Hochschulpolitik in NRW: Verlässliche Perspektiven? - nds-zeitschrift.de

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4-2018

                                                                                    Marode Schulbauten in NRW
                                                                                    Politische Bildung im Ländervergleich
                                                                                    G9: Gesetzentwurf richtig lesen
                                                                                    Gutes Studium geht anders!
                                                                                    Tarifrunde: Guter Kompromiss
                                         DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT   Digitalisierung: Gesundheit schützen!

                                         Hochschulpolitik in NRW:
                                         Verlässliche Perspektiven?
70. Jahrgang April 2018 ISSN 0720-9673
K 5141
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Tarifrunde im öffentlichen Dienst

Mit Ratschen und Fahnen für mehr Gehalt
Tausende GEW-Kolleg*innen machten bei Warn-                 der die Beschäftigten motivierte, für eine finanzielle Auf-
streiks im öffentlichen Dienst weiter Druck auf die         wertung ihrer Arbeit zu kämpfen. Die Arbeitgeber*innen
Arbeitgeber*innen. Zuletzt gingen die Streikenden –         hatten bis dahin kein Angebot vorgelegt. In der dritten
darunter viele Kitabeschäftigte – am 10. April 2018 unter   Verhandlungsrunde gab es den Durchbruch: Die Tarif-
anderem in Dortmund und Köln auf die Straße. Lautstark      parteien einigten sich auf durchschnittlich 7,5 Prozent
zogen sie durch die Innenstädte und demonstrierten für      mehr Gehalt für die Beschäftigten des öffentlichen
die gemeinsame Forderung von GEW, ver.di und dbb nach       Dienstes. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 30
sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200,- Euro.      Monate. Mehr zum TVöD-Tarifergebnis ab Seite 25.
Zu Gast in Köln war der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske,               Text: kue, Fotos: M. Scheidereit, M. Schulte
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Wissenschaftspolitik der GroKo:
Jetzt liefern und nachlegen!
   Im März 2018 hat eine sechsmonatige Hängepartie ihr Ende gefunden: CDU, CSU und SPD
verständigten sich auf eine erneute Große Koalition (GroKo), neue Bildungs- und Forschungs-
ministerin ist die nordrhein-westfälische CDU-Politikerin Anja Karliczek. Für die Wissenschafts-
politik der neuen Bundesregierung enthält der Koalitionsvertrag zwar einige positive Ansätze,
doch Papier ist geduldig – die GroKo muss jetzt liefern und noch nachlegen.
Gutes Studium: Für sichere Finanzierung sorgen!                                                      Dr. Andreas Keller,
    Überfällig ist die von Union und SPD in Aussicht gestellte Verstetigung des Hochschulpakts,      stellvertretender Vor-
mit dem Bund und Länder für zusätzliche Studienplätze sorgen. Schon lange steht fest, dass die       sitzender und Vorstands-
Nachfrage nach Studienplätzen weit über 2020 hinaus ungebrochen bleiben wird. Der Bund               mitglied der GEW (Bund)
darf sich nicht länger aus seiner Mitverantwortung für die Grundfinanzierung der Hochschulen
stehlen. Das Fortschreiben des Pakts allein wird jedoch nicht ausreichen: Seine Zuweisungen
müssen zugleich deutlich aufgestockt werden, um den Numerus clausus zu überwinden und die
Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Studierenden zu verbessern.
    Die Exzellenzstrategie wollen Union und SPD ausbauen und den Pakt für Forschung weiter
wachsen lassen. Das heißt: Jahr für Jahr werden immer mehr Exzellenzgelder und Drittmittel ins
System gespült, während die Grundfinanzierung der Hochschulen stagniert. Die Folge: noch mehr
Wettbewerbsdruck an den Hochschulen und immer mehr Zeitverträge. Hier hat die GroKo die
Chance zum Kurswechsel ebenso verpasst wie beim Hochschulbau. 2020 werden die vom Bund
bereitgestellten Kompensationsmittel sang- und klanglos entfallen – ein Problem nicht nur für
die finanzschwachen Länder.
    Zu begrüßen ist die Absicht der Koalitionspartner*innen, das BAföG zu verbessern. Eine Reform
ist überfällig, damit endlich wieder mehr Studierende und Schüler*innen mit bedarfsdeckenden
Fördersätzen unterstützt werden. Dass die GroKo eine Trendwende erst zur nächsten Bundestagswahl
erreichen will, greift allerdings zu kurz. Niemand Geringeres als der BAföG-Beirat beim Bundesbil-
dungsministerium hat vor Kurzem eine rasche und deutliche Erhöhung der Ausbildungsförderung
gefordert. Die Reform gehört daher ins 100-Tage-Programm der neuen Regierung.
Gute Arbeit: Befristungsmissbrauch bekämpfen!
    Hoffnung macht, dass sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag zum Grundsatz der Guten
Arbeit in der Wissenschaft bekennen – konkrete Maßnahmen benennen sie jedoch nicht. Wenn
neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen befristet beschäftigt sind und die Hälfte
der Arbeitsverträge nicht einmal ein Jahr läuft, ist der Handlungsbedarf enorm: Wir brauchen
Dauerstellen für Daueraufgaben, Mindeststandards für Zeitverträge und verlässliche Karrierewege.
Die Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes 2020 abzuwarten, reicht nicht aus. Da sich
viele Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit der Umsetzung des neuen Befristungsrechts
schwertun und nach Schlupflöchern suchen, muss die Evaluation vorgezogen und schnell über
Nachjustierungen des Gesetzes entschieden werden.
    Das gilt umso mehr, weil sich die GroKo die Bekämpfung des Befristungsmissbrauchs auf die
Fahnen geschrieben hat. Künftig sollen Arbeitgeber*innen mit mehr als 75 Beschäftigten nur
noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen dürfen. Die Befristung eines
Arbeitsvertrags ohne sachlichen Grund soll eingeschränkt werden. Ob die Großkoalitionär*innen
dabei nur die Industrie oder auch die Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Blick hatten,
ist unklar. Wenn es irgendwo einen Missbrauch mit dem Befristungsrecht gibt, dann dort. Dem
darf die Regierung nicht tatenlos zusehen! //
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4 INHALT

               SONDERHEFT                                          BILDUNG

                                             17                                                      8

               punktlandung 2018.1:                             Marode Schulbauten
               Studium mit Nährwert?              Kommunaler Investitionsstau trifft NRW am härtesten
                                                                        Seite 8
                 Studium in Zahlen
               Für Dosenfutter reicht‘s
                                                      Politische Bildung im Bundesländervergleich
                      Seite 18                          Zwischen Abwertung und Anerkennung
                                                                       Seite 10
           Gewerkschaftsjugend macht mobil
              Gutes Studium geht anders
                                                     Sekundarschule Olpe kooperiert mit Uni Siegen
                      Seite 19                                Mathematik zum Anfassen
                                                                       Seite 12
           Die Sache mit dem Studienerfolg
              Studieren nach Schema F?
                                                                 Gesetzentwurf zu G9
                      Seite 20                              Koalitionsvertrag weichgespült
                                                                       Seite 14
      Soziale Rahmenbedingungen im Studium
                  Studis am Limit
                      Seite 22
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               ARBEITSPL ATZ

                                                              IMMER IM HEFT

                                                              Nachrichten         Seite 6
                                                              Leser*innenbriefe   Seite 15
                                                              Jubilar*innen       Seite 32
                                                              Weiterbildung       Seite 33
                                                              Infothek            Seite 34
                                                              GEW-Kino            Seite 38
                                                              Termine             Seite 38
                                                              Impressum           Seite 39

                                                     26

Tarifrunde im öffentlichen Dienst erfolgreich abgeschlossen
              Ein Kompromiss, aber ein guter
                         Seite 25

   Hochschulpolitik in NRW: Verlässliche Perspektiven?

   Eckpunkte zur Reform des Hochschulgesetzes NRW
Beschäftigte und Studierende vor Rückschritten schützen
                         Seite 26

         Postdocs in Wissenschaft und Forschung
           Dünne Luft im Wissenschaftsbetrieb
                         Seite 28

            Arbeits- und Gesundheitsschutz
         Wenn der Unterricht zur Belastung wird
                         Seite 30
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6 NACHRICHTEN

Viele Studierende brauchen Hilfe
                                                                                       Bundesweit stehen viele Studierende so stark unter Druck, dass sie
   Beratungsbedarf von Studierenden in Deutschland                                  Hilfe brauchen. Zu diesem Ergebnis kommt die 21. Sozialerhebung
                                                                                    des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung
                                                                                    (DZHW). Probleme im Studium haben demnach 61 Prozent aller Stu-
    Arbeitsorganisation / Zeitmanagement	                               19 %       dierenden. Von den Befragten, die Schwierigkeiten haben, nehmen
                                                                                    46 Prozent eine Beratung in Anspruch. Unterstützung bei studien-
    Arbeits- und Konzentrationsschwierigkeiten	 16 %
                                                                                    bezogenen Themen sucht rund ein Drittel aller Studierenden. 19 Prozent
                                                                                    haben Probleme bei der Arbeitsorganisation und dem Zeitmanagement.
    mangelndes Selbstwertgefühl	                                        14 %
                                                                                    Weitere Themen sind Konzentrationsschwächen und die Vereinbarkeit von
    Vereinbarkeit von Studium und Erwerbstätigkeit	 14 %                           Nebenjob und Studium. Im Bereich der persönlichen Themen geben 33
                                                                                    Prozent aller Studierenden an, Hilfe zu brauchen. Die häufigsten Knack-
    Finanzierung des Studiums                                           13 %       punkte in diesem Bereich sind fehlendes Selbstwertgefühl, depressive
                                                                                    Verstimmungen oder Probleme in der Beziehung. Bei den finanziellen
    Zweifel, das Studium fortzuführen	                                  10 %       Schwierigkeiten, die 20 Prozent aller Studierenden in Deutschland
                                                                                    betreffen, ist die Finanzierung des Studiums das Hauptproblem. Mehr
                                                                                    zu den Bedingungen für Studierende in NRW ab Seite 17 und unter
                                                                                    www.sozialerhebung.de                                           DZHW
Quelle: 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, durchgeführt vom DZHW,
2016

                                         Kommunikation                            Kopftuchverbot ist das falsche Signal
                                            Durch elektronische Kommu-               Die Frage nach einem Kopftuchverbot für Mädchen bis 14 Jahre be-
            Begreifen                    nikation fallen am Arbeitsplatz          schäftigt die Politik und Gesellschaft in NRW. Fakt ist, dass sowohl das
        zum Eingreifen                   immer mehr Daten an, die Inter-
                                         aktionen unter Beschäftigten do-
                                                                                  Kopftuch als auch die Halskette mit einem Kreuz, Zeichen und Ausdruck
                                                                                  der Werte sind, die in einer Familie gelebt werden. Ein Kopftuchverbot
                                         kumentieren. Technisch ist es für        sorgt vielleicht für eine äußerliche Integration, aber nicht dafür, dass ein
 Mädchenzukunftstag
                               www.      Arbeitgeber*innen bereits möglich,       tatsächliches Umdenken in den Köpfen der Menschen passiert. Es stellt
                                         daraus soziale Beziehungsgeflechte       die betroffenen Mädchen und ihre Familien ins Abseits und stigmatisiert
 Am 26. April 2018 war Girls‘
                                         oder „soziale Graphen“ zu konstruie-     die Mädchen als Außenseiterinnen. Integration – und sie muss das
 Day. Das Kompetenzzentrum
 Technik-Diversity-Chancen-              ren, zeigt eine von der Hans-Böckler-    grundsätzliche Ziel aller Bemühungen sein – funktioniert nur durch aktive
 gleichheit e. V. stellt kostenloses     Stiftung geförderte Studie. Damit        Elternarbeit und im Dialog mit den Erziehungsberechtigten, nicht durch
 Material zum Thema Geschlech-           Beschäftigte geschützt werden,           generelle Verbote. Ein Kopftuchverbot ist unangebrachte Symbolpolitik,
 terrollen für Lehrkräfte zum            sind Personalvertretungen gefor-         die mehr schadet als den Kindern nützt. Mädchen müssen so gestärkt
 Download zur Verfügung.
 www.tinyurl.com/girls-                  dert. Mehr unter www.tinyurl.com/        werden, dass sie selbstbewusst und eigenständig entscheiden können.
 day-2018                                sozialer-graph Hans-Böckler-Stiftung     Mehr unter www. tinyurl.com/kopftuchverbot                              rue

                               www.
 Bundeswehreinsätze
                                         Ostermärsche                             Beliebteste Abiturfächer in NRW
 Wo ist die Bundeswehr im
 Einsatz? Wie lange schon und               Mehrere Zehntausend Menschen             38,5 Prozent der Schüler*innen wählten im vergangenen Jahr Englisch
 was kostet das? Die Bundes-             gingen traditionell rund um die          als Leistungskursfach. 35,5 Prozent favorisierten als erstes oder zweites
 zentrale für politische Bildung
                                         Ostertage auf die Straßen, um            Abiturfach Deutsch und 32,3 Prozent Mathematik. Von den jungen
 hat eine interaktive Weltkarte
 zum Thema veröffentlicht.               ein starkes Zeichen für Frieden zu       Frauen wählten 44,9 Prozent Deutsch und 42,5 Prozent Englisch als
 www.tinyurl.com/einsatz-                setzen. Bei vielen Ostermärschen         Leistungskursfach. Die männlichen Abiturienten entschieden sich dage-
 bundeswehr                              standen in diesem Jahr die Ab-           gen am häufigsten für Mathematik (42,8 Prozent) und Englisch (33,3
                               www.
                                         schaffung von Atomwaffen, ein            Prozent). Neben Mathematik waren bei den jungen Männern auch die
 Heterogenität in Schule
                                         Ende der Rüstungsexporte und             anderen MINT-Fächer (Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sehr
 Heterogenität bedeutet mehr             „Abrüsten statt Aufrüsten“ im Mit-       beliebt: So lag Physik bei den Männern mit 10,3 Prozent auf Platz acht,
 als nur unterschiedliche Her-           telpunkt. Die Organisator*innen          bei den Abiturientinnen mit 1,8 Prozent auf Platz 13. Chemie rangierte
 kunftsländer und Milieus in ei-
 ner Lerngruppe. Prof. Dr. Jürgen        freuten sich in diesem Jahr über         bei allen Schüler*innen auf Platz zehn. Für Informatik interessierten sich
 Budde skizziert, wie differenzsen-      Teilnehmer*innenzuwächse. Mehr           2,3 Prozent der Männer (Rang zwölf) und 0,3 Prozent der Frauen (Rang
 sible Lehre gelingen kann.              unter www.tinyurl.com/oster              17). Biologie wählten Abiturientinnen mit 24,1 Prozent häufiger als
 www.tinyurl.com/schule-hete-            maersche-2018                            Abiturienten (19,8 Prozent). Insgesamt machten 73.489 Schüler*innen
 rogenitaet
                                              Netzwerk Friedenskooperative        2017 ihr Abitur in NRW.                                          IT.NRW
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                                                                                      Imagekampagne für den Lehrberuf
                                                                                         Das Ministerium für Schule und Bildung NRW will den Lehrer*innenberuf
                                                                                      mit einer Imagekampagne attraktiver machen, die am 18. April 2018
                                                                                      offiziell vorgestellt wurde. Die GEW NRW unterstützt die Maßnahmen
                                                                                      des NRW-Schulministeriums zur Lehrkräftegewinnung, hält sie aber für
                                                                                      begrenzt wirksam. Das beste Argument ist eine bessere Bezahlung, wie
                                                                                      die Vorsitzende der GEW NRW Dorothea Schäfer ausführt: „Die beste
                                                                                      Werbekampagne für Lehrkräfte wird nicht viel bewirken, wenn nicht
                                                                                      endlich mehr für die Attraktivität des Berufs getan wird. Das betrifft
                                                                                      die Arbeitszeit, die Arbeitsbedingungen und eine bessere und gerechte
                                                                                      Bezahlung. Die Landesregierung muss endlich ihre Wahlversprechen
Teilnehmer*innen des Senkrechtstarts fordern das Teilzeit-Ref.    Foto: M. Schulte
                                                                                      einlösen.“ Mehr unter www.tinyurl.com/lehrkraft-werden              bp

Aktion: Teilzeit-Ref jetzt!                                                           Mehrsprachigkeit kommt zu kurz
   Junge Lehrkräfte machten sich beim Fortbildungstag „Senkrechtstart“                   Das Schulsystem muss sich mehr auf die Mehrsprachigkeit von Kindern
der jungen GEW NRW am 14. April 2018 stark für das Teilzeitreferenda-                 einstellen. Das fordert die GEW mit Blick auf die PISA-Sonderauswertung
riat. Das Modell ist dringend notwendig, um Familie und Beruf besser                  der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
miteinander vereinbaren zu können. Vor allem junge Lehrer*innen warten                zum Schulerfolg und zur Zufriedenheit von Schüler*innen mit Migrati-
schon lange darauf, die Familienplanung endlich flexibler organisieren                onshintergrund. „Das ist ein wichtiger Baustein, um die Teilhabe dieser
zu können. Wer die Forderung ebenfalls unterstützen möchte, hat zwei                  Kinder und Jugendlichen an Bildung zu verbessern“, sagt GEW-Vorsitzende
Möglichkeiten: Entweder das Aktionsplakat online herunterladen, ein Foto              Marlis Tepe. „Es ist die Aufgabe von Schule, soziale Ungleichheiten und
machen und an aktion@gew-nrw.de schicken. Alle eingesendeten Bilder                   Diskriminierung abzubauen. Dieser Herausforderung wird das Bildungs-
und Forderungen sammeln wir unter #teilzeitrefjetzt und #besseranders                 wesen in Deutschland nicht ausreichend gerecht.“ Mehr unter www.
in einer Bildergalerie! Oder bei Facebook das Teilzeit-Ref-Design auf das             oecd.org/pisa                                                     GEW
Profilbild legen und allen Menschen, auch der Schulministerin, zeigen,
dass das Teilzeitreferendariat wichtig ist. Mehr unter www.gew-nrw.de/
teilzeit-ref-jetzt                                                   kue
                                                                                      Engagement für Vielfalt prämiert
                                                                                         Den ersten Preis des Jugendwettbewerbs „Die Gelbe Hand“ 2017 / 2018
Digitale Geräte für alle Schüler*innen                                                erhielten die Azubis der Rheinbahn AG Düsseldorf für ihre Idee, 5.000
                                                                                      Schutzhüllen für Fahrkarten mit dem Logo der Gelben Hand bedrucken zu
   Schüler*innen an weiterführenden Schulen sollen nach den Plänen                    lassen. Der jährlich stattfindende Wettbewerb wird vom gewerkschaftlichen
der NRW-Regierungsparteien künftig ihr eigenes Handy, Tablet oder ihren               Antirassismus-Verein „Mach‘ meinen Kumpel nicht an!“ ausgerufen. Prämiert
Laptop im Unterricht einsetzen. Diesen Vorschlag zur Digitalisierung                  wird das kreative Engagement von Auszubildenden, Berufsschüler*innen und
im Klassenzimmer machen sowohl die CDU-Landtagsfraktion als auch                      Gewerkschaftsjugenden für Demokratie, Vielfalt und Akzeptanz. Schirmherrin
Schulministerin Yvonne Gebauer. Die GEW NRW warnt dagegen vor                         des diesjährigen Wettbewerbs war die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-
einer „digitalen Spaltung in den Klassenzimmern“. Alle Schüler*innen                  Vorpommern Manuela Schwesig. Der Sonderpreis der DGB-Jugend Nord
müssten „unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern“ ein digitales End-                   ging an das Betriebliche BeratungsTeam Mecklenburg-Vorpommern (BBT)
gerät mit gleichen Standards nutzen können, erklärte die stellvertretende             für „Azubis on Tour“. Auszubildende besuchten Unternehmen und lernten
GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern. Der Vorschlag, dass Schüle-                      gelungene Beispiele zu Integration und Mitbestimmung kennen. Mehr
r*innen ihr eigenes Gerät mitbringen sollten, „zeigt doch nur das Versagen            unter www.gelbehand.de                                   Die Gelbe Hand
der Politik“.                                                         dpa

Zahl der Privatschulen in NRW steigt
   In NRW besuchten im Schuljahr 2016 / 2017 insgesamt 210.010
Schüler*innen eine der 553 Privatschulen. Die Zahl der Schüler*innen
ist im Vergleich zum Schuljahr 2009 / 2010 fast unverändert geblie-
ben. Die Zahl der Schulen ist jedoch um 18,7 Prozent gestiegen von
466 auf 553. Unter den allgemeinbildenden Schulen sind die Grund-
schulen, Realschulen und Gesamtschulen auffällig: Die Zahl der privaten
Grundschulen stieg seit 2009 um fast 41 Prozent von 44 auf 62, die der
privaten Realschulen um ein Viertel von 48 auf 60 und die der privaten
Gesamtschulen sogar um 82,4 Prozent von 17 auf 31 Schulen. Mehr                       Zur Preisverleihung des Jugendwettbewerbs „Die Gelbe Hand“ 2017 / 2018 kamen
unter tinyurl.com/zahl-privatschulen                               kue               rund 100 Gäste ins Schweriner Schloss.                   Foto: Die Gelbe Hand
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8 BILDUNG

Marode Schulbauten

Kommunaler Investitionsstau
trifft NRW am härtesten

                                                                                                                                                     Fotos: Jonathan Schöps, hydra / photocase.de
Nordrhein-Westfalen investiert seit Jahren zu wenig in Schulgebäude. Die Folgen sind                   Während im Jahr 2002 noch fast 700 Millionen
verrottende Schulen und massiver kommunaler Investitionsstau. Damit sich an der Situ-                  Euro in diesem Bereich investiert wurden, sind es
ation schnell etwas ändert, müssen die Städte und Gemeinden unter anderem mit mehr                     2016 nur noch 200 Millionen Euro. In den drei
Personal ausgestattet werden. Eine Herkulesaufgabe für das bevölkerungsreichste                        Jahren davor wurde sogar dieser Wert deutlich
Bundesland Deutschlands.                                                                               unterschritten. Dabei ist zu beachten, dass es
                                                                                                       sich bei der Zahlenreihe um nominale Größen
   Dass Deutschland ein ernsthaftes Problem          Schulraum als „dritter Pädagoge“ – neben den      handelt. Der Preisverfall ist nicht berücksichtigt.
bei den öffentlichen Investitionen insbesondere      Mitschüler*innen sowie den Lehrenden. Schulen        Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang
auf kommunaler Ebene hat, ist mittlerweile eine      und Klassenzimmer sollen flexibel nutzbar und     ein Pro-Kopf-Vergleich der Schulbauinvestitionen
weithin anerkannte Tatsache. Im Jahr 2017 hat        individuell gestaltet sein – ein angenehmer       unter den Flächenländern (siehe Abbildung).
die KfW-Bank für die deutschen Kommunen ei-          Raum, so die Erkenntnis in den nordischen         Spitzenreiter ist sowohl im Jahr 2016 als auch im
nen Investitionsstau in Höhe von 126 Milliarden      Staaten, wirkt positiv auf das Lernklima und      langjährigen Durchschnitt Bayern. Aktuell gibt
Euro ermittelt. Davon entfallen 33 Milliarden        die Konzentration der Schüler*innen.              Bayern siebenmal so viel Geld im Bereich der
Euro auf die Schulen. NRW dürfte – gemessen              Verglichen damit ist der Zustand vieler       Schulinfrastruktur aus wie Nordrhein-Westfalen
an der seit der Jahrtausendwende besonders           Schulen in Deutschland, insbesondere der in       mit gerade einmal 90,- Euro pro Schüler*in.
schlechten Investitionstätigkeit im Schulbereich –   Nordrhein-Westfalen, mehr als ernüchternd.        Den Durchschnittswert aller Flächenländer
einen überproportional großen Anteil haben.          Viele Schulgebäude sind in einem maroden          unterschreitet NRW um mehr als 70 Prozent.
Genaue Zahlen für die Bundesländer sind nicht        und baufälligen Zustand. Die Benutzung der        Auch längerfristig, zum Beispiel von 2000 bis
verfügbar. Die Landesregierung ist aufgefordert,     Toiletten ist häufig eine Zumutung und in         2016, war Nordrhein-Westfalen das Schlusslicht
den konkreten Investitionsbedarf zu ermitteln. Zu    vielen Schulen bröckelt der Putz buchstäblich     unter den deutschen Flächenländern. Das Land
erwarten ist in jedem Fall ein Wert, der zwischen    von der Wand. Aktuelle Berichte aus NRW, die      investiert ziemlich genau 50 Prozent weniger
fünf und zehn Milliarden Euro liegt. Auch eine       das belegen, sind leicht im Internet zu finden:   als der Durchschnitt.
Zahl im höheren zweistelligen Milliardenbereich      „In Köln gibt es 296 Schulen. Viele davon be-     Bund investiert in Projekte Öffentlich-
wäre keine Überraschung. Wegen der in vielen
                                                     finden sich in einem beklagenswerten Zustand.“    Privater Partnerschaft
Kommunen prekären Finanzlage wurden seit
                                                     „Mehr als jedes zweite Schulklo in Essen ist         Angesichts der dargestellten Entwicklung
2015 gleich zwei Kommunalinvestitionsförder-
                                                     marode.“ „Marode Schule: Gelderner Rektor         scheint es zunächst begrüßenswert zu sein, dass
programme im Umfang von bundesweit je 3,5
                                                     schlägt Alarm. Rektor klagt über Schimmel und     der Bund Geld für die Sanierung von Schulen
Milliarden Euro beschlossen. Ein wesentlicher
                                                     schlechte Fluchtwege. Er will bei Unglücken       bereitstellt. Dieses Geld könnte – so steht es in
Teil des ersten Programms und das gesamte
                                                     keine Verantwortung übernehmen.“                  der Änderung des Kommunalinvestitionsförde-
zweite Programm sind dabei der Schulinfra-
                                                         Die Gründe für die besonders schlechte Lage   rungsgesetzes – explizit auch zur Finanzierung
struktur gewidmet.
                                                     in NRW liegen auf der Hand: In dem Bundesland     von Projekten in Öffentlich-Privater Partner-
Moderne Klassenzimmer wirken positiv                 ist ein besonders starker Rückgang der kommu-     schaft (ÖPP) genutzt werden. Im Unterschied
auf das Lernklima                                    nalen Investitionstätigkeit in den Kernhaushal-   zu konventionellen öffentlichen Investitionen –
   Der Zustand gerade der Schulgebäude               ten zu beobachten. Die Schulbauinvestitionen      hier erbringen private Unternehmen nur die
ist von besonderer Bedeutung für den Lern-           als Teil dieser kommunalen Investitionsausgaben   Bauleistung – sind im Rahmen von ÖPP private
erfolg. In den skandinavischen Ländern gilt der      weisen eine geradezu dramatische Abnahme auf.     Akteur*innen bei der Planung, Ausführung
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                                                    ausfallen. An konkreten Beispielen lässt sich          nachzulesen ist, sei in den 20 Jahren von 1991
                                                    zeigen, dass Investitionen auf Basis von ÖPP           bis 2010 deutschlandweit die Zahl der mit
                                                    teurer ausfallen als konventionell durchgeführte       Baufragen befassten Personen im öffentlichen
                                                    öffentliche Investitionen: Im Bereich der Auto-        Dienst der Kommunen um rund 35 Prozent
                                                    bahnen lassen sich entsprechende negative              gesunken. Die beiden Autoren Martin Gornig
                                                    Beispiele finden – zuletzt bei der Erneuerung          und Claus Michelsen schreiben, dass im darauf-
                                                    der A 1 auf einer Länge von 73 Kilometern zwi-         folgenden Zeitraum bis 2015 die Beschäftigten-
                                                    schen Hamburg und Bremen. Lange galt dieses            zahl noch einmal um annähernd zehn Prozent
                                                    Projekt als Vorzeigemodell – bis im Sommer des         zurückgegangen sei.
                                                    vergangenen Jahres das Betreiberkonsortium                 Um das Problem der maroden Schulen zu
                                                    A 1 Mobil das Bundesverkehrsministerium vor            lösen, ist eine finanzielle Besserstellung der
                                                    einer „existenzbedrohenden Situation“ warnte,          Kommunen erforderlich – auch, um das für den
                                                    zusätzliche Finanzmittel verlangte und eine Kla-       Baubereich zuständige Personal auf der kom-
                                                    ge über 640 Millionen Euro gegen die Bundes-           munalen Ebene angemessen zu erhöhen. Kurz-
                                                    republik einlegte. Das deutschlandweit größte          fristig angelegte und zu gering dimensionierte
                                                    ÖPP-Projekt im Schulbereich scheitert gerade           Investitionsfördermaßnahmen eignen jedenfalls
                                                    in Hessen im Landkreis Offenbach: Nach einer           nicht, um den Investitionsstau aufzulösen. //
                                                    Prüfung des Hessischen Rechnungshofs aus
                                                    dem Jahr 2015 ist mit einer Kostensteigerung
                                                    in Höhe von 367 Millionen Euro (47 Prozent)                      Dr. Kai Eicker-Wolf: Einstürzende Schul-
und dem Betrieb der staatlichen Infrastruktur       bis zum Jahr 2019 zu rechnen.                          PDF       bauten in NRW
involviert. Geworben wird mit einer höheren                                                                          www.tinyurl.com/studie-schulbauten
Effizienz und Effektivität von Privatunternehmen,   Dauerhafte finanzielle Besserstellung                            Martin Gornig und Claus Michelsen:
was ÖPP-Projekte insgesamt billiger mache.          der Kommunen ist notwendig                             PDF       Engpässe bei Planungs- und Baukapazi-
                                                                                                                     täten bremsen Städte und Gemeinden aus
Nachvollziehbar sind solche Argumente nicht,           Dringend erforderlich ist eine dauerhafte Erhö-               www.tinyurl.com/diw-bericht
schließlich zielt jede unternehmerische Tätigkeit   hung der Bauinvestitionen im Schulbereich – und                  Prof. Dr. Achim Truger, Martin Nees und
darauf ab, einen Gewinn zu erwirtschaften.          diese höheren Investitionen sollten konventionell      PDF       Dr. Kai Eicker-Wolf: Kommunalfinanz-
Allein deshalb ist es zweifelhaft, dass ÖPP         und nicht in Form von ÖPP erfolgen. Zwar sind                    bericht 2017
                                                                                                                     www.tinyurl.com/kommunalfinanzbericht
wirtschaftlicher und kostengünstiger ausfal-        die Investitionsmittel des Bundes hilfreich, aber
                                                                                                           www.      Gute Schule 2020
len kann als die Finanzierung, Sanierung und        sie werden definitiv nicht ausreichen, um das
                                                                                                                     www.land.nrw/de/guteschule2020
Bewirtschaftung der öffentlichen Infrastruktur in   bestehende Problem auch nur im Ansatz zu lösen.
staatlicher Eigenregie. Zahlreiche Beteiligte wie      Bedenklich ist es, dass bei den kommunalen
Steuerberater*innen, Anlagevermittler*innen         Investitionen trotz der Investitionsfördermaßnah-                      Dr. Kai Eicker-Wolf
und Projektentwickler*innen verursachen un-         men bisher keine Belebung auszumachen ist. Ein                         Ökonom und Politikwissenschaftler
                                                                                                                           sowie Referent für finanzpolitische
nötige Kosten. Zudem kommt es oft zu teuren         Grund dafür scheinen Engpässe im personellen
                                                                                                                           Fragen der GEW Hessen, zuständig
und langwierigen Rechtsstreitigkeiten.              Bereich zu sein: Wie im Wochenbericht 11 / 2017                        für Wirtschaftspolitik beim DGB
   Ein weiteres gewichtiges Argument gegen          des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung                       Hessen-Thüringen
ÖPP sind die häufig intransparenten Entschei-
dungsprozesse in den Parlamenten. Das liegt         Schulbauinvestitionen der Kommunen in NRW von 1992 bis 2016
unter anderem daran, dass die Vertragswerke
hochkomplex und enorm umfangreich sind.             7*                                                                                     *Milliarden Euro
Außerdem unterliegen sie – wie bei allen pri-
vatrechtlichen Vertragswerken – einer hohen
Geheimhaltung. Infolgedessen und wegen der
                                                    5*
Datenschutzbestimmungen wird das Parlament
unzureichend informiert. Insofern sind eine
demokratische Kontrolle und transparente
öffentliche Diskussion über das Für und Wider       4*
von ÖPP-Projekten nicht möglich.
   Nicht zuletzt führt die lange Vertragslaufzeit
von bis zu 30 Jahren dazu, dass die Verträge
                                                    2*
nicht alle im Laufe der Zeit auftretenden Even-
tualitäten im Vorhinein regeln können. Damit
sind häufig Nachverhandlungen erforderlich,
die teuer sein können und unter Umständen           0*
                                                         1992   1994    1996    1998    2000    2002     2004     2006    2008    2010     2012     2014        2016
mit Vereinbarungen verbunden sind, die für
die öffentliche Hand nicht besonders günstig        Quelle: Statistisches Bundesamt, 2017
Hochschulpolitik in NRW: Verlässliche Perspektiven? - nds-zeitschrift.de
10 BILDUNG

                                                                                                                                                                  Illustration: Angel Soler Gollon / shutterstock.com
Politische Bildung im Bundesländervergleich

Zwischen Abwertung und
Anerkennung

Schulen gehen mit politischer Bildung sehr unterschiedlich um: An einigen Schu-                              auf dessen Stundentafelquote. Die Quote misst
len ist das Fach ein fester Bestandteil des Stundenplans, andere vernachlässigen                             das vorgegebene verpflichtende Zeitvolumen für
es sträflich. Einen Anhaltspunkt, welche Relevanz das Fach im Unterricht hat,                                politische Bildung als Anteil an der gesamten
bietet die Stundentafelquote. Nordrhein-Westfalen schneidet im Vergleich der                                 Unterrichtszeit der Sekundarstufe I.
Bundesländer gut ab.                                                                                         Bayern und Thüringen vernachlässigen
                                                                                                             politische Bildung im Unterricht
   Stundentafeln verkörpern Politik. Die Schul-             Die sozialwissenschaftliche Domäne unter-
fächer und ihre Wochenstunden zeigen in Zahlen,          scheidet sich von Bundesland zu Bundesland, das        Der Vergleich für die Sekundarstufe I des
welche Domänen des Wissens und Könnens den               Feld ist recht komplex. Für einen Ländervergleich   Gymnasiums dokumentiert eine ziemlich klare
politischen Akteur*innen wichtig sind. Das gilt          benötigt man jedoch einen belastbaren und           Rangordnung für die relative Relevanz der in
auch für die politische Bildung, ihre Bedeutung in       transparenten Indikator. Dafür eignet sich die      einem Schulfach organisierten politischen Bil-
einem Bildungsgang kann man vor allem an den             Stundentafelquote. Sie misst den prozentualen       dung. Man findet eine kleine Gruppe von Län-
Stundentafeln ablesen. Wie ernst die Länder den          Anteil eines Schulfachs an der Gesamtsumme der      dern, die weit hinter dem Median zurückbleiben,
Politikunterricht in der Sekundarstufe I nehmen,         Kontingentstunden eines ganzen Bildungsgangs.       ein breites Mittelfeld, einige recht ambitionierte
belegt erstmals das „Ranking Politische Bildung          Das Ranking reduziert die Vielfalt und Komple-      Länder sowie eine Doppelspitze. Die Schluss-
2017“ der Universität Bielefeld im quantitativen         xität der schulischen politischen Bildung auf das   lichter Bayern und Thüringen liegen sehr weit
Vergleich. Die Ergebnisse zeigen unerwartet              dafür zuständige Schulfach (Leitfach), auf dessen   unter dem Median, für politische Bildung bleibt
große Unterschiede.                                      obligatorische Stundentafelwochenstunden und        dort vergleichsweise sehr wenig Zeit. Das dritt-
                                                                                                             schlechteste Bundesland ist Rheinland-Pfalz –
                                                                                                             im Vergleich bietet Bayern nur ein Drittel der
Stundentafelquoten für politische Bildung in der Sekundarstufe I
                                                                                                             Wochenstundenanteile. Vom breiten Mittelfeld
im Schulformdurchschnitt
                                                                                                             heben sich Bremen, Brandenburg, Niedersachsen
Bayern           0,81 %                                                                                     und Nordrhein-Westfalen deutlich ab. Schleswig-
Thüringen                     1,28 %                                                                        Holstein und Hessen schneiden im Länderver-
Berlin                              1,53 %                                                                  gleich am besten ab. Mit Brandenburg findet
Rheinland-Pfalz                        1,67 %                                                               sich nur ein ostdeutsches Land in den Rängen
Hamburg                                             2,03 %                                                  der Ambitionierten und der Spitzengruppe.
Mecklenburg-Vorpommern                              2,04 %                                                     Nimmt man die Klassenstufe, in der Politik-
Sachsen                                              2,05 %
                                                                                                             unterricht beginnt, als zweiten Indikator hinzu,
Sachsen-Anhalt                                        2,08 %
                                                                                                             bleiben Bayern und Thüringen auch hier auf den
Median                                                   2,23 %
                                                                                                             letzten Plätzen (Jahrgangsstufe 10 beziehungs-
Baden-Württemberg                                            2,37 %
Saarland                                                           2,62 %                                   weise 9). Nur das Saarland und Sachsen fangen
Brandenburg                                                                 2,93 %                          vergleichsweise spät mit Politik im Unterricht
Niedersachsen                                                                 3,01 %                        an. Bildungspolitisch zeigt das Ranking für das
Bremen                                                                         3,06 %                       Gymnasium, dass die Bundesländer weit von
Hessen                                                                                  3,60 %              einer gemeinsamen Vorstellung entfernt sind,
Nordrhein-Westfalen                                                                      3,63 %             welche Wertschätzung dem Leitfach der politi-
Schleswig-Holstein                                                                             3,88 %       schen Bildung in der gymnasialen Stundentafel
Quelle:  eigene Berechnung, Illustration: karetniy / shutterstock.com                                        zukommen soll.
nds 4-2018 11

                                                                                                                                   regierungen für die politische Bildung in Schulen
                                                                                                                                   sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Die poli-
                                                                                                                                   tische Bildung von Kindern und Jugendlichen in
                                                                                                                                   der Schule ist für Demokratie und Gesellschaft
                                                                                                                                   hochrelevant. Das weisen internationale Ver-
                                                                                                                                   gleichsstudien wie die „International Civic and
                                                                                                                                   Citizenship Education Study 2016“ nach – an
                                                                                                                                   der Deutschland mit Ausnahme von Nordrhein-
                                                                                                                                   Westfalen nicht teilgenommen hat. Bei 19 von
                                                                                                                                   24 Ländern existiert ein statistisch signifikanter

                                                                                                    Foto: iStock.com / skynesher
                                                                                                                                   positiver Zusammenhang zwischen einem of-
                                                                                                                                   fenen Diskussionsklima im Unterricht und der
                                                                                                                                   erwarteten bürgerschaftlichen Partizipation.
                                                                                                                                   Diskussionsklima und Interesse der Lernenden
                                                                                                                                   an gesellschaftlichen und politischen Themen
                                                                                                                                   verstärken sich wechselseitig. Politisches Wissen
                                                                                                                                   aus dem Unterricht fördert gesellschaftlich-
                                                                                                                                   politisches Interesse, insbesondere bei Lernenden
Nordrhein-Westfalen zählt schulform-                  die Stundenplanung der Schulen, nicht aber die
                                                                                                                                   mit niedrigerem sozioökonomischem Status.
übergreifend zur Spitzengruppe                        Praxis der politischen Bildung wiedergeben. Sie
                                                                                                                                   Neben dem Politikunterricht kommt es auf Er-
    Für die gesamte Sekundarstufe I gehören           können deren Qualität nicht erfassen.
                                                                                                                                   fahrungen echter und relevanter Mitbestimmung
wieder Bayern, Thüringen und Rheinland-Pfalz          Politikunterricht in der Schulpraxis ist                                     in der demokratischen Schule an.
zu den Schlechtesten, Berlin kommt hinzu (siehe       abhängig von Lehrkräften                                                         Angesichts dieser belegten Zusammenhänge
Abbildung). Unterdurchschnittlich bleiben Ham-                                                                                     ist die bildungspolitische Geringschätzung der
                                                         In der Praxis entscheiden Schulleitungen
burg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und             über Platzierung und Stundenumfang von Schul-                                politischen Bildung höchst fahrlässig, sie ver-
Sachsen-Anhalt. Das Mittelfeld bilden Baden-          fächern in Stundenplänen. Fachkonferenzen                                    nachlässigt die Sicherung der Grundlagen für
Württemberg und das Saarland. Die Gruppe              und Lehrkräfte bestimmen über die Umsetzung                                  Demokratie in Politik und Gesellschaft. Eine
der Ambitionierten besteht aus Brandenburg,           von Lehrplänen in Unterricht. Damit kann es                                  Bildungsgewerkschaft sollte deshalb nicht müde
Niedersachsen und Bremen. Die Bundesländer            mehrfach zu Diskrepanzen zwischen Vorgaben                                   werden, hier einen Politikwechsel zugunsten
Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-            und Realität kommen. Das Leitfach kann also                                  politischer Bildung und einer demokratischen
Holstein bilden die Spitzengruppe bei den             gar nicht, kürzer oder später als vorgesehen, mit                            Schule zu fordern. //
Stundentafelquoten.                                   abweichenden Inhalten oder von fachfremden
    Die Ergebnisse des Vergleichs kann man            Lehrkräften unterrichtet werden. Das kommt
als Hinweise auf Kulturen der politischen Bil-        beim Fach „Politik“ sehr häufig vor, zum Beispiel                                     Mahir Gökbudak, Prof. Dr. Reinhold
dung in Schulen interpretieren. Die Kultur der        in NRW. Auch scheint der fachspezifische Unter-                                       Hedtke: Ranking Politische Bildung 2017
                                                                                                                                   PDF
Vernachlässigung – in Bayern und Thüringen            richtsausfall überdurchschnittlich hoch zu sein.                                      www.tinyurl.com/ranking-politik
muss man wohl eher von Marginalisierung                  Wenn ein Land im Bundesvergleich relativ gut                              www.     Mahir Gökbudak, Prof. Dr. Reinhold
sprechen – bewertet das Leitfach der politischen                                                                                            Hedtke: Politische Bildung: 17 Minuten
                                                      abschneidet, heißt das noch lange nicht, dass
                                                                                                                                            Politik, 20 Sekunden Redezeit (nds 2-2018)
Bildung als deutlich weniger wichtig als andere       die politische Bildung dort in der Schulpraxis gut                                    www.tinyurl.com/politik-bildung
Schulfächer. Gemessen an der Stundentafel-            aufgestellt ist. Auch dafür sind Länderstudien                                        Mahir Gökbudak, Prof. Dr. Reinhold
quote praktiziert ein Viertel der Bundesländer        notwendig. Bei den im Ranking nach Stunden-                                  PDF      Hedtke: Politische Bildung: 17 Minuten
eine Vernachlässigungskultur. In der Kultur der       tafelquoten vergleichsweise gut rangierenden                                          Politik, 20 Sekunden Redezeit. Daten zum
                                                                                                                                            Politikunterricht in der Sekundarstufe I in
Mittelmäßigkeit steht die politische Bildung          Ländern kann die Realität durchaus deutlich bis                                       Nordrhein-Westfalen
im Ländervergleich weder gut noch schlecht            dramatisch schlechter ausfallen. Das illustriert                                      www.tinyurl.com/17-sekunden-politik
da. Dagegen erhält die schulische politische          der Fall Schleswig-Holstein. Die Stundentafel
Bildung in der Anerkennungskultur, die in etwa        definiert keine Mindeststundenzahl für „Welt-
einem guten Drittel der Länder herrscht, deutlich                                                                                                 Mahir Gökbudak
                                                      kunde“ oder „Wirtschaft / Politik“. Die Schulen
                                                                                                                                                  Lehrer im Hochschuldienst an der
überdurchschnittliche Stundentafelanteile.            können sogar entscheiden, das Fach gar nicht
                                                                                                                                                  Fakultät für Soziologie der Universität
    Ob die Unterscheidung von drei Kulturen poli-     auf den Stundenplan zu setzen. Dann kommt                                                   Bielefeld (AG „Didaktik der Sozialwis-
tischer Bildung trägt, ob sie länderspezifisch oder   politische Bildung nur in der Stundentafel                                                  senschaften“)
nur zufällige Ergebnisse von Politik sind, müs-       vor. Trotzdem bleibt der Stundentafelanteil
sen Länderstudien zeigen. Stundentafelquoten          ein bildungspolitisch hochrelevanter Indika-                                                Prof. Dr. Reinhold Hedtke
bieten einerseits Klarheit und Vergleichbarkeit.      tor. Er belegt die relative Bedeutung, die die                                              Professur für Wirtschaftssoziologie
                                                                                                                                                  und Didaktik der Sozialwissenschaf-
Andererseits haben sie den Nachteil, dass sie         Bildungspolitik eines Landes dem Leitfach der
                                                                                                                                                  ten an der Universität Bielefeld
nur den kodifizierten bildungspolitischen Willen,     politischen Bildung zumisst. Er weist nach, dass
die in Ziffern gegossene normative Vorgabe für        das bildungspolitische Engagement der Landes-
Foto: kallejipp / photocase.de
12 BILDUNG

Sekundarschule Olpe kooperiert mit Uni Siegen

Mathematik zum Anfassen

Seit Beginn des Schuljahrs sind im                  Schüler. „Ich bin eure Gebrauchsanweisung“, sagt     ein eigenes Gerät angeschafft. Sie setzt auf
Matheunterricht an der Sekundar-                    Felicitas Pielsticker schmunzelnd und erklärt,       Zukunftstechnologien, die den Schüler*innen
schule in Olpe 3-D-Drucker im Einsatz.              wie die Rechenbefehle eingegeben werden              später in der Wirtschaft begegnen werden. Für
Das Modellprojekt bringt spannende                  müssen. Sie begleitet den Matheunterricht der        Schulleiterin Claudia Limper-Stracke geht es um
Erkenntnisse – für Schüler*innen und                Fachlehrerin und untersucht in ihrer Dissertation,   die Integration neuer Medien in den Alltag. Ihr
Wissenschaftler*innen.                              wie sich neue Medien sinnvoll in den Unterricht      Credo: „Innovative Ansätze ermöglichen und
                                                    einbinden lassen. Die Sekundarschule Olpe und        offen sein für das, was möglich ist.“ Die Koo-
   Die Klasse sieht aus wie eine Mischung aus       der Bereich Didaktik der Mathematik der Uni          peration mit den Wissenschaftler*innen sieht
Fernsehstudio und Versuchslabor: Kabel, Kame-       Siegen kooperieren seit Beginn des Schuljahrs.       sie als Bereicherung des Schullebens. „Das hat
ras und kleine quaderförmige Geräte. Nebenan,          Und die Schüler*innen? Die gehen voll mit.        Neugier geweckt“, sagt sie. Und das nicht nur
im Differenzierungsraum der Klasse 8 A, qualmen     „Wir haben erst einmal erzählt, was wir vorha-       bei den Schüler*innen.
die Köpfe. Die Sekundarschüler*innen in Olpe
                                                    ben. Die Schüler wollten sofort wissen, wie es       Hochschule Siegen fördert den
sind zugleich Testpersonen und Pionier*innen.
                                                    funktioniert“, schildert die Doktorandin den Start   Austausch mit Schulen
   Vier Schüler, die ihre Arbeitsaufgaben schon
                                                    zu Beginn des Schuljahrs. „Die Begeisterung
erledigt haben, versuchen eine Funktionsglei-                                                               Auf der anderen Seite freuen sich die
                                                    hält seit Oktober an“, bilanziert sie und findet
chung als 3-D-Modell darzustellen. Aus einem                                                             Wissenschaftler*innen, mit der Olper Schule
                                                    es „spannend zu sehen, wie die Schüler sich          eine aufgeschlossene Partnerin mit guter Aus-
Strich im Koordinatensystem soll Mathematik
                                                    entwickeln.“ Die Kameras in der Klasse, die die      stattung und Lernatmosphäre zu haben. Hier
zum Anfassen werden: ein gedruckter Graph.
                                                    Diskussion und Arbeitsweise in der Klasse doku-      können sie ihre Ideen in der Praxis testen und
Mit neuen Medien, in diesem Fall 3-D-Druckern,
                                                    mentieren, die Suche nach Lösungen festhalten,       weiterentwickeln. Mit dem Projekt an der Se-
will Mathelehrerin Birgitta Marx gemeinsam
                                                    stören die Schüler*innen nicht. Die gehören für      kundarschule will Mathedidaktiker Ingo Witzke
mit Forscher*innen der Uni Siegen alten Stoff
                                                    sie schon zum Alltag. Die Jugendlichen rücken        feststellen, ob sich über einen längeren Zeitraum
in neuer Form vermitteln.
                                                    sie für die Aufzeichnung ihrer Lernschritte selbst   etwas verändert. Auf einer Forschungsreise in
Sekundarschule Olpe setzt auf Zukunfts-             in die richtige Position. „Die Schüler haben es      den USA hatte er gesehen, was man mit neuer
technologien im Unterricht                          zu ihrem Projekt gemacht. Sie sehen sich als         Technik machen könne. Über eine Studentin, die
    In Zweierteams tippen die Schüler Zahlen        Experten für 3-D-Drucker“, sagt Felicitas Piel-      in der Sekundarschule ihr Praktikum absolvierte,
in den Computer. Nichts passiert. Was tun?          sticker und lobt das Engagement: „Sie sehen          und Mathelehrerin Birgitta Marx, war 2017 der
Die Jungs diskutieren und probieren. „Macht         an den Geräten, was technisch möglich ist und        Kontakt nach Olpe zustande gekommen. Er
mal die Werte größer“, rät Felicitas Pielsticker,   probieren es aus.“ Dabei decken auch sie Fehler      mündete schnell und pragmatisch – wie alle
die Doktorandin an der Uni Siegen ist. Der          auf. „Die Programme sind noch nicht perfekt,         Beteiligten betonen – in dem 3-D-Drucker-Projekt.
Graph taucht jetzt über einem kleinen Winkel        die Schüler finden die Lücken“, beobachtet              Der Hochschullehrer sieht die Kooperation,
als gelbe Linie auf dem Bildschirm auf. Fast        Projektleiter Prof. Dr. Ingo Witzke bei seinen       die über das derzeitige Projekt hinausgehen soll,
geschafft. Jetzt müssen nur noch die Daten          Unterrichtsbesuchen.                                 als gute Möglichkeit, „Kontakte in die Schule zu
für den 3-D-Drucker aufbereitet werden. „Wo            Zwei Drucker haben die Forscher*innen aus         bekommen“. Das fördere den Austausch und sei
ist die Gebrauchsanweisung?“, fragt einer der       Siegen mitgebracht. Die Schule hat inzwischen        auch gut für die Schüler*innen, die von neuen
nds 4-2018 13

Erkenntnissen profitieren könnten. „Die Idee,
dass man etwas produziert, fasziniert immer                  Nachgefragt                                            Das Projekt war darauf ausgerichtet, einen Mehr-
                                                                                                                    wert hinsichtlich der mathematischen Wissens-
noch“, sagt Ingo Witzke. Mit dem ausgedruck-                                                                        entwicklung zu erzielen. Die Arbeit mit den
ten Graphen halte man das Wissen quasi in                                                                           Schüler*innen führt auch zum Austausch über ihr
                                                                              Prof. Dr. Ingo Witzke                 Mediennutzungsverhalten. Dabei zeigt sich häu-
Händen. Bisher seien Funktionen in Büchern
                                                                              Projektleiter und geschäftsfüh-       fig ein mangelndes Bewusstsein für Datenschutz
nur als Bild zu sehen. Was über verschiedene
                                                                              render Direktor des Instituts für     oder Werbung im Netz. Die Arbeit mit dem neuen
Kanäle erfasst wird, bleibt auch besser hängen,                               Mathematikdidaktik an der Uni         Medium schafft eine Vielzahl von Anlässen dafür,
verweist der Wissenschaftler auf lerntheore-                                  Siegen                                mit den Kindern an realistischen Anwendungssze-
tische Erkenntnisse. Dabei sei die neue Methode                                                                     narien über den kritischen Umgang mit digitalen
                                                             nds: Den Sekundarschüler*innen macht die Ar-           Medien zu sprechen und sie für die Gefahren zu
nicht nur etwas für Computerfreaks. Profitieren              beit mit dem 3-D-Drucker offenbar Spaß. Bleibt         sensibilisieren.
könnten Kinder, die haptisch veranlagt sind.                 dadurch mehr Wissen hängen?
                                                                                                                    Der Aufwand bei dem Projekt an der Sekundar-
Auch Förderschüler*innen erhielten unbelastet                Ingo Witzke: Indikatoren wie Lerntagebücher der
                                                                                                                    schule in Olpe ist groß – technisch, logistisch und
einen neuen Zugang zur Mathematik, weil es                   Schüler*innen, Klassenarbeiten und Lernstanderhe-
                                                                                                                    personell. Wie können Schulen das umsetzen?
                                                             bungen weisen in die richtige Richtung. Begrifflich
auch für sie ein Neustart sei.                                                                                      Das ist ein wichtiger Punkt, wobei wir von Anfang
                                                             erscheinen uns die Kinder weiter als Schüler*innen
    Schulleiterin Claudia Limper-Stracke sieht               gleicher Schulstufen. Zudem stellen wir ein hohes      an die Übertragbarkeit auf andere Schulen im Blick
das Projekt zudem als einen Mosaikstein, die                 Maß an Motivation für das Fach Mathematik fest.        hatten. Den anfangs hohen Aufwand zur Unter-
                                                             Der Unterricht ist weniger kalkülorientiert und mehr   stützung haben wir sukzessive zurückgefahren. Wir
Schüler*innen auf ihr späteres Berufsleben                                                                          beobachten, wie die Lehrerin das Thema mit der
                                                             auf begrifflich-inhaltliches fokussiert. Das scheint
vorzubereiten. In den südwestfälischen Indus-                                                                       Klasse nun weitgehend selbstständig mit großem
                                                             allen Beteiligten viel Spaß zu machen und führt
triebetrieben hat die Digitalisierung längst                 nach unserer Einschätzung zu einem tiefen, tragfä-     Erfolg bearbeitet. Man braucht eine an aktuellen
Einzug gehalten. Mit den 3-D-Druckern will                   higen mathematischen Verständnis.                      Lehr- und Lernfeldern interessierte Lehrkraft, die be-
                                                                                                                    reit ist, sich in das neue Thema einzuarbeiten und
die Sekundarschule die neuen Medien in den                   Wo liegt der Kompetenzgewinn für die Schüle-           fortzubilden, technischen Support an der Schule
Unterricht integrieren. Auch wenn der Umgang                 r*innen, auch mit Blick auf die Herausforde-           und finanzielle Mittel, um Schulen mit neuer Tech-
mit dem 3-D-Drucker Neugier über die Klasse                  rungen der Digitalisierung?                            nik ausstatten zu können.
hinaus geweckt hat, kommt es ihr auf Nach-
haltigkeit an. Mit kooperierenden Firmen auf
                                                          praxisorientierte Anleitungen für Fachkräfte              mehr Spaß“. Elisa, 14 Jahre alt, findet „es viel
diesem Weg weiterzugehen, könnte sie sich
                                                          an Schulen und Hochschulen vorliegen. Ingo                interessanter und einen Ansporn, Aufgaben
als nächsten Schritt vorstellen. Wichtig ist ihr
                                                          Witzke: „Die Idee ist, dass Studierende eng               schneller und sorgfältiger zu erledigen“. Und
zudem, dass die Eltern sehen, „dass ihre Schüler
                                                          begleitet durch uns didaktisch sinnvolle und              „weil man mit dem Druck etwas in der Hand hat,
gut gefördert werden“.
                                                          bedarfsgerechte Unterrichtseinheiten entwickeln,          kann man sich die Sache besser vorstellen“. Fach-
    Für Wissenschaftler Ingo Witzke ist die Inte-
                                                          die dann in Schulen eingesetzt und beforscht              lehrerin Birgitta Marx, die ihre Schüler*innen
gration der neuen Technik in den Unterricht die
                                                                                                                    für die MINT-Fächer begeistern will, sieht das
Herausforderung. Nur schnelles Internet und der           werden.“ Aufschluss darüber, was mit den Dru-
                                                                                                                    Projekt auf einem guten Weg: „Die Schüler sind
Ruf nach Digitalisierung reichen ihm nicht. Es            ckern möglich ist, soll das Projekt in Olpe geben.
                                                                                                                    sehr konzentriert“, bilanziert sie ein halbes Jahr
brauche für den Umgang mit neuen Medien
                                                          Schüler*innen sind motivierter und                        nach Einführung des neuen Unterrichts. Die
auch Konzepte. Das gelte für Smartboards in
                                                          verbessern ihre Noten                                     Sekundarschüler*innen arbeiten selbstständig
den Klassen ebenso wie für die neuen Dru-
                                                             Für den 13-jährigen Timo ist es eine „inte-            an Aufgaben „und sind ganz stolz auf ihre Ergeb-
cker. Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und
                                                          ressante Abwechslung. Man hat gedrucktes                  nisse“. Die Unterrichtsvorbereitung sei einerseits
Seminare für Mathematikstudent*innen sind
                                                                                                                    schon aufwendig, sagt sie. Andererseits hat sie
bereits terminiert und finden noch in diesem              Material, das veranschaulicht“. Für ihn ist klar,
                                                                                                                    aber „nie so oft im Unterricht gehört, dass es
Jahr Eingang in das Lehrangebot. 2019 sollen              Mathe mit dem 3-D-Drucker „macht sehr viel
                                                                                                                    Spaß macht“. Die neue Lust am alten Fach wirkt
                                                                                                                    sich auch leistungssteigernd aus. Im Schnitt um
                                                                                                                    eine Notenstufe haben sich die Schüler*innen
                                                                                                                    der 8 A im ersten Halbjahr verbessert. //

                                                                                                                    www.      Universität Siegen: MINTUS-digital
                                                                                                                              www.tinyurl.com/digital-mint
                                                                                                                    www.      Sekundarschule Olpe
                                                                                                                              www.sekundarschule-olpe.de

                                                                                                                                     Rüdiger Kahlke
                                                                                                                                     freier Journalist

Der 3-D-Drucker begeistert die Schüler*innen an der Sekundarschule in Olpe. Das Gerät verwandelt komplexe Rech-
nungen in dreidimensionale Gebilde.                                                            Fotos: R. Kahlke
Foto: mosaiko / photocase.de
14 BILDUNG

Gesetzentwurf zu G9

Koalitionsvertrag weichgespült
G8 oder G9? Vor dieser Frage stehen nun viele Gymnasien in NRW. Im Gesetz-                                Neu im Gesetzentwurf der Landesregierung
entwurf stehen aus Sicht der GEW NRW viele richtige Entscheidungen. Deshalb                               ist der Vorschlag, das Schulgesetz in § 52 so
sollten Schulleiter*innen und -träger*innen aufpassen und die versteckten                                 zu ändern, dass es die Möglichkeit gibt, in der
Angebote der Landesregierung nutzen.                                                                      Ausbildungs- und Prüfungsordnung die „Verset-
                                                                                                          zung und die Vorversetzung einschließlich der
    Wer die Wahlkampfaussagen von CDU und             Abkopplung des Gymnasiums                           Bildung besonderer Lerngruppen“ zu regeln. In
FDP, den NRW-Koalitionsvertrag, den Referen-          weitgehend beendet                                  dem Papier der neun Verbände wurde die Ein-
tenentwurf für das G9-Gesetz und den jetzt               Die nun gescheiterte schwarz-gelbe Vari-         richtung einer institutionalisierten Überholspur
diskutierten Gesetzentwurf der Landesregierung        ante der Schulzeitverkürzung aus dem Jahr           im neuen G9-Gymnasium gefordert. Hier gilt es
miteinander vergleicht, stellt fest: Sinnvoll wa-     2006 koppelte das Gymnasium durch eine fünf-        jetzt, für eine gute Ausgestaltung einzutreten.
ren die G8-Option und die Wahlmöglichkeit             jährige Sekundarstufe I nur am Gymnasium            Dann ist G8 zur Profilbildung obsolet.
für Gymnasien nie. Politisch gewollt sind sie         von den anderen Schulformen ab. Unsinnig,           Schlechte Vorgaben gut umgesetzt
offenbar auch nicht mehr. Schulträger*innen           aber nicht selten begrüßt von denjenigen, die
                                                                                                             Man könnte nun in der Schmollecke stehen
und Schulkonferenzen sollten deshalb genau            ein Alleinstellungsmerkmal des Gymnasiums
                                                                                                          bleiben: Das Optionsmodell ist nicht völlig vom
lesen, bevor sie sich für eins der beiden Modelle     für zwingend nötig halten. In den zentralen
                                                                                                          Tisch. Auf Jahre hinaus werden zwei Subtypen mit
entscheiden.                                          Fragen der Stundentafel, des Beginns der zweiten
                                                                                                          eigenen Richtlinien und Lehrplänen existieren.
    Natürlich muss es aus Sicht der GEW NRW bei       Fremdsprache, der Abschlüsse in Klasse 10 und
                                                                                                          Immer wieder wird es Aufregung geben, wenn
der grundsätzlichen Kritik bleiben: Die G8-Option     des Verfahrens am Ende der Klasse 10, das eine
                                                                                                          eine Umwandlung oder gar eine (private) Neu-
und die Wahlmöglichkeit sind schulpolitisch           Prüfung mit landeseinheitlichen Aufgaben für
                                                                                                          gründung ansteht. Kann man machen.
falsch. Die Kritik, die die Bildungsgewerkschaft      alle vorsieht, wird das neunjährige Gymnasium
                                                                                                             Es scheint jedoch klüger zu sein, die Mög-
gemeinsam mit zwei kommunalen Spitzenverbän-          künftig den anderen Schulformen der Sekun-
                                                                                                          lichkeiten offensiv zu nutzen, die die Landes-
den, den beiden Direktorenvereinigungen, der          darstufe I weitgehend gleichgestellt. Gut so.
                                                                                                          regierung bieten will, um G8-Gymnasien zu
Landeselternkonferenz, der Landeselternschaft            Die Landesregierung möchte es offenbar
                                                                                                          vermeiden. Sei es durch die Handlungsmög-
der Gymnasien sowie dem VBE NRW und dem               Schulträger*innen leichter machen, Beschlüsse
                                                                                                          lichkeiten für Schulträger*innen oder durch
DGB NRW im Dezember 2017 formuliert hat,              von Gymnasien, bei G8 zu bleiben, nicht umzu-
                                                                                                          eine kluge Ausgestaltung der Überholspur.
ist nach wie vor richtig. Alle treten für eine kon-   setzen. War im Referentenentwurf noch davon         Das Fazit lautet: Der Gesetzentwurf spült den
sequente Wiedereinführung der neunjährigen            die Rede, dass Schulträger*innen nur in Aus-        Koalitionsvertrag weich. Mehr war bei den partei-
Gymnasialzeit in NRW ein. Deshalb lehnen sie die      nahmefällen zwingende Gründe der Schulent-          politischen Vorgaben wohl nicht drin. Nun muss
                                                      wicklungsplanung anführen können, die der           die NRW-Landesregierung nur noch zu ihrem
Möglichkeit zum Verbleib im bisherigen System
                                                      Umsetzung entgegenstehen, ist nun schlicht          Versprechen stehen, Mustercurricula zu erarbei-
ebenso ab wie die Option zur Neugründung
                                                      formuliert: „Der Schulträger kann entscheiden,      ten, damit nicht an jeder Schule das Rad neu
von G8-Gymnasien oder die Idee zum späteren
                                                      dass dem Beschluss der Schulkonferenz Gründe        erfunden werden muss. //
Systemwechsel.
                                                      der Schulentwicklungsplanung entgegenstehen.“
    Zu einer grundsätzlichen Kehrtwende und
der Abkehr vom Optionsmodell hat die Kraft            Überholspur ist möglich
der Landesregierung offenbar gefehlt. Ärgerlich          Zu hoffen ist, dass die Kollegien der wenigen                  Michael Schulte
ist auch, dass sie nahezu starrsinnig auf den         Gymnasien, die zum Beispiel aus Gründen der                       Geschäftsführer der GEW NRW
Punkt beharrt, dass das Halbtagsgymnasium             Profilbildung derzeit erwägen, bei G8 zu bleiben,
(wieder) möglich sein müsse. Das werden die           sehr genau lesen, was nun zur Schulzeitverkür-
Eltern schon richten.                                 zung im neunjährigen Gymnasium geplant ist.
LESER*INNENBRIEFE                                                                                                                                                                                                                                                                                                      nds 4-2018 15

                                                       11/12-2017                                                                                                               1-2018
                                                                                                                                                                                                                                                                Betr.: nds 1-2018, OGS – Mehr Geld
                                                                                                  Arbeiten und Studieren an der FH                                                                                         Philosophieren in der Grundschule
                                                                                                  Im Gespräch: Aladin El-Mafaalani                                                                                         Kein Podium für Faschismus
                                                                                                  Ideen für die Bildungsregion Ruhr
                                                                                                  Klassenräume inklusiv gestalten
                                                                                                  Gewerkschaftsarbeit in den USA
                                                                                                                                                                                                                           Konsequent zu G9 zurückkehren!
                                                                                                                                                                                                                           Medienpass NRW: Was ist neu?
                                                                                                                                                                                                                           Tarifrunde: Es geht um unser Geld!
                                                                                                                                                                                                                                                                   Über die „notwendige Rhythmisierung des Vor- und Nachmittagsbe-
                                                       DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT   A 13 Z für alle endlich umsetzen!                                             DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT   GEW NRW gegen Lehrkräftemangel

                                                                                                                                                                                                                                                                reiches“, die in der Nachricht „OGS – Mehr Geld“ postuliert wird, kann ich
                                                                                                                                                                                                                                                                nur staunen. In vielen beruflichen Bereichen reden wir von Flexibilisierung
                                                                                                                                                                                                                                                                der Arbeitszeit und des Arbeitsorts, aber Kinder sollen bitte mit sechs Jahren
                                                                                                                                                                                                                                                                mindestens sieben Stunden täglich in großen Gruppen beschäftigt sein.
69. Jahrgang November / Dezember 2017 ISSN 0720-9673

                                                                                                                                                                                                                                                                   Als Mutter eines siebenjährigen Sohns kann ich die Haltung der GEW
                                                                                                                                      70. Jahrgang Januar 2018 ISSN 0720-9673

                                                                                                                                                                                                                                                                NRW bezüglich der flexibleren OGS-Zeiten nicht teilen. Für mich sollte
                                                                                                   Digitalisierung
                                                                                                        in Schule?
                                                                                                                                                                                                                      Für neue Aussichten:                      eine Bildungsgewerkschaft auch diejenigen Familien vertreten, die
                                                                                                                                                                                                                     Zweiter Bildungsweg.
                                                                                                     Aber sicher!
                                                                                                                                                                                                                                                                Betreuung in Anspruch nehmen, aber auch ihre Freizeit selber gestalten
                                                                                                                                      K 5141
K 5141

                                                                                                                                                                                                                                                                wollen. Unser Sohn spielt noch sehr frei. Er muss bis 15 Uhr in der OGS
                                                                                                                                                                                                                                                                bleiben. Leider ist er dann aufgrund seiner individuellen Situation fast
                                                                                                                                                                                                                                                                nie mit den Hausaufgaben fertig. Er muss also, wenn wir um 15.30 Uhr
                                                                                                                                                                                                                                                                zu Hause sind, noch 30 Minuten Hausaufgaben machen.Neben kleinen
                                                                                                                                                                                                                                                                anderen Pflichten bleiben ihm noch etwas mehr als ZWEI Stunden Freizeit
                                                                                                                                                                                                                                                                zum selbstbestimmten Spiel bis zum Abendbrot. Diese Zeit finde ich für
Betr.: nds 11/12-2017, Streikrecht für Beamt*innen –                                                                                                                                                                                                            einen Siebenjährigen knapp bemessen. Ach ja, wenn eine AG oder Sport
Gerichtliche Auseinandersetzung geht weiter                                                                                                                                                                                                                     ansteht, reduziert sich diese freie Zeit auf EINE Stunde am Tag. Im Hort
    Immer wieder propagiert die GEW in ihren Publikationsorganen das                                                                                                                                                                                            früher gab es auch Strukturen – obwohl die Kinder individuell abgeholt
Streikrecht für Lehrkräfte unter Berufung auf einen Spruch des Europäischen                                                                                                                                                                                     werden konnten, wenn es für die Familie günstig war!
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Ich vermisse hier dringend eine                                                                                                                                                                                            Wem dient die Haltung der GEW NRW? Familienorientiert ist sie nicht!
ausgewogene Information in der nds, die die Nachteile eines solchen                                                                                                                                                                                             Die pädagogischen Konzepte sollten sich den Bedürfnissen der Familien
Rechts auch einmal klar benennt. So verschweigt die GEW wesentliche                                                                                                                                                                                             anpassen, nicht umgekehrt.                                    Regina Köhler
Passagen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar
2014 (Aktenzeichen: 2C 1.13) – warum eigentlich? In diesem Urteil werden
mögliche Folgen einer Statusdifferenzierung zwischen Beamt*innen im
hoheitlichen Bereich – zum Beispiel Polizist*innen ohne Streikrecht – und
im nicht hoheitlichen Bereich – Lehrer*innen mit Streikrecht – angedeutet.
Das wären: Änderungen günstiger Regelungen im Besoldungsbereich,                                                                                                                                                                                                Betr.: nds 1-2018, Gewerkschaftstag 2017 – Lehrkräftemangel
die Aufgabe oder Einschränkung des lebenslangen Alimentationsprinzips                                                                                                                                                                                           in NRW – Sozial selektiv und bildungsfeindlich
oder – falls der Gesetzgeber nicht zwischen „vollwertigen“ hoheitlichen                                                                                                                                                                                            Wenn der Autor in diesem Artikel ausführt, dass der Lehrkräftemangel
und „minderwertigen“ nicht hoheitlichen Beamt*innen unterscheiden                                                                                                                                                                                               zunehmend die Bildungsqualität in Nordrhein-Westfalen bedrohe und
will – die zukünftige Einstellung von Lehrkräften ausschließlich als Ta-                                                                                                                                                                                        zudem die soziale Ungleichheit an den Schulen verstärke, dann „springt“
rifbeschäftigte. Wer will das?                                                                                                                                                                                                                                  er deutlich zu kurz.
    Die GEW vermittelt den völlig absurden Eindruck, dass die Vorteile                                                                                                                                                                                             Im schulscharfen Lehrkräfteeinstellungsverfahren findet der Mangel an
der Beamt*innen beim Kündigungsschutz, bei der Besoldung, bei der                                                                                                                                                                                               Lehrkräften seine Manifestation. Während auf manche Stellenausschrei-
Krankenversicherung und bei der Versorgung erhalten bleiben können und                                                                                                                                                                                          bungen bis zu 60 und mehr Bewerbungen eingehen, laufen andere Stellen
sie im Bereich der dann nicht mehr voll hoheitlichen Schulbeamt*innen                                                                                                                                                                                           leer und dies mehrfach hintereinander. Es heißt dann, der Lehrkräftemarkt
sogar noch durch ein Streikrecht ausgeweitet werden könnten. Das ist                                                                                                                                                                                            sei leer gefegt. Diese Formulierung verweist auf einen weitergehenden
Desinformation. Das ist sogar irre. Diese Entwicklung ist beim Erstreiten                                                                                                                                                                                       Ansatz zur Analyse der Situation.
eines Streikrechts durch das oben genannte Urteil vorhersehbar und                                                                                                                                                                                                 Seit Mitte der 1990er Jahre wurde im Rahmen der zunehmenden
es ist mit den Interessen der werdenden und der bereits verbeamteten                                                                                                                                                                                            Ökonomisierung der Bildung mit dem Personalmanagement ein weiteres
Lehrkräfte unvereinbar. Es gibt nur zwei Parteien, die von diesem GEW-                                                                                                                                                                                          Steuerungsinstrument im Schulbereich etabliert. Durch das schulscharfe
Projekt profitieren:                                                                                                                                                                                                                                            Lehrkräfteeinstellungsverfahren ist ein (Quasi-)Arbeitsmarkt für Lehrkräfte
    Erstens: die GEW, da es dann entweder mehr tarifbeschäftigte Lehrkräfte                                                                                                                                                                                     entstanden. Die dort wirkenden Mechanismen führten auch ohne eklatanten
gibt oder mehr verbeamtete Lehrkräfte im weniger abgesicherten Status                                                                                                                                                                                           Lehrkräftemangel schon immer dazu, dass vor allem Haupt- und Realschulen,
des „nicht hoheitlichen Beamt*innen“. Das erhöht den potenziellen Mit-                                                                                                                                                                                          teilweise Gesamtschulen und nun auch Sekundarschulen Schwierigkeiten
gliederpool beträchtlich. Je schwächer die Position der Arbeitnehmer*innen                                                                                                                                                                                      hatten, Lehrkräfte über das Auswahlverfahren einzustellen. Schul-
ist, desto mehr brauchen sie eine „Interessenvertretung“.                                                                                                                                                                                                       formen wie das Gymnasium, die in den Augen vieler Bewerber*innen
    Zweitens: die Arbeitgeber*innen. Denn wenn sie eine Möglichkeit                                                                                                                                                                                             attraktiv sind, haben hier weitaus geringere Probleme. Bewerber*innen
finden, beamtete Lehrkräfte in einen nicht mehr voll hoheitlichen Status                                                                                                                                                                                        bevorzugen „gute“ Schulen einer „attraktiven“ Schulform an einem
zu überführen und dafür zum Beispiel den Versorgungssatz für Pensionen                                                                                                                                                                                          ebensolchen Standort. Wer hier Abhilfe schaffen will, muss nicht nur
etwas absenken – es muss ja nicht gleich der Satz der gesetzlichen Rente                                                                                                                                                                                        „die Aussetzung des sogenannten schulscharfen Einstellungsverfahrens
sein –, werden sie sicher nicht zögern. Das wäre ein toller Beitrag zur                                                                                                                                                                                         für Grundschulen zunächst befristet auf drei Jahre“ fordern, sondern das
Lösung von Versorgungsproblemen durch den demografischen Wandel.                                                                                                                                                                                                Verfahren – verstanden als Baustein der Ökonomisierung der Bildung –
Und wer hat dafür gesorgt? Die GEW.                    Herbert Sommerfeld                                                                                                                                                                                      grundsätzlich infrage stellen.                            Norbert Arnold
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