Verkauft und verraten - Wie selbst ernannte "Gewerkschaften" Arbeitnehmer und ihre Interessen missachten - ver.di - Handel

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Verkauft und verraten - Wie selbst ernannte "Gewerkschaften" Arbeitnehmer und ihre Interessen missachten - ver.di - Handel
Verkauft und verraten

Herausgeber:
IG Metall Vorstand
VB 06, FB Handwerk/Betriebspolitik/Maschinenbau
Wolfgang Rhode
Autor: Klaus Hermandung
Redaktion: Wolfgang Bonneik, Reinhard Hahn
Gestaltung: kus-design
Druck: arvato services
                                                                          Verkauft und verraten
Januar 2009
                                                                          Wie selbst ernannte „Gewerkschaften“
www.igmetall.de
                                                                          Arbeitnehmer und ihre Interessen missachten
15526-22589
cgm-brosch_2009_final.QXD      04.02.2009    13:38 Uhr   Seite 1

      Inhalt

      Vorwort – Verkauft und verraten                       3

      Gewerkschaften, die keine sind                        5
      Am Tropf der Siemens-Millionen                        8
      Vertraglich garantiertes Schmiergeld                 11

      „Christen“ ohne Barmherzigkeit                       15

      DHV – Verein mit schlimmen Traditionen               20
      Aus dem Gruselkabinett                               22

      Das Doppelleben des CGB                              24
      Arbeitgeberträume werden wahr                        27

      Kampf gegen Mindestentgelt                           30

      Beispiel Zeitarbeit                                  32
      Arbeitsvertrag gegen Tarifvertrag                    34
      Stundenlohn von 4,81 Euro                            36
      Ungültige Tarifabkommen                              38

      Lehrstück Nexans                                     40
      CGM-Tariftricks                                      44

      Der Einstieg im Elektrohandwerk                      45
      Weniger Geld durch Lohnerhöhung                      49

                   1
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                                                                    Verkauft und verraten

      Der Durchbruch im Osten                               51                                     Gewerkschaften sind einst gegründet
                                                                                                   worden, um die Arbeits- und Lebens-
      Die „Christliche Gewerkschaft Deutschlands“           55                                     bedingungen der Arbeitnehmerinnen
                                                                                                   und Arbeitnehmer zu verbessern. Seit-
      Arbeitgeber-Trauer um die CGD                         59                                     dem vor über 160 Jahren die Buch-
                                                                                                   drucker die ersten Tarifverträge über
      Geschichte der Christlichen                           61                                     den Wochenlohn, die Arbeitszeit und
                                                                                                   die Zuschläge für Mehrarbeit durch-
      DHV-Geheimnis gelüftet                                64
                                                                                                   setzten konnten, hat sich ohne jeden
                                                                                                   Zweifel viel zu Gunsten der Beschäf-
      Klein- und Kleinstgewerkschaften                      66
                                                                                                   tigten getan.
      Neun-Mitglieder-Gewerkschaft                          70
                                                                    Aus gutem Grund verträgt sich das Bild des selbstherrlichen Unter-
      Die „Hochburgen" von DHV und CGM                      74      nehmers des 19. Jahrhunderts, der nach Gutdünken schaltet und
                                                                    waltet, nicht mehr mit unserem Verständnis von Demokratie. Es
      Mitgliederzahlen viel zu hoch?                        76      stimmt, die bis heute erreichten Verbesserungen sind den Arbeit-
      Mehr Tarifverträge als Mitglieder                     78      nehmerinnen und Arbeitnehmern gewiss nicht in den Schoß gelegt
                                                                    worden. Sie mussten in langwierigen Auseinandersetzungen durch-
      Streik schlicht zu teuer                              82
                                                                    gesetzt und immer wieder aufs Neue verteidigt werden.

      Die Christen im Betrieb                               83      Heute sind das Streikrecht, die Koalitionsfreiheit und das Recht, sich
                                                                    in Gewerkschaften zusammenschließen zu können, durch das Grund-
      Nazi-Rocker als CGM-Betriebsrat                       86      gesetz geschützt. Dieser verfassungsmäße Schutz ist ein hohes Gut,
                                                                    der allerdings für sich allein genommen nicht ausreichend ist. So
      Das Landesarbeitsgericht über den
                                                                    gehören heute leider auch ein brutaler Wettbewerb, der zunehmend
      CGM-Rechtsradikalen                                   88      über Tarifdumping ausgetragen wird, zur Realität in vielen Branchen
                                                                    und Betrieben. Vor allem die Praktiker aus den Betrieben wissen,
      Die CSU-Parteigewerkschaft                            90      dass hinter diesen Fehlentwicklungen bewusste Strategien der Ar-
                                                                    beitgeber stecken.
      Beim CDU-Wirtschaftsrat noch Freunde                  92
                                                                    Diese Gefahren werden nicht nur von den Gewerkschaften gesehen.
      Wer hat da Angst vor Mindestlöhnen?                   93      Beispielsweise beobachtet die CDU-Fraktion im Landtag von Nord-
                                                                    rhein-Westfalen mit Sorge die Gefahren für die Tarifautonomie durch

                                                 2                                 3
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      selbsternannte Pseudogewerkschaften. So heißt es in einer Erklä-         Eine wachsende Zahl von        Diese Entwicklung wird
      rung vom September 2008 „Zugleich treten „Scheingewerkschaf-             Arbeitnehmerinnen und          von einem Teil der Unter-
      ten“ auf, die ausschließlich oder weitgehend dem Gestaltungsin-
                                                                               Arbeitnehmern in der Bun-      nehmen bewusst voran-
      teresse der Arbeitgeber dienen“. Eine richtige und gleichzeitig
      beachtenswerte Feststellung, der es an Deutlichkeit nicht mangelt.       desrepublik ist trotz Arbeit   getrieben. Eine politische
                                                                               arm, kann von ihrem Ent-       Ursache ist zudem die
      Um diese Scheingewerkschaften, die unter verschiedenen Namen             gelt nicht mehr oder nicht     Hartz-IV-Reform, die zur
      auftreten, geht es in dieser aktualisierten Neuauflage dieser Bro-       mehr würdig leben. Binnen      Annahme auch des schlech-
      schüre. Soviel sei bereits an dieser Stelle verraten: Derzeit versu-
                                                                               eines guten Jahrzehnts ist     testen Jobs zwingt. Hier ver-
      chen Teile der Arbeitgeber mit Hilfe der Pseudogewerkschaften, die
                                                                               der Anteil der Beschäftigten   sucht oder verspricht die
      gewerkschaftliche Solidarität zu untergraben. Zahlreiche Beispiele
      werden dargestellt, in dem diese Clubs willfährig Arbeitgeberwün-        mit so genannten Niedrig-      Bundesregierung mittler-
      sche erfüllen und damit die Tarifautonomie missbrauchen.                 löhnen von 15 auf 22 Pro-      weile, über Mindestlöhne
                                                                               zent gewachsen. Gleichzei-     gegenzusteuern. Zum
      Diesem Treiben werden wir nicht tatenlos zusehen! Aufklärung lautet      tig gingen beim schlecht       Abwärtstrend bei Gering-
      das Gebot der Stunde. Wir müssen in der betrieblichen Diskussion
                                                                               entlohnten unteren Viertel     verdienern tragen aber
      überzeugen und die Gefälligkeits-Tarifverträge als das geißeln, was
      sie sind: Manöver der Arbeitgeber, die unsere solidarische gewerk-       der abhängig Beschäftigten     auch vermeintliche Arbeit-
      schaftliche Schutz- und Gestaltungsaufgabe zu behindern versuchen.       die Realeinkommen kräftig      nehmerorganisationen bei,
                                                                               zurück. Nach einer Unter-      Scheingewerkschaften, die
      Zudem gilt: Die Solidarität, die aktive Mitgliedschaft möglichst vie-    suchung der Universität        die Interessen der Beschäf-
      ler Kolleginnen und Kollegen in der IG Metall ist die Voraussetzung
                                                                               Duisburg-Essen sank der        tigen zuweilen regelrecht
      für die Entwicklung gewerkschaftlicher Kraft.
                                                                               Stundenlohn in den Jahren      verkaufen.
      Unser Auftrag ist und bleibt:                                            2000 bis 2006 von 7,33
      Gute Arbeit und Gutes Leben für uns alle!                                Euro auf – wohlgemerkt im      Da ist von den so genann-
                                                                               Durchschnitt – 6,88 Euro ab.   ten „christlichen“ Gewerk-
                                                                               Den Kaufkraftverlust einge-    schaften zu berichten, die
                                                                               rechnet, hat dieses untere     bei jeder Gelegenheit Min-
                                                                               Viertel der Lohnskala seit     destlöhne verteufeln und
      Wolfgang Rhode                                                           1995 etwa 14 Prozent sei-      zugleich in von ihnen unter-
      Geschäftsführendes Vorstandsmitglied IG Metall                           nes Einkommens verloren.       zeichneten Tarifabkommen

                                                           4                               5
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      keinen Arbeitgeberwunsch       Tarifverträge für ihre Mit-     Bundesweit für Empörung       stelldienste“ (GNBZ). Zu
      unerfüllt lassen. Da gibt es   glieder möglichst gute und      sorgte nicht nur die Finan-   guter Letzt stellte ein so
      die angebliche Briefträger-    faire Arbeitsbedingungen        zierung der AUB durch Sie-    genannter „christlicher“
      gewerkschaft GNBZ, die         und Entgelte durchsetzen.       mens. Auch Aldi Nord zahl-    Gewerkschafter in einer
      sich – man glaubt es kaum      Innerhalb der Betriebe ver-     te an die angeblich unab-     Sendung des Südwest-
      – dem Kampf für niedrigere     treten zudem die Betriebs-      hängige Organisation.         rundfunks seine Käuflich-
      Löhne verschrieben hat.        räte die Interessen der         Ruchbar wurden auch die       keit unter Beweis. Der
      Lohnend ist zudem ein Blick    Beschäftigten gegenüber         sechsstelligen Anschub-       Funktionär war bereit, für
      auf die „Arbeitsgemein-        Management oder Unter-          zahlungen des Postdienst-     den Abschluss eines Dum-
      schaft Unabhängiger Be-        nehmensleitungen.               leisters „PIN Group“ an die   ping-Tarifvertrages finanzi-
      triebsangehöriger“ (AUB),                                      angebliche „Gewerkschaft      elle Vorteile für die eigene
      die mehr als 50 Millionen      Doch nicht jede Organisa-       der Neuen Brief- und Zu-      Organisation anzunehmen.
      Euro von Siemens erhielt.      tion, die sich selbst als
      Nach Angaben ihres mitt-       Gewerkschaft oder als Ar-
      lerweile zu viereinhalb Jah-   beitsgemeinschaft von Be-
      ren Haft verurteilten Grün-    schäftigten bezeichnet, ist
      ders Wilhelm Schelsky soll-    auch eine solche Interes-
      te die von Siemens finanzi-    senvertretung. Nicht über-
      ell abhängige Organisation     all, wo Gewerkschaft
      zur Anti-Gewerkschaft auf-     draufsteht, ist auch Ge-
      gebaut werden.                 werkschaft drin. Das ha-
                                     ben im Jahr 2008 mehrere
      Eine Gewerkschaft ist ein      skandalöse Fälle der Fi-
      Zusammenschluss von Ar-        nanzierung vermeintlicher
      beitnehmern zur Durchset-      Arbeitnehmerorganisatio-
      zung und Wahrung ihrer         nen durch Unternehmen
      Interessen. Sie will durch     deutlich gemacht.

                                                  6                              7
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      Am Tropf der Siemens-Millionen

      Ende November 2008 ver-        nen Vertrag sollte Schelsky     Linie auf das Prinzip der     und zuvor fast 22 Jahre
      urteilte das Landgericht       versuchen, die AUB im Auf-      vertrauensvollen Zusam-        an der AUB-Spitze stand,
      Nürnberg-Fürth den Grün-       trag des Unternehmens als       menarbeit“. Die AUB hatte     hatte insgesamt mehr als
      der und langjährigen Bun-      Gegengewicht zur IG Metall      nach den eigenen mit Vor-     50 Millionen Euro von dem
      desvorsitzenden der „Ar-       aufzubauen. Dafür erhielt er    sicht zu genießenden An-      Unternehmen erhalten.
      beitsgemeinschaft Unab-        von 2001 bis im November        gaben im Herbst 2008          Das ergab sich aus Unter-
      hängiger Betriebsangehöri-     2006 insgesamt 30,3 Millio-     bundesweit noch 7.300         lagen, die die Staatsan-
      ger“ Wilhelm Schelsky we-      nen Euro. Drei Monate spä-      Mitglieder. Bei den Be-       waltschaft bei Siemens
      gen Beihilfe zur Untreue,      ter wurde der AUB-Chef ver-     triebsratswahlen 2006         beschlagnahmte. Bis 2001
      Betrug und Steuerhinter-       haftet. Bei einer Durchsu-      waren im Organisations-       hatte Siemens nach den
      ziehung zu einer Haftstrafe    chung bei Siemens wegen         bereich der IG Metall 362     Feststellungen des Land-
      von viereinhalb Jahren.        der Korruptionsaffäre waren     AUBler in Arbeitnehmer-       gerichts in Nürnberg zu-
      In der Urteilsbegründung       die Ermittler auch auf die      vertretungen eingezogen.      dem Personal der AUB
      stellte Richter Richard Cas-   Zahlungen an die AUB ge-        Die Vereinigung stellte da-   direkt bezahlt.
      par klar, dass die vermeint-   stoßen.                         mit dort knapp 0,5 Prozent
      lich Unabhängigen in Wahr-                                     der Betriebsräte.             Schelsky leugnete nach
      heit völlig abhängig waren.    Die AUB bezeichnet sich                                       seiner Verhaftung die Zu-
      „Wir hatten hier den Ein-      selbst noch heute als           Allerdings wussten die        wendungen von Siemens
      druck, dass die AUB-Ge-        „überparteiliche, unabhän-      2006 in den Betrieben zur     keineswegs. Aus dem Ge-
      schäftsstelle in Nürnberg      gige, überbetriebliche Ar-      Wahl aufgerufenen Kolle-      fängnis heraus meldete er
      bis 2006 eine Abteilung        beitnehmervereinigung“.         gen noch nicht, wie eng       sich im „Stern“ zu Wort
      von Siemens war“, stellte      Im Internet wirbt sie für       die „vertrauensvolle Zu-      und beschrieb seine Rolle
      er mit Blick auf die Nürn-     sich mit dem Slogan: „Kei-      sammenarbeit“ der AUB         an der Spitze der angebli-
      berger AUB-Zentrale klar.      ne Lust auf Gewerkschaft?“      mit Siemens und anderen       chen Arbeitnehmerorgani-
                                     Angeblich will sie „Arbeit-     Unternehmen tatsächlich       sation mit den Worten:
      Nach einem mit dem Sie-        nehmerinteressen fördern“       war. Schelsky, der nach       „Ich war verdeckt als Lob-
      mens-Vorstand Johannes         und setzt nach eigenen          seiner Verhaftung den         byist für Siemens tätig.“ Es
      Feldmayer 2001 geschlosse-     Worten dabei „in erster         AUB-Vorsitz niederlegte       habe einen klaren Auftrag

                                                  8                              9
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                                                                 Vertraglich garantiertes Schmiergeld

      aus der Konzernspitze ge-  aufbauen. Und das habe          Laut Urteil des Landgerichts Nürnberg schlossen Schelsky und
      geben: „Ich sollte mit dem ich getan.“                     Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer Anfang 2001 eine regel-
      Geld eine Dachorganisation                                 rechte Vereinbarung über die Förderung der AUB ab. Demnach
                                                                 sollte die Unternehmensberatung, deren Inhaber Schelsky auch
                                                                 noch war, alle drei Monate 500.000 Euro von Siemens erhalten.
                                                                 Schelsky sollte Siemens dafür Rechnungen über Schulungs-
                                                                 oder Beratungsleistungen ausstellen. Nach den Ermittlungen
                                                                 der Staatsanwaltschaft bestand bei Vertragsabschluss aber mit
                                S                                Feldmayer Einigkeit darüber, dass Schelsky „die aufgeführten
                                 IE
                                   M                             Dienstleistungen nicht erbringt und das gleichwohl zu zahlende
                                    E
                                     N                           Honorar stattdessen dazu verwendet, die als arbeitgeberfreund-
                                      S
                                                                 lich geltende AUB weiter auszubauen und zu fördern“.

                                                                 Von den Siemens-Zahlungen profitierte Schelsky auch persön-
                                                                 lich. Verhaftet wurde der unabhängige Arbeitnehmer-Führer in
                                                                 seiner durchaus repräsentativen „Villa am Meer“ im Ostseebad
                                                                 Lubmin. Mehrere Millionen Euro, die er von Siemens für die AUB
                                                                 erhalten hatten, zweigte er für private Zwecke ab, für Unterneh-
                                                                 men, an denen er beteiligt war, und für die Förderung von Sport-
                                                                 lern. Weil dieser kleinere Teil der Siemens-Millionen offenbar
                                                                 nicht bei der AUB ankam und von Schelsky auch nicht für die
                                                                 AUB ausgegeben wurde, wurde er auch wegen Betruges zum
                                                                 Nachteil von Siemens verurteilt.

                                                                 Das Landgericht Nürnberg stufte die Zahlungen von Siemens als
                                                                 „massive Form der Beeinflussung“ der Mitbestimmung ein. Ohne
                                                                 die Zahlungen von Siemens hätte die AUB gar nicht existieren
                                                                 können, stellte Richter Richard Caspar fest. Beide Vertragspart-
                                                                 ner hätten den Bruch des Betriebverfassungsgesetzes mindes-
                                                                 tens billigend in Kauf genommen, sagte er.

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      Jahrzehntelang verkörperte     mer 2007 wählte sie einen        schäftsstellen schließen,     Ziel war, neben der IG Me-
      Wilhelm Schelsky die AUB.      neuen Bundesvorstand.            elf von fünfzehn hauptamt-    tall Pluralität zu schaffen
      Als die Polizei ihn verhaf-    Der gab vor der Presse zu,       lichen Mitarbeitern ent-      und die AUB tariffähig zu
      tete, gab sich seine Organi-   dass fünf AUB-Geschäfts-         lassen.                       machen, um mit ihr Tarif-
      sation dennoch ahnungs-        stellen, die Übernachtungs-                                    verträge auszuhandeln.“
      los. Man habe zwar ge-         und Bewirtungskosten bei         Später verlangte der neue     Demnach hat Siemens mit
      wusst, dass Schelsky die       Mitgliederversammlungen          AUB-Vorsitzende Rainer        den Zahlungen an die AUB
      AUB finanziell unterstützt     und aufwendige AUB-Wer-          Knoop in einem Papier so-     in den Aufbau einer „gel-
      habe, erklärte AUB-Vize        begeschenke bislang nicht        gar eine „Neue Ethik für      ben“ von Arbeitgeberinter-
      Ingrid Brand-Hückstädt         aus den Eigenmitteln der         Betriebsräte“ und gab da-     essen bestimmten Gegen-
      nach Schelskys öffentlichem    Organisation, sondern so-        rin zu, dass die AUB nie      „Gewerkschaft“ investiert.
      Geständnis. Ohne den AUB-      zusagen fremd finanziert         die von ihr selbst behaup-
      Sponsor Siemens mit ei-        worden waren.                    teten 30.000 Mitglieder       Zudem gibt es auch im Ta-
      nem Wort zu erwähnen                                            hatte, sondern durch ihre     gesgeschäft von Betriebs-
      fügte sie hinzu: „Die Höhe     Als Quelle der Zuwendun-         Affäre von rund 10.000 Mit-   räten und Arbeitnehmer-
      der finanziellen Leistungen    gen nannten die neuen            gliedern auf nun behaup-      vertretern in Aufsichtsrä-
      ist uns nicht bekannt und      AUB-Vorstände anstelle           tete 7.530 Mitglieder ge-     ten immer wieder Situati-
      wir nehmen sie mit Befrem-     von Siemens allerdings           schrumpft war. Später         onen, in denen Arbeitneh-
      den zur Kenntnis.“ Man         stets „Privatmittel“ von         sprach die AUB von 7.300      mer- gegen Gewinninteres-
      könne die Zahlen nicht         Wilhelm Schelsky. Über-          Mitgliedern.                  sen stehen. Im Juli 2007
      nachvollziehen.                haupt erklärten sie die                                        hatte etwa der Siemens-
                                     ganze AUB-Affäre zu einer        Die Förderung der AUB         Aufsichtsrat über den Ver-
      Als die Staatsanwaltschaft     „Affäre Schelsky“. Weil die      durch Siemens war ein         kauf der Tochter VDO an
      mit ihren Ermittlungen ge-     Siemens-Gelder nun nicht         langfristig angelegtes Pro-   Continental zu befinden,
      gen Schelsky noch ziemlich     mehr flossen, mussten            jekt. Schelsky selbst ließ    für die Conti den stolzen
      am Anfang stand, propa-        die ach so unabhängigen          nach seiner Verhaftung        Preis von 11,4 Milliarden
      gierte dessen AUB bereits      Arbeitnehmer allerdings          über seinen Anwalt ver-       Euro bot. Die IG Metall ver-
      den Neuanfang. Im Som-         gleich vier ihrer fünf Ge-       breiten: „Das vereinbarte     wies auf die Gefährdung

                                                 12                                13
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                                                                     „Christen“ ohne Barmherzigkeit

      von 7.000 der 50.000 VDO-     treter der leitenden Ange-       Für die textile Dienstleis-    mehr als 50 Prozent der
      Arbeitsplätze und verlang-    stellten, der auch für den       tungsbranche hat die           Beschäftigten der Branche.
      te Garantien für Standorte    Verkauf gestimmt habe.           IG Metall beim Bundesso-       Das ist nach dem Entsen-
      und Jobs. Als die nicht ge-   „Meine kleine Stimme war         zialministerium einen An-      degesetz Vorbedingung,
      währt wurden, stimmten        dafür überhaupt nicht not-       trag auf einen verbindlichen   um einem Mindestlohnver-
      die IG Metall-Vertreter im    wendig, damit das durch-         Mindestlohn gestellt. Ge-      trag in allen Betrieben der
      paritätisch besetzten Auf-    kam“, sagte Hildegard Cor-       meinsam mit dem Indus-         Branche Geltung zu ver-
      sichtsrat gegen den Ver-      dunet später der Zeitung         trieverband Textil Service     schaffen.
      kauf. Die AUB-Vertreterin,    „taz“.                           „Intex e. V.“ will sie Lohn-
      die 2007 noch dem Sie-                                         untergrenzen in den            Der Lohnkostenanteil bei
      mens Aufsichtsrat ange-       Der Preis, den Conti für VDO     Leasingunternehmen und         den textilen Dienstleistern
      hörte, wollte sich dem        an Siemens zahlte, war so        Wäschereien durchsetzen,       ist mit 40 bis 50 Prozent
      nicht anschließen. Nach       überhöht, dass das hanno-        die Industrieunternehmen       relativ hoch, weil beim
      der Abstimmung versteck-      versche Unternehmen ein          mit sauberer Berufsklei-       Zusammenlegen und Man-
      te sie sich hinter dem Ver-   gutes halbes Jahr später         dung beliefern.                geln der Wäsche viel Hand-
                                    selbst zum Übernahmekan-                                        arbeit anfällt. Daher hat
                                    didaten wurde. Übrigens:         Die kleine Branche zählt       auch die Arbeitgeberseite
                                    Verglichen mit 11,4 Milliar-     bundesweit rund 28.000         ein hohes Interesse daran,
                                    den machen 50 Millionen,         Beschäftigte, die sich auf     über den Mindestlohn we-
                                    wie sie Schelsky für die AUB     375 Betriebe verteilen.        nigstens annähernd gleiche
                                    erhielt, ganze 0,43 Prozent      Etwa 16.000 Beschäftigte       Rahmenbedingungen für
                                    aus.                             arbeiten in Betrieben, die     die konkurrierenden Unter-
                                                                     dem Arbeitgeberverband         nehmen zu schaffen.
                                                                     Intex als ordentliche Mit-
                                                                     glieder angehören. Damit       Der Mindestlohn-Tarifver-
                                                                     gelten die von Intex und       trag, der über das Entsen-
                                                                     der IG Metall abgeschlos-      degesetz für allgemeinver-
                                                                     senen Tarifabkommen für        bindlich erklärt werden

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      soll, sieht für die östlichen   Der DHV bezweifelte, dass       Der Tarifvertrag, den der     setzt sich der DHV einer
      Bundesländer für einfach-       50 Prozent aller Arbeitneh-     DHV gegenüber dem Bun-        Lohnerhöhung für die be-
      ste Tätigkeiten ein Min-        mer der betroffenen Bran-       desarbeitsministerium so      troffenen Arbeitnehmer in
      destmonatsentgelt von           che zum Geltungsbereich         vehement verteidigt, ist      den östlichen Ländern um
      1393,74 Euro vor, das ent-      des von IG Metall und Intex     allerdings alles andere als   rund 30 Prozent. Dabei
      spricht 8,01 Euro pro Stun-     abgeschlossenen Vertrages       eine Errungenschaft. Ar-      müsste eine kleine und
      de. In den westlichen Län-      gehören. Zu guter Letzt fuhr    beitnehmer mit einfachen      wenig durchsetzungsfähige
      dern sollen in der gesam-       die kleine „Christen“-Orga-     Tätigkeiten verlieren durch   Arbeitnehmerorganisation
      ten Branche mindestens          nisation dann noch schwe-       den DHV-Vertrag gut 330       doch für jede Unterstützung
      1480,74 Euro im Monat           res verfassungsrechtliches      Euro im Monat: Nach dem       dankbar sein – wenn der
      oder 9,20 Euro in der Stun-     Geschütz auf. In jedem Falle    Mindestlohnvertrag von        „DHV – Die Berufsgewerk-
      de gezahlt werden.              müsse bei einer Allgemein-      IG Metall und Intex sollen    schaft e. V.“ tatsächlich
                                      verbindlichkeit des Min-        die 1393,74 Euro, die in      eine Gewerkschaft wäre.
      Gegen diese keineswegs          destlohnvertrages dessen        den östlichen Bundeslän-
      üppig bemessenen Min-           Geltungsbereich neu ge-         dern zu zahlen sind, die      Redakteure des Fernseh-
      desteinkommen meldete           fasst werden. Eine Verdrän-     absolute Lohnuntergrenze      magazins Report Mainz
      ausgerechnet eine „christ-      gung des konkurrierenden        der Branche bilden. Nach      haben im April 2008 beim
      liche Gewerkschaft“ Be-         DHV-Vertrages per Rechts-       dem DHV-Vertrag mit dem       DHV die Probe aufs Exem-
      denken an. Der „DHV –           verordnung greife unzuläs-      Verband Tatex erhalten ge-    pel gemacht. Sie gaben sich
      Die Berufsgewerkschaft“         sig in die grundgesetzlich      werbliche Arbeitnehmer        bei einem hohen DHV-Funk-
      wandte sich im Juli 2008        geschützte Koalitionsfrei-      der Entgeltgruppe I in den    tionär in Sachsen als Vertre-
      an das Bundessozialminis-       heit ein. Damit argumentier-    gleichen Ländern lediglich    ter eines finanzstarken In-
      terium, erklärte, man habe      te der DHV ähnlich wie die      1060,78 Euro.                 vestors aus, der in der Lau-
      mit einem konkurrierenden       privaten Postdienstleister                                    sitz ein Pflegeheim über-
      Arbeitgeberverband von          vor dem Berliner Verwal-        Mit seinem Widerstand ge-     nehmen wollte, und führten
      Intex, dem Deutschen Tex-       tungsgericht.                   gen die Allgemeinverbind-     mit ihm dann zum Schein
      tilreinigungsverband einen                                      lichkeit des IG Metall-Min-   Verhandlungen über einen
      Tarifvertrag abgeschlossen.                                     destlohnvertrages wider-      Haustarifvertrag.

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      Den Tarifvertrag hatten die     ihr großes Entgegenkom-         digte eine juristische Prü-   Natürlich sind 5.000 Euro
      Reporter schon mitgebracht:     men bezahlen könne.             fung des Beitrags an und      als Gegenleistung für ei-
      Er sah Nacht- und Sonn-         „Schicken Sie die Leute zu      behielt sich ausdrücklich     nen Tarifvertrag nicht viel
      tagsarbeit ohne Zuschläge       uns, zum Lehrgang. Das ist      rechtliche Schritte vor.      Geld – verglichen etwa mit
      vor, zudem 12-Stunden-          schon mal eine Unterstüt-       Nach Angaben des verant-      den Summen, die die AUB
      Dienst und weder Urlaubs-       zung. Dann haben wir sie,       wortlichen Redakteurs         von Siemens erhalten hat.
      noch Weihnachtsgeld, dafür      und der Investor muss           ging aber beim Südwest-       Aber offenbar gibt es Orga-
      aber ein Gehalt, das bei        bezahlen. Das kostet die        rundfunk nie ein Gegen-       nisationen, die sich schon
      einer Pflegehelferin um 18      Geld, so einfach ist die        darstellungsbegehren oder     für wenig Geld zu Schand-
      Prozent unter dem üblichen      Welt. Dann ist das eine         auch nur ein einfaches        taten bereit erklären. Da
      Niveau lag. Für den DHV-        Veranstaltung und dann          Schreiben des DHV zu der      gilt dann der Grundsatz:
      Funktionär waren die miesen     macht man ein Honorar“,         Reportage ein.                „Kleinvieh macht auch
      Vertragsklauseln allesamt       lautete die Antwort des                                       Mist“.
      kein Problem. Er wollte         DHV-Funktionärs. Die Leu-
      allerdings eine Gegenleis-      te von „Report Mainz“
      tung. Zunächst sollte der       fragten noch mal konkret
      vermeintliche Arbeitgeber       nach, ob man das in einer
      ihm bei der Werbung neuer       Größenordnung von 5.000
      Mitglieder helfen. „Ja, vier,   Euro machen könne. „Das
      fünf DHV-Mitglieder wären       kann man dann machen“,
      schon wichtig“, meinte er       lautete die Antwort des
      und übergab dem vermeint-       DHV-Funktionärs.
      lichen Tarifpartner Infoma-
                                                                                     AG
      terial für künftige DHV-Mit-    Nach der Report-Sendung                   VERTR
                                                                             IF
      glieder. Am Ende fragten        veröffentlichte der DHV             TAR
      die Reporter den DHVler di-     eine lange Erklärung, wies
      rekt, wie man die hilfreiche    die „Vorwürfe der Korrup-                 DHV
      christliche Gewerkschaft für    tion“ empört zurück, kün-

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      DHV – Verein mit schlimmen Traditionen

      Der „DHV – Die Berufsge-       wurde, erhielt er – ähnlich      Kommission ab: Der DHV          für die Anschubfinanzie-
      werkschaft e. V.“ hieß         wie im vergangenen Jahr          habe von mehreren Firmen        rung durch Arbeitgeber
      früher „Deutscher Handels-     die angebliche Briefzustel-      bezahlte Anzeigenaufträge       fand der DHV dann aber
      und Industrieangestellten-     ler-Gewerkschaft GNBZ –          erhalten, die „nur Schein-      beim heimischen Arbeits-
      verband“ (DHV) und sieht       von Unternehmen eine An-         aufträge waren“. Die An-        gericht in Hamburg. Die
      sich als Nachfolger einer      schubfinanzierung. Allein        nahme derartiger Zuwen-         Mitgliederzahl des Verban-
      rechten Richtungsgewerk-       die Firma Oetker spendete        dungen von Arbeitgeber-         des habe sich durch stän-
      schaft mit langer Tradition:   1952 der jungen „Gewerk-         seite sei „mit den Grund-       diges Anwachsen erhöht,
      Des „Deutschnationalen         schaft“ 10.000 Mark, was         sätzen einer echten Ge-         befand das Gericht Ende
      Handlungsgehilfen-Verban-      damals noch richtig Geld         werkschaft unvereinbar“.        1956 in einem Urteil zu-
      des“ (DHV). Dieser DHV         war. Das DHV-Beitragsauf-        Eine Gewerkschaft könne         gunsten des DHV. Der Ver-
      wurde 1933 beim Sturm          kommen belief sich etwa          ihre Mittel, wie Tarifverträ-   band sei nun nicht mehr
      der Nationalsozialisten auf    in den Jahren 1954 und           ge und notfalls die Arbeits-    „in Ermangelung ausrei-
      die Gewerkschaftshäuser        1955 auf insgesamt 1.125         niederlegung, „nur dann         chender Beitragseinnah-
      als einzige deutsche Ge-       Mark. Andere Firmen zahl-        mit Aussicht auf Erfolg ein-    men auf finanzielle Unter-
      werkschaft zunächst nicht      ten überhöhte Preise für         setzen, wenn sie strengs-       stützung von der Arbeitge-
      aufgelöst, weil seine Mit-     Anzeigen in der DHV-Zei-         tens darauf bedacht bleibt,     berseite angewiesen“ und
      gliedschaft ohnehin mehr-      tung Handelswacht oder           sich ihre absolute Unab-        dadurch in seinen Ent-
      heitlich nationalsozialis-     spendeten für einen „Be-         hängigkeit von den Arbeit-      scheidungen auch nicht
      tisch war.                     rufswettkampf“, den der          gebern, insbesondere in         mehr unfrei, entschieden
                                     DHV durchführte. Als der         finanzieller Hinsicht, zu be-   die Arbeitsrichter und er-
      Als der DHV nach dem           DHV in Berlin beantragte,        wahren“. Das sei beim           kannten den DHV als Ge-
      Zweiten Weltkrieg im Ok-       ihm das Vermögen des             wiedergegründeten DHV           werkschaft an. In Hamburg
      tober 1950 zunächst als        Vorkriegs-DHV in der ehe-        nicht der Fall, entschied       hat der DHV bis heute sei-
      „Deutscher Handlungsge-        maligen Reichshauptstadt         die „Kommission für An-         nen Sitz.
      hilfen-Verband e. V. – Ge-     zu übertragen, lehnte dies       sprüche auf Vermögens-
      werkschaft der Kaufmanns-      die zuständige noch von          werte“ am 12. Mai 1953.
      gehilfen“ wiedergegründet      den Alliierten eingesetzte       Großzügiges Verständnis

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      Aus dem Gruselkabinett

      Am 2. Mai 1933 stürmte die SA in Deutschland die Gewerk-              Der DHV wurde bereits         Fritz Irwahn etwa war kei-
      schaftshäuser und zerschlug die freien Gewerkschaften – nicht         1893 als Verband der kauf-    neswegs frei von antisemiti-
      betroffen war damals der ohnehin bereits mehrheitlich national-       männischen Angestellten       schen Vorurteilen, entschul-
      sozialistische DHV. Er gliederte sich erst später in die „Deutsche    gegründet, die man seiner-    digte die „Judengegner-
      Arbeitsfront“ ein. Ein Artikel aus dem „Neuen Mannheimer
                                                                            zeit Handlungsgehilfen        schaft“ des alten deutsch-
      Volksblatt“ vom 19. Mai 1933 über eine Bücherverbrennung in
                                                                            nannte. In der Weimarer       nationalen DHV damit, dass
      Mannheim führt vor Augen, wie der DHV zu den Nazis stand:
                                                                            Zeit war er als „Deutsch-     zu dessen Entstehungszeit
      „Der Einmarsch des Fackelzuges auf dem Rasenplatz dauerte
                                                                            nationaler Handlungsge-       Juden „im Geld- und Bank-
      nahezu eine dreiviertel Stunde. Es waren viele Tausende, die          hilfenverband“ (DHV) eine     wesen sichtbar in Erschei-
      daran teilnahmen: Die Studentenschaft der Handelshochschule           nationale und antisemiti-     nung getreten“ seien und
      gemeinsam mit der SA, die Ingenieurschule, der DHV und ver-           sche Richtungsgewerk-         „in den großen kapitalisti-
      schiedene andere nationale Verbände. Etwa acht Musikkapellen          schaft, die mit den Christ-   schen Warenhäusern eine
      marschierten mit. Am Ende fuhr ein Wagen, auf dem sich die            lichen Gewerkschaften         führende Rolle“ gespielt
      dem Tode geweihten Bücher befanden und eine große Fahne               einen Gewerkschaftsbund       hätten. Noch bis in die 60er
      Schwarz-Rot-Gold, die mit den Büchern dem Feuer übergeben             bildete. Er nahm nie Juden    Jahre hinein gliederte sich
      wurde.                                                                als Mitglieder auf, kämpfte   der DHV in „Gaue, Kreise
                                                                            „aus völkischen und rasse-    und Ortsgruppen“, lud nicht
      Nach Eintreffen der Zugspitze wurde ein Holzstoß in Brand ge-
                                                                            hygienischen Gründen“         zu Landesverbandstagen,
      setzt, der bald in mächtigen Garben zum nächtlichen Himmel
                                                                            gegen Frauenarbeit und        sondern zu „Gautagen“ ein.
      empor loderte und den Platz weithin erhellte, so dass die Stern-
      lein, die neugierig herabschauten, etwas verblassen mussten.
                                                                            betonte schon 1932 sein       Im Jahr 2005 gehörte dem
      Nachdem alle Teilnehmer einmarschiert waren, sprachen in kur-         „freundschaftliches Ver-      Vorstand des für Branden-
      zen Reden der Führer der Mannheimer Studentenschaft Heinz             hältnis“ zur NSDAP.           burg, Berlin und Mecklen-
      Franz, Dr. Hans Hagenbuch für die Nationalsozialistische Partei       Der heutige DHV sieht         burg-Vorpommern zuständi-
      und Dipl.-Kaufm. Karl Goebel für den D.H.V. ... Nach Absingen         sich als Nachfolger der       gen DHV-Landesverbandes
      des Horst-Wessel-Liedes flammte der Scheiterhaufen auf und            deutschnationalen Arbeit-     Nordost als Schatzmeister
      verzehrte die Bücher, die des undeutschen Geistes voll. Mit           nehmerorganisation. Der       ein bekennender Republi-
      klingendem Spiel ging es dann wieder in die Stadt zurück.“            DHV-Nachkriegsvorsitzende     kaner an.

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      Das Doppelleben des CGB

      Heute ist der DHV nach der      ist jedoch nicht zu trauen.       keine Mitglieder haben,       ist. Sie haben weder genü-
      „Christlichen Gewerkschaft      Die tatsächliche Zahl der         haufenweise arbeitgeber-      gend Mitglieder noch die
      Metall“ CGM die zweitgröß-      Mitglieder des „Christen“-        freundliche Dumping-Tarif-    organisatorischen Fähig-
      te Organisation im „Christ-     Bundes dürfte näher bei           verträge ab. Sie können       keiten, um zu streiken.
      lichen Gewerkschaftsbund        28.000 als bei den offiziel-      sich dabei eine Besonder-     Dennoch ist DHV und CGM
      Deutschlands“ (CGB). Der        len 280.000 liegen. Das           heit des deutschen Arbeits-   vor den Arbeitsgerichten
      konservativ ausgerichtete       zeigen die wenigen ver-           rechts zu nutze machen.       der Gewerkschaftsstatus
      CGB fühlt sich nach eige-       lässlichen Angaben zur            Hierzulande darf eine Ar-     nicht aberkannt worden.
      nen Worten „einer christ-       DHV- und CGM-Mitglied-            beitnehmerorganisation        Anders erging es etwa der
      lich-sozialen Ordnungspo-       schaft.                           entweder für den gesam-       „Christlichen Gewerkschaft
      litik“ verpflichtet und sieht                                     ten per Satzung bean-         Bergbau, Chemie, Energie“
      sich selbst als „drittgröß-     Als Arbeitnehmerorganisa-         spruchten Zuständigkeits-     (CGBCE), die laut Bundes-
      ter Gewerkschaftsdachver-       tionen führen die „Christli-      bereich Tarifabkommen         arbeitsgericht keine Ge-
      band“ Deutschlands. CGM         chen“ seit Jahrzehnten ei-        abschließen, oder sie ist     werkschaft ist. Bei der
      und DHV sind die mit Ab-        ne Doppelexistenz. Auf der        überhaupt nicht tariffähig.   CGM entschieden die Bun-
      stand größten Mitgliedsor-      einen Seite beteiligen sie                                      desarbeitsrichter im März
      ganisationen des CGB.           sich da, wo sie einige Mit-       Die Tariffähigkeit der        2006 aber, dass sie eine
      Nach dessen eigener Zäh-        glieder haben, an Betriebs-       „Christlichen“ ist zwar mit   Gewerkschaft sei.
      lung entfallen von den ins-     rats- oder Personalrats-          guten Gründen von den
      gesamt 280.000 Mitglie-         wahlen und bemühen sich,          Gewerkschaften vor den        Ausschlaggebend waren
      dern, die der CGB für sich      von IG Metall oder auch           Arbeitsgerichten immer        für das Bundesarbeitsge-
      reklamiert, rund 100.000        ver.di ausgehandelte Tarif-       wieder bestritten worden.     richt die zahlreichen Tarif-
      auf die CGM und knapp           abschlüsse per Anschluss-         Schließlich verfügen ihre     verträge, die die CGM un-
      80.000 auf den DHV. Der         tarifvertrag nachzuvollzie-       Organisationen nicht über     terzeichnet hatte. Allein im
      Rest soll sich auf 14 weite-    hen. Auf der anderen Seite        die erforderliche Durchset-   Bereich der Metall- und
      re Klein- und Kleinstorga-      schließen die „Christli-          zungskraft gegenüber dem      Elektroindustrie konnten
      nisationen verteilen. Den       chen“ gerade in Bereichen,        Arbeitgeber, die grundle-     die „christlichen“ Metaller
      offiziellen Zahlen des CGB      in denen sie praktisch            gend für jede Gewerkschaft    etwa 3.000 Anschlusstarif-

                                                   24                               25
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      verträge vorweisen. Bei die-   die höchsten Arbeitsrichter      Die Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen
      sen Anschlussabkommen          im CGM-Urteil. Das Bundes-       (BVD) betreibt im Internet ausgerechnet mit ihren Tarifverträgen
      werden von der IG Metall       arbeitsgericht schlug damit      Eigenwerbung. Wer die Verträge kennt, weiß allerdings warum.
      ausgehandelte Tarifverträ-     einen neuen Weg ein, den
                                                                      Laut BVD vermeiden die Abkommen durch „einen flexiblen Tarif-
      ge von den Arbeitgebern        es hoffentlich nicht fortset-
                                                                      rahmen Zwang und Bevormundung“. Tarifliche Öffnungsklauseln
      anschließend noch einmal       zen wird. Die Urteilsbegrün-
                                                                      ermöglichten Änderungen und Ergänzungen durch Betriebsver-
      mit der CGM unterzeichnet.     dung hebt vor allem die
                                                                      einbarung und Einzelvertrag, heißt es. „Über die Grenzen des
      Das kostet die Arbeitgeber     Vielzahl der unterzeichne-       Arbeitszeitgesetzes hinaus sind Jahresarbeitszeit und Langzeit-
      natürlich keinen Pfennig,      ten Tarifverträge hervor. Da-    konten möglich“, betont die aus dem Bundesverband des Deut-
      weil die von der IG Metall     mit wird vor Gericht die Be-     schen Groß- und Außenhandels hervorgegangene Vereinigung.
      ausgehandelten Tarife          reitschaft der Arbeitgeber,      „Die Jahresarbeitszeit auf Basis einer 40-Stunden-Woche lässt
      ohnehin gelten.                mit einer Organisation Tarif-     individuelle Arbeitszeiten bis zu 45 Stunden wöchentlich zu“,
                                     verträge abzuschließen,          und „der über 24 Tage gesetzlichen Urlaub hinausgehende Ur-
      Vor Gericht konnte die         zum wichtigsten Indiz für        laub kann abgegolten oder auf Langzeitkonten gutgeschrieben
      CGM dennoch mit diesen         deren Durchsetzungs- oder        werden“. Zudem seien die „allgemeinen Arbeitsbedingungen
      Verträgen punkten. „Sofern     Kampfkraft. Wenn aber            auf ein Minimum reduziert“. Die tariflichen Entgelte legten nur
                                                                      Mindestbezüge fest. „Branchen- und betriebsspezifische Ände-
      eine Arbeitnehmervereini-      selbsternannte Gewerk-
                                                                      rungen, Einstufungen und Zuordnungen sind ergänzenden Be-
      gung bereits im nennens-       schaften in ihren Tarifab-
                                                                      triebs- oder Einzelvereinbarungen vorbehalten“, hebt der BVD
      werten Umfang Tarifverträ-     kommen regelmäßig nur Ar-
                                                                      zudem hervor.
      ge geschlossen hat, belegt     beitgeberwünsche erfüllen,
      dies regelmäßig ihre Durch-    kann von Durchsetzungs-          Unterzeichnet hat diesen Arbeitgeber-Knüller der DHV unter dem
      setzungskraft“, entschieden    kraft keine Rede sein.           Namen „Dienstleistungstarifvertrag Bolero“. Er gilt für Mitglie-
                                                                      der des Unternehmerverbandes nur, wenn sie „Vollmacht zum
                                                                      Tarifabschluss“ erteilt haben. Aber auch wenn „Bolero“ in einem
                                                                      Unternehmen gilt,

                                                                      •   kann er noch per Betriebsvereinbarung verändert werden,
                                                                      •   in Krisensituationen per Betriebsvereinbarung für ein Jahr
                                                                          außer Kraft gesetzt werden,

                                                  26                                27
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      •   in Betrieben ohne Betriebsrat von 75 Prozent der Beschäf-       Den Beweis für tatsächli-

                                                                                                                 IK
          tigten                                                          che Durchsetzungsfähig-

                                                                                                             E
                                                                                                             R
      •   oder per Einzelvertrag geändert werden.                         keit sind die „Christen“-

                                                                                                         T
                                                                                                         S
                                                                          Organisationen denn auch
      Genauer gesagt: Unternehmer, die sich diesem „Tarifvertrag“
                                                                          stets schuldig geblieben.
      unterwerfen, können trotzdem machen, was sie wollen. Zugleich
                                                                          Zwar findet sich in den Sat-
      profitieren sie davon, dass der Vertrag die Schutzrechte des
                                                                          zungen der christsozialen
      Arbeitszeitgesetzes außer Kraft setzt. Der „Bolero“ ist in Call-
      Centern, IT-Firmen oder auch einzelnen Betrieben des Groß- und
                                                                          Organisationen mittlerwei-
      Außenhandels gültig.                                                le stets ein Bekenntnis zum
                                                                          Streik als Kampfmittel.
                                                                          Tatsächlich streiken sie
                                              BOLERO                      aber nie, können und wol-
                                                                          len das auch gar nicht.
                                                                          Allenfalls halten sie mal,
                                                                          wenn die Gewerkschaften
                                                                          ihre Mitglieder zum Streik
                                                                          aufrufen, irgendwo ein
                                                                          „Christen“-Transparent.

                                                     28                                29
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      Kampf gegen Mindestentgelt

      Wirkliche Probleme bereiten    des DGB per Gesetz auszu-        haben. Wirklich „aushe-        von CGM und DHV auch
      die „Christen“-Organisatio-    schalten“, jammerte etwa         beln“ – wie vom CGB be-        über eine Reihe kaum be-
      nen durch ihre eigenständi-    der CGB-Bundesvorsitzende        hauptet – kann das Entsen-     kannter Nebenorganisatio-
      gen Tarifverträge, die diese   und gescheiterte CSU-Poli-       degesetz Tarifabkommen         nen unterzeichnet, etwa die
      seit etwa zwei Jahrzehnten     tiker Matthäus Strebl, als       nicht. Über das Gesetz         „Tarifgemeinschaft Christ-
      zunehmend abschließen.         die Arbeitgeberverbände          werden ja nur Mindestent-      licher Gewerkschaften für
      Diese Dumping-Verträge,        für die Zeitarbeit BZA und       gelte, die Lohnuntergren-      Zeitarbeit und Personalser-
      wie etwa der „Bolero“,         IGZ die Aufnahme ihrer           zen, festgelegt.               viceagenturen“ CGPZ. Nor-
      kommen den Arbeitgebern        Branche in das Entsende-                                        male Mitglieder der „Chri-
      in der Regel weit entgegen     gesetz beantragten. Der          Nichts hindert die „Chris-     sten“-Organisationen ken-
      oder ermöglichen zum Teil      CGB werde nicht zulassen,        ten“ also daran, in den        nen den Inhalt dieser Tarif-
      auch harte Ausbeutung.         „dass der Bundesarbeits-         Branchen mit den ja niemals    verträge natürlich nicht und
      Bevorzugt bieten sich die      minister rechtsgültige Tarif-    üppigen Mindestlöhnen          wissen oft gar nicht, wo sich
      „Christlichen“ als billige     verträge in der Zeitarbeit       weiter für Einkommens-         ihre Organisationsspitzen
      Alternative in Bereichen an,   durch Gesetz aushebelt“.         erhöhungen zu streiten, –      tariflich überall tummeln.
      in denen die Gewerkschaf-                                       wenn sie denn könnten –
      ten an Kampfkraft durchaus    Mit den Tarifverträgen, die       zu kämpfen und entspre-        Natürlich stellt sich die
      noch zulegen könnten, wie     der Gesetzgeber da angeb-         chende gute Tarifverträge      Frage nach dem Motiv für
      in der Leiharbeit oder in     lich bedrohte, waren die          abzuschließen. Mindest-        die zahlreichen Dumping-
      bestimmten Bereichen des      Abkommen gemeint, die             löhne verbieten Dumping-       Abschlüsse. Einen Hinweis
      Handwerks.                    die „Christen“ mit dem            Abschlüsse, die unter Tarif-   darauf hat vielleicht der
                                    „Arbeitgeberverband Mit-          vereinbarungen oder ge-        sächsische DHV-Funktionär
      Weil sie Billiglöhne wollen, telständischer Personal-           setzlichen Löhnen liegen.      in der Report-Sendung des
      ziehen die „Christlichen“     dienstleister“ (AMP) und                                         Südwestrundfunks im April
      auch stets gegen Mindest- per Haustarifvertrag mit              Die Christenorganisationen     2008 gegeben. Auf jeden
      löhne zu Felde. „Es ist nicht zahlreichen Firmen der            aber können und wollen         Fall lohnt es, sich die Tarif-
      Aufgabe der Politik, die ge- wachsenden Zeitarbeits-            nur billig. Dumping-Tarif-     aktivitäten der Christen
      werkschaftliche Konkurrenz branche abgeschlossen                verträge haben Funktionäre     näher anzuschauen.

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      Beispiel Zeitarbeit

      Die sich nun schon Jahre       In der Tat haben Leiharbeit-     „Tarifgemeinschaft Christli-   Mai 2003 mit einem Nord-
      hinziehende Debatte über       nehmer seit dem Jahr 2003        cher Gewerkschaften für        bayrischen Zeitarbeitsver-
      einen Mindestlohn in der       im Grundsatz einen Anspruch      Zeitarbeit und Personalser-    band und einer Mittel-
      Zeitarbeitsbranche haben       auf das gleiche Entgelt und      vice-Agenturen“ CGZP zu-       standsvereinigung Zeitar-
      die „Christen“-Organisatio-    gleiche Arbeitsbedingungen       sammen. Während die Ge-        beit Verträge ab. Diese Ver-
      nen stets mit vollmundigen     wie die Dauerbeschäftigten       werkschaften Anfang 2003       bände fusionierten später
      Kommentaren begleitet.         des Betriebes, in dem Zeit-      schwierige Verhandlungen       zum „Arbeitgeberverband
      Dabei ging es aber nicht       arbeiter gerade arbeiten.        mit dem „Bundesverband         Mittelständischer Personal-
      um die miesen Entgelte in      Nach dem Arbeitnehmer-           Zeitarbeit“ und der Interes-   dienstleister“ AMP. Zugleich
      der Branche, die mittlerwei-   überlassungsgesetz kann          sengemeinschaft deutscher      unterschrieben die „Chris-
      le an die 800.000 Beschäf-     vom Grundsatz der Gleich-        Zeitarbeitsunternehmen“        ten“ hunderte Haustarif-
      tigte zählt. Stattdessen       behandlung aber durch Ta-        IGZ führten, schloss die       verträge, die keine Arbeit-
      empörten sich die „Chris-      rifverträge abgewichen wer-      CGZP bereits im März und       geberwünsche offen ließen.
      ten“ über ein drohendes        den. Und für die schlimms-
      „Machtkartell der DGB-Ge-      ten Abweichungen nach
      werkschaften“. Sie behaup-     unten sorgen die „Christen“-
      teten in ihrem Organ „Deut-    Tarifverträge.
      sche Gewerkschaftszei-
      tung“ (DGZ) einfach: „Kein     Kurz vor der Gesetzesän-
      anderer Wirtschaftsbereich     derung schlossen sich im
      ist so wirksam gegen Lohn-     Herbst 2002 CGM, DHV und
      dumping geschützt wie die      die „Christen“-Organisatio-
      Zeitarbeitsbranche.“ Seit      nen „Gewerkschaft Öffentli-
      der Änderung des Arbeit-       cher Dienst und Dienstleis-
      nehmerüberlassungsgeset-       tungen“ (GÖD) und „Christ-
      zes Ende 2002 sei dort         liche Gewerkschaft Postser-
      „Lohndumping praktisch         vice und Telekommunikati-
      nicht möglich“.                on“ (CGPT) zur erwähnten

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      Arbeitsvertrag geht vor Tarifvertrag

      Nimmt man die „Christen“-Verträge mit zur Hand, so versteht          Der „Christen“-Tarifvertrag     vertrag außerdem kürzere
      man deren Geschrei gegen den Zeitarbeitsmindestlohn auf den          mit dem AMP weicht den          Kündigungsfristen als das
      ersten Blick gar nicht. Der Vertrag mit den „Mittelständischen       ohnehin unzureichenden          Kündigungsschutzgesetz
      Personaldienstleistern“ vom AMP kennt etwa für West und Ost          Schutz vor immer wieder         vor. Auch hier nutzen es die
      jeweils neun Entgeltgruppen und davon liegt immer nur die
                                                                           befristeten Arbeitsverträ-      selbst ernannten „Gewerk-
      niedrigste mit 7,21 Euro (West) und 6,00 Euro (Ost) unter den
                                                                           gen weiter auf. Gesetzlich      schafter“ aus, dass durch
      beantragten Mindestlöhnen von 7,31 Euro (West) und 6,36
                                                                           darf ein Arbeitsverhältnis      Tarifverträge vom Gesetz
      (Ost). Die „Christen“ haben aber mit dem AMP auch einen
      „Beschäftigungstarifvertrag“ abgeschlossen. Nach dem „kön-
                                                                           zwei Jahre lang befristet       abgewichen werden darf,
      nen auf betrieblicher Ebene die tariflichen Entgelte reduziert       werden und während die-         was ja eigentlich längere
      werden“ bei „überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit in dem          ser Zeit ist nur eine dreima-   als die gesetzlichen Kündi-
      betroffenen Gebiet“ oder „gravierenden wirtschaftlichen Pro-         lige Verlängerung des Ar-       gungsfristen ermöglichen
      blemen des Unternehmens“. Möglich machen dies umfassende             beitsvertrages erlaubt. Der     soll. Unterschrieben haben
      Öffnungsklauseln in dem Vertragswerk. So legt der Manteltarif        Christen-Tarif erlaubt eine     die Verträge mit dem AMP
      fest, dass tarifliche Normen „durch Firmen-, Mehrfirmen-, Bran-      viermalige Verlängerung         übrigens CGM-Vize Detlef
      chen,- Flächen-, Ergänzungs- und Beschäftigungssicherungs-           des befristeten Arbeitsver-     Lutz und der DHV-Vorsitzen-
      tarifverträge“ und auch „durch Betriebsvereinbarungen abge-          hältnisses und das Ganze        de Jörg Hebsacker. Letzterer
      ändert werden“ können. Wo kein Betriebsrat besteht, können
                                                                           darf dort drei Jahre dauern.    ist sozusagen die graue
      tarifliche Bestimmungen nach Ziffer 1.5.3 des Manteltarifver-
                                                                           In der Anfangszeit der Be-      Eminenz der „Christen“-
      trages sogar „auch abgeändert werden, soweit der einzelne
                                                                           schäftigung sieht der Tarif-    Organisationen.
      Arbeitnehmer hierzu seine Zustimmung erteilt“. Damit ist der
      tarifliche Schutz von Arbeitnehmerinteressen auf dem Null-
      punkt angelangt.

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      Stundenlohn von 4,81 Euro

      Wirklich zur Sache gehen die „Christen“ allerdings erst in ihren       Nach „Christen“-Tarifen be-     Metall- und Elektrobranche
      Haustarifverträgen mit Zeitarbeitsfirmen. Nach eigenen Angaben         zahlte Zeitarbeiterinnen und    gibt es derzeit 220.000 Zeit-
      haben sie mehr als 200 solcher Verträge abgeschlossen. Aus             Zeitarbeiter haben in den       arbeiter. 2007 wurde dort
      dem Inhalt der Verträge machen die „christliche“ Zeitarbeits-          Betrieben, an die sie verlie-   ein Drittel der 120.000 neu-
      tarifgemeinschaft CGZP und die Firmen ein großes Geheimnis.
                                                                             hen werden, die gleichen        en Stellen mit Zeitarbeitern
      Sechs bekannt gewordene Haustarifverträge der CGZP hat der
                                                                             Aufgaben wie Beschäftigte       besetzt. Der so geschaffene
      Münsteraner Arbeitsrechtler Peter Schüren analysiert. Allein sie
                                                                             der Stammbelegschaften.         Niedriglohnbereich soll
      gelten für 85 Betriebe. Je nach Vertrag bewegt sich der niedrig-
      ste vorgesehene Stundenlohn im Osten zwischen 5,49 und 5,71
                                                                             Sie bekommen aber für die       auch auf die Stammbeleg-
      Euro und im Westen zwischen 6,27 und 6,77 Euro. Die Mehrzahl           gleiche Arbeit oft nur das      schaften Druck ausüben.
      der 85 Betriebe muss in den ersten acht Monaten des Arbeits-           halbe Entgelt. Allein in der
      verhältnisses zudem nur 90 oder 90,5 Prozent des Stunden-
      entgelts zahlen. Dieser gesenkte Lohn kann die Regel sein, weil
      die Tarifverträge bis zu vier Jahre lang ein immer wieder befriste-
      tes Arbeitsverhältnis erlauben. Ein befristeter Vertrag kann dabei
      bis zu fünf Mal erneuert werden.

      Verkürzt wird per Tarifabkommen auch die Abruffrist, innerhalb
      derer der Zeitarbeiter der Firma zur Verfügung stehen muss. Ge-
      setzlich vorgesehen sind vier Tage, nach mehreren „Christen“-
      Verträgen ist es nur ein Tag – kürzer geht nicht. Beim Entgelt
      schoss in den westlichen Ländern eine Wuppertaler Zeitarbeits-
      firma den Vogel ab, die am Ende nach „Christen“-Haustarif nur
      noch einen Stundenlohn von 4,81 Euro zahlte. Auch unter diesen
      Haustarifverträgen finden sich die Unterschriften von DHV-Chef
      Hebsacker und CGM-Vize Lutz.

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      Ungültige Tarifabkommen

      Die Zeitarbeits-Tarifverträge der „Christlichen“ sind wahrschein-     Auch nach Meinung des Arbeitsrechtlers Peter Schüren ist die
      lich überhaupt nicht gültig. Und das wissen die „Christen“-           CGZP nicht tariffähig. „Die CGZP liefert Wunschtarifverträge,
      Organisationen und ihr Gegenüber auf Arbeitgeberseite auch.           die es den Arbeitgebern punktgenau ermöglichen, die in den
      Nach Auffassung namhafter Arbeitsrechtler ist die hinter den          Gesetzen vorgesehenen Schranken zu öffnen und die Arbeitsbe-
      Verträgen stehende Tarifgemeinschaft CGZP gar nicht tariffähig.       dingungen bis zur Grenze des faktisch durchsetzbaren mit dem
      Diese Auffassung hat auch das Arbeitsgericht Berlin in einem          Ziel der Kostensenkung zu optimieren“, sagt der Professor der
      im Februar 2008 gesprochenen Urteil vertreten. Für die Tarif-         Uni Münster. Da die Tarifverträge der Verschlechterung von
      fähigkeit einer Tarifgemeinschaft müssten alle in ihr zusam-          Arbeitnehmerschutzrechten im Interesse der Arbeitgeberseite
      mengeschlossenen Organisationen tariffähig sein, führten die          dienten, „ist die CGZP nach der aktuellen Rechtsprechung des
      Arbeitsrichter unter anderem aus. Die Tariffähigkeit von zwei         Bundesarbeitsgerichts nicht tariffähig“, meint Schüren.
      der vier Mitglieder der CGZP, nämlich der „Christen“-Organisa-
      tionen für die Post und den öffentlichen Dienst „CGPT“ und
      „GÖD“ sei jedoch fragwürdig. Einer gerichtlichen Auflage, ihre
      Mitgliederzahl zu nennen und bereits abgeschlossene Tarif-
      verträge vorzulegen, sind beide Organisationen nicht nach-
      gekommen.

      Zu einem förmlichen Beschluss, der der CGZP die Tariffähigkeit
      formell abgesprochen hätte, kam es in dem Verfahren aber
      nicht. Die ursprünglich verklagte Berliner Zeitarbeitsfirma,
      deren Entlohnungspraxis den Rechtsstreit über die Gültigkeit
      der CGZP-Verträge ausgelöst hatte, zahlte dem klagenden
      Arbeitnehmer einfach alle geforderten Beträge.
      Dadurch konnte das Gericht nur seine Meinung zur Tariffähig-
      keit der CGZP kundtun, über sie aber nicht mehr urteilen. Das
      Berliner Verfahren war keineswegs der erste Rechtsstreit, in
      dem Zeitarbeitsfirmen lieber zahlten, als eine gerichtliche
      Überprüfung ihrer „christlichen“ Tarifverträge und -partner
      zu riskieren.

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      Lehrstück Nexans

      Die „Christen“-Organisatio-    Dass sich die „Christen“         schlossenen Haustarifver-     destagswahl 2005, unter-
      nen haben unter den Leih-      beim Abschluss von Tarif-        trag richten werde. Am        zeichnete CGM-Haustarif
      arbeitnehmern praktisch        verträgen um die betroffe-       gleichen Tag erfuhren im      ließ nämlich keine Arbeit-
      keine Mitglieder. Das zeigt    nen Arbeitnehmer nicht           Aufsichtsrat auch die Ar-     geberwünsche offen. Die
      etwa eine 2005 bekannt         scheren, mussten im Jahr         beitnehmervertreter erst-     Einkommen der Nexans-
      gewordene detaillierte Lis-    2005 auch alle 1.800 Be-         mals von dem so genann-       Kollegen sollten unterm
      te aller DHV-Mitglieder für    schäftigten eines Metall-        ten „Standortsicherungs-      Strich zwischen 400 und
      die Länder Berlin, Branden-    betriebes, des Kabelher-         vertrag“.                     700 Euro im Monat sinken.
      burg und Mecklenburg-Vor-      stellers Nexans Deutsch-                                       So sah das Abkommen so-
      pommern. Um den von den        land, erleben. Die Haupt-        Wie sich später heraus-       fort eine Kürzung der Ent-
      „Christen“ mit Zeitarbeits-    rolle spielte dabei die          stellte, hatten CGM und       gelte um sage und schrei-
      firmen abgeschlossenen         CGM, also „Christliche Ge-       Nexans schon seit einem       be 16,67 Prozent vor. Bin-
      Haustarifen Geltung zu ver-    werkschaft Metall“, die die      halben Jahr über das Ab-      nen dreier Monate war
      schaffen, müssen die Leih-     meisten Nexans-Kollegen          kommen verhandelt. Die        dann die Eingruppierung
      arbeiter daher mit ihren Ar-   vorher nicht einmal dem          „Christen“ ließen die Be-     aller Mitarbeiter in vier
      beitsverträgen eine Klausel    Namen nach kannten.              triebsräte und die Beschäf-   neue Entgeltstufen vorge-
      unterschreiben, die den                                         tigten, deren Interessen      sehen. Wie die Nexans-Be-
      Verträgen erst Gültigkeit      Das änderte sich jedoch          die CGM ja zu vertreten       triebsräte ausrechneten,
      verschafft. Die „Christen“-    schlagartig am 12. Oktober       vorgibt, die ganze Zeit im    sollten einzelne Beschäf-
      Organisationen haben die-      2005. Da eröffnete das           Dunkeln. Das Unternehmen      tigte durch Kürzung und
      se Verträge nicht im Auf-      Management von Nexans            hatte leitende Angestellte,   neue Eingruppierung über
      trag und mit Mandat der        Deutschland den Kollegen         die eingeweiht waren, zur     40 Prozent ihres Einkom-
      betroffenen Arbeitnehmer       aller vier Standorte, dass       Verschwiegenheit ver-         mens verlieren.
      abgeschlossen, sondern         sich ihr Verdienst ab dem        pflichtet.                    Ohne Zustimmung des
      gegen deren Interessen –       kommenden Monat nicht            Die Heimlichtuerei hatte      Betriebsrates konnte nach
      auch, um den Zeitarbeitern     mehr nach dem Metall-            einen guten Grund: Der        dem CGM-Vertrag zudem
      gesetzlich garantierte         flächentarif sondern nach        am 19. September, genau       die Arbeitszeit auf bis zu
      Rechte zu nehmen.              einem mit der CGM abge-          einen Tag nach der Bun-       48 Wochenstunden verlän-

                                                 40                               41
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      gert werden. Zeitlöhne soll-   Die Antwort von Lutz auf          wurden deswegen nicht         2005 beriet in Hannover der
      ten die bisherigen Prämien-    die selbst gestellte Frage        informiert. Das Unterneh-     Aufsichtsrat des Unterneh-
      oder Akkordlöhne erset-        zeigte, auf wessen Seite          men sollte entscheiden,       mens noch einmal über das
      zen. Die Mitbestimmungs-       der CGM-Vize stand: „Da           wann die Katze aus dem        heimlich ausgehandelte
      rechte des Betriebsrates       es jedoch Aufgabe der Ge-         Sack gelassen wird.           Abkommen. Vor Beginn
      bei Veränderungen im Ak-       werkschaft und nicht des          CGM-Vize Lutz behauptete      der Sitzung demonstrierten
      kordbereich waren dem          Betriebsrates ist, Tarifver-      in dem Brief übrigens         1000 Beschäftigte aus allen
      Unternehmen nämlich seit       träge auszuhandeln, ist es        auch, die CGM habe Mit-       vier deutschen Nexans-
      langem ein Dorn im Auge.       immer ein schwieriger und         glieder bei Nexans: „Be-      Standorten. Und für die
                                     spannungsgeladener Weg.           hauptungen, wir seien in      Kollegen aus Hannover,
      In gleichlautenden Briefen     Dazu kommt, dass eine             den Betrieben nicht vertre-   Mönchengladbach, Nürn-
      an die vier Nexans-Be-         einseitige Kontaktaufnah-         ten, entbehren jeglicher      berg und dem thüringischen
      triebsratsgremien versuch-     me unsererseits mit inhalt-       Grundlage.“ Das war offen-    Vacha zahlte sich der Pro-
      te die CGM anschließend,       lichen Darstellungen dem          sichtlich gelogen. In den     test im wahrsten Sinne des
      ihre Geheimniskrämerei zu      gemeinsamen Verhand-              zahlreichen Diskussionen      Wortes aus. Nexans beugte
      rechtfertigen: „Sie werden     lungsziel nicht dienlich ge-      in den vier Werken über       sich dem Druck seiner
      nunmehr an uns die Frage       wesen wäre. Hätte das Un-         den Haustarif ergriff nie     streikbereiten Mitarbeiter
      stellen, warum wir mit Ihnen   ternehmen Sie informiert,         ein CGMler das Wort. Kei-     und verzichtete in der denk-
      keinen Kontakt aufgenom-       hätten wir damit kein Pro-        ner der 1.800 Beschäftig-     würdigen Sitzung auf die
      men haben, als wir in die      blem gehabt.“                     ten sagte oder erklärte, er   Anwendung des CGM-Haus-
      Verhandlungen um den Ab-                                         gehöre den „Christen“ an.     tarifs.
      schluss des Standortsiche-     In richtiges Deutsch über-
      rungsvertrages mit NDI         setzt heißt das: Die Lohn-        Die Nexans-Beschäftigten
      (Nexans Deutschland Indus-     senkung war „gemeinsa-            hatten verständlicherweise
      tries) eintraten“, meinte      mes Verhandlungsziel“ von         wenig Neigung, auf ehrlich
      der stellvertretende CGM-      CGM und Unternehmen.              verdientes Geld für den
      Chef Detlef Lutz in den        Die Betriebsräte sollten          „Christen“-Vertrag zu ver-
      Schreiben.                     dabei nicht stören und            zichten. Am 7. November

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