OForum - Pro Bahn Schweiz
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Fo rum I n fo www.pro-bahn.ch Pro Bahn Schweiz • Pro Rail Suisse • Pro Rail Svizzera Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs 4/12 Bild: Hansjörg Egger Vorbild Graubünden Mit Bahn, Bus und Seilbahn unterwegs in abgelegenen Gegenden Güterverkehr und Verlagerung: Interview mit Bundesrätin Doris Leuthard Schwerpunkt „öV in Randregionen“ ab Seite 3 Schwerpunkt 2/2011 InfoForum 1
Editorial Inhalt Schwerpunkt ÖV in Randregionen Gegen Abbau in Randregionen........................3 Überlegungen von VöV-Chef Ueli Stückelberger............................................4 Fest verankert: Jurabahnen..............................5 Positives und Negatives aus der Ostschweiz .....6 Kurt Schreiber Regionalbahn: Vorbild Graubünden.................7 Jenseits des Passes: Simplon-Dorf.....................8 Präsident Tösstal und Fahrt nach Montreux.....................9 Pro Bahn Schweiz Progressi in Ticino..........................................10 Fortschritte im Tessin......................................11 Uri als Seilbahn-Eldorado...............................12 Aktuell Fragen D Sie beherrschen immer wieder das Tagesgeschäft. Es gilt, gute Antworten und damit verbunden gute Lösungen zu finden, wie das beispielsweise am Infrastrukturtag des Eidg. Probleme beim Genfer Tramnetz.............. 13-14 Zentralbahn: „Adler“ im Test.........................15 InnoTrans: News aus Berlin.............................16 Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK der Fall war. Bun- Ouestrail-Kolloquium in Yverdon....................17 desrätin Doris Leuthard hat am Infrastrukturtag 2012 des UVEK dazu Stellung bezogen Zur TransRun-Abstimmung in Neuenburg.......17 – sie tut es auch hier im InfoForum. Leserbriefe............................................... 18-19 Lohnt sich ein Besuch in einer Randregion, abseits der grossen Zentren? Die Antwort lautet „ja“, wie dies die Vorschläge in diesem Heft aufzeigen. Daneben wird zu vielen Güterverkehr andern Fragen in dieser Ausgabe Stellung bezogen. Lastwagen feiern Sylvester in Luzern..............20 Persönliche Fragen sind solche nach Gesundheit und persönlichem Wohlergehen. Ich Interview mit Bundesrätin Doris Leuthard.......21 hoffe, dass sie bei unserer Leserschaft positiv beantwortet werden können und wünsche ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr. Pro Bahn intern.......................... 22-23 Questions F Poser les bonnes questions et trouver les solutions adéquates, comme lors de la Journée des Infrastructures du Département fédéral de l’environnement, des transports, de Impressum InfoForum 4/2012, Versand: 15. Dezember 2012 Herausgeber Pro Bahn Schweiz (PBS) l’énergie et de la communication (DETEC) 2012. C’est à cette occasion que la conseillère Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs fédérale Doris Leuthard a pris position sur plusieurs thèmes. Elle le fait également ici, Postfach 2224, 8021 Zürich dans InfoForum. T 044 741 49 90, M 079 401 05 40 www.pro-bahn.ch, info@pro-bahn.ch Cela vaut-il la peine de se déplacer dans les régions périphériques éloignées des grands Postkonto: 82-4920-4 centres urbains? La réponse est «oui», comme le démontrent les propositions avancées Redaktion Gerhard Lob (gl) dans cette édition. Vous pourrez aussi découvrir les prises de positions face à de cp 361, 6604 Locarno T 091 752 38 29 nombreuses autres questions. cescato.lob@ticino.com Les questions personnelles sont celles qui touchent la santé et le bien-être. J’espère Mitarbeit Pro Bahn Elena Bacchetta, Romeo Degiacomi, Edith Dutler , Edwin qu’elle répondra de manière positive nos lecteurs, à qui je souhaite d’ores et déjà de Dutler, Walter Holderegger, Thomas Lendenmann, Sylvain Meillasson, Hans Schärer, Kurt Schreiber, Andreas Theiler belles fêtes et une excellente année 2013. Bilder Pressedienste, Redaktion, soweit nicht anders erwähnt Korrektorat Stefan Schweizer Inserate und Druck Rub Media AG Seftigenstrasse 310, 3084 Wabern Domande I Postfach 6364, 3001 Bern T 031 380 14 95, F 031 380 14 91 Porre delle domande è importante. Ma si devono trovare risposte e soluzioni valide, come zeitschriftenverlag@rubmedia.ch ad esempio in occasione della giornata per le infrastrutture organizzata dal Dipartimento Grafisches Konzept und Layout mbDesign Marco Bernet, Konzept und Gestaltung federale dell’ambiente, dei trasporti, delle tecnologie e delle comunicazioni (DATEC). In Holderbachweg 24, 8046 Zürich T 044 362 76 77, M 079 472 35 62 occasione di tale giornata Doris Leuthard ha preso posizione sui vari argomenti e oggi si marco.bernet@bluewin.ch esprime pure su InfoForum. Auflage Ha senso visitare una regione periferica, lontana dai grandi centri? La risposta è «sì»: La 2000 Exemplare, 4 x jährlich Mitgliedschaften nostra rivista porta esempi che delucideranno questa risposta ma non mancherà di trattare Europäischer Fahrgastverband, Europäischer Verband für anche altre tematiche. die Entwicklung des Schienenverkehrs Ci sono pure domande personali inerenti la salute e il benessere. Sperando che i nostri Nächste Ausgaben InfoForum 1/2013, 14. März 2013 lettori possano dare a quest’ultime risposte positive auguro a tutti serene festività natalizie Inserate- und Redaktionsschluss: 20. Februar 2013 e un buon anno nuovo. InfoForum 2/2013, 13. Juni 2013 Inserate- und Redaktionsschluss: 22. Mai 2013 2 InfoForum 3/2012 Editorial
ÖV in Randregionen Die Zukunft der Regionalbahnen Eine Umstellung auf Busbetrieb dürfte in der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe stossen. Gerhard Lob Die Schlagzeile vom 14. Oktober allenfalls die Umstellung auf Busbetrieb eine 1960er Jahren wurde dieser Fehler schon ein- 2012 in der „NZZ am Sonntag“ war ein Schock: valable und kostengünstigere Alternative wäre. mal begangen. Heute trauert man vielen einge- „Bundesrat prüft Stilllegung jeder zweiten Regio- Damit könnten Fehlinvestitionen vermieden stellten Schienenverbindungen nach, vor allem nalbahn.“ Entsprechend gingen die Wogen nach werden; der öffentliche Verkehr würde durch wenn Busse im Verkehrschaos stecken bleiben. diesem Sonntag hoch. Kantone, Gemeinden und eine kritische Prüfung von Investitionsentschei- Zudem steht die Stossrichtung teilweise in etliche Verbände protestierten. Kein Wunder: den gestärkt. Widerspruch zu Investitionsplänen. Welchen Wer sich die Liste mit den betroffenen Bahnen Sinn hätte es beispielsweise, im Moment in die anschaute, musste feststellen, dass hier nicht nur Widerspruch zu Investitionen neue Bahnlinie Mendrisio–Stabio–Varese Millio- zweitrangige Linien in abgelegenen Gegenden Bei Linien mit besonders tiefem Kostende- nen von Franken zu investieren, wenn gleich- betroffen waren, sondern auch Verbindungen ckungsgrad – das BAV stellt einen Wert von zeitig Zulauflinien auf Bus umgestellt würden? wie die S-Bahn zwischen Bern und Freiburg oder weniger als 30 Prozent zur Debatte – soll diese Gleichwohl kann es Beispiele geben, in wel- das gesamte S-Bahn-Netz Tilo im Tessin. Überprüfung alle vier Jahre durchgeführt wer- che die Umstellung im Regionalverkehr auf Bus Inzwischen hat das Bundesamt für Verkehr den. Auch hier ist die Überprüfung kein Vorent- sinnvoll und sogar erfolgreich ist. Dies lässt sich (BAV) die Stossrichtung der Prüfung des Kosten- scheid, dass tatsächlich umgestellt wird. In den nicht leugnen. Das InfoForum hat dies am Fall deckungsgrades bei regionalen Linien präzisiert. Prüfverfahren müssten die Kantone das bisheri- der Buslinie Spiez–Thun aufgezeigt (InfoForum So sollen die 175 Linien, welche ihre Kosten zu ge Bahn- einem Busangebot gegenüberstellen 3/2011). Überhaupt muss gelegentlich in Erin- weniger als 50 Prozent decken, keineswegs au- und die Vor- und Nachteile abwägen. nerung gerufen werden, dass öV nicht nur aus tomatisch auf Busbetrieb umgestellt werden. Trotz dieser Präzisierungen dürfte der Ge- Bahnen, sondern auch aus Bussen, manchmal Vielmehr schlägt das BAV vor, bei diesen Lini- danke, Bahnlinien in grösserem Ausmass auf sogar Seilbahnen besteht. Insofern kommt en jeweils vor grösseren Investitionen in neues Busverkehr umzustellen, in der Schweizer Be- dem Blick auf den „öV in Randregionen“, dem Rollmaterial oder ins Schienennetz zu überprü- völkerung auf wenig Gegenliebe stossen – von Schwerpunktthema dieser Ausgabe, eine uner- fen, ob diese Investitionen sinnvoll sind oder ob wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. In den wartete Aktualität zu. Pro Bahn Schweiz unterstützt Petition des VCS Kurt SchreiberDie veröffentlichte Liste über einstellungs- bedrohte Eisenbahnlinien hat grosse Unruhe und heftige Proteste ausgelöst. Auch Pro Bahn Schweiz, die Interes- senvertretung der Kundinnen und Kunden des öffent- lichen Verkehrs, hat sich diesen Protesten angeschlos- sen und wird alles daran setzen, dass es nicht soweit kommt. Deshalb unterstützt Pro Bahn Schweiz die vom Verkehrsclub der Schweiz (VCS) lancierte Petition gegen den Kahlschlag im öffentlichen Verkehr. Zwischenzeitlich hat der Chef des Bundesamts für Verkehr, Peter Füglistaler, die in der Liste gemachten Aussagen relativiert und ausgeführt, dass keineswegs systematische Betriebseinstellung vorgesehen seien und man nicht von massenhaften Schliessungen ausgehe. Mit Verlaub: Weshalb wird dann überhaupt eine Liste veröffentlicht, welche Verunsicherung und Verärgerung auslöst? Soll damit die Bevölkerung weichgeklopft wer- den, damit die vom Bundesrat per 2017 angekündigten Tarifanpassungen eher akzeptiert werden? Pro Bahn Schweiz hält fest, dass derartige Absichten nicht dazu beitragen, das Vertrauen in die Behörden zu festigen. Es darf nicht sein, dass Abbaumassnahmen in die Ver- nehmlassung gegeben werden, welche das Angebot des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz herabmindern oder zerstören. Vielfältige Aufgaben der Bahn in der Region: Auch der Bikeverlad gehört dazu. Bild: SBB ÖV in Randregionen 4/2012 InfoForum 3
„Schienennetz ausbauen statt Strecken schliessen“ Ein Gastbeitrag vom Direktor des Verbandes öffentlicher Verkehr (VöV), Ueli Stückelberger, zur Prüfung der Kostendeckung bei regionalen Bahnlinien. Prozentzahlen auch zu bewältigen ist. Zu- dem ist auch die Qualität des öffentlichen Verkehrs ein massgebendes Kriterium, und da hat die Bahn Vorteile. - Der öV ist in verschiedenen Landesteilen oft die einzige sichere Verbindung im Winter: Das Unterengadin beispielsweise würde im Winter ohne Bahn fast komplett abgehängt, den Furkatunnel müsste man stilllegen, ohne dass der Pass das ganze Jahr hindurch geöff- net ist – es gibt zahlreiche ähnliche Beispiele. - Der öV in der Schweiz hat eine hohe Quali- tät. Er stellt so einen nicht zu unterschätzen- den Standortvorteil für unser Land dar, auch für den Tourismus. Den Kosten, die der öV verursacht, steht also ein grosser Gegenwert gegenüber. - Der öV in der Schweiz ist ein weitverzweigtes System. Da kann man nicht einfach einzelne Linien herauspicken, ohne dass dies Einfluss auf die übrigen Linien hätte. Regionallinien Wohin geht die Reise für die Regionalbahnen? Das Thema wird weiterhin für Diskussionen sorgen. Bild: SBB mit tieferem Kostendeckungsgrad sind zu- dem wichtige Zubringer für den öV in Ag- glomerationen und tragen so zur guten Aus- Ueli StückelbergerDie zweite Oktoberhälfte war Bahnlinien mit einem lastung (und höheren Kostendeckung) dieser für den öffentlichen Verkehr der Schweiz ge- Kostendeckungsgrad Linien bei. prägt durch zwei unterschiedliche, ja entge- von unter 50 Prozent gengesetzte Signale; durch ein gutes und durch die Umstellung auf Unsere kritische Haltung bedeutet aber nicht, ein schlechtes. Die gute Nachricht zuerst: Die Busbetrieb prüfen soll. dass der VöV strikt am Status quo festhalten vorberatende Kommission des Ständerates hat Betroffen vom bun- möchte: Eine Prüfung ist im Einzelfall durch- sich bei der Vorlage „Finanzierung und Ausbau desrätlichen Auftrag aus möglich, es muss aber der Nutzen für die der Eisenbahninfrastruktur“ (FABI) für einen sind nicht weniger als Kundinnen und Kunden im Mittelpunkt stehen. grossen ersten Ausbauschritt in der Höhe von 175 (von 300) Schie- Eine Umstellung würde zum Beispiel dann Sinn 6,4 Milliarden Franken ausgesprochen und hat Ueli Stückelberger. Bild: zVg nenstrecken. machen, wenn die Bahn heute an Siedlungen damit alle Forderungen und Vorschläge des Ver- Der VöV ist aus vorbeifährt und der Bus die Möglichkeit hat, bands öffentlicher Verkehr (VöV) übernommen mehreren Gründen mehrmals innerhalb einer Ortschaft anzuhalten. – auch bezüglich Finanzierung: Die Kommission entschieden gegen eine generelle Überprüfung Somit entsteht ein Mehrnutzen für die Kundin- beantragt, den Normalsatz der Mehrwertsteu- von Schiene auf Strasse: nen und Kunden. er befristet von 2018 bis 2030 um ein Promille - Das Einsparpotential ist gering, ähnliche Zusammenfassend ist für mich klar: das Gan- anzuheben (und Anfang Dezember folgte der Überprüfungen sind in der Vergangenheit ze ist eine Pflichtübung ohne Nutzen. Die wich- Ständerat dem Vorschlag seiner Kommission schon oft gemacht worden. Denn dort, wo tigsten Reaktionen zeigen, dass der Auftrag des weitgehend; Anm. d. Red.). Mit FABI wird das eine Umstellung von Bahn auf Bus sinnvoll Bundesrates Schiffbruch erleiden wird. öV-Angebot schweizweit ausgebaut, um auch ist, ist sie in aller Regel bereits umgesetzt. Fazit: Damit der öV auch in Zukunft attraktiv mit dem erwarteten zusätzlichen Passagierauf- - Der Kostendeckungsgrad alleine blendet ist, muss er ausgebaut werden. Dem Bundes- kommen einen attraktiven öffentlichen Verkehr einen grossen Vorteil der Schiene komplett rat empfehle ich, sich den Überlegungen der anbieten zu können. aus: Die Bahn hat bei hohem Aufkommen, Ständeratskommission anzuschliessen, FABI in also vor allem in den Pendlerspitzen oder bei der Version der Ständeratskommission zu un- Geringes Einsparpotenzial grossem Ausflugsverkehr, eine viel grössere terstützen, und damit den öffentlichen Verkehr So weit so gut, wäre da nicht die schlechte Kapazität. Es geht daher nicht, sich nur auf aus- statt abzubauen. So könnte er die lancierte Nachricht: Auf Antrag des Bundesrates hat das den Kostendeckungsgrad abzustützen, weil Pflichtübung der Stilllegung still beerdigen. Die Bundesamt für Verkehr (BAV) ein Projekt in die es Spitzentage oder -zeiten gibt, an denen öV-Kundinnen und öV-Kunden wären ihm sehr Vernehmlassung geschickt, das bei regionalen der Ansturm der Reisenden unabhängig von dankbar dafür. 4 InfoForum 4/2012 ÖV in Randregionen
Ein Bestandteil der Region Aus dem dünn besiedelten Jura sind die Chemins de Fer du Jura nicht weg zu denken: Sogar dem Kehrichttransport dienen sie. Andreas Theiler „Le train rouge qui bouge“ lau- die Milch auf den Bauernhöfen ab und führen Stichwort Pendler. Viele Leute aus der Regi- tet das Motto der Jurabahnen. Doch in seinen sie nach Estavayer, in die Fabrik der Migros. on pendeln über das Einzugsgebiet der CJ hin- Leistungen ist der rote Zug alles andere als klein. Auch hier bedienen wir also einen Teil der Be- aus. Aus der Region Tavannes/Tramelan ist das Durch die drei Kantone Jura, Bern und Neuen- völkerung ganz direkt. Schliesslich sind wir im hauptsächlich nach Biel, aus den Freibergen fah- burg fahren die Triebzüge auf Schmalspur, dazu touristischen Segment sehr aktiv. Die histori- ren sie, wenn auch in kleinerer Zahl, nach Delé- kommt ein kurzes Normalspurstück in der Ajoie. schen Züge vermarkten wir als Freizeitangebote mont. In diesen Herbstmonaten machen die CJ Wie schafft es ein Transportunternehmen, in ei- auch in einer strategischen Partnerschaft mit eine grosse Umfrage in den Zügen, um mit einer ner spärlich besiedelten Landschaft rentabel zu Jura Tourisme. All diese parallelen Tätigkeiten Marktstudie verlässlichere Daten für die Planung arbeiten? Was machen die Chemins de Fer du geben uns eine Sichtbarkeit, die wir nicht hät- zu erhalten. Frank Maillard: „Wir müssen ex- Jura (CJ) anders oder besser als vergleichbare ten, wenn wir nur Einzelreisende von A nach B akter wissen, wer Pendler ist, wer Tourist, und Unternehmen in andern Landesteilen? transportierten. So zeigen wir unsere sozialen wer als Bewohner der Region die Bahn benutzt, Frank Maillard, der Verantwortliche fürs und wirtschaftlichen Einfluss täglich in der Re- um zum Beispiel ins Spital zu gehen oder seine Marketing, beschreibt es so: „Mit unserer Stre- gion.“ Familie zu besuchen, also für seine kurzen tägli- ckenlänge sind wir die viert- oder fünftgrösste chen oder wöchentlichen Wege.“ Bahn in der Schweiz, auch wenn wir nicht so Pendler und Touristen Für Frank Maillard ist schliesslich wesentlich, wahrgenommen werden. Was uns aber unter- Noch einmal zurück zur spärlich besiedelten dass die Geldgeber, Bund und Kantone, grosses scheidet, und was für unser Geschäft absolut Landschaft. Das Einzugsgebiet der Schmal- Vertrauen in die Gesellschaft zeigen. Beispiel: wichtig ist, sind die sogenannten parallelen Ak- spur umfasst die vier grösseren Ortschaften Ein nicht zu vernachlässigender Bestandteil des tivitäten. Wir sind erstens sehr stark im Schul- Tavannes (3500 Einwohner), Tramelan (4300), Geschäfts sind die Kehrichttransporte. Mit Last- busverkehr engagiert. So sind die CJ nicht nur Le Noirmont (1700) sowie Saignelégier (2600) wagen wird der Kehricht nach Tavannes und Partner der Gemeinden, sondern auch direkt sowie am westlichen Ende La Chaux-de-Fonds Glovelier gebracht. Von dort führen sie die CJ ein Bestandteil des Lebens der Bewohner un- mit etwa 38 000 Einwohnern. Für diese Stadt im Auftrag der Kantone Jura und Bern zur Keh- serer Region: Wir holen bei ihnen die Kinder ab formuliert einschränkend Frank Maillard: „Sie richtverbrennungsanlage nach La Chaux-de- und liefern sie nach der Schule wieder sicher ist eher am Ende unseres Netzes als am Anfang, Fonds. Fazit von Frank Maillard: „Wir sind mehr bei ihnen ab. denn der Anteil Reisender nach La Chaux-de- als andere Bahnen in die soziale und ökonomi- Zweitens sind wir im Milchtransport tätig, Fonds und weiter Richtung Neuenburg ist mar- sche Welt des Juras integriert, wir sind sichtbar mit unseren vier Tankwagen. Wir holen damit kant grösser als umgekehrt.“ für die ganze Bevölkerung da.“ Die Fakten zu den Jurabahnen at Die Chemins de Fer du Jura wurden durch eine Fusion von vier Gesellschaf- ten im Jahre 1944 gegründet. Die Länge aller Schmalspurstrecken beträgt rund 75 km, die Länge der Normalspur dage- gen nur 11 km. Neun Triebwagen – vier davon bilden seit der Inbetriebnahme 1986 die Basis von Pendelzügen – und vier Niederflur-Gelenktriebwagen (2001) verkehren zwischen La Chaux-de- Fonds und Glovelier sowie zwischen Le Noirmont und Tavannes. Die Werkstätte befindet sich, wie auch der grössere Teil der Direktion, in Tramelan. Mit rund 150 Mitarbeitenden beförderten die CJ im vergangenen Jahr gegen 1,5 Millionen Passagiere. Dazu kommt eine Autoflotte von zwölf Bussen, die 200 000 Fahrgäs- te transportierten, und fünf Lastwagen. Internet: www.les-cj.ch Markenzeichen für den Jura: Das rote Bähnchen. Bild: CJ ÖV in Randregionen 4/2012 InfoForum 5
Schneller, häufig, komfortabler? Was im Fernverkehr zutrifft, gilt nicht unbedingt für die Randregionen: Das Beispiel Glarnerland. Hans Schärer Schneller, häufiger, komfortabler: Das sind Schlagworte, welche die Transport- unternehmen und vor allem die SBB gerne in den Mund nehmen. Das mag für den Fernver- kehr und den Agglomerationsverkehr zutreffen, doch Randregionen können davon oft nur träu- men. Angebotsausbauten einerseits sind oft mit einem Abbau anderswo verbunden. Ein Phäno- men, das man in Städten und Agglomerationen kaum kennt. Schneller? Der Paradezug GlarnerSprinter bringt aktuell an Wochenenden die Touristen in 80 Minuten von Zürich HB nach Linthal. Ab Sommer 2014 fährt er täglich, braucht aber bis Linthal 92 Minuten und bleibt in Schwan- den (mangels Kreuzungsmöglichkeiten) 8 Mi- nuten stehen und nimmt in Ziegelbrücke nicht alle Anschlüsse ab. Damit trifft das Schlagwort „schneller“ wohl nicht zu. Nicht alle Anschlüsse werden erreicht: Ziegelbrücke. Bild: Hans Schärer Häufiger? Auf den ersten Blick fährt der GlarnerSprinter täglich bis Linthal, also häufiger. dem Verlust der meisten Südanschlüsse in Zie- dann bitte nicht in den zweiteiligen Domino In Wirklichkeit aber wird dafür der Regionalzug gelbrücke muss der Direktzug nach Zürich (zu) einsteigen. Die extra für den GlarnerSprinter auf dem Abschnitt Schwanden–Linthal gestri- teuer erkauft werden. Somit trifft das Schlag- gefertigten sechsteiligen Domino werden er- chen. Bisher verkehrten auf diesem Abschnitt wort „häufiger“ hinter Schwanden auch nicht setzt durch modernisierte Doppelstockkompo- an Wochenenden die Sprinter zusätzlich zu den zu. sitionen (DPZ) der Zürcher S-Bahn der ersten Regionalzügen. Diese zusätzlichen Züge fallen Komfortabler? Einzig teilweise komfortabler Generation. Diese verkehren ab Zürich zwei- weg, sodass am Wochenende zwei Zugspaare wird das Reisen im Zug in der Randregion Glar- bzw. dreiteilig und werden in Ziegelbrücke ge- pro Tag weniger verkehren. Kommt dazu, dass nerland. Die NPZ-Regionalzüge wurden durch kuppelt oder getrennt. Nur die Spitzenkompo- die gestrichenen Regionalzüge in Ziegelbrücke Domino ersetzt, bei den dreiteiligen Dominos sition verkehrt ins Glarnerland. Also bitte vorne Richtung Sargans–Chur Anschluss hatten, die mit Toilette, bei den zweiteiligen ohne Toilette. einsteigen, wenn man trotz des Direktzuges in alternativen Glarner Sprinter jedoch nicht. Mit Sollte man ein menschliches Bedürfnis haben, Ziegelbrücke nicht umsteigen will. Regionalverkehr muss Fernverkehr weichen Am Walensee wird ein Regionalzug gestrichen zu Gunsten des Fernverkehrs zwischen Zürich und Chur. Hans Schärer Der Regionalzug Ziegelbrücke – wird. Diese Busse werden jedoch nicht nach Zie- können in Ziegelbrücke die halbstündlichen Chur wird ab Sommer 2014 auf dem Abschnitt gelbrücke verkehren, sodass damit für viele Rei- Südanschlüsse nicht realisiert werden, da der Sargans – Ziegelbrücke gestrichen, damit der sende keine alternative Verbindung vorgesehen Anschlusszug vor der Nase wegfährt. Man kann zweite IC pro Stunde auf der Achse Zürich – ist. Die SBB nehmen die drohende lokale Ab- sich schon fragen, ob das eine Retourkutsche Chur noch zusätzlich in Sargans halten kann. wanderung auf die Strasse gelassen und erhof- der SBB ist, da die neue S4 der S-Bahn St. Gal- Somit fällt auch der regionale Zubringer in Zie- fen sich dafür mehr Frequenzen im Fernverkehr. len durch die SOB und nicht durch die SBB oder gelbrücke von und nach dem Walensee an den die Tochterfirma THURBO betrieben wird. Würde IR Zürich – Chur weg. Hart trifft es die Pendler/ Geplanter verpasster Anschluss sich die SBB nicht weigern, anstelle von Glarus in innen, welche von der Walenseeregion in den Der Ringzug (S4) der S-Bahn St. Gallen ab Fahr- Netstal zu kreuzen, dann wären die Eckanschlüs- Kanton Glarus oder umgekehrt pendeln. Diese planjahr 2014 bedient alle Dörfer am Walensee se zur halben Stunde in Ziegelbrücke gewähr- müssen neu eine halbe Stunde Übergangszeit ausser Weesen, welches neu halbstündlich mit leistet. Eine andere Möglichkeit wäre, wenn der in Ziegelbrücke Kauf nehmen, oder sie steigen dem Bus an den Knoten Ziegelbrücke angebun- Kanton St. Gallen zusammen mit dem alterna- auf das eigene Auto um. Teilweise plant der den wird. Leider verpasst diese neue S-Bahn in tiven Buskonzept am Walensee die Haltepolitik Kanton St. Gallen ein alternatives Busangebot, Ziegelbrücke den Anschluss von und nach dem der S4 so anpassen würde, dass alle Anschlüsse welches auf den Knoten Sargans ausgerichtet Glarnerland. Für die Randregion Glarnerland in Ziegelbrücke gewährleistet werden könnten. 6 InfoForum 4/2012 ÖV in Randregionen
Kanton Graubünden setzt Massstab Gute Bahn- und Busverbindungen im Rätischen Dreieck: Angebote beziehen sogar grenzüberschreitende Kurse ein. Edith Dutler Geographisch ist das Unterenga- das Umsteigen in Sagliains entfällt dann und die sind GA und Halbtax gültig. Auf der Strecke von din zwar eine Randregion, die Erreichbarkeit Reisezeit verkürzt sich erneut. Zernez über den Ofenpass nach Mals wurde das vom Mittelland aus ist seit über zehn Jahren, Die Verbindungen im Rätischen Dreieck nach bisherige gute Angebot noch mit zusätzlichen das heisst seit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Italien und Österreich sind seit der Wiederer- Kursen verstärkt. durch den Vereinatunnel jedoch optimal. Mit öffnung der Winschger Bahn von Mals nach Wir betrachten es nicht als selbstverständ- dem Intercity von Basel oder Zürich nach Land- Meran im Jahre 2005 regelmässig und konti- lich, dass in einer Randregion mit grenzüber- quart und mit dem direkten RegioExpress kann nuierlich verbessert worden. Ein weiterer Quan- schreitenden Verbindungen nach Österreich Scuol-Tarasp bequem erreicht werden. Auf dem tensprung wurde mit dem Fahrplanwechsel im und Italien tarif- und angebotsbezogen derart grossen Platz vor dem Bahnhof, der niveaugleich Dezember 2012 realisiert. gute Konzepte realisiert werden können. Erfah- erreichbar ist, warten bereits die Postautos. Zusätzlich zu den bereits bestehenden rungen in anderen Teilen der Schweiz zeigen Auch die anderen Regionen im Rätischen stündlichen Postautoverbindungen von Scuol- das Gegenteil. Der Kanton Graubünden scheint Dreieck sind gut an das öffentliche Verkehrs- Tarasp nach allen Richtungen wurde ein lücken- hier die Zeichen der Zeit und die Bedürfnisse netz angeschlossen. Mit einem zusätzlichen loser Stundentakt von Scuol nach Samnaun der Reisenden erkannt zu haben. Der umsich- Umsteigen in Sagliains am gleichen Bahnsteig sowie stündlich ein Anschlusskurs in Martina tige Leiter des Amtes Energie und Verkehr des vom RegioExpress in den Regionalzug in Rich- über den Reschenpass nach Mals eingeführt. Kantons Graubünden in der Person von Werner tung Pontresina ist Zernez gut erreichbar. Es be- Und was die Kundinnen und Kunden speziell Glünkin erarbeitet mit seinen Fachspezialisten stehen auch regelmässige Direktverbindungen freut: Die schweizerischen Abonnemente, also regelmässig innovative Angebots- und Tarifkon- Landquart–Zernez (–St. Moritz) und zurück. die General- und Halbtaxabonnemente sind zepte. Der Massstab für Angebote in Randregi- In Zernez gibt es Busanschlüsse nach Müstair neu auch auf der italienischen Strecke über den onen wird in der Schweiz eindeutig vom Kanton und Mals sowie nach Livigno. Auch hier ist kein Reschenpass bis nach Mals gültig. Dreiländer- Graubünden gesetzt. Dafür sei von Pro Bahn Treppensteigen angesagt, das Umsteigen ist am Ausflugsfahrten sind nun einfach und prob- Schweiz auch einmal gedankt. Wir empfehlen gleichen Perron möglich. Ab dem Jahre 2014 lemlos möglich. Die bisher angebotenen Ver- anderen Kantonen, hier etwas Nachhilfeunter- sind sogar zweistündliche Verbindungen von bindungen nach Landeck–Zams werden über richt zu holen. Die Kundinnen und Kunden wür- Zürich über Landquart nach Zernez vorgesehen, Nauders weiterhin angeboten und auch hier den es zweifelslos schätzen. Mehr Bahn im Bündner Rheintal Pd Ab Dezember 2013 wird der Bahnhof Sargans zu einem Vollknoten (Bahn/Bus) zur vollen und halben Stunde ausgebaut. Die wichtigsten Destinationen erhalten so alle 30 Minuten eine Verbindung mit dem öffentlichen Verkehr, welche untereinander im Knoten Sargans mit Umsteigeverbin- dungen erschlossen werden. Dabei wird der Regionalzug Chur – Land- quart – Maienfeld – Bad Ragaz – Sargans ein integraler Teil der S-Bahn St. Gallen 2013. Diese bisher stündlich verkehrende Verbindung wird dann in den entsprechend nachgefragten Stunden alle 30 Minuten verkehren. Zum gleichen Zeitpunkt wird der Rheintal-Express dank HGV-Investitio- nen von 150 Millionen Franken zwischen St. Gallen und Sargans und dank neuem Rollmaterial stark beschleunigt und bis nach Wil (SG) verlängert. Dadurch verkürzt sich die Reisezeit von Chur nach St. Gallen um 11 Minuten und von St. Moritz nach St. Gallen sogar um 22 Minuten. Hochbetrieb der Postautos auf dem Bahnhofplatz von Scuol-Tarasp. Bild: Edith Dutler ÖV in Randregionen 4/2012 InfoForum 7
„Wir verlangen ja keinen Stundentakt“ Ein abgelegener Ort wie Simplon-Dorf im Oberwallis wäre über mehr direkte Postauto-Kurse nach Brig glücklich. Vor allem im Winter. Andreas Theiler Gerne würden sie mit dem öV pendeln, die jungen Leute aus Simplon-Dorf, die in die Lehre gehen oder eine weiterführende Schule besuchen. Aber das ist mit der speziellen Lage des Dorfes auf der Südseite des Passes nur schlecht möglich. Nicht nur die übrige Schweiz liegt weit entfernt, auch der Rest des Kantons Wallis. Knapp fünfzig Minuten sind es auf dem direkten Weg mit dem Postauto über den Pass nach Brig, unwesentlich kürzer, meistens gleich lang oder sogar länger beim Umweg per Bahn über Iselle. Im Gespräch äussert Martin Rittiner, Gemein- depräsident des Dorfes Simplon, gelegen auf über 1‘400 Meter über Meer, als dringlichsten Wunsch eine bessere ganzjährige Anbindung an Brig am Vormittag. In der Sommersaison sei das kein Problem, wohl aber im Winter. Werk- tags gibt es zwischen 7.00 Uhr und 14.40 Uhr keine direkte Verbindung nach Brig. Damit sind die nicht privat mobilen BewohnerInnen des Dorfes praktisch blockiert. Es gibt zwar jüngere Zuzüger ins Dorf, trotz einem gesamthaft leicht Schülerinnen von Simplon-Dorf: Nicht immer steht ein Postauto bereit. Bilder: zVg negativen Saldo, aber der Anteil der älteren Leute, die nicht oder nicht mehr selbst Auto fahren, ist beträchtlich. „Wir verlangen ja kei- nen Stundentakt, aber wenigstens zwei Kurse um 11.35 Uhr. Perfekt für die aktuell vier Ori- pro Halbtag“, meint Martin Rittiner lächelnd. entierungsschüler. An den Mittelschulen in Brig „Wir haben zum Beispiel keinen Coiffeur, kei- ist der Unterricht aber erst um Viertel vor zwölf nen Arzt, keinen Zahnarzt im Dorf.“ zu Ende, und die müssten dann bis um 14.20 Im Moment laufen Verhandlungen mit Post- Gemeindepräsident Uhr im Sommer oder 16.00 Uhr im Winter auf Auto Oberwallis, aber in der aktuellen finanzi- von Simplon: die Rückfahrt warten. So haben die Mütter der Martin Rittiner. ellen Situation ist das schwierig. Ein Treffen mit betroffenen Mittelschüler einen Fahrdienst or- dem Staatsrat ist anberaumt, denn für Martin ganisiert. „Wir sind in Verhandlungen, denn Rittiner geht es um die grundsätzliche Frage, die gleiche Route für die Heimfahrt. Die Postau- es wäre auch fürs Postauto sinnvoller, mit fünf, ob eine Siedlung wie Simplon Dorf überhaupt tokurse verkehren dann als PubliCar. Während sechs Schülern mehr zu fahren. Ich rede hier als noch eine Lebensberechtigung haben soll. der langen Bauzeit auf der Simplon-Südrampe Direktbetroffener: Unsere jüngste Tochter geht Und dies ist kein unternehmerischer, sondern geriet aber dieser Fahrplan arg aus dem Tritt: im Institut St. Ursula zur Schule, und so ist mei- ein politischer Entscheid – der aber finanzielle „Wenn jemand einmal zu spät kommt, wird ne Frau alle paar Wochen für den Fahrdienst Konsequenzen haben muss. Er verweist auf den das ja problemlos akzeptiert, aber bereits beim eingeteilt.“ grossartigen Ausbau touristischer Linien in an- zweiten Mal runzelt der Chef die Stirn.“ Der „Wiär gä ubär“ ist die Ausdrucksweise der dern Gegenden des Wallis; Wintertouristen in armselige Winter-Busbetrieb ärgert Martin Rit- Bewohner von Simplon Dorf und Gondo, wenn Simplon Dorf haben aber, ausser am Wochen- tiner in solchen Momenten besonders. sie ins Wallis fahren. Das drückt die Abgeschie- ende, nur um 7.00 Uhr früh per öV eine Mög- denheit aus. Auch die Besonderheit, dass die lichkeit, zum Wintersport auf den Pass geführt Aufs Auto angewiesen deutschsprachige Gemeinde weit südlich der zu werden. Attraktiv ist anders. So bleibt vielen EinwohnerInnen nichts anderes Passhöhe liegt, dort, wo viele Besucher schon Die wenigen Lehrlinge, die auswärts in Aus- übrig, als auf den Privatwagen zu wechseln. Italien erwarten. Eine bessere Anbindung wür- bildung sind und deren Arbeitszeiten einiger- Beispiel gefällig? Bis letztes Jahr war die Orien- de mehr Touristen bringen – Platz dafür hat es massen normal sind, verlassen das Dorf um tierungsschule (7. bis 9. Schuljahr) im Dorf, nun noch mehr als genug –, und den Ansässigen 6.45 Uhr, fahren nach Iselle und anschliessend müssen die Schüler nach Brig pendeln. Das geht das Alltagsleben erleichtern. Wir von Pro Bahn dem Zug nach Brig. Dort kommen sie um 7.30 am Morgen gut mit dem Postauto. Am Mitt- Schweiz wünschen viel Erfolg bei den Verhand- Uhr an. Am Abend haben sie zwei Kurse über woch fährt, wie an jedem Tag, ein Kurs zurück lungen! 8 InfoForum 4/2012 ÖV in Randregionen
Spagat zwischen Ausflugs- und Pendlerbahn Die Tösstalbahn im Zürcher Oberland erfüllt eine wichtige Funktion im Regionalverkehr. Kurt Schreiber Das obere Tösstal erstreckt sich gesetzt, die 1881 in einstöckige Wagen um- Seit einigen Jahren kennt die Strecke Win- von Winterthur bis Fischenthal im Zürcher gebaut wurden. Doppelstöcker werden wieder terthur – Bauma einen hinkenden Halbstunden- Oberland und ist ein beliebtes Erholungsgebiet Einzug halten, denn ab 2018 soll eine zusätz- takt, der ab 20 Uhr in einen Stundentakt über- im Zürcher Oberland. Seit 1876 verkehrt dort liche S-Bahn Linie nach Wila führen. Ab 1953 geht. Zwischen Bauma und Rüti ZH verkehren die Eisenbahn, die sich zu einer leistungsfähi- kamen die damals neuen BDe-4/4-Pendelzüge ab diesem Zeitpunkt Busse. gen Vorortsbahn entwickelt hat und täglich zum Einsatz, die in den Achtzigerjahren von Die Verdichtung des Angebots im Glattal über 5000 Leute transportiert. RBe-4/4-Pendeln und schliesslich von den NPZ- und der Halbstundentakt mit der S 15 brach- Das Tösstal lädt ein zum Wandern oder Zügen abgelöst wurden. Heute spricht man ein ten es mit sich, dass die Tösstalbahnzüge nicht Radfahren, und viele Schulreisen führen dort- wenig despektierlich vom „Tösstal-Tram“, weil mehr bis nach Rapperswil, sondern nur noch hin. Der höchste Berg des Kantons Zürich, das dort GTW-Zugseinheiten der Thurbo unterwegs bis Rüti ZH fahren. Damit entstanden in Rüti Schnebelhorn (1292 m ü. M.) ist dort zu finden. sind. ZH schlanke Anschlüsse von und nach Zürich. Zeugen aus der industriellen Vergangenheit Eine weitere Bahnlinie führte aus dem Nach Rapperswil muss nun umgestiegen wer- können auf dem Industrielehrpfad in Neuthal Tösstal direkt an den Zürichsee: Die Bauma- den und der Anschlusszug der S 5 verpasst den besucht werden. Selbst Skifahren in Steg, Fi- Uerikon-Bahn. Sie sollte den Anschluss an die Voralpen-Express nach Luzern um vier Minuten, schenthal und Sternenberg ist möglich – genü- Gotthardbahn ermöglichen, konnte aber diese was leider die Kehrseite der Medaille darstellt. gend Schnee vorausgesetzt. Funktion nicht erfüllen und diente als Lokal- Die Tösstalbahn ist nach wie vor Ausflugs- Die Eisenbahn kam 1875/76 ins Tösstal, die bahn. Als Triebfahrzeug wirkte vorwiegend der bahn, viele Schul- und Vereinsreisen haben Strecke führt von Winterthur nach Bauma und Dampftriebwagen CZm 1/2, „Schnupftrucke“ diese Gegend zum Ziel. Ebenso ist sie Pendler- weiter nach Gibswil, das den Kulminations- genannt. Die Strecke wurde 1948 und 1969 bahn von und nach Winterthur geworden. In punkt auf 757 m ü. M. darstellt. Nachher senkt auf Busbetrieb umgestellt. Heute verkehrt die- den Hauptverkehrszeiten verkehren bis zu drei sie sich in einer steilen Rampe von bis zu 32 ser Bus montags bis freitags im Halbstunden- GTW-Züge in Vielfachsteuerung, deren Kapazi- Promille durch das Jonatal bis nach Wald und takt und verkürzt ab Bauma die Fahrzeit nach tät zirka derjenigen von fünf bis sechs Bussen weiter nach Rüti – Rapperswil. Zürich auf 53 Minuten. Die Eisenbahnstrecke entspricht. Somit stellt die Bahn auch für eine Bis 1951 zogen Dampfloks die Züge, zu wird vom Dampfbahn Verein Zürcher Oberland sogenannte Nebenlinie den idealen Verkehrs- Beginn wurden sogar Doppelstockwagen ein- (DVZO) genutzt. träger dar. Durch Nacht und Nebel Früh unterwegs mit der MOB nach Montreux. Zweisimmen ab: 04.11 Uhr. Andreas TheilerTiefe Nacht, verhangener Himmel, Lokführer muss die Freigabe für die Weiterfahrt dunkle Fenster im Dorf – nur im Bahnhof Zwei- verlangen. simmen weisen einige helle Lichter den Weg In Montbovon kreuzen wir einen Dienst- zum Triebwagen nach Montreux. Die beiden zug, der erst ab Château-d’Oex Passagiere auf- PBS-Mitglieder sind die einzigen Passagiere. Wa- nimmt. Wenn Sie diesen Text lesen, wird er nur rum braucht aber unser Zug zwei Lokführer? Wir noch leer von Montreux bis Montbovon fahren fahren los, und vorderhand ist es bei jeder Stati- und dann im Fahrplan aufgeführt sein. Schliess- on das gleiche Bild: gähnende Leere. In Gstaad lich bietet auch noch eine Komposition der tpf steigt der eine Lokführer aus. Er übernimmt dort von Bulle her Anschluss. Viel Betrieb für zwan- den ersten Triebzug Richtung Zweisimmen. zig nach fünf Uhr morgens in einem Dorf mit Durchs Pays d’Enhaut geht die Fahrt weiter. weniger als 250 Einwohnern. Der Tunnel von In Rougemont tippt eine Frau nervös auf dem Jaman, und wir sind hoch über dem Genfersee. Billettautomaten herum, steigt aber schliesslich Fliegender Lokführerwechsel in Les Avants, und doch nicht ein. In La Palaz, kurz vor Château- mit Halt auf allen Zwischenstationen geht es hi- d’Oex, die ersten drei Passagiere, verschlafene nunter in das Lichtermeer von Montreux. Jugendliche, wohl auf dem Weg zur Arbeit 1. Oktober 2012, 6.10 Uhr, Einfahrt in Mon- oder in die Berufsschule. Sie werden nach über treux. Rund dreissig Leute steigen aus. Und einstündiger Reise erst in Montreux aussteigen, einmal mehr freue ich mich, in einem Land zu wie fast alle andern Passagiere auch, die nun in leben, wo die Randregionen dank einem stark kleineren oder grösseren Grüppchen zusteigen. ausgebauten öV eine gute Verbindung zur Welt Gutes Angebot trotz weniger Passagiere: Ein etwas längerer Halt in Château-d’Oex, unser der Büros, Fabriken und Schulen haben. Durchfahrt durch Schönried. Bild: at ÖV in Randregionen 4/2012 InfoForum 9
“Manca una pianificazione intelligente della mobilità” Elena Bacchetta, presidente dell’Associazione ticinese utenti del trasporto pubblico (ASTUTI), sezione di Pro Bahn Svizzera, intervistata sull’offerta dei trasporti pubblici in Ticino. InfoForum: Il Canton Ticino è una regione TILO, piuttosto che a Bellinzona per diminuire la Di recente è stato introdotto il sistema del- periferica in Svizzera. Come valuta oggi la durata dei tragitti. la comunità tariffaria Arcobaleno, anche offerta dei mezzi pubblici? per i singoli biglietti. Che impressione ha? Elena Bacchetta*: Negli ultimi anni l’offerta Nel sud del Ticino ogni giorno entrano Finalmente dopo anni di attesa è arrivato! dei mezzi pubblici in Ticino è decisamente mi- migliaia di frontalieri. Pensa che la nuova Tutto sommato il primo impatto è positivo: avere gliorata. Ereditiamo però un territorio pianificato Ferrovia Mendrisio-Varese possa miglio- a disposizione biglietti e carte giornaliere valide caoticamente dove sono tuttora gli investimenti rare la situazione? Ci sono abbastanza su tutto il territorio e su tutti i mezzi è un passo per progetti stradali ad avere la precedenza. For- incentivi per optare per il mezzo pubblico obbligato per avere un servizio migliore. I prez- tunatamente i mezzi pubblici stanno recuperando in alternativa all’auto? zi dei biglietti sulle lunghe tratte sono diminui- il ritardo accumulato ma è necessario intensificare Di sicuro la nuova linea ferroviaria andrà a ti mentre in alcune zone del cantone gli utenti ancora di più gli sforzi. Ancora oggi lo sviluppo coprire una grande lacuna: oggi recarsi in tre- hanno visto i prezzi dei tratti brevi aumentare e urbano procede senza che ci sia una pianificazio- no a Varese da Mendrisio è un viaggio di più di questo ha dato a molti fastidio. Forse sarebbe ne intelligente della mobilità. Quando i grandi at- due ore! Detto questo non bastano due bina- stata necessaria una comunicazione più traspa- trattori di traffico sorgono lontano dai mezzi pub- ri e qualche stazione per offrire un servizio di rente che avrebbe chiarito sin dall’inizio quali sa- blici, diventa più difficile offrire un buon servizio. qualità. È necessario un orario cadenzato e ben rebbero stati i cambiamenti nel bene e nel male. coordinato con le altre linee regionali e di bus. Inoltre gli automatici alle fermate dei bus stanno Quali miglioramenti ha potuto costatare? Le stazioni devono essere raggiungibili comoda- dando diversi problemi: sono lenti e mancano Possiamo contare su una linea ferroviaria re- mente a piedi o in bici ed avere a disposizione informazioni importanti, come la cartina con la gionale performante con orari cadenzati a tutte posteggi. Infine ci vuole una maggiore collabo- suddivisione delle zone. L’offerta, comunque, le ore. In alcune regioni l’offerta di bus è miglio- razione direttamente con le aziende presenti sul dei biglietti e delle carte giornaliere è accatti- rata, come a Lugano ma altrove è ancora scarsa. territorio: se diminuisce il numero di auto in cir- vante. Trarre già un bilancio definitivo, però, è colazione durante le ore di punta, anche i bus ci ancora prematuro. Dove sarebbe piu necessario di fare guadagnano perché c’è meno traffico. Intervista: Gerhard Lob ulteriori miglioramenti Le zone collinari lontano dall’asse ferroviario sono ancora poco servite, specialmente la sera e durante i festivi. Inoltre le aree che hanno avu- to maggior sviluppo commerciale e industriale sono situate lontano dalle stazioni e i bus fatica- no a districarsi lungo strade perennemente inta- sate nelle ore di punta. Bisognerebbe analizzare con più precisione la domanda di mobilità, ovve- *Elena Bacchetta è ro chi va dove, e offrire dei servizi efficienti e che deputata nel Gran Con- siglio del Canton Ticino rispondono alle reali richieste della popolazione. dal 25 settembre 2012 per i Verdi. È subentrata L’Astuti ha chiesto diverse volte il ripristi- al dimissionario Pierluigi Zanchi. Il comitato di no del servizio ferroviario regionale fra Pro Bahn Schweiz si Bellinzona e Airolo sulla linea del Gottar- congratula con Elena Bacchetta per la nuova do. Ma non è meglio il servizio con i bus, carica politica. visto che le fermate del treno spesso si trovano abbastanza lontano dai nuclei, *Elena Bacchetta ist seit 25. September 2012 come ad esempio a Faido? Mitglied im Grossen Rat Ci sono due aspetti da tener presente: i bus des Kantons Tessin. Sie sono capillari ma il tragitto da Bellinzona alla rückte auf der Liste der Grünen für den demissi- Leventina richiede molto più tempo. Il treno, in- onierenden Pierluigi Zan- vece, non arriva in tutti i centri ma impiega mol- chi nach. Der Vorstand von Pro Bahn Schweiz to meno a raggiungere la Valle. Bisognerebbe hat Elena Bacchetta zur mantenere entrambi i servizi e valutare eventuali Wahl gratuliert. cambiamenti, attestando per esempio il capoli- nea a Biasca, stazione servita dai treni regionali Im Raum Lugano hat sich das öV-Angebot verbessert (im Bild Bahnhof Lugano). 10 InfoForum 4/2012 ÖV in Randregionen
„Es fehlt eine intelligente Mobilitätsplanung“ Elena Bacchetta, Präsidentin der Welche Verbesserungen sind Ihrer Mei- dung Mendrisio–Stabio–Varese Abhilfe nung nach am dringlichsten? schaffen kann und Grenzgänger zum Tessiner Sektion von Pro Bahn Ein Problem sind die so genannten Hügel- Umsteigen auf die Bahn animieren wird? Schweiz, über das Angebot im gebiete in den Agglomerationen der Städte, Die neue Bahnlinie wird eine wichtige Lü- öffentlichen Verkehr in ihrem die nicht gut angeschlossen sind, vor allem am cke schliessen. Heute dauert es mehr als zwei Heimatkanton. Abend und an den Feiertagen. Ein Beispiel: Von Stunden, um mit der Bahn von Mendrisio nach Locarno kommt man am Abend leichter mit Varese zu fahren. Doch zwei Gleise und eini- InfoForum: Der Kanton Tessin stellt eine dem Bus nach Cevio im Maggiatal denn nach ge Haltestellen werden kaum reichen, um ein Randregion der Schweiz dar. Wie beurtei- Orselina. Dazu kommt, dass neue Industrie- qualitativ hochstehendes Angebot anzubieten. len Sie das öV-Angebot? und Geschäftszentren weit entfernt von den Es braucht einen Taktfahrplan, der gut mit den Elena Bacchetta*: In den letzten Jahren hat Bahnhöfen entstanden sind. Die Busse bleiben Anschlusslinien und Bussen verbunden ist, aus- sich das Angebot eindeutig verbessert. Doch wir in den Hauptverkehrszeiten im Verkehr stecken. serdem müssen die Haltstellen gut zu Fuss oder leiden unter dem Erbe einer chaotischen Raum- Man müsste genaue Erhebungen machen, um mit dem Velo erreichbar sein. Auch ausreichend planung. Daher geniessen wohl bis heute Inves- die Nachfrage besser eruieren zu können und P+R-Parkplätze sind wichtig. Zudem sollte man titionen in Strassenprojekte Vorrang gegenüber das Angebot auf die realen Belange der Bevöl- direkt mit den Unternehmungen besser zusam- dem öV. Glücklicherweise holt der öV auf, doch kerung abstimmen zu können. menarbeiten. Wenn der Strassenverkehr rück- die Anstrengungen müssen noch weiter gehen. läufig wäre, wäre dies auch ein Vorteil für die Die urbanistische Entwicklung im Tessin schrei- Die Tessiner Sektion von Pro Bahn Schweiz Busse. tet fort, ohne dass eine intelligente Planung der (Astuti) hat wiederholt die Wiedereinfüh- dazu gehörigen Mobilität erkennbar wäre. rung des regionalen Bahnverkehrs auf der Vor kurzem wurde der Verkehrsverbund Gotthard-Linie zwischen Bellinzona und Arcobaleno auch für Einzelbillette einge- Welche konkreten Verbesserungen konn- Airolo verlangt. Ist ein Busverkehr auf führt. Wie sind Ihre ersten Eindrücke? ten Sie feststellen? dieser Linie nicht effizienter und kunden- Wir haben lange darauf gewartet. Nun ist der Wir verfügen mittlerweile über eine effizien- freundlicher, zumal manche Bahnhöfe weit Verkehrsverbund endlich gekommen. Der erste te regionale S-Bahn mit Taktfahrplan. In einigen ausserhalb der Dorfzentren liegen? Eindruck ist positiv. Die Vereinheitlichung und Regionen wie in Lugano hat sich auch das städ- Die Busse sind zwar für die Feinverteilung bes- Anerkennung der Billette im ganzen Kantonsge- tische Busangebot verbessert. Doch in anderen ser, aber die Fahrzeiten sind sehr lange. Die Bahn biet ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Die Prei- Gegenden ist das Angebot nach wie vor auf hält zwar nicht immer an zentralen Punkten, ist se bei längeren Fahrten sind sogar gesunken. Im sehr niedrigem Niveau. aber wesentlich schneller, um das Leventina-Tal Nahbereich gab es einige Preiserhöhungen, was zu erreichen. Man muss beide Dienstleistungen Kunden verärgert hat. Vielleicht wäre es gut ge- beibehalten und allenfalls eine bessere Kombi- wesen, umgehend zu kommunizieren, wo die nation prüfen. So könnte die S-Bahn Tilo statt Vor-und Nachteil dieser Umstellung liegen. Auch bis Bellinzona bis nach Biasca fahren, um die die Automaten an den Haltestellen weisen Prob- Fahrzeiten in die Leventina zu verkürzen. leme auf. Sie sind langsam und häufig fehlen die nötigen Informationen wie der Zonenplan. Das Täglich kommen Tausende von Grenzgän- globale Angebot der Tickets und Tageskarten ist gern mit dem eigenen Auto ins Tessin. aber attraktiv. Um eine definitive Bilanz zu zie- Glauben Sie, dass die neue Bahnverbin- hen, ist es noch zu früh. Neue Bahnlinie Mendrisio–Stabio–Varese auf Kurs Gerhard Lob Seit 2008 wird an der neuen Bahnlinie Mendrisio–Stabio–Varese (FMV) gebaut. Die grenzüberschreitende Verbindung wird dereinst in das Regionalverkehrsangebot der Bahngesellschaft TILO (Ticino-Lombardia) und in die regionale Planung zwischen dem Kan- ton Tessin und der Region Lombardei aufgenommen. Die Eröffnung ist für Dezember 2014 vorgesehen. Von der 17,7 km langen Strecke verlaufen 6,6 km in der Schweiz. Die neue Linie wird in einem Einzugsgebiet mit rund 600 000 Einwohnern die Städte Bellinzona, Luga- no, Chiasso, Como und Varese miteinander verbinden. Zwischen Mendrisio und Varese sind vier Haltestellen vorgesehen: Stabio, Gaggiolo (Italien), Arcisate und Induno-Olona, alle mit Park-and-Ride-Angebot. Ab Gallarate werden Anschlüsse in die Westschweiz und zum Flug- hafen Mailand-Malpensa angeboten. Die Fahrzeit zwischen Lugano und Lausanne wird nur noch 3 Stunden 15 Minuten betragen. Heute sind es mehr als fünf Stunden. Malpensa wird weniger als eine Stunde von Lugano entfernt sein. Dies- und jenseits der Grenze werden gewaltige Summen in dieses Projekt investiert. Im Falle der Schweiz sind es 186 Millionen Franken; die Italiener ihrerseits rechnen mit umgerechnet 280 Millionen Franken. Bild: Gerhard Lob ÖV in Randregionen 4/2012 InfoForum 11
Zwei Welten Im Kanton Uri sorgt eine Reihe von Seilbahnen für die richtigen Höhenverbindungen im Dienste der Öffentlichkeit. Andreas Theiler Unten das Urner Reusstal, gefüllt mit europawichtigen Strassen und Geleisen, mit Baustellen und Fabriken, Lärm, viel Lärm. Oben auf Terrassen, drei- bis sechshundert Meter hö- her, die bäuerliche Idylle, wie sie sich der ge- stresste Städter auf Durchreise unten vorstellt. Die Ver-bindung zwischen oben und unten ist ein Drahtseil. 38 Seilbahnen zählt die offizielle Seite www. seilbahnen-uri.ch auf. Etliche führen zu Aus- gangspunkten von Wanderungen oder Skitou- ren, andere sind hauptsächlich als Zubringer zu einzelnen Bauernhöfen angelegt, wobei die beiden Nutzungen sich oft überschneiden. Eine rechte Anzahl dieser Bahnen hat sehr kleine Kabinen für zwei bis vier Personen in der für den Kanton typischen Bauweise: Nur sitzend gelangt man ans Ziel. Stellvertretend für die grosse Vielfalt hat sich das InfoForum Ende August bei zwei kleinen Liegend ans Ziel: Seilbahnwart Alois Epp sorgt für Sicherheit. Seilbahnen angemeldet. Anmeldung wird bei vielen dieser Kleinbahnen gewünscht, denn die bei der ersten Bahn hässlich, so bietet sich nun Betreiber sind gleichzeitig Bauern mit Arbeits- ein prächtiges Panorama nicht nur in die umge- plätzen weit verstreut auf den landwirtschaft- benden Bergketten, sondern auch auf Flüelen, lich nutzbaren Flächen. Einheimische können das Reussdelta und den Urnersee. selbständig fahren, aber wir Unterländer sind Anni Ziegler begrüsst uns, nimmt sich Zeit, froh um einen persönlichen Empfang an der uns zu erklären, wie man an einem Ort wirt- Bergstation nach einer Fahrt voll Nervenkitzel. schaftet, der nur durch einen Fussweg und eine Von Silenen (Bushaltestelle Dägerlohn) auf Seilbahn erschlossen ist. Da braucht es nicht nur den Chilcherberg fährt man rund 600 Höhen- Ausdauer zum Arbeiten an den steilen Hängen, meter in knapp sieben Minuten. Die Bergstation nein, auch sehr viel Eigeninitiative ist gefragt. ist Ausgangspunkt für die Wanderung zum be- So stimmt – passend zum Ort – der Schiller- kannten Seewlisee. Wer vorher noch eine Stär- sche Spruch aus Wilhelm Tell: „Die Axt im kung braucht, kann sich hier verpflegen las-sen. Haus erspart den Zimmermann.“ Die Blumen Alois Epp, der letzte ganzjährige Bewohner dort am und ums Haus zeugen auf jeden Fall von oben, ist Seilbahnwart, Gastgeber und Bauer Lebensfreude; fürs Renommieren gegenüber in einem – ein Gespräch mit ihm ist spannend. Nachbarn sind sie nicht da. Beklagen mag sich 1974 wurde die Bahn gebaut, erst 1993 erhielt Anni Ziegler so wenig wie Alois Epp. Aber wie das Bauernhaus einen Stromanschluss. Alois Anni Ziegler: Betätigt die Seilbahn. Bilder: at sie bemerkt, ist es einfacher, mit dieser Situati- Epp erzählt auf Nachfrage, wie er mit acht Ge- on umzugehen, wenn man so aufwuchs. Sonst schwistern aufwuchs. Den Schulweg machten manchmal einige Ziegel zu ersetzen sind.“ Der braucht es eine Angewöhnungszeit. sie notgedrungen zu Fuss, etwas, das wir uns Gegensatz zwischen diesem einfachen Leben Zwei Impressionen zum Schluss. Die Seilbah- heute fast nicht mehr vorstellen können. Und im Einklang mit der Natur und dem Blick in das nen, mögen sie noch so klein sein und einfach fast jeden Tag gab es nach der Schule noch et- unschön überbaute und verkehrsgeschädigte wirken, sind perfekt gepflegt. Von daher fühlte was hochzutragen. Reusstal ist frappant. ich mich sicherer als in mancher Riesengondel. Wiesen zum Mähen, einige Obstbäume mit Wir nehmen den Bus nach Flüelen Gruon- Und die Freundlichkeit der Urner Bevölkerung, herrlichen Früchten, ein Gemüsegarten auf ei- bach, und nach einer kurzen Wanderung berg- auch unterwegs, gegenüber uns Touristen hat ner eigens dafür angelegten Terrasse warten auf stehen wir bei der Talstation der Seilbahn uns, die wir an die eher spröde Art des Berner auf Alois Epp. Im Winter betreut er das Vieh, auf den Giebel. Hier fährt nur eine Kabine, sie Oberlandes gewöhnt sind, sehr positiv über- welches den Sommer auf der Alp verbringt. ist die Verbindung zu zwei Bauernhöfen, einer rascht. Lawinen donnern dann in der Nähe zu Tale, unterwegs, einer am Endpunkt 260 Meter über aber „daran gewöhnt man sich, auch wenn der Talstation. Und war die Aussicht nach unten Internet: www.seilbahnen-uri.ch 12 InfoForum 4/2012 ÖV in Randregionen
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