PENSIONEN Alle Infos zu Voraussetzungen, Berechnungen und Leistungen - Aus der Broschürenserie Gewerkschaft GPA - Grundlagenabteilung
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PENSIONEN Alle Infos zu Voraussetzungen, Berechnungen und Leistungen Aus der Broschürenserie Gewerkschaft GPA – Grundlagenabteilung 1
IMPRESSUM: Herausgeber: Gewerkschaft GPA, 1030 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1 Redaktion: Alexander Pichler, Gewerkschaft GPA – Grundlagenabteilung Layout: Christina Schier, Gewerkschaft GPA – Abteilung Organisierung und Marketing Bilder/Fotos: iStock, Daniel Novotny, Michael Mazohl ÖGB ZVR-Nr.: 576439352 Stand: Jänner 2022
AUTORiNNEN © Daniel Novotny © Daniel Novotny Mag.a Isabel Koberwein Dr. David Mum arbeitet in der Grundlagenabteilung ist Mitglied der Bundesgeschäftsführung der Gewerkschaft GPA und beschäftigt und leitet die Grundlagenabteilung der sich schwerpunktmäßig mit den Themen Gewerkschaft GPA. Er ist vorrangig mit ArbeitnehmerInnenschutz, Arbeitszeit den Themen Sozialpolitik, Verteilungs- und Sozialpolitik. politik, Betriebliche Altersvorsorge und Politische Ökonomie befasst. Die Inhalte sind nach bestem Wissen erstellt und sorgfältig geprüft. Es besteht jedoch keine Haftung seitens der AutorInnen oder der Gewerkschaft GPA. Inhalte dürfen unter Angabe der AutorInnen weiterverbreitet werden (CC-Urheberrecht). 3
VORWORT 4 © Michael Mazohl
VORWORT Seit langem steht das Thema Pensionen im Mittelpunkt politischer Auseinandersetzungen. Das Krankreden und das systematische Erzeugen von Verunsicherung hinsichtlich des Weiterbestands unseres Pensionssystems sind dabei eine oftmals angewandte Strategie. Den Antrieb liefern dabei nicht selten die Interessen jener, denen es nicht um die Weiterentwicklung und Absi- cherung des bestehenden Systems geht, sondern um seine Schwächung zugunsten der Forcierung der privaten Vorsorge. Was dabei stutzig macht: Seit es das Pensionssystem gibt, wird dessen Unfinanzierbarkeit prognostiziert. Diese ist aber nicht eingetreten, auch weil das Pensionssystem laufend weiterentwickelt wurde. Nun stehen wir tat- sächlich vor den Pensionierungen der sogenannten „Baby-Boomer“, also besonders geburtenstarke Jahrgänge. Die Anzahl der Menschen über 65 Jahre wird stark zunehmen. Kann sich das ausgehen? Die gute Nachricht lautet: Ja. Alle Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil der Wirtschaftsleistung, der für Pensionen ausgegeben wird nur moderat von ca. 14 % derzeit auf etwas mehr als 15 % zunehmen wird. Schon in den letzten Jahren stieg das effektive Pensionsalter an. Die Erwerbsbeteiligung der Menschen über 55 Jahre ist stark gestiegen und wird weiter steigen. In den nächsten Jahren wird das Frauenpensionsalter an das der Männer angeglichen und die Beamtenpensionen laufen aus, es gelten dann im öffentlichen Bereich dieselben Regelungen wie in der Privatwirtschaft. Das Pensions- system ist also auf die demographischen Verschiebungen vorbereitet und bedarf keiner weiteren grundlegenden Reformen. Der erste Teil unserer Broschüre setzt sich daher mit der Finanzierbarkeit und Zukunftsfähigkeit des bestehen- den Systems auseinander und nimmt dabei auch die Argumente und Gegenentwürfe mancher wirtschaftsnaher ExpertInnen näher unter die Lupe. Außerdem werden die wichtigsten Forderungen der Gewerkschaft GPA im Pensionsbereich angeführt. In weiterer Folge werden im Einzelnen die verschiedenen Pensionsarten, deren Berechnung sowie Anspruchsvoraus- setzungen dargelegt. Alle Angaben basieren dabei auf den aktuellen Sozialversicherungswerten für 2022. Barbara Teiber Vorsitzende 5
INHALT Das Pensionssystem im politischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Finanzierbarkeit des Pensionssystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Ist das Pensionssystem zu teuer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Wird das Pensionssystem unfinanzierbar, weil der „Altenanteil“ immer mehr zunimmt . . 10 Bundeszuschüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 ASVG-Pensionen am besten durch Beiträge gedeckt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Erwerbsquote älterer ArbeitnehmerInnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Anstieg bei den Pensionsantritten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Verhältnis Pensionen zu Erwerbstätigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Pensionskonto: Böses Erwachen? Welche Leistungen kann man erwarten? . . . . . . . . . . . 18 Österreichpension und Pensionskonto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Österreichs Pensionssystem bringt im internationalen Vergleich gute Leistungen. . . . . . 19 Vergleich Österreich und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Vorsicht bei Pensionslückenrechnern von Anbietern privater Pensionszusatzprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Mit welchen Annahmen wird eine Pensionslücke berechnet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Das fordert die Gewerkschaft GPA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Voraussetzungen und Antragstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Mindestversicherungszeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Regelpensionsalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Pensionskonto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Versicherungszeiten, Beitragszeiten, Ersatzzeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Pensionsanpassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Ausgleichszulage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Nachkauf von Schul- und Studienzeiten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Freiwillige Selbstversicherung und freiwillige Weiterversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 6
INHALT Höherversicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Pensionssplitting. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Zuverdienst während der Pension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Versicherungszeiten im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Pensionsberechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Bemessungsgrundlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Aufwertungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Kontoprozentsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Frühstarterbonus ab 2022. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Bonifikation bei späterem Pensionsantritt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Ermittlung der Pension am Pensionskonto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Eigenpensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Alterspension zum Regelpensionsalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Langzeitversichertenregelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Korridorpension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Schwerarbeitspension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätspension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Exkurs: Teilpension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Hinterbliebenenpensionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Witwer-/Witwenpension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Waisenpension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Anspruchsvoraussetzungen und Abschläge im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Pensionsarten im Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Pensionsrelevante Beträge in der Sozialversicherung 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Wertvolle Tipps Zitat Beispielrechnung 7
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS FINANZIERBARKEIT DES PENSIONSSYSTEMS geringer. Das bedeutet, dass die Aufwertung der Bei- tragsgrundlagen geringer ist, weil diese an die Ein- Die Pensionsdiskussion ist ein innenpolitischer Dauer- kommensentwicklung gekoppelt ist. Und bei niedri- brenner. gerem Wachstum ist meist auch die Inflation geringer, Bedeutet die steigende Lebenserwartung zwangsläufig, was sich auf die Pensionsanpassungen durchschlägt. dass das Pensionssystem finanziell unter Druck kommt und nicht finanzierbar ist? Nein, denn auf Basis der bisher beschlossenen Refor- IST DAS PENSIONSSYSTEM ZU TEUER? men, ist das Pensionssystem auf die geänderte Bevöl- kerungszusammensetzung vorbereitet. Die Ausgaben für das öffentliche Pensionssystem sind in den letzten Jahrzehnten moderat gestiegen. Sinn- Während der Anteil der über 65-Jährigen bis 2070 vollerweise misst man den Pensionsaufwand in Relati- von 19 % auf 30 % steigen wird (Anstieg um ca. 60 %), on zum BIP (Bruttoinlandsprodukt). Damit wird gemes- nimmt der Anteil der Wirtschaftsleistung (BIP), der für sen, welcher Anteil des Gesamteinkommens bzw. der Pensionen gezahlt werden wird, nur von ca. 14 % auf Gesamtproduktion den PensionistInnen zur Verfügung maximal 15 % zu. Das ist eine überschaubare und ab- gestellt wird. Logischerweise sollte dieser Anteil stei- solut machbare Steigerung. gen, wenn der Anteil der PensionistInnen an der Bevöl- Selbstverständlich sind Szenarioberechnungen über kerung zunimmt. derart lange Zeiträume mit Vorsicht zu genießen. Trotzdem bieten diese Prognosen wertvolle Informati- Dabei fällt gleich auf: Der Anteil der Pensionen am BIP onen, denn die Menschen, um die es in den Szenari- ist weitaus geringer als der Anteil der PensionistInnen en geht, leben in der Regel schon. Die maßgeblichen an der Bevölkerung. Die PensionistInnen erhalten also Größen wie Bevölkerungsentwicklung, Lebenserwar- keineswegs ein zu großes „Stück vom Kuchen“. tung, Beschäftigung und Wirtschaft unterliegen kei- nen abrupten Änderungen wie etwa Börsenkursen auf Die Ausgaben der gesetzlichen Pensionsversicherung den Finanzmärkten. Wenn es gegenüber den Szenari- (ohne BeamtInnen inklusive Ausgleichszulagen) lagen oberechnungen zu deutlichen Abweichungen kommt, 1980 bei knapp 10 %, 1990 bei 10,5 % und 2010 bei kann und wird man im System reagieren. 11,1 % des BIP. 2021 steigen die Pensionsausgaben auf 12,2 % des BIP (s. Abb. 1). Außerdem entwickeln sich maßgebliche Größen in dieselbe Richtung. Wenn das Wachstum geringer aus- fällt, steigen meist auch Löhne/Gehälter und Preise 8
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Abb. 1: GESAMTAUFWENDUNGEN DER PENSIONSVERSICHERUNG IN % DES BIP % 15 inkl. Ausgleichszulagen ohne Ausgleichszulagen 12,5 12,2 12,2 12,2 12,0 12,1 12 11,1 10,8 10,5 10,5 10,1 10,1 9,9 9,3 9 8,0 7,5 6 3 0 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2021 2026 Quelle: Gutachten gemäß Alterssicherungskommissions-Gesetz, Nov. 2021 9
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS WIRD DAS PENSIONSSYSTEM Die EU erwartet für Österreich in den kommenden Jahr- UNFINANZIERBAR, WEIL DER „ALTENANTEIL“ zehnten ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von IMMER MEHR ZUNIMMT? 1,3 % jährlich. Das bedeutet, dass die Erwerbstätigen jedes Jahr ein höheres Gesamteinkommen erwirtschaf- Es ist richtig, dass die Lebenserwartung momentan ten. Ein Teil des Zugewinns bzw. Wachstums kann und weiter ansteigt und es immer mehr Menschen gibt, soll für die PensionistInnen „reserviert“ werden. Es wäre die älter als 65 Jahre sind. Bedeutet dies, dass sich die absurd zu behaupten, dass sich eines der reichsten Län- Pensionsfinanzierung nicht mehr „ausgehen“ kann? der der Welt seine Bevölkerung nicht „leisten“ kann. Nein, die Tatsache, dass die Menschen kontinuierlich älter werden, ist keineswegs neu. Dementsprechend Der Anteil der Pensionsausgaben am BIP entwickelt gibt es schon seit Jahrzehnten längst überholte Prog- sich nicht parallel zum Anteil der über 65-Jährigen, nosen über den Kollaps des Pensionssystems. sondern wesentlich langsamer. Das ist u. a. darauf zurückzuführen, dass die BeamtInnenpensionen mit Es steigt nicht nur der Anteil der PensionistInnen, son- dem Pensionsrecht der ArbeiterInnen und Angestellten dern auch die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft. harmonisiert werden, und dass das Frauenpensions- Für die Frage der Finanzierbarkeit des Pensionssystems alter an jenes der Männer angeglichen wird (begin- kommt es nicht nur auf die Höhe der Pensionsausga- nend mit dem Jahrgang 1963, abgeschlossen mit dem ben an, sondern auch darauf, wie hoch das gesamte Jahrgang 1968). Die Pensionsberechnung trägt der volkswirtschaftliche Einkommen ist, aus dem die Pen- längeren Lebenserwartung Rechnung: Diese orientiert sionen finanziert werden müssen. Das Wirtschafts- sich seit der Umstellung auf das Pensionskonto am wachstum hat sich 2019, nach hohen Werten von 2016 Lebensdurchschnittseinkommen. bis 2018, eingetrübt und 2020 gab es sogar einen vorübergehenden erheblichen Rückgang. Langfris- Wenn man alle Pensionen inkl. jener der BeamtInnen tig wird mit positiven Wachstumsraten gerechnet. zusammen betrachtet, zeigt sich ein geringer Zuwachs: Abb. 2: LANGFRISTPROJEKTIONEN DER EU-KOMMISSION PENSIONSAUSGABEN IN % DES BIP PERSONEN AB 65 JAHREN IN % DER GESAMBEVÖLKERUNG % 35 65+ in % der Bevölkerung Pensionsaufwand in % des BIP 30 29,3 25 19,1 20 14,8 15 14,3 10 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060 2065 2070 Quelle: EU-Kommission, Länderbericht für Österreich 2021; Eurostat; eigene Darstellung 10
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Die gesamten öffentlichen Pensionsausgaben lagen nimmt der Pensionsaufwand am BIP bei stark steigen- 2020 bei knapp 14,8 % des BIP und steigen bis Mitte der Lebenserwartung nur von 14,8 % auf maximal der 2030er Jahre auf knapp 15,4 % des BIP. Danach knapp 15,4 % zu. sinkt der Anteil wieder bis auf 14,3 % (s. Abb. 2). Dies als Bei dem Szenario der automatischen Anbindung des unfinanzierbar darzustellen, wäre geradezu lächerlich. Regelpensionsalters an die steigende Lebenserwartung Insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass das sinken die Pensionsausgaben am BIP bis auf 12,8 % BIP ja gestiegen ist. (2070) deutlich unter das derzeitige Niveau. D. h. ein Bildlich gesprochen wird ein minimal größeres Stück ei- höherer Anteil älterer Menschen müsste sich mit einem nes deutlich größeren Kuchens den PensionistInnen zur deutlich kleineren Anteil am Wohlstand begnügen. Das Verfügung gestellt. Klar ist: Der verbleibende Kuchen für macht keinen Sinn. die NichtpensionistInnen ist deutlich höher als derzeit! Wenn das jährliche Wirtschaftswachstum 1,3 % beträgt, dann steigt das BIP 2020 bis 2040 um 29,5 %. Das BIP nach Abzug der Pensionsausgaben steigt dann um 29,0 Erik Türk zur Pensionsautomatik: %.1 Und das fällt nach den Projektionen in den Zeitraum „Die heute Jüngeren müssten demnach künf- mit den annähernd höchsten relativen Pensionsaus- tig trotz deutlich späteren Pensionsantritts mit gaben. Dass der Anteil der Pensionsausgaben am BIP erheblich niedrigeren Leistungen auskommen, zunehmen wird, ist notwendig und sinnvoll. Es ist aus ohne dass es hierfür irgendeine „Notwendigkeit“ Gründen der Generationengerechtigkeit richtig, einen gäbe. Die Darstellung eines solchen Vorschlags höheren Anteil am BIP für Pensionen auszugeben, wenn als sinnvolle Antwort auf die demografische Ent- der Anteil der PensionistInnen an der Bevölkerung steigt. wicklung oder gar als Beitrag zur „Sicherung der Pensionen der heute Jüngeren“ kann nur als Un- Im Basisszenario der EU Kommission steigt das Pensi- sinn bezeichnet werden.“2 onsantrittsalter insgesamt um 0,9 Jahre. Und trotzdem Abb. 3: D IE ZUNAHME DES BIP SOWIE DES BIP NACH ABZUG DER PENSIONEN % 35 29,5 29,0 30 25 20 2020–2040 15 BEI 1,3 % WIRTSCHAFTSWACHSTUM 10 5 0 Anstieg BIP Anstieg BIP abzüglich Pensionen Quelle: Ageing Report 2021, eigene Berechnung 1 Die Annahme von 1,3 % Wirtschaftswachstum wurde auch den Berechnungen im Ageing Report 2021 der EU-Kommission für Österreich zugrunde gelegt. 2 https://www.awblog.at/langfristprojektionen-der-eu-kommission/ (9.3.2018) 11
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS BUNDESZUSCHÜSSE Der Bundesbeitrag ist seit Beschlussfassung des ASVG ein zentraler Bestandteil der Pensionsfinanzierung. Neben den zweckgebundenen Pensionsversicherungs- Dass es einen Zuschuss aus dem Budget gibt, ist also beiträgen der ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebe- nicht einem Pensionsloch oder einem Defizit geschul- rInnen werden die Pensionen zu einem Teil auch aus det, sondern ist seit Anfang des Pensionssystems vor- Steuermitteln finanziert (Bundesbeitrag). Mit den Pen- gesehen. Die Interpretation des Bundeszuschusses als sionsausgaben insgesamt sind auch diese Bundeszu- „ungewollte Defizitabdeckung“ ist daher eine Verdre- schüsse gestiegen. hung der Tatsachen. Von Anfang an war konzipiert, dass das Pensionssystem Die teilweise Steuerfinanzierung hat mehrere Grün- gemischt finanziert wird: durch zweckgebundene Bei- de: Zum einen gibt es viele Leistungen der Pensions- träge und durch Steuermittel. Kommt die Rede auf die versicherung, bei denen eine Steuerfinanzierung die Mittel aus dem Steueraufkommen bei den Pensionen, sachlich adäquate Finanzierungsart darstellt. Dies wird oft von einem „Pensionsloch“ oder einem „Defizit“ sind etwa die Ausgleichszulagen als Element der Ar- gesprochen. Das ist aber irreführend und falsch. mutsvermeidung für PensionistInnen, die Berücksich- tigung von Kindererziehungszeiten oder Präsenz- und Der Bundesbeitrag lag in den 2010er Jahren meist Zivildienst bei der Pensionshöhe, Gesundheitsvorsorge knapp über 2,5 % des BIPs, 2018 bis 2019 sank dieses und Rehabilitation oder die Krankenversicherung von wegen Sonderfaktoren und dem hohen Wirtschafts- PensionistInnen. wachstum auf 2,1 bis 2,2 % des BIPs.3 Der Bundesbeitrag aus Steuermitteln deckt die Diffe- Die Höhe des Bundesbeitrags ist auch stark von der renz zwischen den Beitragseinnahmen und den Pensi- wirtschaftlichen Entwicklung geprägt, was den deutli- onsausgaben ab. Es macht aber wenig Sinn, von der chen Anstieg 2020 und 2021 erklärt (s. Abb. 4). Abdeckung eines „Defizits“ zu sprechen. Denn sowohl Abb. 4: BUNDESBEITRAG (AUSFALLHAFTUNG) IN % DES BIP % 3,5 3,0 2,72 2,73 2,63 2,69 2,67 2,69 2,60 2,54 2,48 2,5 2,18 2,16 2,11 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: Gutachten gem. Alterssicherungskommissions-Gesetz, Nov. 2021 Register 11, eigene Darstellung 3 Quelle: Gutachten gem. Alterssicherungskommissions-Gesetz, Nov. 2021 Register 11 12
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Pensionsversicherungsbeiträge als auch Steuern sind ASVG-PENSIONEN AM BESTEN DURCH öffentliche Abgaben. Man könnte den Bundeszuschuss BEITRÄGE GEDECKT reduzieren, indem man die Pensionsversicherungsbei- träge erhöht. Aber das wäre nicht sinnvoll. Steuermittel decken etwa ein Fünftel der Pensions- ausgaben. Anders gesagt: Die Pensionen sind zu 4/5 Die PV-Beiträge werden von den Arbeitseinkommen durch die Pensionsversicherungsbeiträge gedeckt. eingehoben, während Steuern auch bei anderen Ein- Am höchsten ist der Eigenfinanzierungsgrad bei den kommensquellen (Kapitalertragssteuer), oder etwa am ArbeiterInnen und Angestellten. Deutlich geringere Vermögen und Konsum ansetzen können. Außerdem Deckungsquoten haben die Systeme der Bauern und werden Sozialversicherungsbeiträge maximal bis zur Selbständigen. Bei diesen wird der Pensionsaufwand Höchstbeitragsgrundlage entrichtet (2022: EUR 5.670,–) daher wesentlich stärker aus dem Steueraufkommen während Steuern auch von hohen Einkommen entrich- mitfinanziert (s. Abb. 5). tet werden. ● Bei den ArbeiterInnen und Angestellten (ASVG- Die Diskreditierung des Bundesbeitrages in der öffent- Bereich) sind fast 87 % des Aufwands bei- lichen Diskussion als Zuschuss zu einem „defizitären tragsfinanziert System“ geht damit an der Realität vorbei. Durch die Einbeziehung von Steuermitteln erfolgt eine bewusste ● Bei den Selbstständigen (GSVG/FSVG) sind es 49,1 % Verbreiterung der Finanzierungsbasis. Durch die Ausge- staltung des Bundesbeitrages als Ausfallshaftung wird ● Bei den Bauern (BSVG) 23,1 % darüber hinaus klargestellt, dass die Verantwortung für die Finanzierung der Pensionszahlungen aus dem öffentlichen System eine gesamtgesellschaftliche ist. Abb. 5: BEITRAGSDECKUNGSQUOTEN 2020 (OHNE AUSGLEICHSZULAGE) ASVG GSVG/FSVG BSVG 87,0 % 49,1 % 23,1 % 80,3 % insgesamt beitragsfinanziert finanziert durch Steuermittel Quelle: Eigene Berechnung auf Basisi des Gutachtens gem. Alterssicherungskommissions-Gesetz, Nov. 2021 Register 15 13
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS ERWERBSQUOTE ÄLTERER lag unter dem EU-Schnitt: In Österreich betrug ARBEITNEHMERINNEN sie 2020 54,2 % (EU-Schnitt: 59,7 %)5 (s. Abb. 7). Aber in Österreich stieg die Beschäftigungsquo- Die Erwerbsquote Älterer ist in Österreich im inter- te der älteren ArbeitnehmerInnen seit 2000 konti- nationalen Vergleich noch unterdurchschnittlich, aber nuierlich an. 2000 waren 28 % der 55- bis 64-Jährigen sie ist in den letzten 15 Jahren kontinuierlich und deut- erwerbstätig, 2020 waren es 542 %. Deutlich geringer lich gestiegen. Die Erwerbsquote misst den Anteil der als im EU-Schnitt ist in Österreich hingegen die Jugend- Erwerbstätigen an einer Altersgruppe. arbeitslosigkeit und die Langzeitarbeitslosigkeit. Für die Finanzierbarkeit des Sozialsystems kommt es Die Erwerbsanreize im Pensionssystem sind im neuen auf die Beschäftigungsquote insgesamt über alle Pensionskontorecht sehr hoch. Es bedarf aber auch Altersgruppen an. Diese beeinflusst das Verhältnis von ausreichender und altersgerechter Arbeitsplätze. BeitragszahlerInnen zu LeistungsbezieherInnen. Bei der Gesamtbeschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen 2014 traten viele Maßnahmen in Kraft, die das faktische liegt Österreich 2020 deutlich über dem EU-Schnitt. 74,8 % Pensionsalter erhöhen: die Umstellung auf das Pensi- der 20- bis 64-Jährigen waren beschäftigt. Das ist deut- onskonto und die Abschaffung der befristeten Berufs- lich höher als der EU Schnitt von 72,5 %.4 (s. Abb. 6) unfähigkeits- bzw. Invaliditätspensionen für Jahrgän- ge ab 1964. Bei der Langzeitversichertenregelung Die Erwerbsquote der Älteren (55- bis 64-Jährigen) wurde das Mindestalter angehoben. Abb. 6: ERWERBSQUOTE DER 20- BIS 64-JÄHRIGEN (2020), IN % % 100 20- bis 64- Jährige 74,8 72,5 80 60 Europäische Union – 27 Länder (ab 2020) Euroraum – 19 Länder (ab 2015) 40 Nordmazedonien Griechenland 20 Deutschland Niederlande Montenegro Luxemburg Tschechien Frankreich Dänemark Österreich Norwegen Schweden Rumänien Slowenien Bulgarien Finnland Slowakei Portugal Kroatien Spanien Lettland Schweiz Ungarn Serbien Belgien Litauen Estland Zypern Italien Island Irland Türkei Malta Polen 0 Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/t2020_10/default/table?lang=de, 14.11.2021 4 Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/t2020_10/default/table?lang=de, 31.05.2021 5 Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tesem050/default/table?lang=de, 31.05.2021 14
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Abb. 7: ERWERBSQUOTE DER 55- BIS 64-JÄHRIGEN (2020), IN % % 100 55- bis 64- 80 Jährige 59,7 54,2 60 Europäische Union – 27 Länder (ab 2020) Euroraum – 19 Länder (ab 2015) 40 Nordmazedonien 20 Griechenland Deutschland Niederlande Montenegro Luxemburg Tschechien Frankreich Dänemark Österreich Norwegen Schweden Rumänien Slowenien Bulgarien Finnland Slowakei Portugal Kroatien Spanien Lettland Schweiz Ungarn Serbien Belgien Litauen Estland Zypern Italien Island Irland Türkei Malta Polen 0 Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tesem050/default/table?lang=de, 14.11.2021 Abb. 8: 55- BIS 64-JÄHRIGE ERWERBSTÄTIGE IN ÖSTERREICH in 1.000 Personen 800 zusammen (55–64-Jährige) 55–59-Jährige 687,8 700 60–64-Jährige 600 514,3 500 400 300 253,3 205,2 173,5 200 100 48,1 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: Statistik Austria, 14.11.2021 15
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS ANSTIEG BEI DEN PENSIONSANTRITTEN 60 Jahren bei Frauen, in Pension gegangen. Auch der ZUM REGELPENSIONSALTER Zugang bei den vorzeitigen Pensionsantritten ist in den letzten zwei Jahren leicht gestiegen. Letztere sind jene In den letzten Jahren sind bei den neu zuerkannten Pensionen, bei denen man bei Vorliegen ausreichen- Alterspensionen immer mehr Menschen zum Re- der Versicherungsjahre schon etwas vor dem Regel- gelpensionsalter von 65 Jahren bzw. derzeit noch pensionsalter die Pension antreten kann (s. Abb. 9). Abb. 9: ENTWICKLUNG DER PENSIONSNEUZUERKENNUNGEN ZUM REGELPENSIONSALTER UND DER VORZEITIGEN ALTERSPENSION in Personen 70.000 vorzeitige Alterspensionen davon normale Alterspensionen (zum Regelpensionsalter) 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: BMSGPK, Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger 2021 Abb. 10: PENSIONSANTRITTSALTER ALTERSPENSION in Jahren 61,9 61,8 61,8 61,7 61,7 61,7 61,7 61,6 61,6 61,6 61,5 61,4 61,3 61,2 61,2 61,1 61 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Jahresbericht der österreichischen Sozialversicherungsträger 2021, S. 50 16
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS VERHÄLTNIS PENSIONEN ZU ERWERBSTÄTIGEN Wie man anhand der Grafik sieht (s. Abb. 11), ist die Zahl, der über 60-Jährigen auf jeweils 1.000 15- bis In der öffentlichen Debatte zum Pensionssystem steht 59-Jährigen (Demographische Belastungsquote), seit meist das Verhältnis der über 60- bis 65-Jährigen zum 2000 deutlich gestiegen (von 325 auf 431: +32,6 %). Rest der Bevölkerung im Mittelpunkt. Entscheidend ist Demgegenüber ist die Pensionsbelastungsquote (An- aber für das Pensionssystem die Relation der Anzahl zahl der Pensionen je 1.000 Versicherte) gesunken: von der BeitragszahlerInnen zu den Leistungsempfänge- 619 auf 590. Darin spiegelt sich die gestiegene Be- rInnen („Pensionsbelastungsquote“). Diese Relation schäftigung wider. Bei einer hohen Beschäftigung ist hängt auch ganz stark von der Entwicklung der Be- das Pensionssystem auch bei einem steigenden Alten- schäftigung ab. Die beiden Größen unterschieden anteil gut finanzierbar. sich sehr deutlich. Die Pensionsbelastungsquote misst Der Schlüssel zur Sicherstellung der Finanzierbarkeit die Anzahl an Pensionen, die je 1.000 Pensionsversi- des Pensionssystems liegt nicht in einem automatisch cherten anfallen. Diese ist seit 2018 geringer als vor steigenden Regelpensionsalter, sondern in steigender 30 Jahren. Beschäftigung (s. Abb. 11). Abb. 11: PENSIONSBELASTUNGSQUOTE UND ALTERSABHÄNGIGENQUOTE 800 Pensionsbelastungsquote aller PV-Träger Anzahl der über 60-Jährigen je 1000 der 15- bis 59-Jährige 700 620 619 619 621 624 624 624 625 621 621 623 620 616 617 615 615 615 617 607 609 593 601 600 597 600 586 591 581 578 590 500 431 422 412 404 396 400 376 379 382 385 388 389 371 360 376 348 351 354 351 354 346 336 318 325 317 316 315 314 314 315 300 200 100 0 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 Quelle: Statistik Austria, Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Alterssicherungskommission, 30.11.2021 17
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS PENSIONSKONTO: BÖSES ERWACHEN? 2018 lag die Ersatzraten für die Neuzugänge bei WELCHE LEISTUNGEN KANN MAN ERWARTEN? den Pensionen (ohne Hinterbliebenenpensionen) bei ca. 78 %. Die Zahlen beziehen sich sowohl auf Alters- Die Pensionsansprüche aller Versicherten ab Jahrgang pensionen als auch auf Invaliditätspensionen. 1955 sind bei der Pensionsversicherung in einem Pensi- onskonto gutgeschrieben. Das Pensionskonto zeigt den ● Nettoersatzrate: 78,3 % aufgrund der vorliegenden Versicherungszeiten bereits (Männer 80,4 %, Frauen 76,6 %) erworbenen Pensionsanspruch zum Regelpensionsalter. ● Bruttoersatzrate: 65,6 % (Männer 66,9 %, Frauen 64,4 % Der Pensionsanspruch wird aufgrund einer einfachen Formel ermittelt: Pro Versicherungsjahr erwirbt man ei- Betrachtet man nur die Alterspensionen, so lag die nen Pensionsanspruch von 1,78 % des Einkommens in Nettoersatzrate bei Männern bei 82,7 % und bei diesem Jahr. Dieser Anspruch wird jährlich im Ausmaß Frauen bei 77,4 %.6 der durchschnittlichen Lohnsteigerung aufgewertet. Man sieht daher: Eine reine Betrachtung der Brutto- Wenn man beispielsweise in einem Jahr EUR 2.000,– pension und ein Vergleich zum Bruttoeinkommen un- brutto verdient, erwirbt man dadurch in diesem Jahr terschätzt die Absicherung im Alter. einen Pensionsanspruch von EUR 35,60 (1,78 % von EUR 2.000,–). Würde man 40 Jahre EUR 2.000,– brutto ver- dienen, erwirbt man einen Pensionsanspruch von EUR ÖSTERREICHPENSION UND PENSIONSKONTO 1.424,– brutto (40* EUR 35,60). Das wären dann 71,2 % des Aktiveinkommens. Das derzeitige Pensionssystem mit dem leistungs- definierten Pensionskonto beruht nicht auf der geplan- ten „Schüsselreform“, die massive Pensionskürzungen zum Ziel hatte und 2003 durch gewerkschaftliche Pro- Beispiel Angestellter, 40 Versicherungsjahre: teste weitgehend verhindert werden konnte. Das Pensionskonto wurde hingegen 2004 im Zuge der Bruttomonatsverdienst: EUR 2.000,– Pensionsharmonisierung verschiedener öffentlicher das entspricht EUR 1.526,62 netto (bzw. Jahres- Pensionssysteme als Umsetzung des neuen langfristig bezug: EUR 28.000,– brutto, EUR 21.510,52 netto). und nachhaltig ausgerichteten Pensionssystems mit In der Pension: EUR 1.424,– brutto laufend, einem Leistungsziel beschlossen. Das Leistungsziel be- das enstpricht EUR 1.333,19 netto (bzw. Jahres- ruht auf dem Modell der Österreichpension des ÖGB. bezug: EUR 19.936,– brutto, EUR 18.576,08 netto) Die auf der Lebensdurchrechnung basierenden Bei- tragsgrundlagen werden im Ausmaß der Lohnentwick- Das Verhältnis der Bruttopension zum Bruttoar- lung aufgewertet. Damit wurde die Aufwertung massiv beitseinkommen beträgt 71,2 %. Das Verhältnis verbessert und wir haben als einziges Land der Welt ein von laufender Nettopension zum Nettoarbeits- leistungsdefiniertes Pensionskonto umsetzen können. einkommen liegt aber wesentlich höher und be- trägt 85,5 %! Anderen Länder, wie Schweden und Italien, haben Auf dem Pensionskonto ist immer der Anspruch beitragsdefinierte Konten, mit hohen impliziten Ab- auf die Bruttopension angeführt. Da man in der schlägen bei früherem Antritt. Die schwarz-blaue Pension aber weniger Abgaben als im Erwerbs- Regierung unter Schüssel wollte – unterstützt von leben zahlt, ist die Relation von Nettopension Industriellenvereinigung und WKO – auch ein eine rein zum Nettoeinkommen deutlich besser. Arbeit- „beitragsorientierte“ Bestimmung der Pension. D. h. es nehmerInnen zahlen Sozialversicherungsbei- gäbe keine Leistungszusage und Anspruch auf eine träge in etwa 18 %, als PensionistIn zahlt man konkrete Pensionshöhe, sondern die Pension wäre so hingegen nur 5,1 % Krankenversicherungsbei- berechnet worden, dass die Summe der eingezahlten trag. Hinzu kommt bei beiden die Lohnsteuer. Beiträge auf die Lebenserwartung aufgeteilt worden wären. 6 Quelle: BMSGPK, https://www.dnet.at/opis/Pensionsversicherung.aspx, 27.05.2021 18
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS © iStock Demgegenüber gibt unser Pensionskonto jedes Jahr Pensionssystem. Das zeigen u. a. Vergleichsberechnun- Auskunft über die Höhe der bereits erworbenen Pen- gen der OECD für Menschen die neu auf den Arbeits- sionsansprüche. Das bringt eine Bestandssicherheit markt kommen. und Transparenz. Die OECD simuliert die Pensionshöhe eines Erwerbs- Die Tatsache, dass die bereits erworbenen Leistungs- tätigen, der 2020 im Alter von 22 Jahren auf den ansprüche auf den individuellen Pensionskonten aus- Arbeitsmarkt kommt und ohne Unterbrechung bis gewiesen sind, bringt eine hohe Bestandssicherheit. zum jeweiligen zukünftigen Regelpensionsalter ar- Kürzungen von bereits erworbenen Anwartschaften beitet. Die Bruttoersatzrate liegt dann in Österreich sind im Pensionskonto-Recht kaum durchsetzbar. Die bei 74,1 %, bei einem Pensionsantritt mit 65 Jah- jährliche Erhöhung der Gutschrift, um die neu erwor- ren, und damit deutlich über dem OECD Schnitt von benen Leistungsansprüche auf individuellen Pensions- 51,8 % bei einem durchschnittlichen Pensionsantritts- konten, bringt ein hohes Maß an Transparenz und ist alter von 66,1 Jahren. Die österreichische Nettoersatz- leicht nachvollziehbar. rate für den Durchschnittsverdienst liegt in den OECD Das österreichische Leistungskonto bietet eine ver- Simulationen bei 87,1 % und damit auch deutlich hö- gleichsweise gute Leistungshöhe: 1,78 % Leistungs- her als im OECD-Schnitt von 62,4 %.7 gutschrift pro Jahr in Verbindung mit fairer Aufwer- tung, ergibt bei durchschnittlichem Erwerbsverlauf Zur Interpretation: Das sind natürlich keine Echtda- auch für die heute Jüngeren einen guten Einkom- ten, sondern Berechnungen wie viel eine Person, die mensersatz (Nettopension relativ zu vorherigem durchschnittlich viel verdient, an Pension bekommt, Nettoeinkommen). wenn er/sie nach 43 Jahren zum Regelpensionsalter in Pension geht. Auch das ist natürlich nicht reprä- Zum Vergleich: Die jährliche Leistungsgutschrift be- sentativ. Aber da die Berechnung bei den verschie- trägt in Deutschland nicht 1,78 %, sondern nur etwa denen Pensionssystemen immer denselben Einkom- 1 % und wird in Zukunft sogar noch weiter sinken. mensverlauf unterstellt, sieht man gut die Unter- schiede in der Leistungshöhe der verschiedenen ÖSTERREICHS PENSIONSSYSTEM BRINGT Pensionssysteme. IM INTERNATIONALEN VERGLEICH GUTE LEISTUNGEN Das heißt, das Pensionssystem bietet auch für all jene, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, eine ver- Mit dem Pensionskonto und seiner Berechnungsformel gleichsweise gute finanzielle Absicherung im Alter. Und bleibt Österreich ein Land mit einem guten öffentlichen das Pensionskonto stabilisiert das öffentliche System. 7 OECD „Pensions at a glance 2021“. In ihren Berechnungen geht die OECD von folgenden Annahmen aus: Realeinkommenssteigerung 1,25 %, Inflation 2 %, Diskontrate 2 %. 19
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Regierungen sollten sich davor hüten, rückwirkend in ● Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt berück- erworbene Ansprüche der Versicherten einzugreifen. sichtigen, dass man bei früherem Pensionsan- Das würden alle durch eine Verschlechterung ihres tritt einige Monate/Jahre länger Pension bezieht Pensionsanspruches am Pensionskonto merken. und eine längere Pensionsbezugsdauer aufweist. Das Pensionskonto schafft Transparenz und zeigt, wie Die Abschläge dürfen aber nicht mehr ausmachen, sich die Pensionshöhe je nach Antrittsalter unterschei- als die Kompensation der längere Bezugsdauer. det. Wenn man statt mit 62 mit 65 Jahren in Pension geht, hat das erhebliche Auswirkungen auf die Pensi- onshöhe. VERGLEICH ÖSTERREICH UND DEUTSCHLAND Für jedes Monat, das man vor dem Regelpensionsalter Die österreichische Pensionsversicherung erbringt in Pension geht, gibt es Abschläge: deutlich höhere Leistungen als die deutsche Ren- tenversicherung. Im Jahr 2019 waren bei neu an- ● 4,2 % pro Jahr bei der Langzeitversichertenrege- getreten Pensionen die Leistungen in Österreich um lung; 5,1 % pro Jahr in der Korridorpension. 2/3 höher, Alterspensionen um 70 %, krankheits- ● Jedes zusätzliche Versicherungsmonat erhöht den bedingte Pensionen um 47 %. Auch jetzige Berufseinstei- Pensionsanspruch (pro Jahr 1,78 % des versicher- gerInnen haben in Österreich wegen der besseren Be- ten Einkommens). rechnung viel höher Leistungen zu erwarten. Personen, ● Beide Effekte bewirken, dass sich die Pensionshöhe die 2018 im Alter von 20 ins Berufsleben eingestiegen sind, um ca. 8 % pro Jahr des verschobenen Pensionsan- 45 Erwerbsjahre erreichen und mit 65 Jahren in tritts erhöht. Wer also mit 65 statt mit 62 Jahren in Pension gehen erwarten in Österreich fast doppelt Pension geht, hat eine Pension, die ca. um ein Vier- so hohe Einkommensersatzraten. Dabei wird jeweils tel höher ist. ein Verdienst in Höhe des Durchschnittseinkommens ● Das bedeutet, dass im Pensionskonto die Erwerbsan- unterstellt. Die Bruttopension erreicht dann in Öster- reize im Pensionssystem außerordentlich hoch sind. reich Durchschnittseinkommen 77,6 % des Brutto- Jetzt muss es darum gehen, es den Menschen zu er- einkommens, in Deutschland hingegen nur 38,7 % möglichen bis 65 Jahre arbeiten zu können. (s. Abb. 12). Abb. 12: VORAUSBERECHNETE BRUTTOERSATZQUOTEN IN % BEI BERUFSEINSTIEG 2018 % 90 Deutschland Österreich 77,6 80 70 60 50 38,7 40 30 20 10 0 Quelle: RENTEN IN DEUTSCHLAND UND ÖSTERREICH, Florian Blank, Camille Logeay, Erik Türk, Josef Wöss, Rudolf Zwiener. WSI Policy Brief 64 WSI 12/2021, eigene Darstellung 20
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS VORSICHT BEI PENSIONSLÜCKENRECHNERN Wer die Beschäftigung verliert, ist zwar weiter pensi- VON ANBIETERiNNEN PRIVATER PENSIONS- onsversichert, erwirbt aber in der Arbeitslosigkeit für ZUSATZPRODUKTEN jedes Versicherungsjahr um 30 % geringere Pensions- ansprüche als bei Fortsetzung des Dienstverhältnis- Zweifellos kann es für viele Menschen sinnvoll sein, eine ses. Es erfolgen Gutschriften in der Höhe von 70 % des zusätzliche Vorsorge im Alter zu haben. Davor sollte man Einkommens vor Eintritt der Arbeitslosigkeit. Bei einem sich ein realistisches Bild über die Höhe der zu erwarten- Jahr der Arbeitslosigkeit ist der Unterschied in Bezug den Pension machen. Von Versicherungen und Banken auf die Gesamtpension gering, wer lange arbeitslos werden dazu Pensionslückenrechner angeboten, die bleibt, wird größere Einbußen haben. Wer seine Arbeit relativ hohe Pensionslücken errechnen. verliert, wird sich aber sehr schwer tun, laufend für ein Es ist ratsam auch den diesbezüglichen Pensionsrech- Altersvorsorgeprodukt einzuzahlen. ner der Arbeiterkammer zu verwenden8, um abzusehen, wie sehr die Ergebnisse unter verschiedenen Annahmen Pensionskonto: auseinandergehen. Für viele Menschen bietet die Pen- Die „Verzinsung“ kann sich sehen lassen sionsversicherung eine gute Altersabsicherung. Auch wird der bereits erworbene Pensionsanspruch jährlich Die Ansprüche am Pensionskonto werden jährlich ent- im Ausmaß der gesamtwirtschaftlichen Lohnsteigerun- sprechend der gesamtwirtschaftlichen Lohn- und Ge- gen erhöht. Die Pensionsansprüche werden jährlich mit haltsentwicklung aufgewertet. Wie man anhand der der sogenannten „Aufwertungszahl“ valorisiert. Diese Grafik deutlich sieht, entwickelte sich die Aufwertungs- errechnet sich aus der Entwicklung der durchschnittli- zahl seit 1995 sehr ähnlich wie der Tariflohnindex, der chen Beitragsgrundlage in der Sozialversicherung. die Entwicklung der kollektivvertraglichen Mindestlöh- ne und -gehälter darstellt. Beide stiegen deutlich stär- Wie hoch wird die Pensionslücke? ker als die Preise. Während die Preise von 1995 bis 2021 um 60 % ge- Anbieter von Pensionszusatzvorsorgeprodukten wie stiegen sind, stiegen die Kollektivvertrags-Löhne um Banken, Versicherungen und Vermögensberater wer- 82,5 % und die Aufwertungszahl um 89,7 %. Die Pen- den Ihnen anhand der aktuellen Ansprüche laut dem sionsansprüche werden daher nicht nur gegen die Pensionskonto anbieten, ihre Pensionslücke zu berech- Teuerung abgesichert, sondern steigen immer dann nen und zu schließen. Mit Pensionslücke ist die Differenz höher als die Inflation, wenn die Bruttolöhne und zwischen der zu erwartenden Pension und dem Letztein- -gehälter stärker steigen als die Preise. Man wird also kommen gemeint. Nachdem beide Werte noch nicht mit der jährlichen Aufwertung der Pensionsansprüche feststehen, kann man mit verschiedenen Annahmen am Wohlstandszugewinn beteiligt. Die Aufwertungszahl eine große oder eine kleine Pensionslücke errechnen. betrug 1995 bis 2021 durchschnittlich 2,5 % pro Jahr, die Inflation 1,8 %. Die Ansprüche am Pensionskonto wer- Wovon hängt die Pensionslücke ab? den daher auch deutlich besser „verzinst“ als ihre Geld- guthaben auf einem Sparbuch! (s. Abb. 13 auf Seite 22) Wer von jetzt bis zum Regelpensionsalter weiterarbeitet und erst zum Regelpensionsalter in Pension geht, hat si- cher eine kleinere Pensionslücke als jemand, der vorzei- MIT WELCHEN ANNAHMEN WIRD EINE tig in Pension gehen wird und für jedes Monat vor dem PENSIONSLÜCKE BERECHNET? Regelpensionsalter Abschläge in Kauf nehmen muss. Wer derzeit Vollzeit arbeitet und auf Teilzeit wechselt, Man sollte vorsichtig sein, wenn BeraterInnen von hat ein geringeres Einkommen und erwirbt daher für Banken, Versicherungen oder Vermögensberater eine jedes zusätzliche Versicherungsjahr geringere An- hohe Pensionslücke berechnen und Ihnen zum Kauf sprüche als bei Fortsetzung der Vollzeitbeschäftigung. von Vorsorgeprodukten raten. Andererseits wird auch das Letzteinkommen geringer Vergleichen Sie deren Ergebnisse mit dem Pensions- sein. Man hat also eine geringere Pensionslücke und rechner der AK. Diesen finden Sie unter: eine geringere Pension! http://pensionsrechner.arbeiterkammer.at 8 http://pensionsrechner.arbeiterkammer.at 21
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Da Prognoserechnungen von vielen Annahmen Gegencheck mit dem AK Pensionsrechner abhängen, ist das Ergebnis immer einigermaßen „gestaltbar“. Die Arbeiterkammer bietet einen guten Pensionsrech- ner an, der zum Ziel hat, dass man sich ein realistisches Bild über die zu erwartende Pension machen kann. Die AK hat kein Eigeninteresse ihnen ein Vorsorgeprodukt Beim Test von Onlinerechnern haben wir festge- verkaufen zu wollen. Daher sollte man sich mit diesem stellt, dass bei Hochrechnungen die Pensionen Rechner verschiedene Szenarien durchrechnen. deutlich geringer hochgerechnet werden als die Einkommen. Das ergibt dann eine deutli- Der Rechner zeigt ihnen die zu erwartende Pension in che Erhöhung der Pensionslücke! drei Ausprägungen: ● Heutig: Pension zu heutigen Preisen und Kaufkraft ● Real: zeigt ihnen die Kaufkraft der Pension in heuti- In einem anderen Fall wurden die Pension und die gen Preisen. Da die Ansprüche am Pensionskonto mit Pensionslücke in heutigen Geldwerten gerechnet und der Lohnentwicklung und nicht der Preisentwicklung danach auf den Pensionszeitpunkt hochgerechnet. valorisiert werden, gewinnt man an Kaufkraft. Die Pension ist aber zu gering angegeben, da sie so ● Nominal: Pensionshöhe im Jahr des Pensionsan- berechnet wird als entspräche die Aufwertungszahl tritts zu den hochgerechneten Werten immer genau der Preissteigerung. Wie wir in Abb. 13 sehen, lag die Aufwertungszahl in den letzten Jahren Man kann einen Karrierefaktor eingeben, der simu- deutlich über der Inflationsrate. Würde dieser Effekt liert, wie sich Einkommen, Pension und die Ersatzraten berücksichtigt werden, so würde dies die Pensionslücke entwickeln, wenn das individuelle Einkommen stärker verkleinern, weil sich eine höhere Pension ergäbe. steigt, als das Durchschnittseinkommen. Abb. 13: ENTWICKLUNG DER TARIFLÖHNE, DER PREISE UND DER AUFWERTUNGSZAHL 200 Aufwertungszahl 190 Tariflohnindex Inflation (VPI) 180 170 160 150 140 130 120 110 100 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: Eigene Berechnungen; Statistik Austria und Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, 20.01.2022 22
DAS FORDERT DIE GEWERKSCHAFT GPA DIESE FORDERUNGEN HAT DIE GEWERKSCHAFT GPA BEIM BUNDESFORUM AM 9.9.2021 ZUM BEREICH PENSIONEN BESCHLOSSEN: ● Lebensstandardsichernde Pensionen – daher Schutz ● Sanktionierung der Nichteinhaltung der für Arbeit- des leistungsdefinierten Pensionskontos. geberInnen bestehenden Meldepflicht von Schwer- arbeitszeiten. ● Keine schlechtere Aufwertung im Pensionskonto. ● Kein Ausbau der steuerlichen Förderung der dritten ● Kein höheres gesetzliches Pensionsalter; Säule. Nein zur Einführung einer Pensionsautomatik. ● Verfassungsrechtliche Absicherung des gesetzlichen ● Keine Einschränkung und Verschlechterung bei den Pensionssystems. Möglichkeiten, vor dem Regelpensionsalter in Pen- sion zu gehen (Korridorpension, Langzeitversicher- Rehabgeld und krankheitsbedingte Pensionen tenregelung, Schwerarbeitspension). Keine Abschaf- fung der Langzeitversichertenregelung. ● Rechtzeitig in Gesundheit investieren – Prävention ausbauen, auch bei der Rehabilitation! ● Schließen des Gender-Pension-Gaps: Bessere Bewertung von Kindererziehungszeiten; ● Recht auf präventive medizinische Rehabilitation, Die Kindererziehungszeiten sollen bis zum 8. Lebens- auch ohne Berufsschutz. jahr stufenweise zusätzlich zum Erwerbseinkommen angerechnet werden. (5. und 6. Lebensjahr: 66 % der ● Anspruch auf berufliche Rehabilitation auch für Per- Bemessungsgrundlage der Kindererziehungszeiten; sonen ohne Berufsschutz. 7. und 8. Lebensjahr: 33 % der Bemessungsgrundlage der Kindererziehungszeiten). Dies bewirkt eine Erhö- ● Jährliche Erhöhung des Rehabilitationsgeldes. hung der Anrechnung um ca. 50 %. ● Ausbau der ambulanten Rehabilitation. ● SchwerarbeiterInnen, die in Invaliditätspension ge- hen, haben 13,8 % Abschlag (außer bei 45 Beitrags- ● Präventive Rehabilitation bei drohender Arbeitsun- jahren). Diese sollen wie in der Schwerarbeitspension fähigkeit und verpflichtende Inanspruchnahme von auf 9 % begrenzt werden. Leistungen von fit2work für Betriebe, welche die Ar- beitsfähigkeit ihrer Beschäftigten beeinträchtigen. ● Leichterer Zugang zur Schwerarbeitspension für Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich. 23
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN P ensionen zählen zu den wichtigsten Leistungen Gesetzlich geregelt sind die Pensionen einerseits im des Sozialstaats. Sie ermöglichen die finanzielle ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) bzw. und materielle Absicherung nach dem Ende GSVG (Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz) und des Erwerbslebens. Zu den Leistungen der Pensions- BSVG (Sozialversicherungsgesetz der BäuerInnen) so- versicherung zählen die Alterspensionen, die man ab wie andererseits im Allgemeinen Pensionsgesetz (APG), Erreichen des Pensionsalters beziehen kann, ebenso das mit 01.01.2005 in Kraft getreten ist und die Grund- wie Rehabilitationen oder krankheitsbedingte Pensio- lage für die Pensionsharmonisierung darstellt. nierungen, wenn man krankheitsbedingt seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Damit im Todesfall einer be- Mit 2014 erfolgte die Umstellung ins neue Pensions- schäftigten Person die Angehörigen abgesichert sind, recht. Alle bis dahin bestehenden Pensionsansprüche gibt es die Hinterbliebenenpensionen (Witwer-/Wit- wurden abgerechnet und ins Pensionskonto übertra- wen- und Waisenpensionen). gen. Die Ermittlung der Pensionshöhe ist damit nicht nur wesentlich vereinfacht, sondern für den einzelnen In der Pensionsversicherung wird zwischen Eigenpensi- Versicherten/die einzelne Versicherte auch weitaus onen und Hinterbliebenenpensionen unterschieden. Zu besser nachvollziehbar und transparenter geworden. Ersteren gehören die Alterspension, die vorzeitige Alter- Vom Umstieg ins neue Pensionsrecht und der Beendi- spension bei langer Versicherungsdauer, die Langzeit- gung der bis 2013 angewandten Parallelrechnung sind versichertenregelung („Hacklerregelung“) sowie die alle Versicherten betroffen, die ab 01.01.1955 geboren Korridorpension und die Schwerarbeitspension. wurden. Für vor 1955 geborene Versicherte bleibt der Umstieg ohne Auswirkung. Ihre Pensionshöhe wurde Alle diese Pensionsarten setzen jeweils die Erreichung weiterhin ausschließlich nach den Bestimmungen des einer bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Alters- ASVG ermittelt. grenze voraus. Krankheitsbedingte Pensionen, die unterschieden werden in Berufsunfähigkeitspension (Angestellte) und Invaliditätspension (ArbeiterInnen), VORAUSSETZUNGEN UND ANTRAGSTELLUNG zählen ebenfalls zu den Eigenpensionen. Bei Tod eines/einer Versicherten existieren für die Hin- Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf eine Pension, terbliebenen Leistungen in Form der Witwer-/Witwen- wenn ein bestimmtes Lebensalter erreicht ist (Eintritt sowie der Waisenpension. Genauere Erläuterungen des Versicherungsfalles), wenn eine Mindestanzahl von zu den einzelnen Pensionsarten folgen in den Kapiteln Versicherungsmonaten vorliegt (Erfüllung der Warte- „Eigenpensionen“ (Seite 38 ff.) und „Hinterbliebenen- zeit) bzw. wenn bestimmte Anspruchsvoraussetzungen pensionen“ (Seite 51 ff.). erfüllt sind. Über die unterschiedlichen Anspruchsvor- 24
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN © iStock aussetzungen je nach Pensionsart wird im Anhang un- MINDESTVERSICHERUNGSZEIT ter „Pensionsarten im Überblick“ (Seite 55) informiert. Neben der Erfüllung des Pensionsantrittsalters ist ein Im alten wie im neuen Pensionsrecht ist die Höhe der Anspruch auf eine Alterspension an folgende Mindest- Pension abhängig von der Anzahl der Versicherungs- versicherungszeiten geknüpft: monate, vom jeweiligen Pensionsantrittsalter sowie vom versicherten Einkommen (Bemessungsgrundlage). Für Personen, die ab dem 01.01.1955 geboren wurden: Voraussetzung für die Leistungserbringung bzw. die Durchführung eines Pensionsfeststellungsverfahrens ist ● mindestens 180 Versicherungsmonate, davon min- die Antragstellung beim Pensionsversicherungsträger. destens 84 Monate auf Grund einer Erwerbstätig- keit, vor dem Stichtag. Der Antragstag löst den Pensionsstichtag aus, der auf den jeweils folgenden Monatsersten nach dem Tag der Für Personen, die vor dem 01.01.1955 geboren wurden: Antragstellung fällt. Zu diesem wird festgestellt, ob der Versicherungsfall eingetreten ist und die Pensionsvor- ● mindestens 180 Beitragsmonate der Pflichtver- aussetzungen erfüllt sind, wie hoch die Leistung ist und sicherung (dazu zählen pro Kind auch bis zu 24 Mo- welche Versicherungsanstalt sie auszahlt. nate des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld) oder Erfolgt die Antragstellung an einem Monatsersten, so freiwilligen Versicherung zum Stichtag ist dieser Tag auch der Pensionsstichtag. Bei Anträgen ● oder mindestens 300 Versicherungsmonate (Ersatz- auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Todes monate vor dem 01.01.1956 ausgenommen) zum ist der Stichtag der Todestag, wenn dieser auf einen Stichtag Monatsersten fällt, sonst der dem Todestag folgende ● oder mindestens 180 Versicherungsmonate in den Monatserste. letzten 360 Kalendermonaten vor dem Stichtag 25
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN Den Versicherungszeiten auf Grund einer Erwerbs- Wenn auch Monate einer Selbstversicherung (§16a tätigkeit sind folgende Zeiten gleichgestellt: ASVG) erworben wurden, zählen höchstens 12 davon für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit. ● Zeiten einer Selbstversicherung wegen Pflege eines behinderten Kindes ● Zeiten einer Selbstversicherung wegen Pflege eines REGELPENSIONSALTER nahen Angehörigen ● Zeiten einer beitragsbegünstigten Weiterversiche- Das Regelpensionsalter für die Alterspension beträgt rung für pflegende Angehörige 65 Jahre. Für Frauen gilt noch ein niedrigeres Regel- ● Zeiten einer Familienhospizkarenz pensionsalter von 60 Jahren. Dieses wird ab 2024 in ● Zeiten des Bezuges von aliquotem Pflegekarenz- Halbjahresschritten an das der Männer angeglichen. geld bei Pflegeteilzeit. Demnach wird für alle Frauen, die ab dem 02.06.1968 geboren wurden, ein Pensionsantrittsalter von 65 Jah- ren gelten. ANHEBUNG FRAUENPENSIONSALTER Kalenderjahr Antrittsalter Weibliche Versicherte, geboren bis: 2023 60. Lebensjahr 01.12.1963 2024 60. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1964 2025 61. Lebensjahr 01.12.1964 2026 61. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1965 2027 62. Lebensjahr 01.12.1965 2028 62. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1966 2029 63. Lebensjahr 01.12.1966 2030 63. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1967 2031 64. Lebensjahr 01.12.1967 2032 64. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1968 2033 65. Lebensjahr für alle ab dem 02.06.1968 geborene Versicherte 26
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