London Calling Ein Modeheft mit der spannendsten Kunsthochschule der Welt - Nummer 8 | 21. Februar 2020
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Nummer 8 | 21. Februar 2020 London Calling Ein Modeheft mit der spannendsten Kunsthochschule der Welt
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Nummer 8 | 21. Februar 2020 London Calling Ein Modeheft mit der spannendsten Kunsthochschule der Welt
SITZSYSTEM DANIELS - LOWBOARD-SYSTEM AMBER | DESIGN CHRISTOPHE DELCOURT SESSEL LAWSON | DESIGN RODOLFO DORDONI SIDEBOARD EASEL - COUCHTISCH WEDGE | DESIGN NENDO M Ü N C H E N BY EGETEMEIER WOHNKULTUR, OSKAR VON MILLER RING 1 - T. 089 55 27 32 510 B E R L I N BY HERRENDORF, LIETZENBURGER STR. 99 - T. 030 755 4204 56 AUCH BEI ANDEREN AUTORISIERTEN HÄNDLERN UND IN ANDEREN STÄDTEN. PLZ 0/1/2/3/4/5 HANDELSAGENTUR STOLLENWERK - T. 0221 2828259 - TIM.STOLLENWERK@WEB.DE PLZ 6/7/8/9 HANDELSAGENTUR GOESCHEN - T. 09131 4057047 - MAIL@AGENTURGOESCHEN.COM ENTDECKEN SIE MEHR BEI MINOTTI.COM/DANIELS
TH Tel. 089.2080770 AT I N H A LT NR. 8 2 1 . F E B RUA R 2020 ’ S S O CS M! ↔ John Galliano, Stella McCartney, Pierce Brosnan, M.I.A., Gilbert & George: Sie alle haben am Central Saint Martins College für Kunst und Design (CSM) in London studiert. Kaum ein anderes College hat so viele Stars hervorgebracht. Wie machen die das nur? Das haben wir uns auch gefragt. Deshalb haben wir das College besucht und die Lehrenden und Studierenden befragt. In einem Essay (Seite 18) begeben wir uns auf die Suche nach der Zukunft der Kreativität, und in unserer Modestre- cke präsentieren Studierende die Mode der Saison – und ihre eigenen Designs. Viel Spaß mit unserem Heft! [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] Fotos: Marton Perlaki/Webber Represents; Styling: Samira Fricke; Illustration: QuickHoney Dieses Heft erscheint mit acht verschiedenen Covern. [1] A R A MATO U TO U R E trägt ein Kleid mit Lochspitze, von Loewe; Bustier von Pauline de Blonay; Schuhe von Proenza Schouler. [2] K IT O N DA ATJ E RO LLS trägt ein Kleid von Valentino; Plateauschuhe von 2 Moncler 1952; Socken von Falke; Ohrringe privat. [3] K IR A N IU trägt Bluse, Pullunder, Rock, Brosche und Schuhe von Louis Vuitton. [4] S IMO N G R AN C H E R trägt ein Hemd von Celine by Hedi Slimane; Hose von Shinichi Haga; großer Ring rechts von Alexander McQueen; Pullunder, Lederharness, Krawatte, weitere Ringe und Schuhe privat. Im Hintergrund die Klasse des Masterstudiengangs Applied Imagination. [5] E LLIE BY R N E trägt einen Pullover, Rock und Plateauschuhe von Gucci; Brille von Cubitts; Strumpfhose privat. [6] Models A MIN AT S E R IK I und FR A N K IE STA P LES tragen einen Entwurf aus der Abschlusskollektion von Paolo Carzana. [ 7 ] RU B E N MA D E LO N (rechts) trägt einen Entwurf von Anudary Khainzan-Jargalsaikhan auf der »White Show«. Neben ihm stehen X I AOR AN WAN G (links) und KO S MAS PA PASTAT H IS (Mitte). [8] RU OY I Y I trägt ein wattiertes Nylonstrumpf-Objekt von Delia Wade; Panty von Hermès; Strumpfhose von Wolford. 1 4 Sagen Sie jetzt nichts 1 6 Gute Frage, Gefühlte Wahrheit, Gemischtes Doppel, Die drei großen Lügen 76 Kosmos 78 Das Kochquartett 79 Getränkemarkt 80 Hotel Europa, Gewinnen, Impressum 81 Das Kreuz mit den Worten 82 Das Beste aus aller Welt Z E I C H E N D E R Z E I T • Emojis für Erwachsene (126) TODS.COM Dein Vater kommentiert alle meine Fotos auf Instagram mit Privatheiten. Das muss aufhören. Titelfoto: Marton Perlaki SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 11
M I TA R B E I T A N D I E S E R A U S G A B E [1] [2] [3] [4] [5] [6] [ 1 ] Um Bilder für ein ganzes Heft über das Central Saint Martins zu machen, muss man nicht nur ein guter Fotograf, sondern auch spontan und ausdauernd sein. Das ist der 37-jährige MA RTO N P E R L A K I. Er lebt in London, geboren und aufgewachsen ist er in Budapest. [ 2 ] Aus 4500 Studierenden diejenigen zu wählen, die fotografiert werden sollen, ist eine Herausforderung. Ohne die Casting-Direktorin J U LIA L A N G E und ihr Team wäre sie kaum zu bewältigen gewesen. Lange war früher Casting-Chefin der Vogue, nun arbeitet sie freiberuflich, etwa für Firmen wie Chanel. [ 3 ] Das Team des SZ-Magazins rund um dieses Modeheft, hintere Reihe, von links nach rechts: Moderedakteurin CA RO LIN E BU C H O LT Z , stellvertretende Art-Direktorin B IRT H E ST E I N BEC K, Bildredakteur R AL F ZIMME R MA N N , Modeleiterin SA MIR A FR IC K E ; vorn: Modeassistentin K IR A MÄ RZ sowie die Redakteurinnen G ABRI E L A H E RP E L L Fotos: Volker Conradus, Ralf Zimmermann, Birthe Steinbeck, Anna Sullivan und MA R E IK E N IE B E R D IN G . [ 4 ] Die 25-jährige J E N N Y L A FE R (links) und MO N A T E H R AN I , 26, haben am CSM Modekommunikation studiert und nehmen uns in ihren Filmen mit in die Werkstätten und Ateliers des Colleges (siehe auch Kasten unten). [ 5 ] Ihnen gilt unser größter Dank: die Studieren- den am C S M, die sich von uns fotografieren und interviewen ließen. [ 6 ] Unsere Bilder zeigen auch Keramiken, Kunstwerke, Baustoffe – diese hat die Setdesignerin H E LL A K EC K , 27, mit ihrem Team für uns im College zusammengetragen. A U F S Z- M A G A Z I N . D E ↔ Mit der »White Show« beenden die De- sign-Studierenden ihr erstes Jahr. Die Show ist ihre Initiation. Jenny Lafer und Mona Tehrani haben für uns einen Blick hinter die Kulissen der »White Show« geworfen. Zu sehen auf: sz-magazin.de/csmfilm SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 13
SAG E N S I E J E T Z T N I C H TS Auf die Frage, warum er zeichne, hat Jean Jullien mal geant- Inzwischen ist er so erfolgreich, dass seine Bilder überall zu Jean Jullien wortet: »Irgendwie mache ich visuell weitaus weniger Fehler, sehen sind. Handtücher, Skateboards, Porzellan, Pullover als wenn ich versuche, etwas mit Worten auszudrücken« – – vor seiner Fantasie ist kaum ein Gegenstand sicher, spon- eigentlich klar, dass er früher oder später bei Sagen Sie jetzt tane Kommentare zum Zeitgeschehen postet er auf Insta- nichts landen würde. Jullien, der immer noch aussieht wie gram, wo ihm mehr als eine Million Menschen folgen, zum ein Junge, obwohl er inzwischen selbst zwei Kinder hat, ist Beispiel – wenige Stunden nach den islamistischen Atten- vieles auf einmal: Künstler, Illustrator, Fotograf, Designer, taten in Paris 2015 – die Tuschzeichnung Peace for Paris: ein GE B O R E N 14. März 1983 in Cholet B E RU F Künstler, Grafiker, Illustrator aber vor allem Zeichner, und wie fast alle Menschen in Amalgam aus dem Eiffelturm und dem Peace-Zeichen. Am AUS B I L DU N G Grafikdesignstudium in Quimper, Studium am Central Saint Martins College diesem Heft studierte er am Central Saint Martins College 20. Februar eröffnet in der Galerie Slika in Lyon seine neue in London. Sein Stil ist kindlich, eher hell als melancho- Ausstellung Les Sources, die er zusammen mit seinem Bruder für Kunst und Design sowie am Royal College of Art STATUS Schön einfach lisch, seine Helden sind Sempé, Yann Le Bec, Tomi Ungerer. Nicolas konzipiert hat. In welcher Stimmung Typisches Kleidungsstück Was machen Sie, zeichnen Sie am besten? von Jean Jullien? wenn niemand zuschaut? Fotos: Thomas Chéné Was unterscheidet Sie von gewöhnlichen Menschen? Wie waren die Leute, die mit Und die Modestudentinnen und Ihre Botschaft an Ihnen am Central Saint Martins College Modestudenten? Harry und Meghan? Grafikdesign studiert haben? 14 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN Weitere Fragen und Bilder finden Sie in unserer App und ab 23. Februar auf sz.de/magazin/ssjn
G E F Ü H LT E WA H R H E I T G U T E F R AG E WANN PARTEIEN ZUR INNEREN GESCHLOSSENHEIT AUFRUFEN »Kürzlich ging auf der Straße eine junge Frau vor mir, die figurbetonte Leggings trug. Durch den Sonneneinfall und die Dehnung des Stoffs etwa beim Treppensteigen wurde die Hose auf der Haut quasi unsichtbar. Nun bin ich nicht sicher, ob es sich um einen modisch freizügigen Trend oder einen unbeabsichtigten Fauxpas handelt. Hätte ich die Frau darauf hinweisen sollen, oder wäre das anmaßend oder bevormundend gewesen?« M O R I TZ P., M Ü N C H E N Im Wahlkampf Vor großen Entscheidungen Im Umfragetief Wenn sie längst heillos zerstritten sind DIE DREI GROSSEN LÜGEN UNTER ALTEN FREUNDEN 1. »Grad so viel los, aber wir kriegen sicher bald ein Treffen hin.« S 2. »Hat Spaß gemacht, es war wieder genau wie früher, oder?« ie klingen aufrichtig besorgt. davon abraten, derjenige zu sein, der ihr Ich gehe davon aus, dass Sie es gut diese Neuigkeit überbringt. Denn erstens: 3. »Bis zum nächsten Mal lassen wir nicht so viel Zeit verstreichen.« meinen und wirklich unsicher Was soll sie denn jetzt machen, wo sie nun sind, wann ein Mann einer fremden Frau mal so auf die Straße gelaufen ist? Die mitteilen darf, dass ihre Kleidung seiner Hose ausziehen? Und zweitens, wie wür- Fotos: action press, Mauritius Images; Illustration: Serge Bloch; alle Autoren-Illustrationen: Grafilu Meinung nach zu freizügig ist. Der richtige den Sie es denn genau formulieren wollen? Zeitpunkt ist: nie. Einfach nie. Beherzi- »Verzeihung, aber wissen Sie eigentlich, GEMISCHTES DOPPEL gen Sie diesen Rat, und Sie werden auf dass Sie untenrum nackt aussehen?« Ich von diesem Gebiet niemals etwas falsch ma- kann mir keine Variante vorstellen, in der STEFFEN EIFERT chen. Übrigens ist es ganz gleich, ob semi- Sie nicht wirken würden wie ein creepy durchsichtige Leggings gerade in Mode old man. Sollte es wirklich so sein, dass sind oder einfach nur ihrer Trägerin die Frau keine Ahnung hat, was Treppen- gefallen: Frauen dürfen sich so freizügig steigen mit ihrer Beinbekleidung anstellt, anziehen, wie sie wollen. Das ist eine der und sollte ihr das darüber hinaus auch Errungenschaften unserer Zivilisation, noch etwas ausmachen, dann wünschen und wenn das jemandem nicht passt, weil Sie ihr einfach insgeheim einen Wetter- es hier und da vielleicht gegen die eigenen umschwung. Beten Sie für Regen. ästhetischen Prinzipien verstößt, dann denke er sich einfach innerlich seinen Teil und sehe woanders hin. Das tun Frauen ja Neuer Schützling Scheuer Nützling auch, wann immer ein älterer Mann mit weißen Socken in Sandalen in ihr Blick- feld gerät. Gehen wir dennoch kurz den Fall durch, JOHANNA ADORJÁN Weitere Gemischte Doppel finden Sie auf sz-magazin.de; um eigene Vorschläge dass die Frau tatsächlich ahnungslos halb- einzureichen, schreiben Sie an nackt durchs Sonnenlicht irrt. Auch in Welches Problem treibt Sie um? Schreiben Sie an gemischtesdoppel@sz-magazin.de diesem Fall möchte ich Ihnen wirklich gutefrage@sz-magazin.de 16 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Neu mal anders Das Central Saint Martins Fotos: Marton Perlaki war stets ein Ort der Produktion. Hier wurde Mode und Kunst, hier wurden Karrieren gemacht. In Zeiten von Klimawandel und Konsum- kritik will sich d as College neu erfinden Text: Mareike Nieberding L i nks → Seit 2011 befindet sich das CSM in einem alten Getreide- O b en → Die »Street« ist ein breiter Gang im College; mal Galerie, mal Bühne, 18 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN speicher im Norden Londons. O b e n → Blick in ein Klassenzimmer. etwa für ein Semesterprojekt des Performance-Studiengangs, wie an diesem Tag. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 19
F rüher war nicht alles besser, aber vieles anders. Früher lag Man weiß nicht, wohin man zuerst schauen soll, so aufregend, exal- das Central Saint Martins College für Kunst und Design tiert, irre, übertrieben und wahnsinnig gut sehen alle aus, die hier in Soho, mittendrin im Nacht- und Pub- und Clubleben über die sogenannte Street spazieren, die »Hauptstraße« der Schule. Londons. Früher, also zwischen 1939 und 2011, als die Dort spielt sich alles ab, hier befinden sich die Kantine, das Audimax, Schultage lang waren, aber die Nächte, die in den umliegenden Clubs ein Laden für Künstlerbedarf und ein Equipment-Verleih. An einem wie dem »Mud Club« oder dem »Taboo« darauf folgten, noch länger. Tag ist die Street eine Galerie für Malerei, am nächsten ein Lauf- Und die manchmal schon am Nachmittag mit einer Fingerspitze Acid steg für eine Abschlusskollektion, zweimal im Jahr baut College- in »Dave’s Bar«, der Cafeteria im Keller des Colleges, begannen. Direktor Jeremy Till, ein 62-jähriger Architekt, hier einen Stand auf: Heute liegt das Central Saint Martins (CSM) hinter den zwei »Dr. Till Surgeries – Bring your sick projects and I will cure them«, großen Bahnhöfen King’s Cross und St Pancras an einem Kanal in was so viel heißt wie »Bringt eure kranken Projekte, und ich werde einem ausgebauten Getreidespeicher. The Guardian sitzt um die Ecke, sie heilen«. An einem Mittwoch im Januar wird sich der Müll gegenüber baut Google sein neues Hauptquartier. »Dave’s Bar« gibt es aus den Recyclingtonnen der vergangenen 24 Stunden durch nicht mehr, aber die Stimmung im College ist immer noch elektrisie- die Street schlängeln, um auf die Klimaversammlung am Nach- rend. In der Kantine läuft ab Viertel nach neun Uhr morgens Techno, mittag einzustimmen. die Kaffeebar ist eingerichtet wie das Set eines Wes-Anderson-Films, Um Viertel nach neun stolzieren aber erst mal Frauen in Anzügen mit roséfarbenen Sofas vor petrolfarbenen Kacheln. Von der Kantine und Männer auf High Heels, in Kleidern und mit flammend rotem aus kann man den Studierenden dabei zusehen, wie sie morgens in langem Haar an einem vorbei; einer trägt Rollkragenpulli, Barett und Richtung Werkstätten und Ateliers schwärmen, schwer beladen mit einen langen schwarzen Ledermantel, das Oberteil seiner Begleitung Ikea-Tüten, aus denen ihre Entwürfe herauslugen. Sie studieren ist so tief ausgeschnitten, ihre Leggings so eng, ihre Haare so glatt, Mode-, Textil-, Schmuck-, Produktdesign und Architektur, Perfor- ihr Gesicht so ebenmäßig, ihre Fingernägel so lang, als sei sie die mance, Kunst und Marketing oder belegen Kurse mit Namen wie kleine Schwester von Kim Kardashian. Dann ein Punk, ein Typ im »Applied Imagination«, angewandte Fantasie. Malerkittel, dahinter eine junge Frau mit roséfarbenen Haaren und riesiger runder Brille, bekleidet mit einer karierten Kittelschürze, sie könnte auch gerade in der Rolle der Zuckerbäckerin für eine Märchenverfilmung gecastet worden sein. Central Saint Martins hatte nie nur einen Look, das College war immer Ausdruck der Vielfalt, zu allen Zeiten. Das College war punk, war disco, war drag, war grunge, war super minimal, und noch tau- send andere Dinge. »Central Saint Martins hat mein Leben verändert, weil ich hier das erste Mal akzeptiert wurde«, sagt Hywel Davies, 45, er ist Programmdirektor des Fachbereichs Mode und kam 1994 aus Wales, um am CSM zu studieren. Man hört diese Sätze oft, von Leh- renden wie von Studierenden: »Ich war ein ›misfit‹« / »Central Saint Martins hat mein Leben verändert.« Das College hat seit jeher Außen- seiter angezogen und eben nicht versucht, sie in Kategorien zu pressen oder zu erziehen, sondern ihnen Räume geboten, um ihre Exzentrik in Kunst, Produkten und Musik, vor allem aber in Mode zu kultivie- ren, denn so richtig berühmt ist das College für sein Modestudium. Vielleicht war das Central Saint Martins auch deshalb der Start- punkt vieler großer Karrieren. Glen Matlock studierte am CSM und spielte dort 1975 mit den Sex Pistols das erste Konzert der Band. In den Achtzigern probierte ein dünner junger Mann mit pech- schwarzen Haaren namens John Galliano auf den Fluren des alten Gebäudes in Charing Cross Road 107 seine von der französischen Revolution inspirierten Rüschenblusen an seinen Freunden aus. Seine Abschlusskollektion »Les Incroyables« gilt noch heute als Be- ginn einer neuen Zeitrechnung in der Mode und hing schon wenige Tage nach der Präsentation im Schaufenster des Modekaufhauses Browns. 1991 stand ein Junge namens Lee Alexander McQueen im ↔ Natalie Gibson, seit 1964 Textildruck-Dozentin ↔ »Viele Studierende sind heute reicher als früher. Eini- ge kaufen teure Stoffe zum Bedrucken; was albern ist, weil sie hier lernen sollten, wertlose Materialien in etwas Wertvolles zu verwandeln.« 20 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Büro von Bobby Hillson, damals Direktorin des Masterstudiengangs die Zukunft zu sorgen. […] Als Künstlerinnen und Designer ist es überzeugt ist: dass Kreativität eine Bedrohung für den Populismus Mode. Ein 22-Jähriger mit schlechten Zähnen, dem Gang eines Boxers unsere Aufgabe, uns eine Welt vorzustellen und zu gestalten, in der darstellt und deshalb wichtiger ist denn je. Weil Kreativität immer und dem schleifenden Akzent Ost-Londons. Er wollte einen Job. Hill- wir alle besser mit weniger leben können.« subversiv sei und so in der Lage, das monolithische Narrativ der son hatte keinen, aber einen Studienplatz, obwohl McQueen, wie er Früher stand am Ende eines Studiums am Central Saint Martins Populisten ins Wanken zu bringen. Und weil Kreativität keine selbst einmal sagte, an Bildung nicht sonderlich interessiert war, aber ein Produkt, ein Kleid, eine Kampagne, ein Stoff, eine Skulptur, ein Grenzen kenne. an Mode umso mehr. Er hatte weder einen Bachelor-Abschluss noch Möbelstück, ein Modell für ein Gebäude oder ein neues Wegeleit- Er hat das College in den vergangenen Jahren geöffnet. Nach innen: die Aufnahmeprüfung absolviert. Was er hatte, waren vier Jahre Er- system. Die Lehre basierte auf der Annahme, dass es okay sei, der Welt Früher arbeiteten die Studierenden vor allem in den Werkstätten ihrer fahrung als Herrenschneider auf der Savile Row, wo er schon Anzüge noch mehr Dinge zuzumuten, solange sie konzeptionell anspruchs- Fachbereiche. Heute sind die Holz-, Metall-, Print-, Druck-, Web- und für Prince Charles geschneidert hatte, und ein wahnsinniges Talent. voll und gut gemacht waren. Diese Annahme gilt nicht mehr. Textilwerkstätten für alle zugänglich und werden fächerübergreifend Diese Talente zu erkennen und zu formen, rühmt sich das Central Das Central Saint Martins steckt mittendrin in der Debatte um genutzt. Und nach außen: Es ist seit vielen Jahren üblich, dass Studie- Saint Martins seit Jahrzehnten. Der Erfolg seiner Absolventinnen und Klimawandel und Konsumverzicht. Für ein Design-College wäre es rende am Central Saint Martins College ihre Projekte nicht im luft- Absolventen gibt dem College recht: Designerinnen wie Stella ein Leichtes, sich diesen Debatten zu entziehen, sich auf die Freiheit leeren Raum realisieren, sondern gemeinsam mit großen Firmen. McCartney, Phoebe Philo, die frühere Chefdesignerin von Celine, und der Kunst, den Markt, die Käufer zu berufen. Unter der Führung von Mode-, Textil- und Schmuckdesignerinnen arbeiten mit Marken wie Sarah Burton, die nach Alexander McQueens Tod sein Label übernom- Jeremy Till geht das College den entgegengesetzten Weg: »Wir sollten Balenciaga, Nike oder Swarovski zusammen, Produktdesigner mit dem men hat, sind Absolventinnen. Genau wie der Musiker Jarvis Cocker die Studierenden nicht auf die Welt da draußen vorbereiten. Wir Autohersteller Renault, Performance-Studierende mit Disney. Die Fir- von Pulp oder die Rapperin M.I.A., Schauspieler wie Tom Hardy und sollten sie darauf vorbereiten, die Welt da draußen zu verändern«, men zahlen dem College bis zu 107 000 Euro für ein Semesterprojekt, Michael Fassbender und der Game of Thrones-Star Emilia Clarke. Eben- sagt er, der als Direktor nicht in einem Einzelbüro sitzt, sondern an um frühzeitig auf die besten Ideen und Talente zu stoßen. Die Studie- so wie die Künstlerin und Turner-Preisträgerin Laure Prouvost und die einem Schreibtisch in einem Großraumbüro inmitten seiner Verwal- renden sollen Erfahrungen mit großen Unternehmen sammeln und letztes Jahr verstorbene Schriftstellerin und Illustratorin Judith Kerr. tungsangestellten. Auf seinem Laptop klebt das Logo von Extinction Kontakte knüpfen. Einige Entwürfe gehen gegen ein Honorar, das Man könnte die folgenden Seiten auch einfach mit Namen berühmter Rebellion. Als Architekt wurde Till 2001 mit einem nachhaltigen direkt an die Studierenden gezahlt wird, tatsächlich in die Entwicklung. Ehemaliger füllen. Dem CSM eilt ein Ruf voraus. Er sorgt dafür, dass Hausprojekt aus Stroh und wiederverwendeten Materialien bekannt, Unter der Leitung von Jeremy Till hat das Central Saint Martins sich bis heute die Besten der Besten bewerben. Allein in der Mode das bis heute als »einflussreichstes Gebäude seiner Generation« be- seine Kooperationen noch erweitert, nicht weg von der Industrie, können die Lehrenden aus über 2000 Bewerberinnen und Bewerbern zeichnet wird. Till mag das Wort Nachhaltigkeit nicht mehr, es klinge aber hin zu mehr sozialen, gesellschaftlichen und politischen Pro- für 120 Studienplätze im Jahr auswählen. »viel zu nett«, aber es sei nun mal der Begriff, der sich durchgesetzt jekten. Das College arbeitet seit einigen Jahren mit dem Stadtteil Aber früher bekamen eben auch Menschen wie Alexander McQueen, habe. Auch will er sich beim Kampf gegen die Klimakrise nicht auf Camden zusammen: Mit Obdachlosen wurde ein Geschichten- Sohn eines Taxifahrers und einer Sozialkundelehrerin, und John Gal- liano, Sohn eines Klempners und einer Tänzerin, einen Studienplatz ↔ Das Studium ↔ die Technik verlassen, er glaubt an eine andere Kraft, die zufällig hier am College gelehrt wird: an die Kraft der Kreativität. Garten angelegt, den sie gemeinsam mit Studierenden pflegen und als Begegnungsort begreifen. Der Fachbereich für Performance hat am Central Saint Martins und damit die Chance, ohne finanziellen Viele starten ihr Studium am Central Saint Martins mit der Aber wie bildet man Designer aus für eine Welt, die nicht mehr, ein Improvisationstheater mit einsamen Senioren in Islington ge- Druck ihre Kreativität zu entwickeln und sie zu kanalisieren. Das »Foundation«. Das ist ein einjähriger Einführungskurs ins Studium, sondern weniger Produkte braucht? Wie bereitet man Studierende gründet. In der Initiative »Design Against Crime« arbeiten Produkt- Studium war damals kostenlos. In den Neunzigern wurden dann Ge- den viele Colleges in Großbritannien anbieten. Danach ist das auf den kulturellen und ökologischen Wandel vor, den sie als Krea- designstudierende mit Gefängnisinsassen, bringen ihnen Nähen und bühren eingeführt, seit die konservativen Tories an der Macht sind, Bachelor- und Masterstudium in acht Fachbereiche – Kunst, Kultur tivdirektoren und Chefdesignerinnen gestalten sollen, von dem aber Schneidern bei und entwickeln mit ihnen Zellenmöbel, die ihren und Unternehmen, Mode, Kommunikationsdesign, Schmuck-, Textil- sind die Studiengebühren beständig gestiegen. noch keiner weiß, wie er aussehen wird? Alltag und so auch ihre mentale Gesundheit verbessern sollen. Bei und Materialdesign, Per formance, Produkt-, Keramik- und Industrie- Heute kosten Bachelor- oder Masterstudiengänge die britischen design und Architektur – gegliedert. Das Studium war bis in die Till sagt: »Wir müssen weg von der Vorstellung, dass Designer nur diesen Projekten geht es nicht unbedingt um die Produkte, die ent- und EU-Studierenden rund 11 000 Euro im Jahr, die internationalen Neunziger kostenlos, nun erhebt das College Gebühren zwischen für das Entwerfen von Objekten zuständig sind. Stattdessen müssen stehen, sondern um die Erfahrungen, die die Studierenden machen. Studierenden bezahlen bis zu 30 000 Euro. Das College bemüht sich 11 000 und 30 000 Euro, je nach Nationalität der Studierenden. sie zu Designern von Situationen und Systemen werden.« Wie, »Es geht um Empathie, um Güte, Großzügigkeit, um kritisches Den- um Stipendien, vergibt auch selbst welche und hat Programme auf- Man kann am Central Saint Martins auch promovieren. das weiß er selbst noch nicht. »Das herauszufinden ist die Aufgabe ken und Zusammenarbeit, das sind die Werte, die wir an diesem gelegt, um Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäusern an künst- unserer Studierenden – sie sind die Designerinnen und Designer College neben den technischen Fertigkeiten, die natürlich auch da lerische Berufe und damit ans College heranzuführen. Aber mit dem der Zukunft.« Till ist um drastische Worte nicht verlegen. Wovon er sein müssen, vermitteln wollen«, sagt Jeremy Till. Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union verschärft sich das Problem, ab nächstem Jahr müssen auch Studentinnen und Stu- denten aus der EU die internationalen Gebühren bezahlen, und für für ein Material einhergeht. Baumwolle zum Beispiel sei direkt mit der das College wird es noch schwieriger, sozial divers zu bleiben. Geschichte der Sklaverei verbunden, ebenso wie Gold mit der gewalt- 40 Prozent der rund 4500 Studierenden sind derzeit sogenannte samen Ausbeutung von Ländern wie Peru oder der Dominikanischen international students. Die meisten von ihnen stammen aus China, Republik. Denkt man das zu Ende, beruht der ganze westliche Wohl- aber auch aus Nigeria, von der Elfenbeinküste, aus Kanada, Südkorea stand, der sich auch darin ausdrückt, wie sich Menschen kleiden und oder Mexiko. Das College ist finanziell von ihnen abhängig, ihre womit sie sich schmücken, auf der Ausbeutung anderer Kulturen. Gebühren machen 41 Prozent des jährlichen Umsatzes der Londoner Jahrzehntelang war es selbstverständlich die Aufgabe einer Insti- Universität der Künste aus, zu der das Central Saint Martins gehört. tution wie dem Central Saint Martins College für Kunst und Design, Und diese Studierenden formulieren Kritik. Am Selbstverständnis ihre Studierenden auf die Produktion dieser Konsum- und Luxus- des Colleges und an der Auseinandersetzung mit der britischen Ge- güter vorzubereiten. Das wird jetzt infrage gestellt. Von Studierenden schichte, die immer auch als Kolonialgeschichte gedacht werden und Lehrenden gleichermaßen. Hierarchien werden verschoben und muss. Sie fordern: »Decolonise«. Das zeigt Wirkung. Gespräche über Ästhetiken und Traditionen möglich, die früher Alle Lehrenden müssen seit 2017 ein Training in »Debiasing Stra- undenkbar gewesen wären. »Das tut manchmal weh, und es ist auch tegies« machen, um unbewusste Vorurteile abzubauen. Außerdem anstrengend, sich selbst und sein eigenes Wissen so radikal in Frage wird bei der Auswahl der Materialien im Fach Textil- und Schmuck- zu stellen, aber letztendlich bringt es uns nicht nur als College, son- design nicht mehr nur über Nachhaltigkeit geredet, so erzählt es die dern auch als Designer und als Gesellschaft weiter«, sagt Anne Marr. Programmdirektorin des Fachbereichs Anne Marr, eine 53-jährige Aber die Veränderungen gehen noch weiter. So steht in dem Deutsche, die seit zwölf Jahren am CSM lehrt, sondern auch über die aktuellen Handbuch für zukünftige Studierende: »Unsere Art der soziale und symbolische Verantwortung, die mit der Entscheidung Kreativität erfordert den Mut, sich um Menschen, den Planeten und 22 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
der verbleibenden zwei Drittel sollen abgegolten werden, und zwar mit einem eigenen Wald! Das Dach soll begrünt und Solarpaneele sollen installiert werden! Über eine Stunde geht das so. SCHLAFEN Dann treten David Cross und Johnny Maclean aus der Arbeits- gruppe »Procurement and Divestment« nach vorne, die sich damit beschäftigt, wie das College in Zukunft mit seinen Einkünften um- gehen und worauf es aus ethischen Gründen verzichten sollte. Der eine ist Künstler und Tutor, der andere studiert Modedesign. Sie for- AUF EINER STILIKONE dern, dass die Londoner Universität der Künste, zu der das Central Saint Martins gehört, jedes Jahr 4,7 Prozent ihres Umsatzes in Maß- nahmen zum Klimaschutz investiert. Die Uni hat im vergangenen Geschäftsjahr 378 Millionen Euro umgesetzt und einen Überschuss von 13,5 Millionen Euro erwirtschaftet. 4,7 Prozent von 378 Millio- nen; das wären knapp 18 Millionen, also mehr als zur Verfügung steht. Als die Umsatzzahlen an die Wand projiziert werden, klappt einigen Studierenden die Kinnlade runter. Viele scheinen nicht ge- wusst zu haben, wie viel Geld ihre Universität umsetzt. Maclean will auch Transparenz schaffen. Zum Schluss sagt er: »Wir brauchen einen strukturellen Wandel in der Art, wie diese Uni geführt wird.« Jubel. Jeremy Till, der auch Prorektor der Londoner Universität der Künste ist, wird der 4,7-Prozent-Forderung gleich nach der Versamm- lung eine Absage erteilen. Der 19-jährige Johnny Maclean, auch mit Extinction-Rebellion-Sticker auf seiner Handyhülle, hat damit ge- rechnet. Er sagt später: »Das Geschäftsmodell dieses Colleges basiert ↔ Jeremy Till, 62, College-Direktor ↔ »Ich bewundere unsere Studierenden sehr. Viele von ihnen klagen über psychische Probleme. Trotzdem produzieren sie Arbeit von höchster Qualität.« Früher war nicht alles gut, aber jetzt wird alles besser? Vor Kurzem auf der Rekrutierung internationaler Studierender, das erhöht un- hat das College mit dem Luxusgüterkonzern LVMH eine Professur seren CO2-Fußabdruck. Dagegen müssen wir vorgehen. Ich will kei- für Nachhaltigkeit eingerichtet. Seit September gibt es einen Master- ne Lippenbekenntnisse, sondern das College finanziell zur Verant- studiengang »Biodesign«, in dem neue Materialien und Herstellungs- wortung für den Klimaschutz ziehen.« Till und er wollen das Glei- verfahren erforscht werden. Eine Biologin und ein Biologe wurden che, einig sind sie sich nicht. Und eigentlich ist damit alles wie eingestellt, um einen Transfer zwischen Kreativwirtschaft und Natur- immer am Central Saint Martins College für Kunst und Design. wissenschaft zu ermöglichen. Im dazugehörigen Labor erforschen Alexander McQueen sagte einmal: »Ich will, dass die Leute nach Studierende Materialien jenseits industriell gefertigter Textilien. Mit meinen Schauen kotzen gehen.« Nur wer sich traut, Autoritäten zu Pilzkulturen werden neue Druckverfahren entwickelt. Die Studentin verstören, hat die Chance, radikal zu erneuern. Für eine Kunsthoch- Elissa Brunato, Absolventin des Masterstudiengangs »Material schule gäbe es wohl kaum etwas Schlimmeres, als einzusehen, dass Futures«, hat eine kompostierbare Paillette aus Holzzellulose ent- früher alles besser war. wickelt. In jedem Kurs sind die Studierenden nun dazu verpflichtet, ihre Materialien auf Nachhaltigkeit zu überprüfen. Wenn Sie zu den Menschen gehören, die nicht jedem modischen Trend Viele Studierende haben sich im vergangenen Jahr politisiert. Im nacheifern, sondern ihrem persönlichen Stil folgen, sind Sie mit Hästens Oktober 2019 fand die erste Klimaversammlung am College statt, in guter Gesellschaft. Seit 168 Jahren verwenden wir ausschließlich es wurden Arbeitsgruppen gegründet. Drei Monate später werden Naturmaterialien und halten an unserem traditionellen Handwerk fest. nun an einem Mittwoch im Januar die Ergebnisse vorgestellt. Rund MAREIKE NIEBERDING Mit unserem Blue Check, dem blau-weißen Karomuster, haben wir eine 400 Menschen sitzen im Audimax. Ziemlich weit hinten sitzt auch Markenidentität geschaffen, in der wir uns nachhaltig wohl fühlen – Jeremy Till, der am Tag zuvor gesagt hat, dass ihm die Projekte der verbrachte fünf Tage in London, um am Central Saint Martins mit Lehrenden genau wie unsere treuen Kunden, weltweit. Foto: Ben Quinton Studierenden in puncto Nachhaltigkeit oft nicht radikal genug seien. und Studierenden über ihr College zu sprechen. Was ihr als Norddeutsche ent- Nun muss er sich anhören, was das College, also auch er, alles anders, gegenkam: Es gab literweise Schwarztee mit Milch. Was ihr in der Woche am BE AWAKE FOR THE FIRST TIME IN YOUR LIFE® | HASTENS.COM besser und sofort machen sollte: Das College soll klimaneutral werden! besten gefiel: die Holzwerkstatt, wo sie der Duft von frisch gesägtem Holz an den Die Lehrkräfte sollen um ein Drittel weniger fliegen! Die Emissionen Gutschein für den Tischlerkurs erinnerte, den sie längst eingelöst haben wollte. AUGSBURG | BERLIN | BRAUNSCHWEIG | DÜSSELDORF | ERLANGEN-NÜRNBERG | FLENSBURG | FRANKFURT HAMBURG | HANNOVER-GARBSEN | KASSEL | KÖLN | MÜNCHEN | SYLT | TÜBINGEN | WÜRZBURG-SOMMERACH 24 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Die Mode-Stars der Zukunft Fotos: Marton Perlaki Styling: Samira Fricke Studierende des CSM erzählen, was ihre Uni einzigartig macht. Dazu zeigen sie die Meisterstücke ihrer Kommilitonen und die aktuelle Sommermode Texte: Gabriela Herpell und Mareike Nieberding Re chte Seite → M ODEL Simon Grancher, 19, Performance Design and Practice (B.A.), T R ÄGT ein Hemd von Celine by Hedi Slimane. Hose von Shinichi Haga. Großer Ring rechts von Alexander McQueen. Pullunder, Lederharness, Krawatte, weitere Ringe und Schuhe privat. Im Hintergrund die Klasse des Masterstudiengangs Applied Imagination. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 27
M O D EL Anika Wouhra, 19, Kommuni- MO D E L Finn Smith Ogg, 20, kationsdesign (B.A.), T R ÄGT ein Kunst (B.A.), TR ÄGT Mütze, Mantel, 28 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN Kleid mit Korsage, von Talia Lipkin-Connor. Hemd, Hose und Schuhe von Prada. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 29
↔ Jack Sommerville, 21, aus Haworth, Yorkshire, studiert Kunst (B.A.) »Ich glaube, dass ich eigentlich nicht an eine Universität passe. Gleich- Position stärken. Du sollst dich nicht entschuldigen, sondern erklären, zeitig finde ich gut, wie sie diesen Kurs hier machen. Sie lassen uns warum du Hilfe gebraucht hast. Gerade läuft eine Ausstellung in einer malen, ab und zu gibt es Feedback, aber wir sind zu 90 Prozent auf uns Galerie, The Locked Room. Sie zeigt, wie Studierende 1969 einen ganzen selber angewiesen. Ich wünsche mir ehrlicheres, brutaleres Feedback. Tag in einen Raum eingeschlossen wurden mit zum Beispiel Styropor In der Mode haben sie Kameras, sie nehmen den ganzen Tag auf, was als Material, sie durften zum Essen raus und auf die Toilette, aber nicht in den Ateliers passiert, und wenn einer sich bei einem anderen Rat miteinander reden, auch nicht mit den Lehrern. Am Ende haben sie holt, fragen die Lehrer nach. Das hört sich grausam an, aber sie wollen Kunst hervorgebracht. Richard Deacon war Teil der Klasse damals, das Ob en → MODEL Aramatou Re chts → Zwei Toure, 30, Textildesign (B.A.), Models hinter den dich nicht kaputt machen, sie wollen dich vorbereiten. Dich in deiner war radikal, und ich wünschte, sie würden so etwas noch hier machen.« T R ÄGT Blazer, Korsage und Kulissen der Moden- Strumpfhose von Sophia Mingoia. schau »White Show« M O D EL Jack Sommerville T R ÄGT eine Hose von Ringe von Hermès. Plateau- des Bachelorstudien- 30 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN Craig Green. Schal von Coach. Pullover und Schuhe privat. schuhe von Linus Leonardsson. gangs Modedesign.
↔ Sarah Gresty, Leiterin Bachelorstudiengang Mode »Die ›White Show‹ ist das große Projekt der Design- zu präsentieren. Es gibt viel Aufmerksamkeit; die ›White Show‹ Studierenden im ersten Jahr. Ihre Initiation. Egal in findet immer kurz vor Weihnachten statt und ist weit über London welche Richtung sie gehen möchten, Mode, Journa- und die Schule hinaus bekannt. Jetzt kommt der Brexit, das macht lismus, Styling, Fotografie, sie produzieren ihre eige- mir große Sorgen. Die Bewerbungen vom Kontinent sind weniger, ne Show mit allem, was dazugehört, vom Motto weil es komplizierter wird. Dabei ist der Kulturaustausch so be- über die Einladungen, Licht, Musik, Werbung, alles. reichernd. Gleichzeitig wird es für die britischen Studenten schwie- Und jeder oder jede muss einen Look in Weiß riger, ihr Praktikumsjahr bei Unternehmen in Frankreich zu machen. kreieren und sich ein Model für den Laufsteg suchen, das sind Ich war bei Kenzo während meines Studiums, ich möchte diese natürlich oft Kommilitonen, was auch gut ist, denn so lernen sie, sich Chance nicht missen.« Di es e S eite → MODEL Ruoyi Yi TR ÄGT ein wattiertes Nylonstrumpf-Objekt von Delia Wade, 23, Modedesign (Graduate Diploma). Panty von Hermès. Strumpfhose von Wolford. Re chte S e ite → MODELS Xiaoran Wang (links) und Kosmas Papastathis (Mitte); Ruben Madelon (rechts) T R ÄGT einen Entwurf von Anudary Khainzan-Jargalsaikhan auf der »White Show«. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 33
Model: Nina @ Tomorrow Is Another Day M ODEL Francisca Mendes, 21, Kommunikationsdesign MO D E L Nina Kunzendorf T R ÄGT ein noch (B.A.), TR ÄGT ein Kleid von Proenza Schouler. Tüllrock nicht vollendetes Kleid in der Form einer Walflosse als von Dries Van Noten. Tanktop von Champion. Schuhe von Arbeit für die Abschlusskollektion, von Jegor Pister. Dr. Martens. Longsleeve und Schmuck privat. Schuhe von Jimmy Choo. Ohrringe von & Other Stories. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 35
↔ Fabio Piras, 56, Direktor Masterstudiengang Mode Ehrlich zu sein. In diesem Job gibt es keinen Platz für Verlogen- heit, weil man damit das Spiel verfälscht. Ein Mindestmaß an Höflichkeit, das Louise nicht immer hatte, gehört für mich auch dazu. Zur Ehrlichkeit kommt Großzügigkeit. Einige Studierende haben ein Talent, das ich nie hatte. Sobald mir das ein schlechtes Gefühl bereitet, bin ich nicht mehr richtig hier. Und ich habe von Louise ge- lernt, meinen Studierenden ab- solut verpflichtet zu sein. Wenn ich mit ihnen über ihre Kollek- tionen spreche, zählt nichts an- deres auf der Welt. Woran liegt es, dass dieser Studiengang seit mehr als 30 Jahren erfolgreiche Modedesignerinnen und Modedesigner her- vorbringt? Weil wir unseren Studierenden nicht beibringen, Kleider zu ent- werfen. Das lernen sie vorher. Wir bereiten sie darauf vor, Krea- tivdirektorinnen oder Chefde- „SCHÖNHEIT KENNT signer zu werden. Und das fängt bei der Kreativdirektion für die eigene Abschlusskollektion an. KEIN ALTER.“ Wir treiben sie dazu an, eine Das große Finale eines geber von unseren Studierenden gibt auch andere Wege, sich eigene Identität zu entwickeln. Masterstudiums Mode erwarten. Deshalb müssen ihre bekannt zu machen. Und wenn Wie unterrichten am Central Saint Martins Kollektionen mit den Kollek- wir nicht so streng wären, dann Sie das? bildet die Abschluss- tionen während der London wäre dieser Studiengang nicht so Indem mein Team und ich uns Show im Rahmen der Fashion Week mithalten können. erfolgreich. bis zur Erschöpfung den Stu- London Fashion Week. Das ist ein sehr hohes Level, und Richtig berühmt gemacht dierenden und ihren Ideen Bei Ihnen studieren nicht alle Studierende erreichen hat diesen Kurs Ihre Vor- widmen. Ich unterrichte nicht 38 Menschen, aber nur dieses Level – auch nicht alle, die gängerin Louise Wilson, Mode, ich diskutiere Mode. In 21 dürfen ihre Kollektion gut sind. unter der viele später diesem Kurs geht es darum, S C H AUS P IEL E R IN dort zeigen. Warum? Die Studierenden arbeiten bekannte Designer wie Individuen auszubilden, die in Die Show ist nicht nur die Ab- zwei Jahre lang auf Alexander McQueen der Lage sind, eigene gut infor- schlusspräsentation eines Colle- diese Show hin. Wird für studiert haben und die mierte Entscheidungen zu tref- ges. Die Show des Masterstudien- manche von ihnen sich selbst einmal als fen und zu ihnen zu stehen. Für mehr Elastizität und Kontur gangs Mode ist ein Statement, das nicht eine Welt zusam- »rude and bossy bitch« Menschen, die resilient sind und wir als Designhaus abgeben. menbrechen? (unhöfliche und herrische somit in der Lage, die Mode- Reduzierte Faltentiefe Wie meinen Sie das, Ich hoffe nicht, dass für sie eine Zicke) beschrieb. 2014 industrie nicht nur zu kriti- »als Designhaus«? Welt zusammenbricht. Einige starb Wilson mit 52 Jah- sieren, sondern sie in den ent- Weniger Feuchtigkeitsverlust Wir führen diesen Studiengang werden enttäuscht sein, weil die ren an Krebs. Sie über- scheidenen Momenten auch zu wie ein Haute-Couture-Atelier, Show eine gute Chance für sie nahmen, nach 20 Jahren verändern. Denn einige von Jüngeres Aussehen mit dem gleichen Grad an Pro- wäre, sich zum ersten Mal der in ihrem Team. Was haben ihnen werden einmal sehr viel fessionalität, den künftige Arbeit- Welt zu präsentieren. Aber es Sie von Wilson gelernt? Macht haben. B i l d o b e n → Fabio Piras in seinem Büro. Zu seiner 36 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN Linken hängt auch ein kleines Foto von Louise Wilson. NIVEA.de
↔ Paolina Russo, 24, aus Toronto, Kanada, studiert Mode (M.A.) »Ich bin in einem Vorort von Toronto aufgewachsen. wie ich mir das vorstelle. Im März mache ich meinen Abschluss. Ich Es war mir immer wichtig, was ich anziehe, ich bin gut vorbereitet auf alles, was kommt. Ich war sieben Jahre hier. wollte gut aussehen, aber ich habe nie darüber nach- Im Bachelorstudium entwickelst du eine Vision, im Masterstudium gedacht, wer Mode entwirft oder herstellt, bis ich verfolgst du sie. Ich möchte in England bleiben, ich werde ein Talent- nach London kam. Ich kam schon zum Einführungs- Visum beantragen und meine Projekte angehen. Ich habe auch Lust studium Kunst her, und meine Lehrer meinten, ich auf die geschäftliche Seite. Ich habe während meines Masterstudiums sollte mich auf Mode spezialisieren. Mir kam das angefangen, mit Adidas zu kooperieren, das geht weiter. Ich möchte entgegen, weil ich gern etwas mit den Händen mache und praktisch Mode machen, die hochwertig ist und die Menschen wirklich tragen veranlagt bin. Ich war schnell begeistert von Farben, Textur, Mustern. können. Ich weiß, dass man sich das kaum vorstellen kann, wenn Ich liebe es, Problemen auf den Grund zu gehen und sie zu lösen, man sich meine Kollektion jetzt anschaut. Sie ist recht wild. Aber so habe ich mich aufs Stricken spezialisiert. Wenn du deine eigenen ich weiß, welche Geschichte ich mit der Kollektion erzählen möchte. Stoffe erfindest, bist du total frei. Als ich meinen B.A. gemacht habe, Und ich weiß, wie ich daraus Mode entwickle, die tragbar ist. Und habe ich eine Stricktechnik entwickelt, durch die der Stoff, der üb- ich weiß, dass ich vor allem an mich glauben muss. Das lernst du rigens dünn ist wie Trikot, aus zwei Perspektiven völlig unterschied- hier. Du lernst, ohne Lob auszukommen. Du lernst, dass deine Vision lich aussieht. Für mich ist das Ding nicht, die Kollektion zu nähen, in Ordnung ist, auch wenn du am Ende scheiterst. Aber klar, du das Ding ist, die Stoffe herzustellen. Ich lasse in einer Fabrik im wirst unsicher, es ist unglaublich hart, bei sich zu bleiben, wenn die Norden Englands stricken, auf Stoll-Maschinen. Ich fahre ständig Unsicherheit einem immer dazwischenfunkt. Das ist die Last, die hin und her und wache darüber, dass alles exakt so gemacht wird, man trägt, wenn man kreativ arbeiten möchte.« Portätfoto: Craig Gibson Lin ke S eite → MO D E L Nancy Nicholls, 19, Textildesign (B.A.), T R ÄGT eine Korsage von Paolina Russo. Strumpfhose von Falke. Rote Pumps von Tod’s. Armreife von Hermès. Kette von Saskia Diez. D ies e S eite → MO D E L (vorn Mitte) Feranmi Eso, 19, Modekommunikation (B.A.), T R ÄGT einen Pullover von Loewe. Hose von Martin Tual. Schuhe von Shinichi Haga. MO D E L (ganz hinten Mitte) Zhongyang Xia, 19, Textildruck (B.A.), T R ÄGT einen Mantel von Dries Van Noten. Hemdblusenkleid privat. MO D E L (ganz rechts) Solenne Choi, 19, Modekommunikation (B.A.), T R ÄGT ein Kleid von Masha Popova. 38 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN Strumpfhose von Falke. Sneakers von Nike.
Ob en → Pinkfarbene Handschuhe links von Dries Van Noten. Schwarzer Tüllhandschuh ganz rechts und gelbe Lederhandschuhe Mitte von MO D E L Rachel Callender, 23, Modedesign Herren (B.A.), T R ÄGT einen Ohrring von Thomasine. Alle anderen von Roeckl. Unten → MODEL Nora Bzheta TR ÄGT einen Entwurf von Sofia Castellon auf der »White Show«. Alexander McQueen. Samtoberteil von Dohan Jung. Darunter ein Kleid von Bottega Veneta. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 41
↔ Finn Smith Ogg, 20, aus Newcastle, studiert Kunst (B.A.) ↔ »Ich male gerade abstrakt, in Öl. Aber ich möchte in die Skulpturenklasse wechseln. Wichtiger Teil unseres Studiums ist, unsere Ideen zu formulieren. Es ist nicht damit getan zu sagen, das habe ich einfach so gemacht. Es kann einen sehr nervös machen, dass man hier von so vielen tollen Leuten umgeben ist.« Lin ke S eite → D ies e S eite ob en → MO D E L Finn Smith Ogg Studenten aus dem Bachelorstudien- T R ÄGT ein Hemd von gang Modedesign und Modekommuni- Hermès. Hose und Rüstung kation während einer Präsentation aus Pappe von Po-Chieh ihrer Arbeit. Rechts → Armreife 42 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN Chiu. Loafer von Church’s. von Emporio Armani.
Vo n o b e n l i nks na c h u nte n re c hts → Model Harry TECHNO CLASSICA ESSEN Godfrey backstage auf der »White Show«, Giulia Mucci, 25, Modekommunikation 23.-29. MÄRZ 2020 HEINZBAUER.COM 44 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN (M.A.), Emily Rose Barker, 21, Kunst (B.A.), Elaoise Benson, 19, Kunst (B.A.). STAND: H3-128 +49-7121-620626
↔ Vasilisa Petrova, 19, aus Moskau, Russland, studiert Kommunikationsdesign (B.A.) ↔ »Man muss sich hier selber pushen. Du musst der Schule was geben, um etwas zurückzubekommen. Niemand sagt dir, was du tun sollst. Das musst du selber herausfinden.« Linke Seite → MODEL D ies e S eite ob en → Vasilisa Petrova T R ÄGT ein MO D E L Nancy Nicholls, 19, Tüllkleid von Noir Kei Ninomiya. Textildesign (B.A.), T R ÄGT Strumpfhose von Kunert. einen Hosenanzug von Chanel. Boots von MSGM. Großer Ring Stulpen von Masha Popova. links von Alexander McQueen. Re chts → Schuh von Andere Ringe privat. Bottega Veneta. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 47
Lin ke S eite → MO D E L Ying Luo, 22, Textildesign (B.A.), T R ÄGT ein Ringelshirt von Michael Michael Kors. Kleid, 48 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN grüner Unterrock und Schuhe von Molly Goddard. Strumpfhose von Gucci. D ies e S e i te o b e n → Fransentasche von Hermès.
↔ Paolo Carzana, 24, aus Wales, studiert Mode (M.A.) Wann wussten Ungerechtigkeit, die mir wider- dass sie in Kleidung ihre Wir- kann Frauenmode Männermode Sie, dass Sie fahren ist und mit der ich um- kung entfalten können. Mir ist anregen? Die Fragilität und die Modedesigner gehen musste. Natur sehr wichtig, unsere Um- Stärke der Frauen. Für mich werden wollen? Sie meinen das Mobbing? welt, soziale Aspekte. Viele Leute, spielt das Geschlecht eine unter- In der Schule Nein, ein viel dunkleres Kapitel. die sich für Nachhaltigkeit ein- geordnete Rolle. Aminat und wurde ich ge- Es geht um Männer, die kontrol- setzen, sagen, wir brauchen kei- Frankie zum Beispiel sind meine mobbt, aber ich lieren wollen, um Machtmiss- ne Mode mehr. Ich wollte mit Freunde, sie modeln für mich, hatte trotzdem eine gute Zeit, brauch. Darum habe ich diese diesem Projekt auch zeigen, dass und wir entwickeln Ideen zu- denn ich bin mittags in die überdimensionalen Jackets ent- Mode eine neue Relevanz haben sammen. Ihre Energie steckt in Kunstklasse gegangen, und die worfen, die große Schatten wer- kann. den Kleidern. Übrigens sitzt Kunstlehrer wurden meine fen. Das war meine Art, mit dem Was tun Sie für bei dem langen Kleid auf Freunde. Einer meiner Lehrer Schmerz umzugehen. Während Nachhaltigkeit? dem Foto Aminat auf Frankies hat mich auf Gianni Versace meiner Zeit hier habe ich mich Ich benutze Packpapier für mei- Schultern. aufmerksam gemacht, und ich aus dem Schatten lösen können, ne Modelle, keine Baumwolle, Haben Sie an der Uni habe mich in seine Arbeit ver- ich fühlte mich wiederherge- das ist weniger belastend für die mehr über Mode oder über liebt. Da muss ich so zwölf ge- stellt. Mein Leben ist viel heller Umwelt. Eines meiner Kleider sich selber gelernt? wesen sein, oder 13. Der Über- geworden, das zeigt sich in mei- habe ich aus alten Pullovern Die Lehrer hier ermutigen uns, gang von der Kunst zur Mode ner Kollektion, darum habe ich aus Wohlfahrtsläden zusammen- herauszufinden, wer wir sind, kam für mich fließend. Wenn sie »The Boy who came back to genäht. Ich habe sie gekauft und und unsere Erkenntnisse in un- die anderen in der Schule in life« genannt. versuche, sie zu etwas ganz Be- sere Arbeit einzubringen. Dass Kunst Bilder malten, habe ich Das hört sich an wie sonderem, Neuem zu machen. wir die Bedeutung dessen be- versucht, aus allen möglichen ein Roman. Anderes Material bekomme ich greifen, was jeder von uns der Materialien Kleider zu machen. Ja. Und darum ist jetzt Heilung aus Wales, gewirkte Stoffe nach Welt zu bieten hat. Und wo wir Alle dachten, das sei verrückt, mein Thema. Wie kann ich das uraltem walisischem Handwerk, uns in der Industrie sehen, wenn aber ich hoffte, das würde mein in meine Arbeit übersetzen? Vo- einer Technik aus dem 18. Jahr- überhaupt. Weg sein. Ich habe es sogar ge- rigen Sommer ging ich auf eine hundert. Ein Hemd ist aus Lo- Wie in einer Therapie? schafft, in meinem Praktikums- Pilgerreise nach Norditalien und tusseide, die von sich aus schon Absolut. Es ist hart, hier zu jahr während des Bachelor- Wales, meine beiden Herkunfts- viele gute Eigenschaften hat: Sie studieren, viele Studenten sind Studiengangs bei Versace in länder sozusagen, denn ich bin ist atmungsaktiv, wirkt beruhi- extrem ehrgeizig. Und darum Mailand zu arbeiten. Halbitaliener. Ich suchte nach gend und ist mit Färberkrapp auch empfindlich. Ich habe da- Sie hatten gestern einen heilenden Quellen, in Saturnia und Hamamelis gefärbt, Pflan- mit Probleme gehabt. Dabei wichtigen Termin: die in Italien und in Taff’s Well in zen, die Wunden und Krampf- denke ich, jeder wird seinen letzte Präsentation Ihrer Wales. Seit Hunderten Jahren adern heilen können. Wenn man Platz finden. Wir sollten uns Abschlusskollektion. sind die Menschen dorthin ge- das Hemd trägt, trägt man nicht bekämpfen, sondern uns Wie ist es gelaufen? pilgert, um sich heilen zu lassen. gleichzeitig all das auf der Haut, helfen. Ich hatte Glück, ich Gut. Sehr gut sogar. Es geht ei- Die Idee war – und ich weiß, das was einem guttut. Lavendel bei- wurde vom British Fashion gentlich nicht darum, etwas an klingt sehr konzeptionell –, dass spielsweise hilft gegen Angst, Council unterstützt. der Kollektion zu ändern, son- die Energie des Wassers in das und ich mag die Vorstellung, Meinen Sie Stipendien? dern sie zu vervollständigen. Material, mit dem ich arbeite, dass der Lavendel den, der dieses Ja, sonst könnte ich als Angehö- Können Sie Ihr Konzept einsickert. Dass ich also eine Kol- Hemd trägt, entspannt. riger der Arbeiterklasse nicht erklären? lektion entwickle, die heilende Sie machen Männermode. hier sein, und ich hätte auch Meine Master-Kollektion baut Kräfte hat. Ich habe mich mit Stimmen Sie zu, dass meinen B.A. nicht ohne Stipen- auf meiner Bachelor-Kollektion 300 Pflanzen beschäftigt, die seit man sie gleichzeitig als dien machen können. auf. Diese hatte ich »The Boy Hunderten Jahren in der Medi- feminin bezeichnen kann? you stole« genannt. Sie war ex- zin benutzt werden, und die aus- Das ist ein anderer sehr wich- trem persönlich, es ging um eine gewählt, von denen ich dachte, tiger Teil meiner Arbeit: Wie Lin ke S eite → MO D E LS Aminat Seriki und Frankie Staples T R AG E N einen Entwurf aus der Abschlusskollektion von Paolo Carzana. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 51
L i n ke u n d d i es e S e i te → Studenten aus dem Bachelor-Studiengang Modedesign und Modekommunikation Ob e n → M OD E L Thomas Oliver, 20, Kunst (B.A.), T R ÄGT ein Jackett von Marni.
↔ Ellie Byrne, 20, von der Isle of Man, studiert Textildesign (B.A.) »Ich habe mich auf Strick spezialisiert. Wir können wählen, ob wir gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Viele an der Uni kommen vom am Ende ein Kunstobjekt, Inneneinrichtung oder Mode aus unserem Land, wir alle hatten den großen Traum London. Das Studium ist so Stoff herstellen. Zuletzt habe ich Unterwäsche aus Strick und Spitze anstrengend, dass ich glaube, so möchte ich nicht immer weiter- gemacht, der Arbeitstitel war ›Fluktuation‹. Ich komme von einer machen. Wenn man eine Deadline hat, kommt man spätestens um Insel zwischen England und Irland, einer sehr kleinen Insel, es regnet zehn und geht um Mitternacht. Und nicht nur die Uni ist krass, auch immer, und man hört das Meer in dem Haus, in dem ich aufgewach- London. Anfangs fand ich es so laut! Und wenn man nicht so viel sen bin. Die Regierung der Isle of Man hat als Erste der Welt das Geld von zu Hause hat, muss man am Wochenende auch arbeiten. Wahlrecht für Frauen eingeführt, aber jetzt erst Abtreibung und die Ich habe in einer Bar gekellnert, aber gerade schaffe ich das nicht.« Lin ke S eite → MO D E L Isaac Plowright, 22, Kunst (B.A.), T R ÄGT eine Hose und Schuhe von Balenciaga. T-Shirt privat. 54 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN D ies e S eite → MO D E L Ellie Byrne T R ÄGT ein Kleid und eine Tüllbluse von Simone Rocha. Brille von Cubitts. Ohrringe privat.
↔ Nancy Nicholls, 19, aus Manchester, studiert Textil- design (B.A.) ↔ »Ich hatte bisher nicht viel mit Stoffen zu tun. Im ersten Jahr geht es ums Experimentieren. Neulich sollten wir darüber nachdenken, was wir beim Anblick zerbrochener Tontöpfe fühlen, und etwas zeichnen, angeregt von den Silhouetten, dann haben wir aus unseren Ergebnissen eine Skulptur gemacht.« Lin ke S eite → MO D E L Nancy Nicholls T R ÄGT einen Roll- kragenpullover von COS. Kleid mit Fransen von Jil Sander. Strumpfhose von Paolina Russo. D ies e S eite → MO D E L (links) Sihao Chen, 20, Textildesign (B.A.), T R ÄGT ein Oberteil mit Lederbändern, von Daisy Yu. Panty von Hermès. Schwarze Leggings darunter privat. Strümpfe von Esprit. MO D E L (rechts) Francisca Mendes, 21, Kommunikationsdesign (B.A.), T R ÄGT ein Kleid von Masha Popova. Darunter Kleid mit schwarzen Fransen 56 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN von Joseph. Re chts → Transparenter Gürtel von Giorgio Armani.
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