PRIMARY AND HOSPITAL CARE

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PRIMARY AND HOSPITAL CARE
Offizielles Organ Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine
Innere Medizin | Haus- und Kinderärzte Schweiz | Kollegium
für Hausarztmedizin

  PRIMARY AND
  HOSPITAL CARE
   Die Zeitschrift für Allgemeine Innere Medizin in Hausarztpraxis und Spital

  Ausgabe 1
  11. Januar 2023

 24 Therapie bei muskulo-
 skelettalen Schmerzen
 Dominic Müller, Barbara Keller, Asha-Naima Ferrante, et al.

16 Assistenzärztinnen und                                              28 Atopische Dermatitis                                       31 Häufige Stürze mit
-ärzte in der Pädiatrie                                                und i­nfantile Hämangiome                                     sehr ­seltener Ursache
Julian Jakob, Geschäftsstelle pädiatrie                              Stefanie Häfliger                                               Aferdita Reci, Thomas Demirdag
schweiz,
  PublishedSonja
           under theLüer,  Christoph
                     copyright              Aebi – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.
                               license “Attribution                                                                                See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
PRIMARY AND HOSPITAL CARE
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):3 | 10.4414/phc-d.2023.10638                                                                                                                 3
                                                                                                                                                                       Editorial

                                Primary and Hospital Care
                                geht mit der Zeit
                                Zuallererst: Zum Jahresbeginn 2023 wünschen                                        liches Layout der Print-Produkte, begrenzte
                                wir von Verlag und Redaktion Ihnen, liebe                                          Seitenzahlen und die Zusammenlegung von
                                Leserinnen und Leser, viel Glück, Freude und                                       Journalen sind die Reaktionen darauf. Den
                                Erfüllung! Das können wir alle gut brauchen,                                       digitalen Formaten gehört die Zukunft, und
                                denn bei allem Optimismus: Die Zukunftsaus-                                        Fachjournale sind keine Ausnahme. Sie sehen,
                                sichten sind etwas durchzogen. Wieder einmal.                                      liebe Leserin, lieber Leser, auch bei uns ist vieles
                                Kaum ist die Pandemie halbwegs überstanden,                                        im Wandel – positiv formuliert: ein dynamisches
Stefan Neuner-                  stehen neue Ungeheuer am Horizont: Energie-                                        Umfeld.
Jehle                           krise, Klimawandel, Krieg in Europa, Migrations-
Chefredaktor
                                wellen, Rezession. Die Pipeline der Zukunfts-                                      Philosophisch interpretiert ist die Veränderung
                                ängste ist voll. Da muten unsere Dauersorgen                                       eine Grundbedingung und Notwendigkeit, der
                                – der Mangel an Hausärzten und Pflegekräften                                       Gegenpol zum Bedürfnis nach Sicherheit und
                                und die Kostensteigerung im Gesundheitswesen –                                     Beständigkeit, wie Heraklit (um 520–460 v.Chr.)
                                fast schon bescheiden an. Die Folgen – gesund-                                     schon wusste: «Nichts ist so beständig wie der
                                heitliche Unterversorgung, unnötiges Leid – sind                                   Wandel. Alle Dinge sind im ewigen Fluss, im
                                hingegen auch hier dramatisch. Beim Fachkräfte-                                    Werden, ihr Beharren ist nur Schein.»
                                mangel in der Bildung und in der Gastronomie
                                wird Personal im Schnellverfahren ausgebildet,                                     Der Kern unserer medizinjournalistischen Arbeit
                                um die Lücken zu schliessen – und aus anderen                                      bleibt jedoch derselbe: Unsere Motivation, unser
                                Weltregionen importiert, wo es dann fehlt. Taugt                                   Credo, ja unsere Passion ist es, Ihnen relevante
                                dieses Modell auch fürs Gesundheitswesen? Es ist                                   Inhalte zu Standespolitik, Berufsbild, Forschung,
                                bereits Realität, denn unsere gesundheitliche                                      Lehre, Fort- und Weiterbildung zu bieten.
                                Versorgung würde jetzt schon zusammenbrechen,
                                wenn wir keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter                                    Lassen Sie mich zum Schluss die eingangs
                                aus dem Ausland hätten! Zweifellos kann das nur                                    erwähnten schrecklichen Ereignisse in Osteuropa
                                eine Notlösung sein, und es braucht langfristig                                    nochmals aufgreifen. Es mag scheinen, dass wir
                                mehr Ressourcen für die Förderung des Nach-                                        als Einzelne gerade auf den Krieg in der Ukraine
                                wuchses, in hausärztlichen wie auch in pflegeri-                                   keinen Einfluss haben. Vielleicht können wir aber
                                schen Berufen.                                                                     trotzdem etwas zur Linderung beitragen:
                                                                                                                   ukrainischen Flüchtlingen Zugang zu unseren
                                Wen interessiert da noch, dass Primary and                                         Praxen ermöglichen; uns um sprachliche Verstän-
                                Hospital Care sein Layout aufgefrischt hat? Es ist                                 digung mit ihnen bemühen, zum Beispiel mithilfe
                                immerhin ein Zeichen für verschiedene Entwick-                                     von Übersetzer-Apps oder Dolmetscherinnen
                                lungen: Der EMH-Verlag und die PHC-Redak-                                          und Dolmetschern; innerhalb und ausserhalb
                                tion möchten nicht bei traditionellen Formaten                                     unserer Praxen ein offenes Ohr für die Nöte der
                                bleiben, sondern mit der Zeit gehen und sich                                       Flüchtlinge haben. Die Liste liesse sich noch
                                weiterentwickeln. Das betrifft nicht nur den                                       deutlich verlängern.
                                leserfreundlichen optischen Auftritt, sondern
                                auch die Digitalisierung: Vermehrt werden wir                                      Finden Sie das jetzt zu politisch für ein Medizin-
                                Artikel auswählen, die online anstatt auf Papier                                   journal? Ich denke nicht, denn als Ärztinnen und
Korrespondenz                   publiziert werden. Damit kommen wir dem                                            Ärzte haben wir eine gesellschaftliche Mitverant-
Prof. Dr. med.
Stefan Neuner-Jehle             Wunsch der Autorinnen und Autoren entgegen,                                        wortung – besonders in Zeiten, die sich in eine
MPH, Institut für               ihre Beiträge rasch zu veröffentlichen; zudem ist                                  ungute Richtung verändern.
Hausarztmedizin
Pestalozzistrasse 24            Papier eben eine knappe Ressource. Der
CH-8091 Zürich                  Spardruck durch höhere Produktionskosten geht
Stefan.Neuner-Jehle[at]
usz.ch                          auch am EMH-Verlag nicht vorbei. Ein einheit­

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4                                                                                                                                                                         2023;23(1):4 | Primary and Hospital Care

 Inhaltsverzeichnis

                                                                                                                  14	La prise en charge gynécologique des femmes
                                                                                                                      incarcérées
                                                                                                                            Timea Annovazzi, Delphine Grognuz, Laura Juan-Torres,
                                                                                                                            Jillian Ruggiero

                                                                                                                  16        ORIGINALARBEIT
                                                                                                                  16        Assistenzärztinnen und -ärzte in der Pädiatrie
                                                                                                                            Julian Jakob, Geschäftsstelle pädiatrie schweiz, Sonja Lüer,
                                                                                                                            Christoph Aebi

                                                                                                                  21        FORTBILDUNG
     24
                                                                                                                  21	Von Urteilsfähigkeit und Kortison-Angst –
                                                                                                                      kurze Updates aus ­Geriatrie und Dermatologie
                                                                                                                            Céline Désirée Fäh
     3       Editorial: Primary and Hospital Care geht mit der Zeit                                               24        Therapie bei muskuloskelettalen Schmerzen
             Stefan Neuner-Jehle                                                                                            Dominic Müller, Barbara Keller, Asha-Naima Ferrante,
                                                                                                                            Caroline Rimensberger, ­Maurizio Alen Trippolini,
     5       News: TARDOC statt Gurlitt                                                                                     Maria M. Wertli
             Jacqueline Strahm
                                                                                                                  28        Atopische Dermatitis und ­infantile Hämangiome
     6       News: Ulrich Stoller übergibt Zepter an Jürg H. Beer                                                           Stefanie Häfliger
             Lars Clarfeld, Ursula Käser, Jürg H. Beer
     8       Pinnwand: JHasS 12. Kongress
                                                                                                                  31        CASE REPORT
                                                                                                                  31        Häufige Stürze mit sehr ­seltener Ursache
     9       FORSCHUNG                                                                                                      Aferdita Reci, Thomas Demirdag
     9 	Soziale Lage und Spitalaufenthalte aufgrund
         ­chronischer ­Erkrankungen
             Lucy Bayer-Oglesby, Nicole Bachmann, Andrea Zum-
             brunn, Maria Solèr

    12       LEHRE
                                                                                                                                     Online only:
    12	Anpassungen im Medizin­studium in der Schweiz                                                                                Lesen Sie online weitere Artikel unter
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             Silvana Romerio, Olivier Pasche, Arabelle Rieder                                                                        list

Impressum
Primary and Hospital Care                                                                                      Autors genannt wird, das Werk nicht für kommerzielle Zwecke verwendet wird und das Werk in keiner Weise
Offizielles Organ von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz, der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine       bearbeitet oder in anderer Weise verändert wird. Die kommerzielle Nutzung ist nur mit ausdrücklicher vor-
Innere Medizin SGAIM, von pädiatrie schweiz, des Kollegiums für Hausarztmedizin KHM, der Schweizeri-           gängiger Erlaubnis von EMH und auf der Basis einer schriftlichen Vereinbarung zulässig.
schen Akademie für Psychosomatische und Psychosoziale Medizin SAPPM, Jungen Hausärztinnen und -ärz-
te Schweiz JHaS sowie der Swiss Young Internists SYI. Es ist Mitglied des «Committee on Publication Ethics»    Verlag: EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz,
(COPE) und ist gelistet im «Directory of Open Access Journals» (DOAJ), womit es die Vorgabe des SIWF an        Tel. +41 61 467 85 55, www.emh.ch
eine Zeitschrift mit Peer-Review erfüllt. Kontakt: Tel. +41 61 467 85 52, office@primary-hospital-care.ch,
www.primary-hospital-care.ch. Manuskripteinreichung online: www.manuscriptmanager.net/phc                      Anzeigen: Markus Will, Tel. +41 61 467 85 97, markus.will@emh.ch und Philipp Lutzer,
                                                                                                               Tel. +41 61 467 85 05, philipp.lutzer@emh.ch
Redaktion im Verlag: Matthias Widmer (Managing Editor a.i.); Jasmin Hell (Managing Editor); Eveline
­Maegli (Redaktionsassistentin)                                                                                Abonnemente: EMH Kundenservice, Postfach, 4601 Olten, Tel. +41 58 510 29 73, emh@asmiq.ch
 Wissenschaftliche Redaktion: Prof. Dr. Stefan Neuner-Jehle, Zürich (Chefredaktor); PD Dr. Roman Hari,
 Bern (Stellvertretender Chefredaktor); Prof. Dr. Thomas Dieterle, Arlesheim; Prof. Dr. Jacques Donzé, Neu-    Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift publizierten Angaben wurden mit der grössten Sorgfalt überprüft. Die mit
 châtel; Dr. Alexandra Röllin Odermatt, Bern; Dr. Alexandre Ronga, Lausanne; Dr. Manuel Schaub, Bern           Verfassernamen gezeichneten Veröffentlichungen geben in erster Linie die Auffassung der Autorenschaft und
 Redaktionelle Zuständigkeit für das standespolitische Ressort «Aktuelles»: Sandra Hügli-Jost (mfe),           nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder. Die angegebenen Dosierungen, Indikationen und
 Lea Muntwyler (SGAIM), Claudia Baeriswyl (SGP), François Héritier (KHM), Niklaus Egloff (SAPPM),              ­Applikationsformen, vor allem von Neuzulassungen, sollten in jedem Fall mit den Fachinformationen der
 Regula Kronenberg (JHaS), Tobias Tritschler (SYI)                                                              verwendeten Medikamente verglichen werden.

ISSN: Printversion: 2297-7155 / elektronische Ausgabe: 2297-7163.                                              Gestaltungskonzept: Agentur Guido Von Deschwanden

© EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG (EMH), 2023. Das Primary Hospital Care ist eine Open-Access-              Druck: Vogt-Schild Druck AG, www.vsdruck.ch
Publikation von EMH unter der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 «Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine
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                                                                                                                                                                  Kollegium für
                                                                                                                                                                  Hausarztmedizin KHM

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PRIMARY AND HOSPITAL CARE
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):5                                                                                                                                                                          5
                                                                                                                                                                                             SGAIM News

                                                                                                                                                         Beschlüsse der Delegiertenversammlung
                                                                                                                                                         vom 17. November 2022 im Überblick:
                                                                                                                                                         – Verabschiedung des Protokolls der De-
                                                                                                                                                           legiertenversammlung vom 24.03.2022.
                                                                                                                                                         – Mitgliederbeiträge 2023 bleiben unverän-
                                                                                                                                                           dert.
                                                                                                                                                         – Wahl der Revisionsstelle: BDO AG in Basel.
                                                                                                                                                         – Abnahme der Jahresziele 2023, die da wären:
                                                                                                                                                           – Fertigstellung des Weissbuchs «Quali-
                                                                                                                                                               tätsverbesserung in der Medizin»;

                                                                                                                               © SGAIM / Lea Muntwyler
                                                                                                                                                           – Stärkung der Forschungsförderung in
                                                                                                                                                               der Allgemeinen Inneren Medizin;
                                                                                                                                                           – Überarbeitung des Fortbildungspro-
                                                                                                                                                               gramms;
                                                                                                                                                           – Abgabe der Selbstdeklaration zur Akkre-
Jahresziele, Budget und Statutenanpassung: Die Delegierten fassten Beschlüsse zu diesen und                                                                    ditierung des Weiterbildungstitels AIM
weiteren Anliegen.                                                                                                                                             Zyklus 2025;
                                                                                                                                                           – Ergänzung des Lernzielkatalogs mit «Ent-
                                                                                                                                                               rustable Professional Activities» (EPAs);
                                                                                                                                                           – Fortführung der Arbeitsgruppe «Spital-
Delegiertenversammlung
                                                                                                                                                               basierte AIM» für die Erarbeitung von

TARDOC statt Gurlitt
                                                                                                                                                               Lösungsansätzen und Verbesserungs-
                                                                                                                                                               vorschlägen;
                                                                                                                                                           – Inbetriebnahme der neuen SGAIM
                                                                                                                                                               Lounge in 2023
Inmitten einer bedeutenden Sammlung europäischer Kunst vom                                                                                                 – Pilotversuch: Durchführung eines hybri-
                                                                                                                                                               den Frühjahrskongresses;
Spätmittelalter bis zur Gegenwart ­trafen sich die SGAIM-Delegier-
                                                                                                                                                           – Durchführung einer zweiten «SGAIM
ten am 17. November 2022 im Kunstmuseum Bern. Neben den Jah-                                                                                                   Diagnostic Masterclass»;
reszielen und dem Budget für 2023 sowie weiteren Standardtraktan-                                                                                          – Veröffentlichung einer französischen
                                                                                                                                                               und überarbeiteten Version des Leitfa-
den stand das Thema «TARDOC» im Zentrum der Versammlung.
                                                                                                                                                               dens «Die oberärztliche Tätigkeit – eine
                                                                                                                                                               neue Herausforderung»;
                                                                                                                                                           – Erste Verleihung des Prix Lumière für
Jacqueline Strahm
Direktionsassistenz SGAIM                                                                                                                                      eine innovative Lösung innerhalb der
                                                                                                                                                               AIM in 2023.
                                                                                                                                                         – Anpassung der Statuten der SGAIM in den
Wie weiter mit TARDOC und den ambulanten                         gnostic Masterclass» in 2022 ist auch im Folge-                                           folgenden Punkten:
Pauschalen? Ist er der ambulante Arzttarif der                   jahr eine Durchführung vorgesehen. Z    ­ udem                                            – Art. 3, Absatz 3, neu werden auch inter-
Zukunft? In einer Podiumsrunde diskutierten                      wird der nächste SGAIM-Frühjahrskongress als                                                  essierte Masterstudierende als ausseror-
Dr. med. Urs Stoffel, Mitglied des Zentralvor-                   hybride Weiter- und Fortbil­dungsveranstaltung                                                dentliche Mitglieder aufgenommen.
stands der FMH, Roger Scherrer, Geschäfts-                       geplant, an der erstmals der «Prix Lumière» für                                           – Art. 18, die Delegiertenversammlung
führer von tarifsuisse, und Dr. med. Philippe                    eine innovative Lösung in der Allgemeinen In-                                                 findet nur noch einmal jährlich im
Luchsinger, Präsident von mfe Haus- und Kin-                     neren Medizin verliehen wird.                                                                 Herbst statt. Gewisse Aktivitäten werden
derärzte Schweiz, diese und weitere brisante                                                                                                                   ab 2023 an die Generalversammlung de-
Fragen zur Entwicklung des Tarifsystems.                         Nachfolge im Vorstand bestätigt                                                               legiert.
                                                                 Mit einer persönlichen Laudatio des Co-Präsi-                                           – Vorstandswahlen: Dr. Myriam Oberle wird
Die SGAIM stellt ihre Weichen für die                            diums wurde Dr. Romeo Providoli aus dem                                                   als Nachfolge für Dr. Romeo Providoli per
Zukunft                                                          Vorstand verabschiedet und sein ausserordent-                                             1.1.2023 in den Vorstand gewählt.
Für 2023 setzt sich die SGAIM diverse Ziele, um                  liches Engagement in der Fachgesellschaft                                               – Das Budget 2023 wird genehmigt.
die Fachrichtung insbesondere in den Berei-                      gewürdigt. Der Vorstand ist erfreut, dass
                                                                 ­
chen Qualität, Forschung und Nachwuchs wei-                      ­Romeo Providoli sein Engagement in der Fort-                                           Redaktionelle Verantwortung
terzuentwickeln und ihre Mitglieder in ihrem                      bildungskommission fortsetzt. Die Bündner                                              Lea Muntwyler
                                                                                                                                                         Verantwortliche Kommunikation/Marketing
Arbeitsalltag zu unterstützen. So wird das Fort-                  Hausärztin Dr. Myriam Oberle wurde als                                                 Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere
bildungsprogramm überarbeitet, das Weiss-                         Nachfolgerin per 1. Januar 2023 gewählt.                                               Medizin (SGAIM)
buch «Qualitätsverbesserung in der Medizin»                            Beim anschliessenden Apéro bot sich dann                                          Monbijoustrasse 43
                                                                                                                                                         Postfach
fertiggestellt sowie eine französischsprachige                    auch noch die Gelegenheit, sich über die Her-                                          CH-3001 Bern
und überarbeitete Version des Leitfadens «Die                     ausforderungen des Fachbereichs oder auch die                                          lea.muntwyler[at]sgaim.ch
oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausfor-                    aktuelle Kunstausstellung zum Gurlitt-Nach-
derung» publiziert werden. Nach dem Erfolg                        lass auszutauschen.
der Fortbildungsveranstaltung «SGAIM Dia-

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.                                   See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
PRIMARY AND HOSPITAL CARE
6                                                                                                                                                2023;23(1):6–7 | Primary and Hospital Care

    SGAIM News

                                                                                                                                                                                                 © SGAIM
Die Anzahl der Teilnehmenden an den Facharztprüfungen in Allgemeiner Innerer Medizin hat in den letzten Jahren zugenommen.

Facharztprüfungskommission

Ulrich Stoller übergibt Zepter
an Jürg H. Beer
Ulrich Stoller ist nach sieben Jahren als Präsident der Facharztprüfungskommission per Ende 2022 zu-
rückgetreten. Während seiner Präsidialzeit hat er erfolgreich die helvetischen Prüfungsfragen etabliert,
die wesentlich zu einer hohen Prüfungsqualität beigetragen haben. Seit 1. Januar 2023 präsidiert Jürg H.
Beer die Facharztprüfungskommission.

Lars Clarfelda, Ursula Käserb, Jürg H. Beerc,d,e
a
    Generalsekretär SGAIM; bVerantwortliche Bereich Qualität, Weiter- und Fortbildung SGAIM; c Präsident Facharztprüfungskommission SGAIM;
d
    Consultant Departement Medizin, Kantonsspital Baden; e Center for Molecular Cardiology, Universität Zürich

Ulrich Stoller hat das Präsidium der Facharzt-                   Fachdelegierter der SGAIM in der Weiterbil-                         von Ulrich Stoller zu verdanken, dass die
prüfungskommission am 01.09.2015 über-                           dungsstättenkommission des Schweizerischen                          SGAIM sie erfolgreich etablieren konnte. Be-
nommen. Nicht weniger als 6‘664 angehende                        Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung                     sorgt darüber, dass an der Facharztprüfung zu-
Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeine                       (SIWF).                                                             nehmend die Fähigkeit des Auswendiglernens
Innere Medizin haben in der Zwischenzeit an                                                                                          geprüft wird, hat Ulrich Stoller 2016 beim Vor-
15 erfolgreich durchgeführten Facharztprüfun-                    Helvetische Prüfungsfragen erfolgreich                              stand der SGAIM erfolgreich beantragt,
gen teilgenommen. Ulrich Stoller ist auf eige-                   eingeführt                                                          schweizerische Prüfungsfragen zu erarbeiten.
nen Wunsch per Ende Dezember 2022 als Prä-                       Die helvetischen Prüfungsfragen sind heute in                       Er hat im Einführungsprozess auch schwierige
sident zurückgetreten, engagiert sich aber wei-                  der Allgemeinen Inneren Medizin nicht mehr                          Momente mit der Überzeugung überwunden,
terhin als Mitglied in der Facharztprüfungs-                     wegzudenken. Es ist vor allem der klaren Vi-                        dass die helvetischen Fragen ein wesentliches
kommission. Ebenso ist er weiterhin geschätzter                  sion und dem hohen persönlichen Engagement                          Element der Qualitätssicherung darstellen,

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PRIMARY AND HOSPITAL CARE
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):6–7                                                                                                                                                    7
                                                                                                                                                                         SGAIM News

denn sie gewährleisten, dass «echtes» Ba-                                                                                            SGAIM Foundation
sisfachwissen der Allgemeinen Inneren
Medizin geprüft wird. In einer detaillierten                                                                                         Forschungsförderung
und wissenschaftlich fundierten Publika-
tion konnte aufgezeigt werden, dass die                                                                                              Die medizinische Forschungsstiftung SGAIM
helvetischen, nicht öffentlich zugänglichen                                                                                          Foundation lanciert für 2022/2023 eine Preis-
Fragen sich seit der Einführung 2018 sehr                                                                                            ausschreibung zum Thema «Diagnostic quality
gut etabliert haben [1] und sich bezüglich                                                                                           and excellence». Es sollen Forschungsprojekte
Qualität und Schwierigkeitsgrad im Ver-                                                                                              unterstützt werden, die retrospektiv oder pros-
gleich mit den MKSAP-Fragen hervorra-                                                                                                pektiv Diagnosequalität (z.B. anhand von Qua-
gend verhalten.                                                                                                                      litätsindikatoren), Diagnoseprozesse und/oder
     Ulrich Stoller war wesentlich mitver-                                                                                           diagnostische Fehler in der ambulanten oder
antwortlich für die hohe Qualität der Fach-                                                                                          stationären Allgemeinen Inneren Medizin
arztprüfungsfragen. Minutiös wählte er sie                                                                                           untersuchen. Die Projektanträge in englischer
aus und prüfte sie zusammen mit der                                                                                                  Sprache sind bis zum 28. Februar 2023 bei der
Kommission und den Fachexperten des                              Der neue Präsident Jürg H. Beer                                     SGAIM Foundation via foundation[at]sgaim.
Instituts für Medizinische Lehre der Uni-                                                                                            ch einzureichen. Weitere Informationen unter
versität Bern (IML). Die Zusammenarbeit                                                                                              www.sgaim.ch/forschung.
mit Ulrich Stoller war von einer grossen                         Kantonsspital Baden. Er ist weiterhin en-
Wertschätzung gegenüber der Kommis-                              gagiert als Professor/Forschungsgruppen-
sion, dem Vorstand, der Geschäftsstelle                          leiter in der Plättchenforschung am Center
und den Prüfungskandidatinnen und                                for Molecular Cardiology der Universität
-kandidaten geprägt. Die SGAIM und die                           Zürich, in diversen Verwaltungsräten von
Mitglieder der Facharztprüfungskommis-                           Spitälern und klinisch-internistisch sowie
                                                                                                                                     SGAIM Preis
sion danken Ulrich Stoller für seinen                            hämatologisch am Kantonsspital Baden.
ausserordentlichen Einsatz in den vergan-
genen Jahren.
                                                                      Die Generierung und Weiterentwick-
                                                                 lung von inhaltlich praxisrelevanten Fra-
                                                                                                                                     Jetzt Originalarbeit
                                                                 gen des Fachs und deren technisch-wis-                              ­einreichen
                                                                 senschaftliche Qualität sind seine Anliegen
                                                                 und garantieren die nahtlose Weiterfüh-                             Die SGAIM fördert patientenzentrierte klini-
                                                                 rung der Kommissionsaufgabe. «Das                                   sche Forschung sowie innovative Versorgungs-
                                                                 Potential der elektronischen Prüfung mit                            modelle und unterstützt junge Forschende auf
                                                                 möglichst patientennahen und -relevanten                            ihrem Karriereweg. Dies unter anderem mit
                                                                 Inhalten gilt es auszuloten», sagt Jürg H.                          dem «SGAIM Preis» für die beste wissenschaft-
                                                                 Beer.                                                               liche Originalarbeit in der Höhe von 10 000
                                                                                                                                     Franken. Das Thema der Arbeit muss für die
                                                                 Literatur                                                           Betreuung von Patientinnen und Patienten mit
                                                                 1 Ferrari Pedrinia P, Berendonk C, Ehle Roussyde
                                                                                                                                     allgemein-internistischen Krankheiten bedeu-
                                                                 A, Gabutti L, Hugentobler T, Küng L, et al. Swiss
                                                                 general internal medicine board examination:                        tend sein oder Grundlagen für diagnostische
                                                                 quantitative effects of publicly available and un-                  oder therapeutische Möglichkeiten im Zusam-
                                                                 available questions on question difficulty and test
                                                                                                                                     menhang mit internistischen Krankheiten
                                                                 performance. Swiss Med Wkly. 2022;152:w30118.
                                                       © SGAIM

                                                                                                                                     schaffen. Die Arbeit ist bis zum 31. März 2023
                                                                                                                                     mit dem Vermerk «SGAIM-Preis 2023» an die
Ulrich Stoller, langjähriger Präsident der                       Redaktionelle Verantwortung:                                        E-Mail-Adresse info[at]sgaim.ch einzureichen.
SGAIM-Facharztprüfungskommission.                                Lea Muntwyler, SGAIM

                                                                 Korrespondenz
                                                                 Lea Muntwyler
Jürg H. Beer, der neue Präsident                                 Verantwortliche Kommunikation/Marketing
Der Vorstand der SGAIM hat Jürg H. Beer                          Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere
                                                                 Medizin (SGAIM)
per 1. Januar 2023 zum neuen Präsidenten
der Facharztprüfungskommission ge-
wählt. Jürg H. Beer ist seit 2005 Mitglied                         Lesen Sie auch das Interview mit Jürg                             Redaktionelle Verantwortung
der Facharztprüfungskommission. Er hat                             H. Beer auf der Website des «Primary                              Lea Muntwyler
                                                                                                                                     Verantwortliche Kommunikation/Marketing
in Bern Medizin studiert und sich an-                              and Hospital Care» zu seinem Amts-
                                                                                                                                     Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere
schliessend am Inselspital Bern, dem Uni-                          antritt als neuer Präsident der Fach-                             Medizin (SGAIM)
versitätsspital Zürich sowie in New York                           arztprüfungskommission.                                           Monbijoustrasse 43
                                                                                                                                     Postfach
zum Internisten und Hämatologen weiter-
                                                                                                                                     CH-3001 Bern
gebildet. Er habilitierte sich an der Univer-                                                                                        lea.muntwyler[at]sgaim.ch
sität Bern und Zürich und war bis Ende
2021 Chefarzt des Departements Innere
Medizin und stellvertretender CEO am

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8                                                                                                                                         2023;23(1):8 | Primary and Hospital Care

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PRIMARY AND HOSPITAL CARE
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):9–11 | 10.4414/phc-d.2023.10493                                                                                                                      9
                                                                                                                                                                           Forschung

Projekt 4 des Nationalen Forschungsprogramms 74 «Smarter Health Care»

Soziale Lage und Spitalaufent-
halte aufgrund chronischer
­Erkrankungen
Im Rahmen der Studie «Social Inequalities and Hospitalisations in Switzerland» (SIHOS) wurden für
eine repräsentative Stichprobe der Schweizer Bevölkerung anonymisierte, soziale und medizinische
Daten nationaler BFS-Erhebungen verknüpft. Anhand dieser neuen Datenbasis konnte zum ersten Mal
für die Schweiz gezeigt werden, dass bestimmte soziale Gruppen ein erhöhtes Risiko für Spitalaufent-
halte aufgrund chronischer Erkrankungen aufweisen. Auch bei der Aufenthaltsdauer im Spital und bei
ungeplanten Wiedereintritten wurden Unterschiede zwischen sozialen Gruppen festgestellt, ebenso
beim Übertritt von älteren Personen in ein Pflegeheim nach einem Aufenthalt im Akutspital.

Lucy Bayer-Oglesbya, Nicole Bachmannb, Andrea Zumbrunnb, Maria Solèrb
a
    Principal Investigator; b Senior Researcher, Institut Soziale Arbeit und Gesundheit, Hochschule für Soziale Arbeit, Olten, Fachhochschule Nordwestschweiz

Hintergrund                                                      nicht-übertragbaren, chronischen Erkran-                            erhebung wurden Indikatoren zur sozialen
In der Schweiz ist ein klarer sozialer Gradient                  kungen, da diese rund 80 Prozent der gesam-                         Lage einer Person abgeleitet, z.B. für den Bil-
in Bezug auf das Gesundheitsverhalten, die                       ten Gesundheitskosten der Schweiz verursa-                          dungsstatus, die sozialen Ressourcen oder den
Krankheitslast und die Sterblichkeit gut belegt                  chen [3].                                                           Migrationshintergrund. Die Analysen erfolg-
[1]. Bei der Inanspruchnahme ambulanter me-                           Einige dieser chronischen Erkrankungen                         ten für chronische Erkrankungen, z.B. Krebs,
dizinischer Leistungen in der Schweiz sind                       werden als sogenannte ambulatory care sensi-                        Herz-Kreislauferkrankungen oder psychische
ebenfalls soziale Unterschiede dokumentiert                      tive conditions eingestuft, d.h. ein Spitalaufent-                  Störungen.
[2]. Internationale Studien zeigen zudem Wir-                    halt kann durch adäquate ambulante Behand-
kungen von sozialen Faktoren auf die statio-                     lung und Betreuung, Therapietreue oder Ände-
näre Versorgung, z.B. in Bezug auf Hospitalisa-                  rung des Lebensstils vermieden werden. Sozial                       Sozial Benachteiligte
tionsrisiken und Wiedereintritte.                                Benachteiligte verfügen jedoch oft über weni-                       verfügen über weniger
     Die Studie «Social Inequalities and Hospi-                  ger soziale und sozioökonomische Ressourcen                         Ressourcen für die
talisations in Switzerland» (SIHOS) verfolgte                    für ein erfolgreiches Management respektive
das Ziel, zum ersten Mal in der Schweiz natio-                   die Bewältigung ihrer chronischen Erkran-
                                                                                                                                     Bewältigung ihrer
                                                                 kung, sodass sich ihr Zustand vermutlich häu-                       Krankheit.
                                                                 figer soweit verschlechtert, dass ein Spitalauf-
Eine Person mit aus-                                             enthalt notwendig wird.                                                 Zudem wurden in einer qualitativen Teil-
schliesslich obligatorischer                                                                                                         studie in Fokusgruppen förderliche und er-
Schulbildung hatte ein                                           Methoden                                                            schwerende Faktoren für den Zugang, die Nut-
                                                                 Für die SIHOS-Studie wurden nationale Ge-                           zung und die Qualität der Spitalbehandlung
höheres Risiko, hospitali-                                       sundheits- und Sozialdaten am Bundesamt für                         mit sozial benachteiligten Patientengruppen
siert zu werden.                                                 Statistik (BFS) mittels Hashing-Ver­fahren ano-                     sowie mit Gesundheits- und Sozialhilfe-Fach-
                                                                 nymisiert. Über den anonymen Verbindungs-                           personen diskutiert.
nale Spitaldaten mit nationalen Daten zur so-                    code wurden anschliessend u.a. 9,6 Millionen
zialen Lage anonymisiert zu verknüpfen und                       Records der medizinischen Statistik der Kran-                       Resultate
Zusammenhänge zwischen sozialer Lage und                         kenhäuser (MS 2010–2016) und 1,2 Millionen                          Abbildung 1 illustriert, wann sich soziale Be-
Inanspruchnahme stationärer Leistungen zu                        Records der Strukturerhebung (SE 2010–2014)                         nachteiligungen im Verlauf eines Spitalaufent-
analysieren. Der Fokus der Studie lag bei den                    verknüpft. Von den Variablen der Struktur­                          haltes manifestieren können. In Bezug auf das

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PRIMARY AND HOSPITAL CARE
10                                                                                                                                              2023;23(1):9–11 | Primary and Hospital Care

Forschung

Abbildung 1: Ablauf von Hospitalisationen und mögliche Manifestationen sozialer Benachteiligung, die im Rahmen des NFP-74-Projekts SIHOS analy-
siert werden konnten.

Risiko eines Spitaleintritts zeigten sich die                    generkrankungen (COPD) und Asthma, d.h.                             treten, auch dies unabhängig von Alter, Ge-
stärksten Bildungsgradienten bei Diabetes,                       bei den untersuchten ambulatory care sensitive                      schlecht, Nationalität und Gesundheitszustand
Herzinsuffizienz, chronisch obstruktiven Lun-                    conditions, sowie bei Lungenkrebs und bei psy-                      [7].
                                                                 chischen Erkrankungen (N = 1 042 706): Eine                              In den Fokusgruppen mit chronisch Kran-
                                                                 Person mit ausschliesslich obligatorischer                          ken wurde übereinstimmend der Wunsch nach
                                                                 Schulbildung hatte ein zwei- bis dreimal so ho-                     einer kontinuierlichen und konstanten profes-
 Reihe: Projekte des Natio-                                      hes Risiko, aufgrund einer dieser Erkrankun-                        sionellen Unterstützung geäussert, die über die
 nalen Forschungspro-                                            gen hospitalisiert zu werden, wie eine Person                       medizinische Behandlung hinausgehen sollte.
 gramms NFP 74 «Smarter                                          mit Tertiärausbildung, und zwar unter Berück-                       Während Personen in guter sozialer Lage über
                                                                 sichtigung von Alter, Geschlecht, Nationalität                      die Diagnose, die Einzelheiten der Behandlung
 Health Care»                                                    und Erhebungsjahr [4].                                              und auch über mögliche Hilfestellungen nach
 Der vorliegende Text fasst die wichtigsten                           Im Spital (N = 140 903) hatten Patientinnen                    dem Spital informiert werden wollten und er-
 Ergebnisse des Projekts Nr. 4 «Soziale                          und Patienten mit tiefem Bildungsstand einen                        warteten, in wichtige Entscheidungen einbezo-
 ­Ungleichheiten in der stationären Gesund-                      etwas längeren Aufenthalt als Personen mit
  heitsversorgung in der Schweiz» von Dr.                        Tertiärausbildung. Dieser Effekt konnte jedoch
  sc. nat. Lucy Bayer-Oglesby von der Fach-                      fast vollständig mit dem ebenfalls beobachteten                     Sozial Benachteiligte mit
  hochschule Nordwestschweiz zusammen.                           sozialen Gradienten bei der Komorbidität er-                        Migrationshintergrund
  Dieses Projekt ist eines von insgesamt 34                      klärt werden. [5]. Bei Spitalpatientinnen und                       äusserten das Bedürfnis
  geförderten Projekten des NFP 74 des                           -patienten (N = 62 109) waren zudem ein tiefer
  Schweizer Nationalfonds. Ziel des NFP 74                       Bildungsstatus und weniger finanzielle Res-
                                                                                                                                     nach einer Unterstüt-
  ist es, wissenschaftliche Grundlagen für                       sourcen mit einem erhöhten Risiko für einen                         zungsperson, die sie zu
  eine gute, nachhaltig gesicherte und                           ungeplanten Wiedereintritt innerhalb von                            Arztterminen begleitet.
  «smarte» Gesundheitsversorgung in der                          30 Tagen nach Spitalaustritt verbunden, unab-
  Schweiz bereitzustellen.                                       hängig von soziodemografischen Faktoren und                         gen zu werden, äusserten insbesondere sozial
                                                                 dem Gesundheitszustand [6]. Geringe finan-                          ­Benachteiligte mit Migrationshintergrund das
 Informationen: nfp74.ch                                         zielle und soziale Ressourcen und ein tiefer                         Bedürfnis nach einer Unterstützungsperson,
                                                                 ­Bildungsstatus erhöhten bei älteren Personen                        die sie zu Arztterminen begleitet, die hilft,
                                                                  (N = 60 209), die vor dem Spitaleintritt noch zu                    Misstrauen und Ängste abzubauen, und die
                                                                  Hause wohnten, das Risiko, nach dem Aufent-                         den Zugang zum Gesundheits- und Sozialver-
                                                                  halt im Akutspital in ein Pflegeheim einzu­                         sicherungssystem erleichtert.

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PRIMARY AND HOSPITAL CARE
Primary and Hospital Care | 2023;23(1):9–11                                                                                                                                                11
                                                                                                                                                                             Forschung

Diskussion                                                       scher Erkrankung wurden ­          unterschiedliche                 ligte Patientinnen und Patienten mit komple-
Die SIHOS-Studie konnte aufzeigen, dass sich                     ­Effekte festgestellt. Viele ­dieser Effekte wirken                 xen Gesundheits- und Sozialproblemen kon-
in der Schweiz soziale Ungleichheiten vor, wäh-                   (teilweise) indirekt via die allgemein höhere                      frontiert und benötigen sowohl adäquate me-
rend und nach einem Spitalaufenthalt mani­                        Krankheitslast sozial benachteiligter Bevölke-                     dizinische Behandlung als auch Unterstützung
festieren. Je nach sozialem Faktor und chroni-                    rungsgruppen. Häufig sind sozial benachtei-                        bei der Bewältigung des täglichen Lebens, ge-
                                                                                                                                     rade auch in der Phase direkt nach dem Spital-
                                                                                                                                     austritt. Dies impliziert eine engere Koordina-
                                                                                                                                     tion zwischen medizinischer Versorgung und
  Interview mit Dr. phil. Nicole Bachmann, Wissenschaftliche                                                                         informellen sowie professionellen Unterstüt-
  Mitarbeiterin, Institut Soziale Arbeit und G
                                             ­ esundheit,                                                                            zungsleistungen. Darauf geht das Interview mit
  Hochschule für Soziale Arbeit FHNW                                                                                                 Nicole Bachmann näher ein.

  Warum Soziale Arbeit und Gesundheits-                          Können Sie ein Beispiel geben?
  versorgung stärker zusammenarbeiten                            Nehmen wir eine ältere Frau mit geringer                            Literatur
                                                                                                                                     1 Obsan (ed). Gesundheit in der Schweiz – Fokus chro-
  müssen                                                         Schul­bildung, die einer körperlich und psy-
                                                                                                                                     nische Erkrankungen. Nationaler Gesundheitsbericht
                                                                 chisch belastenden Arbeit nachgeht und an                           2015. Bern: Hogrefe Verlag, 2015.
  Warum ist es wichtig, über die soziale                         chronischem Stress leidet, der unter ande-                          2 Osborn R, Squires D, Doty MM, et al. In New Survey
                                                                                                                                     Of Eleven Countries, US Adults Still Struggle With Ac-
  Lage und die Gesundheitsversorgung                             rem durch ihre prekäre finanzielle Lage ver-
                                                                                                                                     cess To And Affordability Of Health Care. Health Affairs
  von chronisch Kranken zu forschen und                          ursacht wird. Wenn diese Frau an starken                            2016;35:2327–36.
  zu diskutieren?                                                chronischen Rückenschmerzen leidet, die                             3 Wieser S, Riguzzi M, Pletscher M, et al. How much
                                                                                                                                     does the treatment of each major disease cost? A de-
  Das Thema Soziale Lage und Gesundheit                          typischerweise mit einer depressiven Ver-
                                                                                                                                     composition of Swiss National Health Accounts. The
  oder Chancengleichheit in der Gesundheit                       stimmung einhergehen, benötigt sie nicht                            European Journal of Health Economics. Epub ahead of
  begleitet mich seit bald 30 Jahren in der For-                 nur medizinische, sondern auch soziale Be-                          print 2018. DOI: 10.1007/s10198-018-0963-5.
                                                                                                                                     4 Bayer-Oglesby L, Bachmann N, Zumbrunn A. Soziale
  schung und der kantonalen Verwaltung. Die                      gleitung. Durch dieses Zusammenspiel sind
                                                                                                                                     Lage und Spitalaufenthalte aufgrund chronischer Er-
  Problematik hat im Verlauf dieser Jahre nicht                  erst die Voraussetzungen gegeben, dass sie                          krankungen | OBSAN, https://www.obsan.admin.ch/de/
  an Brisanz verloren – ganz im Gegenteil, die                   selbst den nötigen Beitrag leisten kann, um                         publikationen/soziale-lage-und-spitalaufenthalte-auf-
                                                                                                                                     grund-chronischer-erkrankungen (2020, accessed 9
  gesundheitliche Schere zwischen Arm und                        Schmerzen und Depression zu bewältigen
                                                                                                                                     March 2021).
  Reich geht in der Schweiz weiter auf, was                      oder damit auf möglichst gute Art leben und                         5 Bayer-Oglesby L, Zumbrunn A, Bachmann N, et al.
  auch COVID-19 deutlich gezeigt hat. Die Be-                    arbeiten zu können. Die für eine solche Pa-                         Social inequalities, length of hospital stay for chronic
                                                                                                                                     conditions and the mediating role of comorbidity and
  wältigung einer chronischen Krankheit hängt                    tientin notwendige nahe Zusammenarbeit
                                                                                                                                     discharge destination: A multilevel analysis of hospital
  unter anderem von der Balance zwischen                         zwischen Gesundheits- und Sozialsystem ist                          administrative data linked to the population census in
  Belastungen und Ressourcen ab, die einer                       in der Schweiz bis heute kaum etabliert, was                        Switzerland. PLOS ONE 2022; 17: e0272265.
                                                                                                                                     6 Zumbrunn A, Bachmann N, Bayer-Oglesby L, et al.
  Person zur Verfügung stehen.                                   auch mit der Finanzierungslogik zu tun hat.
                                                                                                                                     Social disparities in unplanned 30-day readmission
                                                                                                                                     rates after hospital discharge in patients with chronic
  Was bedeutet dies speziell für Spitalbe-                       Was würden Sie verändern, wenn Sie                                  health conditions: A retrospective cohort study using
                                                                                                                                     patient level hospital administrative data linked to the
  handlungen?                                                    freie Hand hätten?
                                                                                                                                     population census in Switzerland. PLOS ONE 2022; 17:
  Ein wichtiges Ergebnis der SIHOS-Studie ist,                   Wichtig scheint mir, dass im Spital Rahmen-                         e0273342.
  dass sozial benachteiligte Spitalpatientinnen                  bedingungen geschaffen werden, damit                                7 Bachmann N, Zumbrunn A, Bayer-Oglesby L. Social
                                                                                                                                     and Regional Factors Predict the Likelihood of Admis-
  und -patienten in der Schweiz häufiger von                     Fachpersonen adäquat auf die Bedürfnisse
                                                                                                                                     sion to a Nursing Home After Acute Hospital Stay in
  Multimorbidität betroffen sind als gut situ-                   sozial benachteiligter Personen eingehen                            Elderly People with Chronic Health Conditions: A Multi-
  ierte Spitalpatientinnen und -patienten. Auf-                  können. Dazu gehört auch, dass die Finan-                           level Analysis Using Routinely Collected Hospital and
                                                                                                                                     Census Data in Switzerland. ­Frontiers in Public Health
  grund der prekären Lebensumstände belas-                       zierung der Sozialdienste an den Spitälern
                                                                                                                                     2022; 10: 871778.
  ten sie die Folgen der Erkrankungen zudem                      gesichert ist, inklusive kulturellen Dolmet-
  ungleich stärker. Bei vielen Menschen mit                      schens. Um dem von Betroffenen genannten
  Migrationshintergrund betrifft dies zum Bei-                   Wunsch nach ambulanter kontinuierlicher                             Korrespondenz
  spiel die Angst vor dem Verlust des Arbeits-                   Begleitung nachzukommen, bedarf es                                  Für das Projekt:
                                                                                                                                     Dr. sc. nat. Lucy Bayer-Oglesby
  platzes und, als Konsequenz, der Aufent-                       ausserdem einer guten Zusammenarbeit                                Fachhochschule Nordwestschweiz
  haltsbewilligung. Gleichzeitig berichten                       zwischen medizinischer Grundversorgung                              Hochschule für Soziale Arbeit Olten
  Menschen in prekärer sozialer Lage öfter von                   und Sozialer Arbeit. Erfolgreich umgesetzt                          lucy.bayer(at)fhnw.ch

  der Angst vor Diskriminierung und äussern                      wird dies beispielhaft in Hausarztpraxen, die                       Für das Programm:
  geringere Erwartungen an die Spitalversor-                     Sozialarbeitende angestellt haben, wodurch                          Heini Lüthy
  gung. Dies kann dazu führen, dass ihre Le-                     auch soziale Folgeprobleme der chronischen                          Verantwortlicher Medienarbeit des NFP 74
                                                                                                                                     www.nfp74.ch
  benssituation nicht adäquat berücksichtigt                     Erkrankungen unmittelbar angegangen wer-                            Tössfeldstrasse 23
  wird oder dass die Betroffenen selbst sich zu                  den können. Die Möglichkeit für besonders                           CH-8400 Winterthur
  wenig für ihre Bedürfnisse einsetzen. Diese                    vulnerable Personen, nach e ­ inem Spitalaus-                       hl[at]hluethy.ch

  Diskrepanz kann zu einer schlechteren Be-                      tritt vorübergehend zu Hause Unterstützung
  handlungsqualität,     einem    schlechteren                   zu bekommen, sollte schliesslich nicht mehr
  Krankheitsverlauf und mehr ungeplanten Re-                     davon abhängig sein, wo man wohnt oder ob
  hospitalisationen führen.                                      man sich eine Zusatzversicherung leisten
                                                                 kann.

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    Lehre

Welche Schlussfolgerungen und welche Zukunftsperspektiven?

Anpassungen im Medizin­
studium in der Schweiz seit der
­SARS-CoV-2-Pandemie
Sollten wir die SARS-CoV-2-Krise als eine Gelegenheit sehen, uns für die ebenso unerwarteten wie
eigenartigen Erfahrungen zu bedanken, die wir – Dozierende, praktizierende Ärztinnen und Ärzte so-
wie Studierende – in einem Pandemiejahr gemeinsam erlebt haben? Die Analyse der Erfahrungen der
Studierenden zeigt so etwas wie frische Energie, deren Mehrwert auf dem Geist von Initiative und Inno-
vation beruht, den die ungünstigen Umstände wider Erwarten angeregt zu haben scheinen. In diesem
Artikel erörtern wir einige Erfahrungsberichte aus einem Studienjahr in Krisenzeiten.

Silvana Romerioa, Olivier Pascheb, Arabelle Riederc
a
  Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel, Medizinische Fakultät, Universität Basel; b Ausbildungsverantwortlicher, Vizedirektor des Instituts für Hausarztmedi-
zin (IMF), Universität Freiburg; c Responsable d’enseignement en contexte de stage, Institut universitaire de Médecine de la Famille et de l’Enfance (IuMFE), Faculté de Méde-
cine, Université de Genève

Einleitung                                                       kenswerte und oftmals inspirierende Aspekte                         versität zur Verfügung gestellten Informatio-
Wie die Dozierenden aller Hochschulen in der                     dieser anstrengenden und fachlich wie pädago-                       nen. Informationen zu Prüfungen wurden in-
Schweiz und weltweit mussten sich die Lehr-                      gisch anspruchsvollen Zeit. Wir stützen uns auf                     des lediglich als ausreichend mit einem media-
beauftragten (LB) der Schweizer Institute für                    mehrere Informationsquellen:                                        nen Ergebnis von 4 bewertet.
Hausarztmedizin sehr rasch an die tiefgrei-                      – eine Umfrage der Universität Basel [3];                                Auch die Verfügbarkeit und Qualität des
fenden Veränderungen anpassen, die seit der                      – Erfahrungs- und Erlebnisberichte von Me-                          bereitgestellten Lehrmaterials wurden lediglich
ersten SARS-CoV-2-Welle im März 2020 bei                            dizinstudierenden an drei Schweizer Medi-                        als ausreichend bewertet. Die Studierenden zo-
ihrem Auftrag zur Übermittlung von medizi-                          zinfakultäten (Basel, Freiburg und Genf)                         gen aufgezeichnete Vorlesungen deutlich vor.
nischem Wissen und Know-how an die Medi-                            sowie von LB an Instituten für Hausarzt­                         Streaming ohne Aufzeichnung wurde weniger
zinstudierenden eingetreten sind [1]. Die Me-                       medizin (Basel, St. Gallen, Lausanne, Bern),                     geschätzt.
dizinstudierenden waren damit konfrontiert,                         die im April und Mai 2021 per E-Mail kon-                             Selbststudium war für zahlreiche Studie-
dass Präsenz-Lehrveranstaltungen annulliert,                        taktiert wurden.                                                 rende eine Problemquelle. Sie hatten Motiva-
stark geändert oder verringert wurden. Die                                                                                           tionsschwierigkeiten und bewerteten ihr Ler-
LB und Studierenden mussten sich mit inno-                                                                                           nen nur als ausreichend.
vativen Lehrmethoden vertraut machen, was                        Umfrage unter Medizinstudieren-                                          Der Mehrheit der Studierenden fehlten die
von allen Beteiligten einen erheblichen Anpas-                   den in Basel                                                        praktischen Übungen und sozialen Interaktio-
sungsaufwand erforderte. Der Lockdown für                        Die Rücklaufquote einer Umfrage der medizi-                         nen.
die Schweizer Bevölkerung in der ersten Pan-                     nischen Fakultät Basel, die sich an alle Studie-
demiewelle im März 2020 war auch von zahl-                       renden richtete, betrug etwas weniger als 20%,
reichen Einzelinitiativen studentischer Solida-                  mit Ausnahme der Studierenden im 2. Master-                         Individuelle Stimmen von
rität geprägt. So unterstützten Studierende die                  studienjahr 2MA; 3,4%). Die Studierenden im                         Medizin­studierenden
überlastungsbedrohten Spitäler und meldeten                      2MA befanden sich zu Beginn der Pandemie                            Um eine Vorstellung von den individuellen
sich je nach Bedarf der Kantone als Freiwil-                     im Wahlstudienjahr und waren darum nicht                            Erfahrungen der Medizinstudierenden an drei
lige (Hotline, Unterstützung bei PCR-Tests in                    direkt von der Lehre betroffen, wodurch sich                        Fakultäten (Basel, Freiburg und Genf) zu er-
der Notfallabteilung usw.) [2].                                  die geringe Antwortrate erklären könnte.                            halten, fragten wir Studierende per E-Mail,
     In diesem Zusammenhang und nach über                             Themen der Umfrage waren Informations-                         welche Schwierigkeiten und vor allem welche
einem Jahr tiefgreifender Veränderungen für                      management, digitales Lernen und selbststän-                        Perspektiven und Wünsche für die Zukunft sie
LB und Studierende beschreibt die Gruppe                         diges Studium. Bei einem medianen Ergebnis                          hatten, wenn sie an ihre Erfahrungen während
Lehre der Swiss Academy of Family Medicine                       von 5 (auf einer Skala von 1 für «trifft nicht zu»                  der Pandemiewellen zwischen März 2020 und
(SAFMED), der LB der Schweizer Institute für                     bis 6 für «trifft vollständig zu») zeigten sich die                 März 2021 dachten. Hier eine Zusammenfas-
Hausarztmedizin angehören, einige bemer-                         Studierenden zufrieden mit den von der Uni-                         sung ihrer Antworten.

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Primary and Hospital Care | 2023;23(1):12–13                                                                                                                                               13
                                                                                                                                                                                      Lehre

Basel                                                            ler Kolleginnen und Kollegen versucht zu ha-                        Fernunterricht, von dem zahlreiche Stimmen
An der medizinischen Fakultät Basel beant-                       ben, etwa mit der Bildung von kleinen Arbeits-                      fordern, ihn als fakultative Option zu erhalten.
worteten fünf Studierende aus verschiede-                        gruppen, um die Interaktionen mit anderen                           Dieses Thema ist Gegenstand von Debatten in
nen Studienjahren die Fragen. Beeindruckend                      Studierenden beizubehalten. Alle gaben an,                          der internationalen Fachliteratur [4]. Gleich-
ist die Anpassungsfähigkeit dieser jungen Er-                    das Angebot der Fakultät, Seminare in Klein-                        zeitig stellen wir fest, dass diese Zeit indirekt
wachsenen: Auch wenn sie in einer ä­usserst                      gruppen zu besuchen, besonders geschätzt zu                         die Bedeutung der persönlichen Beziehungen
wichtigen Lebensphase – jener der Sozialisa-                     haben, und begrüssten, dass die klinischen                          für die Übermittlung von Wissen und klini-
tion – deutlich eingeschränkt und bisweilen                      Praktika trotz der Beschränkungen stattfinden                       schen Kompetenzen im weiteren Sinne gezeigt
auch mit Episoden der Depression konfron-                        konnten. Dieser Zeitraum scheint die Gelegen-                       hat; dies ist der Vorzug des begleiteten Lernens,
tiert waren, gelang es ihnen allen, sich zu mo-                  heit gewesen zu sein, Eigenverantwortung zu                         wie die Studierenden in ihren Praktika erfah-
tivieren und weiterzumachen. Manche haben                        entwickeln und ein neues Gleichgewicht zwi-                         ren konnten. Viele sehen in der Hausarztme-
sich in Kleingruppen zusammengeschlossen,                        schen Studium und Freizeit anzustreben, ins-                        dizin einen bevorzugten Bereich für diese tra-
um Kurse gemeinsam verfolgen und Ideen aus-                      besondere in der Natur. Darüber hinaus scheint                      ditionellere Art der Lehre, die im Aufwind zu
tauschen zu können, oder haben sich im Freien                    die Verallgemeinerung der Telearbeit ihr Inte­                      sein scheint.
­getroffen, um gemeinsam lernen oder an Pro-                     resse an der Klinik gefördert und sie für die kli-
 jekten ­arbeiten zu können. Zwar fehlten ihnen                  nischen Praktika motiviert zu haben.
 die gewohnte Tagesstruktur, die Sozialkon-                                                                                          Schlussfolgerungen
 takte, der Sport oder auch der Studentenjob,                                                                                        Insgesamt hat diese turbulente Zeit dazu ge-
 gleichwohl konnten sie eine neue Struktur fin-                  Individuelle Stimmen von LB                                         führt, dass sich die junge Generation insbeson-
 den und sogar positive Aspekte hervorheben,                     in ­Hausarztmedizin                                                 dere des Platzes des Individuums in einer sich
 etwa die grössere Lernflexibilität durch aufge-                 Den Fernunterricht mit den Studierenden                             tief verändernden Welt bewusst geworden ist.
 zeichnete Vorlesungen.                                          in Rekordzeit in den ersten Tagen des Lock-                         Diese Haltung, die geeignet ist, dem philoso-
                                                                 downs organisieren zu müssen, war die grösste                       phischen Schwung eines erheblichen Teils der
Genf                                                             Schwierigkeit, auf die alle Schweizer Institute                     Studierenden Ausdruck zu verleihen, könnte
In Genf verwiesen die Bachelor-Studierenden                      hinweisen. Die Dozierenden unterstrichen das                        sich dadurch zeigen, dass sie zum Aufbau von
auf die «Bedeutung der Ärztinnen und Ärzte                       Gefühl der Einsamkeit, wenn sie allein im lee-                      Institutionen beitragen, die krisenresistenter
als Wissensvermittler» und darauf, dass ihnen                    ren Hörsaal zu einer Kamera sprachen, und                           sind als jene, die wir bisher kannten. Damit die
Mittel zur Verfügung stehen müssen, damit                        bedauerten das Fehlen des persönlichen Kon-                         junge Generation ein bisschen von der Zukunft
sie ihre Rolle als Gesundheitsförderer erfül-                    takts mit den Studierenden über einen länge-                        träumen kann und diese Träume wahr werden,
len können. Dieselben Studierenden äusserten                     ren Zeitraum. Durch ­Lösungen, die mit der                          ist ohne Zweifel eine durchdachte Kombina-
ihre Hoffnung auf «eine Welt, in der Tatsachen                   wertvollen Unterstützung der äusserst reak-                         tion aus Innovationsgeist und einer gewissen
wichtiger als individuelle Meinungen sind».                      tionsschnellen Fakultäten gefunden ­wurden,                         Abschwächung der normierenden Tendenzen
Ihnen zufolge sollten die Erfahrungen aus der                    konnte man mit den Studierenden mittels On-                         nötig, die in den letzten Jahrzehnten in unse-
Pandemie und die Instrumente, die entwickelt                     line-Lehrmethoden in Kleingruppen in Kon-                           rer Gesellschaft in Mode waren.
wurden, um die Bevölkerung darüber aufzu-                        takt bleiben. Die Lehre wurde auch innova-
klären, «auch auf andere Pro­bleme angewandt                     tiv, etwa indem Präsenz- und Fernunterricht                         Korrespondenz
                                                                                                                                     Arabelle Rieder, MD
werden, (…) insbesondere die Klimakrise und                      mithilfe einiger weniger Studierender vor Ort
                                                                                                                                     Chargée d’enseignement
ihre Folgen für die Gesundheit der Bevölke-                      zur Demonstration der klinischen Handgriffe                         Institut de Médecine de Famille et de l’Enfance
rung». Sie erklärten, den Eindruck zu haben,                     kombiniert wurden. In Lausanne wurden die                           Rue Michel-Servet 1
                                                                                                                                     CH-1206 Genève
«von den Behörden allein gelassen worden und                     leeren Hörsäle für eine bessere Lehrerfahrung
                                                                                                                                     arabelle.riedernakhle[at]unige.ch
sogar eine Studierendengeneration zu sein, die                   durch Aufnahmestudios abgelöst.
geopfert wurde». Dies veranlasste manche, die                         Die Lehre konnte insgesamt aufrechterhal-                      Disclosure Statement
am Ende der Ausbildung standen, ihre Investi-                    ten werden, wenn auch auf unterschiedliche                          Die Autorinnen und Autoren haben deklariert, keine
tionen in das Medizinstudium zu minimieren                       Weise. Das klinische Studium in den Spitälern                       finanziellen oder persönlichen Verbindungen im
                                                                                                                                     ­Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
und sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Der                     und Praxen wurde beibehalten, was ein wichti-
Tenor der Antworten war jedoch nicht im-                         ger Faktor dieser für Dozierende und Studie-
                                                                                                                                     Literatur
mer so dramatisch: Eine Studierende, die ihr                     rende verunsichernden Zeit war.                                      1 Dost S, Hossain A, Shehab M, Abdelwahed A, Al-Nu-
klinisches Praktikum begonnen hatte, verwies                                                                                          sair L. Perceptions of medical students towards online
im Hinblick auf die möglichen Zukunftsper­                                                                                            teaching during the ­COVID-19 pandemic: a national
                                                                                                                                      cross-sectional survey of 2721 UK medical students.
spektiven nach der Pandemie auf den pragma-                      Zukunftsperspektiven                                                 BMJ Open. 2020 Nov 5;10(11):e042378.
tischen Aspekt, dass «man mehr auf Händedes-                     Eine Tatsache scheint aus den Antworten so-                          doi: 10.1136/bmjopen-2020-042378.
infektion achten» werde.                                         wohl der Studierenden als auch der Dozieren-                         2 Aebischer O, Porret R, Pawlowska V, Barbier J, Ca-
                                                                                                                                      ratsch L, Moreira De Jesus M, et al. Étudiant·e·s en
                                                                 den hervorzugehen: Die SARS-CoV-2-Krise                              médecine engagé·e·s au chevet des patient·e·s hospi-
Freiburg                                                         wirkte sich aufgrund ihrer Unvorhersehbar-                           talisé·e·s pour COVID-19 Motivations et ­enjeux.
Auch in Freiburg äusserten die Studierenden                      keit mobilisierend auf persönliche Initiativen                       Rev Med Suisse. 2020 May 6;16(692):958–61.
                                                                                                                                      3 Semesterabschluss-Evaluation Online-Formate,
Sorgen über ihre Zukunft. Manche befürchte-                      und stimulierend auf die individuelle, digitale,                     Frühjahrsemester 2020, Medizinische Fakultät,
ten die Auswirkungen des Lockdowns und der                       beziehungsbezogene und soziale Widerstands­                         ­Universität Basel.
Telearbeit auf die Ausbildungsqualität, andere                   fähigkeit aus. Sie regte auch zur Anwendung                          4 Everard KM, Zoberi Schiel K. Changes in Family Me-
                                                                                                                                      dicine Clerkship Teaching Due to the COVID-19 Pande-
hoben die Folgen der lockdownbedingten so-                       neuer didaktischer Ansätze an, von denen                             mic. Fam Med. 2021 Apr;53(4):282–4.
zialen Vereinzelung hervor. Sie schienen es mit                  manche sicherlich auch nach dieser schwieri-
denselben Lösungen wie ihre Genfer und Bas-                      gen Zeit beibehalten werden, insbesondere der

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14                                                                                                                   10.4414/phc-f.2023.10633 | 2023;23(1):14–15 | Primary and Hospital Care

Lehre

Une approche intercantonale

La prise en charge gynécolo-
gique des femmes incarcérées
Timea Annovazzi, Delphine Grognuz, Laura Juan-Torres, Jillian Ruggiero
Étudiant·e·s en médecine à l’Université de Lausanne

Introduction                                                     vantage de problèmes de santé que les hommes                       vante: «Quelles mesures de prévention, de pro-
Cette recherche porte sur la prise en charge gy-                 incarcérés [2], car elles accumulent des facteurs                   motion ou de dépistage sont mises en place en
nécologique des femmes incarcérées en Suisse                     de vulnérabilité. Ceux-ci incluent des histoires                    milieu carcéral pour prendre soin de la santé
à Hindelbank (Berne), qui est actuellement                       de vie souvent en lien avec un statut écono-                        gynécologique des femmes et quelles diffé-
l’unique prison helvétique à être réservée aux                   mique bas, des problématiques de violence                           rences dans ces domaines existent entre les can-
femmes, ainsi qu’à Champ-Dollon (Genève) et                     sexuelle et/ou de drogues. Pour cette étude,                        tons de Genève, Vaud et Berne?»
à la Tuilière (Vaud), qui sont des prisons mixtes.              nous nous sommes concentrées sur l’enjeu de la
Les détenues, majoritairement étrangères [1],                    santé gynécologique comprenant les dépistages                      Méthode
exécutent le plus souvent des peines de courte                   des cancers, les infections sexuellement trans-                     D’une part, nous avons relevé et examiné les
durée pour des délits non violents [1]. Repré-                   missibles, la grossesse et la sexualité. La littéra-                différentes formes de prise en charge gynécolo-
sentant une minorité de 4% de la population                      ture scientifique traite avant tout de la santé                    gique ­existant en milieu carcéral. D’autre part,
carcérale, elles se retrouvent dans des locaux                   mentale et de l’addiction [3] des détenues. Ce                      nous avons comparé leur organisation dans les
androcentrés qui ne répondent pas à leurs be-                  déficit d’articles sur la santé gynécologique                      établissements p ­ énitentiaires de Genève, Vaud
soins spécifiques [1]. Par ailleurs, elles ont da-               nous a menées à la question de recherche sui-                       et Berne. Pour ce faire, nous avons effectué une
                                                                                                                                     recherche de littérature scientifique et de litté-
                                                                                                                                     rature grise, puis nous avons mené une enquête
                                                                                                                                     de type qualitatif en nous entretenant avec un
  Immersion communautaire – Les étudiant·e·s de médecine                                                                             échantillon d’acteur·rice·s représentatif de la
  mènent une recherche dans la communauté                                                                                            communauté impliquée dans la prise en charge
                                                                                                                                     de la santé des femmes en prison. Neuf entre-
  Pendant quatre semaines, les étudiant·e·s en médecine de 3e année de l’Université de Lau-                                          tiens semi-­structurés ont été réalisés à l’aide
  sanne mènent une enquête dans la communauté sur le sujet de leur choix parmi quatre thé-                                           d’un guide d’entretien standardisé. Ces inter-
  matiques générales (genre, climat, migration et COVID-19). L’objectif de ce module est de                                          views ont été enregistrées avec le consentement
  faire découvrir aux futur·e·s médecins les déterminants non-biomédicaux de la santé, de la                                         des interlocuteur·rice·s et analysées selon les
  maladie et de l’exercice de la médecine: les styles de vie, les facteurs psychosociaux et cultu-                                   règles de la méthodologie qualitative. Les per-
  rels, l’environnement, les décisions politiques, les contraintes économiques, les questions                                        sonnes interrogées comprenaient des médecins
  éthiques, etc. Par groupes de 4 ou 5, les étudiant·e·s commencent par définir une question                                         et des infirmier·ère·s-chef·fe·s, une agente de
  de recherche originale et en explorent la littérature scientifique. Leur travail de recherche les                                  prévention, un conseiller de la Fondation
  amène à entrer en contact avec le réseau d’acteurs de la communauté concernés, profes-                                             PROFA, la responsable de la Ligue suisse des
  sionnels ou associations de patients dont ils analysent les rôles et influences respectives.                                       droits de l’Homme, des spécialistes des études
  Chaque groupe est accompagné par un·e tuteur·rice, enseignant·e de la Faculté de biologie                                          genre. On notera ici que la Fondation vaudoise
  et de médecine de l’Université de Lausanne, de l’Ecole de la Source à Lausanne ou d’autres                                         de probation, l’Office cantonal de détention de
  institutions d’enseignement. Les étudiant·e·s présentent la synthèse de leurs travaux pendant                                      Genève, l’association vaudoise des agents de dé-
  un congrès de deux jours à la fin du module.                                                                                       tention et l’association Fleur de pavé ont décliné
      Depuis presque dix ans, quelques groupes d’étudiant·e·s ont la possibilité d’effectuer leur                                    notre invitation, ne s’estimant pas compétent·e·s
  travail dans le cadre d’un projet d’immersion communautaire interprofessionnelle organisé en                                       en matière de soins en milieu carcéral.
  partenariat avec la Haute école de la santé La Source. Le travail de terrain est réalisé par le
  groupe en immersion (résidentiel) dans une région de Suisse (séjour de 7 à 10 jours), tout en                                      Résultats
  bénéficiant d’un accompagnement pédagogique par leurs tuteur·rice·s. Quatre travaux parmi                                          Cette enquête a permis de mettre en évidence
  les plus remarquables sont choisis pour être publiés dans Primary and Hospital Care.                                               que des actions de prévention ciblées sur la
      Module d’immersion communautaire de la Faculté de biologie et de médecine de l’UNIL,                                           santé gynécologique commençaient dès l’entrée
  sous la direction de Pr Patrick Bodenmann (responsable), Dr Francis Vu (coordinateur), Mme                                         des femmes en p    ­ rison, tant à Champ-Dollon
  Meltem Bukulmez et Mme Mélanie Jordan (secrétariat), Pr Thierry Buclin, Dre Aude Fauvel,                                           qu’à la Tuilière et à Hindel­bank (voir tab. 1).
  Dre Véronique Grazioli, Dre Nicole Jaunin Stalder, Dre Yolanda Müller, Mme Sophie Paroz, Dre                                       Dans chacun de ces trois établissements, un·e
  Béatrice Schaad, et Pre Madeleine Baumann (HEdS La Source).                                                                        infirmier·ère effectue une anamnèse biopsy-
                                                                                                                                     chosociale explorant, entre autres, les risques

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