Periphere arterielle Verschlusskrankheit - was moderne Gefäßchirurgie leisten kann - Kaden-Verlag
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
JAHRE 21. Jahrgang ZZEEIITTUUNNGG FFÜÜRR KKLLIINNIIKK UUNNDD PPRRAAXXIISS Oktober 2020 Gefäßchirurgie zwischen Technik und Empathie 36. Jahrestagung der DGG online SO N D E RV E RÖ FFE N T L I C H U N G » G E FÄ SSC H I RU RG I E« Periphere arterielle Verschlusskrankheit – was moderne Gefäßchirurgie leisten kann W4 Stellenwert der offenen Chirurgie in der endovaskulären Ära W 11 Neues aus der Industrie W3 Eine Publikation des Kaden Verlags www.chirurgische-allgemeine.de
TachoSil® – ruhig Blut! Durch die Kraft der Natur. Auch als Pre-rolled TachoSil® TachoSil® Versiegelungsmatrix Zusammensetzung: 1 cm2 enthält: Fibrinogen vom Menschen 5,5 mg, Thrombin vom Menschen 2,0 I.E. Sonstige Bestandteile: Kollagen vom Pferd, Albumin vom Menschen, Riboflavin (E101), Natriumchlorid, Natriumcitrat, L-Argininhydrochlorid. Anwendungsgebiete: TachoSil® wird bei Erwachsenen zur unterstützenden Behandlung in der Chirurgie zur Verbesserung der Hämostase, zur Unterstützung der Gewebeversiegelung und zur Nahtsicherung in der Gefäßchirurgie angewendet, wenn Standardtechniken insuffizient sind, sowie zur unterstützenden Versiegelung der Dura Mater, um postoperative Liquorleckagen nach neurochirurgischen Eingriffen zu vermeiden. Gegenanzeigen: Intravaskuläre Anwendung, Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe oder einen der sonstigen Bestandteile. Nebenwirkungen: In seltenen Fällen kann es zu Hypersensitivität oder allergischen Reaktionen kommen (inklusive Angioödem, Brennen und Stechen an der Applikationsstelle, Bronchospasmus, Schüttelfrost, Flush, generalisierte Urtikaria, Kopfschmerz, Nesselausschlag, Hypotonie, Lethargie, Übelkeit, Ruhelosigkeit, Tachykardie, Engegefühl in der Brust, Kribbeln, Erbrechen, keuchende Atmung), die in Einzelfällen bis zur schweren Anaphylaxie führen. Derartige Reaktionen können insbesondere bei wiederholter Anwendung oder bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegenüber einem der Bestandteile des Präparates auftreten. Antikörper gegen Komponenten von Fibrinkleber- produkten können in seltenen Fällen auftreten. Häufigkeit nicht bekannt: Anaphylaktischer Schock, Überempfindlichkeit, Thrombose, Darmverschluss (in der Bauchchirurgie), Adhäsionen. Wechselwirkungen sowie weitere Hinweise: siehe Fachinfor- mation Verschreibungspflichtig. Chargendokumentationspflichtig. EU-Zulassungsinhaber: Takeda Austria GmbH, A-4020 Linz, Österreich Kontaktadresse d. pharm. Unternehmens in Deutschland: Takeda GmbH, Byk-Gulden-Str. 2, 78467 Konstanz, Tel.: 0800 8253325, medinfo@takeda.de, Stand: 03/2016 Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG www.takeda.de
EDITORIAL Dittmar Böckler Virtuelle Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin D er Corona-Pandemie geschuldet musste auch die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) ihre diesjährige Präsenztagung in Bremen leider absagen. Fort- und Weiterbildung sind essentielle und wichtige Aufgabengebie- te einer medizinischen Fachgesellschaft, so dass wir uns kurzerhand entschlossen haben, die diesjährige Jahrestagung komplett online zu veranstalten. Es erwartet Sie vom 22. bis 24. Oktober 2020 ein interessantes wissenschaftliches Programm, dass mit CME-Punkten der LÄK Berlin zertifiziert wurde. Der Kongress wird live und inter- ©Universitätsklinikum Heidelberg aktiv moderiert und ist bis 31. Dezember 2020 on demand auch nach- träglich mit Ihrem persönlichem Login für Sie abrufbar. Es lohnt sich also – bitte registrieren Sie sich unter W www.dgg-jahreskongress.de! Wir freuen uns auf Sie, ganz egal von wo Sie uns zusehen. Dittmar Böckler Mit freundlichen Grüßen Ihr Prof. Dr. Dittmar Böckler Präsident der DGG 2019–2020 CHAZ | 21. Jahrgang | Sonderveröffentlichung | 2020 1
Der schnellste Weg zu Ihrem persönlichen Kein zusätzlicher Nutzen durch Antithrombosestrümpfe in der Klinik CHAZ-Abo T hromboseprophylaxe- Strümpfe, die nach elektiven Seit Jahrzehnten erhalten die leicht, kommentierte Prof. Dr. Sebastian M. Schellong, der vor- OPs zusätzlich zu Heparin-Injek- meisten chirurgischen Patienten malige Präsident der Deutschen tionen angewendet werden, kön- ganz automatisch Thrombose- Gesellschaft für Angiologie und nen laut einer aktuellen Studie im prophylaxe-Strümpfe Chefarzt der II. Medizinischen British Medical Journal das venö- Klinik des Städtischen Kranken- se Thromboembolie (VTE)-Risiko Eine VTE trat bei 16 von 937 hauses Dresden-Friedrichstadt. nicht weiter verringern – und sind (1,7 %) Patienten in der „Nur-He- Die Studie unterstützt das von mir damit wohl in den allermeisten parin“-Gruppe auf, verglichen seit langem propagierte Konzept Fällen unnötig [1]. Die aktuelle mit 13 von 921 (1,4 %) Patienten eines „strumpflosen Krankenhau- Untersuchung schloss 1858 er- in der Gruppe „Heparin plus ses“, erklärte er. wachsene Patienten mit mittle- Strümpfe“. Symptomatische tiefe Nicht nur moderne Gerinnungs- rem oder hohem VTE-Risiko ein, Venenthrombosen bzw. Lungen- hemmer haben wohl zu der nied- die sich zwischen Mai 2016 und embolien wurden zweimal (0,2 %) rigen Ereignisrate beigetragen. chazabo@ Januar 2019 in einem von sieben versus einmal (0,1 %) diagnosti- Die Studienautoren führen dies britischen NHS-Krankenhäusern ziert. Zwischen beiden Gruppen zudem auf kürzere Verweildau- kaden-verlag.de einer elektiven Operation unter- gab es damit keinen signifikanten ern, verbesserte Operations- zogen hatten. Insgesamt 921 Pa- Unterschied. „Die Studie hat die techniken und schmerzstillende tienten erhielten während ihres Nicht-Unterlegenheit der allei- Maßnahme – und somit auf eine Krankenhausaufenthaltes gerin- nigen Heparintherapie gegen- frühe Mobilisierung der Patienten nungshemmende Medikamente über der Kombination Heparin – zurück. Unsicherheiten blieben (niedermolekulares Heparin) und und Strümpfe bei verschiedenen aber weiterhin bei zwei großen sollten während dieser Zeit zu- Risikogruppen gezeigt“, so das Patientengruppen, so Schellong: sätzlich Antithrombose-Strümp- Team um Dr. Joseph Shalhoub „In die aktuelle Studie wurden fe tragen. Weiteren 937 Patienten vom Imperial College London, keine Patienten mit großen abdo- wurden nur die gerinnungshem- Großbritannien. Laut aktuel- minalen Tumoroperationen sowie menden Medikamente verab- ler S3-Leitlinie „Prophylaxe der mit orthopädischem Gelenkersatz reicht. Als primärer Endpunkt galt venösen Thromboembolie“ ist aufgenommen.“ Auf diese könne eine neue VTE innerhalb von 90 in Deutschland ist eine medika- man Shalhoubs aktuelle Ergeb- Tagen nach der Operation – eine mentöse VTE-Prophylaxe mit nisse deshalb nicht einfach über- tiefe Beinvenenthrombose mit niedermolekularem Heparin oder tragen. Bei Tumorpatienten rät oder ohne Beschwerden bezie- neuen oralen Antikoagulanzien so Schellong zu einer individuellen hungsweise eine Lungenembolie weitgehend implementiert, dass Risikostratifizierung. Sie basiert mit Symptomen. 85 Prozent der die Anwendung von medizini- unter anderem auf der zu erwar- Studienteilnehmer unterzogen schen Thrombose-Prophylaxe- tenden postoperativen Mobili- sich dazu zwei bis drei Wochen Strümpfen „in aller Regel nicht tät. Patienten mit Gelenkersatz nach dem Eingriff einer Untersu- erforderlich erscheint.“ Trotzdem empfiehlt er weiterhin Strümpfe, Der Bezugspreis beträgt € 92,– chung beider Beinvenen mittels sieht die Realität in vielen Kran- „allerdings keine Thrombosepro- (inkl. 7 % MwSt., zzgl. € 18,– Versandkosten) Duplexsonographie. Lungenem- kenhäusern noch anders aus. Seit phylaxe-Strümpfe, sondern gut für 10 Ausgaben (4 Einzel- plus bolien mussten bei entsprechen- Jahrzehnten erhalten die meisten angepasste medizinische Kom- 4 erweiterte Doppelausgaben plus dem Verdacht ebenfalls mittels chirurgischen Patienten ganz au- pressionsstrümpfe gegen die post- 2mal CHAZkompakt). bildgebender Technik nachgewie- tomatisch Thromboseprophyla- operative Beinschwellung.“ Und Das Abonnement verlängert sich sen worden sein. xe-Strümpfe. Diese verinnerlichte diese Strümpfe gehörten auch nur automatisch um ein Jahr, wenn Tradition aufzubrechen sei nicht an das operierte Bein – das andere die Kündigung nicht bis zum 31.10. Bein bleibe strumpffrei. schriftlich im Verlag vorliegt. Assistenzärzte in Weiterbildung/ Studenten € 46,– (bei Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitge- 1. Shaloub J, Lawton R, Hudson J, et al (2020) Graduated compression stockings as adjuvant to bers oder Kopie der Immatrikula- pharmaco-thromboprophylaxis in elective surgical patients (GAPS study): randomised controlled tionsbescheinigung) pro Jahr. trial. BMJ 369: m1309 CHAZ | 21. Jahrgang | Sonderveröffentlichung | 2020
i INDUSTRIE NACHRICHTEN Ballonexpandierbare gecoverte Stents – erster systematischer Review publiziert Einzigartiges und um- Der erste systematische Review der aktuellen Evidenzlage zur Verwen- fangreiches Portfolio dung von ballonexpandierbaren gecoverten Stents bei aortoiliakalen Läsionen wurde kürzlich im Journal of Vascular Surgery publiziert [1]. Terumo Aortic ist ein global tätiges Un- Der Gefäßchirurg Prof. Patrice Mwipatayi bestätigte in Zusammenarbeit ternehmen für Gefäß-Implantate, das mit Kollegen aus der ganzen sich der Entwicklung von Lösungen für Welt die Wirksamkeit aller aortale- und periphere Gefäßerkrankun- untersuchten Produkte hin- gen widmet. Das einzigartige und umfangreiche Portfolio umfasst die sichtlich technischer Erfolgs- Behandlung von thorakalen, abdominellen und peripheren Aneurysmen, raten und Durchgängigkeit für akuten und chronischen Dissektionen sowie peripheren Verschlüssen. einen Zeitraum von 12 Mona- Abgerundet wird das Sortiment durch Patienten-individuelle Produk- ten. Langzeitdaten unter Real-World-Settings sind jedoch nur für einen te, welche auf die besonderen Bedürfnisse jedes Patienten angepasst einzigen Stent verfügbar. Die Ergebnisse der Anwendung des bereits seit werden können. über 15 Jahren in der Klinik verwendeten Advanta V12 waren über einen Vascutek Deutschland GmbH t/a Terumo Aortic, Albert-Einstein-Ring 19, 22761 Hamburg Zeitraum von fünf Jahren hinweg positiv und haben bewiesen, dass sich ✆ 040/897133-0, h info.germany@terumoaortic.com, 1 www.terumoaortic.com dieses Produkt in der Langzeitanwendung bewährt. In die systematische Überprüfung wurden insgesamt 14 veröffentlichte Studien aus den Jahren 2000 bis 2019 mit insgesamt 1012 Patienten einbezogen, davon acht prospektive klinische Studien und sechs retro- spektive Real-World Studien. Alle fünf untersuchten Stents zeigten hohe technische Erfolgs- und Durchgängigkeitsraten sowie vergleichbare Neues, leistungsfähiges Vlies zur Blutstillung Raten erneuter Eingriffe an der ursprünglichen Läsion (fTLR, freedom from target lesion revascularization) über einen Zeitraum von zwölf von Speed Care Mineral Monaten. SpeedM besteht aus einem definiert Der Advanta V12-Stent ist aktuell der einzige gecoverte Stent mit Lang- perforierten Cellulose-Vlies als Trä- zeitdaten aus Praxisstudien, der eine primäre Durchgängigkeitsrate von germaterial, auf das ultrafeine Hal- rund 75 Prozent nach fünf Jahren aufweist. Solche Daten fehlen bislang loysites – ein Mineral aus der Kaolin- für die anderen Produkte. Familie – aufgebracht werden. Dabei wird das Mineral in einem speziellen 1. Mwipatayi BP, Ouriel K, Anwari T, et al (2020) A systematic review of covered balloon-expan- Druckverfahren so verarbeitet, dass dable stents for treating aortoiliac occlusive disease. J Vasc Surg 72: 1473–1486 der Blutfluss innerhalb der Auflage Getinge Deutschland GmbH, Kehler Straße 31, 76437 Rastatt kontrolliert verläuft, gleichzeitig jedoch keine Mineralbestandteile vom h Marcom.dach@getinge.com Trägermaterial in den Blutkreislauf des Patienten gelangen können. Die Halloysite-Mineralverbindung hat aufgrund ihrer Struktur eine sehr große reaktive Oberfläche. Dadurch unterstützt es die natürliche Ge- rinnungsreaktion des Körpers und kann so auch starke Blutungen in Notfallsituationen zuverlässig in zwei bis drei Minuten stoppen. SpeedM ist so konzipiert, dass es kaum mit der Wunde verklebt und dadurch eine weniger traumatische Nachbehandlung des Patienten unterstützt. Schon vormerken! Das Produkt ist sehr einfach in der Anwendung, da es sich vollständig in CHIRURGISCHE die chirurgischen Handlungsabläufe einer Notfallblutstillung integriert. In seiner stabilen Verpackung ist es unkompliziert bei Transport und ALLGEMEINE ZEITUNG FÜR KLINIK UND PRAXIS Lagerung, da nicht kühlpflichtig. Es ist ohne Zubereitung sofort ein- KOMPAKT Gefäßchirurgie satzfähig. SpeedM befindet sich gegenwärtig in der CE-Zertifizierung. Mit einem Verkaufsstart wird Mitte 2021 gerechnet. Speed Care Mineral ist ein Hightech-Unternehmen aus Neubranden- zur 37. Jahrestagung der DGG vom 13.–16.10.2021 burg, das auf mehr als 15 Jahre Forschung in Mineralogie und Blut- stillung zurückblickt. Das Unternehmen nutzt seine Kenntnisse über Erscheinungstermin: 6.10.2021 ultrafeine Halloysites vor allem im Bereich Hämostase, bietet aber auch für Hersteller von Auflagen für chronische Wunden wertvolle Kern- technologien. CHAZ | 21. Jahrgang | Sonderveröffentlichung | 2020 Speed Care Mineral GmbH, Genzkower Straße 7, 17034 Neubrandenburg h info@speedcaremineral.de
FORTBILDUNG Christian Uhl1, Ulrich Rother2, Hartmut Görtz3, Christian-Alexander Behrendt4, Gerhard Rümenapf5, Dittmar Böckler1 für die Kommission pAVK und DFS der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. Periphere arterielle Verschlusskrankheit – was moderne Gefäßchirurgie leisten kann D Die Arteriosklerose zählt ie periphere arterielle Verschlusskrankheit gischen und demographischen Faktoren stellen die heute – meist hervorgerufen durch führt zu einer chronischen Minderdurch- Gefäßmedizin vor dem Hintergrund einer immer blutung der unteren Extremität, die sich älter werdenden Bevölkerung vor eine große Her- die Lebens- und Ernährungsge- klinisch entweder in einer Claudicatio intermittens ausforderung. Der Anspruch an die Lebensqualität wohnheiten der Menschen – zu (Schaufensterkrankheit), oder ggf. sogar in einer von über 80-jährigen fitten Patienten hat sich in den häufigsten Todesursachen kritischen Extremitätenischämie bis hin zur Am- den letzten 20 Jahren deutlich gewandelt. Eine ak- weltweit. Nikotin, Übergewicht, putation äußern kann. Als Ursache liegt in über tive Teilnahme am Leben mit möglichst weitgehend mangelnde Bewegung, Hyper 95 Prozent eine fortgeschrittene Arteriosklerose uneingeschränkter Mobilität, hoher Lebensqualität zu Grunde [1]. Wesentlich seltener finden sich im- bei zugleich relevanter Begleitmorbidität wird heu- cholesterinämie und Diabetes munologisch verursachte Entzündungen (z. B. Rie- te auch von dieser Bevölkerungsgruppe mehr denn mellitus fördern die Entstehung senzellarteriitis, Takayasu-Arteriitis), abgelaufene je gewünscht. Die Prävalenz der asymptomatischen von Gefäßwandveränderungen. Embolien, fibromuskuläre Dysplasien oder Kom- peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) Insbesondere das fortgeschrit- pressionen von außen wie Tumore, das sogenannte liegt bei 70-jährigen bereits bei über 25 Prozent, tene Alter und das männliche popliteale Entrapment-Syndrom oder die zystische etwa ein Drittel davon wird symptomatisch. Adventitia-Degeneration als auslösende Faktoren. Geschlecht sind natürliche Die Arteriosklerose zählt heute – meist hervorge- Risikofaktoren für Arteriosklerose. rufen durch die Lebens- und Ernährungsgewohn- Befindet sich ein Patient im Stadium Diese epidemiologischen und heiten der Menschen – zu den häufigsten Todesur- der kritischen Extremitätenischämie, ist eine demographischen Faktoren stellen sachen weltweit. Nikotin, Übergewicht, mangelnde Revaskularisation zeitnah indiziert die Gefäßmedizin vor dem Hinter- Bewegung, Hypercholesterinämie und Diabetes fördern die Entstehung von Gefäßwandverände- Behandlungsindikation: Eine asymptomatische grund einer immer älter werden- rungen [2]. Insbesondere das fortgeschrittene Alter pAVK ist durch die Reduzierung bzw. durch eine den Bevölkerung vor eine große und das männliche Geschlecht sind natürliche Ri- präventive, medikamentöse Therapie der Risiko- Herausforderung. Die Prävalenz sikofaktoren für Arteriosklerose. Diese epidemiolo- faktoren zu behandeln, eine symptomatische pAVK der asymptomatischen peripheren sollte immer stadiengerecht behandelt werden. arteriellen Verschlusskrankheit Das führende Leitsymptom ist hierbei die Geh 1 Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie, Universitäts- streckeneinschränkung bzw. die sogenannte Schau- (pAVK) liegt bei 70-jährigen be- klinikum Heidelberg, 2 Klinik für Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum fensterkrankheit (Claudicatio intermittens). Eine reits bei über 25 Prozent, etwa ein Erlangen, 3 Klinik für Gefäßchirurgie, Bonifatius Hospital Lingen, Revaskularisierung der Unterschenkelstrombahn 4 Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin, Universitätskrankenhaus Drittel davon wird symptomatisch. Hamburg-Eppendorf, 5 Klinik für Gefäßchirurgie, Diakonissen-Stif- distal der femoropolitealen Strombahn ist in diesem tungs-Krankenhaus Speyer Stadium nicht gerechtfertigt. Von einer kritischen CHAZ | 21. Jahrgang | Sonderveröffentlichung „Gefäßchirurgie" | 2020 4
Moderne Gefäßchirurgie bei pAVK möglichst schonende, aber gleichzeitig effektive, „langlebige“ Revaskularisationsverfahren zur Amputationsvermeidung anzubieten. Dafür stehen der modernen Gefäßchirurgie ver- schiedene Verfahren zur Verfügung, die eine patientenorien- tierte und dennoch leitliniengerechte Behandlung ermögli- chen. Abbildung 1_Thrombendarte- riektomie der Arteria femoralis communis und Arteria femoralis Diese operativen Verfahren gibt es profunda mit Ausschälung der Plaque. Die Arteriotomie wird anschließend mit einem bovinen Thrombendarteriektomie (TEA): Dieses Verfahren bietet sich Patch verschlossen. vor allem bei Verschlussprozessen im Bereich von Gefäßauf- zweigungen, wie etwa der Leistenarterie (Arteria femoralis communis, Arteria femoralis profunda) an. Man spricht auch Extremitätenischämie (critical limb-threating ischemia; von der „Leisten-TEA“. Nach Längsarteriotomie erfolgt eine CLTI) spricht man bei Auftreten von Ruheschmerzen und/ Ausschälung der Plaques, meist bleibt nur die Adventitia des oder bei nicht heilenden Wunden bis hin zum Gangrän. Die Gefäßes erhalten (W Abb. 1). Um bei der Gefäßnaht keine neu- Klinik der Patienten besteht länger als zwei Wochen, gleich- erliche Engstelle zu erzeugen, wird im Sinne einer Erweite- zeitig sind ein oder mehrere hämodynamische Parameter rungsplastik ein Patch eingenäht. Das Verfahren selbst ist seit (z. B. Ankle-Brachial-Index, transkutaner Sauerstoffpartial- mehreren Jahrzehnten etabliert und in der Literatur wissen- druck) pathologisch verändert [3]. In diesem Stadium sind schaftlich in seiner Wirksamkeit belegt [6, 7]. Für den Patch auch technisch anspruchsvolle kruropedale Revaskularisati- wird mittlerweile vorwiegend bovines Perikard verwendet. onen indiziert und gerechtfertigt. Publizierte Langzeitergeb- Im Gegensatz zu herkömmlichen alloplastischen Materialien nisse belegen primäre Offenheitsraten von knapp 40 Prozent weist es eine höhere Infektresistenz auf. Gerade im Bereich der und Beinerhaltungsraten von knapp 60 Prozent nach fünf Leistenregion können in fünf bis 15 Prozent der Fälle postope- Jahren, selbst beim Diabetiker [4]. Eingeteilt wird die pAVK rative Lymphfisteln entstehen [8, 9]. Verschiedene Konzepte in Stadien, benannt nach Fontaine bzw. im angloamerikani- zur Therapie von lymphatischen Komplikationen sind bekannt schen Raum nach Rutherford. (beispielsweise Lymphographie, Reizbestrahlung, Bettruhe), Befindet sich ein Patient im Stadium der kritischen Extremi- schwerwiegende Infekte treten bei konsequenter Behandlung tätenischämie, ist eine Revaskularisation zeitnah indiziert, da selten auf [10]. Die Kurz- und Langzeitergebnisse nach Leisten- ansonsten bei bis zu 40 Prozent der Betroffenen innerhalb TEA sind mit knapp 80 Prozent primärer Offenheitsrate nach eines halben Jahres eine Majoramputation notwendig ist [5]. sieben Jahren exzellent, so dass sie auch weiterhin als Gold- Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt in diesem standard für diese Gefäßregion gilt [6]. Der offen-chirurgische Stadium der Erkrankung knapp 16 Monate. Ursächlich dafür Eingriff wird bei Mehretagen-AVK häufig mit endovaskulären sind v. a. kardiovaskuläre Komorbidäten der Patienten wie Eingriffen proximal oder distal davon kombiniert, man spricht beispielsweise KHK und konsekutiver Myokardinfarkt. Sie dann von einem Hybrideingriff. Die Gefäßchirurgie kann dabei versterben meist auch an kardiovaskulären Erkrankungen. heutzutage das komplette endovaskuläre Spektrum anbieten Daher ist es gerade für diese Patientengruppe notwendig, (Ballondilatation, Stent-Implantation, Atherektomie). Auch Tabelle 1_ Klassifikation der PAVK nach Fontaine-Stadien und Rutherford-Kategorien. Fontaine Rutherford Stadium Klinisches Bild Grad Kategorie Klinisches Bild I asymptomatisch 0 0 asymptomatisch II a Gehstrecke >200 m I 1 leichte Claudicatio intermittens II b Gehstrecke
Moderne Gefäßchirurgie bei pAVK eine retrograde Thrombendarteriektomie der Arteria iliaca ex- terna ist in Kombination mit einer Leisten-TEA möglich. Dabei wird über einen Leistenzugang zusätzlich die komplette Arte- ria iliaca externa geschlossen ausgeschält, ohne dass ein weite- rer zentraler Zugang notwendig wird. Auch hierdurch konnten sehr gute Langzeitergebnisse nachgewiesen werden [11]. Im Rahmen eines Hybrideingriffes kann jedes Operations- Abbildung 3_Distale Anasto- mose eines pedalen Bypasses verfahren um eine endovaskuläre Behandlung jeglicher Art auf die Arteria tibialis posterior erweitert werden auf Höhe des Innenknöchels. Bypass-Chirurgie: Byasses dienen der Überbrückung von langstreckigen arteriellen Verschlußprozessen. Eine entschei- dende Rolle für einen guten Langzeiterfolg spielt die Durch- im femoropoplitealen Bereich werden ähnliche Ergebnisse führung der Anastomosen und die Wahl des am besten ge- erzielt wie mit autologer Vene [13, 14]. Bei kruralen Bypas- eigneten Bypass-Materials. Neben körpereigenen (autologen) ses sind solche aus körpereigener Venen weiterhin zu favo- Materialien, wie etwa der Vena saphena magna, stehen auch risieren (W Abb. 2), bei fehlender geeigneter Vene empfiehlt künstliche Gefäßprothesen (Kunststoff: Polyester/Dacron sich aber durchaus die Anlage eines heparinbeschichteten und Polytetrafluorethylen/PTFE) zur Verfügung. Prothesen Kunststoffgrafts [15]. Meist kann dadurch die Extremität bis mit Heparinbeschichtung oder Prothesen aus Schafskollagen zum Lebensende erhalten werden. Bypasses mit pedalen An- sind Weiterentwicklungen der letzten Jahrzehnte, die die Op- schlussgefäßen sind nur aus autologer Vene sinnvoll (W Abb. tionen der Bypass-Chirurgie bei fehlendem Venenmaterial 3) – alloplastische Materialien eignen sich hierzu nicht. oder respektive beim Infekt ergänzen. Prothesen aus Schafskollagen zeichnen sich durch eine höhe- Im aortoiliakalen Bereich werden Dacrongrafts weiterhin re Infektresistenz aus und werden manchmal sowohl primär regelhaft verwendet. Sie wachsen gut ein und haben hervor- bei Patienten mit CLTI als auch im Rahmen der septischen ragende Langzeitergebnisse; dabei besteht hinsichtlich der Bypass-Chirurgie bei fehlendem autologem Material mit Offenheitsraten von >90 Prozent nach zehn Jahren kein Un- zufriedenstellenden Ergebnissen verwendet, eine primäre terschied zu PTFE-Prothesen [12]. Distal der femoro-poplite- Offenheit von über 60 Prozent nach zwei Jahren wurde pu- alen Strombahn ist deren Verwendung mittlerweile allerdings bliziert [16]. Langzeitergebnisse hinsichtlich der Graft-Ver- selten indiziert. Für periphere Bypasses ist die körpereigene schlüsse und aneurysmatischer Degeneration fehlen bisher Vene weiterhin der Goldstandard, wenn sie hinsichtlich Län- jedoch noch. ge und Kaliber (>3–4 mm) ausreichend ist. Ansonsten kann Bypass-Rekonstruktionen können aufwendig sein, das Le- auch hier auf alloplastisches Material zurückgegriffen wer- bensalter ist jedoch keine Kontraindikation. Wenngleich eine den. Heparin-beschichtete PTFE-Prothesen sind herkömm- gering erhöhte perioperative Mortalität bei über 80-jährigen lichen PTFE-Prothesen hinsichtlich der Offenheit überlegen, Patienten besteht, sind deren Ergebnisse hinsichtlich Offen- Abbildung 2_Die digitale Substraktionsangiographie (DSA) zeigt einen langstreckigen Verschluss der distalen Arteria femoralis superficialis mit schwerer kruraler pAVK und Ruheschmerz, die Extremität wurde mit einem autologen Vena-saphena-magna-Bypass erfolgreich revaskularisiert. CHAZ | 21. Jahrgang | Sonderveröffentlichung „Gefäßchirurgie" | 2020 6
heitsraten, Extremitätenerhalt und damit verbundener Lebensqualität gut. Im Rahmen eines Hybrideingriffes kann die Bypass-Operation wie- derum mit einer endovaskulären Revaskularisation der zu- oder abfüh- renden Gefäße verbunden werden – eine Option, die nur Gefäßchirur- gen anbieten können. Neurostimulator: Bei Patienten mit einer kritischen Ischämie ohne Möglichkeit einer operativen oder endovaskulären Revaskularisation besteht die Möglichkeit zur Anwendung der sogenannten Spinal Cord Stimulation (SCS). Verschiedene Studien haben eine Reduktion des Is- chämieschmerzes sowie eine Verbesserung der Mikrozirkulation nach- gewiesen, wodurch Majoramputationen vermieden werden konnten [17, 18]. Einschränkend muss man allerdings erwähnen, dass die Schmer- zintensität immer eine subjektive Wahrnehmung des Patienten ist und die Ergebnisse der meisten dieser Studien unter diesem Gesichtspunkt interpretiert werden müssen. Die Messbarkeit des Schmerzes und die Auswirkung aktuell neu entwickelter SCS-Geräte auf die Mikrozirkula- tion sind Ziel zukünftiger Studien. Wann immer möglich, Minor- statt Major-Amputation – keine Amputation ohne vorherige Angiographie, Life before limb Amputation: Durch die stetige Entwicklung im Bereich der Gefäßme- 2016, 21 x 24 cm, gebunden, VI, 146 Seiten dizin konnten die Zahlen für Majoramputationen gesenkt werden, die Euro 29,50 ISBN 978-3-942825-45-0 der Minoramputationen sind gestiegen. Dass aber nicht jede Zehe erhal- ten werden kann und gegebenenfalls nach Revaskularisation amputiert werden muss, ist in diesem Kontext zu interpretieren. Sollte es keine 25 Jahre VASCULAR INTERNATIONAL sind der Anlass, die Geschichte von Möglichkeit der Durchblutungsverbesserung für einen Patienten mehr VASCULAR INTERNATIONAL von den ersten Ideen und Workshops bis zur geben, ist eine Majoramputation nötig. Leider schaffen es durch die heute bestehenden professionellen Organisation nachzuzeichnen. Multimorbidität nur knapp 20 Prozent aller Patienten postoperativ mit 1990 hatten Jens-Rainer Allenberg, Georg Hagmüller und Jon Largiadèr die einer Prothese zu laufen. Als Ultima ratio ist in der Therapie der pAVK weitsichtige Idee, gefäßchirurgische Techniken zu standardisieren und an die Majoramputation sicherlich die letzte Option, jedoch kann oft nur lebensechten Modellen zu trainieren. Dies bedeutete eine Verschiebung der dadurch das Überleben des Patienten ermöglicht werden. Durch die int- technisch-operativen Lernkurve vom Patienten zum Modell – schon damals raoperative subfasziale Einlage eines Katheters, über den kontinuierlich ein essentieller Beitrag zu dem wichtigen Thema Patientensicherheit. ein Lokalanästhetikum appliziert wird, kann der postoperative Schmerz Seit 1991 wurden eine Vielzahl lebensechter, pulsatiler Modelle für die deutlich reduziert werden. Es gelten nach wie vor die allgemein akzep- offene und endovaskuläre Gefäßchirurgie entwickelt und Kurse für verschiedenste Zielgruppen im deutschsprachigen Raum, Europa und tierten und praktizierten Regeln: Wann immer möglich, Minor- statt Übersee organisiert. VASCULAR INTERNATIONAL entwickelte sich damit Major-Amputation – keine Amputation ohne vorherige Angiographie, von einem Pionier zu einer internationalen Kaderschmiede – mit einem Life before limb. weltweit anerkannten Trainingskonzept. Endovaskuläre Verfahren: Grundsätzlich ist die Belastung für den Pati- enten bei endovaskulären Eingriffen gering. Jedoch treten auch hier in drei bis 18 Prozent periinterventionelle Komplikationen auf [19]. Die Of- fenheitsraten hängen unter anderem von der Morphologie, der Region des Verschlusses und von der Stenoselänge ab und variieren entspre- chend stark in den verschiedenen Studien. Perkutane transluminale Ballonangioplastie: Bei der Plain old balloon angioplasty (POBA) wird mit einem Ballon die Engstelle im Gefäßsys- tem dilatiert. Das Verfahren ist seit vielen Jahren bekannt und ist der Ursprung der endovaskulären Therapiemöglichkeiten. Es eignet sich vor allem für kurzstreckige Stenosen. Im femoropoplitealen Segment kön- Zu bestellen bei jeder Buchhandlung oder unter info@kaden-verlag.de direkt bei: nen Ein-Jahres-Offenheitsraten von knapp 60 Prozent erreicht werden [20]. Durch zahlreiche Entwicklungen auf dem Gebiet der endovasku- Kaden Verlag GmbH & Co. KG Maaßstraße 32/1, 69123 Heidelberg Telefon (06221) 1377600 CHAZ | 21. Jahrgang | Sonderveröffentlichung „Gefäßchirurgie" | 2020 info@kaden-verlag.de www.kaden-verlag.de
Moderne Gefäßchirurgie bei pAVK lären Therapiemöglichkeiten wurde sie im aortoiliakalen Be- reich mittlerweile durch ballonexpandierbare Stents abgelöst, femorodistal ist es aber weiterhin ein gängiges Verfahren (W Abb. 4). Drug-eluting Ballon (DEB): Dabei handelt es sich um medi- kamentenbeschichtete Ballons. Durch die Dilatation wird das Medikament – in der Regel Paclitaxel – an die Gefäßwand abgegeben und verhindert die Neointimabildung in diesem Bereich. Die Ergebnisse hinsichtlich der Offenheit sind besser Abbildung 4_Die DSA als die der klassischen POBA-Methode im femoropoplitealen zeigt einen distalen Ver- Bereich, Offenheitsraten bis 80 Prozent werden in der Litera- schluss der Arteria tibia- tur beschrieben [21, 22]. Auch für Restenosen oder In-stent- lis posterior bei Stadium Stenosen sind die Ergebnisse gut [23]. Für den Unterschenkel IV nach Fontaine, nach erfolgreicher Rekanalisa- sind die Ergebnisse der Studien sehr unterschiedlich und eine tion des Verschlusses mit Empfehlung für diesen Bereich kann bisher nicht abgege- einem 2-mm-PTA-Ballon ben werden [24]. Die aktuelle Diskussion um eine eventuell Wiederanschluss des erhöhte Langzeitmortalität nach DEB ist bisher noch nicht Arcus plantaris. beendet [25, 26]. Bis zum Vorliegen eindeutiger Ergebnisse ist es unumgänglich, Patienten über dieses mögliche Risiko aufzuklären. Atherektomie: Atherektomiesysteme schälen bzw. fräsen die Plaque im Gefäßsystem heraus und sind mit und ohne distale Embolie-Protektionssysteme (Filter) erhältlich. Die Kombina- Die Art des zu verwendenden Produkts tion aus Kalkreduktion durch Atherektomie und Vermeidung hängt von der Lokalisation, der Ausdehnung und von Neointimabildung durch additive Behandlung mit DEB der Morphologie der Gefäßverengung ab erscheint vielversprechend im Bereich des femoropoplitealen Segments und wird in laufenden Studien auf ihre Effizienz Stent-Angioplastie: Eine Vielzahl von unterschiedlichen untersucht. [29]. In der Literatur werden Offenheitsraten von Stent-Designs wurde in den letzten Jahren entwickelt. Grund- über 60 Prozent nach zwölf Monaten angegeben [22]. Aktuell sätzlich unterscheidet man zwischen ballonexpandierbaren wird die Therapievariante vorwiegend in Studien durchge- Stahl-Stents (gute Radialkraft) und selbstexpandierbaren Ni- führt, hinsichtlich der Verwendung der DEB empfiehlt sich tinolstents (gute Verformbarkeit). Beide Stent-Arten können die Aufklärung nach Empfehlung der DGG. Auch zur Be- gecovert oder ungecovert sein. handlung von In-Stent-Stenosen mittels Atherektomie laufen Ballonexpandierbare Stents werden vor allem im Bereich erste Untersuchungen. der Arteria iliaca communis und aortal eingesetzt. Bei lang streckigen Verschlüssen (TASC C + D Läsionen) zeigen sie in Konservative Therapie: Prostaglandine können im Stadium ihrer gecoverten Ausführung ausgezeichnete Ergebnisse [27], der kritischen Extremitätenischämie in bis zu zehn Prozent so dass chronische Lériche-Syndrome meist selektiv endovas- die Durchblutung verbessern und bei nicht revaskularisierba- kulär anstatt mit der klassischen Y-Prothese versorgt werden rer Durchblutungsstörung eingesetzt werden. Stammzellthe- können. Selbstexpandierbare Stents kommen im Bereich der rapie, hyperbare Sauerstofftherapie oder die CT-gesteuerte Arteria iliaca externa und im femoropoplitealen Segment zur Sympathikolyse sind weitere Möglichkeiten zur Therapie der Anwendung, in letzterem beträgt die Offenheitsrate etwa 77 CLI, deren Ergebnisse werden jedoch in der Literatur unter- Prozent nach zwölf Monaten [22]. Die Offenheit ist im Ver- schiedlich bewertet [30]. Des Weiteren müssen Druckstellen gleich zu POBA für dieses Gefäßsegment besser. Gecoverte an den Extremitäten vermieden werden, so dass auf eine ent- Stents werden in diesem Bereich in erster Linie zur Therapie sprechende Lagerung bzw. Polsterung zu achten ist. von Aneurysmen verwendet, zur Therapie der pAVK spielen sie eine eher untergeordnete Rolle. Bei langstreckigen Ver- schlüssen über 25 Zentimeter liegt die primäre Offenheit aber Entscheidend ist es, in einer Einrichtung operative, endo- immerhin bei knapp 40 Prozent nach fünf Jahren. Stents kön- vaskuläre und konservative Therapieverfahren vorzuhalten, nen ebenfalls eine Medikamentenbeschichtung aufweisen, um so die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten sogenannte drug-eluting stents (DES). Im femoropoplitealen Bereich zeigte sich aber bisher keine Überlegenheit im Ver- Die moderne Gefäßchirurgie bietet zur Behandlung von gleich zu DEB [28]. Aussagekräftige Studien zu den Unter- pAVK-Patienten ein multimodales gesamtheitliches Konzept. schenkelgefäßen fehlen bisher. Bei den erwähnten Verfahren handelt es sich nicht um kon- kurrierende, sondern um komplementäre Behandlungsme- CHAZ | 21. Jahrgang | Sonderveröffentlichung „Gefäßchirurgie" | 2020 8
Moderne Gefäßchirurgie bei pAVK thoden. Es gibt allerdings keine prospektiv-randomisierten Studien, welche die Überlegenheit des einen oder anderen Literatur Verfahrens bei vergleichbaren Läsionen zeigen. Daher sollte bei jedem Patienten in Abhängigkeit von der Lokalisation, 1. Herold G (2019) Innere Medizin 2020 der Morphologie, vom Alter und den Begleiterkrankungen 2. Criqui MH, Aboyans V (2015) Epidemiology of peripheral artery disease. Circ Res 116: 1509–1526 die Therapieentscheidung individuell im Sinne des Patien- 3. Conte MS, et al (2019) Global vascular guidelines on the management of chro- ten getroffen werden. Umso wichtiger ist es also, dass in ei- nic limb-threatening ischemia. Eur J Vasc Endovasc Surg 58: S1eS109 ner Einrichtung operative, endovaskuläre und konservative 4. Pomposelli FB, Kansal N, Hamdan AD, et al (2003) A decade of experience with Therapieverfahren vorgehalten werden, um so die bestmög- dorsalis pedis artery bypass: analysis of outcome in more than 1000 cases. J Vasc Surg 37: 307–315 liche Behandlung für den Patienten gewährleisten zu können. 5. Norgren L, Hiatt WR, Dormandy JA, et al (2007) Inter-society consensus for the Dieses Ziel kann sowohl in Form einer interdisziplinären management of peripheral arterial disease (TASC II). Eur J Vasc Endovasc Surg Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen (Radiologie, 33 Suppl 1: S1–75 Angiologie) als auch durch die alleinige Versorgung aus der 6. Wieker CM, Schönefeld E, Osada N, et al (2016) Results of common femoral ar- tery thromboendarterectomy evaluation of a traditional surgical management Hand des in allen Bereichen ausgebildeten Gefäßchirurgen in the endovascular era. J Vasc Surg 64: 995–1001 („Total Vascular Care“-Konzept) erreicht werden. Daher ist es 7. Uhl C, Götzke H, Zeman F, et al (2020) Long-term outcome of common femoral umso wichtiger, dass moderne Gefäßchirurgen konservative, artery endarterectomy in octogenarians and non-octogenarians. Scand J Surg endovaskuläre und operative Verfahren beherrschen, um die 25: 1457496920907733. doi: 10.1177/1457496920907733 [Epub ahead of print] bestmögliche Behandlung gewährleisten zu können. Konser- 8. Kalman PG, Walker PM, Johnston KW (1991) Consequences of groin lymphatic vativ medikamentöse begleitende Therapie, stadiengerechte fistulae after vascular reconstruction. Vasc Endovasc Surg 25: 201–203 Wundbehandlung, offen-chirurgische und endovaskuläre 9. Tyndall SH, Shepard AD, Wilczewski JM, et al (1994) Groin lymphatic complica- Revaskularisationsverfahren „aus einer Hand“ bzw. einem tions after arterial reconstruction. J Vasc Surg 19: 858–863 10. Uhl C, Götzke H, Woronowicz S, et al (2020) Treatment of lymphatic complica- breit aufgestellten interdisziplinären Team sind im Zeitalter tions after common femoral artery endarterectomy. Ann Vasc Surg 62: 382–386 leitliniengerechter und zugleich patientenorientierter Gefäß- 11. Uhl C, Betz T, Pfister K, et al (2019) Remote iliac artery endarterectomy with medizin der Schlüssel zum Erfolg: Lebensqualität durch Mo- selective stent use at the proximal dissection zone in TransAtlantic Inter-Society bilität und Langzeitüberleben. ❘❙❚ Consensus C and D lesions. J Vasc Surg 69: 1143–1149 12. Cintora I, Pearce DE, Cannon JA (1988) A clinical survey of aortobifemoral by- pass using two inherently different graft types. Ann Surg 208: 625–630 CHIRURGISCHE ALLGEMEINE ZEITUNG FÜR KLINIK UND PRAXIS Trochlius-Plattenosteosynthese der Die anatomische und stabile Fixation Trochlea ist entscheidend für die Progno- se transkondylärer Humerusfrakturen. Der Beitrag beschreibt die Osteosynthese mit einer neuen anatomisch angepassten, 3-D- multidirektionalen, winkelstabilen W 467 Platte. Biopsie von Weichgewebe- und Knochentumoren Unklare Raumforderungen mit Maligni- die tätsverdacht erfordern in der Regel ISSN 1615-5378 Entnahme einer Gewebeprobe, standard- mäßig in Form einer Inzisionsbiopsie. Hier müssen spezielle tumorchirurgische W 478 Grundprinzipien beachtet werden. & Co. KG | Maaßstraße 32/1 69123 Heidelberg Neu: Online-Live-Fortbildung für Unfallchirurgie und Orthopädie CHAZ-Brief Digitale und internetbasierte Technolo- | gien bestimmen zunehmend den medizi- Schmerzhafte Achillessehne nischen Alltag – auch in der Aus-/Wei- ein terbildung. Winglet-Education bietet neues Online-Live-Fortbildungskonzept an. für Unfallchirurgie und Orthopädie W 486 Sport. Sportarten den häufigsten Überlastungsschäden im Gebühr bezahlt | Dr. R. Kaden Verlag GmbH Achillessehnenerkrankungen gehören zu läuferischen Elementen wie Fußball oder wie das Laufen und Ballsportarten mit ausgedehnten und Sprünge die Achillessehne. Aber auch kurze Antritte Handball stellen hohe Anforderungen an sein. Sehnenschmerzen an der können begünstigende Faktoren für Achillessehnenschmerzen eine „Nicht- die Folge einer Überlastung. Genauso kann Achillessehne sind jedoch nicht immer nur nachhaltig als sieben Tagen Dauer den Kollagenstoffwechsel Belastung“ der Achillessehne von mehr der Achilles- – daher ist eine längere Pause von mehreren Tagen ohne wesentliche Belastung stören für eine Verstär- Trainingsbelastung, oftmals die Ursache sehne, die gefolgt wird von einer erneuten Der Newsletter zum Heft Jetzt kostenfrei anmelden und heute schon wissen, was andere morgen lesen. www.chirurgische-allgemeine.de
Moderne Gefäßchirurgie bei pAVK 13. Samson RH, Morales R, Showalter DP, et al (2016) Heparin-bonded expanded 23. Brodmann M, Keirse K, Scheinert D, et al (2017) Drug-coated balloon treatment polytetrafluoroethylene femoropopliteal bypass grafts outperform expanded for femoropopliteal artery disease: the IN.PACT global study de novo in-stent polytetrafluoroethylene grafts without heparin in a long-term comparison. J restenosis imaging cohort. JACC Cardiovasc Interv 10: 2113–2123 Vasc Surg 64: 638–647 24. Langhoff R, Behne A, Buschmann E (2016) Promising role of drug-coated bal- 14. Daenens K, Schepers S, Fourneau I, et al (2009) Heparin-bonded ePTFE grafts loons in the tibial vessels? J Cardiovasc Surg 57: 667–676 compared with vein grafts in femoropopliteal and femorocrural bypasses: 1- 25. Katsanos K, Spiliopoulos S, Kitrou P, et al (2018) Risk of death following appli- and 2-year results. J Vasc Surg 49: 1210-1216 cation of paclitaxel-coated balloons and stents in the femoropopliteal artery of 15. Uhl C, Hock C, Betz T, et al (2015) Comparison of venous and HePTFE tibial and the leg: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. peroneal bypasses in critical limb ischemia patients unsuitable for endovascular J Am Heart Assoc 7: e011245 revascularization. Vascular 23: 607–613 26. Ouriel K, Adelman MA, Rosenfield K, et al (2019) Safety of paclitaxel-coated 16. Töpel I, Stigler T, Ayx I, et al (2017) Biosynthetic grafts to replace infected pros- balloon angioplasty for femoropopliteal peripheral artery disease. JACC Cardi- thetic vascular bypasses: a single-center experience. Surg Infect 18: 202–205 ovasc Interv 12: 2515–2524 17. De Caridi G, Massara M, David A, et al (2016) Spinal cord stimulation to achie- 27. Mwipatayi BP, Sharma S, Daneshmand A, et al (2016) Durability of the balloon- ve wound healing in a primary lower limb critical ischaemia referral centre. Int expandable covered versus bare-metal stents in the Covered versus Balloon Ex- Wound J 13: 220–225 pandable Stent Trial (COBEST) for the treatment of aortoiliac occlusive disease. 18. Ubbink DT, Vermeulen H, Spincemaille GH, et al (2004) Systematic review and J Vasc Surg 64: 83–94 meta-analysis of controlled trials assessing spinal cord stimulation for inopera- 28. Liistro F, Angioli P, Porto I, et al (2019) Drug-eluting balloon versus drug-eluting ble critical leg ischaemia. Br J Surg 91: 948–955 stent for complex femoropopliteal arterial lesions: The DRASTICO Study. J Am 19. Dick P, Barth B, Mlekusch W, et al (2008) Complications after peripheral vascu- Coll Cardiol 74: 205–215 lar interventions in octogenarians. J Endovasc Ther 15: 383–389 29. Stavroulakis K, Bisdas T, Torsello G, et al (2015) Combined directional atherec- 20. Kudo T, Chandra FA, Ahn SS (2005)The effectiveness of percutaneous translumi- tomy and drug-eluting balloon angioplasty for isolated popliteal artery lesions nal angioplasty for the treatment of critical limb ischemia: a 10-year experience. in patients with peripheral artery disease. J Endovasc Ther 22: 847–852 J Vasc Surg 41: 423–435 30. Rümenapf G, Morbach S (2014) What can I do with a patient with diabetes 21. Tepe G, Laird J, Schneider P, et al (2015) Drug-coated balloon versus standard and critically impaired limb perfusion who cannot be revascularized? Int J Low percutaneous transluminal angioplasty for the treatment of superficial femoral Extrem Wounds 13: 378–389 and popliteal peripheral artery disease: 12-month results from the IN.PACT SFA randomized trial. Circulation 131: 495–502 Priv.-Doz. Dr. med. Christian Uhl 22. Marmagkiolis K, Hakeem A, Choksi N, et al (2014) 12-month primary patency rates of contemporary endovascular device therapy for femoro-popliteal occlu- Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie sive disease in 6,024 patients: beyond balloon angioplasty. Catheter Cardiova- Universitätsklinikum Heidelberg sc Interv 84: 555–564 Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg h christian.uhl@med.uni-heidelberg.de 37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin + online 13.10. bis 16.10.2021
FORTBILDUNG Karin Pfister1, Kyriakos Oikonomou1, Christof Schmid2, Lukas Prantl3, Hans Jürgen Schlitt4, Volker Alt5, Thomas Noppeney6, Christian Stroszczynski7, Christina Wendl8, Felix Schlachetzki9, Birgit Linnemann10, Wilma Schierling1 Stellenwert der offenen Chirurgie in der endovaskulären Ära D Die minimalinvasive Chirurgie, ie minimalinvasive Chirurgie, einschließ- täten sowie zur Versorgung von Aortenpathologien einschließlich der Roboterchirur- lich der Roboterchirurgie, hat sich in vielen bei Aneurysma und Dissektion die offenen Eingriffe Bereichen chirurgischer Fächer durchge- bei weitem überflügelt. Aus den Registern sowie aus gie, hat sich in vielen Bereichen setzt und wird entsprechend von Patienten nachge- der Qualitätssicherung der Deutschen Gesellschaft chirurgischer Fächer durchgesetzt fragt. Auch in der Gefäßmedizin herrscht das Motto für Gefäßchirurgie sind Verhältnisse von etwa 80 und wird entsprechend von „endovascular first“, also Eingriffe durch Punktion Prozent endovaskulär zu 20 Prozent offener Chirur- Patienten nachgefragt. Auch in der eines Gefäßes und Intervention mit Katheter, Ballon gie zu entnehmen. Im vorliegenden Beitrag wird der Gefäßmedizin herrscht das Motto und Stent zu bevorzugen. Ähnlich wie in der Kar- Stellenwert der offenen Chirurgie im Vergleich zu diologie und Herzchirurgie werden alle Eingriffe an den endovaskulären Verfahren an der A. carotis, an „endovascular first“, also Eingriffe der A. carotis, an der Aorta, in der Peripherie, arte- den viszeralen und peripheren Arterien und Venen durch Punktion eines Gefäßes riell und venös auf die Machbarkeit eines endovas- und an der Aorta dargestellt. und Intervention mit Katheter, kulären Verfahrens überprüft, das einen vermeint- Ballon und Stent zu bevorzugen. lich kleineren Eingriff verspricht. Während sich bei der asymptomatischen Stenose der A. carotis inter- Aorta, viszerale, periphere Arterien und Venen Ähnlich wie in der Kardiologie und na der Stent im Vergleich zu offenen Operation nie und die symptomatische A. carotis werden Herzchirurgie werden alle Eingriffe heute bei geeigneter Morphologie primär vollständig durchsetzen konnte, haben die endovas- an der Arteria carotis, an der kulären Eingriffe Arterien und Venen der Extremi- endovaskulär versorgt Aorta, in der Peripherie, arteriell und venös auf die Machbarkeit Die neue S3-Leitlinie zur Karotisstenose stellt ins- eines endovaskulären Verfahrens besondere die Indikation zur invasiven Versorgung 1 Gefäßzentrum Ostbayern, Abteilung für Gefäßchirurgie, Endovasku- in den Mittelpunkt [1]. Bei der asymptomatischen überprüft, das einen vermeintlich läre Chirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, 2Klinik und Poliklinik hochgradigen Stenose wird heute – vor einer inter- kleineren Eingriff verspricht. Eine für Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, 3Hochschulzentrum für Plastische und Ästhetische, Hand- ventionellen oder operativen Therapie – bevorzugt aktuelle Analyse. und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, medikamentös mit Thrombozytenaggregations- 4 Klinik und Poliklinik für Chirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, hemmern und Statinen sowie Blutdrucksenkern be- 5 Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regens- handelt; allerdings fehlen belastbare vergleichende burg, 6Klinik für Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie, Krankenhaus Martha-Maria Nürnberg, 7Institut für Röntgendiagnostik, Universitäts- Studien. Der Nachweis mikroembolischer Signale klinikum Regensburg, 8Zentrum für Neuroradiologie, Institut für Rönt- als Surrogatparameter für eine klinisch unauffällige gendiagnostik, Universitätsklinikum Regensburg, medbo Bezirksklini- Schlaganfallsymptomatik oder eine Kernspintomo- kum Regensburg, 9Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität graphie mit klinisch asymptomatischen Diffusions- Regensburg, Zentrum für Vaskuläre Neurologie und Intensivmedizin, medbo Bezirksklinikum Regensburg, 10Universitäres Gefäßzentrum störungen wird in großen Zentren in interdiszipli- Ostbayern, Bereich Angiologie, Universitätsklinikum Regensburg nären neurovaskularen Boards diskutiert und in die CHAZ | 21. Jahrgang | Sonderveröffentlichung „Gefäßchirurgie" | 2020 11
Stellenwert der offenen Gefäßchirurgie Behandlungsarme neurointerventionell oder gefäßchirur- gisch – seltener aufgrund von Komorbidäten oder Patienten- wunsch konservativ eingeordnet. Beim akuten Schlaganfall mit Verschluss der A. cerebri media wird primär durch in- terventionelle Thrombektomieverfahren und gegebenenfalls mit Stent-PTA die Abgangsstenose der A. carotis interna behandelt. Dies gilt heute als Standard, wobei klare Daten fehlen [2, 3]. Seltener wird ein sequentielles Verfahren mit Dilatation der A.-carotis-interna-Stenose, Embolektomie bei Verschluss der intrakraniellen Arterie und im nahen Intervall die gefäßchirurgische Sanierung der extrakraniellen Stenose Abbildung 1_Pseudo-Okklusion der A. carotis interna. Der Pfeil zeigt durchgeführt. Dieses Verfahren umgeht die duale Plättchen- auf die bereits evertierte und reinserierte, deutlich schmalere A. carotis hemmung im akuten Schlaganfall, die bei größeren Infarkten interna im Vergleich zum darüber liegenden Gefäß, der A. carotis oder schwer einstellbarem Hypertonus kritisch sein kann. externa. Die Indikation zur offenen OP der asymptomatischen Karotisstenose sowie zur Stent-Angioplastie ist streng und in interdisziplinärer Absprache zu stellen Die offene Chirurgie spielt initial nur bei schwer erreichba- rer A. carotis, gekinktem Aortenbogen, Pseudookklusionen, Coiling oder Stenosen mit hohem Embolisationsrisiko eine Rolle. Diese Eingriffe sind jedoch im Vergleich zur Standard operation der Eversionsendarteriektomie oder Thrombend arteriektomie komplex. Insbesondere kurze Abklemmzei- ten zur Verhinderung einer zerebralen Ischämie bedürfen a b c d entsprechender Übung (W Abb. 1). Auch ist das postope- Abbildung 2_a) Abgangsstenose der A. carotis communis links (Pfeil). rative Management mit konsequenter Blutdruckkontrolle, b) Freilegen der A. carotis communis links. Sichtbar ist der Spreizer, Verhinderung von epileptischen Frühanfällen und Reper- der Pfeil zeigt auf den offen eingebrachten Draht, der retrograd zum fusionsblutungen (zusammengefasst als postischämisches Aortenbogen geführt wird. c) Der ballonexpandierbare Stent (Pfeil) ist Hyperperfusionssyndrom) eine Herausforderung. Die offe- noch in der Schleuse in Höhe der Abgangsstenose. Ein Pigtail-Katheter ne Karotis-Chirurgie spielt auch im Bereich von Abgangs- (Mess-Pigtail) dient zur Angiographie und Darstellung der Landungs- stenosen der supraaortalen Äste aus dem Aortenbogen als zone. d) Abschlussangiographie des entfalteten Stentgrafts (Pfeil) (Bentley BeGraft™). a b c Abbildung 3_a) Pedaler Bypass von der A. poplitea auf die A. tibialis posterior. Mit Pfeil markiert sind die Anastomosen. b) Arterieller Anschluss (Pfeil) des Lappengefäßes an den pedalen Bypass. c) An der Ferse (Pfeil) eingeheilter Lappen. d) Intraopera- tiver Ultraschall des pedalen Bypasses auf die A. tibialis posterior und des Lappengefäßes (Pfeil). e) Postoperative MR-Angiographie des pedalen Bypasses. Die Pfeile markieren die proximale und d e distale Anastomose sowie distal das Lappengefäß. 12 CHAZ | 21. Jahrgang | Sonderveröffentlichung „Gefäßchirurgie" | 2020
Stellenwert der offenen Gefäßchirurgie Hybrideingriff mit retrogradem Stenting im Vergleich zur of- ma und Infekt sowie in der septischen Unfallchirurgie auch fenen Operation mit Sternotomie noch eine Rolle (W Abb. 2). ein Unfallchirurg. Die intraoperative und postoperative Kon- trolle der Rekonstruktion über Angiographie und Ultraschall zur Beurteilung der Hämodynamik gehören heute ebenso wie Die offene Gefäßchirurgie ist unverzichtbar bei der A. carotis zum Standard (W Abb. 3). bei schwieriger Anatomie, Komplikation und Infekt Während die endovaskulären Verfahren durch den Zugangs- weg meist über die Leiste, aber auch durch die technisch an- Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) spruchsvolle Punktion von Fuß- und Unterschenkelgefäßen wird heute primär ein endovaskuläres Verfahren mit Ballon- beschränkt sind, erweitert die offene Chirurgie – mit Frei- PTA und/oder Stent gewählt. Selbst langstreckige Verschlüs- legen der A. femoralis und entsprechender Versorgung des se können mit Hilfe von Atherektomie- und Thrombektomie Kollateralgefäßes der A. profunda femoris und weiterer en- systemen rekanalisiert werden. Die S3-Leitlinie zur pAVK dovaskulärer Verfahren nach zentral zur A. iliaca sowie nach gibt dazu einen Überblick [4]. Allerdings zeigt sich gerade bei peripher in die A. femoralis superficialis und die Unterschen- der großen Untergruppe der nierenkranken Patienten und kelgefäße hinein – als Hybridverfahren das Spektrum der Diabetiker, dass die Rekanalisation meist eines Unterschen- Möglichkeiten deutlich. Eine kombinierte Lappendeckung kelgefäßes zur Abheilung von Wunden am Fuß nicht aus- sollte nicht nur beim Infekt gegeben sein und bedarf eines reicht. Die krurale und pedale Chirurgie mit Bypasses auf die plastischen Chirurgen. Mikrochirurgische Gewebetransplan- A. dorsalis pedis, A. fibularis oder A. tibialis posterior setzt tate mit Anschluss an den Bypass können neben der langfris- entsprechendes Venenmaterial – meist die V. saphena mag- tigen Deckung des Wunddefektes auch zu einem Offenhalten na – voraus, wobei auch die Armvenen geeignet sind; dieses des Bypasses beitragen [5]. Neuere Publikationen zeigen, dass Verfahren bedarf außerdem eines geübten Operateurs. Hinzu ein offener Bypass eine höhere Erfolgsrate und Offenheit im kommen bei großen Weichgewebsdefekten am Unterschen- Langzeitverlauf sowie eine bessere Wundheilung und Ver- kel und Fuß ein plastisch-rekonstruktiver Chirurg, bei Trau- ringerung der Amputationsrate (MALE = major limb event) Jede einzigartige Aorta ansprechen Entwicklung von Technologien um den unterschiedlichen Patientenanatomien zu entsprechen. Unsere Lösungen reichen von chirurgisch über endovaskulär bis hin zu hybriden und ergänzen die präzise Technik jedes Chirurgen. exklusives Portfolio
Sie können auch lesen