P.b.b. Zulassungsnummer: 05Z036134M, Verlagspostamt: A-1090 Wien Chirurgie - Österreichische Gesellschaft für Chirurgie
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P.b.b. Zulassungsnummer: 05Z036134M, Verlagspostamt: A-1090 Wien Chirurgie Mitteilungen des Berufsverbandes Österreichischer Chirurgen (BÖC) und der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie (ÖGC) Penetrierendes Bauchtrauma Intrakranielle Aneurysmen Chirurgieverzicht beim Rektumkarzinom 4|2013
Gelesen. Gespeichert. Das MeDizinproDukt ist online! Alle Beiträge jetzt auch online unter www.das-medizinprodukt.at
Inhaltsverzeichnis Inhalt 4 Editorial 5 Diagnose und Therapie bei penetrierendem Trauma Autor: S. Uranüs, Graz 10 Modernes Management intrakranieller Aneurysmen Autoren: C. Sherif, G. Kleinpeter; Wien 12 14 Chirurgieverzicht beim Rektumkarzinom Autor: M. Zitt, Innsbruck Radikalitätsprinzipien bei Melanom Autor: F. Roka, Wien 5 15 Historisches zur Kontinenzerhaltung beim Rektumkarzinom 125 Jahre nach Hocheneggs Pionierleistung Autor: R. Schiessel, Wien ÖGC 10 19 ACO-ASSO - Preis 2014 der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (ACO-ASSO) 20 Kongressbericht 30. Jahrestagung der ACO-ASSO Autoren: Thomas Bachleitner-Hofmann, Thomas Grünberger, Wien 23 Kongressbericht American College of Surgeons Autoren: A. Tuchmann, B. Walzel, W. Feil, D. Öfer-Velano; Wien, Salzburg 26 In Memoriam Professor Dr. Alfred Priesching Autoren: R. Roka, A. Tuchmann, W. U. Wayand 27 In Memoriam Prim.Univ.Prof.Dr. Michael Gadenstätter MSc 28 Autor: Prim. Univ. Prof. Dr. Peter Lechner BÖC Akademie 28 ÖCT Kongressbericht 29 Termine der BÖC Akademie Service Gedruckt nach der Richtlinie des Österreichischen 30 Ärzteservice Gesundheitsvorsorge GmbH Umweltzeichens „Druckerzeugnisse“ 31 Ansprechpartner 32 Terminkalender 34 Impressum Chirurgie · Ausgabe 4/2013 3
Editorial Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Übernahme des Generalsekretariats der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie vor einem halben Jahr habe ich mein 8-Punkte-Programm (siehe Zeitschrift Chirurgie, Mitteilungen des Berufsverbandes und der Österreichi- schen Gesellschaft für Chirurgie, Ausgabe 3/2013, Seite 34) vorgestellt, über das ich regelmäßig Rechenschaft ablegen kann und will. Insbesondere spielen darin die chirurgische Ausbildung und Facharztprüfung eine Hauptrolle. Die österreichische Gesellschaft für Chirurgie wird alles daran setzen, strukturierte Ausbildungsunterlagen zur Facharztprüfung anzubieten und auch die Facharztprüfung so zu gestalten, dass sie nach enstprechender Vorbereitung von den Kandidaten gut zu schaffen ist. Die Ausbildung zum Fach- arzt für Chirurgie erfolgt selbstverständlich an den chirurgischen Abteilungen/ Kliniken, bei den Fortbildungsseminaren der ÖGC, Kongresse, Workshops, etc. Sowohl chirurgische Ausbildung als auch PR sollen in Zukunft zwischen den Gesellschaften (ÖGC, BÖC) harmonisiert werden zum Wohle aller Chirurginnen und Chirurgen. Internationalität, Standespolitik und Ökonomie werden eine noch größere Rolle spielen. So habe ich mit Vertretern der Industrie (Medizintechnik und Pharmaunternehmen) regelmäßige Treffen eingeführt, um die Standpunkte einander zu nähern und die wirtschaftlichen Grundlagen für die chirurgische Weiterbildung und Kongressgestaltung zu optimieren. Auf Kommunikation wird großer Wert gelegt. Im übertragenen Sinn besitze ich daher für Sie immer ein offenes Ohr. Nicht zuletzt deswegen hoffe ich auf gute Zusammenarbeit mit Ihnen allen, Berufsverband, assozierte Fachgesellschaf- ten, Industrie und jedem einzelnen Chirurgen/in. Ihr Prim.Prof.Dr. Albert Tuchmann, FACS Vorstand Chirurgische Abteilung SMZ Floridsdorf Hinaysgasse1, A-1210 Wien Telefon: +43-1/ 27522-4101 Mobiltelefon: +43-664/ 21 21 994 albert.tuchmann@wienkav.at Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie 4 Chirurgie · Ausgabe 4/2013
Traumatische Viszeralchirurgie Diagnose und Therapie bei penetrierendem Trauma Per definitionem handelt es sich bei etwa 5 %, in den USA sind 70 % aller einiger Einschränkungen noch immer penetrierendem Trauma um Verlet- Abdominaltraumen penetrierend. Bei das historische Postulat: „Jede pene- zungen, welche die Körperoberfläche Todesfällen durch Trauma rangieren in trierende Verletzung des Abdomens durchdringen. Als Ursache kommen den USA penetrierende Verletzungen muss mittels Laparotomie exploriert Schuss, Stich, Pfählung oder Explo- an zweiter Stelle (1).Aus viszeralchir- werden“. Der große Unterschied von sion in Frage. Penetrierende Traumen urgischer Sicht werden die Verletzun- heute besteht darin, dass die Explo- (PT) sind potenziell tödliche Verletzun- gen in Abhängigkeit ihrer Lokalisation ration nicht unbedingt durch eine gen, diese müssen vorrangig, schnell in drei Regionen unterteilt: 1-Thorax, Routinelaparotomie erfolgen muss 2-thorakoabdominell, 3-Abdomen (Abb. 2). Bereits 1978 wies Shah et al (einschließlich der Flanken und des auf die Morbidität und Mortalität der Dorsums). Die Ausdehnung des Abdo- negativen explorativen Laparotomien mens reicht ventral von den Brustwar- bei Traumen hin (2). Dieser Umstand zen abwärts bis zu den Leisten und wurde jedoch, wegen fehlender Os pubis, sowie dorsal von den Ska- genauer Diagnosemittel, trotzdem pulaspitzen bis zu Beginn der Glute- akzeptiert. Anfang der 80-iger Jahre alfalten. Dementsprechend sollte bei erfolgte die Einführung genauerer S. Uranüs, Graz Vorliegen von Penetrationen in diesen Untersuchungsmethoden wie Ultra- Gebieten eine Abklärung des Abdo- schall und CT (Tabelle 1). 1989 berich- Abb. 1: Beispiel einer penetrierenden mens erfolgen. Grundsätzlich gilt trotz teten Miller et al, dass ein Großteil der Stichverletzung Routinelaparotomien nicht therapeu- tische Eingriffe waren, verbunden hämodynamisch mit einer signifikanten Komplikati- stabil onsrate (3). Nicht zuletzt mit dieser Publikation von Miller et al erfolgte ein Umdenken. Stichverletzung Schussverletzung Derzeit richtet sich die Vorgehens- Schrotkugeln Projektil weise in erster Linie nach der Frage: „Liegt eine Penetration des Perito- neums und eine Therapie würdige Ver- thorako Rücken / ventral abdominal ventral Flanke ventral oder dorsal tangential letzung vor?“ Zur Beantwortung dieser Frage stehen mit Sonographie und diagnostische CT Computertomographie zwei wichtige diagnostische CT Laparoskopie Laparoskopie Untersuchungsmethoden mit hoher Sensitivität, Spezifität und negativ negativ positiv prädiktiver Validität zur Verfügung (Tab. 1). Ein weiteres diagnostisches Mittel ist Laparoskopie, welche im Observanz diagnostische Unterschied zu den zuvor genannten Laparoskopie Untersuchungsmethoden invasiv ist, aber die potenzielle Möglichkeit des Autor: hämodynamisch instabil LAPAROTOMIE therapeutischen Einsatzes mit sich bringt (4). S. Uranüs, Graz Abb. 2: Algorithmus für Diagnose und Therapie beim penetrierenden Trauma und zielgerichtet diagnostiziert und therapiert werden (Abb.1). Die Inzi- Tabelle 1: denz variiert abhängig von Ländern Aussagekraft der Untersuchungsmethoden in Bezug auf die Notwendigkeit und Regionen. Während in Europa einer therapeutischen Intervention penetrierende Traumen seltener LWE US CT LPSK vorkommen, zählen solche Verlet- zungen in manchen amerikanischen Sensitivität 71 46 – 85 97 50 – 100 oder afrikanischen Regionen zum täglichen Ereignis in den Notaufnah- Spezifität 77 48 – 95 98 74 – 90 men. In städtischen Bereichen sind penetrierende Verletzungen deutlich NPV 79 78 – 100 98 100 häufiger als im ländlichen Bereich. (LWE: lokale Wundexploration, US: Ultraschall, CT: Computertomographie, In Zentraleuropa beträgt der Anteil LPSK: Laparoskopie, NPV: Negative prädiktive Validität) (modifiziert nach www.trauma.org) der penetrierenden Verletzungen Chirurgie · Ausgabe 4/2013 5
Traumatische Viszeralchirurgie und massiver Blut- und Blutderivat- transfusion. In manchen Fällen kann ein Abklemmen der Aorta infra- oder supradiaphragmal notwendig werden. Dadurch erreicht man eine verbesserte Füllung des Herzens und eine signifi- kante Reduktion der Blutung. Jedoch muss rasch gehandelt und die Aorta wieder freigegeben werden. Blutstil- lung kann in den meisten Fällen durch Ligatur der Gefäße erreicht werden (Tabelle 2). Ein intravasculärer Shunt über die Verletzungsstelle kann eine sofortige Blutstillung unter Vermei- dung zeitraubender Rekonstruktionen herbeiführen sowie zu einer raschen Reperfusion der betroffenen Organe verhelfen. Der gesamte Eingriff wird Abb. 3: Schussverletzung mit multiplen Dünndarmläsionen, die passagär nur mit Ligaturen versorgt wurden unter dem Motto „Damage Control Sur- gery“ nach Tamponade aller vier Quad- ranten mittels Tüchern mit temporärem In Abhängigkeit des klinischen ad 1: Ein druckloser Patient mit einer Bauchdeckenverschluss beendet. Die Zustandes unterscheiden wir folgende penetrierenden Verletzung muss ohne möglichst anatomiegerechte Rekonst- drei Kategorien: weitere Diagnostik und Zeitverlust noch ruktion der Gefäße und weitere orga- im Schockraum oder im nächst gelege- nerhaltende Eingriffe können zu einem ǛǛ 1- Druckloser Patient mit nicht nen Operationssaal operiert werden. späteren Zeitpunkt nach Stabilisierung tastbarem Puls Das oberste Ziel ist das sofortige Stop- des Kreislaufs und Wiederherstellung ǛǛ 2- Instabiler Patient pen der Blutung bei gleichzeitig mitlau- der Körperphysiologie nach etwa 24 ǛǛ 3- Stabiler Patient fender medikamentöser Reanimation bis 36 Stunden vorgenommen werden. European Society for Trauma and Emergency Surgery (ESTES), European Association for Endoscopic Surgery (EAES) in co-operation with Section for Surgical Research, Medical University of Graz ACUTE CARE SURGERY COURSE ON VISCERAL & GASTROINTESTINAL EMERGENCIES (NON-TRAUMA) March 17-18, 2014 This workshop is designed to provide state-of-the-art information on the diagnosis and management of severely ill patients who present with non-traumatic visceral and gastrointestinal emergencies. The course emphasizes direct involvement of the trainees in the problem-oriented theory and hands-on lab sessions. Upon completion of the course, attendees will be well equipped to deal with these patients when they see them in the emergency room. Course director: Prof.Dr. S. Uranues Course language: English Course location: Department of Surgery, Section for Surgical Research, Auenbruggerplatz 29, 8036 Graz, Austria Registration fee: € 600.-, for members of ESTES and EAES € 550.- Registration: i.prassl@medunigraz.at, Phone: +43(0)316 385 83232, Fax: +43(0)316 385 16845 Information: http://www.chirurgischeforschung.at/en/ akutchirurgie--acute-care-surgery.html 6 Chirurgie · Ausgabe 4/2013
Traumatische Viszeralchirurgie Ad 2: Ein Patient wird als instabil Notwendige Resektionen und Ana- bezeichnet, wenn eine hypotone stomosen sollten aufgeschoben Tabelle 2: Kreislauflage und Tachykardie vorlie- und zu einem späteren Zeitpunkt Gefäßligatur und mögliche erwartete Nekroserate gen. Patienten sind zentralisiert und durchgeführt werden. Bei Vorlie- bedürfen einer raschen Behandlung gen schwerer parenchymatöser Ligiertes Gefäß Erwartete Nekroserate ihrer schweren inneren Verletzungen. Organverletzungen sollten jedoch % Neben der medikamentösen Reani- arterielle und größere venöse Blu- mation und Transfusion von Blut- und tungen umstochen und danach eine Truncus coeliacus 95 fernt. Bei Schussverletzungen müssen sein. die Projektile bzw. Teile davon nicht Arteria mesenterica superior > 95 unbedingt vollständig entfernt wer- Ad 3: Bei Kreislauf stabilen Patien- den. Nur jene, die lebensgefährliche ten ist bei Zeichen einer Peritonitis Arteria mesenterica inferior > 95 Verletzungen bzw. Blutungen verur- und/oder Eviszeration der Bauch- Arteria mesenterica distalis > 50 sacht haben, sollten zur Durchführung oder Thoraxorgane eine sofortige der Blutstillung evakuiert werden. Operation vorzunehmen (Abb.4). Arteria colica sinistra < 25 Wenn die Blutungsquelle singulär In anderen Fällen können die ist, die Blutstillung rasch durchgeführt Untersuchungen zur Feststellung Arteria haemorrhoidalis 0 und der Patient wieder stabilisiert wer- der Notwendigkeit einer Operation superior den kann, können weitere reparative fortgesetzt werden. Maßnahmen vorgenommen werden. Ziel bei perforierenden Verletzun- Gastrointestinale Verletzungen sollten gen ist die Identifizierung einer mit Ligaturen, alternativ mit Hilfe von Operationsindikation zur Vermei- Hautklammern oder mit Klammernaht- dung einer nicht therapeutischen geräten einfach verschlossen werden, Laparotomie (Tabelle 3). um eine weitere Kontamination der Körperhöhle zu verhindern (Abb.3). Abb. 4: Eviszeration von Omentum im Rahmen einer Schussverletzung Tabelle 3: Wertigkeit der bildgebenden Diagnostik beim penetrierenden Trauma Vorteile Nachteile kann im Schockraum auch bei instabilen Patienten rasch Ungenau beim Erkennen der Verletzungen und ihrer Grade, und begleitend durchgeführt werden. Verhilft der Entschei- in der Diagnostik des Retroperitoneums, Zwerchfells und Ultraschall dungsfindung durch Diagnose von freier Flüssigkeit, paren- Magen- Darmtrakts chymatöser Organverletzungen, Flüssigkeit im Pleuraraum und im Herzbeutel. Die genaueste Untersuchungsmethode zur Diagnostik der Stabilität der Verletzten ist eine Bedingung für die Durch- Organverletzungen und ihrer Grade. Kann Retroperitoneum, führbarkeit. Die Patienten müssen meist in die radiologi- Pankreas, Nieren, Leber und Duodenum, aber auch bis zu sche Abteilung gebracht werden, dadurch geht wertvolle CT einem bestimmten Grad den Gastrointestinaltrakt abklären, Zeit verloren. CT weist diagnostische Schwäche bei der Iden- sie ist Untersucher unabhängig und bei Verlaufskontrolle tifizierung der Verletzungen am Zwerchfell, Mesenterium der Organverletzungen genauer. CT gibt eine exaktere Über- und Magen-Darmtrakt auf. sicht über die freie Flüssigkeitsmenge. Chirurgie · Ausgabe 4/2013 7
Traumatische Viszeralchirurgie Besondere Vorsicht ist bei lokaler unerkannt bleiben kann. Kleinere roskopisch therapiert werden. Die Exploration geboten, da bei schrägen Stichverletzungen des Darmes können Technik der Trauma-Laparoskopie ist Stichverletzungen die peritoneale sowohl der lokalen Wundexploration in der aktuellen Literatur ausführlich Penetrationsstelle viel weiter als die als auch der CT-Diagnostik entgehen angeführt (5). äußere Einstichstelle liegen und somit (Abb.5). Aus diesem Grund sollte bei Für eine Traumalaparotomie sollte geringstem Verdacht die Möglichkeit der Patient immer in Rückenlage mit einer diagnostischen Laparoskopie ausgestreckten Armen gelagert und ausgeschöpft werden (4). Laparos- vom Kinn bis unter die Leistenregion kopie beim perforierenden Trauma gewaschen und abgedeckt werden. dient in erster Linie der Feststellung Die zielführendste Inzision ist eine einer möglichen Penetration des Peri- mediane Laparotomie vom Xyphoid toneums sowie in zweiter Linie dem bis zur Symphyse (6). Eine Trauma- Ausschluss einer gastrointestinalen laparotomie sollte idealerweise nicht Verletzung. Solche Verletzungen kön- länger als eine Stunde in Anspruch nen unter Umständen ebenfalls lapa- nehmen. ■ Literatur: 1. http://www.cdc.gov/ncipc/wisqars Abb. 5: Stichverletzung des Dünndarmes, die laparoskopisch diagnosti- 2. Shah R. (1978): Negative laparotomy: Mortality and morbidity among 100 patients. Am ziert und therapiert wurde; zuvor entging die Verletzung der CT-Diagnostik Surg 44(3):150-4. 3. Miller FB. et al. (1989): Negative findings on laparotomy for trauma. Southern Medical Journal 82(10):1231-4. 4. Uranues S. et al. (2010): Laparoscopy in Abdominaltrauma. Eur J Trauma Emerg Surg 36(1):19-24 Korrespondenzadresse: 5. Uranues S, Fingerhut A, Bergamaschi R. (2011) Laparoscopic Procedures in Trauma Care. In: Univ.-Prof. Dr. S. Uranüs European Manual of Medicine. Head, Thoracic, Abdominal, and Vascular Injuries. Oestern Medizinische Universität Graz H-J, Trentz O, Uranues S(ed.) Springer Berlin-Heidelberg Universitätsklinik für Chirurgie 6. Uranues S, Fingerhut A. (2011) Trauma Laparotomy: Indications, Priorities, and Damage Control. In: European Manual of Medicine. Head, Thoracic, Abdominal, and Vascular Auenbruggerplatz 29, A-8036 Graz Injuries. Oestern H-J, Trentz O, Uranues S(ed.) Springer Berlin-Heidelberg E-Mail: selman.uranues@medunigraz.at European Association for Endoscopic Surgery (EAES) European Society for Trauma and Emergency Surgery (ESTES) Section for Surgical Research Graz, Medical University of Graz in cooperation with the International Association for the Surgery of Trauma and Surgical Intensive Care (IATSIC) Workshop on Trauma to Visceral & Gastrointestinal Organs Definitive Surgical Trauma Care-DSTCtm September 22-23, 2014 The symposium provides an ideal mix of the traditional standard-of-care principles with cutting edge and forward-moving practices. It explores issues related to resuscitation and surgical technique. The workshop runs theory in the morning sessions and hands-on sessions in the afternoon. It provides in-depth and cutting-edge information in the field of visceral injuries Course director: Prof. Dr. S. Uranues Course language: English Course location: Department of Surgery, Auenbruggerplatz 29, 8036 Graz, Austria Registration fee: € 850.00; for members of ESTES and IATSIC member societies € 775.00 Registration: e-mail to i.prassl@medunigraz.at, Fax: +43 (0) 316 385 16845 Information: http://www.chirurgischeforschung.at/en/visceraltrauma-ws.html 8 Chirurgie · Ausgabe 4/2013
Neurochirurgie Modernes Management intrakranieller Aneurysmen Intrakranielle Aneurysmen finden sich bei 3.5% der Bevölkerung. Circa jedes 400.-1000. Aneurysma platzt und führt zu einer Subarachnoidalblutung mit einer Mortalität von ca. 40%. Die gebluteten Läsionen müssen so rasch als möglich verschlossen werden, um eine Nachblutung zu vermeiden. Dies kann typischerweise durch ein operatives mikrochirurgisches Aneurysmaklippung oder einen endovaskulären Verschluß geschehen. Bei zufällig gefundenen Aneurysmen muss das Therapierisiko sorgfältig gegen das Risiko des natürlichen Verlaufs abgewogen werden. Für diese Läsionen stellt die mikrochirurgische Klippung weiterhin den Goldstandard dar. Epidemiologie und Bei rekonstruktiven Techniken wird rekonstruktive Methode werden auch Pathogenese das Aneurysma aus der Blutzirku- sogenannte „Flowdiverter Stents“ Die Prävalenz intrakranielle Aneu- lation ausgeschaltet, während das implantiert. Diese Stents sind extrem rysmen beträgt ca. 3.5% (6% bei Trägergefäß rekonstruiert wird: Dies engmaschig konstruiert, was zu einer Frauen vs. 1,57% bei Männern).1 In sind in erster Linie das mikrochirur- Verlangsamung des Blutstromes im Österreich sind also ca. 300.000 gisches Klipping. Hierbei wird das Aneurysma und dadurch zu einem Patienten betroffen! Die Gefahr der Aneurysma mikrochirurgisch von Stasethrombus führen soll. Für „Neck- Aneurysmen liegt in deren Ruptur mit außen mittels Klipp verschlossen bridging –devices“ und Flowdiverter konsekutiver Subarachnoidalblutung (siehe Abb. 1). Größter Vorteil ist die ist eine Thrombozyten blockierende (aSAB). Die Inzidenz der SAB beträgt minimale Tendenz von Aneurysmare- Therapie mit Acetylsalicylsäure und ca. 10/100.000/Jahr. Die Geschlechts- zidiven 2 – 4%7 und die Möglichkeit Clopidogrel zwingend notwendig. Für verteilung der aSAB zeigt ebenfalls auch Aneurysmen mit komplexen beide Methoden besteht derzeit auch 2/3 Frauen und 1/3 Männer. Die Geometrien gut verschließen zu kön- eine vergleichsweise dünne bzw. Gesamtmortalität der aSAB ist trotz nen. Nachteile sind die zumindest im sogar kontroversielle Datenlage (v.a modernster medizinischer Methoden kurzen Beobachtungszeitraum etwas für Flowdiverter). Sie sollten also nur und Therapien mit 40% weiterhin sehr höhere Morbidität im Vergleich zur in sehr ausgewählten Fällen bei zufäl- hoch.2 Der volkswirtschaftliches Scha- endovaskulären Therapie, v.a. im lig gefunden Aneurysmen und dem C. Sherif, Wien den ist enorm und wird meist massiv Bereich der hinteren Zirkulation. Eine Fehlen von sinnvolleren Alternativen unterschätzt, da v.a. junge PatientIn- weitere Option, v.a für Aneurymsen angedacht werden. nen betroffen sind. Obwohl die aSAB mit einfacher Geometrie und in der lediglich für 10% aller Schlaganfälle hinteren Zirkulation ist die endovas- Dekonstruktive Techniken verantwortlich ist, führt sie zu mehr kuläre Embolisation, typischerweise Bei dekonstruktiven Techniken wird als 25% aller Schlaganfallbezogen mittels Mikrospiralen (Coiling). Dabei das Trägergefäß verschlossen und Folgekosten.3 In Deutschland sind werden die Mikro-Coils im Aneurysma somit indirekt das Aneurysma aus- das mehr als 1,875 Milliarden Euro abgesetzt und führen dort zu einer geschaltet: Dies sind alleiniger Trä- pro Jahr!4 Verlangsamung des Blutstromes und gergefäßverschluss (endovaskulär Es handelt sich bei Aneurysmen in in weiterer Folge zu einem Staseth- oder chirurgisch) im Falle von guter mehr als 95% der Fälle um erworbene rombus (siehe Abb. 2). Dieser wird Kollateralisation. Im Falle mangeln- Läsionen. Als ursächliche Mechanis- innerhalb der nächsten Wochen bis der Versorgung über die anderen men werden v.a. hämodynamischer Monate in narbiges Gewebe umge- Gefäße des Criculus arteriosus Wil- Autoren: Stress zusammen mit inflammatori- baut. Wesentlich ist dabei, dass die lisi muss zusätzlich zum Trägerge- C. Sherif, Wien; schen Aneurysmwandveränderungen Coils nur das Aneurysma, nicht aber fäßverschluss ein Bypass angelegt G. Kleinpeter, Wien diskutiert.5 Bekannte Risikofaktoren die Trägergefäße verschließen, was ja werden, um einer sonst drohenden sind generell ähnlich denen peripher zu einem Insult führen könnte. Größ- Unterversorgung des Hirnparen- arteriosklerotischer Erkrankungen, ter Vorteil des Coilings bei gebluteten chyms vorzubeugen. Sehr selten also v.a. Rauchen, hoher Blutdruck, Aneurysmen ist die etwas erniedrigte auch wird auch eine Flussmodifika- aber auch Alkohol- und Kokain Morbidität/Mortalität im Vergleich zu tion indiziert. Hierbei wird der Blutzu- abusus.2 Klipping, zumindest im kurzen Beob- strom zu Aneurysma gedrosselt. Dies achtungszeitraum. Größter Nachteil kann chirurgisch mittels Turniquet- Management ist die hohe Rate an Rezidivaneurys- technik oder endovaskulärer mittels Im Folgenden werden lediglich die men in bis zu 25% der Fälle, mit bis zu Teilverschluss des Trägergefäßes häufigsten und klassischen Therapie- 7fach erhöhtem Nachblutungsrisiko inkl. Heparinisierung erfolgen. Ziel pfade besprochen, da eine detaillierte verglichen zum mikrochirurgischen ist ein langsamer Gefäßverschluss. Beschreibung den Rahmen dieses Klipping.7 Für Aneurysmen mit brei- In der Zwischenzeit kann der Körper Artikels bei weitem sprengen würde. tem Hals und daher größerer Gefahr eigenständig eine suffiziente Kollate- Prinzipiell muss zwischen akut ruptu- der Coilprotrusion ins Trägergefäß ralisation aufbauen. rierten und inzidentellen Aneurysmen gibt es rezent weitere endovskuläre unterschieden werden. Optionen: Der breite Aneurysmahals Akut rupturierte Aneurysmen kann mittels sogenannter „Neck- Diese stellen eine akute Pathologie Rekonstruktive Techniken brigding-devices“ überbrückt wer- dar und sollen so rasch wie möglich Ferner muss zwischen rekonstrukti- den, die die Coils dann im Aneurysma an eine Spezialklinik mit multimo- ven Techniken und dekonstruktiven fixieren. Typischerweise sind dies dalen Therapiemöglichkeiten trans- Techniken unterschieden werden.6 weitmaschige Stents. Als neueste feriert werden. Die Diagnose einer 10 Chirurgie · Ausgabe 4/2013
Neurochirurgie aSAB erfolgt in der täglichen Praxis fast immer Inzidentelle Aneurysmen über ein natives CT inklusive CT-Angiographie. Bei diesen zufällig gefundenen Läsionen stellt In ausgewählten Fällen mit negativem CT/MRT v.a. die Therapieselektion die große klinische und klinischem Verdacht kann eine Lumbal- Herausforderung dar. Diese kann auf Grund von punktion durchgeführt werden. Die digitale CTA, MRA und/oder DSA durchgeführt werden. Subtraktionsangiographie idealerweise mit Die richtige Selektion ist deshalb so wesent- 3D Rekonstruktion stellt weiterhin den diag- lich, da nämlich mit ca. 3–5% therapeutischer nostischen Goldstandard zur OP bzw. Inter- Morbidität zu rechnen ist7, wir aber gleichzeitig ventionsplanung dar. Danach wird gemeinsam wissen, dass nur eines von 400–1000 Aneurys- von interventionellem Neurochirurgen/Neuro- men tatsächlich platzen wird.2 Die Risikoana- radiologen und operativem Neurochirurgen lyse basiert derzeit v.a. auf epidemiologischen die Therapieentscheidung zwischen Operation und Lebensstilfaktoren (Alter, Geschlecht, art. oder endovaskulärer Embolisation gefällt. Nur Hypertonie, Rauchen, Alkohol, Familienana- Abb. 1: Der Klipp schaltet das Aneurysma dauerhaft und sicher aus. für Fälle, in denen beide Partner eine gleich mnese), der Aneurysmalokalisation und der gute Behandelbarkeit des Aneurysma feststel- Geometrie (Länge >7mm, multilobulär, unre- len, ist gemäß den ISAT Einschlusskriterien gelmäßig). Diese Parameter beschreiben zwar das endosakkuläre Coiling – also der endo- sehr gut ein die Blutungswahrscheinlichkeit in vaskuläre Verschluss des Aneurysmasackes einem Patientenkollektiv, erlauben aber nur mit Mikrospiralen – zu bevorzugen.8 Im ISAT sehr beschränkt eine Aussage für den einzelnen trial war dies lediglich bei 22,4% der Pati- Patienten. Daher sind in letzter Zeit immer mehr enten der Fall! Sehr oft werden diese Daten individualisierte Risikoprognosen im Fokus der jedoch als generelle Firstline Empfehlung für Wissenschaft. Hierbei beruht die Hoffnung endovaskuläres Coiling missinterpretiert. auf patientenspezifischen computerisierten In sehr ausgewählten Fällen ohne sinnvolle Simulationen von Blutströmung und physika- rekonstruktive Therapieoption kann nach der lischen Kräften, die innerhalb des Aneurysmas kritischen klinischen Phase (v.a. Ende des wirken. Im Rahmen der Forschungstätigkeit der Vasospasmus) auch eine dekonstruktive Tech- zerebrovaskulären Forschungsgruppe Wien an Abb. 2: Die endovaskulären Coils verschließen das Aneurysma von innen. nik angewendet werden. Typischerweise ist der KAR beschäftigen wir uns intensiv mit die- dies ein 2 zeitiges Vorgehen mit Anlage eines sen hoffentlich vielversprechenden Methoden Bypasses von extracraniellen Gefäßen (z.B. (siehe Abb. 4).9 Bezüglich der Therapie ist hier Art. temp. superficialis oder Art. occipit.) auf bis dato das Klipping weiterhin die Therapie mit oberflächliche Hirngefäße (z.B. Äste der Art. der besten Datenlage. Die endovaskulären The- cerebri media oder posterior) mit nachfolgen- rapieoptionen, v.a. „Neckbdridging Devices“ derm endovaskulären Verschluss (typischer- und „Flowdiverter“, haben sicher das Potential, weise Balloon) nach 48 – 72 Stunden. die Möglichkeiten der endovaskulären Thera- pie wesentlich zu erweiteren. ■ References 1. Vlak M, Algra A, Brandenburg R, et al. Prevalence of unruptured intracranial aneurysms, with emphasis on sex, age, comorbidity, country, and time period: a systematic review and meta-analysis. . Lancet Neurol 2011;10:626– 636 Abb. 3: Stent-assistiertes Coiling. Der breitmaschige 2. Rinkel G, Djibuti M, Algra A. Prevalence and risk of rupture of intracranial aneurysms: A systematic review. Stroke Stent verhindert eine Protrusion der Coils in das Trä- 1998;29:251-256 gergefäß 3. Schatlo B FC, Fathi AR, Sailer M, Winkler K, Daniel RT, Bijlenga P, Ahlborn P, Seule M, Zumofen D, Reinert M, Woernle C, Stienen M, Levivier M, Hildebrandt G, Mariani L, Bernays R, Fandino J, Raabe A, Keller E, Schaller K. Introducing a nationwide registry: the Swiss study on aneurysmal subarachnoid haemorrhage (Swiss SOS). Acta Neurochir 2012;154:2173-2178 4. Kolominsky-Rabas P, Sarti C, Heuschmann P. A prospective community-based study of stroke in germany – The Erlangen Stroke Projekt (ESPro). Stroke 1998;29:2501-2506 5. Frösen J TR, Paetau A, Laaksamo E, Korja M, Laakso A, Niemelä M, Hernesniemi J. Saccular intracranial aneurysm: pathology and mechanisms. Acta Neuropathol 2012;123:773-786 6. Gruber A, Bavinszki G, Standhardt H, et al. Multimodality treatment of cerebral aneurysms. JNNP 2007;8:16-26 7. Molyneux A, Kerr R, Yu L-M, et al. International subarachnoid aneurysm trial (ISAT) of neurosurgical clipping versus endovascular coiling in 2143 patients with ruptured intracranial aneurysms: a randomised comparison of effects on survival, dependency, seizures, rebleeding, subgroups, and aneurysm occlusion. Lancet 2005;366:809-817 8. Molyneux A, Kerr R, Yu L-M, et al. International Subarachnoid Aneurysm Trial (ISAT) of neurosurgical clipping versus endovascular coiling in 2143 patients with ruptured intracranial aneurysms: a randomised trial. Lancet 2002;360:1267-1274 9. Mach G, Heinzl R, Schwaha P, et al. A Modular Tool Chain for High Performance CFD Simulations in Intracranial Aneurysms. Conference Proceedings, ICNAAM, Numerical Analysis and Applied Mathematics, International Conference 2010;1:1647-1650 Korrespondenzadresse: Priv. Doz. Dr. med. Camillo Sherif Abb. 4: Patientenspezifische Risikosimulation: Ba- sierend auf einem 3D DSA Datensatz des Patienten. Neurochirurgische Abteilung und zerebrovaskuläre Forschungsgruppe Wien Die Falschfarben zeigen die Ausprägung der an den Krankenanstalt Rudolfstiftung Gefäß-und Aneurysmwänden wirksamen Scherkräf- Juchgasse 23, A-1090 Wien te, die maßgeblich für die Aneurysmaentstehung E-Mail: camillo.sherif@wienkav.at und Ruptur verantwortlich gemacht werden. Chirurgie · Ausgabe 4/2013 11
Kolorektale Chirurgie Chirurgieverzicht beim Rektumkarzinom Kurative Therapie des Rectal Cancer Study Group“ erwähnt, Resttumor – erreicht worden ist oder Rektumkarzinoms welche zeigen konnte, dass die neo- nicht. Ein „pathologisch kompletter Etwa ein Drittel aller kolorektalen Kar- adjuvante Langzeit-Radiochemothe- Response (pCR)“ – definiert als das zinome sind im Rektum lokalisiert, rapie (mit 5-FU) – verglichen mit der Fehlen von restlichen vitalen Tumor- wobei man zwischen Karzinomen des postoperativen Radiochemothera- zellen im Resektat – wird laut einem oberen, des mittleren und des unte- pie – eine bessere Compliance-Rate, Review basierend auf Phase II und III ren Rektumdrittels differenziert, was eine geringere Lokalrezidivrate (6% Studien zusammenfassend in 13.5% für die therapeutische Strategie von vs. 13%), eine geringere Toxizität und der Fälle beobachtet (3), ist aber essentieller Bedeutung ist. Nach stan- eine höhere Sphinktererhaltungsrate natürlich abhängig von der Tumor- dardisierter Diagnostik (Endoskopie, aufweist (2). biologie, vom verwendeten Thera- Computertomographie des Körper- Im Falle eines „low-risk“ T1-Karzinoms pieschema und auch vom Intervall stammes, Magnetresonanztomogra- kann anstatt der radikalen Resektion zwischen Vorbehandlung und Resek- phie des kleinen Beckens; alternativ eine limitierte Resektion mit inkom- tion, sodass auch wesentlich höhere oder additiv zur MRT die endorektale pletter Entfernung des Lymphabfluss- Raten an pCRs berichtet werden. In Sonographie, insbesondere wenn es gebietes, eine lokale Exzision ohne einer „gepoolten“ Analyse von Stu- sich um frühe Tumorstadien handelt) Lymphadenektomie oder sogar eine dien mit insgesamt über 3000 Pati- muss das therapeutische Procedere rein endoskopische Intervention (Poly- enten mit Rektumkarzinom und neo- im Rahmen eines interdisziplinären pektomie, Endoskopische Mukosare- adjuvanter Radiochemotherapie plus Tumorboards festgelegt werden. sektion oder Endoskopische Submu- TME zeigt sich jedenfalls für Patienten Die chirurgische Therapie stellt das kosadissektion) in kurativer Intention mit pCR ein signifikanter Vorteil im zentrale Element in der Behandlung durchgeführt werden. Ob und welche „Langzeit-Outcome“ verglichen mit des Rektumkarzinoms dar. Durch die dieser onkologisch-limitierten Techni- Patienten ohne pCR (4). Es stellt sich Einhaltung der operationstechnischen ken zum Einsatz kommt, muss in einer nun also die Frage, ob Patienten mit Prinzipien der Totalen Mesorektalen interdisziplinären Tumorbesprechung einer pCR überhaupt eine chirurgische M. Zitt, Innsbruck Exzision (TME) konnte eine deutliche Fall für Fall diskutiert werden. Resektion benötigt hätten oder ob Reduktion der Rate an lokoregionä- Neben chirurgisch-onkologischen man ihnen diese ersparen hätte kön- ren Rezidiven erreicht werden (1). Überlegungen mit den oben beschrie- nen, noch dazu wo man weiß, dass Während Karzinome des unteren und benen Aspekten hinsichtlich operati- die chirurgische Morbidität und Mor- mittleren Rektumdrittels in jedem Fall ver Radikalitätsprinzipien und multi- talität sowie die Einschränkungen der eine TME bedingen, herrscht breiter modaler Behandlungskonzepte haben Lebensqualität durch die Rektumchir- Konsens darüber, dass Karzinome des in den letzten Jahren vor allem Überle- urgie beträchtlich sind. oberen Rektumdrittels nach den Krite- gungen zur Maximierung der Lebens- Aufgrund dieser Überlegungen wird rien der Partiellen Mesorektalen Exzi- qualität Einzug gehalten. Dabei nun also diskutiert, ob man Rektum- sion (PME) operiert werden können. spielen die Vorteile der zunehmend karzinom-Patienten mit einem klinisch Voraussetzung für einen potentiell häufiger eingesetzten minimal-invasi- kompletten Response (cCR) nach kurativen Anspruch der Operation ist ven Chirurgie ebenso eine große Rolle Radiochemotherapie einer sogenann- immer eine R0-Resektion (proximal, wie „Nerven-sparendes Operieren“ im ten „wait and see“ Strategie zuführen Autor: distal und zirkumferentiell) sowie die Rahmen einer exakten TME oder der und somit auf die Operation verzich- M. Zitt, Innsbruck komplette Entfernung des regionalen Erhalt des Sphinkters anstatt eines ten kann. In einem rezent publizierten Lymphabflussgebietes. Die Kombina- definitiven Kolostomas oder eben systematischen Review von Glynne- tion aus diesen chirurgischen Prinzi- auch Organ-erhaltende Techniken Jones konnten von ursprünglich 980 pien und funktionellen Überlegungen bei „low-risk“ T1-Karzinomen. In diese Abstracts (1990–2011) zum Thema bezüglich zu erwartende postopera- Entwicklungen reiht sich nahtlos auch „Radiochemotherapie beim Rektum- tive Kontinenz entscheidet darüber, die Diskussion ein, ob in speziellen karzinom und Response“ 30 relevante ob ein Patient einer Sphinkter-erhal- Befundkonstellationen auf ein chirur- Studien mit insgesamt 650 Patienten tenden Rektumresektion oder einer gisches Vorgehen gänzlich verzichtet gefunden werden, welche genau diese Abdomino-perinealen Rektumexstir- werden kann. Fragestellung adressieren (5); frühere pation zugeführt wird. Reviews erfüllen nicht die Kriterien Beim lokal fortgeschrittenen (cT3/cT4) „Chirurgieverzicht“ nach eines systematischen Reviews, Meta- Karzinom des unteren und mittleren Radiochemotherapie als analysen existieren bis dato keine. Rektumdrittels ist in den letzten 20 kurative Alternative? Diese 30 Publikationen unterteilen Jahren die alleinige Operation durch Die chirurgische Resektion nach neo- sich wiederum in 18 Berichte von der multimodale Behandlungskonzepte adjuvanter Radiochemotherapie gilt Gruppe um Angelita Habr-Gama mit bestehend aus neoadjuvanter Strah- derzeit als Standardtherapie beim insgesamt 361 retrospektiv analysier- lentherapie (mit oder ohne beglei- lokal fortgeschrittenen Karzinom des ten Patienten zwischen 1991 und 2009 tende Chemotherapie) und konseku- mittleren und unteren Rektumdrittels, sowie in 12 Berichte anderer Gruppen tiver Operation ersetzt worden, was unabhängig davon ob durch die Vor- mit insgesamt 289 Patienten (5). In der die Rate an lokoregionären Rezidiven behandlung ein „klinisch kompletter ursprünglichen Serie von Habr-Gama weiter senken konnte. Stellvertretend Response (cCR)“ – definiert als das et al. mit 118 Patienten (1991–1996), dazu sei hier die Studie der „German Fehlen von klinisch detektierbarem welche bei „tiefem“ Rektumkarzinom 12 Chirurgie · Ausgabe 4/2013
Kolorektale Chirurgie radiochemotherapiert wurden, zeigte Daten komplett fehlen. Zudem zeigen Befundung plus histologischer Siche- sich eine cCR-Rate von 30.5%, wobei die erwähnten Serien eine beträchtli- rung) und im engmaschigen intensi- die cCR durch die klinische Untersu- che Heterogenität in Bezug auf nahezu ven Follow-Up, vor allem innerhalb chung, die radiologische Bildgebung alle relevanten Aspekte: initiale der ersten 12 Monate, um einen fort- (transrektaler Ultraschall, Becken-CT) Behandlungsstrategie; Art, Dosierung währenden cCR zu beweisen. Es ist und eine negative Biopsie evaluiert und Dauer der Chemotherapie; Dosis allerdings in meinen Augen keines- wurde. Eine „Salvage-Operation“ war und Fraktionierung der Strahlenthera- falls gerechtfertigt, diese Ergebnisse bei 8 dieser 30 Patienten aufgrund pie; Patientenselektion; bildgebende auf größere lokal fortgeschrittene eines Lokalrezidivs innerhalb von 3 Methoden zur Responsebeurteilung; (und dadurch per se oft Lymphkno- bis 14 Monaten notwendig, die restli- Art der Einschätzung und Definition ten-positive) Tumore zu übertragen, chen Patienten hatten vergleichbare des cCR; Follow-Up Schema. Selbst die da diese Situation in den bisherigen Langzeitergebnisse (medianes Follow- verschiedenen Publikationen von der Daten nicht abgebildet wird. Zudem up von 36 Monaten) wie diejenigen Gruppe um Habr-Gama lassen doch ist nach wie vor ungelöst, auf Basis Patienten, welche nach Radiochemo- eindeutige Unterschiede erkennen, welcher Kriterien mit welchen bildge- therapie operiert wurden und eine beispielsweise wenn man den Zeit- benden Methoden die Lymphknoten pathologische komplette Remission punkt betrachtet, wann von einer fort- hinsichtlich Response verlässlich eva- (pCR) hatten (6). In den weiteren währenden cCR gesprochen werden luiert werden können. Serien dieser Gruppe zeigten sich kann oder wenn man den Einsatz der (nach 12 Monaten fortwährende) Magnetresonanztomographie analy- Fazit cCR-Raten von 27%–39% bei „Fol- siert. Das größte Problem hinsichtlich Aufgrund der derzeitigen Datenlage low-up“ Perioden von median zirka Vergleichbarkeit mit anderen Studien bleibt die neoadjuvante Vorbehand- 60 Monaten. Die Lokalrezidiv-Raten scheint die Tatsache zu sein, dass lung gefolgt von der chirurgischen pendelten sich zwischen 3% und 6% Habr-Gama et al. eher kleine Tumore Resektion in Form einer exakt durch- ein, das 5-Jahres krankheitsfreie Über- (mediane Tumorgröße von 3.7cm2) des geführten TME die Therapie der Wahl leben betrug 72% bis 92%, die 5-Jah- unteren Rektumdrittels (7cm ab Anal- beim histologisch verifizierten lokal res Gesamt-Überlebensrate 93% bis rand) in die Studien eingeschlossen fortgeschrittenen Adenokarzinom des 100% (7–10); die größte Serie von 361 haben, während es sich in anderen mittleren und unteren Rektumdrittels. Patienten beinhaltete dabei Tumore in Studien um unselektionierte Patien- Bei exakt selektionierten Patienten den klinischen Stadien cT2 bis cT4 (9). ten mit teilweise fortgeschritteneren mit eher kleineren, Lymphknoten- Von den „Nicht Habr-Gama“ Studien Tumoren handelte und das Follow-Up negativen Tumoren im unteren Drittel, erbrachte lediglich eine zwar pros- zudem weniger engmaschig war, was welche eine genau definierte cCR nach pektive, aber kleine niederländische die insgesamt schlechteren Ergeb- Radiochemotherapie aufweisen, kann Studie (21 Patienten) vergleichbare nisse logisch erscheinen lässt. der „Chirurgieverzicht“ in Erwägung Ergebnisse, nach einem medianen Fol- Alles in allem können aber Habr-Gama gezogen werden. Prinzipiell sollte man low-up von 25 Monaten: cCR-Rate von et al bisher als einzige Gruppe nach- diese Strategie im kurativen Setting 11%, Lokalrezidiv-Rate von 5% (11). weisen, dass selektionierte Patienten auf Einzelfälle limitieren, am ehesten Andere retrospektive Studien zeigten durch alleinige Radiochemotherapie dann, wenn eine chirurgische Resek- wesentlich höhere Lokalrezidiv-Raten effektiv und sicher behandelt werden tion zu riskant erscheint oder der Pati- von 23% bis 83% (5). können, wenn dies in einem für diese ent die Operation ablehnt. Im Falle des Wenn man die Daten dieses systema- Strategie erfahrenen Setting durchge- Chirurgieverzichtes ist ein intensives tischen Reviews (5) allerdings kritisch führt wird. Die Stärke der brasiliani- engmaschiges Follow-Up unabding- beleuchtet, so muss man seine Aus- schen Daten liegt dabei in erster Linie bar. Die Frage, ob in Zukunft eine allei- sagekraft insgesamt doch als limitiert in der strengen Selektion von Patien- nige Radiochemotherapie bei einem ansehen, da sie auf lediglich 650 Pati- ten mit tiefsitzenden (gut zugängli- Teil der Rektumkarzinompatienten als enten beruht, die Daten zum größten chen) Karzinomen, in der akribischen Standardtherapie angesehen werden Teil retrospektiv erhoben wurden Methodik hinsichtlich des Definierens kann, müssen weitere groß angelegte und mehrheitlich von einem einzigen eines cCR (mittels exakter klinischer, Studien zeigen. ■ Zentrum stammen, und randomisierte radiologischer und endoskopischer Literatur: 1 Heald R.J.et al. (1998): Arch Surg 133:894-899 2 Sauer R. et al. (2004): N Engl J Med 351:1731-1740 3 Hartley A. et al. (2005): Brit J Radiol 78:934-938 4 Maas M. et al. (2010): Lancet Oncol 11:835-844 Korrespondenzadresse: 5 Glynne-Jones R. et al. (2012): Brit J Surg 99:897-909 Ass.-Prof. Priv.-Doz. Dr. M. Zitt 6 Habr-Gama A. et al. (1998): Dis Colon Rectum 41:1087-1096 Medizinische Universität Innsbruck 7 Habr-Gama A. et al. (2004): Ann Surg 240:711-717 Department Operative Medizin 8 Habr-Gama A. et al. (2005): J Gastrointest Surg 9:90-109 Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie 9 Habr-Gama A. et al. (2006): J Gastrointest Surg 10:1319-1328 Anichstrasse 35 10 Habr-Gama A. et al. (2011): Semin Radiat Oncol 21:234-249 A-6020 Innsbruck 11 Maas M. et al. (2011): J Clin Oncol 29:4633-4640 E-Mail: matthias.zitt@i-med.ac.at Chirurgie · Ausgabe 4/2013 13
Radikalitätsprinzipien Radikalitätsprinzipien bei Melanom Das Melanom der Haut ist der Hauttumor mit der höchsten Metastasierungsrate und für mehr als 90 % aller Sterbe- fälle an Hauttumoren verantwortlich. Das kumulierte Risiko, vor dem 75. Lebensjahr an einem malignen Melanom zu erkranken, lag 2010 bei etwa 1,2% (Statistik Austria). Aufgrund der verbesserten Frühdiagnose und damit der Iden- tifikation von prognostisch günstigeren Tumoren, ist die Mortalitätsrate trotz steigender Inzidenz über die letzten Jahrzehnte stabil geblieben. Eine chirurgische Behandlung ist nach wie vor die Therapie der Wahl im Stadium des Primärtumors, bei Vorliegen von Lymphknotenmetastasen und bei ausgewählten Patienten mit Fernmetastasen. Die chirurgischen Leitlinien für das kutane Melanom beruhen auf der TNM-Klassifikation der AJCC aus dem Jahr 2009 (1). Bei Verdacht auf das Vorliegen eines der Akren kleinere Sicherheitsab- werden (3). Somit ist die SNB beim Melanoms ist primär eine vollständige stände durchaus vertretbar sind, Melanom bis zum Vorliegen dieser Exzision des Tumors unter Einschluss solange eine R0- Resektion mittels Endergebnisse weiterhin primär als eines subkutanen Fettgewebsanteils 3-D-Histologie bestätigt ist. Insbeson- staging- Methode einzustufen. durchzuführen. Größere Sicherheits- dere sollte eine (Teil-)amputation von abstände und Lappenplastiken sind Zehen oder Fingern bei subungualen Bei einem positiven SNB-Befund ist zu diesem Zeitpunkt zu vermeiden, Melanomen nur bei fortgeschrittenen die komplettierende Lymphadenekto- damit Lymphabflusswege bei einer Verläufen erwogen werden (2). mie nach wie vor Therapie der Wahl. eventuell späteren Wächterlymphkno- tenbiopsie nicht artifiziell verändert Bei der Lentigo maligna im Gesichts- Eine therapeutische Lymphadenekto- werden. Ist eine primäre diagnosti- bereich ist aufgrund der oft subklini- mie bei isoliertem Lymphknotenrezi- sche Exzision z.B. bei flächigen Tumo- schen Größenausdehnung ein zwei- div ist ein potentiell therapeutischer ren oder im Bereich der Akren nicht zeitiges Vorgehen mit histologischer Eingriff (5-Jahres-Überleben ~ 50%) möglich, kann zur Diagnosesicherung Schnittrandkontrolle sinnvoll. wenn eine R0-Resektion erzielt wird. und Feststellung der Ausbreitung eine Präoperativ ist jedenfalls eine bild- Probebiopsie bzw. ein „mapping“ Lokoregionäre gebende Diagnostik mittels CT oder durchgeführt werden, ohne dass hier- Melanommetastasen MR und/oder die histopathologische F. Roka, Wien für eine schlechtere Prognose für die Zu unterscheiden sind hier (sub-) Verifizierung (Feinnadelpunktion, Patienten besteht. kutane Metastasen im Bereich des LK-Biopsie) zu fordern. unmittelbaren Lymphabstromgebie- Zur Vermeidung eines Lokalrezidivs tes (Satellitenmetastasen, in transit- sollte nach der Diagnosesicherung Metastasen, subkutane Metastasen) in Abhängigkeit von der Tumordicke und regionäre Lymphknotenmetasta- Im Kopf-Hals-Bereich wird bei Vorlie- des Melanoms eine Nachexzision mit sen infolge einer Lymphgefäßinvasion. gen eines positiven zervikalen Wäch- 1 oder 2 cm seitlichem Sicherheits- terlymphknotens von den meisten abstand durchgeführt werden (siehe Einzelne kutane Metastasen sollten Autoren eine selektive neck dissection Tab.1). Bei Tumoren >1mm- 2mm wer- unter einem kurativen Gesichtspunkt unter Aussparung des Level V empfoh- den aufgrund unklarer Datenlage radikal mit histologischer Schnit- len, beim zervikalen Lymphknotenre- Sicherheitsabstände von 1 oder 2 cm trandkontrolle exzidiert werden. Bei zidiv hingegen die modifiziert radikale empfohlen, je nach anatomischer Vorliegen multipler Metastasen kön- neck dissection der Level I–V mit oder Autor: Machbarkeit. Nachexzisionsgrenzen nen auch andere Verfahren wie Elek- ohne laterale Parotidektomie. Okzipi- F. Roka, Wien über 2 cm, welche jahrzehntelang trochemotherapie, Kryochirurgie, tal gelegene Melanome erfordern eine durchaus üblich waren, zeigten in Strahlentherapie oder die intratu- posterolaterale neck dissection mit keiner Studie Überlebensvorteile und morale Behandlung mit Interleukin-2 Ausräumung der retroaurikulären und sind daher als obsolet zu bezeichnen. zur Anwendung kommen. Bei inope- subokzipitalen Lymphknoten sowie rabler, diffuser Hautmetastasierung des seitlichen Halsdreiecks. Wichtig ist zu beachten, dass an im Bereich einer Extremität ist die bestimmten Lokalisationen wie z.B. hypertherme Extremitätenperfusion/- Im Rahmen einer axillären komplet- im Gesicht, den Ohren oder im Bereich infusion an spezialisierten Zentren tierenden Lymphadenektomie bei Therapie der Wahl. positivem SLN ist nur eine Dissektion der Level I und II indiziert, da nur in Tabelle 1: Seit der Einführung der Wächterlymph- etwa 3% positive Lymphknoten im knotenbiopsie (SNB) ab einer Tumordi- Level III vorliegen. Bei klinisch posi- Sicherheitsabstand cke von 1mm wird die Mehrzahl der tivem Befund in der Axilla sind posi- regionären Lymphknotenmetastasen tive Lymphknoten im Level III jedoch LM/Melanoma in situ 0.5 cm in einem bereits frühen Stadium dia- in knapp 20% der Patienten zu erwar- gnostiziert. In der 3. Interimsanalyse ten und eine ausgedehntere Lymph- Tumordicke ≤ 1 mm 1 cm der bisher größten Studie zur SNB adenektomie daher indiziert (4). beim Melanom konnte für Patienten Bei metastatischem Befall mehrerer Tumordicke > 1– 2 mm 1 – 2 cm welche zur SNB randomisiert waren Lymphknotenregionen infolge eines zwar eine Verminderung der Lymph- Primärtumors am Stamm oder Arm- Tumordicke > 2 mm 2 cm knotenrezidive, nicht jedoch ein sig- Schulter-Bereich müssen gegebenen- nifikanter Überlebensvorteil gezeigt falls kombinierte Verfahren gewählt 14 Chirurgie · Ausgabe 4/2013
Radikalitätsprinzipien · Historisches werden, wie z.B. die Durchführung bis zu 40% außerdem iliakale Metas- Metastasen, maximal 2 betroffenen einer axillären Lymphadenektomie tasen vorliegen (5), sind diese Pati- Organsysteme, langes Rezidiv-freies mit selektiver neck dissection oder enten einer geeigneten Bildgebung Intervall) ein chirurgisches Vorgehen mit einer erweiterten radikalen neck und eventuell einer ilio-inguinalen mit dem Ziel einer R0-Resektion, sinn- dissection. Lymphadenektomie zuzuführen. Auf- voll (6). Liegt eine palliative Situation grund der hohen Frühmorbidität nach vor, sollte die Entscheidung nach Für komplettierende inguinale Lymph- inguinaler Lymphadenektomie mit Diskussion in einer interdisziplinären adenektomien gilt als Standardeingriff Auftreten von Lymphzysten und –fis- Tumorkonferenz und in Abstimmung die oberflächliche (Oberschenkelfas- teln in bis zu 70% ist die Indikation zu mit dem Patienten erfolgen. ■ zie als Resektionsgrenze) inguino- einer Sartorius-Muskellappen-Plastik femorale Lymphadenektomie des großzügig zu stellen. Trigonum femorale unterhalb des Leistenbandes unter Mitnahme der Fernmetastasen Korrespondenzadresse: proximalen Vena saphena magna bis Angesichts der Tatsache, dass ao. Univ.-Prof Dr. F. Roka zu ihrer Einmündung. Proximal sollte auch moderne systemische Thera- Medizinische Universität Wien, das subkutane Fettgewebe bis unter- pieschemata nur in einem kleinen Universitätsklinik für Dermatologie Abteilung für Allgemeine Dermatologie halb der Spina iliaca anterior supe- Teil der Patienten zu einem objekti- Währinger Gürtel 18-20 rior reseziert werden. Da bei klinisch ven Ansprechen führen, ist bei einer A-1090 Wien positiven Lymphknotenmetastasen in potentiell kurativen Situtation (wenige E-Mail: florian.roka@meduniwien.ac.at Historisches zur Kontinenzerhaltung beim Rektumkarzinom 125 Jahre nach Hocheneggs Pionierleistung Es ist heuer 125 Jahre her, dass in Chloroformnarkose durchgeführt. Der keln in der Wiener klinischen Wochen- der Wiener Klinischen Wochenschrift postoperative Verlauf war durch eine schrift in ihrem Gründungsjahr 1888. eine für die damalige Zeit sensa- vorübergehende Fistelbildung im Sak- Hochenegg beschrieb darin seine tionelle Operation veröffentlicht ralbereich gestört. Jedoch konnte die Erfahrungen mit dem sakralen Zugang wurde (1). – Hochenegg (Abb.1) war Patientin bereits am 10. Juni 1887 in nach Kraske. Bei diesem Zugang der erste Chirurg, dem die Schließ- der Gesellschaft der Ärzte vorgestellt wurde die ursprüngliche Methode muskelerhaltung bei einer Paten- werden. Sie war danach voll arbeits- von Lisfranc (2) modifiziert, der rein tin mit Rektumkarzinom gelang. Er fähig und wurde einige Monate spä- perineal den Analbereich umschnitt führte am 12.05.1887 bei einer 32 ter schwanger. Der Tumor war sieben und von hier aus Tumoren des unteren jährigen Frau eine Rektumresektion Zentimeter ab ano lokalisiert gewe- Rektums entfernte. Wegen der gerin- mit primärer Anastomose durch, sen. Ein derartiger Eingriff war vorher gen Übersichtlichkeit wurde dieser R. Schiessel, Wien wobei der damals übliche sakrale keinem anderen Chirurgen gelungen. Zugang von Kraske zum Os Sakrum Zugang gewählt wurde. Die Opera- Die Publikation seiner Fälle mit Rek- hin erweitert mit Entfernung des Os tion wurde in Linksseitenlage und in tumkarzinom erfolgte in mehreren Arti- Coccygis und unterer Anteile des Sakrums (Abb.2). Dies ermöglichte eine bessere Übersicht und die Ent- fernung auch höher gelegener Tumore des Rektums. Hochenegg hatte schon sehr früh die Idee bei höher gelege- nen Tumoren den Schließmuskel zu erhalten, da es damals üblich war eine Rektumresektion mit einer perinealen Colostomie zu beenden. Dies war für die Patienten ein extrem belastender Zustand. Deshalb konstruierte Hoch- Autor: enegg auch einen Verschlussapparat R. Schiessel, Wien für diese Form des Stomas. Abb. 1: Julius von Hochenegg Abb. 2: Der ursprüngliche Zugang zum Rektum war perineal, (1859 – 1940) um eine Laparotomie zu vermeiden. Die Übersicht war jedoch beschränkt, sodass eine Erweiterung zunächst nach sakral und schließlich nach abdominal notwendig war. Chirurgie · Ausgabe 4/2013 15
Historisches Da die Wiederherstellung der Konti- war die Anastomosendehiszenz bei und neoadjuvanter Therapie ist die nuität nach Rektumresektion durch der Wiederherstellung der Kontinui- Kontinenzerhaltung in 80% der Pati- eine zirkuläre Anastomose häufig tät bei höhersitzenden Karzinomen. enten zum Standard in den letzten durch Dehiszenzen mit nachfolgender Dabei kam es häufig zu sakralen Fis- Jahren geworden. (7). Sepsis kompliziert war, entwickelte er teln und Sepsis. Mit der Durchzugs- 1889 die sogenannte Durchziehme- methode konnte Hochenegg offenbar Biografie von J.v.Hochenegg thode, bei der der orale Darmschen- dieses Problem in den Griff bekom- Julius von Hochenegg, geb.1859 kel durch den Analkanal durchgezo- men, sodass nur wenige Fisteln beob- stammte aus einer angesehenen gen wurde (3). Dadurch wurde eine achtet wurden. Sein Schüler Finsterer Wiener Familie. Sein Vater war Jurist, stabilere Anastomose geschaffen. verfolgte die Idee der Schließmuske- sein Bruder Carl war Techniker und Diese Technik entspricht in entfernter lerhaltung konsequent weiter, wen- maßgeblich an der Elektrifizierung der Weise etwa der heutigen coloanalen dete jedoch die Durchzugsmethode Wiener Straßenbahn und Stadtbahn Anastomose (Abb.3). nicht weiter an da er mit den funkti- beteiligt. Er war Professor an der tech- onellen Ergebnissen nicht zufrieden nischen Hochschule in Wien und auch Hochenegg wurde 1904 nach Gus- war. Er entwickelte die abdominosa- deren Rektor. Julius von Hochenegg senbauer Nachfolger von Theodor krale Rektumresektion, bei der eine sollte primär Jus studieren, entschied Billroth als Vorstand der II. Chirurgi- End- zu Endanastomose von einem sich aber bald für die Medizin. Schon schen Universitätsklinik in Wien. Hier sakralen Zugang durchgeführt wurde während der Studienzeit arbeitete er baute er ein großes Krankengut mit (2). Das Risiko der Anastomosende- als Demonstrator am anatomischen Rektumkarzinomen auf und perfekti- hiszenz wurde durch eine protekive Institut. Nach der Promotion war er Abb. 3: onierte seine Methode. Seine Klinik Kolostomie reduziert. Die konse- zunächst aushilfsweiser Operations- Die „Durchziehmethode“ nach Hochenegg (3) entwickelte unter Mandl und Fins- quente Beibehaltung der Sphinkte- zögling bei Billroth, später erhielt er terer die schließmuskelerhaltende rerhaltung an der Hocheneggschen eine Assistentenstelle an der I. Chir- Chirurgie beim Rektumkarzinom zu Klinik ist insofern bemerkenswert, als urgischen Universitätsklinik bei Edu- weiterer Perfektion mit ausgezeich- die im Jahre 1908 erschienene Arbeit ard Albert. Er machte dort eine rasche neten Resultaten. Dies ist besonders von Ernest Miles mit der Forderung, Karriere und wurde schließlich erster bemerkenswert, da durch die Arbei- dass bei jedem Rektumkarzinom eine Assistent. 1891 wurde er Abteilungs- ten von Ernest Miles die Schließ- abdominoperineale Rektumresektion vorstand in der Wiener Poliklinik. muskelerhaltung jahrzehntelang durchgeführt werden müsse, die Lite- 1904 wurde er Nachfolger von Karl verpönt war. Miles hatte ja gefor- ratur über Jahrzehnte dominierte. Gussenbauer an der II. Chirurgischen dert, dass jedes Rektumkarzinom Auch wenn die Hypothese von Miles, Universitätsklinik und somit indirek- unabhängig von seiner Lokalisation dass das Rektumkarzinom sowohl ter Nachfolger von Theodor Billroth. einer Rektumamputation zugeführt nach oral als auch anal metastasiert, 1909 gründete er zusammen mit werden müsse. Er hatte festgestellt, relativ bald von Westhues und Dukes Eiselsberg die erste Unfallstation der dass mit dem damals geübten rein (1930) widerlegt wurden, hatte die Welt am Allgemeinen Krankenhaus perinealen Zugang die Lokalrezidiv- Erhaltung des Schließmuskels sehr in Wien. 1910 gründete er zusam- rate beim Rektumkarzinom bei 95% lange den Anstrich einer unradikalen men mit Paltauf und anderen Fakul- lagen. Trotz einer Operationsletalität Operation mit schlechten funktionel- tätsmitgliedern die österreichische von anfänglich 36% setzte sich das len und onkologischen Ergebnissen Krebsgesellschaft. Der Anlass war Verfahren langfristig durch. Auch als (2). Schon 1951 konnte Goligher (5) die triste Situation von Patienten mit seine Hypothese, dass das Rektum- nachweisen, dass eine anal gerich- fortgeschrittenem Karzinom. Er hatte karzinom nach oral und anal lympho- tete lymphogene Metastasierung ein klares Konzept für die Versorgung gen metastasiert, längst widerlegt nur in 2% der Patienten vorkommt. von Krebskranken und die Errichtung war, wurde die abdominoperineale Trotzdem dauerte es noch viele Jahre eines Krebsspitales und dafür auch Methode als einzige sichere Methode bis sich die Erhaltung des Schließ- die Unterstützung des Kaisers und anerkannt. muskels durchsetzte. Eine wirkliche vermögender Patienten, scheiterte Akzeptanz auf breiter Basis wurde zunächst an bürokratischen Hür- Mandl hat 1929 die Ergebnisse der erst erzielt, als Pollett und Nicholls den und schließlich am Ausbruch Hocheneggschen Klinik veröffent- (6) 1983 nachweisen konnten, dass des 1. Weltkrieges. Er wurde zum licht (4) (Tabelle). Auffällig ist das der distale Resektionsrand nicht län- Generalstabsarzt ernannt und setzte große Krankengut von 1000 sakralen ger als 1cm sein muss. – Bis dahin seine Assistenten in einer mobilen Resektionen. Eine Schließmuskeler- waren bis zu 5cm gefordert worden. Feldchirurgentruppe an allen Fron- haltung war immerhin bei 24% mög- Im eigenen Bereich an der I. Chirur- ten ein. Nach dem Krieg konzentrierte lich, wobei die Durchzugsmethode gischen Universitätsklinik in Wien sich seine Tätigkeit auf die ärztliche zur Wiederherstellung der Kontinuität wurde im Jahr 1965 nur bei 20% der Ausbildung und die Wiederherstel- des Darmes angewendet wurde. Die Patienten mit Rektumkarzinom der lung der medizinischen Versorgung. Kontinenzrate bei diesen Patienten Schließmuskel erhalten. Bis in die Der Krieg hatte nicht nur viele seiner wurde mit 60% angegeben. Dabei 80er Jahre wurde dieser Prozentsatz Pläne zunichte gemacht sondern ist zu berücksichtigen, dass die Kri- auf etwa 40% gesteigert. Mit der ihm auch seinen schwersten Verlust terien für die Beurteilung der Konti- Anwendung neuerer Techniken wie zugefügt: 1914 fiel sein einziger Sohn nenz nicht angegeben wurden. Das Stapleranastomose, coloanaler Ana- Rudolf. – Ein Schicksalsschlag, den er Hauptproblem in der damaligen Zeit stomose, Intersphinktärer Resektion nicht verkraften konnte. 16 Chirurgie · Ausgabe 4/2013
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