Netzwerk Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung - GFZ-Potsdam
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Netzwerk Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung Solarinduzierte Chlorophyll-Fluoreszenz (SIF) für Juni, Juli und August 2016, erhoben mit dem GOME-2-Instrument an Bord des MetOp-A- Satelliten (Abb.: P. Köhler, Caltech, ehem. GFZ) aus, mit Wellenlängen zwischen 660 und 850 nm. Diese SIF-Fluoreszenzstrahlung ist damit ein Anzeiger für die Photosynthese- Aktivität der Pflanzen. Die hoch aufgelösten Messungen tragen dazu bei, den globalen Kohlenstoffkreislauf besser zu verstehen Ohne die Photosynthese ist das Leben Autorenteam unter Beteiligung des GFZ und den Zusammenhang zwischen SIF und auf der Erde nicht vorstellbar. Sie liefert einen neuen Ansatz vor, die Photosynthese- der primären Biomasseproduktion weit- Sauerstoff und Nahrung für höhere Lebe- Aktivität hochgenau zu erfassen. Die Arbeit aus präziser zu erforschen, als es bisher wesen. Und sie spielt eine maßgebliche nutzt Daten des NASA-Satelliten „OCO-2“ möglich war. ■ Rolle im Klimageschehen, denn über diesen (Orbiting Carbon Observatory 2), um die Prozess wird Kohlendioxid (CO2) aus der sogenannte solarinduzierte Chlorophyll- Weitere Untersuchungsergebnisse in: Atmosphäre aufgenommen und in Biomas- Fluoreszenz, abgekürzt SIF, zu messen – Sun, Y., Frankenberg, C., Wood, J. D., se gebunden. Welche CO2-Mengen genau und zwar mit einer wesentlich höheren Schimel, D. S., Jung, M., Guanter, L., durch die Photosynthese auf der Skala räumlichen Auflösung als es bislang mit Drewry, D. T., Verma, M., Porcar-Castell, einzelner Ökosysteme bis hin zum globa- Satelliten möglich war. Das SIF-Signal ist A., Griffis, T. J., Gu, L., Magney, T. S., len Maßstab umgesetzt werden, ist nicht ein natürliches Phänomen von Blättern Köhler, P., Evans, B., Yuen, K. (2017): genau bekannt. im Sonnenlicht: Sobald ein Chlorophyll- OCO-2 advances photosynthesis ob- Molekül durch ein Photon angeregt wird, servation from space via solar-induced In einer nun im Fachmagazin Science er- sendet es – sehr schwach, aber dennoch chlorophyll fluorescence. - Science, 358, schienenen Studie stellt ein internationales messbar – eine Fluoreszenzstrahlung 6360, DOI: 10.1126/science.aam5747. Die Umrüstung auf LED-Beleuchtung spart Energie und Geld, führt aber zu steigender Lichtverschmutzung Die Stadt Calgary in Kanada fotografiert von der Internationalen Raumstation aus (links: 23. De- zember 2010, rechts: 27. November 2015). Die Wohngebiete waren 2010 überwiegend durch gelblich leuchtende Natriumdampflampen erhellt. 2015 sind etliche Bereiche in den Au- ßenbezirken nun ebenfalls dauerhaft beleuch- tet. Zudem wurde in vielen Wohngebieten von den gelblich strahlenden Natriumdampflampen auf weiße LED umgestellt. (Abb.: NASA’s Earth Observatory/C. Kyba, GFZ) 50 System Erde (2017) 7, 2
Netzwerk Kommunen, Unternehmen und Haushal- 900 nm. Die räumliche Auflösung beträgt noch stärker, als es die VIIRS-Zeitreihen te steigen auf LED-Beleuchtung um, um dabei 750 m, sodass sehr genaue Karten vermuten lassen. Energie und Geld zu sparen. Nur könnte der Lichtabstrahlung über einen Zeitraum die Einsparung verloren gehen, wenn das von 2012 bis 2016 erzeugt werden konnten. Gleichwohl gibt es Hoffnung auf Besse- Geld für zusätzliche oder hellere Lampen Global betrachtet ist das Maß des An- rung. Andere Studien und Beobachtungen ausgegeben wird. Genau diesen „Rebound- stiegs der künstlichen Beleuchtung mit aus Städten wie Tucson in Arizona zeigen, Effekt“ fürchten Forschende, die sich mit dem Wachstum des Bruttosozialprodukts dass man mithilfe moderner LED-Technik der künstlichen Beleuchtung des Nachthim- verknüpft, wenngleich es starke regionale die Lichtemission um zwei Drittel senken mels befassen. Eine internationale Studie Unterschiede gibt. Allerdings ist nur ein kann, ohne dass die Menschen dies als unter der Leitung des Wissenschaftlers Teil der Zunahme sichtbar. Vergleiche dunkler wahrnehmen. Kybas frühere Stu- Dr. Christopher Kyba vom GFZ liefert jetzt der VIIRS-Daten mit Fotografien, die von dien haben überdies ergeben, dass die Belege für diese Befürchtung: Sowohl die der Internationalen Raumstation ISS aus Lichtemission pro Kopf der Bevölkerung Intensität der künstlichen Aufhellung als aufgenommen wurden, zeigen für man- in den USA um den Faktor 3 bis 5 höher auch die Ausdehnung der beleuchteten che Städte, dass VIIRS eine Abnahme ist als die in Deutschland. Für den GFZ- Fläche haben seit 2012 weltweit um rund der Intensität misst, während die Städte Wissenschaftler ist das ein Beleg dafür, 2 % pro Jahr zugenommen. Das berichtet tatsächlich genauso hell blieben oder dass man Sicherheit und Wohlstand sowie das Team um Kyba, der auch am Berliner sogar noch heller strahlten. Grund dafür Sicherheitsempfinden auch mit sparsamer Leibniz-Institut für Gewässerökologie und ist der Sensor, der Licht mit Wellenlängen Beleuchtung erreichen kann. Der Haupt- Binnenfischerei forscht, im Fachjournal unter 500 nm nicht „sehen“ kann. Moder- autor sieht daher ein großes Potenzial in Science Advances. ne weiße LED-Lampen, die das gelbliche der LED-Revolution, aber nur, wenn das Licht aus Natriumdampflampen in vielen gesparte Geld nicht für noch mehr Lampen Die Forschenden nutzten für ihre Arbeit Straßenlaternen ersetzen, strahlen weißer, ausgeben wird. ■ erstmals ein eigens dafür in den Weltraum ihr Licht enthält einen höheren Blauanteil gebrachtes Strahlungsmessgerät: ein Ra- mit kurzen Wellenlängen. Kurzum: Für VIIRS Weitere Untersuchungsergebnisse in: diometer, das Licht im sichtbaren und nahe erscheinen manche Orte dunkler, selbst Kyba, C. C. M., Kuester, T., Sánchez de Infrarotbereich erfasst. Das VIIRS (Visible/ wenn sie weißer und heller strahlen. Das Miguel, A., Baugh, K., Jechow, A., Hölker, Infrared Imager Radiometer Suite) kreist betrifft vor allem auch das gestreute Licht, F., Bennie, J., Elvidge, C. D., Gaston, K. J., seit Oktober 2011 auf dem Satelliten Suomi- welches für den so genannten Lichtdom Guanter, L. (2017): Artificially lit surface NPP um die Erde und detektiert Licht im (englisch: skyglow) über großen Orten of Earth at night increasing in radiance Wellenlängenbereich zwischen 500 und sorgt. Die „Lichtverschmutzung“ ist also and extent. - Science Advances, DOI: 10.1126/sciadv.1701528. Die Sicherheit von Staudämmen mit Satellitendaten verbessern Staudämme werden angelegt, um Wasser- und vermisst mit einer Auflösung von 1 m ressourcen zu speichern, Wasserkraftwerke die Erdoberfläche. Anhand dieser Daten zu speisen oder Fluten zu kontrollieren. konnten die Wissenschaftler das Deformati- Je nach Volumen der aufgestauten Was- onsmuster des Staudamms hochgenau und sermassen können sie enormen Drücken in sehr viel größerer räumlicher Auflösung ausgesetzt sein. Pro Jahrzehnt kommt es analysieren, als es mit aktuell verfügbaren weltweit aufgrund dieser Belastung zu etwa bodengestützten geodätischen oder geo- zehn ernsthaften Schäden an Staudämmen. physikalischen Instrumenten möglich wäre. Ein internationales Wissenschaftlerteam unter Beteiligung des GFZ hat am Bei- Der 177 m hohe und knapp 500 m brei- spiel des Masjed-Soleyman-Staudamms te Masjed-Soleyman-Staudamm wurde in Iran aufgezeigt, wie die Überwachung zwischen 1995 und 2000 am Fluss Karun von Staudämmen durch Satellitendaten im Südwestiran errichtet und besteht wie verbessert werden kann. In der Machbar- die meisten Staudämme aus einer Ge- keitsstudie, veröffentlicht in der Fachzeit- steinsschüttung. Er dient vor allem der Risse auf dem Gipfel des Masjed-Soleyman- Staudamms im Südwestiran (Foto: M. Motagh, schrift Engineering Structures, wurden Energiegewinnung durch Wasserkraft. Mit GFZ) Fernerkundungsdaten des deutschen Fertigstellung des Damms wurde ein boden- Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X gestütztes Überwachungssystem ins- ausgewertet. Alle elf Tage überfliegt der talliert, was umso wichtiger wurde, als Satellit den Masjed-Soleyman-Staudamm sich kurz nach der Flutung des Beckens System Erde (2017) 7, 2 51
Rohstofferkundung mithilfe frei zugänglicher Satellitendaten Die Suche nach mineralischen Rohstof- fen ist bisher ein aufwändiges und da- mit kostenintensives Unterfangen mit großem unternehmerischem Risiko. Ein neues, satellitenbasiertes Verfahren namens ReSens+ (Resource Sensing) kann dazu beitragen, die Effizienz und die Qualität beim Aufsuchen und Erkun- den solcher Ressourcen zu steigern. Das Verfahren zeigt räumliche Verteilungen sowie Gehalte von Eisen, Seltenen Erden, Karbonaten und Tonen in mineralischen Rohstofflagerstätten – und zwar in ariden und semiariden Gebieten beliebiger Grö- ße und an jedem (unbedeckten) Ort der Stabilitätsanalyse des Staudamms aus dem All (Abb.: Astrium, Google Earth, Digital Globe, Welt. Die Ergebnisse stehen innerhalb Copernicus) weniger Tage zur Verfügung. Grundlage von ReSens+ ist ein eigens erste Risse auf der Straße am Gipfel des senschaftler zeigen in ihrer Studie, dass entwickeltes Analysemodell. Es erzeugt Damms zeigten, die auf Deformationen die neuen, hochauflösenden Satellitensys- aus frei verfügbaren Satellitenbildern innerhalb des Damms hindeuteten. Für teme wie TerraSAR-X es in Zukunft erlau- hochgenaue Karten, die Informationen zu das Überwachungssystem verteilen sich ben werden, die zunehmende Instabilität Elementen und Mineralverteilungen und 25 Zielmesspunkte über den Staudamm. des Staudamms detailliert zu überwachen. markanten Abweichungen, so genannten Deren Bewegung kann von Messpunkten Sie gehen davon aus, dass die Ergebnis- Explorationsanomalien, enthält. Dafür um den Damm herum bestimmt werden, die se auf Staudämme mit gleicher Bauweise wird die spektrale Zusammensetzung als stabile Referenzpunkte dienen. Durch übertragbar sind. Die hochauflösenden des Sonnenlichts verglichen mit der das regelmäßige Wiederholen der Messun- Satellitensysteme liefern eine neue Art Strahlung, die von der Erdoberfläche gen lässt sich der vertikale und horizon- von Radarbildern mit einer Auflösung von zurückgeworfen und vom Satelliten ge- tale Versatz des Gesteins im Zeitverlauf bis zu 25 cm, gegenüber den bisher mög- messen wird. Jedes so normierte, un- ermitteln. Allerdings sind die Messungen lichen 10 bis 15 m. Damit revolutionieren bekannte Pixelspektrum wird mit den ausschließlich für diese Punkte selber ex- sie die Möglichkeiten, Instabilitäten von Spektren bekannter Minerale oder Ele- akt, für die Zwischenräume müssen die Infrastrukturen aus dem All zu erfassen. mente abgeglichen. Da dieser „spektrale Gesteinsbewegungen interpoliert, also Die Wissenschaftler nehmen an, dass eine Fingerabdruck“ eindeutig ist, kann das berechnet werden. Kombination dieser Daten mit den boden- Verfahren weltweit eingesetzt werden, gestützten geodätischen Datenerhebungen um Anreicherungen bestimmter Elemen- Ein kontinuierliches Monitoring der De- und Parametern wie dem Wasservolumen, te und Minerale an der Erdoberfläche formationen eines Staudamms ist wichtig, der Konstruktion eines Damms und den aufzuspüren. um die Sicherheit flussabwärts zu gewähr- geologischen Gegebenheiten des Unter- leisten und um, bei integrierten Wasser- grunds in Zukunft dabei helfen, zuverläs- Die bisher unerreichte Daten- und Er- kraftwerken, die störungsfreie Energie- sige Modelle zur Stabilitätsanalyse von gebnisqualität gründet sich auf mehrere versorgung zu sichern. Durch die schnelle Infrastrukturen zu entwickeln. ■ Säulen. Dazu gehören multitemporale Entwicklung der Raumfahrttechnik und Satellitenbeobachtungen, ein zum Patent Datenverarbeitung innerhalb der letzten Weitere Untersuchungsergebnisse in: angemeldetes Verfahren zur Spektral- zwanzig Jahre können heute Mikrowellen- Emadalli, L., Motagh, M., Haghshenas analyse sowie Querschnittswissen von fernerkundungstechniken und die Radio- Haghighi, M. (2017): Characterizing Geologie und Spektroskopie. Das Ver- interferometrie (InSAR) als geodätisches post-construction settlement of the fahren wird außerdem bereits für spekt- Tool eingesetzt werden, um Bewegungen Masjed-Soleyman embankment dam, roskopische Analysen aus Drohnen- und an der Erdoberfläche zu ermitteln. Die mit Southwest Iran, using TerraSAR-X Flugzeugbefliegungen eingesetzt. den modernen Techniken erzeugten Bilder SpotLight radar imagery. - Engineering ermöglichen es, Infrastrukturen sehr genau Structures, 143, 261-273, DOI: 10.1016/j. zu kartieren und zu überwachen. Die Wis- engstruct.2017.04.009. 52 System Erde (2017) 7, 2
Netzwerk Auf der Suche nach dem verlorenen Stickstoff Stickstoff ist eines der rätselhaftesten Materialeinschlüssen in diesen Diamanten Elemente im System Erde. Egal, wo ge- genau angesehen und ihre Ergebnisse in messen wird, ob in der Atmosphäre oder der Fachzeitschrift American Mineralogist im Festgestein, überall treffen Forschen- veröffentlicht. de auf das „Missing Nitrogen“-Problem: Im Vergleich zu anderen Planeten gibt es Diamanten werden unter hohem Druck und auf der Erde offenbar viel zu wenig davon. hoher Temperatur im Erdmantel gebildet Die Wissenschaftler Felix Kaminsky, Ph.D., und durch vulkanische Aktivität an die KM Diamond Exploration, Kanada, und Dr. Oberfläche befördert. Ihre chemische Zu- Richard Wirth vom GFZ haben nun einen sammensetzung und die des eingeschlos- „Zeugen“ aus den Tiefen der Erde aufgespürt, senen Fremdmaterials sind also ein Abbild der das Rätsel lösen kann. der Chemie des Erdinneren. Am GFZ hat Wirth die Einschlüsse mittels verschiedener Stickstoff ist auf der Erde mit 78 % der elektronenmikroskopischer Verfahren ana- Hauptbestandteil der Luft und ein wich- lysiert und identifiziert. Im Unterschied zu tiges Bauelement aller Lebewesen. Ein anderen Diamantvorkommen auf der Erde Vergleich mit anderen Planeten ergibt weisen die Einschlüsse in den Rio-Soriso- jedoch, dass auf der Erde noch viel mehr Diamanten große Mengen an Stickstoff auf. von diesem Element vorkommen müsste. Erstmalig konnten hier Eisennitride und Das am GFZ entwickelte Verfahren Neuesten Schätzungen zufolge fehlen in der Carbonitride, also chemische Verbindungen ReSense+ zeigt am Beispiel der Kupfermi- Gleichung bis zu 90 % Stickstoff. Doch wo von Eisen und Kohlenstoff mit Stickstoff, als ne El Abra (Chile) auffällige Element- und sind diese Vorkommen? Nach bisherigen Einschlüsse nachgewiesen werden. Damit Mineralverteilungen an der Oberfläche Hypothesen könnte ein großer Teil des hat die Wissenschaft einen eindeutigen (Abb.: C. Rogaß, GFZ) Stickstoffs während der Entstehung der Beleg dafür, dass Stickstoff im unteren Erde oder durch einen Meteoriteneinschlag Erdmantel und Erdkern vorhanden ist. Die Die zugrunde liegende Technologie der in den Weltraum entgast sein. Nach einer Forscher gehen davon aus, dass Eisen- und abbildenden Spektroskopie mit Hilfe weiteren Hypothese befinden sich große Carbonitride typische chemische Verbin- multi- und hyperspektraler Satelliten- Mengen im Inneren der Erde, im Erdmantel dungen an der Kern-Mantel-Grenze sind. sensoren wird am GFZ bereits erfolg- oder Erdkern. Da Messgeräte nicht bis in Flüssiges Metall transportiert vermutlich reich für land- und forstwirtschaftliche diese Tiefen vordringen können, war das je- die Verbindungen aus dem Erdkern in die Zwecke routinemäßig genutzt. Aktuelle doch bisher nicht mehr als eine Vermutung. untersten Schichten des unteren Mantels. Forschungsvorhaben sollen die Detek- Der „verlorene“ Stickstoff im Erdsystem tion von Landminen und Munitionsres- Diamanten aus dem Nordwesten Brasiliens scheint gefunden. ■ ten ermöglichen, um bisher gesperrte liefern nun den entscheidenden Hinweis. Lebensräume nach einer Beräumung In Rio Soriso durchschlugen tiefreichende Weitere Untersuchungsergebnisse in: wieder zu erschließen. ■ vulkanische Schlote, Kimberlit-Schlote Kaminsky, F., Wirth, R. (2017): Nitrides genannt, die Erdkruste und beförderten and carbonitrides from the lowermost Kontakt: dabei die Diamanten an die Erdoberfläche. mantle and their importance in the Dr. Christian Rogaß Diese Diamanten sind besonders reich an search for Earth’s “lost” nitrogen. - Ame- GFZ-Sektion Fernerkundung Einschlüssen und stammen aus den un- rican Mineralogist, 102, 1667-1676, DOI: (christian.rogass@gfz-potsdam.de) tersten Schichten des unteren Erdmantels. 10.2138/am-2017-6101. Felix Kaminsky und Richard Wirth haben sich die chemische Zusammensetzung von Diamanten geben einen Einblick in die Chemie des tiefen Erdinnern. (Mikroskopaufnahme: A. Schreiber, GFZ) System Erde (2017) 7, 2 53
Magma sucht sich nach Flankenkollaps neue Wege zentrums führen können. Das Team verglich Am Vulkan Fogo auf den die Modellergebnisse mit Beobachtungen Kapverden hat sich nach einem Flankenkollaps ein neues vom Vulkan Fogo auf den Kapverden und Vulkanzentrum gebildet. fand eine große Übereinstimmung. (Abb.: T. Walter, GFZ) Auch in anderen Regionen ist so eine Vul- kanverlagerung nach einem Flankenkollaps nicht ungewöhnlich. Sie ist z. B. auf den kanarischen Inseln, auf Hawai, am Strom- boli und an anderen Vulkanen zu beobach- ten. Die Studie dürfte insbesondere zum besseren Verständnis von so genannten Bei Vulkanausbrüchen kommt es immer nachdem so eine massive Hangrutschung Intraplattenvulkanen beitragen und die wieder zu gigantischen Hangrutschungen das Spannungsfeld im Untergrund verän- Prozesse erhellen, die beim Wachstum an den Vulkanflanken mit katastropha- dert hat. und Kollaps von Vulkanen miteinander len Folgen, von Vulkanexplosionen bis zu wechselwirken. ■ Tsunami. Eine in Nature Communications Die Gruppe nutzte für ihre Arbeit ein ma- veröffentlichte Studie von GFZ-Forsche- thematisches Modell, mit dem sie die Mag- Weitere Untersuchungsergebnisse in: rinnen und -Forschern zeigt, dass solche menausbreitung unter einer Vulkankuppe Maccaferri, F., Richter, N., Walter, T. lateralen Kollapse nicht nur die Chemie des simulierten. Dabei zeigte sich, dass die (2017): The effect of giant lateral collap- Magmas beeinflussen, sondern auch des- mechanischen Effekte einer Hangrutschung ses on magma pathways and the locati- sen Aufstiegspfade. So können sich neue auf die Erdkruste die Magmenflüsse ablen- on of volcanism. - Nature Communicati- Vulkanzentren an anderen Orten bilden, ken und zur Formung eines neuen Vulkan- ons, DOI: 10.1038/s41467-017-01256-2. Inbetriebnahme des Geothermischen Niedertemperatur-Demonstrationskraftwerks in Lahendong, Indonesien tamina Geothermal Energy) entwickelt und einer Dampfturbine genutzt wird. Der vom BMBF gefördert. Ziel der Zusammenar- ORC ist über geschlossene Wasserzwi- beit ist es, verlässliche und effiziente Nie- schenkreise (einen Heißwasser- und dertemperatur-Stromerzeugung an einem einen Kaltwasserzwischenkreis) an die geothermischen Standort in Indonesien geothermische Wärmequelle bzw. die zu demonstrieren und so die Basis für eine Umgebung als Wärmesenke angebunden. breite Anwendung in diesem Land zu legen. Die Erfahrungen der Entwicklungs- und Das Demonstrationskraftwerk soll einen Teil Betriebsphase des Demonstrations- Geothermisches Niedertemperatur-Demon- des bislang ungenutzten Thermalwassers kraftwerks werden die Umsetzung der strationskraftwerk in Lahendong, Indonesi- von 170 °C auf 140 °C abkühlen und so Strom Niedertemperatur-Kraftwerkstechnik für en (Foto: GFZ) erzeugen. Während der Testphase beträgt Indonesien maßgeblich vorantreiben. die Temperatur des Wärmeträgers 145 °C, Die Technik ermöglicht es, die Nutzung Im September 2017 wurde auf dem Geo- womit rund 300 kW Leistung erreicht werden. bestehender geothermischer Standorte thermiefeld in Lahendong in der Nähe Im Normalbetrieb soll eine Leistung von bis zu erweitern und vor allem auch eine Op- von Pangolombian, Nordsulawesi, das zu 500 kW produziert werden. Bezogen auf tion für die dezentrale Energieversorgung erste geothermische Niedertemperatur- den Durchschnittsverbrauch in Deutschland in Indonesien zur Verfügung zu stellen. Demonstrationskraftwerk in Indonesi- ist diese Leistung ausreichend, um rund en erfolgreich in Betrieb genommen. Es 1200 Haushalte mit Strom zu versorgen. Der Forschungs- und Demonstrationsbe- befindet sich nun im Testbetrieb. Das trieb des Niedertemperatur-Kraftwerks Konzept des Demonstrationskraftwerks Das geothermische Demonstrationskraft- soll bis Mitte 2018 unter Federführung wurde seit 2013 vom GFZ unter Mitwir- werk basiert auf einem Organic Rankine des GFZ fortgeführt werden. Im An- kung der indonesischen Projektpartner Cycle (ORC). Dies ist ein besonderes Ver- schluss soll das Demonstrationskraft- BPPT (Agency for the Assessment and fahren, bei dem nicht Wasser, sondern werk an eine indonesische Partnerorga- Application of Technology) und PGE (Per- eine organische Flüssigkeit zum Antrieb nisation übergeben werden. ■ 54 System Erde (2017) 7, 2
Netzwerk Erstes Erdbebenmonitoring-Netzwerk in Zentralasien installiert Omnidirektionale Ka- meraaufnahme des Gebäudebestands in Osch, Kirgisistan (Foto: ZAIAG/GFZ) Wenn in einer seismisch aktiven Region and Test Facilities“ und in Zusammenar- Software GFZ-Sentry ausgewertet. Aus den Städte wachsen und Bevölkerungszahlen beit mit dem Zentralasiatsichen Global eingehenden Daten bestimmt die Software steigen, erhöht sich das von einem Erd- Change Observatory des GFZ, haben die kritische Bewegungen und informiert einen beben ausgehende Gefährdungspoten- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Netzwerkoperateur, falls die Daten auf ein zial: Der zu erwartende Schaden an der in Kirgisistan und Kasachstan das erste Erdbeben mit hohem Gefährdungspotenzial Infrastruktur wird größer und der Verlust digitale seismische Echtzeitnetzwerk für hindeuten. Der Operateur entscheidet, ob von Menschenleben wahrscheinlicher. Zentralasien installiert. Ziel war der Ent- eine Bebenwarnung ausgegeben wird, auf Insbesondere Entwicklungsländer sind wurf eines Netzwerkdesigns unter Einsatz die dann die jeweiligen Behörden vor Ort verletzlich, da hier Aspekte wie ein nicht minimaler Ressourcen, das auch für an- reagieren können. erdbebensicheres Bauen hinzukommen, dere Regionen angewendet werden kann. die das Gefährdungspotenzial weiter er- Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Das System befindet sich derzeit in der Test- höhen. Wissenschaftlerinnen und Wissen- Frontiers in Earth Science veröffentlicht. phase, doch schon jetzt konnte das Team schaftler des GFZ haben zusammen mit dem Bei der Positionierung der Messstationen zeigen, dass ein Netzwerk aus vergleichs- Zentralasiatischen Institut für Angewandte wurde darauf geachtet, dass sie permanent weise wenigen seismischen Stationen ei- Geowissenschaften (ZAIAG) in einer Fall- sicher installiert sind und eine Infrastruk- nen großen Nutzen für die Frühwarnung studie das erste seismische Netzwerk zur tur zur Stromversorgung und digitalen hat. Das System soll nun zur Verbesserung Erdbebenüberwachung und Frühwarnung Datenübertragung in Echtzeit bereitsteht. und zu Forschungszwecken weiter begleitet in Kirgisistan und Kasachstan installiert. Ohne die Echtzeitübertragung könnte das werden. ■ Zentralasien ist weltweit eine der Regio- seismische Netzwerk nicht für den Betrieb nen mit der größten seismischen Aktivi- eines Frühwarnsystems eingesetzt werden, Weitere Untersuchungsergebnisse in: tät. Die Indische Platte schiebt sich mit da das Warnsystem auf die seismischen Parolai, S., Boxberger, T., Pilz, M., Fle- einer Geschwindigkeit von vier bis fünf Daten angewiesen ist. ming, K., Haas, M., Pittore, M., Petrovic, Zentimetern pro Jahr in Richtung Norden B., Moldobekov, B., Zubovich, A., Lau- gegen die Eurasische Platte. Entlang dieser In Zusammenarbeit mit dem kirgisischen terjung, J. (2017): Assessing earthquake Kollisionszone kommt es immer wieder Ministerium für Notfallsituationen wurden early warning using sparse networks in zu Erdbeben. Bisher gibt es in der Region 19 Standorte für Starkbewegungsstationen developing countries: Case study of the nur vereinzelte seismische Stationen, ein eingerichtet, die möglichst nah an den op- Kyrgyz Republic. - Frontiers in Earth Sci- umfangreiches Monitoringnetzwerk zur timal ermittelten Positionen liegen. In der ence, 5, DOI: 10.3389/feart.2017.00074. Aufzeichnung von Erdbeben fehlt. Auch kirgisischen Hauptstadt Bischkek wurden gibt es keine Stationen zur Registrierung außerdem kostengünstige Gebäude- und starker Bodenbewegungen. So konnten Tiefensensoren in das Netzwerk integriert. Beben bisher weder detailliert überwacht Die enge Zusammenarbeit mit den Endnut- noch Warnsysteme für die Bevölkerung in- zern des Systems vor Ort ist ein wichtiger stalliert werden. Außerdem fehlen umfang- Faktor für die erfolgreiche Installation und reiche lokale Datensätze zur Erforschung den späteren Betrieb des Netzwerks. der Erdbebenaktivität und Gefährdungslage. Im Rahmen der Initiative ACROSS „Advan- Die seismischen Aktivitäten des Unter- ced Remote Sensing – Ground Truth Demo grunds werden mit der am GFZ entwickelten System Erde (2017) 7, 2 55
Wenn Kontinente zerbrechen wird es warm auf der Erde Abschlusskonferenz für Koh- lenstoffdioxid-Speicherung im Unsere Kontinente sind durch das Zerbrechen des Superkontinents Pangäa Untergrund entstanden. In dieser Plattenrekonstruktion vor 180 Mio. Jahren sind zur Orientierung Nach 13 Jahren erfolgreicher Forschungsar- die heutigen Staaten dargestellt. An den beit geht das Projekt Ketzin jetzt zu Ende. In Bruchstellen trat vermehrt Kohlenstoff der Stadt an der Havel hat das GFZ erforscht, aus der Tiefe aus und beeinflusste damit ob sich Kohlenstoffdioxid (CO2) sicher und die Klimaentwicklung. (Abb.: S. Brune, G. dauerhaft im Untergrund speichern lässt und Plates, CC-BY-ND) wie es sich in der Tiefe verhält. Dazu wurden mehr als 67 000 Tonnen CO2 zwischen 2008 und 2013 über eine Bohrung in einen so genannten Speicherhorizont gepumpt. Dort, Der CO2-Gehalt der Atmosphäre entschei- einanderbrechen von ganzen Erdplat- in rund 630 m Tiefe, befindet sich poröser det darüber, ob sich die Erde in einem ten führen kann. Das Rift in Ostafrika Sandstein, der von salzhaltigem Grundwas- Treibhaus- oder einem Eishaus-Zustand ist mit einer Länge von etwa 6000 km ser durchzogen ist – ein „saliner Aquifer“. befindet. Bevor der Mensch begann, die zwar das größte Grabensystem welt- Vier weitere Bohrungen wurden abgeteuft, CO2-Konzentration der Lufthülle zu be- weit, allerdings erscheint es klein im um die Ausbreitung des CO2 im Untergrund einflussen, wurde diese allein durch ein Vergleich mit den Riftsystemen, die vor sowie die Dichtheit des Speichers mit mo- Wechselspiel von geologischen und bio- 130 Mio. Jahren zum Zerbrechen des dernsten geochemischen und geophysika- logischen Prozessen bestimmt, dem glo- Superkontinents Pangea geführt haben lischen Methoden zu überwachen. balen Kohlenstoffkreislauf. Eine aktuelle und ein Netzwerk von über 40 000 km Studie unter Führung des GFZ zeigt, dass Länge bildeten. Bei einer Abschlusskonferenz am 13. Sep- das Auseinanderbrechen von Kontinenten tember 2017 zogen die beteiligten Forsche- – von Fachleuten als Rifting bezeichnet Mithilfe von plattentektonischen Model- rinnen und Forscher Bilanz und diskutierten – maßgeblich zu einem erhöhten Kohlen- len der vergangenen 200 Mio. Jahre und mit europäischen Fachleuten die Perspekti- dioxidgehalt in der Atmosphäre beitrug. anderen geologischen Indizien haben ven der CO2-Abscheidung und -Speicherung die Wissenschaftler die Entwicklung des (CCS für Englisch: Carbon Capture and Sto- Die Kohlenstoffverteilung der Erde ist sehr globalen Riftnetzwerks rekonstruiert. rage). Das Projekt hat gezeigt, dass sich Koh- ungleichmäßig: Nur ein Hunderttausendstel Dabei konnten sie die Existenz zweier lenstoffdioxid sicher in die Tiefe bringen und des Kohlenstoffs unseres Planeten befindet großer Riftperioden nachweisen: vor speichern lässt. Die mächtigen Schichten sich in Atmosphäre, Biosphäre und den rund 130 und 50 Mio. Jahren. Mittels aus Tongestein über dem Speicherhorizont Ozeanen, die übrigen 99,999 % sind in numerischer Modelle des globalen Koh- bilden eine zuverlässige Abdichtung. der tiefen Erde gebunden. Dieser enorme lenstoffkreislaufs haben die Forscher Kohlenstoffspeicher ist aber nicht von der den Einfluss erhöhter CO2-Entgasungen Die Forschungsarbeiten in Ketzin begannen Atmosphäre isoliert, sondern es gibt einen in Rifts simuliert und zeigten, dass beide mit Vorerkundungen im Jahr 2004. Von An- anhaltendem Austausch über Jahrmillionen Riftperioden mit einer erhöhten CO2- fang an wurden die Kommune und die lokale hinweg: Erdplatten, die in den tiefen Erd- Konzentration der damaligen Atmo- Bevölkerung in das Forschungsvorhaben mit mantel absinken, nehmen große Mengen sphäre korrelieren. einbezogen. Bis heute genießt das Projekt an Kohlenstoff mit sich. Gleichzeitig, so hohe Akzeptanz. Nach dem Ende der CO2- glaubte man, gelangt Kohlenstoff haupt- Die weltweiten CO2-Entgasungsraten Injektion wurde die Speicherüberwachung sächlich durch Vulkanismus an mittelozea- von Rifts entsprechen allerdings nur ei- weitere viereinhalb Jahre fortgesetzt, um nischen Rücken wieder an die Oberfläche, nem Bruchteil der derzeitigen anthropo- die Stabilität des Speichers zu beobachten. in Form von CO2. genen CO2-Freisetzung. Dennoch stellen Die Überwachung zeigte keine Unregelmä- sie eine bisher fehlende Schlüsselkom- ßigkeiten des Speichers und wurde Ende In der Studie, die im Fachjournal Nature ponente des tiefen Kohlenstoffkreislaufs 2017 abgeschlossen. Die Bohrlöcher werden Geoscience erschien, kommt das Forscher- dar, der den langfristigen Klimawandel verfüllt und die Bodenoberfläche in den team zu einem anderen Schluss. Zwar führt über Jahrmillionen hinweg steuert. ■ vorherigen Zustand versetzt. ■ auch der Vulkanismus am Boden der Oze- ane zur Entgasung von Kohlendioxid, der Weitere Untersuchungsergebnisse in: Weitere Informationen: maßgebliche CO2-Eintrag in die Atmosphäre Brune, S., Williams, S. E., Müller, http://www.co2ketzin.de/dialog-amp- geschieht jedoch an Grabensystemen auf R. D. (2017): Potential links between kontakt/fragen-und-antworten/ Kontinenten wie etwa dem Ostafrikanischen continental rifting, CO2 degassing Rift oder dem Eger-Rift in Tschechien. Gra- and climate change through time. bensysteme entstehen, wenn Kontinente - Nature Geoscience, DOI 10.1038/ gedehnt werden, was schließlich zum Aus- s41561-017-0003-6. 56 System Erde (2017) 7, 2
Netzwerk Mikroben in der Wüste – ein neues Archiv für die Klimaforschung Probennahme in der Kalahari (Foto: S. Genderjahn, GFZ) Unter einem extremen Klima schaffen es Wasser ist eine Grundvoraussetzung für mi- dimente umfassen eine Zeitspanne vom nur wenige Zeugen von Umweltbedingun- krobielles Leben. Spuren von Mikroorganis- letzten glazialen Maximum (LGM) vor etwa gen der Vergangenheit bis heute zu über- men lassen darauf schließen, dass zu deren 20 000 Jahren bis ins heutige Holozän. dauern. Pollen zum Beispiel, die auf die Lebzeiten Wasser verfügbar gewesen sein Die molekularen Klimazeugen aus den Zusammensetzung der Vegetation früherer muss. Das Autorenteam um Steffi Gender- Beckensedimenten deuten darauf hin, Zeiten hinweisen können, bleiben in Kli- jahn hat deshalb die Hypothese aufgestellt, dass es während des LGM vergleichswei- maarchiven wie Seesedimenten nur unter dass aus der Menge und Zusammenset- se feucht in der Kalahari war. Während ganz bestimmten Bedingungen erhalten. In zung mikrobieller Lebensgemeinschaften der darauffolgenden Warmphase finden extrem trockenen Regionen wie der Kalahari in Verdunstungsbecken die klimatischen sich hingegen nur noch wenige Spuren im südlichen Afrika sind Archive mit Pollen Bedingungen der Vergangenheit abgeleitet mikrobiellen Lebens, und die Signale, die oder anderen Klimazeugen besonders rar. werden könnnen. sich finden, weisen auf Trockenheit, wenig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Nährstoffe und kaum Vegetation hin. In des GFZ haben sich in Südafrika zusam- Da die Mikroben der Vergangenheit längst den obersten Schichten zeigen sich wie- men mit einem Kollegen der Universität nicht mehr leben, untersuchten sie soge- derum deutliche Spuren von Leben. In der Oldenburg auf die Suche nach bisher nicht nannte Biomarker. Das sind molekulare jüngeren Vergangenheit muss Wasser also erschlossenen Klimaarchiven gemacht. Reste von Lipiden, in diesem Fall aus den immer wieder mal, wahrscheinlich durch Membranen von Mikroorganismen, die auch saisonalen Regen, verfügbar gewesen sein. Die Klimaforschung untersuchte die Kli- heute noch anzeigen, von welchen Mikro- Das Autorenteam hat die Methode auch auf maentwicklung der Vergangenheit dieser organismen sie einst gebildet wurden. In ein weiter nordwestlich gelegenes Becken Region bisher vor allem anhand von kalk- der Witpan, einem Verdunstungsbecken angewandt und dort um DNA-basierte Unter- haltigen Ablagerungen wie Tuffsteinen, in der südlichen Kalahari, hat das Team suchungen ergänzt. Die Ergebnisse stehen Stromatolithen und Tropfsteinen. Diese die Sedimentabfolge der oberen 1,20 m ebenfalls kurz vor der Veröffentlichung und Klimaarchive sind jedoch selten und die beprobt. Zusammen mit Untersuchungen scheinen die aktuelle Studie zu bestätigen. Klimarekonstruktion für die Kalahari ist von Veränderungen der Sedimenteigen- Tatsächlich steht also der Klimaforschung deshalb sehr lückenhaft. schaften, wie dem Anteil von Kohlenstoff mit den Verdunstungsbecken in trockenen organischen Ursprungs, dienen die enthal- Gebieten wie der Kalahari, die ansonsten Ein häufiges Landschaftselement in Südaf- tenen mikrobiellen Biomarker als Schlüssel arm an regionalen Klimadaten sind, ein rika sind Verdunstungsbecken, sogenannte zur Vergangenheit. neues Archiv zur Verfügung. ■ Pfannen. Winderosion formt diese Senken während Trockenperioden. In feuchteren In den Proben fanden sich Biomarker von Weitere Untersuchungsergebnisse in: Phasen sammelt sich durch ablaufendes Mikroorganismen, die auf salzhaltige und Genderjahn, S., Alawi, M., Kallmeyer, Oberflächenwasser Sediment an. Weiteres nährstoffarme Bedingungen hinweisen. J., Belz, L., Wagner, D., Mangelsdorf, K. Sediment wird durch Winde hineintranspor- Außerdem konnten starke Veränderungen (2017): Present and past microbial life tiert. In einer neuen Studie, veröffentlicht in der Menge der Mikroorganismen und in continental pan sediments and its im Fachjournal Organic Geochemistry, un- Zusammensetzung der Lebensgemein- response to climate variability in the tersuchen die Wissenschaftlerinnen und schaft im Zeitverlauf – je weiter unten im southern Kalahari. - Organic Geoche- Wissenschaftler die mikrobielle Aktivität Sediment, desto weiter in der Zeit zurück mistry, 108, pp 30-42, DOI: 10.1016/ in einem Verdunstungsbecken. – festgestellt werden. Die erbohrten Se- j.orggeochem.2017.04.001. System Erde (2017) 7, 2 57
Jahrtausende alter Staub aus der Sahara verrät Neues zur Entstehungsgeschichte der Wüste See haben die Wissenschaftlerinnen und Das Team trägt damit neue Erkenntnisse zu Wissenschaftler das Auftreten von Staub- einer größeren Debatte bei: Offenbar wurde stürmen bis in eine Zeit vor 12 000 Jahren die Sahara nicht, wie lange diskutiert, nur zurückverfolgt. Ihre Ergebnisse haben allmählich und graduell zur Wüste und es sie nun in der Fachzeitschrift Quaternary gab auch kein einmaliges abruptes Ereig- Science Reviews veröffentlicht. nis, das die grüne Sahara austrocknete. Mehrere Phasen mit Staubablagerungen im Schon lange ist bekannt, dass das Gebiet See deuten vielmehr darauf hin, dass der Der Sidi Ali-See im Mittleren Atlas Marokkos am der heutigen Sahara nicht immer eine Wüste Wandel stufenweise ablief. Staubphasen Nordrand der Sahara (Foto: Institut für Geogra- war. Es gab Zeiten, in denen hier das Leben finden sich schon während des Maximums phie, Universität Leipzig) blühte und in großräumigen Savannen- und der Feuchtperiode und leiteten zwischen Steppenlandschaften Löwen und Elefanten 6600 und 6000 Jahren vor heute in die Tro- Die Sahara ist die größte Trockenwüste der umherstreiften und Menschen lebten. Bisheri- ckenperiode über. Endgültig zur heutigen Welt und damit auch die größte Staubquelle ge Studien gehen von einem Ende der grünen Wüste wurde die Sahara dann vor etwa der Erde. Ihre Stäube düngen die Weltmeere Sahara zwischen 7000 und 3000 Jahren vor 4700 Jahren. ■ und beeinflussen die Klimaentwicklung und heute aus. Unter welchen Umständen die Landökosysteme. Ein internationales Team Sahara dann zur heutigen Wüste wurde, wird Weitere Untersuchungsergebnisse in: unter der Leitung der Universität Leipzig jedoch noch diskutiert. Die GFZ-Forscherin Zielhofer, C., von Suchodoletz, H., und mit Beteiligung des GFZ hat nun die Dr. Elisabeth Dietze hat anhand der Korngrö- Fletcher, W.J., Schneider, B., Dietze, E., Geschichte der Entstehung der Sahara ßenverteilung des Sedimentstaubs ermittelt, Schlegel, M., Schepanski, K., Wenin- anhand von Staubablagerungen in einem dass dieser durch Windtransport, also durch ger, B., Mischke, S., Mikdad, A. (2017): marokkanischen See rekonstruiert. Staubstürme aus der Sahara in den See ein- Millennial-scale fluctuations in Saharan getragen worden sein muss. Das Auftreten dust supply across the decline of the Af- Der Sidi Ali-See im Mittleren Atlas Marokkos von Saharastaub in den Sedimenten kann rican Humid Period. - Quaternary Science liegt auf einer Höhe von 2080 m über dem daher ein Indiz dafür sein, wann Regionen der Reviews, 171, 119-135, DOI: 10.1016/j. Meeresspiegel am Nordrand der Sahara. Sahara zur Wüste wurden, da eine geringe quascirev.2017.07.010. Anhand von Staubablagerungen in diesem Pflanzenbedeckung Staub entstehen lässt. Abkühlung im hohen Norden führte zu Wüstenbildung in Nordafrika James Collins bei eine Abkühlung des Klimas in hohen der Entnahme von nördlichen Breiten dazu führte, dass Proben aus einem die niederschlagsreiche Phase in der Sedimentkern (Foto: heutigen Sahara so schnell zu Ende ging. MARUM − Zentrum Sie berichten davon im Fachmagazin für Marine Umwelt- Nature Communications. wissenschaften, Universität Bremen) Der Studie zufolge führte ein Tempera- tursturz in der Arktis und den mittleren Breiten der Nordhemisphäre dazu, dass starke Höhenwinde über Afrika – der tropische Oststrahlstrom – geschwächt wurden. Infolgedessen gingen die Nie- Auf den ersten Blick verwirren die Fels- ten Grünen Sahara, die vor 11 500 bis 5500 derschläge über Afrika zurück. Im Zu- zeichnungen: In einer Höhle der ägyp- Jahren herrschte. Klimaforscherinnen und sammenspiel mit weiteren komplexen tischen Sahara, einem der trockensten -forscher rätseln bis heute, welche Ursa- Rückkopplungen im Klimasystem kippte Orte der Erde, zeigen sie schwimmende chen die folgende Wüstenbildung hatte die feuchte Phase hin zu einer trocke- Menschen. Die steinzeitlichen Kunstwerke und warum die Austrocknung so rasch nen Periode, die zur Wüstenbildung sind Schätzungen zufolge bis zu 10 000 erfolgte. Nun hat ein Forschungsteam führte, erläutert der Hauptautor der Jahre alt. Sie entstanden während einer aus verschiedenen europäischen Einrich- Studie, James Collins (GFZ/AWI). niederschlagsreichen Zeit, der sogenann- tungen herausgefunden, dass offenbar 58 System Erde (2017) 7, 2
Netzwerk Die Forscherinnen und Forscher analy- heutigen Kamerun und dem zentralen Teil die Niederschlagsverhältnisse in den sierten Blattwachs, das in Sedimenten der Sahara-Sahelzone über die letzten Jahr- Tropen haben. ■ im Golf von Guinea gefunden wurde. tausende rekonstruieren. Dabei zeigte sich, Die Wachslipide enthalten langkettige dass es vor rund 5500 Jahren einen raschen Weitere Untersuchungsergebnisse in: Kohlenwasserstoffe, die von Pflanzen Wechsel hin zu sehr trockenem Klima gab. Collins, J. A., Prange, M., Caley, T., produziert werden, um ihre Blätter Gimeno, L., Beckmann, B., Mulitza, S., zu schützen. Das Verhältnis der Was- Obwohl die Abkühlung in den höheren Brei- Skonieczny, C., Roche, D., Schefuß, serstoffisotope in diesen Molekülen ten vermutlich nicht der einzige Treiber des E. (2017): Rapid termination of the kann heute als Indikator für die Nie- Klimawechsels in Afrika war, so scheint sie African Humid Period triggered by derschlagsintensität zu Lebzeiten der doch das entscheidende fehlende Puzzle- northern high-latitude cooling. - Pflanze dienen. Anhand dieser Isoto- stück zu sein, um den abrupten Wandel zu Nature Communications, DOI: penverhältnisse im Blattwachs und erklären. Ausgehend von den Befunden er- 10.1038/s41467-017-01454-y. mittels Computermodellen des Klimas scheint es möglich, dass die gegenwärtige konnten die Wissenschaftlerinnen und Erwärmung der Arktis und der Rückgang Wissenschaftler die Regenmenge im des Meereises einen starken Einfluss auf Im überfluteten Permafrostboden erwachen Mikroben langsam aus dem „Eiszeitschlaf“ untersucht. Ursprünglich gebildet wurde zeigen, dass die Bakteriengemeinschaften der Permafrostboden an Land. Der seit dem erst sehr lange – bis zu Jahrtausende – Ende der letzten Eiszeit vor etwa 15 000 nach der Überflutung durch Änderungen Jahren steigende Meeresspiegel hat jedoch in ihrer Zusammensetzung und vermutlich dazu geführt, dass der gefrorene Boden auch durch Wachstum auf die Erwärmung heute unterhalb der Meeresoberfläche liegt. reagieren und eine deutliche Reaktion auf Einer der untersuchten Böden wurde schon die sich verändernde Umwelt einsetzt. Dass Probennahme in der Arktis (Foto: A. Kitte, GFZ) vor 2500 Jahren überflutet, der andere vor Mikroben in überfluteten Permafrostböden etwa 540 Jahren. aus dem „Eiszeitschlaf“ erwachen und den Der Untergrund weiter Flächen arktischer zuvor gefrorenen Kohlenstoff mobilisieren, Flachwasserzonen besteht aus Permafrost. Permafrost unter Wasser reagiert empfind- ist wahrscheinlich das Zukunftsszenario Bisher ist nur wenig darüber bekannt, licher auf eine Klimaerwärmung und taut für große Teile der submarinen Perma- wie die Mikroorganismen in diesen Bö- deshalb schneller als solcher an Land. Und frostgebiete. Was mit dem freigesetzten den unterhalb des Meeresspiegels auf zwar, weil Wasser mehr Wärme transportiert Kohlenstoff passiert, müssen weitere Stu- eine zunehmende Erwärmung reagieren. als Luft und weil das salzige Meerwasser in dien zeigen. GFZ-Wissenschaftlerinnen und -Wissen- den Boden eindringt und dort den Taupunkt schaftler der Helmholtz-Nachwuchsgruppe herabsetzt. Die arktischen Küsten sind stark Die Newsplattform EOS der American Geo- MicroCene, unter der Leitung von Prof. vom Klimawandel betroffen. Der Anstieg des physical Union AGU hat die in der Fachzeit- Susanne Liebner, haben nun mikrobielle Meeresspiegels und einstürzende Küsten- schrift Journal of Geophysical Research: Gemeinschaften in zwei Bohrkernen aus linien durch tauenden Permafrost führen Biogeosciences veröffentlichten Ergebnisse dem sibirischen submarinen Permafrost zu extremen Veränderungen der dortigen als „Research Spotlight“ ausgezeichnet. untersucht. Sie zeigen, dass die Mikro- Umwelt. Wie das Mikrobiom in den Böden So würdigt EOS die „besten zur Publikation ben auf die Erwärmung mit einer erhöhten reagiert, ist noch weitgehend unbekannt. akzeptierten Artikel“ aus einem AGU- Aktivität reagieren, wenn auch mit großer Journal. ■ zeitlicher Verzögerung. Um mehr herauszufinden, hat das Team um Erstautorin Julia Mitzscherling Proben Weitere Untersuchungsergebnisse in: Das Untersuchungsgebiet liegt in der Lap- aus dem Porenwasser im Permafrostbo- Mitzscherling, J., Winkel, M., Winterfeld, tevsee im Osten Sibiriens, wo mehr als 80 % den ausgewertet und im Boden gefunde- M., Horn, F., Yang, S., Grigoriev, M.N., des weltweiten submarinen Permafrosts ne Spuren des genetischen Materials der Wagner, D., Overduin, P.P., Liebner, S. vermutet werden. Dort hat das Alfred-Wege- Mikroorganismen analysiert. Der zeitliche (2017): The development of permafrost ner-Institut für Polar- und Meeresforschung Abstand zwischen der Überflutung der bei- bacterial communities under submarine (AWI) mit russischen Partnern des Melnikov- den Kerne und deren Schichtung helfen conditions. - Journal of Geophysical Permafrostinstituts Yakutsk Bohrkerne aus einzuschätzen, wie sich die Mikrobenge- Research: Biogeosciences, 122, 1689- dem Permafrost gezogen, anhand derer das meinschaften im Zeitverlauf entwickeln. 1704, DOI: 10.1002/2017JG003859. GFZ-Team nun die Mikroben im Permafrost Die Unterschiede zwischen beiden Kernen System Erde (2017) 7, 2 59
Tauender Permafrost setzt altes Treibhausgas frei Der auftauende Dauerfrostboden in arkti- nemissionen nach sich ziehen könnte. Um schen Regionen könnte in doppelter Hin- herauszufinden, wie viel Methan aus einer sicht zur Verstärkung des Treibhauseffekts Region austritt und ob es räumliche Mus- führen: Zum einen erhöht sich mit wärmerer ter in den Emissionen gibt, hat das Team Umwelt die oberflächennahe Produktion des unter Leitung von GFZ-Wissenschaftler Prof. Treibhausgases Methan durch Mikroben. Torsten Sachs ein 10 000 km2 großes Gebiet Zum anderen öffnet der tauende Untergrund im hohen Norden Kanadas untersucht. Mit zunehmend Austrittspfade für uraltes Me- dem Forschungsflugzeug Polar 5 vom AWI than. Das ist das Ergebnis einer Studie von bestimmte das Team während zahlreicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Überflüge in den Sommern 2012 und 2013 des GFZ, des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) kontinuierlich die Gaskonzentration der um- und US-amerikanischen Partnern im kana- gebenden Luft und meteorologische Größen. dischen Mackenzie-Delta. Sie berichten davon im Fachjournal Scientific Reports. Das Ergebnis war eine Karte der Methane- missionen mit einer Auflösung von je 100 x Der arktische Permafrost liegt wie ein gi 100 m. Starke Methanausgasungen traten Blick aus dem Fenster des Forschungsflugzeugs gantischer Deckel aus gefrorenem Ma- genau dort auf, wo der Permafrost diskon- Polar 5 während der Messungen im Mackenzie terial über Bodenschätzen und fossilen tinuierlich ist, das heißt, wo es schon Berei- Delta nördlich der Baumgrenze Energieträgern. Schon lange befürchtet che gibt, die dauerhaft aufgetaut sind. Die (Foto: T. Sachs, GFZ) die Klimaforschung, dass ein Auftauen Forscherinnen und Forscher vermuten, dass dieses gefrorenen Bodens erhöhte Metha- der Großteil dieses Methans nicht aktuell von Mikroben produziert wird, sondern altes, aus Lagerstätten stammendes Gas ist – soge- nanntes geologisches Methan, also Erdgas. Die Hotspots mit den größten Austritten von Gas machten zwar nur 1 % der Fläche des Mackenzie-Deltas aus, trügen aber schät- zungsweise mit 17 % zur Gesamtemission des Treibhausgases in der Region bei. Die in der Fachzeitschrift Nature Scientific Reports veröffentlichten Untersuchungs- ergebnisse legen nahe, dass das wärmer werdende Klima nicht nur die natürliche Produktion von Methan anregt, sondern auch vermehrt fossiles Gas freisetzen kann. Dies wiederum könnte erheblich zur Perma- frost-Treibhausgas-Klima-Rückkopplung beitragen. Deshalb sei es nach Meinung der Autorinnen und Autoren wichtig, die Regio- nen, wo der Permafrost auftaut, künftig noch viel genauer zu beobachten als bisher. ■ Weitere Untersuchungsergebnisse in: Kohnert, K., Serafimovich, A., Metzger, S., Hartmann, J., Sachs, T. (2017): Strong geologic methane emissions from dis- continous terrestrial permafrost in the Mackenzie Delta, Canada. - Nature Scientific Reports, 7, 5828, DOI: 10.1038/ s41598-017-05783-2. Darstellung der Methanemissionen im nördlichen Teil des untersuchten Gebiets (Abb.: B. Juhls, GFZ) 60 System Erde (2017) 7, 2
Netzwerk Meeresschwämme als „Ökosystem-Ingenieure“ Schwämme in Sedimenten, die zwischen dem Präkambrium und dem Kambrium am Kontinentalhang der heutigen Yangtze- Platform in Südchina abgelagert wurden. Doch was hat die Zunahme der Schwamm- häufigkeit mit Sauerstoff zu tun? Dazu untersuchten sie eine Vielzahl geochemi- scher Indikatoren, die empfindlich auf die Sauerstoffkonzentration im Meereswasser reagieren. Sie fanden heraus, dass gleich- zeitig mit den Schwämmen die Menge an gelöstem Sauerstoff zunahm und ebenso die Menge an im Sediment eingelagerten Kohlenstoff. Diese grundlegenden Ände- rungen resultierten aus der Lebensweise von Schwämmen. Sie filtrierten zur Nah- rungsaufnahme organischen Kohlenstoff aus Meerwasser und verschoben damit die Oxidation organischen Kohlenstoffs in tiefere Wasserschichten oder erschwerten sie. Dies löste eine Kettenreaktion aus: Die steigende Sauerstoffkonzentration führte zur Bindung von Phosphaten im Sediment, Schlauchschwamm (Foto: Nick Hobgood (https://commons.wikimedia.org/wiki/ daraus folgte eine verringerte Phosphor- File:Callyspongia_sp._(Tube_sponge).jpg), „Callyspongia sp. (Tube sponge)“, konzentration im Meerwasser, und die https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode) wiederum reduzierte das Wachstum von Algen, bei deren Oxidation im Meerwasser gelöster Sauerstoff verbraucht wird. Vor 550 Mio. Jahren vervielfachte sich die Der Nachweis gelang durch Messungen Anzahl der Tierarten auf der Erde explosi- der stabilen Siliziumisotope, also Unter- Für die Hypothese, wonach Schwämme onsartig. Was diesen dramatischsten aller gruppen der chemischen Elemente, die als Ökosystem-Ingenieure fungierten und bisherigen Ökosystemwandel auf unserem sich durch ihre Atommasse unterschei- Sauerstoffkonzentrationen in Meerwasser Planeten auslöste, ist bis heute umstritten. den. Silikatische Schwämme leben auf ansteigen ließen, liefert diese Studie nun In den Geowissenschaften ist bekannt, dass dem Meeresboden und hinterlassen nach erstmals stichhaltige Hinweise. Es ist gut zu diesem Zeitpunkt die Konzentration ihrem Tod ihre siliziumreichen Skelettna- möglich, dass dieser durch Schwämme von freiem Sauerstoff in der Atmosphäre deln. Diese Nadeln bleiben nur sehr selten verursachte Sauerstoffanstieg die benö- und im Meerwasser deutlich anstieg. Da erhalten, wenn aus dem alten Meeresbo- tigte Mindestkonzentration für mehrzel- mehrzellige Tiere Sauerstoff zum Atmen den Gestein wird. Jedoch ist das Silizium lige Lebewesen überschritt und somit die benötigen, war dieser Sauerstoffanstieg dieser Nadeln in silikatischen Tonsteinen explosionsartige Zunahme der Arten zu für deren Entstehung maßgeblich. Doch und Cherts (Feuersteine) überliefert. Die Beginn des Kambriums auslöste. ■ wodurch kam es zu diesem lebensnotwen- GFZ-Wissenschaftler Dr. Michael Tatzel digen Anstieg der Sauerstoffkonzentration und Prof. Friedhelm von Blanckenburg ha- Weitere Untersuchungsergebnisse in: in Meerwasser? Wissenschaftlerinnnen ben nun stabile Siliziumisotope mit einem Tatzel, M., von Blanckenburg, F., Oelze, und Wissenschaftler des GFZ haben erst- modernen Massenspektrometer gemessen. M., Bouchez, J., Hippler, D. (2017): Late mals belegt, dass Meeresschwämme Än- Schwammnadeln enthalten im Vergleich Neoproterozoic seawater oxygenation by derungen im marinen Kohlenstoff- und mit dem umgebenden Silikatgestein mehr siliceous sponges. - Nature Communica- Phosphorkreislauf verursachten, die zu leichtes Silizium-28 als Silizium-30. Mit tions, DOI: 10.1038/s41467-017-00586-5. einem Sauerstoffanstieg führten. Damit den Isotopenmessungen kann also die ehe- war die Grundlage für die weitere Ausbrei- malige Häufigkeit nicht mehr erhaltener tung von Mehrzellern bereitet, berichtet silikatischer Schwämme im Sediment be- das Autorenteam im Fachmagazin Nature stimmt werden. Die Rekonstruktionen zeigen Communications. eine ansteigende Häufigkeit silikatischer System Erde (2017) 7, 2 61
Klimakalender für die Saale-Eiszeit Warmphasen innerhalb der Saale-Kaltzeit für Mitteleuropa nachgewiesen, in denen Laubmischwälder mehrfach die eiszeitli- che Kältesteppe ablösten. Die vorliegenden Ergebnisse sind Teil ei- nes gerade anlaufenden internationalen Forschungsprojekts, größtenteils geför- dert durch das Internationale Kontinentale Tiefbohrprogramm (ICDP), in dessen Rah- men weitere Untersuchungen zur aktiven Geodynamik (Schwarmbeben, Magmen- aufstieg, Vulkanismus), zur Aktivität der tiefen Biosphäre sowie zur Klimadynamik im deutsch-tschechischen Grenzgebiet geplant sind. ■ Nähere Informationen zum internationa- len Forschungsprojekt: http://www.icdp-online.org/projects/ world/europe/eger-czechia-germany/ Weitere Untersuchungsergebnisse in: Rohrmüller, J., Kämpf, H., Geiß, E., Bohrung nach den uralten Sedimenten im früheren Vulkansee (Trockenmaar) in der Oberpfalz Großmann, J., Grun, I., Mingram, J., (Foto: Bayerisches Landesamt für Umwelt) Mrlina, J., Plessen, B., Stebich, M., Ver- ess, C., Wendt, A., Nowaczyk ,N. (2017): Ein erst vor wenigen Jahren entdecktes Pollenanalytische Untersuchungen an Reconnaissance study of an inferred Trockenmaar erweist sich als ein voll- der Senckenberg Forschungsstation für Quaternary maar structure in the we- ständiger Klimakalender für die vorletzte Quartärpaläontologie Weimar lieferten stern part of the Bohemian Massif near große Inlandsvereisung in Deutschland. dazu vegetationsgeschichtliche Daten. Neualbenreuth, NE-Bavaria (Germany). Der frühere Vulkansee liegt unter einem - International Journal of Earth Science Fichtenwald verborgen nahe dem oberpfäl- Die gemeinsame Auswertung der ersten (Geologische Rundschau), DOI: 10.1007/ zischen Kurort Neualbenreuth. In seinen Ergebnisse ergab, dass die Eruption, die s00531-017-1543-0. Ablagerungen können Geowissenschaftler das Neualbenreuther Trockenmaar form- wie in einem Archiv lesen. te, vor rund 280 000 bis 300 000 Jahren erfolgt sein muss. Im Anschluss daran Das Neualbenreuther Trockenmaar reiht bildete sich ein See, der sich nach und sich zusammen mit dem erst vor zehn nach mit Sedimenten füllte und vor etwa Jahren entdeckten Mýtina-Trockenmaar 85 000 Jahren verlandete. Somit bietet sowie den beiden schon länger bekann- dieses neu entdeckte Klimaarchiv detail- ten Vulkanen Eisenbühl (Železná hůrka) lierte Informationen zur Umweltgeschichte und Kammerbühl (Komorní hůrka), alle während der vorletzten Eiszeitperiode, der drei auf tschechischem Gebiet, entlang Saale-Kaltzeit und der sich anschließen- einer tektonischen Störungszone auf. den Eem-Warmzeit. Aufgrund der eiszeitli- Eine Forschungsbohrung, die im Jahre chen Gletschervorstöße bis ins nördliche 2015 vom Bayerischen Landesamt für Mitteleuropa ist hier die Vegetations- und Umwelt dort abgeteuft wurde, förderte Klimaentwicklung der Saale-Kaltzeit bis- 100 m mächtige Seeablagerungen zu lang nur bruchstückhaft dokumentiert. Tage. Die geophysikalischen, sedimen- Anhand des Neualbenreuther Bohrkerns tologischen und geochemischen Analy- haben die Forschenden nun erstmals sen dieses Bohrkerns erfolgten am GFZ. drei aufeinander folgende ausgeprägte 62 System Erde (2017) 7, 2
Sie können auch lesen