PRIMARY AND HOSPITAL CARE
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Offizielles Organ Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin | Haus- und Kinderärzte Schweiz | Kollegium für Hausarztmedizin PRIMARY AND HOSPITAL CARE Die Zeitschrift für Allgemeine Innere Medizin in Hausarztpraxis und Spital Ausgabe 1 11. Januar 2023 24 Therapie bei muskulo- skelettalen Schmerzen Dominic Müller, Barbara Keller, Asha-Naima Ferrante, et al. 16 Assistenzärztinnen und 28 Atopische Dermatitis 31 Häufige Stürze mit -ärzte in der Pädiatrie und infantile Hämangiome sehr seltener Ursache Julian Jakob, Geschäftsstelle pädiatrie Stefanie Häfliger Aferdita Reci, Thomas Demirdag schweiz, PublishedSonja under theLüer, Christoph copyright Aebi – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. license “Attribution See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):3 | 10.4414/phc-d.2023.10638 3 Editorial Primary and Hospital Care geht mit der Zeit Zuallererst: Zum Jahresbeginn 2023 wünschen liches Layout der Print-Produkte, begrenzte wir von Verlag und Redaktion Ihnen, liebe Seitenzahlen und die Zusammenlegung von Leserinnen und Leser, viel Glück, Freude und Journalen sind die Reaktionen darauf. Den Erfüllung! Das können wir alle gut brauchen, digitalen Formaten gehört die Zukunft, und denn bei allem Optimismus: Die Zukunftsaus- Fachjournale sind keine Ausnahme. Sie sehen, sichten sind etwas durchzogen. Wieder einmal. liebe Leserin, lieber Leser, auch bei uns ist vieles Kaum ist die Pandemie halbwegs überstanden, im Wandel – positiv formuliert: ein dynamisches Stefan Neuner- stehen neue Ungeheuer am Horizont: Energie- Umfeld. Jehle krise, Klimawandel, Krieg in Europa, Migrations- Chefredaktor wellen, Rezession. Die Pipeline der Zukunfts- Philosophisch interpretiert ist die Veränderung ängste ist voll. Da muten unsere Dauersorgen eine Grundbedingung und Notwendigkeit, der – der Mangel an Hausärzten und Pflegekräften Gegenpol zum Bedürfnis nach Sicherheit und und die Kostensteigerung im Gesundheitswesen – Beständigkeit, wie Heraklit (um 520–460 v.Chr.) fast schon bescheiden an. Die Folgen – gesund- schon wusste: «Nichts ist so beständig wie der heitliche Unterversorgung, unnötiges Leid – sind Wandel. Alle Dinge sind im ewigen Fluss, im hingegen auch hier dramatisch. Beim Fachkräfte- Werden, ihr Beharren ist nur Schein.» mangel in der Bildung und in der Gastronomie wird Personal im Schnellverfahren ausgebildet, Der Kern unserer medizinjournalistischen Arbeit um die Lücken zu schliessen – und aus anderen bleibt jedoch derselbe: Unsere Motivation, unser Weltregionen importiert, wo es dann fehlt. Taugt Credo, ja unsere Passion ist es, Ihnen relevante dieses Modell auch fürs Gesundheitswesen? Es ist Inhalte zu Standespolitik, Berufsbild, Forschung, bereits Realität, denn unsere gesundheitliche Lehre, Fort- und Weiterbildung zu bieten. Versorgung würde jetzt schon zusammenbrechen, wenn wir keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Lassen Sie mich zum Schluss die eingangs aus dem Ausland hätten! Zweifellos kann das nur erwähnten schrecklichen Ereignisse in Osteuropa eine Notlösung sein, und es braucht langfristig nochmals aufgreifen. Es mag scheinen, dass wir mehr Ressourcen für die Förderung des Nach- als Einzelne gerade auf den Krieg in der Ukraine wuchses, in hausärztlichen wie auch in pflegeri- keinen Einfluss haben. Vielleicht können wir aber schen Berufen. trotzdem etwas zur Linderung beitragen: ukrainischen Flüchtlingen Zugang zu unseren Wen interessiert da noch, dass Primary and Praxen ermöglichen; uns um sprachliche Verstän- Hospital Care sein Layout aufgefrischt hat? Es ist digung mit ihnen bemühen, zum Beispiel mithilfe immerhin ein Zeichen für verschiedene Entwick- von Übersetzer-Apps oder Dolmetscherinnen lungen: Der EMH-Verlag und die PHC-Redak- und Dolmetschern; innerhalb und ausserhalb tion möchten nicht bei traditionellen Formaten unserer Praxen ein offenes Ohr für die Nöte der bleiben, sondern mit der Zeit gehen und sich Flüchtlinge haben. Die Liste liesse sich noch weiterentwickeln. Das betrifft nicht nur den deutlich verlängern. leserfreundlichen optischen Auftritt, sondern auch die Digitalisierung: Vermehrt werden wir Finden Sie das jetzt zu politisch für ein Medizin- Artikel auswählen, die online anstatt auf Papier journal? Ich denke nicht, denn als Ärztinnen und Korrespondenz publiziert werden. Damit kommen wir dem Ärzte haben wir eine gesellschaftliche Mitverant- Prof. Dr. med. Stefan Neuner-Jehle Wunsch der Autorinnen und Autoren entgegen, wortung – besonders in Zeiten, die sich in eine MPH, Institut für ihre Beiträge rasch zu veröffentlichen; zudem ist ungute Richtung verändern. Hausarztmedizin Pestalozzistrasse 24 Papier eben eine knappe Ressource. Der CH-8091 Zürich Spardruck durch höhere Produktionskosten geht Stefan.Neuner-Jehle[at] usz.ch auch am EMH-Verlag nicht vorbei. Ein einheit Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
4 2023;23(1):4 | Primary and Hospital Care Inhaltsverzeichnis 14 La prise en charge gynécologique des femmes incarcérées Timea Annovazzi, Delphine Grognuz, Laura Juan-Torres, Jillian Ruggiero 16 ORIGINALARBEIT 16 Assistenzärztinnen und -ärzte in der Pädiatrie Julian Jakob, Geschäftsstelle pädiatrie schweiz, Sonja Lüer, Christoph Aebi 21 FORTBILDUNG 24 21 Von Urteilsfähigkeit und Kortison-Angst – kurze Updates aus Geriatrie und Dermatologie Céline Désirée Fäh 3 Editorial: Primary and Hospital Care geht mit der Zeit 24 Therapie bei muskuloskelettalen Schmerzen Stefan Neuner-Jehle Dominic Müller, Barbara Keller, Asha-Naima Ferrante, Caroline Rimensberger, Maurizio Alen Trippolini, 5 News: TARDOC statt Gurlitt Maria M. Wertli Jacqueline Strahm 28 Atopische Dermatitis und infantile Hämangiome 6 News: Ulrich Stoller übergibt Zepter an Jürg H. Beer Stefanie Häfliger Lars Clarfeld, Ursula Käser, Jürg H. Beer 8 Pinnwand: JHasS 12. Kongress 31 CASE REPORT 31 Häufige Stürze mit sehr seltener Ursache 9 FORSCHUNG Aferdita Reci, Thomas Demirdag 9 Soziale Lage und Spitalaufenthalte aufgrund chronischer Erkrankungen Lucy Bayer-Oglesby, Nicole Bachmann, Andrea Zum- brunn, Maria Solèr 12 LEHRE Online only: 12 Anpassungen im Medizinstudium in der Schweiz Lesen Sie online weitere Artikel unter seit der SARS-CoV-2-Pandemie https://primary-hospital-care.ch/online-magazine/ Silvana Romerio, Olivier Pasche, Arabelle Rieder list Impressum Primary and Hospital Care Autors genannt wird, das Werk nicht für kommerzielle Zwecke verwendet wird und das Werk in keiner Weise Offizielles Organ von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz, der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine bearbeitet oder in anderer Weise verändert wird. Die kommerzielle Nutzung ist nur mit ausdrücklicher vor- Innere Medizin SGAIM, von pädiatrie schweiz, des Kollegiums für Hausarztmedizin KHM, der Schweizeri- gängiger Erlaubnis von EMH und auf der Basis einer schriftlichen Vereinbarung zulässig. schen Akademie für Psychosomatische und Psychosoziale Medizin SAPPM, Jungen Hausärztinnen und -ärz- te Schweiz JHaS sowie der Swiss Young Internists SYI. Es ist Mitglied des «Committee on Publication Ethics» Verlag: EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, (COPE) und ist gelistet im «Directory of Open Access Journals» (DOAJ), womit es die Vorgabe des SIWF an Tel. +41 61 467 85 55, www.emh.ch eine Zeitschrift mit Peer-Review erfüllt. Kontakt: Tel. +41 61 467 85 52, office@primary-hospital-care.ch, www.primary-hospital-care.ch. Manuskripteinreichung online: www.manuscriptmanager.net/phc Anzeigen: Markus Will, Tel. +41 61 467 85 97, markus.will@emh.ch und Philipp Lutzer, Tel. +41 61 467 85 05, philipp.lutzer@emh.ch Redaktion im Verlag: Matthias Widmer (Managing Editor a.i.); Jasmin Hell (Managing Editor); Eveline Maegli (Redaktionsassistentin) Abonnemente: EMH Kundenservice, Postfach, 4601 Olten, Tel. +41 58 510 29 73, emh@asmiq.ch Wissenschaftliche Redaktion: Prof. Dr. Stefan Neuner-Jehle, Zürich (Chefredaktor); PD Dr. Roman Hari, Bern (Stellvertretender Chefredaktor); Prof. Dr. Thomas Dieterle, Arlesheim; Prof. Dr. Jacques Donzé, Neu- Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift publizierten Angaben wurden mit der grössten Sorgfalt überprüft. Die mit châtel; Dr. Alexandra Röllin Odermatt, Bern; Dr. Alexandre Ronga, Lausanne; Dr. Manuel Schaub, Bern Verfassernamen gezeichneten Veröffentlichungen geben in erster Linie die Auffassung der Autorenschaft und Redaktionelle Zuständigkeit für das standespolitische Ressort «Aktuelles»: Sandra Hügli-Jost (mfe), nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder. Die angegebenen Dosierungen, Indikationen und Lea Muntwyler (SGAIM), Claudia Baeriswyl (SGP), François Héritier (KHM), Niklaus Egloff (SAPPM), Applikationsformen, vor allem von Neuzulassungen, sollten in jedem Fall mit den Fachinformationen der Regula Kronenberg (JHaS), Tobias Tritschler (SYI) verwendeten Medikamente verglichen werden. ISSN: Printversion: 2297-7155 / elektronische Ausgabe: 2297-7163. Gestaltungskonzept: Agentur Guido Von Deschwanden © EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG (EMH), 2023. Das Primary Hospital Care ist eine Open-Access- Druck: Vogt-Schild Druck AG, www.vsdruck.ch Publikation von EMH unter der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 «Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitung 4.0 international» die das zeitlich unbeschränkte Recht gewährt, das Werk zu vervielfältigen, zu Fotos: Alle Fotos sind, sofern nicht anders angegeben, zur Verfügung gestellt. Titelbild: © Sarinya Pinngam | verbreiten und öffentlich zuganglich zu machen unter den Bedingungen, dass der Name der Autorin/des Dreamstime.com Kollegium für Hausarztmedizin KHM Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):5 5 SGAIM News Beschlüsse der Delegiertenversammlung vom 17. November 2022 im Überblick: – Verabschiedung des Protokolls der De- legiertenversammlung vom 24.03.2022. – Mitgliederbeiträge 2023 bleiben unverän- dert. – Wahl der Revisionsstelle: BDO AG in Basel. – Abnahme der Jahresziele 2023, die da wären: – Fertigstellung des Weissbuchs «Quali- tätsverbesserung in der Medizin»; © SGAIM / Lea Muntwyler – Stärkung der Forschungsförderung in der Allgemeinen Inneren Medizin; – Überarbeitung des Fortbildungspro- gramms; – Abgabe der Selbstdeklaration zur Akkre- Jahresziele, Budget und Statutenanpassung: Die Delegierten fassten Beschlüsse zu diesen und ditierung des Weiterbildungstitels AIM weiteren Anliegen. Zyklus 2025; – Ergänzung des Lernzielkatalogs mit «Ent- rustable Professional Activities» (EPAs); – Fortführung der Arbeitsgruppe «Spital- Delegiertenversammlung basierte AIM» für die Erarbeitung von TARDOC statt Gurlitt Lösungsansätzen und Verbesserungs- vorschlägen; – Inbetriebnahme der neuen SGAIM Lounge in 2023 Inmitten einer bedeutenden Sammlung europäischer Kunst vom – Pilotversuch: Durchführung eines hybri- den Frühjahrskongresses; Spätmittelalter bis zur Gegenwart trafen sich die SGAIM-Delegier- – Durchführung einer zweiten «SGAIM ten am 17. November 2022 im Kunstmuseum Bern. Neben den Jah- Diagnostic Masterclass»; reszielen und dem Budget für 2023 sowie weiteren Standardtraktan- – Veröffentlichung einer französischen und überarbeiteten Version des Leitfa- den stand das Thema «TARDOC» im Zentrum der Versammlung. dens «Die oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausforderung»; – Erste Verleihung des Prix Lumière für Jacqueline Strahm Direktionsassistenz SGAIM eine innovative Lösung innerhalb der AIM in 2023. – Anpassung der Statuten der SGAIM in den Wie weiter mit TARDOC und den ambulanten gnostic Masterclass» in 2022 ist auch im Folge- folgenden Punkten: Pauschalen? Ist er der ambulante Arzttarif der jahr eine Durchführung vorgesehen. Z udem – Art. 3, Absatz 3, neu werden auch inter- Zukunft? In einer Podiumsrunde diskutierten wird der nächste SGAIM-Frühjahrskongress als essierte Masterstudierende als ausseror- Dr. med. Urs Stoffel, Mitglied des Zentralvor- hybride Weiter- und Fortbildungsveranstaltung dentliche Mitglieder aufgenommen. stands der FMH, Roger Scherrer, Geschäfts- geplant, an der erstmals der «Prix Lumière» für – Art. 18, die Delegiertenversammlung führer von tarifsuisse, und Dr. med. Philippe eine innovative Lösung in der Allgemeinen In- findet nur noch einmal jährlich im Luchsinger, Präsident von mfe Haus- und Kin- neren Medizin verliehen wird. Herbst statt. Gewisse Aktivitäten werden derärzte Schweiz, diese und weitere brisante ab 2023 an die Generalversammlung de- Fragen zur Entwicklung des Tarifsystems. Nachfolge im Vorstand bestätigt legiert. Mit einer persönlichen Laudatio des Co-Präsi- – Vorstandswahlen: Dr. Myriam Oberle wird Die SGAIM stellt ihre Weichen für die diums wurde Dr. Romeo Providoli aus dem als Nachfolge für Dr. Romeo Providoli per Zukunft Vorstand verabschiedet und sein ausserordent- 1.1.2023 in den Vorstand gewählt. Für 2023 setzt sich die SGAIM diverse Ziele, um liches Engagement in der Fachgesellschaft – Das Budget 2023 wird genehmigt. die Fachrichtung insbesondere in den Berei- gewürdigt. Der Vorstand ist erfreut, dass chen Qualität, Forschung und Nachwuchs wei- Romeo Providoli sein Engagement in der Fort- Redaktionelle Verantwortung terzuentwickeln und ihre Mitglieder in ihrem bildungskommission fortsetzt. Die Bündner Lea Muntwyler Verantwortliche Kommunikation/Marketing Arbeitsalltag zu unterstützen. So wird das Fort- Hausärztin Dr. Myriam Oberle wurde als Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere bildungsprogramm überarbeitet, das Weiss- Nachfolgerin per 1. Januar 2023 gewählt. Medizin (SGAIM) buch «Qualitätsverbesserung in der Medizin» Beim anschliessenden Apéro bot sich dann Monbijoustrasse 43 Postfach fertiggestellt sowie eine französischsprachige auch noch die Gelegenheit, sich über die Her- CH-3001 Bern und überarbeitete Version des Leitfadens «Die ausforderungen des Fachbereichs oder auch die lea.muntwyler[at]sgaim.ch oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausfor- aktuelle Kunstausstellung zum Gurlitt-Nach- derung» publiziert werden. Nach dem Erfolg lass auszutauschen. der Fortbildungsveranstaltung «SGAIM Dia- Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
6 2023;23(1):6–7 | Primary and Hospital Care SGAIM News © SGAIM Die Anzahl der Teilnehmenden an den Facharztprüfungen in Allgemeiner Innerer Medizin hat in den letzten Jahren zugenommen. Facharztprüfungskommission Ulrich Stoller übergibt Zepter an Jürg H. Beer Ulrich Stoller ist nach sieben Jahren als Präsident der Facharztprüfungskommission per Ende 2022 zu- rückgetreten. Während seiner Präsidialzeit hat er erfolgreich die helvetischen Prüfungsfragen etabliert, die wesentlich zu einer hohen Prüfungsqualität beigetragen haben. Seit 1. Januar 2023 präsidiert Jürg H. Beer die Facharztprüfungskommission. Lars Clarfelda, Ursula Käserb, Jürg H. Beerc,d,e a Generalsekretär SGAIM; bVerantwortliche Bereich Qualität, Weiter- und Fortbildung SGAIM; c Präsident Facharztprüfungskommission SGAIM; d Consultant Departement Medizin, Kantonsspital Baden; e Center for Molecular Cardiology, Universität Zürich Ulrich Stoller hat das Präsidium der Facharzt- Fachdelegierter der SGAIM in der Weiterbil- von Ulrich Stoller zu verdanken, dass die prüfungskommission am 01.09.2015 über- dungsstättenkommission des Schweizerischen SGAIM sie erfolgreich etablieren konnte. Be- nommen. Nicht weniger als 6‘664 angehende Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung sorgt darüber, dass an der Facharztprüfung zu- Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeine (SIWF). nehmend die Fähigkeit des Auswendiglernens Innere Medizin haben in der Zwischenzeit an geprüft wird, hat Ulrich Stoller 2016 beim Vor- 15 erfolgreich durchgeführten Facharztprüfun- Helvetische Prüfungsfragen erfolgreich stand der SGAIM erfolgreich beantragt, gen teilgenommen. Ulrich Stoller ist auf eige- eingeführt schweizerische Prüfungsfragen zu erarbeiten. nen Wunsch per Ende Dezember 2022 als Prä- Die helvetischen Prüfungsfragen sind heute in Er hat im Einführungsprozess auch schwierige sident zurückgetreten, engagiert sich aber wei- der Allgemeinen Inneren Medizin nicht mehr Momente mit der Überzeugung überwunden, terhin als Mitglied in der Facharztprüfungs- wegzudenken. Es ist vor allem der klaren Vi- dass die helvetischen Fragen ein wesentliches kommission. Ebenso ist er weiterhin geschätzter sion und dem hohen persönlichen Engagement Element der Qualitätssicherung darstellen, Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):6–7 7 SGAIM News denn sie gewährleisten, dass «echtes» Ba- SGAIM Foundation sisfachwissen der Allgemeinen Inneren Medizin geprüft wird. In einer detaillierten Forschungsförderung und wissenschaftlich fundierten Publika- tion konnte aufgezeigt werden, dass die Die medizinische Forschungsstiftung SGAIM helvetischen, nicht öffentlich zugänglichen Foundation lanciert für 2022/2023 eine Preis- Fragen sich seit der Einführung 2018 sehr ausschreibung zum Thema «Diagnostic quality gut etabliert haben [1] und sich bezüglich and excellence». Es sollen Forschungsprojekte Qualität und Schwierigkeitsgrad im Ver- unterstützt werden, die retrospektiv oder pros- gleich mit den MKSAP-Fragen hervorra- pektiv Diagnosequalität (z.B. anhand von Qua- gend verhalten. litätsindikatoren), Diagnoseprozesse und/oder Ulrich Stoller war wesentlich mitver- diagnostische Fehler in der ambulanten oder antwortlich für die hohe Qualität der Fach- stationären Allgemeinen Inneren Medizin arztprüfungsfragen. Minutiös wählte er sie untersuchen. Die Projektanträge in englischer aus und prüfte sie zusammen mit der Sprache sind bis zum 28. Februar 2023 bei der Kommission und den Fachexperten des Der neue Präsident Jürg H. Beer SGAIM Foundation via foundation[at]sgaim. Instituts für Medizinische Lehre der Uni- ch einzureichen. Weitere Informationen unter versität Bern (IML). Die Zusammenarbeit www.sgaim.ch/forschung. mit Ulrich Stoller war von einer grossen Kantonsspital Baden. Er ist weiterhin en- Wertschätzung gegenüber der Kommis- gagiert als Professor/Forschungsgruppen- sion, dem Vorstand, der Geschäftsstelle leiter in der Plättchenforschung am Center und den Prüfungskandidatinnen und for Molecular Cardiology der Universität -kandidaten geprägt. Die SGAIM und die Zürich, in diversen Verwaltungsräten von Mitglieder der Facharztprüfungskommis- Spitälern und klinisch-internistisch sowie SGAIM Preis sion danken Ulrich Stoller für seinen hämatologisch am Kantonsspital Baden. ausserordentlichen Einsatz in den vergan- genen Jahren. Die Generierung und Weiterentwick- lung von inhaltlich praxisrelevanten Fra- Jetzt Originalarbeit gen des Fachs und deren technisch-wis- einreichen senschaftliche Qualität sind seine Anliegen und garantieren die nahtlose Weiterfüh- Die SGAIM fördert patientenzentrierte klini- rung der Kommissionsaufgabe. «Das sche Forschung sowie innovative Versorgungs- Potential der elektronischen Prüfung mit modelle und unterstützt junge Forschende auf möglichst patientennahen und -relevanten ihrem Karriereweg. Dies unter anderem mit Inhalten gilt es auszuloten», sagt Jürg H. dem «SGAIM Preis» für die beste wissenschaft- Beer. liche Originalarbeit in der Höhe von 10 000 Franken. Das Thema der Arbeit muss für die Literatur Betreuung von Patientinnen und Patienten mit 1 Ferrari Pedrinia P, Berendonk C, Ehle Roussyde allgemein-internistischen Krankheiten bedeu- A, Gabutti L, Hugentobler T, Küng L, et al. Swiss general internal medicine board examination: tend sein oder Grundlagen für diagnostische quantitative effects of publicly available and un- oder therapeutische Möglichkeiten im Zusam- available questions on question difficulty and test menhang mit internistischen Krankheiten performance. Swiss Med Wkly. 2022;152:w30118. © SGAIM schaffen. Die Arbeit ist bis zum 31. März 2023 mit dem Vermerk «SGAIM-Preis 2023» an die Ulrich Stoller, langjähriger Präsident der Redaktionelle Verantwortung: E-Mail-Adresse info[at]sgaim.ch einzureichen. SGAIM-Facharztprüfungskommission. Lea Muntwyler, SGAIM Korrespondenz Lea Muntwyler Jürg H. Beer, der neue Präsident Verantwortliche Kommunikation/Marketing Der Vorstand der SGAIM hat Jürg H. Beer Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) per 1. Januar 2023 zum neuen Präsidenten der Facharztprüfungskommission ge- wählt. Jürg H. Beer ist seit 2005 Mitglied Lesen Sie auch das Interview mit Jürg Redaktionelle Verantwortung der Facharztprüfungskommission. Er hat H. Beer auf der Website des «Primary Lea Muntwyler Verantwortliche Kommunikation/Marketing in Bern Medizin studiert und sich an- and Hospital Care» zu seinem Amts- Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere schliessend am Inselspital Bern, dem Uni- antritt als neuer Präsident der Fach- Medizin (SGAIM) versitätsspital Zürich sowie in New York arztprüfungskommission. Monbijoustrasse 43 Postfach zum Internisten und Hämatologen weiter- CH-3001 Bern gebildet. Er habilitierte sich an der Univer- lea.muntwyler[at]sgaim.ch sität Bern und Zürich und war bis Ende 2021 Chefarzt des Departements Innere Medizin und stellvertretender CEO am Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
8 2023;23(1):8 | Primary and Hospital Care Pinnwand Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):9–11 | 10.4414/phc-d.2023.10493 9 Forschung Projekt 4 des Nationalen Forschungsprogramms 74 «Smarter Health Care» Soziale Lage und Spitalaufent- halte aufgrund chronischer Erkrankungen Im Rahmen der Studie «Social Inequalities and Hospitalisations in Switzerland» (SIHOS) wurden für eine repräsentative Stichprobe der Schweizer Bevölkerung anonymisierte, soziale und medizinische Daten nationaler BFS-Erhebungen verknüpft. Anhand dieser neuen Datenbasis konnte zum ersten Mal für die Schweiz gezeigt werden, dass bestimmte soziale Gruppen ein erhöhtes Risiko für Spitalaufent- halte aufgrund chronischer Erkrankungen aufweisen. Auch bei der Aufenthaltsdauer im Spital und bei ungeplanten Wiedereintritten wurden Unterschiede zwischen sozialen Gruppen festgestellt, ebenso beim Übertritt von älteren Personen in ein Pflegeheim nach einem Aufenthalt im Akutspital. Lucy Bayer-Oglesbya, Nicole Bachmannb, Andrea Zumbrunnb, Maria Solèrb a Principal Investigator; b Senior Researcher, Institut Soziale Arbeit und Gesundheit, Hochschule für Soziale Arbeit, Olten, Fachhochschule Nordwestschweiz Hintergrund nicht-übertragbaren, chronischen Erkran- erhebung wurden Indikatoren zur sozialen In der Schweiz ist ein klarer sozialer Gradient kungen, da diese rund 80 Prozent der gesam- Lage einer Person abgeleitet, z.B. für den Bil- in Bezug auf das Gesundheitsverhalten, die ten Gesundheitskosten der Schweiz verursa- dungsstatus, die sozialen Ressourcen oder den Krankheitslast und die Sterblichkeit gut belegt chen [3]. Migrationshintergrund. Die Analysen erfolg- [1]. Bei der Inanspruchnahme ambulanter me- Einige dieser chronischen Erkrankungen ten für chronische Erkrankungen, z.B. Krebs, dizinischer Leistungen in der Schweiz sind werden als sogenannte ambulatory care sensi- Herz-Kreislauferkrankungen oder psychische ebenfalls soziale Unterschiede dokumentiert tive conditions eingestuft, d.h. ein Spitalaufent- Störungen. [2]. Internationale Studien zeigen zudem Wir- halt kann durch adäquate ambulante Behand- kungen von sozialen Faktoren auf die statio- lung und Betreuung, Therapietreue oder Ände- näre Versorgung, z.B. in Bezug auf Hospitalisa- rung des Lebensstils vermieden werden. Sozial Sozial Benachteiligte tionsrisiken und Wiedereintritte. Benachteiligte verfügen jedoch oft über weni- verfügen über weniger Die Studie «Social Inequalities and Hospi- ger soziale und sozioökonomische Ressourcen Ressourcen für die talisations in Switzerland» (SIHOS) verfolgte für ein erfolgreiches Management respektive das Ziel, zum ersten Mal in der Schweiz natio- die Bewältigung ihrer chronischen Erkran- Bewältigung ihrer kung, sodass sich ihr Zustand vermutlich häu- Krankheit. figer soweit verschlechtert, dass ein Spitalauf- Eine Person mit aus- enthalt notwendig wird. Zudem wurden in einer qualitativen Teil- schliesslich obligatorischer studie in Fokusgruppen förderliche und er- Schulbildung hatte ein Methoden schwerende Faktoren für den Zugang, die Nut- Für die SIHOS-Studie wurden nationale Ge- zung und die Qualität der Spitalbehandlung höheres Risiko, hospitali- sundheits- und Sozialdaten am Bundesamt für mit sozial benachteiligten Patientengruppen siert zu werden. Statistik (BFS) mittels Hashing-Verfahren ano- sowie mit Gesundheits- und Sozialhilfe-Fach- nymisiert. Über den anonymen Verbindungs- personen diskutiert. nale Spitaldaten mit nationalen Daten zur so- code wurden anschliessend u.a. 9,6 Millionen zialen Lage anonymisiert zu verknüpfen und Records der medizinischen Statistik der Kran- Resultate Zusammenhänge zwischen sozialer Lage und kenhäuser (MS 2010–2016) und 1,2 Millionen Abbildung 1 illustriert, wann sich soziale Be- Inanspruchnahme stationärer Leistungen zu Records der Strukturerhebung (SE 2010–2014) nachteiligungen im Verlauf eines Spitalaufent- analysieren. Der Fokus der Studie lag bei den verknüpft. Von den Variablen der Struktur haltes manifestieren können. In Bezug auf das Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
10 2023;23(1):9–11 | Primary and Hospital Care Forschung Abbildung 1: Ablauf von Hospitalisationen und mögliche Manifestationen sozialer Benachteiligung, die im Rahmen des NFP-74-Projekts SIHOS analy- siert werden konnten. Risiko eines Spitaleintritts zeigten sich die generkrankungen (COPD) und Asthma, d.h. treten, auch dies unabhängig von Alter, Ge- stärksten Bildungsgradienten bei Diabetes, bei den untersuchten ambulatory care sensitive schlecht, Nationalität und Gesundheitszustand Herzinsuffizienz, chronisch obstruktiven Lun- conditions, sowie bei Lungenkrebs und bei psy- [7]. chischen Erkrankungen (N = 1 042 706): Eine In den Fokusgruppen mit chronisch Kran- Person mit ausschliesslich obligatorischer ken wurde übereinstimmend der Wunsch nach Schulbildung hatte ein zwei- bis dreimal so ho- einer kontinuierlichen und konstanten profes- Reihe: Projekte des Natio- hes Risiko, aufgrund einer dieser Erkrankun- sionellen Unterstützung geäussert, die über die nalen Forschungspro- gen hospitalisiert zu werden, wie eine Person medizinische Behandlung hinausgehen sollte. gramms NFP 74 «Smarter mit Tertiärausbildung, und zwar unter Berück- Während Personen in guter sozialer Lage über sichtigung von Alter, Geschlecht, Nationalität die Diagnose, die Einzelheiten der Behandlung Health Care» und Erhebungsjahr [4]. und auch über mögliche Hilfestellungen nach Der vorliegende Text fasst die wichtigsten Im Spital (N = 140 903) hatten Patientinnen dem Spital informiert werden wollten und er- Ergebnisse des Projekts Nr. 4 «Soziale und Patienten mit tiefem Bildungsstand einen warteten, in wichtige Entscheidungen einbezo- Ungleichheiten in der stationären Gesund- etwas längeren Aufenthalt als Personen mit heitsversorgung in der Schweiz» von Dr. Tertiärausbildung. Dieser Effekt konnte jedoch sc. nat. Lucy Bayer-Oglesby von der Fach- fast vollständig mit dem ebenfalls beobachteten Sozial Benachteiligte mit hochschule Nordwestschweiz zusammen. sozialen Gradienten bei der Komorbidität er- Migrationshintergrund Dieses Projekt ist eines von insgesamt 34 klärt werden. [5]. Bei Spitalpatientinnen und äusserten das Bedürfnis geförderten Projekten des NFP 74 des -patienten (N = 62 109) waren zudem ein tiefer Schweizer Nationalfonds. Ziel des NFP 74 Bildungsstatus und weniger finanzielle Res- nach einer Unterstüt- ist es, wissenschaftliche Grundlagen für sourcen mit einem erhöhten Risiko für einen zungsperson, die sie zu eine gute, nachhaltig gesicherte und ungeplanten Wiedereintritt innerhalb von Arztterminen begleitet. «smarte» Gesundheitsversorgung in der 30 Tagen nach Spitalaustritt verbunden, unab- Schweiz bereitzustellen. hängig von soziodemografischen Faktoren und gen zu werden, äusserten insbesondere sozial dem Gesundheitszustand [6]. Geringe finan- Benachteiligte mit Migrationshintergrund das Informationen: nfp74.ch zielle und soziale Ressourcen und ein tiefer Bedürfnis nach einer Unterstützungsperson, Bildungsstatus erhöhten bei älteren Personen die sie zu Arztterminen begleitet, die hilft, (N = 60 209), die vor dem Spitaleintritt noch zu Misstrauen und Ängste abzubauen, und die Hause wohnten, das Risiko, nach dem Aufent- den Zugang zum Gesundheits- und Sozialver- halt im Akutspital in ein Pflegeheim einzu sicherungssystem erleichtert. Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):9–11 11 Forschung Diskussion scher Erkrankung wurden unterschiedliche ligte Patientinnen und Patienten mit komple- Die SIHOS-Studie konnte aufzeigen, dass sich Effekte festgestellt. Viele dieser Effekte wirken xen Gesundheits- und Sozialproblemen kon- in der Schweiz soziale Ungleichheiten vor, wäh- (teilweise) indirekt via die allgemein höhere frontiert und benötigen sowohl adäquate me- rend und nach einem Spitalaufenthalt mani Krankheitslast sozial benachteiligter Bevölke- dizinische Behandlung als auch Unterstützung festieren. Je nach sozialem Faktor und chroni- rungsgruppen. Häufig sind sozial benachtei- bei der Bewältigung des täglichen Lebens, ge- rade auch in der Phase direkt nach dem Spital- austritt. Dies impliziert eine engere Koordina- tion zwischen medizinischer Versorgung und Interview mit Dr. phil. Nicole Bachmann, Wissenschaftliche informellen sowie professionellen Unterstüt- Mitarbeiterin, Institut Soziale Arbeit und G esundheit, zungsleistungen. Darauf geht das Interview mit Hochschule für Soziale Arbeit FHNW Nicole Bachmann näher ein. Warum Soziale Arbeit und Gesundheits- Können Sie ein Beispiel geben? versorgung stärker zusammenarbeiten Nehmen wir eine ältere Frau mit geringer Literatur 1 Obsan (ed). Gesundheit in der Schweiz – Fokus chro- müssen Schulbildung, die einer körperlich und psy- nische Erkrankungen. Nationaler Gesundheitsbericht chisch belastenden Arbeit nachgeht und an 2015. Bern: Hogrefe Verlag, 2015. Warum ist es wichtig, über die soziale chronischem Stress leidet, der unter ande- 2 Osborn R, Squires D, Doty MM, et al. In New Survey Of Eleven Countries, US Adults Still Struggle With Ac- Lage und die Gesundheitsversorgung rem durch ihre prekäre finanzielle Lage ver- cess To And Affordability Of Health Care. Health Affairs von chronisch Kranken zu forschen und ursacht wird. Wenn diese Frau an starken 2016;35:2327–36. zu diskutieren? chronischen Rückenschmerzen leidet, die 3 Wieser S, Riguzzi M, Pletscher M, et al. How much does the treatment of each major disease cost? A de- Das Thema Soziale Lage und Gesundheit typischerweise mit einer depressiven Ver- composition of Swiss National Health Accounts. The oder Chancengleichheit in der Gesundheit stimmung einhergehen, benötigt sie nicht European Journal of Health Economics. Epub ahead of begleitet mich seit bald 30 Jahren in der For- nur medizinische, sondern auch soziale Be- print 2018. DOI: 10.1007/s10198-018-0963-5. 4 Bayer-Oglesby L, Bachmann N, Zumbrunn A. Soziale schung und der kantonalen Verwaltung. Die gleitung. Durch dieses Zusammenspiel sind Lage und Spitalaufenthalte aufgrund chronischer Er- Problematik hat im Verlauf dieser Jahre nicht erst die Voraussetzungen gegeben, dass sie krankungen | OBSAN, https://www.obsan.admin.ch/de/ an Brisanz verloren – ganz im Gegenteil, die selbst den nötigen Beitrag leisten kann, um publikationen/soziale-lage-und-spitalaufenthalte-auf- grund-chronischer-erkrankungen (2020, accessed 9 gesundheitliche Schere zwischen Arm und Schmerzen und Depression zu bewältigen March 2021). Reich geht in der Schweiz weiter auf, was oder damit auf möglichst gute Art leben und 5 Bayer-Oglesby L, Zumbrunn A, Bachmann N, et al. auch COVID-19 deutlich gezeigt hat. Die Be- arbeiten zu können. Die für eine solche Pa- Social inequalities, length of hospital stay for chronic conditions and the mediating role of comorbidity and wältigung einer chronischen Krankheit hängt tientin notwendige nahe Zusammenarbeit discharge destination: A multilevel analysis of hospital unter anderem von der Balance zwischen zwischen Gesundheits- und Sozialsystem ist administrative data linked to the population census in Belastungen und Ressourcen ab, die einer in der Schweiz bis heute kaum etabliert, was Switzerland. PLOS ONE 2022; 17: e0272265. 6 Zumbrunn A, Bachmann N, Bayer-Oglesby L, et al. Person zur Verfügung stehen. auch mit der Finanzierungslogik zu tun hat. Social disparities in unplanned 30-day readmission rates after hospital discharge in patients with chronic Was bedeutet dies speziell für Spitalbe- Was würden Sie verändern, wenn Sie health conditions: A retrospective cohort study using patient level hospital administrative data linked to the handlungen? freie Hand hätten? population census in Switzerland. PLOS ONE 2022; 17: Ein wichtiges Ergebnis der SIHOS-Studie ist, Wichtig scheint mir, dass im Spital Rahmen- e0273342. dass sozial benachteiligte Spitalpatientinnen bedingungen geschaffen werden, damit 7 Bachmann N, Zumbrunn A, Bayer-Oglesby L. Social and Regional Factors Predict the Likelihood of Admis- und -patienten in der Schweiz häufiger von Fachpersonen adäquat auf die Bedürfnisse sion to a Nursing Home After Acute Hospital Stay in Multimorbidität betroffen sind als gut situ- sozial benachteiligter Personen eingehen Elderly People with Chronic Health Conditions: A Multi- ierte Spitalpatientinnen und -patienten. Auf- können. Dazu gehört auch, dass die Finan- level Analysis Using Routinely Collected Hospital and Census Data in Switzerland. Frontiers in Public Health grund der prekären Lebensumstände belas- zierung der Sozialdienste an den Spitälern 2022; 10: 871778. ten sie die Folgen der Erkrankungen zudem gesichert ist, inklusive kulturellen Dolmet- ungleich stärker. Bei vielen Menschen mit schens. Um dem von Betroffenen genannten Migrationshintergrund betrifft dies zum Bei- Wunsch nach ambulanter kontinuierlicher Korrespondenz spiel die Angst vor dem Verlust des Arbeits- Begleitung nachzukommen, bedarf es Für das Projekt: Dr. sc. nat. Lucy Bayer-Oglesby platzes und, als Konsequenz, der Aufent- ausserdem einer guten Zusammenarbeit Fachhochschule Nordwestschweiz haltsbewilligung. Gleichzeitig berichten zwischen medizinischer Grundversorgung Hochschule für Soziale Arbeit Olten Menschen in prekärer sozialer Lage öfter von und Sozialer Arbeit. Erfolgreich umgesetzt lucy.bayer(at)fhnw.ch der Angst vor Diskriminierung und äussern wird dies beispielhaft in Hausarztpraxen, die Für das Programm: geringere Erwartungen an die Spitalversor- Sozialarbeitende angestellt haben, wodurch Heini Lüthy gung. Dies kann dazu führen, dass ihre Le- auch soziale Folgeprobleme der chronischen Verantwortlicher Medienarbeit des NFP 74 www.nfp74.ch benssituation nicht adäquat berücksichtigt Erkrankungen unmittelbar angegangen wer- Tössfeldstrasse 23 wird oder dass die Betroffenen selbst sich zu den können. Die Möglichkeit für besonders CH-8400 Winterthur wenig für ihre Bedürfnisse einsetzen. Diese vulnerable Personen, nach e inem Spitalaus- hl[at]hluethy.ch Diskrepanz kann zu einer schlechteren Be- tritt vorübergehend zu Hause Unterstützung handlungsqualität, einem schlechteren zu bekommen, sollte schliesslich nicht mehr Krankheitsverlauf und mehr ungeplanten Re- davon abhängig sein, wo man wohnt oder ob hospitalisationen führen. man sich eine Zusatzversicherung leisten kann. Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
12 10.4414/phc-d.2023.10474 | 2023;23(1):12–13 | Primary and Hospital Care Lehre Welche Schlussfolgerungen und welche Zukunftsperspektiven? Anpassungen im Medizin studium in der Schweiz seit der SARS-CoV-2-Pandemie Sollten wir die SARS-CoV-2-Krise als eine Gelegenheit sehen, uns für die ebenso unerwarteten wie eigenartigen Erfahrungen zu bedanken, die wir – Dozierende, praktizierende Ärztinnen und Ärzte so- wie Studierende – in einem Pandemiejahr gemeinsam erlebt haben? Die Analyse der Erfahrungen der Studierenden zeigt so etwas wie frische Energie, deren Mehrwert auf dem Geist von Initiative und Inno- vation beruht, den die ungünstigen Umstände wider Erwarten angeregt zu haben scheinen. In diesem Artikel erörtern wir einige Erfahrungsberichte aus einem Studienjahr in Krisenzeiten. Silvana Romerioa, Olivier Pascheb, Arabelle Riederc a Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel, Medizinische Fakultät, Universität Basel; b Ausbildungsverantwortlicher, Vizedirektor des Instituts für Hausarztmedi- zin (IMF), Universität Freiburg; c Responsable d’enseignement en contexte de stage, Institut universitaire de Médecine de la Famille et de l’Enfance (IuMFE), Faculté de Méde- cine, Université de Genève Einleitung kenswerte und oftmals inspirierende Aspekte versität zur Verfügung gestellten Informatio- Wie die Dozierenden aller Hochschulen in der dieser anstrengenden und fachlich wie pädago- nen. Informationen zu Prüfungen wurden in- Schweiz und weltweit mussten sich die Lehr- gisch anspruchsvollen Zeit. Wir stützen uns auf des lediglich als ausreichend mit einem media- beauftragten (LB) der Schweizer Institute für mehrere Informationsquellen: nen Ergebnis von 4 bewertet. Hausarztmedizin sehr rasch an die tiefgrei- – eine Umfrage der Universität Basel [3]; Auch die Verfügbarkeit und Qualität des fenden Veränderungen anpassen, die seit der – Erfahrungs- und Erlebnisberichte von Me- bereitgestellten Lehrmaterials wurden lediglich ersten SARS-CoV-2-Welle im März 2020 bei dizinstudierenden an drei Schweizer Medi- als ausreichend bewertet. Die Studierenden zo- ihrem Auftrag zur Übermittlung von medizi- zinfakultäten (Basel, Freiburg und Genf) gen aufgezeichnete Vorlesungen deutlich vor. nischem Wissen und Know-how an die Medi- sowie von LB an Instituten für Hausarzt Streaming ohne Aufzeichnung wurde weniger zinstudierenden eingetreten sind [1]. Die Me- medizin (Basel, St. Gallen, Lausanne, Bern), geschätzt. dizinstudierenden waren damit konfrontiert, die im April und Mai 2021 per E-Mail kon- Selbststudium war für zahlreiche Studie- dass Präsenz-Lehrveranstaltungen annulliert, taktiert wurden. rende eine Problemquelle. Sie hatten Motiva- stark geändert oder verringert wurden. Die tionsschwierigkeiten und bewerteten ihr Ler- LB und Studierenden mussten sich mit inno- nen nur als ausreichend. vativen Lehrmethoden vertraut machen, was Umfrage unter Medizinstudieren- Der Mehrheit der Studierenden fehlten die von allen Beteiligten einen erheblichen Anpas- den in Basel praktischen Übungen und sozialen Interaktio- sungsaufwand erforderte. Der Lockdown für Die Rücklaufquote einer Umfrage der medizi- nen. die Schweizer Bevölkerung in der ersten Pan- nischen Fakultät Basel, die sich an alle Studie- demiewelle im März 2020 war auch von zahl- renden richtete, betrug etwas weniger als 20%, reichen Einzelinitiativen studentischer Solida- mit Ausnahme der Studierenden im 2. Master- Individuelle Stimmen von rität geprägt. So unterstützten Studierende die studienjahr 2MA; 3,4%). Die Studierenden im Medizinstudierenden überlastungsbedrohten Spitäler und meldeten 2MA befanden sich zu Beginn der Pandemie Um eine Vorstellung von den individuellen sich je nach Bedarf der Kantone als Freiwil- im Wahlstudienjahr und waren darum nicht Erfahrungen der Medizinstudierenden an drei lige (Hotline, Unterstützung bei PCR-Tests in direkt von der Lehre betroffen, wodurch sich Fakultäten (Basel, Freiburg und Genf) zu er- der Notfallabteilung usw.) [2]. die geringe Antwortrate erklären könnte. halten, fragten wir Studierende per E-Mail, In diesem Zusammenhang und nach über Themen der Umfrage waren Informations- welche Schwierigkeiten und vor allem welche einem Jahr tiefgreifender Veränderungen für management, digitales Lernen und selbststän- Perspektiven und Wünsche für die Zukunft sie LB und Studierende beschreibt die Gruppe diges Studium. Bei einem medianen Ergebnis hatten, wenn sie an ihre Erfahrungen während Lehre der Swiss Academy of Family Medicine von 5 (auf einer Skala von 1 für «trifft nicht zu» der Pandemiewellen zwischen März 2020 und (SAFMED), der LB der Schweizer Institute für bis 6 für «trifft vollständig zu») zeigten sich die März 2021 dachten. Hier eine Zusammenfas- Hausarztmedizin angehören, einige bemer- Studierenden zufrieden mit den von der Uni- sung ihrer Antworten. Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):12–13 13 Lehre Basel ler Kolleginnen und Kollegen versucht zu ha- Fernunterricht, von dem zahlreiche Stimmen An der medizinischen Fakultät Basel beant- ben, etwa mit der Bildung von kleinen Arbeits- fordern, ihn als fakultative Option zu erhalten. worteten fünf Studierende aus verschiede- gruppen, um die Interaktionen mit anderen Dieses Thema ist Gegenstand von Debatten in nen Studienjahren die Fragen. Beeindruckend Studierenden beizubehalten. Alle gaben an, der internationalen Fachliteratur [4]. Gleich- ist die Anpassungsfähigkeit dieser jungen Er- das Angebot der Fakultät, Seminare in Klein- zeitig stellen wir fest, dass diese Zeit indirekt wachsenen: Auch wenn sie in einer äusserst gruppen zu besuchen, besonders geschätzt zu die Bedeutung der persönlichen Beziehungen wichtigen Lebensphase – jener der Sozialisa- haben, und begrüssten, dass die klinischen für die Übermittlung von Wissen und klini- tion – deutlich eingeschränkt und bisweilen Praktika trotz der Beschränkungen stattfinden schen Kompetenzen im weiteren Sinne gezeigt auch mit Episoden der Depression konfron- konnten. Dieser Zeitraum scheint die Gelegen- hat; dies ist der Vorzug des begleiteten Lernens, tiert waren, gelang es ihnen allen, sich zu mo- heit gewesen zu sein, Eigenverantwortung zu wie die Studierenden in ihren Praktika erfah- tivieren und weiterzumachen. Manche haben entwickeln und ein neues Gleichgewicht zwi- ren konnten. Viele sehen in der Hausarztme- sich in Kleingruppen zusammengeschlossen, schen Studium und Freizeit anzustreben, ins- dizin einen bevorzugten Bereich für diese tra- um Kurse gemeinsam verfolgen und Ideen aus- besondere in der Natur. Darüber hinaus scheint ditionellere Art der Lehre, die im Aufwind zu tauschen zu können, oder haben sich im Freien die Verallgemeinerung der Telearbeit ihr Inte sein scheint. getroffen, um gemeinsam lernen oder an Pro- resse an der Klinik gefördert und sie für die kli- jekten arbeiten zu können. Zwar fehlten ihnen nischen Praktika motiviert zu haben. die gewohnte Tagesstruktur, die Sozialkon- Schlussfolgerungen takte, der Sport oder auch der Studentenjob, Insgesamt hat diese turbulente Zeit dazu ge- gleichwohl konnten sie eine neue Struktur fin- Individuelle Stimmen von LB führt, dass sich die junge Generation insbeson- den und sogar positive Aspekte hervorheben, in Hausarztmedizin dere des Platzes des Individuums in einer sich etwa die grössere Lernflexibilität durch aufge- Den Fernunterricht mit den Studierenden tief verändernden Welt bewusst geworden ist. zeichnete Vorlesungen. in Rekordzeit in den ersten Tagen des Lock- Diese Haltung, die geeignet ist, dem philoso- downs organisieren zu müssen, war die grösste phischen Schwung eines erheblichen Teils der Genf Schwierigkeit, auf die alle Schweizer Institute Studierenden Ausdruck zu verleihen, könnte In Genf verwiesen die Bachelor-Studierenden hinweisen. Die Dozierenden unterstrichen das sich dadurch zeigen, dass sie zum Aufbau von auf die «Bedeutung der Ärztinnen und Ärzte Gefühl der Einsamkeit, wenn sie allein im lee- Institutionen beitragen, die krisenresistenter als Wissensvermittler» und darauf, dass ihnen ren Hörsaal zu einer Kamera sprachen, und sind als jene, die wir bisher kannten. Damit die Mittel zur Verfügung stehen müssen, damit bedauerten das Fehlen des persönlichen Kon- junge Generation ein bisschen von der Zukunft sie ihre Rolle als Gesundheitsförderer erfül- takts mit den Studierenden über einen länge- träumen kann und diese Träume wahr werden, len können. Dieselben Studierenden äusserten ren Zeitraum. Durch Lösungen, die mit der ist ohne Zweifel eine durchdachte Kombina- ihre Hoffnung auf «eine Welt, in der Tatsachen wertvollen Unterstützung der äusserst reak- tion aus Innovationsgeist und einer gewissen wichtiger als individuelle Meinungen sind». tionsschnellen Fakultäten gefunden wurden, Abschwächung der normierenden Tendenzen Ihnen zufolge sollten die Erfahrungen aus der konnte man mit den Studierenden mittels On- nötig, die in den letzten Jahrzehnten in unse- Pandemie und die Instrumente, die entwickelt line-Lehrmethoden in Kleingruppen in Kon- rer Gesellschaft in Mode waren. wurden, um die Bevölkerung darüber aufzu- takt bleiben. Die Lehre wurde auch innova- klären, «auch auf andere Probleme angewandt tiv, etwa indem Präsenz- und Fernunterricht Korrespondenz Arabelle Rieder, MD werden, (…) insbesondere die Klimakrise und mithilfe einiger weniger Studierender vor Ort Chargée d’enseignement ihre Folgen für die Gesundheit der Bevölke- zur Demonstration der klinischen Handgriffe Institut de Médecine de Famille et de l’Enfance rung». Sie erklärten, den Eindruck zu haben, kombiniert wurden. In Lausanne wurden die Rue Michel-Servet 1 CH-1206 Genève «von den Behörden allein gelassen worden und leeren Hörsäle für eine bessere Lehrerfahrung arabelle.riedernakhle[at]unige.ch sogar eine Studierendengeneration zu sein, die durch Aufnahmestudios abgelöst. geopfert wurde». Dies veranlasste manche, die Die Lehre konnte insgesamt aufrechterhal- Disclosure Statement am Ende der Ausbildung standen, ihre Investi- ten werden, wenn auch auf unterschiedliche Die Autorinnen und Autoren haben deklariert, keine tionen in das Medizinstudium zu minimieren Weise. Das klinische Studium in den Spitälern finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben. und sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Der und Praxen wurde beibehalten, was ein wichti- Tenor der Antworten war jedoch nicht im- ger Faktor dieser für Dozierende und Studie- Literatur mer so dramatisch: Eine Studierende, die ihr rende verunsichernden Zeit war. 1 Dost S, Hossain A, Shehab M, Abdelwahed A, Al-Nu- klinisches Praktikum begonnen hatte, verwies sair L. Perceptions of medical students towards online im Hinblick auf die möglichen Zukunftsper teaching during the COVID-19 pandemic: a national cross-sectional survey of 2721 UK medical students. spektiven nach der Pandemie auf den pragma- Zukunftsperspektiven BMJ Open. 2020 Nov 5;10(11):e042378. tischen Aspekt, dass «man mehr auf Händedes- Eine Tatsache scheint aus den Antworten so- doi: 10.1136/bmjopen-2020-042378. infektion achten» werde. wohl der Studierenden als auch der Dozieren- 2 Aebischer O, Porret R, Pawlowska V, Barbier J, Ca- ratsch L, Moreira De Jesus M, et al. Étudiant·e·s en den hervorzugehen: Die SARS-CoV-2-Krise médecine engagé·e·s au chevet des patient·e·s hospi- Freiburg wirkte sich aufgrund ihrer Unvorhersehbar- talisé·e·s pour COVID-19 Motivations et enjeux. Auch in Freiburg äusserten die Studierenden keit mobilisierend auf persönliche Initiativen Rev Med Suisse. 2020 May 6;16(692):958–61. 3 Semesterabschluss-Evaluation Online-Formate, Sorgen über ihre Zukunft. Manche befürchte- und stimulierend auf die individuelle, digitale, Frühjahrsemester 2020, Medizinische Fakultät, ten die Auswirkungen des Lockdowns und der beziehungsbezogene und soziale Widerstands Universität Basel. Telearbeit auf die Ausbildungsqualität, andere fähigkeit aus. Sie regte auch zur Anwendung 4 Everard KM, Zoberi Schiel K. Changes in Family Me- dicine Clerkship Teaching Due to the COVID-19 Pande- hoben die Folgen der lockdownbedingten so- neuer didaktischer Ansätze an, von denen mic. Fam Med. 2021 Apr;53(4):282–4. zialen Vereinzelung hervor. Sie schienen es mit manche sicherlich auch nach dieser schwieri- denselben Lösungen wie ihre Genfer und Bas- gen Zeit beibehalten werden, insbesondere der Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
14 10.4414/phc-f.2023.10633 | 2023;23(1):14–15 | Primary and Hospital Care Lehre Une approche intercantonale La prise en charge gynécolo- gique des femmes incarcérées Timea Annovazzi, Delphine Grognuz, Laura Juan-Torres, Jillian Ruggiero Étudiant·e·s en médecine à l’Université de Lausanne Introduction vantage de problèmes de santé que les hommes vante: «Quelles mesures de prévention, de pro- Cette recherche porte sur la prise en charge gy- incarcérés [2], car elles accumulent des facteurs motion ou de dépistage sont mises en place en nécologique des femmes incarcérées en Suisse de vulnérabilité. Ceux-ci incluent des histoires milieu carcéral pour prendre soin de la santé à Hindelbank (Berne), qui est actuellement de vie souvent en lien avec un statut écono- gynécologique des femmes et quelles diffé- l’unique prison helvétique à être réservée aux mique bas, des problématiques de violence rences dans ces domaines existent entre les can- femmes, ainsi qu’à Champ-Dollon (Genève) et sexuelle et/ou de drogues. Pour cette étude, tons de Genève, Vaud et Berne?» à la Tuilière (Vaud), qui sont des prisons mixtes. nous nous sommes concentrées sur l’enjeu de la Les détenues, majoritairement étrangères [1], santé gynécologique comprenant les dépistages Méthode exécutent le plus souvent des peines de courte des cancers, les infections sexuellement trans- D’une part, nous avons relevé et examiné les durée pour des délits non violents [1]. Repré- missibles, la grossesse et la sexualité. La littéra- différentes formes de prise en charge gynécolo- sentant une minorité de 4% de la population ture scientifique traite avant tout de la santé gique existant en milieu carcéral. D’autre part, carcérale, elles se retrouvent dans des locaux mentale et de l’addiction [3] des détenues. Ce nous avons comparé leur organisation dans les androcentrés qui ne répondent pas à leurs be- déficit d’articles sur la santé gynécologique établissements p énitentiaires de Genève, Vaud soins spécifiques [1]. Par ailleurs, elles ont da- nous a menées à la question de recherche sui- et Berne. Pour ce faire, nous avons effectué une recherche de littérature scientifique et de litté- rature grise, puis nous avons mené une enquête de type qualitatif en nous entretenant avec un Immersion communautaire – Les étudiant·e·s de médecine échantillon d’acteur·rice·s représentatif de la mènent une recherche dans la communauté communauté impliquée dans la prise en charge de la santé des femmes en prison. Neuf entre- Pendant quatre semaines, les étudiant·e·s en médecine de 3e année de l’Université de Lau- tiens semi-structurés ont été réalisés à l’aide sanne mènent une enquête dans la communauté sur le sujet de leur choix parmi quatre thé- d’un guide d’entretien standardisé. Ces inter- matiques générales (genre, climat, migration et COVID-19). L’objectif de ce module est de views ont été enregistrées avec le consentement faire découvrir aux futur·e·s médecins les déterminants non-biomédicaux de la santé, de la des interlocuteur·rice·s et analysées selon les maladie et de l’exercice de la médecine: les styles de vie, les facteurs psychosociaux et cultu- règles de la méthodologie qualitative. Les per- rels, l’environnement, les décisions politiques, les contraintes économiques, les questions sonnes interrogées comprenaient des médecins éthiques, etc. Par groupes de 4 ou 5, les étudiant·e·s commencent par définir une question et des infirmier·ère·s-chef·fe·s, une agente de de recherche originale et en explorent la littérature scientifique. Leur travail de recherche les prévention, un conseiller de la Fondation amène à entrer en contact avec le réseau d’acteurs de la communauté concernés, profes- PROFA, la responsable de la Ligue suisse des sionnels ou associations de patients dont ils analysent les rôles et influences respectives. droits de l’Homme, des spécialistes des études Chaque groupe est accompagné par un·e tuteur·rice, enseignant·e de la Faculté de biologie genre. On notera ici que la Fondation vaudoise et de médecine de l’Université de Lausanne, de l’Ecole de la Source à Lausanne ou d’autres de probation, l’Office cantonal de détention de institutions d’enseignement. Les étudiant·e·s présentent la synthèse de leurs travaux pendant Genève, l’association vaudoise des agents de dé- un congrès de deux jours à la fin du module. tention et l’association Fleur de pavé ont décliné Depuis presque dix ans, quelques groupes d’étudiant·e·s ont la possibilité d’effectuer leur notre invitation, ne s’estimant pas compétent·e·s travail dans le cadre d’un projet d’immersion communautaire interprofessionnelle organisé en en matière de soins en milieu carcéral. partenariat avec la Haute école de la santé La Source. Le travail de terrain est réalisé par le groupe en immersion (résidentiel) dans une région de Suisse (séjour de 7 à 10 jours), tout en Résultats bénéficiant d’un accompagnement pédagogique par leurs tuteur·rice·s. Quatre travaux parmi Cette enquête a permis de mettre en évidence les plus remarquables sont choisis pour être publiés dans Primary and Hospital Care. que des actions de prévention ciblées sur la Module d’immersion communautaire de la Faculté de biologie et de médecine de l’UNIL, santé gynécologique commençaient dès l’entrée sous la direction de Pr Patrick Bodenmann (responsable), Dr Francis Vu (coordinateur), Mme des femmes en p rison, tant à Champ-Dollon Meltem Bukulmez et Mme Mélanie Jordan (secrétariat), Pr Thierry Buclin, Dre Aude Fauvel, qu’à la Tuilière et à Hindelbank (voir tab. 1). Dre Véronique Grazioli, Dre Nicole Jaunin Stalder, Dre Yolanda Müller, Mme Sophie Paroz, Dre Dans chacun de ces trois établissements, un·e Béatrice Schaad, et Pre Madeleine Baumann (HEdS La Source). infirmier·ère effectue une anamnèse biopsy- chosociale explorant, entre autres, les risques Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Sie können auch lesen