Netzwerk Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung - GFZ-Potsdam

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Netzwerk Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung - GFZ-Potsdam
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 Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung

                                                                                              Solarinduzierte Chlorophyll-Fluoreszenz (SIF)
                                                                                              für Juni, Juli und August 2016, erhoben mit dem
                                                                                              GOME-2-Instrument an Bord des MetOp-A-
                                                                                              Satelliten (Abb.: P. Köhler, Caltech, ehem. GFZ)

                                                                                              aus, mit Wellenlängen zwischen 660 und
                                                                                              850 nm. Diese SIF-Fluoreszenzstrahlung ist
                                                                                              damit ein Anzeiger für die Photosynthese-
                                                                                              Aktivität der Pflanzen. Die hoch aufgelösten
                                                                                              Messungen tragen dazu bei, den globalen
                                                                                              Kohlenstoffkreislauf besser zu verstehen
 Ohne die Photosynthese ist das Leben           Autorenteam unter Beteiligung des GFZ         und den Zusammenhang zwischen SIF und
 auf der Erde nicht vorstellbar. Sie liefert    einen neuen Ansatz vor, die Photosynthese-    der primären Biomasseproduktion weit-
 Sauerstoff und Nahrung für höhere Lebe-        Aktivität hochgenau zu erfassen. Die Arbeit   aus präziser zu erforschen, als es bisher
 wesen. Und sie spielt eine maßgebliche         nutzt Daten des NASA-Satelliten „OCO-2“       möglich war. ■
 Rolle im Klimageschehen, denn über diesen      (Orbiting Carbon Observatory 2), um die
 Prozess wird Kohlendioxid (CO2) aus der        sogenannte solarinduzierte Chlorophyll-       Weitere Untersuchungsergebnisse in:
 Atmosphäre aufgenommen und in Biomas-          Fluoreszenz, abgekürzt SIF, zu messen –       Sun, Y., Frankenberg, C., Wood, J. D.,
 se gebunden. Welche CO2-Mengen genau           und zwar mit einer wesentlich höheren         Schimel, D. S., Jung, M., Guanter, L.,
 durch die Photosynthese auf der Skala          räumlichen Auflösung als es bislang mit       Drewry, D. T., Verma, M., Porcar-Castell,
 einzelner Ökosysteme bis hin zum globa-        Satelliten möglich war. Das SIF-Signal ist    A., Griffis, T. J., Gu, L., Magney, T. S.,
 len Maßstab umgesetzt werden, ist nicht        ein natürliches Phänomen von Blättern         Köhler, P., Evans, B., Yuen, K. (2017):
 genau bekannt.                                 im Sonnenlicht: Sobald ein Chlorophyll-       OCO-2 advances photosynthesis ob-
                                                Molekül durch ein Photon angeregt wird,       servation from space via solar-induced
 In einer nun im Fachmagazin Science er-        sendet es – sehr schwach, aber dennoch        chlorophyll fluorescence. - Science, 358,
 schienenen Studie stellt ein internationales   messbar – eine Fluoreszenzstrahlung           6360, DOI: 10.1126/science.aam5747.

 Die Umrüstung auf LED-Beleuchtung spart Energie und Geld, führt aber zu steigender Lichtverschmutzung
                                                                                              Die Stadt Calgary in Kanada fotografiert von der
                                                                                              Internationalen Raumstation aus (links: 23. De-
                                                                                              zember 2010, rechts: 27. November 2015). Die
                                                                                              Wohngebiete waren 2010 überwiegend durch
                                                                                              gelblich leuchtende Natriumdampflampen
                                                                                              erhellt. 2015 sind etliche Bereiche in den Au-
                                                                                              ßenbezirken nun ebenfalls dauerhaft beleuch-
                                                                                              tet. Zudem wurde in vielen Wohngebieten von
                                                                                              den gelblich strahlenden Natriumdampflampen
                                                                                              auf weiße LED umgestellt. (Abb.: NASA’s Earth
                                                                                              Observatory/C. Kyba, GFZ)

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Kommunen, Unternehmen und Haushal-             900 nm. Die räumliche Auflösung beträgt        noch stärker, als es die VIIRS-Zeitreihen
te steigen auf LED-Beleuchtung um, um          dabei 750 m, sodass sehr genaue Karten         vermuten lassen.
Energie und Geld zu sparen. Nur könnte         der Lichtabstrahlung über einen Zeitraum
die Einsparung verloren gehen, wenn das        von 2012 bis 2016 erzeugt werden konnten.      Gleichwohl gibt es Hoffnung auf Besse-
Geld für zusätzliche oder hellere Lampen       Global betrachtet ist das Maß des An-          rung. Andere Studien und Beobachtungen
ausgegeben wird. Genau diesen „Rebound-        stiegs der künstlichen Beleuchtung mit         aus Städten wie Tucson in Arizona zeigen,
Effekt“ fürchten Forschende, die sich mit      dem Wachstum des Bruttosozialprodukts          dass man mithilfe moderner LED-Technik
der künstlichen Beleuchtung des Nachthim-      verknüpft, wenngleich es starke regionale      die Lichtemission um zwei Drittel senken
mels befassen. Eine internationale Studie      Unterschiede gibt. Allerdings ist nur ein      kann, ohne dass die Menschen dies als
unter der Leitung des Wissenschaftlers         Teil der Zunahme sichtbar. Vergleiche          dunkler wahrnehmen. Kybas frühere Stu-
Dr. Christopher Kyba vom GFZ liefert jetzt     der VIIRS-Daten mit Fotografien, die von       dien haben überdies ergeben, dass die
Belege für diese Befürchtung: Sowohl die       der Internationalen Raumstation ISS aus        Lichtemission pro Kopf der Bevölkerung
Intensität der künstlichen Aufhellung als      aufgenommen wurden, zeigen für man-            in den USA um den Faktor 3 bis 5 höher
auch die Ausdehnung der beleuchteten           che Städte, dass VIIRS eine Abnahme            ist als die in Deutschland. Für den GFZ-
Fläche haben seit 2012 weltweit um rund        der Intensität misst, während die Städte       Wissenschaftler ist das ein Beleg dafür,
2 % pro Jahr zugenommen. Das berichtet         tatsächlich genauso hell blieben oder          dass man Sicherheit und Wohlstand sowie
das Team um Kyba, der auch am Berliner         sogar noch heller strahlten. Grund dafür       Sicherheitsempfinden auch mit sparsamer
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und      ist der Sensor, der Licht mit Wellenlängen     Beleuchtung erreichen kann. Der Haupt-
Binnenfischerei forscht, im Fachjournal        unter 500 nm nicht „sehen“ kann. Moder-        autor sieht daher ein großes Potenzial in
Science Advances.                              ne weiße LED-Lampen, die das gelbliche         der LED-Revolution, aber nur, wenn das
                                               Licht aus Natriumdampflampen in vielen         gesparte Geld nicht für noch mehr Lampen
Die Forschenden nutzten für ihre Arbeit        Straßenlaternen ersetzen, strahlen weißer,     ausgeben wird. ■
erstmals ein eigens dafür in den Weltraum      ihr Licht enthält einen höheren Blauanteil
gebrachtes Strahlungsmessgerät: ein Ra-        mit kurzen Wellenlängen. Kurzum: Für VIIRS     Weitere Untersuchungsergebnisse in:
diometer, das Licht im sichtbaren und nahe     erscheinen manche Orte dunkler, selbst         Kyba, C. C. M., Kuester, T., Sánchez de
Infrarotbereich erfasst. Das VIIRS (Visible/   wenn sie weißer und heller strahlen. Das       Miguel, A., Baugh, K., Jechow, A., Hölker,
Infrared Imager Radiometer Suite) kreist       betrifft vor allem auch das gestreute Licht,   F., Bennie, J., Elvidge, C. D., Gaston, K. J.,
seit Oktober 2011 auf dem Satelliten Suomi-    welches für den so genannten Lichtdom          Guanter, L. (2017): Artificially lit surface
NPP um die Erde und detektiert Licht im        (englisch: skyglow) über großen Orten          of Earth at night increasing in radiance
Wellenlängenbereich zwischen 500 und           sorgt. Die „Lichtverschmutzung“ ist also       and extent. - Science Advances, DOI:
                                                                                              10.1126/sciadv.1701528.

Die Sicherheit von Staudämmen mit Satellitendaten verbessern

Staudämme werden angelegt, um Wasser-          und vermisst mit einer Auflösung von 1 m
ressourcen zu speichern, Wasserkraftwerke      die Erdoberfläche. Anhand dieser Daten
zu speisen oder Fluten zu kontrollieren.       konnten die Wissenschaftler das Deformati-
Je nach Volumen der aufgestauten Was-          onsmuster des Staudamms hochgenau und
sermassen können sie enormen Drücken           in sehr viel größerer räumlicher Auflösung
ausgesetzt sein. Pro Jahrzehnt kommt es        analysieren, als es mit aktuell verfügbaren
weltweit aufgrund dieser Belastung zu etwa     bodengestützten geodätischen oder geo-
zehn ernsthaften Schäden an Staudämmen.        physikalischen Instrumenten möglich wäre.
Ein internationales Wissenschaftlerteam
unter Beteiligung des GFZ hat am Bei-          Der 177 m hohe und knapp 500 m brei-
spiel des Masjed-Soleyman-Staudamms            te Masjed-Soleyman-Staudamm wurde
in Iran aufgezeigt, wie die Überwachung        zwischen 1995 und 2000 am Fluss Karun
von Staudämmen durch Satellitendaten           im Südwestiran errichtet und besteht wie
verbessert werden kann. In der Machbar-        die meisten Staudämme aus einer Ge-
keitsstudie, veröffentlicht in der Fachzeit-   steinsschüttung. Er dient vor allem der        Risse auf dem Gipfel des Masjed-Soleyman-
                                                                                              Staudamms im Südwestiran (Foto: M. Motagh,
schrift Engineering Structures, wurden         Energiegewinnung durch Wasserkraft. Mit
                                                                                              GFZ)
Fernerkundungsdaten des deutschen              Fertigstellung des Damms wurde ein b­o­den­-
Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X           gestütztes Überwachungssystem ins-
ausgewertet. Alle elf Tage überfliegt der      talliert, was umso wichtiger wurde, als
Satellit den Masjed-Soleyman-Staudamm          sich kurz nach der Flutung des Beckens

System Erde (2017) 7, 2                                                                                                                        51
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Rohstofferkundung
                                                                                              mithilfe frei zugänglicher
                                                                                              Satellitendaten

                                                                                              Die Suche nach mineralischen Rohstof-
                                                                                              fen ist bisher ein aufwändiges und da-
                                                                                              mit kostenintensives Unterfangen mit
                                                                                              großem unternehmerischem Risiko. Ein
                                                                                              neues, satellitenbasiertes Verfahren
                                                                                              namens ReSens+ (Resource Sensing)
                                                                                              kann dazu beitragen, die Effizienz und
                                                                                              die Qualität beim Aufsuchen und Erkun-
                                                                                              den solcher Ressourcen zu steigern. Das
                                                                                              Verfahren zeigt räumliche Verteilungen
                                                                                              sowie Gehalte von Eisen, Seltenen Erden,
                                                                                              Karbonaten und Tonen in mineralischen
                                                                                              Rohstofflagerstätten – und zwar in ariden
                                                                                              und semiariden Gebieten beliebiger Grö-
                                                                                              ße und an jedem (unbedeckten) Ort der
 Stabilitätsanalyse des Staudamms aus dem All (Abb.: Astrium, Google Earth, Digital Globe,    Welt. Die Ergebnisse stehen innerhalb
 Copernicus)                                                                                  weniger Tage zur Verfügung.

                                                                                              Grundlage von ReSens+ ist ein eigens
 erste Risse auf der Straße am Gipfel des         senschaftler zeigen in ihrer Studie, dass   entwickeltes Analysemodell. Es erzeugt
 Damms zeigten, die auf Deformationen             die neuen, hochauflösenden Satellitensys-   aus frei verfügbaren Satellitenbildern
 innerhalb des Damms hindeuteten. Für             teme wie TerraSAR-X es in Zukunft erlau-    hochgenaue Karten, die Informationen zu
 das Überwachungssystem verteilen sich            ben werden, die zunehmende Instabilität     Elementen und Min­eralverteilungen und
 25 Zielmesspunkte über den Staudamm.             des Staudamms detailliert zu überwachen.    markanten Abweichungen, so genannten
 Deren Bewegung kann von Messpunkten              Sie gehen davon aus, dass die Ergebnis-     Explorationsanomalien, enthält. Dafür
 um den Damm herum bestimmt werden, die           se auf Staudämme mit gleicher Bauweise      wird die spektrale Zusammensetzung
 als stabile Referenzpunkte dienen. Durch         übertragbar sind. Die hochauflösenden       des Sonnenlichts verglichen mit der
 das regelmäßige Wiederholen der Messun-          Satellitensysteme liefern eine neue Art     Strahlung, die von der Erdoberfläche
 gen lässt sich der vertikale und horizon-        von Radarbildern mit einer Auflösung von    zurückgeworfen und vom Satelliten ge-
 tale Versatz des Gesteins im Zeitverlauf         bis zu 25 cm, gegenüber den bisher mög-     messen wird. Jedes so normierte, un-
 ermitteln. Allerdings sind die Messungen         lichen 10 bis 15 m. Damit revolutionieren   bekannte Pixelspektrum wird mit den
 ausschließlich für diese Punkte selber ex-       sie die Möglichkeiten, Instabilitäten von   Spektren bekannter Minerale oder Ele-
 akt, für die Zwischenräume müssen die            Infrastrukturen aus dem All zu erfassen.    mente abgeglichen. Da dieser „spektrale
 Gesteinsbewegungen interpoliert, also            Die Wissenschaftler nehmen an, dass eine    Fingerabdruck“ eindeutig ist, kann das
 berechnet werden.                                Kombination dieser Daten mit den boden-     Verfahren weltweit eingesetzt werden,
                                                  gestützten geodätischen Datenerhebungen     um Anreicherungen bestimmter Elemen-
 Ein kontinuierliches Monitoring der De-          und Parametern wie dem Wasservolumen,       te und Minerale an der Erdoberfläche
 formationen eines Staudamms ist wichtig,         der Konstruktion eines Damms und den        aufzuspüren.
 um die Sicherheit flussabwärts zu gewähr-        geologischen Gegebenheiten des Unter-
 leisten und um, bei integrierten Wasser-         grunds in Zukunft dabei helfen, zuverläs-   Die bisher unerreichte Daten- und Er-
 kraftwerken, die störungsfreie Energie-          sige Modelle zur Stabilitätsanalyse von     gebnisqualität gründet sich auf mehrere
 versorgung zu sichern. Durch die schnelle        Infrastrukturen zu entwickeln. ■            Säulen. Dazu gehören multitemporale
 Entwicklung der Raumfahrttechnik und                                                         Satellitenbeobachtungen, ein zum Patent
 Datenverarbeitung innerhalb der letzten          Weitere Untersuchungsergebnisse in:         angemeldetes Verfahren zur Spektral-
 zwanzig Jahre können heute Mikrowellen-          Emadalli, L., Motagh, M., Haghshenas        analyse sowie Querschnittswissen von
 fernerkundungstechniken und die Radio-           Haghighi, M. (2017): Characterizing         Geologie und Spektroskopie. Das Ver-
 interferometrie (InSAR) als geodätisches         post-construction settlement of the         fahren wird außerdem bereits für spekt-
 Tool eingesetzt werden, um Bewegungen            Masjed-Soleyman embankment dam,             roskopische Analysen aus Drohnen- und
 an der Erdoberfläche zu ermitteln. Die mit       Southwest Iran, using TerraSAR-X            Flugzeugbefliegungen eingesetzt.
 den modernen Techniken erzeugten Bilder          SpotLight radar imagery. - Engineering
 ermöglichen es, Infrastrukturen sehr genau       Structures, 143, 261-273, DOI: 10.1016/j.
 zu kartieren und zu überwachen. Die Wis-         engstruct.2017.04.009.

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Netzwerk Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung - GFZ-Potsdam
Netzwerk

                                             Auf der Suche nach dem verlorenen Stickstoff

                                              Stickstoff ist eines der rätselhaftesten      Materialeinschlüssen in diesen Diamanten
                                              Elemente im System Erde. Egal, wo ge-         genau angesehen und ihre Ergebnisse in
                                              messen wird, ob in der Atmosphäre oder        der Fachzeitschrift American Mineralogist
                                              im Festgestein, überall treffen Forschen-     veröffentlicht.
                                              de auf das „Missing Nitrogen“-Problem:
                                              Im Vergleich zu anderen Planeten gibt es      Diamanten werden unter hohem Druck und
                                              auf der Erde offenbar viel zu wenig davon.    hoher Temperatur im Erdmantel gebildet
                                              Die Wissenschaftler Felix Kaminsky, Ph.D.,    und durch vulkanische Aktivität an die
                                              KM Diamond Exploration, Kanada, und Dr.       Oberfläche befördert. Ihre chemische Zu-
                                              Richard Wirth vom GFZ haben nun einen         sammensetzung und die des eingeschlos-
                                             „Zeugen“ aus den Tiefen der Erde aufgespürt,   senen Fremdmaterials sind also ein Abbild
                                              der das Rätsel lösen kann.                    der Chemie des Erdinneren. Am GFZ hat
                                                                                            Wirth die Einschlüsse mittels verschiedener
                                             Stickstoff ist auf der Erde mit 78 % der       elektronenmikroskopischer Verfahren ana-
                                             Hauptbestandteil der Luft und ein wich-        lysiert und identifiziert. Im Unterschied zu
                                             tiges Bauelement aller Lebewesen. Ein          anderen Diamantvorkommen auf der Erde
                                             Vergleich mit anderen Planeten ergibt          weisen die Einschlüsse in den Rio-Soriso-
                                             jedoch, dass auf der Erde noch viel mehr       Diamanten große Mengen an Stickstoff auf.
                                             von diesem Element vorkommen müsste.           Erstmalig konnten hier Eisennitride und
Das am GFZ entwickelte Verfahren             Neuesten Schätzungen zufolge fehlen in der     Carbonitride, also chemische Verbindungen
ReSense+ zeigt am Beispiel der Kupfermi-     Gleichung bis zu 90 % Stickstoff. Doch wo      von Eisen und Kohlenstoff mit Stickstoff, als
ne El Abra (Chile) auffällige Element- und   sind diese Vorkommen? Nach bisherigen          Einschlüsse nachgewiesen werden. Damit
Mineralverteilungen an der Oberfläche
                                             Hypothesen könnte ein großer Teil des          hat die Wissenschaft einen eindeutigen
(Abb.: C. Rogaß, GFZ)
                                             Stickstoffs während der Entstehung der         Beleg dafür, dass Stickstoff im unteren
                                             Erde oder durch einen Meteoriteneinschlag      Erdmantel und Erdkern vorhanden ist. Die
Die zugrunde liegende Technologie der        in den Weltraum entgast sein. Nach einer       Forscher gehen davon aus, dass Eisen- und
abbildenden Spektroskopie mit Hilfe          weiteren Hypothese befinden sich große         Carbonitride typische chemische Verbin-
multi- und hyperspektraler Satelliten-       Mengen im Inneren der Erde, im Erdmantel       dungen an der Kern-Mantel-Grenze sind.
sensoren wird am GFZ bereits erfolg-         oder Erdkern. Da Messgeräte nicht bis in       Flüssiges Metall transportiert vermutlich
reich für land- und forstwirtschaftliche     diese Tiefen vordringen können, war das je-    die Verbindungen aus dem Erdkern in die
Zwecke routinemäßig genutzt. Aktuelle        doch bisher nicht mehr als eine Vermutung.     untersten Schichten des unteren Mantels.
Forschungsvorhaben sollen die Detek-                                                        Der „verlorene“ Stickstoff im Erdsystem
tion von Landminen und Munitionsres-         Diamanten aus dem Nordwesten Brasiliens        scheint gefunden. ■
ten ermöglichen, um bisher gesperrte         liefern nun den entscheidenden Hinweis.
Lebensräume nach einer Beräumung             In Rio Soriso durchschlugen tiefreichende      Weitere Untersuchungsergebnisse in:
wieder zu erschließen. ■                     vulkanische Schlote, Kimberlit-Schlote         Kaminsky, F., Wirth, R. (2017): Nitrides
                                             genannt, die Erdkruste und beförderten         and carbonitrides from the lowermost
Kontakt:                                     dabei die Diamanten an die Erdoberfläche.      mantle and their importance in the
Dr. Christian Rogaß                          Diese Diamanten sind besonders reich an        search for Earth’s “lost” nitrogen. - Ame-
GFZ-Sektion Fernerkundung                    Einschlüssen und stammen aus den un-           rican Mineralogist, 102, 1667-1676, DOI:
(christian.rogass@gfz-potsdam.de)            tersten Schichten des unteren Erdmantels.      10.2138/am-2017-6101.
                                             Felix Kaminsky und Richard Wirth haben
                                             sich die chemische Zusammensetzung von

                                                                                            Diamanten geben einen Einblick in die Chemie
                                                                                            des tiefen Erdinnern. (Mikroskopaufnahme:
                                                                                            A. Schreiber, GFZ)

System Erde (2017) 7, 2                                                                                                                    53
Netzwerk Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung - GFZ-Potsdam
Magma sucht sich nach Flankenkollaps neue Wege

                                                                                                  zentrums führen können. Das Team verglich
                                                              Am Vulkan Fogo auf den
                                                                                                  die Modellergebnisse mit Beobachtungen
                                                              Kapverden hat sich nach einem
                                                              Flankenkollaps ein neues
                                                                                                  vom Vulkan Fogo auf den Kapverden und
                                                              Vulkanzentrum gebildet.             fand eine große Übereinstimmung.
                                                              (Abb.: T. Walter, GFZ)
                                                                                                  Auch in anderen Regionen ist so eine Vul-
                                                                                                  kanverlagerung nach einem Flankenkollaps
                                                                                                  nicht ungewöhnlich. Sie ist z. B. auf den
                                                                                                  kanarischen Inseln, auf Hawai, am Strom-
                                                                                                  boli und an anderen Vulkanen zu beobach-
                                                                                                  ten. Die Studie dürfte insbesondere zum
                                                                                                  besseren Verständnis von so genannten
 Bei Vulkanausbrüchen kommt es immer              nachdem so eine massive Hangrutschung           Intraplattenvulkanen beitragen und die
 wieder zu gigantischen Hangrutschungen           das Spannungsfeld im Untergrund verän-          Prozesse erhellen, die beim Wachstum
 an den Vulkanflanken mit katastropha-            dert hat.                                       und Kollaps von Vulkanen miteinander
 len Folgen, von Vulkanexplosionen bis zu                                                         wechselwirken. ■
 Tsunami. Eine in Nature Communications           Die Gruppe nutzte für ihre Arbeit ein ma-
 veröffentlichte Studie von GFZ-Forsche-          thematisches Modell, mit dem sie die Mag-       Weitere Untersuchungsergebnisse in:
 rinnen und -Forschern zeigt, dass solche         menausbreitung unter einer Vulkankuppe          Maccaferri, F., Richter, N., Walter, T.
 lateralen Kollapse nicht nur die Chemie des      simulierten. Dabei zeigte sich, dass die        (2017): The effect of giant lateral collap-
 Magmas beeinflussen, sondern auch des-           mechanischen Effekte einer Hangrutschung        ses on magma pathways and the locati-
 sen Aufstiegspfade. So können sich neue          auf die Erdkruste die Magmenflüsse ablen-       on of volcanism. - Nature Communicati-
 Vulkanzentren an anderen Orten bilden,           ken und zur Formung eines neuen Vulkan-         ons, DOI: 10.1038/s41467-017-01256-2.

     Inbetriebnahme des Geothermischen Niedertemperatur-Demonstrationskraftwerks in Lahendong,
     Indonesien

                                                  tamina Geothermal Energy) entwickelt und        einer Dampfturbine genutzt wird. Der
                                                  vom BMBF gefördert. Ziel der Zusammenar-        ORC ist über geschlossene Wasserzwi-
                                                  beit ist es, verlässliche und effiziente Nie-   schenkreise (einen Heißwasser- und
                                                  dertemperatur-Stromerzeugung an einem           einen Kaltwasserzwischenkreis) an die
                                                  geothermischen Standort in Indonesien           geothermische Wärmequelle bzw. die
                                                  zu demonstrieren und so die Basis für eine      Umgebung als Wärmesenke angebunden.
                                                  breite Anwendung in diesem Land zu legen.       Die Erfahrungen der Entwicklungs- und
                                                  Das Demonstrationskraftwerk soll einen Teil     Betriebsphase des Demonstrations-
     Geothermisches Niedertemperatur-Demon-       des bislang ungenutzten Thermalwassers          kraftwerks werden die Umsetzung der
     strationskraftwerk in Lahendong, Indonesi-   von 170 °C auf 140 °C abkühlen und so Strom     Niedertemperatur-Kraftwerkstechnik für
     en (Foto: GFZ)                               erzeugen. Während der Testphase beträgt         Indonesien maßgeblich vorantreiben.
                                                  die Temperatur des Wärmeträgers 145 °C,         Die Technik ermöglicht es, die Nutzung
     Im September 2017 wurde auf dem Geo-         womit rund 300 kW Leistung erreicht werden.     bestehender geothermischer Standorte
     thermiefeld in Lahendong in der Nähe         Im Normalbetrieb soll eine Leistung von bis     zu erweitern und vor allem auch eine Op-
     von Pangolombian, Nordsulawesi, das          zu 500 kW produziert werden. Bezogen auf        tion für die dezentrale Energieversorgung
     erste geothermische Niedertemperatur-        den Durchschnittsverbrauch in Deutschland       in Indonesien zur Verfügung zu stellen.
     Demonstrationskraftwerk in Indonesi-         ist diese Leistung ausreichend, um rund
     en erfolgreich in Betrieb genommen. Es       1200 Haushalte mit Strom zu versorgen.          Der Forschungs- und Demonstrationsbe-
     befindet sich nun im Testbetrieb. Das                                                        trieb des Niedertemperatur-Kraftwerks
     Konzept des Demonstrationskraftwerks         Das geothermische Demonstrationskraft-          soll bis Mitte 2018 unter Federführung
     wurde seit 2013 vom GFZ unter Mitwir-        werk basiert auf einem Organic Rankine          des GFZ fortgeführt werden. Im An-
     kung der indonesischen Projektpartner        Cycle (ORC). Dies ist ein besonderes Ver-       schluss soll das Demonstrationskraft-
     BPPT (Agency for the Assessment and          fahren, bei dem nicht Wasser, sondern           werk an eine indonesische Partnerorga-
     Application of Technology) und PGE (Per-     eine organische Flüssigkeit zum Antrieb         nisation übergeben werden. ■

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Netzwerk Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung - GFZ-Potsdam
Netzwerk

Erstes Erdbebenmonitoring-Netzwerk in Zentralasien installiert
                                                                                                                    Omnidirektionale Ka-
                                                                                                                    meraaufnahme des
                                                                                                                    Gebäudebestands
                                                                                                                    in Osch, Kirgisistan
                                                                                                                    (Foto: ZAIAG/GFZ)

Wenn in einer seismisch aktiven Region        and Test Facilities“ und in Zusammenar-        Software GFZ-Sentry ausgewertet. Aus den
Städte wachsen und Bevölkerungszahlen         beit mit dem Zentralasiatsichen Global         eingehenden Daten bestimmt die Software
steigen, erhöht sich das von einem Erd-       Change Observatory des GFZ, haben die          kritische Bewegungen und informiert einen
beben ausgehende Gefährdungspoten-            Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler       Netzwerkoperateur, falls die Daten auf ein
zial: Der zu erwartende Schaden an der        in Kirgisistan und Kasachstan das erste        Erdbeben mit hohem Gefährdungspotenzial
Infrastruktur wird größer und der Verlust     digitale seismische Echtzeitnetzwerk für       hindeuten. Der Operateur entscheidet, ob
von Menschenleben wahrscheinlicher.           Zentralasien installiert. Ziel war der Ent-    eine Bebenwarnung ausgegeben wird, auf
Insbesondere Entwicklungsländer sind          wurf eines Netzwerkdesigns unter Einsatz       die dann die jeweiligen Behörden vor Ort
verletzlich, da hier Aspekte wie ein nicht    minimaler Ressourcen, das auch für an-         reagieren können.
erdbebensicheres Bauen hinzukommen,           dere Regionen angewendet werden kann.
die das Gefährdungspotenzial weiter er-       Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift     Das System befindet sich derzeit in der Test-
höhen. Wissenschaftlerinnen und Wissen-       Frontiers in Earth Science veröffentlicht.     phase, doch schon jetzt konnte das Team
schaftler des GFZ haben zusammen mit dem      Bei der Positionierung der Messstationen       zeigen, dass ein Netzwerk aus vergleichs-
Zentralasiatischen Institut für Angewandte    wurde darauf geachtet, dass sie permanent      weise wenigen seismischen Stationen ei-
Geowissenschaften (ZAIAG) in einer Fall-      sicher installiert sind und eine Infrastruk-   nen großen Nutzen für die Frühwarnung
studie das erste seismische Netzwerk zur      tur zur Stromversorgung und digitalen          hat. Das System soll nun zur Verbesserung
Erdbebenüberwachung und Frühwarnung           Datenübertragung in Echtzeit bereitsteht.      und zu Forschungszwecken weiter begleitet
in Kirgisistan und Kasachstan installiert.    Ohne die Echtzeitübertragung könnte das        werden. ■
Zentralasien ist weltweit eine der Regio-     seismische Netzwerk nicht für den Betrieb
nen mit der größten seismischen Aktivi-       eines Frühwarnsystems eingesetzt werden,       Weitere Untersuchungsergebnisse in:
tät. Die Indische Platte schiebt sich mit     da das Warnsystem auf die seismischen          Parolai, S., Boxberger, T., Pilz, M., Fle-
einer Geschwindigkeit von vier bis fünf       Daten angewiesen ist.                          ming, K., Haas, M., Pittore, M., Petrovic,
Zentimetern pro Jahr in Richtung Norden                                                      B., Moldobekov, B., Zubovich, A., Lau-
gegen die Eurasische Platte. Entlang dieser   In Zusammenarbeit mit dem kirgisischen         terjung, J. (2017): Assessing earthquake
Kollisionszone kommt es immer wieder          Ministerium für Notfallsituationen wurden      early warning using sparse networks in
zu Erdbeben. Bisher gibt es in der Region     19 Standorte für Starkbewegungsstationen       developing countries: Case study of the
nur vereinzelte seismische Stationen, ein     eingerichtet, die möglichst nah an den op-     Kyrgyz Republic. - Frontiers in Earth Sci-
umfangreiches Monitoringnetzwerk zur          timal ermittelten Positionen liegen. In der    ence, 5, DOI: 10.3389/feart.2017.00074.
Aufzeichnung von Erdbeben fehlt. Auch         kirgisischen Hauptstadt Bischkek wurden
gibt es keine Stationen zur Registrierung     außerdem kostengünstige Gebäude- und
starker Bodenbewegungen. So konnten           Tiefensensoren in das Netzwerk integriert.
Beben bisher weder detailliert überwacht      Die enge Zusammenarbeit mit den Endnut-
noch Warnsysteme für die Bevölkerung in-      zern des Systems vor Ort ist ein wichtiger
stalliert werden. Außerdem fehlen umfang-     Faktor für die erfolgreiche Installation und
reiche lokale Datensätze zur Erforschung      den späteren Betrieb des Netzwerks.
der Erdbebenaktivität und Gefährdungslage.
Im Rahmen der Initiative ACROSS „Advan-       Die seismischen Aktivitäten des Unter-
ced Remote Sensing – Ground Truth Demo        grunds werden mit der am GFZ entwickelten

System Erde (2017) 7, 2                                                                                                                    55
Netzwerk Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung - GFZ-Potsdam
Wenn Kontinente zerbrechen wird es warm auf der Erde                                        Abschlusskonferenz für Koh-
                                                                                              lenstoffdioxid-Speicherung im
                                                Unsere Kontinente sind durch das
                                                Zerbrechen des Superkontinents Pangäa
                                                                                              Untergrund
                                                entstanden. In dieser Plattenrekonstruktion
                                                vor 180 Mio. Jahren sind zur Orientierung     Nach 13 Jahren erfolgreicher Forschungsar-
                                                die heutigen Staaten dargestellt. An den      beit geht das Projekt Ketzin jetzt zu Ende. In
                                                Bruchstellen trat vermehrt Kohlenstoff        der Stadt an der Havel hat das GFZ erforscht,
                                                aus der Tiefe aus und beeinflusste damit      ob sich Kohlenstoffdioxid (CO2) sicher und
                                                die Klimaentwicklung. (Abb.: S. Brune, G.     dauerhaft im Untergrund speichern lässt und
                                                Plates, CC-BY-ND)                             wie es sich in der Tiefe verhält. Dazu wurden
                                                                                              mehr als 67 000 Tonnen CO2 zwischen 2008
                                                                                              und 2013 über eine Bohrung in einen so
                                                                                              genannten Speicherhorizont gepumpt. Dort,
  Der CO2-Gehalt der Atmosphäre entschei-       einanderbrechen von ganzen Erdplat-           in rund 630 m Tiefe, befindet sich poröser
  det darüber, ob sich die Erde in einem        ten führen kann. Das Rift in Ostafrika        Sandstein, der von salzhaltigem Grundwas-
  Treibhaus- oder einem Eishaus-Zustand         ist mit einer Länge von etwa 6000 km          ser durchzogen ist – ein „saliner Aquifer“.
  befindet. Bevor der Mensch begann, die        zwar das größte Grabensystem welt-            Vier weitere Bohrungen wurden abgeteuft,
  CO2-Konzentration der Lufthülle zu be-        weit, allerdings erscheint es klein im        um die Ausbreitung des CO2 im Untergrund
  einflussen, wurde diese allein durch ein      Vergleich mit den Riftsystemen, die vor       sowie die Dichtheit des Speichers mit mo-
  Wechselspiel von geologischen und bio-        130 Mio. Jahren zum Zerbrechen des            dernsten geochemischen und geophysika-
  logischen Prozessen bestimmt, dem glo-        Superkontinents Pangea geführt haben          lischen Methoden zu überwachen.
  balen Kohlenstoffkreislauf. Eine aktuelle     und ein Netzwerk von über 40 000 km
  Studie unter Führung des GFZ zeigt, dass      Länge bildeten.                               Bei einer Abschlusskonferenz am 13. Sep-
  das Auseinanderbrechen von Kontinenten                                                      tember 2017 zogen die beteiligten Forsche-
  – von Fachleuten als Rifting bezeichnet       Mithilfe von plattentektonischen Model-       rinnen und Forscher Bilanz und diskutierten
  – maßgeblich zu einem erhöhten Kohlen-        len der vergangenen 200 Mio. Jahre und        mit europäischen Fachleuten die Perspekti-
  dioxidgehalt in der Atmosphäre beitrug.       anderen geologischen Indizien haben           ven der CO2-Abscheidung und -Speicherung
                                                die Wissenschaftler die Entwicklung des       (CCS für Englisch: Carbon Capture and Sto-
  Die Kohlenstoffverteilung der Erde ist sehr   globalen Riftnetzwerks rekonstruiert.         rage). Das Projekt hat gezeigt, dass sich Koh-
  ungleichmäßig: Nur ein Hunderttausendstel     Dabei konnten sie die Existenz zweier         lenstoffdioxid sicher in die Tiefe bringen und
  des Kohlenstoffs unseres Planeten befindet    großer Riftperioden nachweisen: vor           speichern lässt. Die mächtigen Schichten
  sich in Atmosphäre, Biosphäre und den         rund 130 und 50 Mio. Jahren. Mittels          aus Tongestein über dem Speicherhorizont
  Ozeanen, die übrigen 99,999 % sind in         numerischer Modelle des globalen Koh-         bilden eine zuverlässige Abdichtung.
  der tiefen Erde gebunden. Dieser enorme       lenstoffkreislaufs haben die Forscher
  Kohlenstoffspeicher ist aber nicht von der    den Einfluss erhöhter CO2-Entgasungen         Die Forschungsarbeiten in Ketzin begannen
  Atmosphäre isoliert, sondern es gibt einen    in Rifts simuliert und zeigten, dass beide    mit Vorerkundungen im Jahr 2004. Von An-
  anhaltendem Austausch über Jahrmillionen      Riftperioden mit einer erhöhten CO2-          fang an wurden die Kommune und die lokale
  hinweg: Erdplatten, die in den tiefen Erd-    Konzentration der damaligen Atmo-             Bevölkerung in das Forschungsvorhaben mit
  mantel absinken, nehmen große Mengen          sphäre korrelieren.                           einbezogen. Bis heute genießt das Projekt
  an Kohlenstoff mit sich. Gleichzeitig, so                                                   hohe Akzeptanz. Nach dem Ende der CO2-
  glaubte man, gelangt Kohlenstoff haupt-       Die weltweiten CO2-Entgasungsraten            Injektion wurde die Speicherüberwachung
  sächlich durch Vulkanismus an mittelozea-     von Rifts entsprechen allerdings nur ei-      weitere viereinhalb Jahre fortgesetzt, um
  nischen Rücken wieder an die Oberfläche,      nem Bruchteil der derzeitigen anthropo-       die Stabilität des Speichers zu beobachten.
  in Form von CO2.                              genen CO2-Freisetzung. Dennoch stellen        Die Überwachung zeigte keine Unregelmä-
                                                sie eine bisher fehlende Schlüsselkom-        ßigkeiten des Speichers und wurde Ende
  In der Studie, die im Fachjournal Nature      ponente des tiefen Kohlenstoffkreislaufs      2017 abgeschlossen. Die Bohrlöcher werden
  Geoscience erschien, kommt das Forscher-      dar, der den langfristigen Klimawandel        verfüllt und die Bodenoberfläche in den
  team zu einem anderen Schluss. Zwar führt     über Jahrmillionen hinweg steuert. ■          vorherigen Zustand versetzt. ■
  auch der Vulkanismus am Boden der Oze-
  ane zur Entgasung von Kohlendioxid, der       Weitere Untersuchungsergebnisse in:           Weitere Informationen:
  maßgebliche CO2-Eintrag in die Atmosphäre     Brune, S., Williams, S. E., Müller,           http://www.co2ketzin.de/dialog-amp-
  geschieht jedoch an Grabensystemen auf        R. D. (2017): Potential links between         kontakt/fragen-und-antworten/
  Kontinenten wie etwa dem Ostafrikanischen     continental rifting, CO2 degassing
  Rift oder dem Eger-Rift in Tschechien. Gra-   and climate change through time.
  bensysteme entstehen, wenn Kontinente         - Nature Geoscience, DOI 10.1038/
  gedehnt werden, was schließlich zum Aus-      s41561-017-0003-6.

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Netzwerk

Mikroben in der Wüste – ein neues Archiv für die Klimaforschung
                                                                                             Probennahme in der Kalahari
                                                                                             (Foto: S. Genderjahn, GFZ)

Unter einem extremen Klima schaffen es         Wasser ist eine Grundvoraussetzung für mi-    dimente umfassen eine Zeitspanne vom
nur wenige Zeugen von Umweltbedingun-          krobielles Leben. Spuren von Mikroorganis-    letzten glazialen Maximum (LGM) vor etwa
gen der Vergangenheit bis heute zu über-       men lassen darauf schließen, dass zu deren    20 000 Jahren bis ins heutige Holozän.
dauern. Pollen zum Beispiel, die auf die       Lebzeiten Wasser verfügbar gewesen sein       Die molekularen Klimazeugen aus den
Zusammensetzung der Vegetation früherer        muss. Das Autorenteam um Steffi Gender-       Beckensedimenten deuten darauf hin,
Zeiten hinweisen können, bleiben in Kli-       jahn hat deshalb die Hypothese aufgestellt,   dass es während des LGM vergleichswei-
maarchiven wie Seesedimenten nur unter         dass aus der Menge und Zusammenset-           se feucht in der Kalahari war. Während
ganz bestimmten Bedingungen erhalten. In       zung mikrobieller Lebensgemeinschaften        der darauffolgenden Warmphase finden
extrem trockenen Regionen wie der Kalahari     in Verdunstungsbecken die klimatischen        sich hingegen nur noch wenige Spuren
im südlichen Afrika sind Archive mit Pollen    Bedingungen der Vergangenheit abgeleitet      mikrobiellen Lebens, und die Signale, die
oder anderen Klimazeugen besonders rar.        werden könnnen.                               sich finden, weisen auf Trockenheit, wenig
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler                                                     Nährstoffe und kaum Vegetation hin. In
des GFZ haben sich in Südafrika zusam-         Da die Mikroben der Vergangenheit längst      den obersten Schichten zeigen sich wie-
men mit einem Kollegen der Universität         nicht mehr leben, untersuchten sie soge-      derum deutliche Spuren von Leben. In der
Oldenburg auf die Suche nach bisher nicht      nannte Biomarker. Das sind molekulare         jüngeren Vergangenheit muss Wasser also
erschlossenen Klimaarchiven gemacht.           Reste von Lipiden, in diesem Fall aus den     immer wieder mal, wahrscheinlich durch
                                               Membranen von Mikroorganismen, die auch       saisonalen Regen, verfügbar gewesen sein.
Die Klimaforschung untersuchte die Kli-        heute noch anzeigen, von welchen Mikro-       Das Autorenteam hat die Methode auch auf
maentwicklung der Vergangenheit dieser         organismen sie einst gebildet wurden. In      ein weiter nordwestlich gelegenes Becken
Region bisher vor allem anhand von kalk-       der Witpan, einem Verdunstungsbecken          angewandt und dort um DNA-basierte Unter-
haltigen Ablagerungen wie Tuffsteinen,         in der südlichen Kalahari, hat das Team       suchungen ergänzt. Die Ergebnisse stehen
Stromatolithen und Tropfsteinen. Diese         die Sedimentabfolge der oberen 1,20 m         ebenfalls kurz vor der Veröffentlichung und
Klimaarchive sind jedoch selten und die        beprobt. Zusammen mit Untersuchungen          scheinen die aktuelle Studie zu bestätigen.
Klimarekonstruktion für die Kalahari ist       von Veränderungen der Sedimenteigen-          Tatsächlich steht also der Klimaforschung
deshalb sehr lückenhaft.                       schaften, wie dem Anteil von Kohlenstoff      mit den Verdunstungsbecken in trockenen
                                               organischen Ursprungs, dienen die enthal-     Gebieten wie der Kalahari, die ansonsten
Ein häufiges Landschaftselement in Südaf-      tenen mikrobiellen Biomarker als Schlüssel    arm an regionalen Klimadaten sind, ein
rika sind Verdunstungsbecken, sogenannte       zur Vergangenheit.                            neues Archiv zur Verfügung. ■
Pfannen. Winderosion formt diese Senken
während Trockenperioden. In feuchteren         In den Proben fanden sich Biomarker von       Weitere Untersuchungsergebnisse in:
Phasen sammelt sich durch ablaufendes          Mikroorganismen, die auf salzhaltige und      Genderjahn, S., Alawi, M., Kallmeyer,
Oberflächenwasser Sediment an. Weiteres        nährstoffarme Bedingungen hinweisen.          J., Belz, L., Wagner, D., Mangelsdorf, K.
Sediment wird durch Winde hineintranspor-      Außerdem konnten starke Veränderungen         (2017): Present and past microbial life
tiert. In einer neuen Studie, veröffentlicht   in der Menge der Mikroorganismen und          in continental pan sediments and its
im Fachjournal Organic Geochemistry, un-       Zusammensetzung der Lebensgemein-             response to climate variability in the
tersuchen die Wissenschaftlerinnen und         schaft im Zeitverlauf – je weiter unten im    southern Kalahari. - Organic Geoche-
Wissenschaftler die mikrobielle Aktivität      Sediment, desto weiter in der Zeit zurück     mistry, 108, pp 30-42, DOI: 10.1016/
in einem Verdunstungsbecken.                   – festgestellt werden. Die erbohrten Se-      j.orggeochem.2017.04.001.

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Jahrtausende alter Staub aus der Sahara verrät Neues zur Entstehungsgeschichte der Wüste

                                                   See haben die Wissenschaftlerinnen und          Das Team trägt damit neue Erkenntnisse zu
                                                   Wissenschaftler das Auftreten von Staub-        einer größeren Debatte bei: Offenbar wurde
                                                   stürmen bis in eine Zeit vor 12 000 Jahren      die Sahara nicht, wie lange diskutiert, nur
                                                   zurückverfolgt. Ihre Ergebnisse haben           allmählich und graduell zur Wüste und es
                                                   sie nun in der Fachzeitschrift Quaternary       gab auch kein einmaliges abruptes Ereig-
                                                   Science Reviews veröffentlicht.                 nis, das die grüne Sahara austrocknete.
                                                                                                   Mehrere Phasen mit Staubablagerungen im
                                                   Schon lange ist bekannt, dass das Gebiet        See deuten vielmehr darauf hin, dass der
 Der Sidi Ali-See im Mittleren Atlas Marokkos am   der heutigen Sahara nicht immer eine Wüste      Wandel stufenweise ablief. Staubphasen
 Nordrand der Sahara (Foto: Institut für Geogra-   war. Es gab Zeiten, in denen hier das Leben     finden sich schon während des Maximums
 phie, Universität Leipzig)                        blühte und in großräumigen Savannen- und        der Feuchtperiode und leiteten zwischen
                                                   Steppenlandschaften Löwen und Elefanten         6600 und 6000 Jahren vor heute in die Tro-
 Die Sahara ist die größte Trockenwüste der        umherstreiften und Menschen lebten. Bisheri-    ckenperiode über. Endgültig zur heutigen
 Welt und damit auch die größte Staubquelle        ge Studien gehen von einem Ende der grünen      Wüste wurde die Sahara dann vor etwa
 der Erde. Ihre Stäube düngen die Weltmeere        Sahara zwischen 7000 und 3000 Jahren vor        4700 Jahren. ■
 und beeinflussen die Klimaentwicklung und         heute aus. Unter welchen Umständen die
 Landökosysteme. Ein internationales Team          Sahara dann zur heutigen Wüste wurde, wird      Weitere Untersuchungsergebnisse in:
 unter der Leitung der Universität Leipzig         jedoch noch diskutiert. Die GFZ-Forscherin      Zielhofer, C., von Suchodoletz, H.,
 und mit Beteiligung des GFZ hat nun die           Dr. Elisabeth Dietze hat anhand der Korngrö-    Fletcher, W.J., Schneider, B., Dietze, E.,
 Geschichte der Entstehung der Sahara              ßenverteilung des Sedimentstaubs ermittelt,     Schlegel, M., Schepanski, K., Wenin-
 anhand von Staubablagerungen in einem             dass dieser durch Windtransport, also durch     ger, B., Mischke, S., Mikdad, A. (2017):
 marokkanischen See rekonstruiert.                 Staubstürme aus der Sahara in den See ein-      Millennial-scale fluctuations in Saharan
                                                   getragen worden sein muss. Das Auftreten        dust supply across the decline of the Af-
 Der Sidi Ali-See im Mittleren Atlas Marokkos      von Saharastaub in den Sedimenten kann          rican Humid Period. - Quaternary Science
 liegt auf einer Höhe von 2080 m über dem          daher ein Indiz dafür sein, wann Regionen der   Reviews, 171, 119-135, DOI: 10.1016/j.
 Meeresspiegel am Nordrand der Sahara.             Sahara zur Wüste wurden, da eine geringe        quascirev.2017.07.010.
 Anhand von Staubablagerungen in diesem            Pflanzenbedeckung Staub entstehen lässt.

 Abkühlung im hohen Norden führte zu Wüstenbildung in Nordafrika

                                                                           James Collins bei       eine Abkühlung des Klimas in hohen
                                                                           der Entnahme von        nördlichen Breiten dazu führte, dass
                                                                           Proben aus einem        die niederschlagsreiche Phase in der
                                                                           Sedimentkern (Foto:     heutigen Sahara so schnell zu Ende ging.
                                                                           MARUM − Zentrum         Sie berichten davon im Fachmagazin
                                                                           für Marine Umwelt-
                                                                                                   Nature Communications.
                                                                           wissenschaften,
                                                                           Universität Bremen)
                                                                                                   Der Studie zufolge führte ein Tempera-
                                                                                                   tursturz in der Arktis und den mittleren
                                                                                                   Breiten der Nordhemisphäre dazu, dass
                                                                                                   starke Höhenwinde über Afrika – der
                                                                                                   tropische Oststrahlstrom – geschwächt
                                                                                                   wurden. Infolgedessen gingen die Nie-
 Auf den ersten Blick verwirren die Fels-          ten Grünen Sahara, die vor 11 500 bis 5500      derschläge über Afrika zurück. Im Zu-
 zeichnungen: In einer Höhle der ägyp-             Jahren herrschte. Klimaforscherinnen und        sammenspiel mit weiteren komplexen
 tischen Sahara, einem der trockensten             -forscher rätseln bis heute, welche Ursa-       Rückkopplungen im Klimasystem kippte
 Orte der Erde, zeigen sie schwimmende             chen die folgende Wüstenbildung hatte           die feuchte Phase hin zu einer trocke-
 Menschen. Die steinzeitlichen Kunstwerke          und warum die Austrocknung so rasch             nen Periode, die zur Wüstenbildung
 sind Schätzungen zufolge bis zu 10 000            erfolgte. Nun hat ein Forschungsteam            führte, erläutert der Hauptautor der
 Jahre alt. Sie entstanden während einer           aus verschiedenen europäischen Einrich-         Studie, James Collins (GFZ/AWI).
 niederschlagsreichen Zeit, der sogenann-          tungen herausgefunden, dass offenbar

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Netzwerk Satelliten erfassen Photosynthese mit hoher Auflösung - GFZ-Potsdam
Netzwerk

   Die Forscherinnen und Forscher analy-          heutigen Kamerun und dem zentralen Teil        die Niederschlagsverhältnisse in den
   sierten Blattwachs, das in Sedimenten          der Sahara-Sahelzone über die letzten Jahr-    Tropen haben. ■
   im Golf von Guinea gefunden wurde.             tausende rekonstruieren. Dabei zeigte sich,
   Die Wachslipide enthalten langkettige          dass es vor rund 5500 Jahren einen raschen     Weitere Untersuchungsergebnisse in:
   Kohlenwasserstoffe, die von Pflanzen           Wechsel hin zu sehr trockenem Klima gab.       Collins, J. A., Prange, M., Caley, T.,
   produziert werden, um ihre Blätter                                                            Gimeno, L., Beckmann, B., Mulitza, S.,
   zu schützen. Das Verhältnis der Was-           Obwohl die Abkühlung in den höheren Brei-      Skonieczny, C., Roche, D., Schefuß,
   serstoffisotope in diesen Molekülen            ten vermutlich nicht der einzige Treiber des   E. (2017): Rapid termination of the
   kann heute als Indikator für die Nie-          Klimawechsels in Afrika war, so scheint sie    African Humid Period triggered by
   derschlagsintensität zu Lebzeiten der          doch das entscheidende fehlende Puzzle-        northern high-latitude cooling. -
   Pflanze dienen. Anhand dieser Isoto-           stück zu sein, um den abrupten Wandel zu       Nature Communications, DOI:
   penverhältnisse im Blattwachs und              erklären. Ausgehend von den Befunden er-       10.1038/s41467-017-01454-y.
   mittels Computermodellen des Klimas            scheint es möglich, dass die gegenwärtige
   konnten die Wissenschaftlerinnen und           Erwärmung der Arktis und der Rückgang
   Wissenschaftler die Regenmenge im              des Meereises einen starken Einfluss auf

Im überfluteten Permafrostboden erwachen Mikroben langsam aus dem „Eiszeitschlaf“

                                                  untersucht. Ursprünglich gebildet wurde        zeigen, dass die Bakteriengemeinschaften
                                                  der Permafrostboden an Land. Der seit dem      erst sehr lange – bis zu Jahrtausende –
                                                  Ende der letzten Eiszeit vor etwa 15 000       nach der Überflutung durch Änderungen
                                                  Jahren steigende Meeresspiegel hat jedoch      in ihrer Zusammensetzung und vermutlich
                                                  dazu geführt, dass der gefrorene Boden         auch durch Wachstum auf die Erwärmung
                                                  heute unterhalb der Meeresoberfläche liegt.    reagieren und eine deutliche Reaktion auf
                                                  Einer der untersuchten Böden wurde schon       die sich verändernde Umwelt einsetzt. Dass
Probennahme in der Arktis (Foto: A. Kitte, GFZ)   vor 2500 Jahren überflutet, der andere vor     Mikroben in überfluteten Permafrostböden
                                                  etwa 540 Jahren.                               aus dem „Eiszeitschlaf“ erwachen und den
Der Untergrund weiter Flächen arktischer                                                         zuvor gefrorenen Kohlenstoff mobilisieren,
Flachwasserzonen besteht aus Permafrost.          Permafrost unter Wasser reagiert empfind-      ist wahrscheinlich das Zukunftsszenario
Bisher ist nur wenig darüber bekannt,             licher auf eine Klimaerwärmung und taut        für große Teile der submarinen Perma-
wie die Mikroorganismen in diesen Bö-             deshalb schneller als solcher an Land. Und     frostgebiete. Was mit dem freigesetzten
den unterhalb des Meeresspiegels auf              zwar, weil Wasser mehr Wärme transportiert     Kohlenstoff passiert, müssen weitere Stu-
eine zunehmende Erwärmung reagieren.              als Luft und weil das salzige Meerwasser in    dien zeigen.
GFZ-Wissenschaftlerinnen und -Wissen-             den Boden eindringt und dort den Taupunkt
schaftler der Helmholtz-Nachwuchsgruppe           herabsetzt. Die arktischen Küsten sind stark   Die Newsplattform EOS der American Geo-
MicroCene, unter der Leitung von Prof.            vom Klimawandel betroffen. Der Anstieg des     physical Union AGU hat die in der Fachzeit-
Susanne Liebner, haben nun mikrobielle            Meeresspiegels und einstürzende Küsten-        schrift Journal of Geophysical Research:
Gemeinschaften in zwei Bohrkernen aus             linien durch tauenden Permafrost führen        Biogeosciences veröffentlichten Ergebnisse
dem sibirischen submarinen Permafrost             zu extremen Veränderungen der dortigen         als „Research Spotlight“ ausgezeichnet.
untersucht. Sie zeigen, dass die Mikro-           Umwelt. Wie das Mikrobiom in den Böden         So würdigt EOS die „besten zur Publikation
ben auf die Erwärmung mit einer erhöhten          reagiert, ist noch weitgehend unbekannt.       akzeptierten Artikel“ aus einem AGU-
Aktivität reagieren, wenn auch mit großer                                                        Journal. ■
zeitlicher Verzögerung.                           Um mehr herauszufinden, hat das Team
                                                  um Erstautorin Julia Mitzscherling Proben      Weitere Untersuchungsergebnisse in:
Das Untersuchungsgebiet liegt in der Lap-         aus dem Porenwasser im Permafrostbo-           Mitzscherling, J., Winkel, M., Winterfeld,
tevsee im Osten Sibiriens, wo mehr als 80 %       den ausgewertet und im Boden gefunde-          M., Horn, F., Yang, S., Grigoriev, M.N.,
des weltweiten submarinen Permafrosts             ne Spuren des genetischen Materials der        Wagner, D., Overduin, P.P., Liebner, S.
vermutet werden. Dort hat das Alfred-Wege-        Mikroorganismen analysiert. Der zeitliche      (2017): The development of permafrost
ner-Institut für Polar- und Meeresforschung       Abstand zwischen der Überflutung der bei-      bacterial communities under submarine
(AWI) mit russischen Partnern des Melnikov-       den Kerne und deren Schichtung helfen          conditions. - Journal of Geophysical
Permafrostinstituts Yakutsk Bohrkerne aus         einzuschätzen, wie sich die Mikrobenge-        Research: Biogeosciences, 122, 1689-
dem Permafrost gezogen, anhand derer das          meinschaften im Zeitverlauf entwickeln.        1704, DOI: 10.1002/2017JG003859.
GFZ-Team nun die Mikroben im Permafrost           Die Unterschiede zwischen beiden Kernen

System Erde (2017) 7, 2                                                                                                                       59
Tauender Permafrost setzt altes Treibhausgas frei

  Der auftauende Dauerfrostboden in arkti-          nemissionen nach sich ziehen könnte. Um
  schen Regionen könnte in doppelter Hin-           herauszufinden, wie viel Methan aus einer
  sicht zur Verstärkung des Treibhauseffekts        Region austritt und ob es räumliche Mus-
  führen: Zum einen erhöht sich mit wärmerer        ter in den Emissionen gibt, hat das Team
  Umwelt die oberflächennahe Produktion des         unter Leitung von GFZ-Wissenschaftler Prof.
  Treibhausgases Methan durch Mikroben.             Torsten Sachs ein 10 000 km2 großes Gebiet
  Zum anderen öffnet der tauende Untergrund         im hohen Norden Kanadas untersucht. Mit
  zunehmend Austrittspfade für uraltes Me-          dem Forschungsflugzeug Polar 5 vom AWI
  than. Das ist das Ergebnis einer Studie von       bestimmte das Team während zahlreicher
  Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern         Überflüge in den Sommern 2012 und 2013
  des GFZ, des Alfred-Wegener-Instituts (AWI)       kontinuierlich die Gaskonzentration der um-
  und US-amerikanischen Partnern im kana-           gebenden Luft und meteorologische Größen.
  dischen Mackenzie-Delta. Sie berichten
  davon im Fachjournal Scientific Reports.          Das Ergebnis war eine Karte der Methane-
                                                    missionen mit einer Auflösung von je 100 x
  Der arktische Permafrost liegt wie ein gi­        100 m. Starke Methanausgasungen traten           Blick aus dem Fenster des Forschungsflugzeugs
  gantischer Deckel aus gefrorenem Ma-              genau dort auf, wo der Permafrost diskon-        Polar 5 während der Messungen im Mackenzie
  terial über Bodenschätzen und fossilen            tinuierlich ist, das heißt, wo es schon Berei-   Delta nördlich der Baumgrenze
  Energieträgern. Schon lange befürchtet            che gibt, die dauerhaft aufgetaut sind. Die      (Foto: T. Sachs, GFZ)
  die Klimaforschung, dass ein Auftauen             Forscherinnen und Forscher vermuten, dass
  dieses gefrorenen Bodens erhöhte Metha-           der Großteil dieses Methans nicht aktuell von
                                                                                                     Mikroben produziert wird, sondern altes, aus
                                                                                                     Lagerstätten stammendes Gas ist – soge-
                                                                                                     nanntes geologisches Methan, also Erdgas.
                                                                                                     Die Hotspots mit den größten Austritten von
                                                                                                     Gas machten zwar nur 1 % der Fläche des
                                                                                                     Mackenzie-Deltas aus, trügen aber schät-
                                                                                                     zungsweise mit 17 % zur Gesamtemission
                                                                                                     des Treibhausgases in der Region bei.

                                                                                                     Die in der Fachzeitschrift Nature Scientific
                                                                                                     Reports veröffentlichten Untersuchungs-
                                                                                                     ergebnisse legen nahe, dass das wärmer
                                                                                                     werdende Klima nicht nur die natürliche
                                                                                                     Produktion von Methan anregt, sondern
                                                                                                     auch vermehrt fossiles Gas freisetzen kann.
                                                                                                     Dies wiederum könnte erheblich zur Perma-
                                                                                                     frost-Treibhausgas-Klima-Rückkopplung
                                                                                                     beitragen. Deshalb sei es nach Meinung der
                                                                                                     Autorinnen und Autoren wichtig, die Regio-
                                                                                                     nen, wo der Permafrost auftaut, künftig noch
                                                                                                     viel genauer zu beobachten als bisher. ■

                                                                                                     Weitere Untersuchungsergebnisse in:
                                                                                                     Kohnert, K., Serafimovich, A., Metzger,
                                                                                                     S., Hartmann, J., Sachs, T. (2017): Strong
                                                                                                     geologic methane emissions from dis-
                                                                                                     continous terrestrial permafrost in the
                                                                                                     Mackenzie Delta, Canada. - Nature
                                                                                                     Scientific Reports, 7, 5828, DOI: 10.1038/
                                                                                                     s41598-017-05783-2.
     Darstellung der Methanemissionen im nördlichen Teil des untersuchten Gebiets
     (Abb.: B. Juhls, GFZ)

60                                                                                                                          System Erde (2017) 7, 2
Netzwerk

Meeresschwämme als „Ökosystem-Ingenieure“

                                                                                            Schwämme in Sedimenten, die zwischen
                                                                                            dem Präkambrium und dem Kambrium am
                                                                                            Kontinentalhang der heutigen Yangtze-
                                                                                            Platform in Südchina abgelagert wurden.

                                                                                            Doch was hat die Zunahme der Schwamm-
                                                                                            häufigkeit mit Sauerstoff zu tun? Dazu
                                                                                            untersuchten sie eine Vielzahl geochemi-
                                                                                            scher Indikatoren, die empfindlich auf die
                                                                                            Sauerstoffkonzentration im Meereswasser
                                                                                            reagieren. Sie fanden heraus, dass gleich-
                                                                                            zeitig mit den Schwämmen die Menge an
                                                                                            gelöstem Sauerstoff zunahm und ebenso
                                                                                            die Menge an im Sediment eingelagerten
                                                                                            Kohlenstoff. Diese grundlegenden Ände-
                                                                                            rungen resultierten aus der Lebensweise
                                                                                            von Schwämmen. Sie filtrierten zur Nah-
                                                                                            rungsaufnahme organischen Kohlenstoff
                                                                                            aus Meerwasser und verschoben damit
                                                                                            die Oxidation organischen Kohlenstoffs in
                                                                                            tiefere Wasserschichten oder erschwerten
                                                                                            sie. Dies löste eine Kettenreaktion aus: Die
                                                                                            steigende Sauerstoffkonzentration führte
                                                                                            zur Bindung von Phosphaten im Sediment,
Schlauchschwamm (Foto: Nick Hobgood (https://commons.wikimedia.org/wiki/                    daraus folgte eine verringerte Phosphor-
File:Callyspongia_sp._(Tube_sponge).jpg), „Callyspongia sp. (Tube sponge)“,                 konzentration im Meerwasser, und die
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)                                   wiederum reduzierte das Wachstum von
                                                                                            Algen, bei deren Oxidation im Meerwasser
                                                                                            gelöster Sauerstoff verbraucht wird.
Vor 550 Mio. Jahren vervielfachte sich die     Der Nachweis gelang durch Messungen
Anzahl der Tierarten auf der Erde explosi-     der stabilen Siliziumisotope, also Unter-    Für die Hypothese, wonach Schwämme
onsartig. Was diesen dramatischsten aller      gruppen der chemischen Elemente, die         als Ökosystem-Ingenieure fungierten und
bisherigen Ökosystemwandel auf unserem         sich durch ihre Atommasse unterschei-        Sauerstoffkonzentrationen in Meerwasser
Planeten auslöste, ist bis heute umstritten.   den. Silikatische Schwämme leben auf         ansteigen ließen, liefert diese Studie nun
In den Geowissenschaften ist bekannt, dass     dem Meeresboden und hinterlassen nach        erstmals stichhaltige Hinweise. Es ist gut
zu diesem Zeitpunkt die Konzentration          ihrem Tod ihre siliziumreichen Skelettna-    möglich, dass dieser durch Schwämme
von freiem Sauerstoff in der Atmosphäre        deln. Diese Nadeln bleiben nur sehr selten   verursachte Sauerstoffanstieg die benö-
und im Meerwasser deutlich anstieg. Da         erhalten, wenn aus dem alten Meeresbo-       tigte Mindestkonzentration für mehrzel-
mehrzellige Tiere Sauerstoff zum Atmen         den Gestein wird. Jedoch ist das Silizium    lige Lebewesen überschritt und somit die
benötigen, war dieser Sauerstoffanstieg        dieser Nadeln in silikatischen Tonsteinen    explosionsartige Zunahme der Arten zu
für deren Entstehung maßgeblich. Doch          und Cherts (Feuersteine) überliefert. Die    Beginn des Kambriums auslöste. ■
wodurch kam es zu diesem lebensnotwen-         GFZ-Wissenschaftler Dr. Michael Tatzel
digen Anstieg der Sauerstoffkonzentration      und Prof. Friedhelm von Blanckenburg ha-     Weitere Untersuchungsergebnisse in:
in Meerwasser? Wissenschaftlerinnnen           ben nun stabile Siliziumisotope mit einem    Tatzel, M., von Blanckenburg, F., Oelze,
und Wissenschaftler des GFZ haben erst-        modernen Massenspektrometer gemessen.        M., Bouchez, J., Hippler, D. (2017): Late
mals belegt, dass Meeresschwämme Än-           Schwammnadeln enthalten im Vergleich         Neoproterozoic seawater oxygenation by
derungen im marinen Kohlenstoff- und           mit dem umgebenden Silikatgestein mehr       siliceous sponges. - Nature Communica-
Phosphorkreislauf verursachten, die zu         leichtes Silizium-28 als Silizium-30. Mit    tions, DOI: 10.1038/s41467-017-00586-5.
einem Sauerstoffanstieg führten. Damit         den Isotopenmessungen kann also die ehe-
war die Grundlage für die weitere Ausbrei-     malige Häufigkeit nicht mehr erhaltener
tung von Mehrzellern bereitet, berichtet       silikatischer Schwämme im Sediment be-
das Autorenteam im Fachmagazin Nature          stimmt werden. Die Rekonstruktionen zeigen
Communications.                                eine ansteigende Häufigkeit silikatischer

System Erde (2017) 7, 2                                                                                                                 61
Klimakalender für die Saale-Eiszeit

                                                                                              Warmphasen innerhalb der Saale-Kaltzeit
                                                                                              für Mitteleuropa nachgewiesen, in denen
                                                                                              Laubmischwälder mehrfach die eiszeitli-
                                                                                              che Kältesteppe ablösten.

                                                                                              Die vorliegenden Ergebnisse sind Teil ei-
                                                                                              nes gerade anlaufenden internationalen
                                                                                              Forschungsprojekts, größtenteils geför-
                                                                                              dert durch das Internationale Kontinentale
                                                                                              Tiefbohrprogramm (ICDP), in dessen Rah-
                                                                                              men weitere Untersuchungen zur aktiven
                                                                                              Geodynamik (Schwarmbeben, Magmen-
                                                                                              aufstieg, Vulkanismus), zur Aktivität der
                                                                                              tiefen Biosphäre sowie zur Klimadynamik
                                                                                              im deutsch-tschechischen Grenzgebiet
                                                                                              geplant sind. ■

                                                                                              Nähere Informationen zum internationa-
                                                                                              len Forschungsprojekt:
                                                                                              http://www.icdp-online.org/projects/
                                                                                              world/europe/eger-czechia-germany/

                                                                                               Weitere Untersuchungsergebnisse in:
                                                                                               Rohrmüller, J., Kämpf, H., Geiß, E.,
  Bohrung nach den uralten Sedimenten im früheren Vulkansee (Trockenmaar) in der Oberpfalz     Großmann, J., Grun, I., Mingram, J.,
  (Foto: Bayerisches Landesamt für Umwelt)                                                     Mrlina, J., Plessen, B., Stebich, M., Ver-
                                                                                               ess, C., Wendt, A., Nowaczyk ,N. (2017):
 Ein erst vor wenigen Jahren entdecktes          Pollenanalytische Untersuchungen an           Reconnaissance study of an inferred
 Trockenmaar erweist sich als ein voll-          der Senckenberg Forschungsstation für         Quaternary maar structure in the we-
 ständiger Klimakalender für die vorletzte       Quartärpaläontologie Weimar lieferten         stern part of the Bohemian Massif near
 große Inlandsvereisung in Deutschland.          dazu vegetationsgeschichtliche Daten.         Neualbenreuth, NE-Bavaria (Germany).
 Der frühere Vulkansee liegt unter einem                                                      - International Journal of Earth Science
 Fichtenwald verborgen nahe dem oberpfäl-        Die gemeinsame Auswertung der ersten          (Geologische Rundschau), DOI: 10.1007/
 zischen Kurort Neualbenreuth. In seinen         Ergebnisse ergab, dass die Eruption, die      s00531-017-1543-0.
 Ablagerungen können Geowissenschaftler          das Neualbenreuther Trockenmaar form-
 wie in einem Archiv lesen.                      te, vor rund 280 000 bis 300 000 Jahren
                                                 erfolgt sein muss. Im Anschluss daran
 Das Neualbenreuther Trockenmaar reiht           bildete sich ein See, der sich nach und
 sich zusammen mit dem erst vor zehn             nach mit Sedimenten füllte und vor etwa
 Jahren entdeckten Mýtina-Trockenmaar            85 000 Jahren verlandete. Somit bietet
 sowie den beiden schon länger bekann-           dieses neu entdeckte Klimaarchiv detail-
 ten Vulkanen Eisenbühl (Železná hůrka)          lierte Informationen zur Umweltgeschichte
 und Kammerbühl (Komorní hůrka), alle            während der vorletzten Eiszeitperiode, der
 drei auf tschechischem Gebiet, entlang          Saale-Kaltzeit und der sich anschließen-
 einer tektonischen Störungszone auf.            den Eem-Warmzeit. Aufgrund der eiszeitli-
 Eine Forschungsbohrung, die im Jahre            chen Gletschervorstöße bis ins nördliche
 2015 vom Bayerischen Landesamt für              Mitteleuropa ist hier die Vegetations- und
 Umwelt dort abgeteuft wurde, förderte           Klimaentwicklung der Saale-Kaltzeit bis-
 100 m mächtige Seeablagerungen zu               lang nur bruchstückhaft dokumentiert.
 Tage. Die geophysikalischen, sedimen-           Anhand des Neualbenreuther Bohrkerns
 tologischen und geochemischen Analy-            haben die Forschenden nun erstmals
 sen dieses Bohrkerns erfolgten am GFZ.          drei aufeinander folgende ausgeprägte

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