die Nierenfunktion und klinisch tätige ebneten den Weg für den Einsatz der Hämodialyse auch renalen Anämie hat die Lebensqualität nicht nur von sagen um etwa 4 Prozent. ÄrztInnen Nierenerkrankungen bereits seit vielen Jahr- bei chronischem Nierenversagen. Watschinger etablierte PatientInnen mit chronischen Nierenerkrankungen massiv hunderten beobachtet und beschrieben haben. Allerdings die Hämodialyse nach seiner Rückkehr aus den USA auch verbessert. Pathophysiologische Untersuchungen und epi- Neben der hohen Mortalität sind chronische Nieren- hatte ein fortgeschrittener Funktionsverlust der Niere in seinem Heimatland (einen historischen Überblick der demiologische Beobachtungen machten auch rasch klar, erkrankungen in Österreich auch für 1,5 Prozent aller praktisch immer den Tod zur Folge. Aufgrund fehlender Entwicklung der Nephrologie in Österreich finden Sie dass chronisch Nierenkranke an speziellen Problemen Disability Adjusted Life Years verantwortlich. Diese Zahl adäquater Interventionsmöglichkeiten beschränkt sich in einer 2015 erschienenen Sonderausgabe der Wiener leiden. So steht zum Beispiel der plötzliche Herztod und bedeutet, dass jährlich bei ein bis zwei von hundert die Therapie auf Diätvorschriften und soweit möglich, klinischen Wochenschrift). nicht der Myokardinfarkt bei den kardiovaskulären Todes- Personen, die ein Lebensjahr in voller Gesundheit verlie- auf eine Linderung der Symptome. Dies änderte sich ursachen an der Spitze, im Gegensatz zu den typischen ren, eine Nierenerkrankung dafür verantwortlich ist. grundlegend in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Basierend Ein dauerhaft sicherer Gefäßzugang wurde 1960 von stenosierenden Gefäßveränderungen in der „Normal- Das ist eine dramatisch hohe Zahl, die von keiner auf Erkenntnissen von Graham (dieser prägte 1861 den Scribner in Zusammenarbeit mit Quinton entwickelt und bevölkerung“ kommt es bei einer Nephropathie zu einer anderen Erkrankung übertroffen wird. Begriff „Dialyse“ in seinem Buch „On Osmotic Force“, in 1965 von Cimino durch die native arteriovenöse Fistel rapiden Gefäßalterung mit einer Kalzifizierung der Media. dem er erstmals den, von einem Konzentrationsgradien- verfeinert. Dies stellte eine weitere wichtige Voraus- Dies ist verbunden mit einem Verlust der Elastizität der Nierenerkrankungen verursachen auch eine enorme ten getriebenen Transport von Stoffen durch permeable setzung für die Hämodialyse dar. In den 1970er Jahren Arterien und einer daraus resultierenden ungünstigen finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem. Wenn Membranen beschrieb), führten 1913 Abel, Rowntree und begann sich mit der Peritonealdialyse auch eine andere Veränderung der zentralen Hämodynamik. neue medizinische Interventionen in Hinblick auf ihre Fi- Turner in den USA und 1924 Haas in Deutschland tier- Form der Nierenersatztherapie zu etablieren, wobei das Eine wesentliche Bedeutung haben in diesem Zusammen- nanzierbarkeit getestet werden, gelten in vielen Ländern experimentelle, später aber auch humane Versuche durch, Konzept bereits im 18. Jahrhundert von einigen Forschern hang Umstellungen im Bereich des Kalzium-Phosphat- die Kosten für ein Jahr Hämodialyse als obere Grenze. mit dem Ziel, Urämietoxine maschinell aus dem Körper zu diskutiert und in durchaus kreativer Form getestet wor- Vitamins D-FGF-23 und des Parathormonhaushalts und Die USA geben pro Jahr für die Therapie von chronischen entfernen. den war. so wird rasch klar, wie komplex Nierenerkrankungen sind Nierenerkrankungen (exklusive der Nierenersatztherapie) und wie spezifisch Diagnostik und Therapie sein müssen. 49 Milliarden Dollar aus und in Großbritannien kostet Der klinische Durchbruch gelang 1945 dem holländi- Parallel zur „konservativen Nierenersatztherapie“ ent- Störungen des Elektrolythaushaltes wurden ebenso eine die Behandlung einer Dialysepatientin/eines schen Arzt Willem Kolff, als er eine 68-jährige Patientin wickelte sich das Feld der Transplantation. 1902 führte Domäne der Nephrologie wie die Diagnostik und Therapie Dialysepatienten fast 20 mal mehr als die von chronisch mit einem akuten Nierenversagen mit seiner Rotating Ullmann in Wien eine Nierentransplantation am Hund der arteriellen Hypertonie (obwohl bereits Guyton erkannt Nierenerkrankten. Drum Kidney erstmals so lange dialysieren konnte, bis durch. 1936 versuchte dies (allerdings erfolglos) Woronoi hatte, dass ohne eine Störung der Nierenfunktion keine es zu einer ausreichenden Wiederaufnahme der Eigen- erstmals am Menschen in der Ukraine. Nach einer nur Hypertonie persistieren kann). nierenfunktion kam. Die Verfügbarkeit der systemischen kurz erfolgreichen Transplantation durch Hamburger in Antikoagulation (1918 beschrieb Howell die Wirkung von Paris im Jahr 1953, gelang dem späteren Nobelpreis- Angetrieben von diesen Entwicklungen entstanden in Heparin) und Fortschritte auf dem Gebiet der Dialyse- träger Murray 1954 unter der Leitung des Nephrologen Österreich vor allem in Spitälern eigene Abteilungen für technik (Einsatz von Cellophan als semipermeables Merril die erste, längerfristig erfolgreiche Transplantation Nephrologie, in denen neben der Behandlung der oben Membranmaterial durch Thalheimer 1938, der Trommel- bei Zwillingsbrüdern. Erst die heutigen Fortschritte in genannten PatientInnen NephrologInnen aufgrund ihrer
6 7 1990 In Österreich sind etwa drei Prozent aller Todes- ursachen direkte Folge einer chronischen Nierenerkrankung. TODESURSACHE TODESURSACHE In den letzten 25 Jahren HERZERKRANKUNGEN: NIERENERKRANKUNGEN: stieg diese Rate um fast 27,07 % 0,9 % 4 Prozent pro Jahr. 2016 TODESURSACHE TODESURSACHE HERZERKRANKUNGEN: NIERENERKRANKUNGEN: 25,16 % 2,9 % Quelle: Institute for Health Metrics and Evaluation, Univ. of Washington, USA
8 9 Die Nephrologie – ein zentrales Fach Tabelle 2: NephrologInnen werden nicht nur aufgrund ihrer Expertise NephrologInnen übernehmen auch die Durchführung von Beispiele von nephrologisch interdisziplinär behandelten Erkrankungen bei extrakorporalen Therapieverfahren und der Behandlung extrakorporalen Therapieverfahren bei anderen Indikatio- im Bereich der operativen Fächer von akuten und chronischen Nierenerkrankungen sowie der nen (Plasmapherese, Immunadsorption, Lipidapherese, oder Betreuung von transplantierten PatientInnen konsultiert, Hämoperfusion, siehe Tabelle 1) Das Fach etablierte sich Behandlung von Flüssigkeits-, Elektrolyt-, und Säure-Basen-Haushalts- sondern auch in die Behandlung primär nicht nephrologi- deshalb als Kooperationspartner für viele konservative wie störungen bei Kurzdarmsyndromen, Leberersatztherapie nach scher Erkrankungen miteinbezogen. operative Spezialgebiete. Abdominalchirurgie großen Leberresektionen oder als Bridging-Therapie zur Transplantation, Management eines akuten Nierenversagens Tabelle 1: Beispiele für Indikationen von extrakorporalen Therapieverfahren in internistischen Management des akuten Nierenversagens, Indikationsstellung zur Inter- Fächern abseits der Nephrologie und Transplantationsmedizin: Gefäßchirurgie vention bei renovaskulärer Hypertonie, Indikationsstellung zur invasiven Therapie bei therapieresistenter Hypertonie, Shuntchirurgie ie ie og og n ge ol ol at n gi kr / ku m er gie ie An Hä an og en em lo e ie/ ie gi ie e/ ol ng st to og og lo og gi in Sy ma ftu to ol lo ol kr ol Endokrine Chirurgie Indikationsstellung zur Parathyreoidektomie di ko pa eu gi lm do ur r r On He Rh Pu Ne Ka En Ve Hämodialyse x x x x Hämofiltration x x x x x Peritonealdialyse x x x Management des akuten Nierenversagens, Indikationsstellung zur Immunadsorption x x x x x x x invasiven Therapie von koronaren und valvulären Erkrankungen Herzchirurgie Plasmaseparation x x x x x x bei PatientInnen mit chronischen Nierenerkrankungen, Therapie des kardiorenalen Syndroms Hämoperfusion x Lipidapherese x x Photopherese x Interaktion auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin; Leberersatz Therapie x x Thoraxchirurgie Therapie von Abstoßungsreaktionen (Plasmaseparation, Immunadsorption, eventuell Photopherese). Neurologie Trans- plantations- Hematologie/ chirurgie Nephrologie und Kardiologie Nephrologie und Onkologie extrakorporale Therapie- extrakorporale Therapie- verfahren als Partner von verfahren als Partner Thorax- Adominal- KONSERVATIVEN Fächern von OPERATIVEN Fächern chirurgie chirugie NEPHROLOGIE Endo- Rheuma- NEPHROLOGIE tologie/System- krinologie erkrankungen Herz- Gefäß- chirurgie chirurgie Pulmologie Hepatologie Endokrine- chirurgie
10 11 Transplantationschirurgie: Neben der Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen Durch ein ausgezeichnet organisiertes System ist es mög- lich, die Mehrzahl der PatientInnen innerhalb der ersten 1. Extrakorporale Therapieverfahren wie oben beschrieben ist ein wesentlicher Schwerpunkt drei Jahre nach Wartelistenanmeldung zu transplantie- der Nephrologie die Organisation, das Management und ren. PatientInnen, für die eine Lebendnierenspenderin/ In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Teilgebiete des Faches Nephrologie noch einmal die postoperative Nachsorge von PatientInnen nach ein Lebendnierenspender zur Verfügung steht, sollten kurz beschrieben und dabei wird insbesondere auf das hohe Entwicklungspotential eingegangen. Nierentransplantationen. Dies erfolgt in enger Zusammen- und werden auch präemptiv, d. h. knapp bevor die Dialyse arbeit mit der Transplantationschirurgie. überhaupt gestartet werden muss, transplantiert. Hier besteht jedoch in den nächsten Jahren eine deutliche 1.18Chronische Hämodialyse Die Nierentransplantation ist zweifellos die beste Form der Optimierungsmöglichkeit, da derzeit weniger als 20 Pro- Nierenersatztherapie für geeignete PatientInnen zent der PatientInnen in Österreich durch eine Lebend- Jährlich unterziehen sich weltweit ca. 2,6 Millionen Die Hämodialyse beruht auf dem Prinzip der Diffusion und die exzellenten Ergebnisse basieren auf der großen spende versorgt werden. In anderen europäischen Ländern Menschen einer Nierenersatztherapie (NET), bis zum (zwischen dem Blutkompartment und dem Dialysat- Expertise der TransplantnephrologInnen und führen zu wie zum Beispiel Norwegen, Dänemark, Großbritannien Jahr 2030 wird diese Zahl auf 5,4 Millionen anstei- kreislauf) und der Konvektion (Transport höhermoleku- einer kontinuierlichen Ausweitung der Indikationen und oder Holland liegt diese Rate über 30 Prozent. Selbst in gen. Gleichzeitig sterben derzeit etwa 2,3 Millionen larer Substanzen mit dem Flüssigkeitsstrom). Während Akzeptanzkriterien. In den 74 Dialysestationen in Öster- den USA, ohne flächendeckende Gesundheitsversicherung, Menschen, vor allem in Asien und Afrika, weil aus der konvektive Stofftransport bei der Standarddialyse reich sind derzeit etwa 800 PatientInnen bei Eurotrans- ist dieser Prozentsatz gleich hoch und global betrachtet Kosten- und Infrastrukturgründen keine Dialyse ver- nur eine geringe Rolle spielt, versucht man ihn (weil plant für eine Leichenspenderniere gelistet. liegt er sogar bei 58 Prozent. fügbar ist. Die Mortalität ist bei PatientInnen an der höhermolekulare Substanzen für die Erkrankung NET noch immer exzessiv hoch und die Lebensqualität Urämie zumindest mitverantwortlich sind) mit dem deutlich reduziert. Dementsprechend benötigen wir Verfahren der Hämodiafiltration zu steigern. Anzahl der Nierentransplantationen pro noch effektivere und effizientere Maßnahmen, um die Die Hämodialyse ist ein inzwischen durchaus ausge- Million Einwohner: Progression von Nierenerkrankungen zu verhindern. reiftes Verfahren, trotzdem sind Innovationen in den Die NET selbst muss günstiger werden und Neuerun- nächsten Jahren auf einigen Gebieten zu erwarten gen in der Technik sollen die Lebensquantität und und notwendig. –qualität verbessern. Zukunftsszenarien 1. Individualisierte Therapie Die Hämodialyse ist in der Welt der Therapie einer ter Blutdruck, Erreichen eines Zielhämoglobinbereichs chronischen Erkrankung ziemlich einzigartig. Zu- etc.). Dieses Bündel an Vorgaben, das von Leitlinien mindest in den Industrienationen wird sie (geräte- propagiert wird, wird von manchen Kostenträgern seitig) relativ einheitlich durchgeführt und die Zahl inzwischen sogar als Basis für die Refundierung der der Behandelten ist groß. Die PatientInnen werden Dialyse herangezogen. Gute Dialysestationen und entweder in Zentren therapiert oder zumindest von NephrologInnen zeichnen sich dadurch aus, dass mög- Zentren überwacht. Damit können in Datenbanken lichst viele PatientInnen einer Dialysestation diese viele Parameter gespeichert werden, die mit der Vorgaben erreichen. Man darf aber auf der anderen Prognose quo ad vitam oder dem Risiko des Auftretens Seite auch nicht vergessen, dass Dialysestationen von Komorbiditäten assoziiert werden können. Daher präzise organisiert werden müssen und individuelle überrascht es nicht, dass über Jahrzehnte die Praxis Abweichungen in der Therapie wenig berücksichtigt der Dialysetherapie zunehmend von Laborwerten oder werden können. Wenn zum Beispiel in Studien vor anderen Qualitätsparametern dominiert wurde. Bei der einer positiven Kalziummassenbilanz bei Verwendung Frage nach dem optimalen Zeitpunkt für den Beginn einer hohen Dialysatkalziumkonzentration gewarnt 0,01–4,9 der Einleitung der Therapie spielt(e) das Ausmaß der wird, weil die Kalziumzufuhr zur vaskulären Verkal- 5,0–14,9 Reduktion der glomerulären Filtrationsrate eine ent- kung beitragen könnte und Leitlinien daraufhin die 15,0–24,9 scheidende Rolle. Die Qualität der Dialysebehandlung „optimale“ Dialysatkalziumkonzentration nach unten 25,0–34,9 wird über komplexe Werte evaluiert (Kt/V), in die die korrigieren, wird dies wegen einer zentralen Auf- 35,0–44,9 keine Transplantationen Harnstoff-Clearance, die effektive Dialysezeit und bereitung des Dialysats auf einer gesamten Station 45,0–54,9 Daten nicht vorhanden der Gesamtkörperwassergehalt einfließen. Zusätz- umgesetzt. ≥55,0 nicht anwendbar lich bemüht man sich auch andere Parameter, die mit Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass schon dem Überleben assoziiert sind, zu optimieren (nativer Graham 1861 schrieb, dass der Massentransfer durch Gefäßzugang besser als zentralvenöser Verweilka- eine Membran vom Konzentrationsgradienten abhängt Quelle: WHO Report‚ Global Organ Donation and Transplant theter, gute Kontrolle des Kalzium-, Phosphat- und und daher bei ein und demselben Dialysatkalzium, Activities GODT 2017 PTH-Haushalts, Optimierung des Dialyseendgewichtes, eine Patientin/ein Patient mit einer höheren ionisier- Reduktion des Dialysatnatriums, um die interdialyti- ten Serumkalziumkonzentration viel weniger Kalzium sche Gewichtszunahme zu minimieren, gut eingestell- zugeführt bekommt, als jemand mit einer niedrigeren
12 13 Konzentration im Blut. Das anscheinend so „normierte Umfragen, dass die Lebensqualität an der Dialyse oft Verfahren“ der Hämodialyse wird in diesen Fällen völ- als schlecht eingeschätzt wird. Offensichtlich haben Weltweit sind mehr Männer ÄrztInnen und PatientInnen (zumindest manchmal) in Dialysetherapie als 40 % lig ungewollt individualisiert, was unabsehbare Folgen für die Prognose hat. Die organisatorischen Zwänge eine sehr verschiedene Sicht, was erreicht werden soll. Frauen. In Österreich beträgt wirken teilweise angesichts des Qualitätsdogmas Insbesondere ist es ein Irrtum zu glauben, dass die das Verhältnis seit FRAUEN manchmal geradezu paradox. Es gibt viele Studien, die beispielsweise zeigen, dass die Mortalität nach dem Maximierung der Lebensquantität für PatientInnen im- mer im Vordergrund steht, manchen ist beispielsweise 2013 zwischen Männern und Frauen 60/40 Prozent. 60 % MÄNNER langen Dialyseintervall am Wochenende höher ist als freie Zeit und die Möglichkeit zu Reisen wichtiger. Die unter der Woche, jedoch scheint die Organisation Erkenntnis, dass DialysepatientInnen eine heterogene Quelle: USRDS Coordinating Center des Betriebes mit einer Dialyse jeden zweiten Tag un- Gruppe darstellen, deren Therapie einen individuali- möglich. sierten Zugang benötigt, ist wahrscheinlich eine der Seit den 1980er Jahren existiert die von Kjellstrand dass Frauen, bevor sie mit der Dialysetherapie begin- größten Herausforderungen an die Dialysetherapie. formulierte These einer Ungleichbehandlung nen können, an den Folgen einer Nierenerkrankung Trotzdem, die „Idealwerte“ für die Maßzahlen wurden Die Zukunft der NephrologInnen als DienstleisterIn- von Männern und Frauen beim Beginn der Nieren- oder an den Folgen inadäquat behandelter kardiovas- aus großen epidemiologischen Studien abgeleitet und nen wird darin bestehen, diese PatientInnengruppen ersatztherapie (Dialyse oder Transplantation). kulärer Erkrankungen versterben. Diese Annahme wird haben sicher zur Verbesserung der Dialysetherapie voneinander zu unterscheiden und entsprechend zu durch Ergebnisse einer Meta-Analyse des Chronic Kid- beigetragen. Unabhängig davon zeigte sich in vielen behandeln. Epidemiologische Daten zeigen eindeutig, dass Frauen ney Disease Prognosis Consortium bei zwei Millionen gleich häufig oder sogar öfter als Männer an einer Menschen aus der Allgemeinbevölkerung unterstützt. chronischen Nierenerkrankung leiden. An der NET aber Blickt man auf die Geschichte der Hämaodialyse- Diese Grafik visualisiert die Ergebnisse einer Studie zur Implementierung sind Männer mit 60 Prozent häufiger vertreten (ein therapie zurück, fällt auf, dass schon unter den ersten von PatientInnenzentriertheit im Bereich der Hämodialyse. sehr ähnliches Ungleichgewicht gibt es zwischen 13 DialysepatientInnen, die von einer Kommission Dazu wurden 58 NephrologInnen aus neun Ländern befragt. Afroamerikanern und Kaukasiern in den USA). ausgesucht und in England zur Dialysebehandlung zu- Die genauen Ursachen für diese Imbalance sind trotz gelassen wurden („lucky thirteen“), 11 Männer waren. langjähriger Forschungstätigkeit immer noch nicht In Österreich ist zumindest seit 2013 das Verhält- klar. Auf der einen Seite steht die Hypothese einer nis zwischen Männern und Frauen stabil bei 60/40 HETEROGENITÄT VERSTEHEN Diskriminierung gegen Frauen, bzw. dass psycho- Prozent. Wir erwarten uns von einer Nephrologie der > Unterschiedliche Prioritäten setzen sozio-ökonomische Faktoren eine Rolle spielen und Zukunft, dass diese Frage beantwortet wird. WOHLBEFINDEN STEIGERN > Stark individualisieren > PatientInnenwünsche respektieren > Versuchen Folgen zu präzisieren > Auf Symptomatik fokussieren > PatientInnenkontexte erweitern > Auf Wahrnehmbares und Spürbares 2. Gefäßzugänge eingehen > Relevanz und Konsequenzen Ohne funktionierenden Dialysezugang ist eine Hämo- Oft ist es möglich, über eine lange Zeit mit nativen abschätzen dialyse nicht möglich und leider ist die Komplikations- Arterien bzw. Venen der Patientin/des Patienten das rate in diesem Bereich noch immer hoch. Damit ver- Auslangen zu finden. Trotzdem gibt es Menschen, bunden ist ein hohes medizinisches Risiko (inadäquate bei denen dies nicht mehr möglich ist (Out-of-ves- Intrinsische Barrieren Dialyse bis hin zur Unmöglichkeit noch eine Hämodia- sel-Syndrom). Im Bioreaktor gezüchtete menschliche PRIORITÄTEN DER PATIENTINNEN lyse durchzuführen), aber auch ein enormer Stress für Blutgefäße können hier eine Alternative sein. Wur- > Präferenzen und Ziele artikulieren die PatientInnen de facto bei jeder Punktion. Wegen den ursprünglich tierische Ausgangsmaterialien (wie > Behandlungsbelastung einer erhöhten Infektion- und Dysfunktionsrate, sind glatte Gefäßmuskelzellen von Schweinen) verwendet, verständlich kommunizieren zentralvenöse Zugänge nur zweite Wahl, präferiert versucht man nun funktionell hochwertige Gefäße > Erfolge bei der Hämodialyse wird eine sogenannte native Fistel. Klassischerweise aus Arterien von jüngeren LeichenspenderInnen her- Ärztliche Barrieren definieren KLINISCHE wird diese durch eine operative Verbindung zwischen zustellen. Diese arteriellen „Grafts“ werden mit Hilfe > ÄrztInnen-PatientInnen-Dichotomie EINSCHRÄNKUNGEN einer Arterie und einer Vene angelegt und kann nach von Detergenzien und Salzen komplett von Zellen bewusst machen > Fachliche Mängel einer Reifezeit von 3–6 Wochen verwendet werden. befreit und werden daher vom Immunsystem nicht > Gemeinsame Entscheidungsfindung > Unsicherheit und Inzwischen wurden minimalinvasive Techniken mehr als fremd erkannt. Nach einer Implantation fördern Komplexität der Ergebnisse entwickelt, die bei geeigneter Gefäßmorphologie wachsen Zellen der Empfängerin/des Empfängers ein. > Elemente, die außerhalb einen chirurgischen Eingriff ersetzen. Bei diesen Eine erste prospektive multizentrische Phase-II-Studie des medizinischen Bereichs Techniken werden dünne, magnetische Katheter in und eine multizentrische randomisierte open-label liegen zwei eng benachbarte Gefäße (eine Arterie und eine Phase-II-Studie wurde bereits begonnen. Vene) eingeführt. Durch die magnetische Anziehung Organisatorische > Betreuungsanforderungen DRUCK AUFGRUND VON VORGABEN der Katheter nähern sich diese, bis sie sich schluss- > Mechanistische Denkweise Barrieren endlich berühren; über einen elektrischen Impuls > Festhalten an übergreifenden Strategien > Die Entstehung von Angst wird dann eine Verbindung hergestellt und damit ein > Schlecht abgestimmte Richtlinien bei PatientInnen verhindern arteriovenöser Shunt geschaffen. Die ersten großen > Ressourcenbeschränkungen > Paradoxisches Dilemma Studien aus Kanada zeigen vielversprechende Daten.
14 15 3. Biosensorgesteuerte Dialyse 5. Nierenfunktion ist mehr als glomeruläre Filtration Moderne Dialysemaschinen sind mit Feedback- zunehmende Personalisierung der Nierenersatz- Die derzeitigen Dialyseverfahren versuchen vor allem können (noch) nicht übernommen werden. Derzeit Schleifen ausgestattet, diese überwachen und steuern therapie ermöglichen. „Sense more and solve more“ ist die glomerulären Aspekte der Toxin-Elimination über laufende Versuche eine bessere Entgiftung z. B. von die Therapie. Die kontinuierlichen Messungen von das Schlagwort für pervasive sensing, die Erfassung das Prinzip der Diffusion und Konvektion zu kopieren. Protein gebundenen Urämie-Toxinen durch den zu- Elektrolyten, der Ultrafiltration, der Temperatur und eines Maximums gesundheitsrelevanter Daten (Hämo- Tubuläre Funktionen werden nur teilweise ersetzt. sätzlichen Einbau von Adsorber-Systemen (z. B. des Blutdrucks steuern das Dialysegerät und pas- dynamik, Elektrolyte, Wasserhaushalt, Bewegung, ...). Zwar werden auch der Flüssigkeits-, Elektrolyt- oder Albumin) zu erreichen, sind erste Ansätze dafür, sen die Abläufe an die momentanen Bedürfnisse der Durch Dialysegeräte, mobile Apps, an der Bekleidung Säure-Basen-Haushalt korrigiert, andere wichtige letztendlich auch die tubulären Aspekte der Nieren- PatientInnen an. Bei einem plötzlichen Blutdruckab- befestigte Sensoren oder das Einbinden sozialer tubuläre Funktionen wie z. B. die tubuläre Sekretion, funktion zu ersetzen. fall wird die Liege zum Beispiel automatisch in eine Netzwerke, kann in Zukunft die Dialysebehandlung aber auch Reabsorption von bestimmten Metaboliten Schocklagerung gebracht. Die Integration weiterer, verbessert werden. durch das Dialysegerät erhobener Daten, wird eine 4. Die tragbare Niere 6. „ReBuilding a Kidney“ Ein grundlegendes Problem der konventionellen theoretisch maximal erreichbaren Nierenersatz- Nieren-Organoide sind nephronartige Vorläuferstruk- sogenannten Kidney in a Dish oder sogar eine für die Hämodialyse ist ihr zyklischer Charakter (z. B. drei mal therapie-Dosis ist (dies wäre die Behandlung über turen, welche unter anderem nach einer speziellen Transplantation fähige, gezüchtete Niere, liegt nach pro Woche/vier Stunden). Diese Art der Entgiftung 24 Stunden sieben Tage pro Woche). Die tragbare Umprogrammierung (Induzierung) von z. B. embryona- derzeitigem Stand der Forschung noch außer Reich- ist nicht physiologisch, aber dem Umstand geschul- künstliche Niere (wearable kidney) ist hier eine len oder humanen pluripotenten Stammzellen gebildet weite. Herausforderungen hier sind vor allem die det, dass die Therapie ein Kompromiss zwischen der Möglichkeit der Weiterentwicklung. werden können. Je nach Ansatz enthalten sie tubuläre Vaskularisierung der Organoide bis zum Erreichen Lebensqualität der PatientInnen und der zumindest Strukturen oder (frühe und späte) Podozyten. einer funktionell hochwertigen Nephroneinheit und Die großen Herausforderungen bei der Weiterentwick- In einigen Modellen können teilweise auch schon die vollständige Differenzierung. Unerreichbar ist lung der tragbaren künstlichen Niere sind unter ande- fast glomeruläre d. h. Kapillaren enthaltende Gebilde dieses Ziel jedoch nicht. rem die Regenerierung des Dialysats (bei Hämodialyse generiert werden. Die komplette Erstellung einer mit Diffusion) sowie der kontinuierlich notwendige Gefäßzugang. Trotzdem ist es vorstellbar, dass in einigen Jahren Dialysezentren nur mehr für unselbst- ständige PatientInnen mit vielen Begleiterkrankungen benötigt werden und hoffentlich ein Großteil der mo- bilen PatientInnen die Nierenersatztherapie zu Hause durchführen können.
16 17 1.2 Hämofiltration als besonderes Nierenersatzverfahren 1.38Peritonealdialyse (CAPD) Während die Hämodialyse vor allem in der Therapie des chronischen Nierenversagens eingesetzt wird, ist Bei der kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse durch Diffusion und in geringerem Ausmaß auch durch die primäre Domäne der Hämofiltration (Abfiltrieren von Plasmawasser mit Substitution) die Behandlung (CAPD) werden 1,5 bis 2,5 Liter Peritonealdialysat- konvektiven Transport aus den peritonealen Kapillaren des akuten Nierenversagens (ANV oder acute kidney injury, AKI), einer plötzlichen, potentiell aber lösung drei- bis fünfmal täglich im Austausch über in das Dialysat in der Peritonealhöhle. Für den Dialy- reversiblen Reduktion der Elimination von Toxinen und/oder der Harnmenge. einen in Lokalanästhesie oder Vollnarkose implan- satwechsel werden Doppelbeutelsysteme, Y-Schlauch- tierten Katheter in die Peritonealhöhle instilliert. Die system mit Einlauf- und Auslaufbeutel verwendet, die Peritonealdialyseflüssigkeit enthält ein osmotisches an den Katheter konnektiert und nach Beendigung des Bei einem schweren akuten Nierenversagen kann von Toxinen ausschließlich über Konvektion erfolgt. Agens (z. B. Glukose), um durch den Aufbau eines Dialysatauslaufes und der Füllung der Peritonealhöh- eine extrakorporale Nierenersatztherapie notwendig Pro Stunde entfernt ein Hämofiltrationsgerät typi- osmotischen Gradienten einen Flüssigkeitsentzug le mit frischer Dialysatlösung wieder diskonnektiert werden. Prinzipiell wäre auch die Hämodialyse dazu scherweise circa 1,5–2,5 Liter Plasmawasser, welches aus den peritonealen Kapillaren in die Peritoneal- werden. Nach entsprechender Einschulung können die geeignet, allerdings ist ihr intermittierender Cha- dann kontinuierlich durch eine gepufferte, pyrogen- höhle zu ermöglichen. Das Ausmaß der peritonealen PatientInnen diese Therapie selbstständig zu Hause rakter vor allem bei schwerer kranken PatientInnen freie Elektrolytlösung (Substituat) ersetzt wird. Um Ultrafiltration ist dabei von der Glukosekonzentration durchführen. Eine ambulante Kontrolle ist etwa alle (Sepsis, schwere Myokardiopathien, postoperatives auch eiweißgebundene Toxine (wie z. B. Medikamente) der Dialysatlösung abhängig, welche individuell den vier Wochen notwendig. Für funktionell eingeschränk- entfernen zu können, kombiniert man Bedürfnissen der Patientin/des Patienten angepasst te PatientInnen mit Sehbehinderung werden auch die Hämofiltration auch mit anderen werden kann. Die Elimination der Urämietoxine erfolgt entsprechende Wechselhilfen angeboten. Verfahren (z. B einer Hämoperfusion). Moderne Hämofiltrationsgeräte können in verschiedenen Behandlungsein- Das Prinzip der kontinuierlich-ambulanten EINLAUFBEUTEL stellungen (CVVH = kontinuierliche Peritonealdialyse (CAPD) venovenöse Hämofiltration mit prä/ post Dilution, CVVHD = kontinuierliche Die automatisierte Peritonealdialyse (CAPD) erfolgt PERITONEALHÖHLE venovenöse Hämodialyse, CVVHDF = mit Hilfe eines Cyclers. Hier handelt es kontinuierliche venovenöse Hämo- sich um eine Maschine, die nach diafiltration mit Prä/Postdilution) den Konnektion an den Peritoneal- Bedürfnissen der PatientInnen ange- dialysekatheter automatisch passt werden, je nachdem, ob in erster Y-SCHLAUCHSYSTEM den Dialysatwechsel durch- Linie Flüssigkeit entfernt werden soll, führt. Der Cycler füllt und oder ob die Entgiftung im Vordergrund entleert die Peritonealhöhle steht. in einem Rhythmus der akutes Nierenversagen etc.) problematisch und unter Die Antikoagulation bei der Hämofiltration, die bei zu Beginn programmiert anderem mit einer erhöhten hämodynamischen In- allen länger andauernden extrakorporalen Verfahren werden kann. Dies kann stabilität verbunden, die die PatientInnen noch mehr durchgeführt werden muss, kann durch eine systemi- zum Beispiel auch gefährdet. In diesen Fällen ist es angezeigt auf eine sche Antikoagulation mit nieder- oder hochmolekula- während der Nacht- kontinuierliche Form der NET (Nierenersatztherapie) rem Heparin erfolgen oder mittels Zitrat. Dieses wird stunden durchgeführt wie die Hämofiltration zurückzugreifen. Diese Metho- vor der Filtrationsmembran dem Blut beigemischt und werden. de, die in der englischen Fachliteratur als continuous bindet Kalzium. Damit ermöglicht man eine regionale renal replacement therapy (CRRT) bezeichnet wird, Antikoagulation, da die normale Blutgerinnung nach kann für mehrere Tage ununterbrochen durchgeführt dem Dialysator durch Zugabe von Kalzium wieder KATHETER werden und ermöglicht damit eine optimale Steuerung hergestellt wird. Diese Form der Gerinnungshemmung der Entgiftung und der Volumenbilanz. Ein wesent- wird vor allem bei PatientInnen mit Blutungen, licher Unterschied zur Hämodialyse ist, dass (oft) kein Blutungsneigung und vor bzw. nach Operationen Dialysatkreislauf mitgeführt wird und die Elimination favorisiert. AUSLAUFBEUTEL Schematische Darstellung eines Cycler Zukunftsszenarium Diese Form der Peritonealdialyse können PatientIn- Neben der größeren Unabhängigkeit von einem nen üblicherweise selbstständig nach entsprechender Zentrum, bietet die Peritonealdialyse noch einige Die Fortschritte der Hämofiltration und deren Modi- brechungen, eine Reduktion des benötigten extra- Einschulung zu Hause durchführen. Für PatientInnen, andere Vorteile gegenüber der Hämodialyse. fikationen haben dieses Verfahren in den letzten Jahr- korporalen Blutvolumens, eine bessere Mobilität und die aufgrund funktioneller oder kognitiver Einschrän- Darüber hinaus eignet sich die Peritonealdialyse zur zehnten zum Goldstandard der Therapie für kritisch Größe der Hämofiltrationsgeräte sowie die Weiterent- kungen die Behandlung nicht zu Hause durchführen Therapie bei Volumenüberladungen (schwere kranke, kreislaufinstabile PatientInnen mit akutem wicklung von biokompatiblen Materialien die Zukunft können, steht noch die intermittierende Peritoneal- Herzinsuffizienz oder therapierefraktärer Aszites). Nierenversagen gemacht. Dies wird wohl auch eine bestimmen. Darüber hinaus ist es notwendig, genauer dialyse (IPD) zur Verfügung. Sie wird meistens dreimal absehbare Zeit so bleiben. Trotzdem werden verbes- zu untersuchen, ab wann eine Hämofiltration begon- pro Woche im Zentrum durchgeführt. Die Effektivität serte Monitoringsysteme mit Feedback-Funktion, neue nen werden und wie lange und mit welcher Intensität der IPD ist allerdings geringer als jene der anderen Algorithmen zur Vermeidung von Behandlungsunter- sie durchgeführt werden muss. Verfahren.
18 19 Zukunftsszenarium Vorteile der Peritonealdialyse Kontinuierliche Ultrafiltration zu • KONTINUIERLICHE ULTRAFILTRATION – Hause möglich Zirka ein Prozent aller Menschen über 60 Jahre sind Syndrom“ wird nicht nur durch das „Vorwärtsversa- ZU HAUSE MÖGLICH wegen einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz wie- gen“ (eingeschränkte linksventrikuläre Auswurfleis- Geringere eine kontinuierliche Volumen- und Elektrolyt- Schonender, derholt hospitalisiert, bei den über 80-Jährigen etwa tung mit reduzierter Nierenperfusion und Aktivierung Infektions- kontrolle und eine damit verbundene größere kontinuierlicher 10 Prozent. Die absolute Zahl der Betroffenen wird in entsprechender gegenregulatorischer Mechanismen, gefahr als mit hämodynamische Stabilität Flüssigkeits- den nächsten Jahrzehnten mit Zunahme der Lebenser- wie z. B. Renin-Angiotensin-Aldosteron-System Zentralvenen- entzug wartung massiv steigen. Damit wird auch jene Gruppe (RAAS), sympathisches Nervensystem (SNS)) verur- katheter • GERINGERE INFEKTIONSGEFAHR ALS PERITONEAL- wachsen, die mit medikamentöser Therapie nur mehr sacht, auch das „Rückwärtsversagen“ (venöse Stauung MIT ZENTRALVENENKATHETER insuffizient behandelt werden kann. Dabei spielt eine und Erhöhung des renalvenösen Druckes) spielt eine Es besteht zwar das potentielle Risiko einer periton- DIALYSE begleitende Nierenfunktionseinschränkung, die bei wichtige Rolle. Die Folge ist die zunehmende Nieren- eladialyseassoziierten Infektion (katheterassoziierte etwa 60 Prozent der herzinsuffizienten PatientInnen funktionseinschränkung, Diuretikaresistenz, Salz- und Aszites Infektion, Peritonitis), vor allem bei bestimmten auftritt, eine wichtige Rolle. Dieses „kardiorenale Wasserretention und oft auch Aszites. sehr leicht PatientInnengruppen (ältere Menschen, Menschen Kein Shunt mobilisierbar mit Herzinsuffizienz etc.), jedoch ist dieses Risiko notwenig geringer als jenes einer Sepsis, die durch einen zen- Kardiales Schlagvolumen tralvenösen Katheter bedingt wird. Dieser wäre aber Geringe gerade in diesen Fällen oft der einzige Zugang für Hyperkaliämie- eine chronische Hämodialyse, da ein Shunt wegen Gefahr Venöse Stauung Arterielle Hypovolämie der zusätzlichen kardialen Belastung nicht toleriert „Rückwärtsversagen“ „Vorwärtsversagen“ werden würde. Intra- Renalvenöser abdomineller Druck Aktivierung des • ASZITES SEHR LEICHT MOBILISIERBAR • GERINGE HYPERKALIÄMIEGEFAHR Druck neurohumoralen Die Mobilisation eines Aszites ist mittels der Peri- Die Dialyselösung für die Peritonealdialyse ist kalium- Systems tonealdialyse wesentlich einfacher als durch eine frei. Somit ist die Gefahr einer Hyperkaliämie sehr ge- Renalinterstitieller z. B. SNS, RAAS Hämodialyse. Eine kontinuierliche Hämodialyse oder ring und herzinsuffizienzwirksame Medikamente wie Druck Hämofiltration ist wiederum nur temporär auf der z. B. Spironolacton oder ACE-Hemmer können leichter Intensivstation durchführbar. eingesetzt und adäquater dosiert werden. • KEIN SHUNT NOTWENIG • SCHONENDER, KONTINUIERLICHER FLÜSSIGKEITSENTZUG Renale Hypoperfusion Salz/Wasser-Exkretion GFR (glomerulären Filtrationsrate) Pathophysiologie des kardiorenalen Syndroms Bei etwa vierzig Prozent der, wegen einer Dekompen- und Wasserentzug aus dem Blut im Vordergrund steht. sation der Herzinsuffizienz stationär aufgenommenen Die Entnahme des Blutes und die Rückführung in den PatientInnen besteht eine (wenn auch mildere) Form Körper nach der Flüssigkeitselimination ist zumindest der Überwässerung. bei einem Teil der PatientInnen über periphere Venen 30 Prozent dieser PatientInnen müssen innerhalb möglich. Für die Aquapherese stehen relativ kleine, von drei Monaten abermals stationär aufgenommen teilweise auch tragbare Geräte zur Verfügung. Da werden. Das hat zur Folge, dass die Mortalität, wie diese Entwässerung vollkommen unabhängig von der auch die Kosten deutlich ansteigen und die Lebens- medikamentösen Therapie stattfindet, kann damit qualität sinkt. auch eine Rekompensation bei herzinsuffizienten Um eine Optimierung des Salz- und Flüssigkeits- PatientInnen mit Diuretikaresistenz erreicht werden. haushalts sowie der medikamentösen Therapie zu Natürlich eignet sich auch die Hämodialyse bzw. die erreichen, sollte eine Kooperation zwischen Kardio- Hämofiltration für diese PatientInnen. Eine besondere logie und Nephrologie bei PatientInnen mit schwe- Rolle kommt der Peritonealdialyse zu. Sie ermöglicht rer Herzinsuffizienz schon sehr früh beginnen. Bei den PatientInnen das „Heimverfahren“ – wiederholte medikamentöser Therapieresistenz kann die Nephro- stationäre Aufnahmen können vermieden werden. logie tatsächlich entscheidende Impulse geben. Eine PatientInnen sind dadurch weitgehend unabhängig therapeutische Möglichkeit ist die extrakorporale und können so ein besseres Leben führen. Ultrafiltration (Aquapherese), bei der primär der Salz-
20 21 1.4 Hämoperfusion 2.0 ECMO–Kreislauf (Extrakorporale Membranoxygenierung) Femoralarterie Schematischer Aufbau eines Schaltkreises zur Integration einer Femoralvene Hämoperfusion mittels Polymyxin B im intensivmedizinischen Setting bei gleichzeitig betriebenem Membranoxygenierungs- und Nierenersatzverfahren. Oxygenator Zentrifugal- pumpe Zugangs- schlauch Rückführungs- schlauch Polyamin B Hämoperfusion Einsatz von Adsorber CRRT (kontinuierliche Ein weiterer interessanter Ansatz ist die Möglichkeit, darauf hin, dass sich durch den Einsatz solcher renale Ersatztherapie) in der Sepsis überschießend produzierte, körpereigene Adsorber eine Verbesserung der Hämodynamik und schädliche Entzündungsmediatoren (Zytokine, Che- der Organfunktion in kritisch kranken, septischen mokine, Anaphylatoxine etc.) mittels HP zu entfernen. PatientInnen erzielen lassen kann. Sollten sich diese Dabei werden Adsorber eingesetzt, die mit winzigen Ergebnisse weiter bestätigen lassen, könnte in naher Die Hämoperfusion (HP) ist ein bereits seit den siebziger Jahren bekanntes Verfahren zur Beads aus porösem Polymer gefüllt sind, die durch ihre Zukunft eine weitere Therapieoption für die Sepsis Elimination von Toxinen, das gerade eine Renaissance erlebt und in Zukunft im klinischen Struktur ein breites Spektrum von Entzündungsmedia- zur Verfügung stehen, die seitens der Nephrologie an- Alltag der Nephrologie eine wichtige Rolle spielen wird. Neben den klassischen Indikationen toren binden. Erste randomisierte Studien deuten geboten werden kann. wie Medikamentenvergiftungen könnten vor allem Verfahren zur CO2- und Endotoxin- elimination ein breites Einsatzgebiet in der Intensivmedizin haben und damit die Bedeutung der Nephrologie in diesem Fachgebiet untermauern. Diese Abbildung zeigt den Querschnitt eines Adsorbers für Endotoxine. Der Adsorber ist mit winzigen Beads aus porösem Polymer gefüllt, die eine Gesamtoberfläche von mehr Bei der klassischen Hämoperfusion wird das Blut der Neben der klassischen Hämoperfusion zur Elimination als 40.000 Quadratmetern (> 4 Fußballfelder) ergeben. Dabei können hauptsächlich intoxikierten PatientInnen durch eine Säule mit ad- von Arzneimittel- oder Chemikalienintoxikationen hydrophobe (wasserunlösliche) Moleküle bis zu einer Größe von 55 kDa entfernt werden. sorptiven Eigenschaften (Adsorber), meist Aktivkohle wurde in den letzten Jahren ein neuer Indikationsbe- oder Austauscherharze gepumpt, um die toxischen reich für die Hämoperfusion in der Intensivmedizin Substanzen zu entfernen. Dabei werden insbeson- geschaffen. Hier sind vor allem Verfahren zur ders mittlere Moleküle eliminiert, die früher bei einer CO2- und Endotoxinelimination zu nennen. Bei der konventionellen Hämodialyse (HD) nur schwer ent- Endotoxinelimination werden Adsorber eingesetzt, fernt werden konnten. In den letzten Jahren wurde die mit Stoffen beschichtet sind, die bakterielle allerdings durch Einführung neuer Dialysemembrane (z. B. Lipopolysaccharide, LPS) oder körpereigene (High-Flux-Dialysatoren, medium und high cut-off (z. B. Cytokine wie IL-6) Toxine binden. So wurde Membranen) die klassische Hämoperfusion zur Be- z. B. in einer rezenten Metaanalyse eine Mortali- handlung von Arzneimittel- oder Chemikalienintoxi- tätsreduktion bei PatientInnen mit schwerer Sepsis kationen ersetzt. Somit konnte die Clearance (Elimi- und septischem Schock gezeigt, die mit Polymyxin B nationsrate) für viele Gifte vergrößert werden und beschichteten Adsorbern behandelt wurden. Polymyxin gleichzeitig konnten auch teilweise proteingebundene B ist ein gegen Gram-negative Bakterien antibiotisch Toxine entfernt werden. So hat die Hämoperfusion wirksames Protein, das unter anderem LPS binden eine Grad 1 Empfehlung der Extracorporal Treatments und neutralisieren kann. Der Polymyxin-B-Adsorber in Poisoning Workgroup (extrip-workgroup.org) zur kann dabei parallel zu bestehenden extrakorporalen Behandlung von Intoxikationen einer großen Anzahl Membranoxygenierungs- oder Nierenersatzverfahren in der Klinik aktuell breit angewendeter Medikamente geschalten werden. Die Ergebnisse sind klinisch von wie z. B. Salizilaten, Theophyllin, Lithium, Phenytoin größter Bedeutung, da in den letzten Jahrzehnten und Valproinsäure aber auch von Metallen oder kaum neue therapeutische Möglichkeiten etabliert Alkoholen, die zu Intoxikationen führen. wurden, um die Mortalität bei Sepsis zu senken.
22 23 Extrakorporale Kohlendioxidentfernung 1.5 Plasmaseparation Eine weitere Neuerung auf dem Gebiet der Hämo- kombinierten Lungen-Nieren-Unterstützung gekoppelt Extrakorporale Verfahren in der Nephrologie beinhalten neben Hämodialyse, Hämofiltration, perfusion (HP) ist die Ausweitung der Indikation zur (siehe Grafik unten). Die Ergebnisse aus den ersten Hämodiafiltration auch den Plasmaaustausch nach Plasmaseparation und die Immunapherese mit extrakorporalen Kohlendioxidentfernung (ECCO2R) bei experimentellen und klinischen Anwendungen sind er- Immunadsorption sowie Lipidadsorption. Allen Verfahren gemeinsam ist die Entfernung von Blut- IntensivpatientInnen mit Lungenversagen. Eliminiert mutigend. Sollten sich diese in einem randomisierten bestandteilen, was zumeist einen hohen medizinischen Aufwand erfordert, so dass intensivme- die Lunge im Rahmen einer Funktionseinschränkung und kontrollierten Studiendesign bestätigen lassen, dizinische Bedingungen unabdingbar sind. Beim Plasmaaustausch und der Plasmapherese können nicht genügend CO2 kann dies zu einer toxischen kann ein System mit kontinuierlicher Nierenersatz- Störung des Säure-Basenhaushalts (respiratorische therapie und ECCO2R als Mehrorganunterstützungs- als Blutzugang periphere Armvenen verwendet werden, wobei nach dem venovenösen Prinzip Azidose) führen, wenn die Niere nicht ausreichend plattform entwickelt werden, das als Routineinstru- über eine Unterarmvene das Blut entnommen und anschließend mit Hilfe einer Blutpumpe über durch Bikarbonatregeneration gegensteuert. ECCO2R ment in der Intensivmedizin eingesetzt werden kann. eine zweite Punktionsnadel – vorzugsweise am kontralateralen Arm – das ausgetauschte bzw. das ist eine Therapie, bei der über einen extrakorporalen Die Nephrologie rückt damit von der Versorgung des gereinigte Plasma gemeinsam mit den zellulären Blutbestandteilen rückgeführt wird. Kreislauf CO2 aus dem Blut der PatientInnen entfernt reinen Nierenversagens ins Zentrum der Behandlung wird. Somit kann ECCO2R bei PatientInnen eine erhöh- des Mehrorganversagens. Es ist anzunehmen, dass die te CO2-Konzentration im Blut und eine damit verbun- HP in Zukunft eine wichtige Rolle in der Intensivmedi- dene Störung des Säure-Basenhaushalts behandeln. zin spielen wird und damit die Nephrologie zur 1.5.1 Plasmaaustausch Interessanterweise wurde ECCO2R kürzlich mit einer zentralen Fachrichtung innerhalb der Betreuung kontinuierlichen Nierenersatztherapie zur spezifischen kritisch kranker PatientInnen wird. Beim Plasmaaustausch (PA) werden in einem konti- krankungen, die neben dem Nierenversagen auch zu nuierlichen Verfahren große Plasmamengen (2–5 Liter Lungenblutungen führen können. Es werden mit dieser pro mehrstündiger Behandlung) aus der Zirkulation Therapieform Erkrankungen aus unterschiedlichen me- Schematischer Aufbau einer Kombination aus Nierenersatzverfahren und extrakorporaler der PatientInnen entfernt und durch Fresh Frozen Plas- dizinischen Gebieten wie Neurologie, Rheumatologie, CO2-Elimination. Das Blut kommt dabei mit einer Membran in Kontakt, an deren Gegenseite ma (FFP) oder konservierte Plasmaproteinlösungen er- oder Hämatoonkologie abgedeckt und sie stellt somit ein Gasgemisch fließt. Durch ein Druckgefälle kommt es zu einer CO2-Elimination. setzt. Es können aber auch Substitutionslösungen wie eine zentrale Therapieform im Rahmen der Tertiärver- Anschließend wird das Blut einer herkömmlichen Hämodiafiltration zugeführt. 5-prozentige Humanalbumin-Lösungen oder Kombina- sorgungsstruktur dar. tionen aus FFP und Humanalbumin verwendet werden. Bei massiven Hypertriglyzeridämien mit Triglyzerid- Bei jedem Plasmaaustausch werden die korpuskulären werten über 1000 mg/dl kann eine triglyzeridassoziier- Blutbestandteile mittels Zentrifugation vom Plasma te Pankreatitis auftreten, da zirkulierende Triglyzeride getrennt. Die bisherigen Indikationen reichen vom laufend zu einer Schädigung des Pankreasgewebes hämolytisch-urämischen Syndrom (eine Erkrankung führen. Wenn durch konservative Therapieansätze kei- die vor Jahren in Deutschland durch kontaminier- ne ausreichende Heilung erzielt werden kann, kommt te Lebensmittel eine medizinische Notsituation mit der Plasmaaustausch zum Einsatz, da durch einen hunderten von gleichzeitig notwendigen PA-Behand- einzelnen Plasmaaustausch die Triglyzeride um mehr lungen zur Folge hatte), bis zu vielen Autoimmuner- als 50 Prozent gesenkt werden können. Spülgas ein Membran 1.5.2 Immunapherese/Immunadsorption Hämofilter Basierend auf den Erfahrungen mit der Plasma- Immunadsorption, dem Ig-Immunadsorber auf Basis Substitutions- austausch-Behandlung wurde kontinuierlich nach von polyklonalen Schaf-AK und dem Globaffin-System, füssigkeit (Rep) Möglichkeiten gesucht, pathogene Substanzen bei dem ein an Sepharose gekoppeltes synthetisches Prädilution UF spezifisch aus dem Blut zu entfernen, ohne dass eine Peptid Eigenschaften ähnlich dem Protein A aufweist. Spülgas aus begleitende Substitution von Plasma bzw. kolloidalen Lösungen erforderlich ist. Dadurch sollten wesentlich Im Bereich der Nierentransplantation sind hier einer- Rep größere Plasmavolumina im extrakorporalen Kreislauf seits der Einsatz von semiselektiven Adsorbern (z. B. Rep Ultrafiltrat therapierbar und wesentlich drastischere Absenkungs- Protein A) zur Desensibilisierung von PatientInnen mit raten der IgG- bzw. Auto-AK-Spiegel (als Auslöser für einer hohen Zahl an schon vorhandenen, potentiell verschiedene Autoimmunerkrankungen) möglich sein. schädlichen Antikörpern gegen ihre Organspenderin/ Blutpumpe In den letzten 25 Jahren wurden auch Apheresetech- ihren Organspender, sowie andererseits die Behand- Substitutions- nologien entwickelt, die spezifisch in der Therapie von lung einer schon manifesten antikörpervermittelten Filtrat füssigkeit (Rep) Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden. Über die Abstoßung nach der Transplantation notwendig. Bartel Postdilution Membrandoppelfiltration und den Tryptophan- et al. konnten hierbei 2008 zeigen, dass sich der Ein- Alanin-Adsorber führte der Weg zu den heute um- satz von Immunadsorption im Rahmen des Transplan- fangreich eingesetzten Systemen der Protein-A- tationsvorganges insbesondere auch dann lohnt, wenn
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