SPITEX MAGAZIN - Spitex Schweiz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
SPITEX MAGAZIN Fachzeitschrift von Spitex Schweiz | 4 / 2018 | August/September FOKUSTHEMA Versorgungsnetzwerke Wenn Leistungserbringer sich vereinen. Seite 17 GESELLSCHAFT Zwei Spitex-Hündinnen, die vieles erlebt haben, im Porträt. Seite 6 DIENSTLEISTUNG Spitex-Organisationen fokussieren die Mangelernährung. Seite 42
Publicare – der einfache Zugang zu medizinischen Produkten. CAS Klinische Kompetenzen in Gerontologischer an , Rufen Sie tzen Pflege stü wir unter e – Sie gern 00. 15 Erweitern Sie Ihre klinischen Kompetenzen, um ältere 056 484 Menschen mit und ohne Demenz im stationären oder ambulanten Setting umfassend im Alltagsmanagement zu unterstützen. Wir liefern medizinische Hilfsmittel, etwa bei Inkontinenz, zur Stoma-, und Tracheosto- Module maversorgung sowie zur Wundbehandlung. Klinisches Assessment in Gerontologischer Pflege Unser beispielloses Dienstleistungsangebot – Start: 15. Januar 2019 Ihre umfangreichen Vorteile. ● Top Auswahl für die individuelle Lösung: Ihr Selbstmanagement fördern in bewährtes Produkt, unser beispielhafter Zugang. Gerontologischer Pflege Start: 8. Mai 2019 ● Wir liefern Ihnen Ihr Verbrauchsmaterial sowie sämtliche medizinischen Hilfsmittel – auch zu Ih- Pflege von Menschen mit Demenz ren Klienten nach Hause. Start: 12. September 2019 ● Wir reduzieren Ihren administrativen Aufwand. Denn in uns finden Sie einen Partner, nicht nur eine Bezugsquelle. Certificate of Advanced Studies CAS Einfach. Diskret. Bewährt. 3 Module, 24 Kurstage Publicare AG | Vorderi Böde 9 | 5452 Oberrohrdorf Telefon 056 484 15 00 | www.publicare.ch Mehr unter zhaw.ch/gesundheit/weiterbildung
SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER EDITORIAL 3 Gemeinsam für alles gewappnet Versorgungsnetzwerke gelten als Geheimrezept für die Gesundheitsbranche, was das Bewältigen von aktuellen und künftigen Herausforderungen betrifft. Da immer mehr Menschen immer älter und ihre Bedürfnisse und Diagnosen immer man- nigfaltiger würden, könnten die Leistungserbringer eine optimale Versorgung nur gemeinsam und mit einer zentralen Koordination garantieren – so lautet der Tenor. In dieser Ausgabe widmet sich die Redaktion diesen Versorgungsnetzwerken. Auf dem Titelbild, das sich in Teilen weiter hinten im Heft wiederfindet, lassen sich viele 17 FOKUS «Versorgungsnetzwerke» potenzielle Netzwerkmitglieder entdecken; darunter natürlich 18 Versorgungsnetzwerke umfassend beleuchtet 24 Ein Grundversorger mit Herz stellt sich vor Spitex-Mitarbeitende an mehreren möglichen Einsatzorten. 28 Partner für den Weg vom Spital nach Hause Im umfassenden Interview macht sich eine Expertin Gedanken 32 Netzwerke für Menschen mit Demenz bilden zur Definition und Organisation von Netzwerken. Und sie 4 AUFTAKT sagt, was die öffentliche Hand tun könnte, damit ambulante und stationäre Betriebe sich häufiger zusammenschliessen. GESELLSCHAFT 6 Zwei Spitex-Hündinnen im Porträt Daraufhin werden drei unterschiedliche Beispiele aus den Kan- 12 Eine Griechin findet zur Nonprofit-Spitex tonen Graubünden, Waadt und Zürich vorgestellt. DIENSTLEISTUNG Den Leserinnen und Lesern wird aber auch sonst allerlei ge- 40 Den Fachkräftemangel bekämpfen boten: Da ist zum Beispiel die Auszubildende, die von ihrem 42 Die Mangelernährung im Fokus Weg von Griechenland zur Spitex berichtet. Da ist Sänger 45 DIALOG 5 Fragen an Bastian Baker Bastian Baker, der von seinem Respekt gegenüber Helfern 47 DIE LETZTE und von einer grossen Unfähigkeit erzählt. Und da sind die beiden Spitex-Hündinnen, die für viel Freude sorgen. Die Redaktion des Spitex Magazins wünscht Ihnen einen wunderbaren Restsommer – und eine angenehme Lektüre. Kathrin Morf, Redaktionsleiterin Titelseite: Wimmelbild zum Thema «Versorgungsnetz- werke mit Fokus auf die Nonprofit-Spitex». Gezeichnet von Illustrator Walter Pfenninger, Zürich. Smart, nützlich, gratis. Die Spitex Magazin-App mit neuen Informiert sein und mitreden: Funktionen für Ihr Smartphone oder Tablet. facebook.com/SpitexMagazin
4 AUFTAKT SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER «Ein umfassender Blick auf die Nonprofit-Spitex» Pierre Salvi ist seit rund einem Jahr Mitglied des Behindern diese Unter- Vorstandes von Spitex Schweiz. Der ehemalige Stadtprä- schiede manchmal die sident von Montreux ist heute Vizepräsident des Waadt- Arbeit, welche die Vor- länder Spitex-Kantonalverbandes AVASAD (Association standsmitglieder ge- vaudoise d’aide et de soins à domicile) sowie Präsident der meinsam leisten müssen? zur AVASAD gehörenden Gesundheitsregion ASANTE Im Gegenteil. Zu beachten SANA im Osten des Kantons. Für das «Spitex Magazin» ist diesbezüglich, dass die zieht er eine Zwischenbilanz seines Engagements für die Nonprofit-Spitex auf nationaler Ebene. erwähnten Unterschiede nicht nur zwischen den «Die Nonprofit-Spitex Spitex Magazin: Sie sind seit einem Jahr Mitglied im Sprachregionen, sondern auch zwischen den Kanto- ist bei vielen Themen Vorstand von Spitex Schweiz. Was hat Sie damals nen existieren. All diese Un- federführend.» dazu motiviert, diesem Gremium beizutreten? terschiede führen dazu, dass Pierre Salvi Pierre Salvi: Der Beitritt hat mir die Gelegenheit gebo- wir alle aus einer Fülle an ten, eine Position zu besetzen, die mir einen umfassenden möglichen Vorschlägen für Bild: ASANTE SANA Blick auf Fragen im Zusammenhang mit der Nonprofit- die Bewältigung von Her- Spitex erlaubt. Ich bin nun diesbezüglich nicht nur auf re- ausforderungen auswählen und uns von Best-Practice- gionaler und kantonaler, sondern auch noch auf nationaler Beispielen inspirieren lassen können. Zudem kann man mit Ebene tätig. Dank meines Engagements als Präsident von einem Blick auf die Gesamtheit aller Lösungen auch ASANTE SANA kenne ich die täglichen Herausforderungen nationale Qualitätsanforderungen ableiten. Im Vorstand unserer Mitarbeitenden. Ihnen kann ich im Vorstand von von Spitex Schweiz profitieren wir dabei von einer guten Ar- Spitex Schweiz eine Stimme geben. Andererseits ermög- beitsatmosphäre genauso wie von gegenseitigem Respekt – licht mir mein Sitz im Vorstand, die nationalen Herausfor- zwei wesentliche Elemente, damit alle am selben Strick derungen im Detail kennenzulernen, mit denen sich unse- ziehen und gemeinsam vorankommen können. re Branche konfrontiert sieht. Diese verschiedenen Ansätze ergänzen sich gegenseitig – und es ist diese Kom- Welches Projekt hat Sie in diesem Jahr im Vorstand plementarität, die mich damals an der neuen Position in besonders gefordert? erster Linie interessiert hat. Die nationale Imagekampagne für die Nonprofit-Spitex ver- deutlicht derzeit die Notwendigkeit einer schweizweiten Zu- Sie haben die Herausforderungen auf nationaler sammenarbeit. Gemeinsam müssen wir überall die gleiche Ebene angesprochen. Was sind denn die aktuellen Botschaft vermitteln: Wir müssen das Bild stärken, dass un- Themen des Vorstandes von Spitex Schweiz? ser Angebot ein wichtiger, qualitativ hochwertiger Dienst an Die Aufgabe des Vorstandes ist es, in die Zukunft zu schau- der Öffentlichkeit ist. Aber auch andere Themen verdienen en. Geht es zum Beispiel darum, Lösungen zu suchen, um eine koordinierte Förderung, ein hervorragendes Beispiel die Überalterung der Bevölkerung am besten bewältigen hierfür ist die Palliativmedizin. Dieser Bereich hat sich sehr zu können – dann stellt man fest, dass die Nonprofit- schnell entwickelt; inzwischen vermögen viele Pflegefach- Spitex diesbezüglich bei vielen Themen federführend personen die Bedürfnisse eines Menschen am Lebensende ist. Zum Beispiel in Bezug auf die Entwicklung des Ab- umfassend und vorausschauend zu erfüllen. Unsere Zusam- klärungsinstruments RAI-Home-Care Schweiz. Oft gestal- menarbeit auf nationaler Ebene erlaubt es uns, neue Denk- ten sich die aktuellen Herausforderungen in den verschie- muster und Praktiken der Palliative Care in der Gesellschaft denen Sprachregionen der Schweiz indes unterschiedlich. zu verankern. So sieht sich die Nonprofit-Spitex im Tessin mit viel Kon- Interview: Pierre Gumy kurrenz aus Italien konfrontiert, und in Bezug auf die Pfle- gefinanzierung zieht es die Deutschschweiz zum Beispiel Ebenfalls seit einem Jahr im Vorstand von Spitex Schweiz dabei ist vor, die Führung den Gemeinden zu überlassen, während der Thurgauer Markus Birk. Er wird in der nächsten Ausgabe seine sie in der Romandie oft in den Händen des Kantons liegt. erste Zwischenbilanz ziehen.
SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER AUFTAKT 5 DV mit Podiumsdiskussion Spitex-Tag lockt und Jahresbericht 2017 mit vielen Attraktionen red. Am 24. Mai, nach Redaktionsschluss red. Bald ist es wieder so weit: Am Natio- des Spitex Magazins 3/18, ging in Bern nalen Spitex-Tag am Samstag, 1. Septem- die Delegiertenversammlung von Spitex ber, locken Spitex-Organisationen aus der Schweiz über die Bühne. Dies mit rund ganzen Schweiz mit den unterschiedlichs- 100 Teilnehmenden sowie mit Traktanden ten Aktionen unzählige Besucherinnen und wie dem Jahresprogramm und aktuellen Besucher an. Unter dem Motto «Spitex am Projekten. Auch fand eine Podiumsdiskus- Puls der Zeit» beweisen sie, dass die Non- sion statt zu einem Thema, welches zurzeit profit-Spitex innovativ und modern ist. die Gemüter erhitzt: die Mittel- und Ge- Aussergewöhnliche Wege geht dabei genständeliste (MiGeL). Podiumsteilneh- zum Beispiel die Spitex Brig, wenn auch aus mer und Delegierte waren sich am Ende Platzgründen eine Woche nach dem offi- einig: Es muss etwas gehen in Bezug auf ziellen Spitex-Tag: Am Samstag, 8. Sep- die Finanzierung des Pflegematerials, und tember, bauen die Verantwortlichen im zwar schnell! Denn das Urteil des Bundes- Simplon Center in Brig-Glis ein komplett verwaltungsgerichts führt im Moment eingerichtetes Zimmer auf, das Interessier- bloss zu Mehrkosten. te von 10 bis 16 Uhr begehen können, und Ebenfalls genehmigt wurde von der zwar in einem Alterssimulationsanzug. Die- Delegiertenversammlung der Jahresbericht ser simuliert zum Beispiel die Beeinträchti- 2017 von Spitex Schweiz. Er ist nun zum gung von Sicht und Motorik. Damit will die Download erhältlich oder kann als Print- Spitex Brig die Bevölkerung für die Gefahr ausgabe im Shop von Spitex Schweiz be- von Stolperfallen im Alter sensibilisieren. stellt werden. Interessierte erfahren auf den Websites der jeweiligen Spitex-Organisationen und/ www.spitex.ch/publikationen oder aus den lokalen Medien, was am Spi- Ein Simulationsanzug zeigt Herausforderungen www.spitex.ch/shop tex-Tag in ihrer Region geboten wird. des Alters. Bild: SD&C / www.sdxc.de Pflegefinanzierung: Die zwar bei den Kantonen, den politischen Hilfe bei der Betreuung Parteien, den gesamtschweizerischen Kürzungen sind inakzeptabel von Haustieren Dachverbänden der Gemeinden, Städte red. Der Bundesrat hat am 4. Juli den lan- und Berggebiete, den gesamtschweizeri- red. «Grizzly», ein Angebot des Schweizer ge erwarteten Evaluationsbericht zur Pfle- schen Dachverbänden der Wirtschaft und Tierschutzes (STS), umfasst die Beratung gefinanzierung vorgestellt. Dabei gab er be- den interessierten Kreisen. Die Vernehm- und Begleitung von Alters- und Pflegehei- kannt, dass er die Krankenkassenbeiträge lassungsfrist dauert bis zum 26. Oktober men bei der Betreuung oder Anschaffung an die Spitex um 3,6 Prozent senken will. dieses Jahres. Spitex Schweiz und die von Haustieren. Denn eine schweizweite Spitex Schweiz machte daraufhin in einer Kantonalverbände der Nonprofit-Spitex Umfrage des STS zeigt, dass die Tiere den Medienmitteilung unverzüglich klar, dass werden sich im Rahmen dieser Vernehm- Seniorinnen und Senioren guttun. Bisher hat man dies für eine inakzeptable Kürzung hal- lassung detailliert einbringen und darle- sich der STS vor allem um die Tierhaltung in te. Bei Spitex Schweiz fehle jegliches Ver- gen, dass die im Bericht vorgeschlagene Heimen gekümmert, nun ist er auch daran ständnis für diesen Entscheid, der dem Kürzung der Krankenkassenbeiträge an interessiert, welche Erfahrungen Spitex-Mit- Grundsatz «ambulant vor stationär» klar Spitex-Leistungen nicht zielführend ist. arbeitende mit der Betreuung der Haustie- widerspreche. Im Spitex Magazin 5/2018 wird sich die re von Klientinnen und Klienten machen und Das Eidgenössische Departement des Redaktion ausführlich mit der Pflegefinan- wo sie Unterstützung benötigen. Spitex- Innern (EDI) führt nun eine Vernehmlas- zierung im Allgemeinen und dem Evalua- Organisationen dürfen sich diesbezüglich bei sung zur Änderung der Verordnung des EDI tionsbericht im Besonderen befassen. den «Grizzly»-Verantwortlichen melden. über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung durch – und www.spitex.ch www.tierschutz.com/grizzly
6 GESELLSCHAFT SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER Pflegefachfrau Renate Baumann und Klientin Rosmarie Walker- Tierisch beliebte Traxel mit Woody. Bilder: Leo Wyden Spitex-Mitarbeiterinnen Bei der Spitex arbeiten nicht nur Menschen: Manchmal werden Pflegefachper- sonen auch von Hunden mit Spezialausbildung begleitet. Das Spitex Magazin hat zwei von ihnen besucht: Einerseits Woody aus Uri, die als Welpe an einer Raststätte ausgesetzt worden ist und nun mit den Klientinnen und Klienten auf Schatzsuche geht. Andererseits Gweny, die bei der Spitex Region Frauenfeld arbeitet und Menschen dazu bringt, das Haus zu verlassen – und die kürzlich fast an Rattengift gestorben wäre.
SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER GESELLSCHAFT 7 Woody: Die Ausgesetzte Woody musste zum Beispiel einen Wesenstest beste- «Du kennst mich noch, nicht wahr?», fragt hen und ruhig bleiben, auch wenn sie sich mit lärmenden Rosmarie Walker-Traxel den zotteligen Kindern oder Rollstuhlfahrern konfrontiert sah. Während Vierbeiner, der aufgeregt in ihren Garten die Hündin all diese Herausforderungen mit Bravour meis- sprintet. Die sechsjährige Mischlingshündin terte, büffelte Frauchen die Theorie der Hundetherapie, heisst Woody und ist die erste von zwei und nach abgeschlossener Prüfung durfte das Duo bei der tierischen Spitex-Mitarbeiterinnen, welche Spitex loslegen. Mittlerweise haben ein halbes Dutzend Kli- in dieser Ausgabe des Spitex Magazins entinnen und Klienten dem Besuch der Hündin zugestimmt porträtiert werden. Sie gehört der 52-jäh- und warten stets sehnsüchtig auf den beigen Wirbelwind. rigen Renate Baumann aus Flüelen, die Fühlt sich die Hündin einmal nicht wohl oder hat schlicht- als Pflegehelferin SRK bei der Spitex Uri weg keine Lust zu arbeiten, darf sie bei ihrem Tages-Frau- arbeitet. Woody mag zwar klein sein – die chen bleiben statt ins Spitex-Auto zu steigen. Zumeist hat Freude, welche sie verbreitet, ist umso Woody aber durchaus Lust auf die Einsätze und darf dabei riesiger. «Ich bin jedes Mal glücklich, auch ihre Vorliebe für SchaSu ausleben: Die Klienten ver- wenn sie vorbeischaut», sagt Rosmarie stecken jeweils einen Gegenstand und freuen sich, wenn Walker-Traxel. Die 84-Jährige sieht nicht sich die Spürnase der Hündin wieder einmal als Erfolgs- mehr gut, darum hilft ihr die Spitex ein- garant herausstellt. mal pro Woche im Haushalt. Und natürlich hat Woody ihre Klientin sofort wiederer- Woody: Der Lichtblick kannt. «Woody hat ein gutes Gedächtnis «Eine Klientin war während des ersten Besuchs von und sie liebt alle Menschen», sagt Besitze- Woody begeistert», beginnt Renate Baumann von ihren rin Renate Baumann. «Wenn ich mit ihr Erfahrungen zu erzählen. «Beim zweiten Mal war Woody spazieren gehe, dann kennt sie mehr Leute mit einer Bekannten wandern und ich ging alleine auf Spi- als ich.» tex-Tour, ohne dies anzukündigen. Da hat mir die Frau wei- Zueinander gefunden haben Spitex-Mit- nend die Tür vor der Nase zugeschlagen, so enttäuscht war arbeiterin und Spitex-Hündin vor sechs sie. Das mache ich nie wieder!». Die Hündin wirke sich auf Jahren, als Renate Baumann von Welpen unterschiedliche Weise positiv auf ihre Menschenfreunde erfuhr, die in einer Kartonschachtel in aus. «Sie lässt sich von ihnen streicheln, spielt mit ihnen, einer Raststätte ausgesetzt worden waren. Daraufhin beschloss sie, ins Tierheim zu fahren und sich die Findlinge einmal Hunde mit Job anzuschauen. «Woody war so süss, ich Tiergestützte Therapieverfahren sind alternativme- musste sie einfach mit nach Hause neh- dizinische Behandlungsverfahren, die im Falle von men. Sie ist zudem eine sehr herzliche, verschiedenen Krankheiten oder Behinderungen lustige und intelligente Hündin», schwärmt eingesetzt werden. Das Tier wirkt sich positiv auf das sie. Nur das Alleinsein möge Woody gar Erleben und Verhalten der Patientin oder des Patien- nicht. «Das ist wohl auch damit zu erklären, dass sie ten aus. Therapiehunde sind ausgebildete Hunde, die früh von ihrer Mutter getrennt und lieblos ausgesetzt wor- Fachkräfte mit Weiterbildung zum tiergestützten den ist.» Therapeuten begleiten und Therapiebemühungen un- terstützen. Die Ausbildung zum Besuchshund ist kür- Woody: Die Schatzsucherin zer und erfordert keine Fachgrundausbildung des Ganz vernarrt ist Woody in den Hundesport «SchaSu» Hundeführers. Besuchshunde werden nicht gezielt (Kurzform von «Schatzsuche»). Frauchen versteckt dabei zur Therapie eingesetzt, fördern mit ihrer Anwesen- verschiedene Gegenstände und der Vierbeiner findet diese heit aber ebenfalls das Wohlbefinden der Menschen. mithilfe seines ausgeprägten Geruchssinnes wieder. «Mit Mehr Informationen zu den Ausbildungen beim Ver- ihrer Spürnase macht Woody sogar Sherlock Holmes Kon- ein Therapiehunde Schweiz (VTHS) sowie bei den kurrenz», versichert Renate Baumann. Vor zwei Jahren frag- Deutschen Maltesern sind im Internet zu finden unter te die Spitex-Mitarbeiterin ihre Chefin, ob sie ihre Hündin www.vths.ch beziehungsweise www.malteser.de. Auf zu Einsätzen mitnehmen dürfe, sobald diese die Ausbildung den jeweiligen Websites lässt sich auch mehr erfah- zur Therapiehündin bestanden habe. Bei der Spitex Uri hielt ren zu Vorschriften rund um den Therapie- und Be- man dieses Unterfangen für eine gute Idee, und so drück- suchshund, etwa zu gesundheitlichen Anforderungen ten Hündin und Halterin gewissermassen gemeinsam die und maximalen Einsatzzeiten. Schulbank beim Verein Therapiehunde Schweiz (VTHS).
8 GESELLSCHAFT SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER blieb die Attacke aber aus, und das lag an der zweiten vier- beinigen Spitex-Mitarbeiterin, welche vom Spitex Maga- zin porträtiert wird: Gweny. «Sonst haben in solchen Momenten immer meine Beine versagt und ich hatte Schweissausbrüche», erzählt Alice Müller. «Mit Gweny ist das nicht passiert.» Die zehnjährige Besuchshündin gehört der 56-jährigen Beate Meier aus Kreuzlingen TG, die im Psychiatrie-Team der Spitex Region Frauenfeld arbeitet und allenthalben «die mit dem Hund» genannt wird. Mit vollem Namen heisst die reinrassige Boardercollie-Hündin Gwendolyn, «aber so nenne ich sie nur, wenn sie etwas angestellt hat», erklärt Beate Meier lachend. Die Pflegefachfrau nahm bis vor zwei Jahren ihren Hund Aiko auf ihre Spitex-Touren mit, aber dann musste ihr loyaler Begleiter wegen eines Tumors eingeschläfert werden. Aikos deutsche Züchterin erzählte Klientin Verena Albert-Zgraggen freut sich auf jeden Besuch von Woody. Beate Meier daraufhin, dass Aikos Schwester Gwendolyn nach einem neuen Zuhause suche, weil sie sich als Zucht- hündin nicht mehr wohlfühle. Beate Meier gab der leb- akzeptiert sie bedingungslos. Woody ist eine willkomme- haften Gweny, die einst Deutsche Landesmeisterin im ne Abwechslung in ihrem Alltag und öffnet ihnen das Hundesport Agility war, ein neues Zuhause. «Gweny macht Herz», sagt die Pflegehelferin. Eine Klientin mit psychi- auch im Alter von zehn Jahren noch verrückte Sachen», schen Problemen liege beispielsweise oftmals nur kraftlos erzählt die 56-Jährige. «Sie springt zum Beispiel plötz- auf dem Sofa. «Tauche ich aber mit Woody auf, dann lich auf unseren Tisch. Mit ihren Klienten benimmt sie sich strahlt die Frau wie ein Maikäfer und wird aktiv.» Eine äl- aber tadellos.» tere Dame versank in tiefe Trauer, als sich der Todestag ih- res eigenen Hundes jährte. Sie griff zum Telefon Gweny: Die Türöffnerin und bat Renate Baumann, ausnahmsweise ausserplanmäs- An der Seite ihrer neuen Halterin absolvierte Gweny die sig auf Besuch zu kommen. Die Spitex-Mitarbeiterin tat Ausbildung zum Besuchshund bei den Maltesern, einer dies unverzüglich und unentgeltlich – und dank Woody ver- deutschen Hilfsorganisation. Die Hündin musste beispiels- mochte die Klientin wieder zu strahlen. weise ihren Grundgehorsam unter Beweis stellen und zei- Auch Verena Albert-Zgraggen möchte die Spitex-Hün- gen, dass sie sich nicht vor umfallenden Krücken fürchte- din nicht mehr missen. «Ich liebe Hunde und hatte früher te. Seither begleitet Gweny ihr Frauchen zu all denjenigen fünf eigene», erzählt sie, Klientinnen und Klienten, als sie an diesem Sommer- welche dies wünschen – tag von der Spitex in ihrer «Gweny wird für ihre und die selbst keine Gefahr Alterswohnung besucht wird. Die 58-Jährige leidet Arbeit mit Leckerli für die Hündin darstellen, zum Beispiel durch aggres- an der Nervenerkrankung Polyneuropathie und sitzt bezahlt, das reicht ihr.» sives Verhalten. «Manche Klienten wollen mit Gweny im Rollstuhl. Kein Arzt habe Beate Meier spazieren gehen, andere gedacht, dass sie so alt wer- streicheln sie gern und wie- den würde, erzählt Verena Albert-Zgraggen, aber sie sei nun der andere geniessen es einfach nur, wenn sie neben ihnen einmal eine Kämpferin. «Und das Leben ist schön. liegt», erzählt Beate Meier. «Dabei entspannen sich die Kli- «Besonders dann, wenn Woody mich besucht», ergänzt sie. enten, übernehmen Verantwortung, sind zufriedener und Dank der Anwesenheit der Hündin fühle sie sich regelmäs- aktiver.» sig, als befinde sie sich für eine Weile wieder in ihrem Haus Da war zum Beispiel jener junge Mann mit Schizophre- – dort, wo stets viele Tiere und viel Glück zu Hause waren. nie, der sich weigerte, sein Haus zu verlassen. Beate Meier sagte zu ihm, die Situation sei etwas vertrackt, da sie ja Gweny: Die Lebhafte den Hund mitgebracht habe, und ein Hund müsse nun ein- Seit Alice Müller* vor drei Jahren von einem Lastwagen mal ins Freie. «Da meinte der Mann, das stimme natürlich überfahren worden war, litt sie unter Panikattacken – vor – und zog seine Schuhe an», erzählt Beate Meier. Auch der allem dann, wenn ein Lastwagen vorüberfuhr. Eines Tages Körperkontakt mit dem Hund sei wichtig, gerade älteren
SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER GESELLSCHAFT 9 Leuten fehle dieser manchmal schmerzlich. Und schliess- Gweny: Die Überlebende lich sei Gweny gewissermassen eine Türöffnerin für Als ihr Hund Aiko starb, hatte Beate Meier sich intensiv da- menschliche Begleiter: Ein älterer Mann liess zum Beispiel mit befassen müssen, wie ihre Klientinnen und Klienten die seinen Psychiater nur ins Haus, wenn dieser von der Hün- Trauer um den Hund verarbeiten konnten. «Eine Frau konn- din begleitet wurde. «Was Gweny alles bewirkt, ist faszi- te zum Beispiel erst loslassen, als ich ihr Aikos Urne mit- nierend», sagt Beate Meier. Auf etlichen Einsätzen verrich- brachte», erzählt sie. Vor einigen Wochen hätte sich die- te ihre Hündin gar die Hauptarbeit. «Ich bin dann ses traurige Ereignis beinahe wiederholt: Beate Meier und gewissermassen bloss ihre Chauffeurin», sagt die Pflege- ihr Mann genossen ihre Wohnmobilferien auf dem griechi- fachfrau und ergänzt lachend, einen Lohn erhalte die tie- schen Festland, als Gweny unvermittelt zusammenbrach. rische Spitex-Mitarbeiterin dennoch nicht. «Sie wird mit Ein dortiger Tierarzt stellte sofort die Diagnose, dass Gwe- Leckerli bezahlt. Das reicht ihr.» ny Rattengift gefressen haben musste. Die von Landwirten Hündin Gweny ist nicht nur zu Hause, sondern auch bei der Arbeit an der Seite von Beate Meier von der Spitex Region Frauenfeld.
10 GESELLSCHAFT SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER ausgestreute Substanz entfaltet ihre todbringende Wir- berichtet von jenem Unfall vor drei Jahren. «Ein Lastwa- kung erst nach vier Tagen. Der Veterinär verabreichte der genfahrer hat mich damals auf dem Trottoir überfahren Hündin Antibiotika und Vitamin K in hohen Dosen, wonach und 40 Meter mitgeschleift», erzählt sie. Ihre Tochter sei das Ehepaar schnellstmöglich die Heimfahrt nach Kreuz- zufällig an der Unfallstelle vorübergefahren und sofort an lingen antrat. «Die Rückfahrt war schlimm. Gweny hat die Seite ihrer Mutter geeilt, als sie deren Rollator zwischen mich nicht mehr erkannt, konnte nicht mehr gehen, woll- den Nothelfern erblickt habe. «Ich selber erinnere mich an te nicht mehr trinken.» fast nichts mehr. Aber seither habe ich Schmerzen in Ge- Ein Schweizer Tierarzt bestätigte die Diagnose und setz- nick und Hüfte.» Im Allgemeinen sei sie aber glimpflich da- te Gwenys Behandlung fort, wonach sich ihre Blutwerte vongekommen und freue sich darüber, dass sie viel Zeit mit stetig verbesserten. Gweny wurde wieder die lebhafte ihren Enkeln und Urenkeln verbringen kann – und dass sie Hündin, die sie zuvor gewesen war. Während des Interviews trotz ihrer 85 Jahre «noch nicht zum alten Eisen» gehöre. mit dem Spitex Magazin, das drei Wochen nach der Vergif- Die Seniorin freut sich darüber, dass Beate Meier sie ein- tung stattfand, wälzte sie sich bereits wieder wohlig in der mal wöchentlich besucht und ihr mit dem Vorbereiten Wiese vor ihrem Haus. Zu jener Zeit fiel sie aber für drei ihrer Medikamente hilft – ebenso wie mit Gesprächen und Wochen als Besuchshund aus. «Die Klienten leiden mit mit Gwenys Anwesenheit. «Die Hündin ist mir eine grosse Gweny mit, sind enttäuscht und weniger entspannt», er- Hilfe und sehr geduldig», sagt Alice Müller. Als sie Angst zählt Beate Meier damals. «Ein Mann hat sich sogar gewei- davor gehabt habe, wegen eines nahenden Lastwagens eine gert, ohne die Hündin das Haus zu verlassen und spazieren Panikattacke zu erleiden, habe Gweny sie mit grossen Hun- zu gehen.» deaugen angeschaut. «Ihr Blick sagte mir: Da musst du jetzt durch! Und mit Gweny an meiner Seite habe ich das Gweny: Die Beruhigende ohne Panikattacke geschafft.» Eine Woche nach dem Interview durfte Gweny ihre Arbeit Kathrin Morf als tierisch beliebte Spitex-Mitarbeiterin wieder aufneh- men. «Das freut mich riesig», sagt Alice Müller* dazu – und *Name auf Wunsch der Klientin geändert. Anzeige QUALITÄT BEGINNT BEI DER FÜHRUNG 13. SPITEX-Führungsforum Mittwoch, 31. Oktober 2018, 13.45 -17.00 Volkshaus Zürich (10 Gehminuten ab HB) Führen mit Kennzahlen Yvonne Lang Ketterer, Präsidentin Spitex Verband Kanton Zürich Selbstorganisation statt Hierarchie? Buurtzorg: Ein neuer Organisationsansatz für die Spitex Enrico Cavedon, Fachhochschule Nordwestschweiz Personalrekrutierung: Neue Wege sind erforderlich! Silvia Tavaretti, Geschäftsleiterin Spitex Uster Ein Führungsgespräch mit einer Unternehmerin Anmeldeschluss: 12. Oktober 2018 Programm + Anmeldung: myspitex.ch > Führungsforum myspitex.ch postfach 1334 4901 langenthal 081723 24 55 eee @ myspitex.ch ch
SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER PUBLIREPORTAGE 11 Hand in Hand zum Wohle der Patienten Die Topwell Apotheke Zuchwil und die Spitex-Dienste Zuchwil verbindet eine enge und freundschaftliche Zusammenarbeit. Die Spitex kann sich auf die Therapiesicherheit verlassen und profitiert von der Qualitäts- sicherung und Effizienzsteigerung. Topwell, in welchen Bereichen arbeiten sollte, dann ruft uns eine Mitarbeitende der die Topwell Apotheke Zuchwil und die Apotheke an. Die gesamte Medikamenten- Spitex-Dienste Zuchwil zusammen? bestellung läuft über die Apotheke, was zur Beatrice Zwicky-Keel: Die Spitex bestellt Therapiesicherheit beiträgt und gefährliche täglich Medikamente und Verbrauchsmate- Doppelmedikationen oder Interaktionen Patricia Häberli, dipl. Institutionsleiterin rial per Fax bei uns. Bestellungen bearbei- zwischen Medikamenten verhindert. NDS, Spitexleitung der Spitex-Dienste Zuchwil ten wir aufmerksam und vergleichen diese Übrigens können sich unsere Mitarbeiten- (links) und Beatrice Zwicky-Keel, eidg. dipl. mit der Historie im Patientendossier. Wir den direkt bei Frau Zwicky-Keel gegen Apothekerin ETH, Off izinapothekerin FPH und überprüfen Interaktionen und mögliche Grippe impfen lassen – wir übernehmen die Geschäft sführerin der Topwell Apotheke Kontraindikationen und erkundigen uns Kosten dafür. Die individuelle Terminverein- Zuchwil. über allfällige Therapieanpassungen. An- barung läuft sehr unkompliziert ab genau- schliessend beschriften wir die Medikamen- so wie die Rechnungsstellung. Haben Sie ein Beispiel, bei welchem tenpackungen mit dem Patientennamen. die Therapiesicherheit durch die Damit die Spitex Bestellungen direkt an die Sie bestellen Ihre Medikamente porti- Zusammenarbeit optimiert wurde? jeweiligen Personen übergeben kann, pa- oniert? Beatrice Zwicky-Keel: Ein Kunde hat seine cken wir diese in angeschriebene Säckli ab. Patricia Häberli: Wenn ein Patient mehr als Schlafmedikamente teilweise doppelt einge- drei Medikamente einnimmt, können wir nommen und ein anderes Mal ganz ausge- Weshalb ist diese Zusammenarbeit die Medikamente für ihn über die Apotheke lassen. Jetzt erhält er seine Medikamente im so erfolgreich? im Medifilm beziehen. Wir und der behan- Medifilm portioniert – dadurch können wir Patricia Häberli: Die Apotheke bietet uns delnde Arzt erhalten zur Überprüfung von seine Therapiesicherheit garantieren. einen absolut zuverlässigen Dienst an. Wir der Topwell Apotheke ein aktualisiertes Me- Patricia Häberli: Personen mit Demenz erhalten die bestellten Medikamente und dikamentenblatt per Mail. Im Gegensatz zu geben wir alle Medikamente, auch die von das Verbandmaterial noch am gleichen Tag Medikamenten, die von Hand gerüstet wer- Medifilm, direkt ab, um die Therapiesicher- an den Stützpunkt oder direkt zum Patien- den, weisen maschinell konfektionierte heit zu gewährleisten. ten. Der mobile Kunde kann die Medika- Portionen praktisch keine Fehlerquote auf mente zur vereinbarten Zeit auch selbst in und sind viel günstiger. Können Sie die Dorf Apotheke für die der Apotheke abholen. Zusammenarbeit weiterempfehlen Beatrice Zwicky-Keel: Wir tauschen uns Wie gestaltet sich der Austausch und wenn ja, warum? regelmässig aus und stehen in einem sehr zwischen der Topwell Apotheke und Patricia Häberli: Natürlich und zwar zu 100 engen Kontakt, entweder telefonisch, per der Spitex? Prozent. Wir haben eine sehr angenehme, Mail oder durch die kurzen Wege auch per- Beatrice Zwicky-Keel: Die Kommunikati- konstruktive, wohlwollende und enge Zu- sönlich. Einmal im Jahr treffen wir uns und on ist sehr wichtig. Wir haben einen engen sammenarbeit. Wir arbeiten Hand in Hand besprechen die weitere Zusammenarbeit. Kontakt und sind bestrebt, alle offenen Fra- für den Patienten und für die Sache. Und gen vor der jeweiligen Auslieferung zu klä- dass wir offen für Neues sind, zeigt unser Was sind die klaren Vorteile für die ren, damit wir der Spitex die richtigen Medi- Projekt mit der Grippeschutzimpfung. Spitex-Dienste Zuchwil? kamente liefern können. Patricia Häberli: Die prompte und direkte Patricia Häberli: Bei den Telefonaten geht Lieferung an unseren Stützpunkt erspart uns es praktisch immer um Rückfragen betref- den Weg in die Apotheke. Wenn bei unserer fend der Bestellung, bzw. um Fragen zu Me- aufgegebenen Bestellung etwas unklar sein difilmtherapien. Telefon: 052 268 80 80, www.topwell.ch
12 GESELLSCHAFT SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER Von der griechischen Küste zuri Spitex an der Limmat Am Esstisch steckten die fünf Mitglieder der Familie Papasika jeweils die Köpfe zusammen und sprachen darüber, dass sie in Griechenland nur eines erwarte- te: Perspektivenlosigkeit. Darum beschloss das Quintett eines Tages einhellig, seine Heimat hinter sich zu lassen und in der Schweiz ein neues Leben zu beginnen – für die älteste Tochter Polyxeni führte dieser Weg zur Spitex. Die Kindheit von Polyxeni «Poly» Papasika in Griechenland war eine glückliche, liebte sie doch beispielsweise das Meer, die zumeist fröhlichen Einheimischen und all die kunter- bunten Feste und Bräuche. Zudem fühlte sich das Mädchen geborgen in jenem grossen Haus, in dem nicht nur sie selbst mit ihren Eltern und den beiden Geschwistern lebte, son- Schönheit, mit dem Kontrast zwischen den weiss verputz- dern auch eine Grossmutter und zwei Tanten mit ihren ten Häusern und dem Meer, das in allen Blautönen leuch- jeweiligen Familien. Als Polyxeni älter wurde, begann sie tet. Vor knapp zehn Jahren brach jedoch eine Finanzkrise jedoch zu begreifen, dass sie eine Sache nicht liebte an über die Hellenen herein: Während die Arbeitslosenzahlen Griechenland: die fehlenden Perspektiven. Und so packte stiegen, sanken die Löhne erheblich, und 2010 wurde Grie- sie eines Tages ihre Siebensachen, um ihre Heimat zu ver- chenland gar für insolvent erklärt. lassen – nichtsahnend, dass ihre Auswanderung sie zur Diese Krise ging auch an der Familie Papasika nicht Spitex führen sollte. Doch der Reihe nach. spurlos vorbei. «Mein Vater arbeitete als Elektriker in einer Fabrik. Sein Lohn reichte für unsere fünfköpfige Fa- Die Krise tilgt die Perspektiven milie aber nicht aus», erzählt Polyxeni Papasika. Darum Die heute 19-jährige Poly xeni Papasika wuchs in der führte er auch noch einen Laden für Heizungstechnik, griechischen Hafenstadt Volos auf, die in der Mitte zwi- arbeitete als Verkäufer in einem Farbengeschäft, und als schen der Hauptstadt Athen und der Landesgrenze im wäre dies noch nicht genug, schlüpfte er abends und an Norden liegt. «In Volos ist alles mit der Ägäis verbunden. Feiertagen auch noch in eine Kellneruniform. Seine Frau Alles, was man erlebt, und alles, an das man sich gerne kümmerte sich nicht nur um ihre Kinder, sie half auch im erinnert», erzählt sie. Griechenland hat rund 11 Millionen Laden aus und übernahm alle möglichen Gelegenheitsjobs, Einwohner, umfasst 130 000 Quadratkilometer und gilt als schrubbte beispielsweise Böden blank. «Meine Eltern Wiege Europas; jede Ruine strotzt regelrecht vor Ge- steckten so viel Zeit und Energie in ihre diversen Jobs, dass schichtsträchtigkeit. Zudem rührt das Land die Herzen von sie kaum Zeit für uns hatten. Darunter begann ihre Gesund- Touristen und Einheimischen gleichermassen mit seiner heit zu leiden», erzählt Polyxeni Papasika und senkt ihren
SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER GESELLSCHAFT 13 In der griechischen Hafenstadt Volos ist Polyxeni Papasika aufgewachsen. Bild: istock / Kisa_Markiza Blick. «Dennoch reichten ihre Einkünfte nur für das Wich- wachsenen ihre Sprösslinge in ihre Überlegungen mit ein, tigste aus. Wir konnten nichts zur Seite legen, zum Beispiel und so debattierte die ganze Familie jeweils am Esstisch, für das Studium von uns ob man auswandern sollte Kindern. All dies hat meine Eltern krank gemacht.» «Meine Eltern steckten so – und wenn ja, wohin. Schliesslich einigte sich Zur Schule ohne ein viel Zeit und Energie in ihre das Quintett darauf, dass es in die Schweiz ziehen wür- Wort Deutsch diversen Jobs – und dennoch de. Diese lag nicht allzu Mit der Zeit begannen auch weit von Griechenland ent- die Kinder zu begreifen, reichten ihre Einkünfte nur fernt, galt als sicher und dass ihre Heimat sich ver- ändert hatte. «Im Gymna- für das Nötigste.» schön. Zudem war der Va- ter zuversichtlich, dass er sium wurde mir klar, dass es Polyxeni «Poly» Papasika dort Arbeit als Elek triker in Griechenland für viele finden würde, hatte er als Jugendliche keine Zukunft gab«, erzählt Polyxeni Papasi- Kind doch eine Weile in Deutschland gelebt und Deutsch ka. «Egal, wie viele Diplome sie sich erkämpften: Am Ende gesprochen. Denn auch seine Eltern waren Auswanderer waren sie doch arbeitslos oder mussten irgendwelche gewesen, aber nach einer Weile in ihre alte Heimat zurück- schlechtbezahlten Jobs annehmen.» Darum begannen die gekehrt. Eltern in jener Zeit zu diskutieren, ob sie ihre geliebte Hei- Nachdem der Beschluss gefallen war, reiste der Vater mat verlassen sollten. Nach einer Weile weihten die Er- im Jahr 2013 in die Schweiz. In Zürich, in der fernen Stadt
14 GESELLSCHAFT SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, drück- te sie zwei Tage nach ihrer Ankunft bereits die Schulbank. «Zum Glück konnte ich mich zu Beginn in Englisch mit den Lehrern und Mitschülern verständigen», sagt sie. Familie im siebten Himmel Als sie sich mit ihrer Berufswahl auseinan- derzusetzen hatte, entschied sich Polyxeni Papasika für die Pflege. «Ich wollte mit Menschen statt Maschinen arbeiten. Aus- serdem ist die Pflege eine sehr zukunfts- trächtige Branche.» Letzteres sei ihr wich- tig gewesen, weil sie nie wieder die Perspektivenlosigkeit spüren wollte, mit der sie in Griechenland konfrontiert gewe- sen war. Fortan schrieb sie Bewerbung um Bewerbung – und freute sich riesig, als sie die Einladung zum Vorstellungsgespräch bei der Spitex Zürich Limmat erhielt. Nach dem Gespräch und einem Schnupperprak- tikum sei sie überzeugt gewesen, ihren ide- alen Beruf gefunden zu haben. Und die Spi- tex war sich im Gegenzug sicher, die richtige Auszubildende gewählt zu haben. «Als ich die Zusage bekam, war nicht nur ich im siebten Himmel, sondern auch mei- ne ganze Familie.» Nun befi ndet sich die 19-Jährige im 2. Lehrjahr zur FaGe im Zentrum Affoltern, absolviert die Berufsmaturitätsschule und wird von ihren Ausbildungsverantwortli- chen in den höchsten Tönen gelobt. «Poly schreibt nicht nur sehr gute Noten», sagt ihre Ausbildnerin Susanne Horzsa. «Sie ist auch ein herzlicher und tiefgründiger Mensch, der seinem Team und unseren Klienten eine grosse Wertschätzung ent- Polyxeni Papasika fährt mit dem Elektrovelo auf Spitex-Tour. Bild: Kathrin Morf gegenbringt. Dass sie schon viel erlebt hat, merkt man, denn sie ist sehr reif für ihr Alter.» Bereits während des Vorstellungs- mit ihrer grossen griechischen Gemeinde, fand er nicht nur gesprächs sei sie positiv überrascht gewesen, wie gut die neue Freunde, sondern auch eine Arbeitsstelle sowie eine junge Frau schon Deutsch sprach, erinnert sich Susanne Wohnung – nach langem Suchen, was in der Limmatstadt Horzsa. «Aber das zeichnet Poly aus: Sie ist sehr lernwil- aber keine Seltenheit darstellt. «Mein Vater verlor zeit- lig. Genau wie ihre Eltern würde Poly zudem nie aufgeben.» weise fast die Hoffnung, aber wie immer hat er nicht auf- Sie hat grosses Potenzial. Darum diskutieren wir derzeit gegeben», erzählt seine Tochter und lächelt wieder. mit ihr, ob sie nach der Lehre für uns weiterarbeiten und Im August reiste der Rest der Familie in die Schweiz, und eine höhere Ausbildung angehen möchte.» zwar ohne Rückflugticket. «Die traurigen Gesichter unse- rer zurückbleibenden Familienmitglieder werde ich nie «Allesamt singen, essen und lachen gemeinsam» vergessen«, erzählt Polyxeni Papasika. In Griechenland Und Polyxeni Papasika findet dieses Angebot durchaus hatte sie das zweite Schuljahr im Gymnasium abgeschlos- verlockend, wie sie dem Spitex Magazin verrät. «Die Aus- sen, in der Schweiz begann sie mit der Sekundarschule. bildung an einer Fachhochschule reizt mich», sagt die
SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER GESELLSCHAFT 15 19-Jährige, «und bei der Spitex bin ich immer noch so Kindheit gegeben hat. Die Schweiz hat mir danach aber glücklich wie am ersten Tag.» Das Team und die langjähri- Möglichkeiten eröffnet, die ich in Griechenland nicht gen Beziehungen zu den Klienten gefallen ihr genauso wie hatte. Darum hat sie längst auch einen grossen Platz in die vielen Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die grosse meinem Herzen.» Abwechslung und Selbstständigkeit. «Nur das Velofahren Dann schwingt sich Polyxeni Papasika wieder auf ihr im Winter ist für eine Griechin ganz schön hart», sagt sie Elektrovelo und rollt zu ihren Klienten, von denen sie so und lacht schallend. gerne erzählt. «Bei der Spi- Damit beginnt sich die tex sind Klienten nicht bloss andere Seite zu zeigen, wel- «Die Schweiz hat mir Möglich- Fallnummern», betont sie. che die junge Frau aus- «Man kennt ihren Namen, macht: Da ist zwar einer- keiten eröffnet, die ich in ihre Geschichte, ihr Um- seits die ehrgeizige und nachdenkliche Polyxeni Pa- Griechenland nicht hatte.» feld. Und sie sind dankbar, dass wir sie daheim pfle- pasika, die ihre Nase gerne Polyxeni Papasika gen.» Und so schliesst sich in Bücher steckt, sich im gewissermassen ein Kreis: Selbststudium das Klavierspiel beibringt und sich andau- Die junge Frau, die ihre Heimat hinter sich lassen musste, ernd selber hinterfragt. Andererseits ist da aber auch die- hilft nun dabei, dass gebrechliche und kranke Menschen jenige Polyxeni Papasika, die das Leben in vollen Zügen ge- dort bleiben können, wo sie sich am wohlsten fühlen – zu niesst, das Kickboxen liebt – und das Feiern. «Das Hause. Ausgelassene und Offene ist das typisch Griechische, ebenso wie unser grosses Unterhaltungspotenzial», sagt Kathrin Morf sie lächelnd. «In Griechenland gibt es immerzu spontane Feste: Dann ist jeder eingeladen und allesamt singen, es- sen und lachen gemeinsam. Und sind dabei nicht gerade Anzeige leise.» Etwas mehr Spontanität würde sie sich diesbezüg- lich auch von den Schweizern wünschen. «Die Schweizer können zwar gut feiern», sagt sie, «aber die meisten Feste sind geschlossene Gesellschaften und werden Monate im Voraus geplant.» Bleiben Sie mit uns mobil! Die HERAG AG, ein Schweizer Familienunternehmen, verhilft Ja, an manches habe sie sich gewöhnen müssen in der ihren Kunden seit über 30 Jahren zu mehr Unabhängigkeit, Schweiz: An die Stille in den Zügen und Restaurants zum Sicherheit und Komfort. Mit perfektem Service. Beispiel. «Auch sind viele Schweizer erst eher zurückhal- tend», sagt sie, «aber lernt man sie kennen, dann öffnen HERAG AG sie sich, sind gastfreundlich, fröhlich und hilfsbereit.» Die Treppenlifte Schweizer Kultur und Mentalität immer weiter kennen- Tramstrasse 46 8707 Uetikon am See zulernen, finde sie spannend – und viele der guten Eigen- www.herag.ch schaften der Eidgenossen habe sich die Familie Papasika 8707 Uetikon am See angeeignet: die Pünktlichkeit und das gut Organisierte zum T 043 508 91 20 Beispiel. Hierzulande könne der Vater seine Familie zudem 1470 Estavayer-le-Lac mit einer einzigen Arbeitsstelle ernähren, und wenn die T 021 588 11 93 Mutter manchmal einen Temporärjob übernimmt, dann 6963 Pregassona vermag die Familie sogar etwas auf die Seite zu legen. Po- T 091 228 03 29 hier abtrennen lyxenis 15-jährige Schwester besucht derzeit die Sekundar- Senden Sie mir Ihre schule, ihr 16-jähriger Bruder das Gymnasium. «Wir sind Gratisinformationen Name glücklich in der Schweiz», zieht die älteste Tochter Bilanz. Vorname Ein eigener Platz im Herzen Strasse Die regelmässigen Reisen nach Griechenland können Polyxeni Papasikas Heimweh zwar nicht gänzlich aus- PLZ/Ort merzen, aber zurückziehen will sie derzeit nicht. «Ich Telefon schliesse zwar keine Tür für immer», sagt sie, «aber hier habe ich ein tolles Leben und einen wunderbaren Job. Coupon ausfüllen und einsenden an: HERAG AG, Tramstrasse 46, 8707 Uetikon am See. Ich liebe meine Heimat für alles, was sie mir in meiner
IFAS18_KoIns_184x260_Ad_print 10.07.18 16:05 Seite 1 WWW.IFAS-MESSE.CH FALSCH VERBUNDEN? ALLES FÜR DAS PFLEGEFACHPERSONAL. 2018 23.–26. Oktober FACHMES S E FÜ R D E N GES U N D HE IT S MA R K T MESSE ZÜRICH
SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER NETZWERK FOKUS 17 Gemeinsam stark Ein Lösungsvorschlag wird derzeit oft genannt, wenn debattiert wird, wie die Gesundheitsbranche die Herausforderungen der Zukunft zu meistern vermag: Stationäre und ambulante Leistungserbringer sollen sich entlang der gesamten Versorgungskette in zentral koordinierten Netzwerken zusammenschliessen. Solche Netzwerke werden im Folgenden fokussiert: Im Interview zum Auftakt beleuchtet Claudia Aufdereggen, Vorstandsmitglied von Spitex Schweiz, die Zu- sammenschlüsse von A bis Z. Danach werden dreierlei Beispiele vorgestellt: Ein umfassender Bündner Gesundheitsversorger, eine Waadtländer Partnerschaft mit Erweiterungspotenzial sowie fallspezifisch aufgebaute Zürcher Netzwerke. Der Grundtenor aller Befragten lautet dabei: «Gemeinsam sind wir stark!»
18 NETZWERK FOKUS SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER «Netzwerke bieten massgeschnei- derte Lösungen – für jeden Patienten, zu jedem Zeitpunkt» Claudia Aufdereggen ist Geschäftsleiterin der Spitex Regio Liestal und Vorstandsmitglied von Spitex Schweiz. Bild: Spitex Regio Liestal Das Wort «Netzwerk» ist in Mode in der Gesundheitsbranche, oft werden in- terdisziplinäre Versorgungsnetzwerke gar als Patentrezept der künftigen Grund- versorgung angepriesen. Nur wenn alle möglichen Leis- tungserbringer sich zusammentun, so lautet der Tenor, könne jeder Patient optimal versorgt werden. Dies gilt vor allem für die Langzeitpflege, denn immer mehr Menschen werden immer älter und ihre Bedürfnisse immer individueller. Claudia Aufdereggen, Geschäfts- leiterin von Spitex Regio Liestal und Vorstandsmit- glied von Spitex Schweiz, spricht im Interview über die Definition und Organisation solcher Versorgungs- netzwerke – und darüber, was es braucht, damit sie Zukunft haben.
SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER NETZWERK FOKUS 19 Spitex Magazin: 2015 hielt das Bundesamt für Ge- Dieser Warnung würden sich nicht alle Experten sundheit (BAG) fest, dass Versorgungsnetzwerke in anschliessen. Manche pochen auf alles umfassende der Gesundheitsbranche unbedingt nötig seien. Netzwerke, wollen sogar Krankenkassen miteinbe- Ihr Ziel sei die «koordinierte Versorgung» aller Pati- ziehen. Sie demnach nicht? entinnen und Patienten durch sämtliche Leistungs- Diesbezüglich muss man pragmatisch denken: Zwar gibt es erbringer entlang der gesamten Behandlungskette. durchaus kooperative Krankenkassen, aber jede fokussiert Solche Netzwerke, in denen alle möglichen Pflege- doch erst einmal das Prinzip der eigenen Wirtschaftlich- und Betreuungsangebote zentral koordiniert werden, keit. Ihre Integration droht das System träge zu machen. fi ndet man in der Schweiz aber bisher selten. Sind Liegt ein Patient zehn Tage lang unnötig im Spital, weil die diese umfassenden Netzwerke also bloss eine Vision, Verantwortlichen über die Finanzen diskutieren, dann ha- vielleicht gar eine Illusion? ben die Zuständigen den Komplexitätsgrad eines patien- Claudia Aufdereggen: Ich hoffe, diese Aussage wird sich tengerechten Netzwerkes überschritten. künftig als falsch erweisen. Derzeit existieren hierzulande aber tatsächlich kaum Netzwerke, welche diese Bezeich- Sie erwähnten die optimale Versorgung des Patien- nung verdient haben. Denn ich teile die Meinung des BAG, ten. Sie ist auch für das BAG ein Hauptvorteil eines dass ein Netzwerk die gesamte Versorgungskette im Blick Netzwerks. Aber reicht unser Gesundheitssystem haben muss. Es soll also alle Dienstleistungen umfassen, hierzu nicht aus? Immerhin rangiert es im interna- die eine Patientin oder ein Patient im Laufe der Zeit braucht. tionalen Vergleich auf Platz zwei hinter den Nieder- Zentral ist dies vor allem in Bezug auf die Langzeitpflege landen laut Euro Health Consumer Index (EHCI). und die betagten, fragilen Patienten. Denn diese bewegen Die Schweiz hat wirklich ein sehr gutes Gesundheitssys- sich auf der Zeitachse der Pflege und Betreuung – von der tem. Man redet seit 20 Jahren von der Dringlichkeit von ersten Abhängigkeit von formeller Hilfe bis zur Palliative Netzwerken, und unser System wird nicht versagen, wenn Care – oftmals hin und her. Beispielsweise kann sich der wir sie nicht sofort überall aus dem Boden stampfen. Doch Gesundheitszustand eines Betagten verschlechtern, wir müssen begreifen, dass einerseits immer mehr Men- woraufhin eine vorübergehende Betreuung im Heim nötig schen immer älter und ihre Bedürfnisse immer individuel- wird. Werden viele Leistungserbringer zentral koordiniert, ler werden, etwa durch Multimorbidität. Andererseits ent- wird das System durchlässiger: Ansonsten komplizierte wickelt sich die Medizin schnell weiter, viele Behandlungen Übergänge sind in beiden Richtungen schnell zu bewälti- werden komplexer und teurer. Angesichts dieses rasanten gen. Das Wichtigste an der Definition eines Netzwerkes Wandels der Gesundheitsbranche ist es wichtig, dass wir scheint mir aber nicht seine Breite, sondern sein Fokus uns Gedanken machen, wie wir auch in Zukunft optimale auf massgeschneiderte, individuelle Lösungen: Ein Netz- und wirtschaftliche Versorgungslösungen für jedermann werk muss darauf hinarbeiten, für jeden Patienten zu anbieten können. Kurz gesagt: Wir haben ein gutes Ge- jedem Zeitpunkt die richtige Lösung für seine optimale sundheitssystem, aber durch Netzwerke können wir es Versorgung zu finden. optimieren und uns für die Zukunft rüsten. Entlang der erwähnten Zeitachse fi nden sich Apo- theken, Ärzte, die Spitex, Heime, Spitäler, das Rote Kreuz und viele mehr. Ab wie vielen Involvier- ten würden Sie von einem Netzwerk sprechen? Zur Person Es kann durchaus sein, dass am Anfang eines Netzwerkes Claudia Aufdereggen, 53, ist Pflegefachfrau HF mit nur wenige Leistungserbringer stehen, eine Spitex und MAS in Betriebsökonomie und Gerontologie. Sie ein Heim zum Beispiel. Das ist zwar erst eine Partner- begann 1986 bei der Spitex zu arbeiten, ist seit 2003 schaft, aber die enge Zusammenarbeit ist ein wichtiger Geschäftsleiterin der Spitex Regio Liestal und seit Schritt auf dem Weg zum Netzwerkdenken. Denn die 2015 Vorstandsmitglied von Spitex Schweiz mit dem beiden Leistungserbringer beginnen dadurch die gesamte Ressort Qualität. Auch im Vorstand der Alzheimer- Versorgungskette im Blick zu haben. Sie bemerken viel- vereinigung beider Basel ist sie vertreten. Während leicht, wo in ihrer gemeinsamen Versorgung noch Lücken fünf Jahren (bis 2017) war sie im Vorstand des Kanto- bestehen, beispielsweise in Bezug auf intermediäre nalverbandes SVBL. Sie hat an der Ausgestaltung des Lösungen wie Alterswohnungen. Oder sie begreifen ge- neuen Altersbetreuungs- und Pflegegesetzes (APG) meinsam, wo sie unterschiedliche Ziele verfolgen, die des Kantons Baselland als Vertreterin des Spitex- sie folglich überdenken müssen. Ein Netzwerk darf aber Kantonalverbandes wie auch in kantonalen Fach- auch nicht zu weit ausgedehnt werden, sonst wird es kommissionen mitgearbeitet. zu komplex.
20 NETZWERK FOKUS SPITEX MAGAZIN 4 / 2018 | AUGUST/SEPTEMBER Als verbesserungswürdig gilt die stand des Patienten, auf all seine Risiken und Ressourcen. Versorgung des Patienten vor Dieser professionelle Rundumblick wird erheblich behin- allem in Bezug auf Übergän- dert, wenn die Fachperson keine Einsicht in die Kranken- ge wie denjenigen vom geschichte hat. Es ist eine Knacknuss, wie wir das Problem Spital nach Hause des (siehe auch Seite 28). herrschenden Misstrauens lösen. Allein der Patient muss Wie helfen hier Netz- bestimmen dürfen, wer Zugriff auf seine Daten hat. Viele werke? sind aber überfordert, wenn sie alle Zusammenhänge im Die Spitex muss viel frü- Netzwerk verstehen sollen. Wir müssen diesen Menschen her in die Versorgung ei- aufzeigen, wie wichtig der Austausch von Daten im gesam- nes Patienten einsteigen ten Netzwerk ist. Zu empfehlen ist, dass wir dabei die als bis anhin üblich. Eine Angehörigen vermehrt miteinbeziehen, denn sie sind wert- Spitex-Pflegefachperson volle Vermittler. wird vor dem Spitalein- tritt beigezogen und Der EHCI hält weiter fest, dass das Schweizer Ge- kann sich mit dem Pati- sundheitssystem sehr teuer ist. Das Sparpotenzial enten bereits vertraut ist dann auch der zweite Hauptgrund, wieso das machen und daraufhin naht- BAG auf Netzwerke pocht. Sie könnten zum Beispiel los bei ihm zu Hause die Pflege ge- Eintritte in teure Langzeitinstitutionen reduzieren. währleisten. Durch solche unkomplizierten, Dies dürfte ein schlagkräftiges Argument sein in massgeschneiderten Netzwerklösungen wird die Un- einer Branche, die zunehmend unter ökonomischen sicherheit des Patienten massiv reduziert. Dazu braucht es Druck gerät? jedoch neben einem Schnittstellenmanagement auch die Es ist richtig, dass ein Netzwerk die Kosten für Heim- und finanzielle Abgeltung dieser Leistung. Leider gibt es in die- Spitalaufenthalte zu reduzieren vermag. So zeigen Studi- sem Bereich noch einige Lücken zu schliessen. en, dass in der Westschweiz der Anteil der Betagten im Heim deutlich tiefer ist als in der Deutschschweiz. Dies, Technologien wie das elektronische Patientendossier weil in der Westschweiz häufiger gemeinsam an optima- (EPD) helfen beim Bewältigen der Schnittstellen. len Versorgungslösungen gearbeitet wird, beispielsweise In Bezug auf den Datenschutz herrscht hierzulande in den Sozialmedizinischen Zentren (SMZ), die mehrere aber grosses Misstrauen. Ein Patient könnte befi n- Leistungserbringer unter einem Dach vereinen. Das Netz- den, provokativ gesagt, dass die Spitex ihm die werk verhindert auch teure Doppelspurigkeiten, zum Bei- Stützstrümpfe wechselt und nicht all die intimen spiel führen nicht mehrere Institutionen dieselbe Abklä- Details aus seinem Dossier kennen muss. rung durch. Mir ist klar, dass dieser finanzielle Nutzen jeden Das ist leider ein realistisches Beispiel. Wir müssen Aus- Prämien- und Steuerzahler interessiert. Darum ist es auch senstehenden begreifbar machen, dass die Spitex-Fach- wichtig, dass die Wirkung von Netzwerkbildungen mess- person viel mehr im Fokus hat als nur die Stützstrümpfe. bar ist, zum Beispiel mit Statistiken zu Heimeintritten. Zwei Sie hat stets ein Auge auf den gesamten Gesundheitszu- Dinge möchte ich hier aber betonen: Erstens darf man nicht Zur neuen Gesetzgebung in Baselland Im Januar trat im Kanton Baselland (BL) das neue Altersbe- In Baselland bilden sich also umfassende Versorgungsnetzwer- treuungs- und Pflegegesetz (APG) in Kraft. Es schafft laut ke, die von oben initiiert werden (sogenannte Top-Down- Gesetzestext «die Grundlage für die bedarfsgerechte, qualita- Modelle) statt von der Basis selber in Angriff genommen zu tiv gute und wirtschaftliche Pflege von nicht spitalbedürftigen werden (Bottom-Up-Modelle). Dabei dürfen die Gemeinden Personen aller Altersstufen sowie die Betreuung von betagten bestimmen, wie gross die Versorgungsregion ist, der sie künf- Personen.» Das APG verpflichtet die Gemeinden dazu, innert tig angehören. Es dürften sich Netzwerke aus zwei, drei Ge- drei Jahren Versorgungsregionen zu bilden, die als Zweckver- meinden genauso bilden wie solche aus 20 bis 30 Gemeinden. bände organisiert sind. Jede Region arbeitet ein Versorgungs- Für die neue Gesetzgebung war keine Volksabstimmung nötig, konzept aus. Dieses «bezweckt die Sicherstellung eines bedarfs- sie fand eine genügend grosse Mehrheit im Landrat. Die Um- gerechten ambulanten, intermediären und stationären strukturierung wird von der Universität Basel wissenschaftlich Betreuungs- und Pflegeangebots. Es umfasst insbesondere begleitet und analysiert. Mehr Informationen sind erhältlich auch Angebote für betreutes Wohnen und Demenzkranke.» unter www.baselland.ch.
Sie können auch lesen