PRIVATISIERUNGSPOLITIK IN BERLIN SEIT 1990 - ARCH+

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PRIVATISIERUNGSPOLITIK IN BERLIN SEIT 1990 - ARCH+
PRIVATISIERUNGSPOLITIK
IN BERLIN SEIT 1990
                                                                                                   und der Stadtentwicklung war dabei die
                                                                                                   Rückabwicklung der in der DDR entstande­
                                                                                                   nen Eigentumsverhältnisse mit einer über­
                                                                                                   wiegend staatlich und genossenschaftlich
Text:                                                                                              organisierten Wohnungsversorgung. Die so­
Andrej Holm                                                                                        genannte Restitution sah nach 40 Jahren
                                                                                                   DDR die Rückgabe von Grundstücken an ihre
                                                                                                   Alteigentümer*innen beziehungsweise ihre
                                                                                                   Erb*innen vor. Die Entscheidung für die Rück­
Die drei Jahrzehnte seit                        Fläche von über 2.100                              übertragung von Privateigentum wurde mit
dem Mauerfall sind durch                        Hektar die Größe                                   moralischen und funktionalen Zielen begrün­
                                                                                                   det: Zum einen wurde auf den Aspekt der
eine folgenschwere                              des Bezirks Friedrichshain­                        „Wiedergutmachung“ früheren Unrechts ver­
Privatisierungspolitik                          Kreuzberg übertreffen.               02            wiesen, zum anderen sollte die Reprivatisie­
                                                                                                   rung der Wohngebäude künftige Investitio­
gekennzeichnet.                                 Mit der Privatisierung                             nen und Verteilungsmodalitäten einer markt­
Grundstücke,Wohnungs­                           der Liegenschaften von                             wirtschaftlichen Steuerung überlassen.05 Die
                                                                                                   Ämter zur Regelung offener Vermögensfra­
bestände und ganze                              knapp 320.000                                      gen waren mit ihren über 4.700 Beschäftig­
Wohnungsbau­                                    Wohnungen fand nach                                ten06 neben der Treuhand (4.000 Personen)
                                                                                                   ein zweiter riesiger Behördenapparat, der für
gesellschaften wurden                           der Wiedervereinigung                              eine möglichst schnelle Durchsetzung von
von der öffentlichen                            die größte eigentums­                              kapitalistischen Marktbedingungen im soge­
                                                                                                   nannten Beitrittsgebiet sorgen sollte und die
Verwaltung in private                           rechtliche Umverteilung                            Transformationserfahrungen in Ostdeutsch­
Hände gegeben. Im                               in der Geschichte                                  land prägte. Allein in Ostberlin wurden mehr als
Jahr 1990 verwalteten                           Berlins statt.                                     175.000 Rückübertragungsansprüche07 ge­
                                                                                                   stellt und mindestens 50.000 Wohnungen08
die landeseigenen                                                                                  aus den Beständen der kommunalen Woh­
Wohnungsbaugesellschaften                       Immobilienmarktes betrug 2019 rund 21,5            nungsverwaltungen an private Eigentümer­
                                                Milliarden Euro03 – das sind ganz überwiegend      *innen zurückgegeben, die ihre oft sanie­
in Berlin fast 590.000                          „Investitionen“ in Eigentumstitel, die dazu        rungsbedürftigen Häuser überwiegend schnell
Wohnungen – 2010 waren                          berechtigen, die erworbenen Grundstücke,           an professionelle Wohnungsunternehmen
                                                Häuser und Wohnungen gewinnbringend zu             verkauften und in den Altbauvierteln regel­
es nur noch 270.000.            01
                                                bewirtschaften. Die Privatisierung hat die Stadt   rechte Verkaufswellen auslösten. Die steigen­
Hinzu kam der Verkauf                           in einen Modus des Extraktivismus versetzt         den Grundstückspreise verstärkten den Ver­
                                                und die Ertragserwartung zum Motor der             drängungsdruck und müssen rückblickend
von über 10.000 Grund­                          Stadtentwicklung erhoben. Diese Konstellation      als die ökonomische Grundlage der umfas­
stücken aus öffentlichem                        zeigt, dass ohne öffentliches Eigentum das         senden Gentrifizierung in Mitte, Prenzlauer
                                                Gemeinwohl fast immer auf der Strecke bleibt.      Berg und Friedrichshain angesehen werden.
Besitz, die mit einer                                 Die Berliner Privatisierungsgeschichte       Doch nicht nur Altbauten gerieten in den ver­
                                                führt deutlich vor Augen, dass Eigentumsver­       einigungsbedingten Privatisierungsstrudel.
                                                hältnisse und ökonomische Verwertungs­             Durch die umstrittene Konstruktion soge­
                                                prinzipien keine Naturverhältnisse sind, son­      nannter Altschulden, bei der die staatliche
                                                dern immer gesellschaftlich und politisch          Finanzierung der DDR in reale Schulden ge­
Die Privatisierungspolitik der 1990er­ und      hervorgebracht werden.04 Hier überlagerten         genüber privaten Banken verwandelt wurde,
2000er­Jahre prägt als Hypothek die Berliner    sich die mit der Vereinigung gesetzte Über­        mussten auch die kommunalen und öffentli­
Stadtentwicklung bis heute. Nicht nur die ge­   führung in die Marktwirtschaft und der neoli­      chen genossenschaftlichen Wohnungsunter­
schrumpften Handlungsoptionen der öffent­       berale Ausverkauf der Austeritätspolitik seit      nehmen mindestens 15 Prozent der Groß­
lichen Hand, sondern auch die entfesselte       den 1990er­Jahren.                                 wohnsiedlungen und sonstigen DDR­Be­
Verwertungsorientierung des privatisierten            Kern des Einigungsvertrages zum              stände privatisieren.09 In Berlin betraf dies
Eigentums haben Stadtentwicklungsbedin­         Anschluss der DDR an die Bundesrepublik            fast 50.000 Wohnungen, die vielfach an so­
gungen geschaffen, in denen soziale und         waren Regelungen zur Überführung der sozi­         genannte Zwischenerwerber*innen verkauft
stadtplanerische Akzente fast immer gegen       alistischen und zentralistisch organisierten       wurden und heute teilweise von börsen­
private Gewinninteressen durchgesetzt wer­      Ökonomie in der DDR in eine Marktwirt­             notierten Wohnungsunternehmen verwaltet
den müssen. Der Jahresumsatz des Berliner       schaft. Zentral für den Bereich des Wohnens        werden.

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THERESIA KIMMEL, TRIXI FELLER
AUSSTELLUNGSGESTALTUNG: ARCH+, AUSSTELLUNGSGRAFIK:
© NEUER BERLINER KUNSTVEREIN / JENS ZIEHE
NEUER BERLINER KUNSTVEREIN, 2019
AUSTELLUNGSANSICHT 1989–2019: POLITIK DES RAUMS IM NEUEN BERLIN,
                                                                                                                                                                                  Ihre Fortsetzung fand die Privatisierung im
                                                                                                                                                                                  Zuge des Vereinigungsprozesses in stadtpo­
                                                                                                                                                                                  litischen Entscheidungen der 1990er­Jahre.
                                                                                                                                                                                  Angetrieben vom Leitbild eines schlanken
                                                                                                                                                                                  und schuldenfreien Staates, dessen Städte
                                                                                                                                                                                  und Kommunen zunehmend wie profitable
                                                                                                                                                                                  Unternehmen organisiert sein sollten, kam es
                                                                                                                                                                                  damals zu tiefgreifenden Verwaltungsrefor­
                                                                                                                                                                                  men, die eine Praxis der Privatisierung in
                                                                                                                                                                                  Gang setzten oder zumindest begünstigten:
                                                                                                                                                                                  Grundstücke, Unternehmen und Wohnungen
                                                                                                                                                                                  wurden aus der öffentlichen Hand gegeben.
                                                                                                                                                                                  Unter dem Primat der „Haushaltskonsolidie­
                                                                                                                                                                                  rung“ nach dem Berliner Bankenskandal hat
                                                                                                                                                                                  die Privatisierungspolitik eine Fülle an Institu­
                                                                                                                                                                                  tionen, Verfahren und Prinzipien hervorge­
                                                                                                                                                                                  bracht, die den Ausverkauf der Stadt in eine
                                                                                                                                                                                  politische Black Box verwandelten: In vielen
                                                                                                                                                                                  Fällen entzogen diese sich einer demokrati­
                                                                                                                                                                                  schen Kontrolle, ihr Wirken fand unter Aus­
                                                                                                                                                                                  schluss der Öffentlichkeit statt. So hat der im
                                                                                                                                                                                  Jahr 2000 eigens zu diesem Zweck einge­
                                                                                                                                                                                  richtete Liegenschaftsfonds innerhalb von
                                                                                                                                                                                  nicht einmal 15 Jahren einen Großteil der bis
                                                                                                                                                                                  dahin öffentlichen Grundstücke verkauft. Als
                                                                                                                                                                                  „Gesellschaft zur Verwertung von Liegen­
                                                                                                                                                                                  schaften“ gegründet, unterlag die Arbeit des
                                                                                                                                                                                  Liegenschaftsfonds dem Primat des Höchst­
                                                                                                                                                                                  preises, während die politische Kontrolle
                                                                                                                                                                                  über den Steuerungsausschuss und den Auf­
                                                                                                                                                                                  sichtsrat hauptsächlich unter fiskalischen
                                                                                                                                                                                  Gesichtspunkten erfolgte.10 Fragen der Stadt­
                                                                                                                                                                                  entwicklung und des Gemeinwohls blieben
                                                                                                                                                                                  auch hier auf der Strecke, so dass die Arbeit
                                                                   ANDREJ HOLM                                                                                                    des Liegenschaftsfonds zu Recht als Instru­
                                                                   GLOSSAR DER PRIVATISIERUNG, 2019                                                                               ment der neoliberalen Neuordnung des Städ­
                                                                   26 ABREISSBLÖCKE À 1.000 BLATT                                                                                 tischen angesehen wird.11
                                                                                                                                                 Matthias Bernt: „Fiktive
                                                                                                                                                                                        Dass der Ausverkauf der Stadt und ihrer
                                                                               01 Katrin Lompscher:             04 Sabine Nuss: Keine
                                                                               „Gemeinwohlorientierter          Enteignung ist auch keine        Werte – imaginierte Märkte“,     Schlüsselressourcen wie Liegenschaften,
                                                                               Wohnungsbau und Woh­             Lösung – Die große               in: Philipp Oswalt (Hg.):
                                                                               nungsbauförderung in Berlin“,    Wiederaneignung und das          Schrumpfende Städte –            Wohnungsbestände und Betriebsvermögen in
                                                                               Vortrag auf der Fachtagung       vergiftete Versprechen des       Handlungskonzepte (2. Bd.),      Bezug auf die öffentliche Daseinsvorsorge
                                                                               Gemeinnütziger Wohnungs­         Privateigentums, Berlin 2019     Ostfildern­Ruit 2005,
                                                                               bau in Wien und Wohnbauför­      05 Frank Bönker, Claus           S. 592–96                        drastische Folgen hatte, wird heute sichtbar.
                                                                               derung in Berlin im Vergleich    Offe: „Die moralische Recht­     10 Felix Silomon­Pflug,
                                                                               des kommunalpolitischen          fertigung der Restitution des    Susanne Heeg: „Neoliberale
                                                                                                                                                                                  Spekulative Stadtentwicklung,12 Monopoli­
                                                                               forums e.V. (berlin), Berlin     Eigentums. Überlegungen zu       Neuordnung städtischer           sierung größerer Mietwohnungsbestände,13
                                                                               29.9.2018                        einigen normativen Problemen     Verwaltungen am Beispiel des
                                                                               02 Liegenschaftsfonds            der Privatisierung in postkom­   Liegenschaftsfonds Berlin“ in:   Aufwertungsdruck14 und vor allem die einge­
                                                                               Berlin GmbH: 2001–2011           munistischen Ökonomien“          Geographische Zeitschrift,
                                                                                                                                                 101/3–4 (2013), S. 184–200
                                                                                                                                                                                  schränkten Handlungsressourcen für einen
                                                                               Faszination des Wandels –        in: Leviathan – Berliner Zeit­
                                                                               Liegenschaftsfonds Berlin,       schrift für Sozialwissenschaft   11 Ebd.                          öffentlichen Wohnungsbau lassen sich un­
                                                                               Berlin 2011, S. 22; Florine      22/3 (1994), S. 318–52           12 Laura Calbet: Spekulative
                                                                               Schüschke: Kartografie           06 Bettina Reimann:              Stadtproduktion – Finanziali­    mittelbar auf die politischen Weichenstellun­
                                                                               der Privatisierung, 2019,        Städtische Wohnquartiere.        sierung des Wohnungsneubaus      gen der 1990er­ und 2000er­Jahre zurück­
                                                                               entstanden im Rahmen der         Der Einfluss der Eigentümer­     im innerstädtischen Berlin,
                                                                               Ausstellung 1989–2019: Politik   struktur. Eine Fallstudie aus    Dissertation, TU Berlin 2017     führen. Das im Rahmen der Ausstellung
                                                                               des Raums im Neuen Berlin        Berlin Prenzlauer Berg,          13 Christoph Trautvetter,
                                                                               vom Neuen Berliner Kunst­        Opladen 2000, S. 31, Fuß­        Sophie Bonczyk: Profitmaxi­
                                                                                                                                                                                  1989–2019: Politik des Raums im Neuen Berlin
                                                                               verein (n.b.k.) in Kooperation   note 10                          mierer oder verantwortungs­      entstandene Privatisierungs­ABC verschafft
                                                                               mit ARCH+                        07 Ebd., S. 33                   volle Vermieter – Große
                                                                               03 Gutachterausschuss für        08 Katrin Lompscher,             Immobilienunternehmen mit        einen Überblick über die unübersichtlichen
                                                                               Grundstückswerte in Berlin       Vortrag am 29.9.2018 (wie        mehr als 3.000 Wohnungen
                                                                                                                                                 in Berlin im Profil (Studien
                                                                                                                                                                                  Zuständigkeiten, gesetzlichen Grundlagen
                                                                               (GAA): Pressemitteilung vom      Anm. 1), Seite 11
                                                                               24.02.2020. Berliner Immo­       09 Renate Borst: „Volks­         2019/3), Berlin 2019             und politischen Vorgänge. Von A wie Altschul­
                                                                               bilienmarkt 2019, https://       wohnungsbestand in               14 Andrej Holm: „Wohnungs­
                                                                               www.berlin.de/gutachteraus­      Spekulantenhand? Zu den          krise in Berlin: Verdrängung     denhilfe bis Z wie Zwischenerwerber finden
                                                                               schuss/_assets/amarktinfor­      möglichen Folgen der             als Geschäftsmodell“, in:        sich kurze fachliche Definitionen zu den we­
                                                                               mationen/amarktanaly­            Privatisierung von ehemals       HAU (Hebbel am Ufer): Berlin
                                                                               se/04­02­010­1912.pdf            volkseigenen Wohnungen in        Bleibt! Begleitheft zum          sentlichen Schlüsselbegriffen des Berliner
                                                                               (Stand: 23.9.2020)               den neuen Bundesländern“,        Musical Stadt unter Einfluss,
                                                                                                                in: Hartmut Häußermann,          Berlin 2019
                                                                                                                                                                                  Privatisierungsgeschehens.
                                                                                                                Rainer Neef (Hg.): Stadtent­
                                                                                                                wicklung in Ostdeutschland,
                                                                                                                Opladen 1996, S. 107–28;                                                                                        97
A
ALTSCHULDENHILFE
Mit der Wiedervereinigung wurden die                             600 Beschäftigten mehr als 5.000 landesei­                         und ungenutzt) verschiedenen Kategorien
Investitionsmittel des DDR­Wohnungsbau­                          gene Gebäude und Grundstücke verwaltet,                            zugewiesen. Ziel der Clusterung ist eine klare
programms nachträglich in „Realkredite“                          bewirtschaftet und entwickelt. Statt des                           Zuordnung der Grundstücke in das Fachver­
verwandelt. Die Summe dieser „Altschulden“                       Höchstpreisverkaufs steht nun eine bedarfs­                        mögen sowie in die Kategorien der Daseins­
betrug über 36 Milliarden DM, die an die Bun­                    gerechte, wirtschaftliche und nachhaltige                          vorsorge (Grundstücke, die aktuell oder mittel­
desbank gezahlt werden sollten. Das Gesetz                       Nutzung der öffentlichen Liegenschaften im                         fristig für die Fachnutzung oder Investitions­
über Altschuldenhilfen wurde 1993 beschlos­                      Zentrum der Aufgaben.02                                            planung benötigt werden), der Vermarktung
sen und sah eine Kappung der Altschulden                         02 BIM: „Wer wir sind“, in: Berliner Immobilienmanagement
                                                                                                                                    und der Entwicklungsperspektive. Bei den zu
auf 150 DM pro Quadratmeter vor. Es erzwang                      GmbH, bim­berlin.de/unser­unternehmen/ueber­uns                    vermarktenden Grundstücken werden drei
                                                                 (Stand: 13.8.19)
im Gegenzug von den kommunalen und                                                                                                  Arten unterschieden: Vermarktungsperspek­
genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen                                                                                            tive I (Verkauf durch Direktvergabe oder Bieter­
in Ostdeutschland eine Anerkennung der                           BIETERVERFAHREN                                                    verfahren an Dritte); Vermarktungsperspektive
„Schulden“ und die Privatisierung von 15 Pro­                    Ein Bieterverfahren ist ein auktionsähnliches                      II (Grundstücke mit positivem Wertpotential,
zent ihrer Wohnungsbestände zur Refinanzie­                      Verfahren zur Vermittlung einer Immobilien­                        die strategisch gehalten und im Rahmen von
rung eines Erblastentilgungsfonds. Im Zuge                       transaktion. Im Unterschied zu einer Verstei­                      Erbbaurechten, Vermietung oder Verpach­
der Altschuldenregelung mussten 46.000                           gerung besteht für den Verkaufenden kein                           tung zur Nutzung vergeben werden sollen)
Wohnungen der landeseigenen Wohnungs­                            Zwang das höchste Angebot anzunehmen.03                            sowie Vermarktungsperspektive III (bei denen
baugesellschaften in Ost­Berlin verkauft                         Der Liegenschaftsfonds Berlin erhielt 2005                         die Grundstücke der Daseinsvorsorge dienen,
werden. Insgesamt wurden in Ostdeutsch­                          mehr Grundstücke und einen erweiterten                             diese aber von Dritten wie Wohnungsbau­
land über 277.000 Wohnungen privatisiert.01                      Handlungsspielraum zur Privatisierung öffent­                      gesellschaften oder sozialen Trägern
01   Altschuldenhilfe­Gesetz, in: Wikipedia, de.wikipedia.org/   licher Grundstücke. Zur Optimierung der Ver­                       gewährleistet wird). Die Zuordnungen des
wiki/Altschuldenhilfe­Gesetz (Stand: 13.8.2019); Wilhelm         kaufserlöse und als „marktgerechte Korrektur“                      Clusterprozesses müssen durch den Portfolio­
Hinrichs: „Entwicklung der Wohnverhältnisse in Ost­ und West­
deutschland in den neunziger Jahren“, in: WZB Discussion         der Wertermittlung setzte der Liegenschafts­                       ausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus
Paper FS III 99–409 (1999), S. 10; Birgit Sander: „Anpassungs­
prozesse in der ostdeutschen Wohnungswirtschaft – Analyse
                                                                 fonds Berlin seitdem verstärkt auf Bieterver­                      bestätigt werden.05
und Bewertung“, in: Kieler Diskussionsbeiträge 224/225 (1994),   fahren.04                                                          05 Abgeordnetenhaus Berlin: „Clusterung von Liegenschaften“,
S. 17 f.
                                                                                                                                    in: kleine­anfragen, schriftliche Anfrage eingereicht von Steffen

B
                                                                 03   „Bieterverfahren“, in: Bieterverfahren­Immobilien,            Zillich und Katalin Gennburg (Die Linke), 20.9.18, kleine­
                                                                 bieterverfahren­immobilien.net/#bieterverfahren (Stand: 13.8.19)   anfragen.de/berlin/18/16391­clusterung­von­liegenschaften
                                                                 04 „Was ist ein Bieterverfahren?“, in: Fründt Immobilien,
                                                                                                                                    (Stand: 13.8.19); Senatsverwaltung für Finanzen: „Clusterung –
                                                                 fruendt.de/immobilie­finden/bieterverfahren/was­ist­ein­           Senat legt Bericht über Immobilien und Liegenschaften des
                                                                 bieterverfahren (Stand: 13.8.19); Liegenschaftsfonds Berlin:       Landes und der Bezirke vor“, 27.2.18, berlin.de/rbmskzl/aktuelles/
                                                                 2001–2011 Faszination des Wandels – Der Liegenschaftsfonds         presse mitteilungen/2018/pressemitteilung. 679499.php
                                                                 Berlin, Sonderausgabe, Berlin 2011, yumpu.com/de/document/         (Stand: 13.8.19); Senatsverwaltung für Finanzen: „Transparente
                                                                 read/5942893/2001­2011­faszination­des­wandels­liegen­             Liegenschaftspolitik“, berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/
                                                                 schaftsfonds­berlin (Stand: 13.8.19)
BERLINER IMMOBILIEN­
                                                                                                                                    liegenschaften/transparente­liegenschaftspolitik/artikel.702602.
                                                                                                                                    php (Stand: 13.8.19)

                                                                 C                                                                  D
MANAGEMENT (BIM)
Die Berliner Immobilienmanagement GmbH
wurde 2003 als eine hundertprozentige Toch­
tergesellschaft des Landes Berlin gegründet,
um dessen Dienstgebäude zu verwalten. Die
von der BIM verwalteten Grundstücke und                          CLUSTERUNG                                                         DIREKTVERGABE
Gebäude wurden im extra dafür errichteten                        Clusterung, verstanden als Kategorisierung,                        Vergabe von (meist) leerstehenden Grundstü­
Sondervermögen Immobilien des Landes                             ist ein Kernelement der neuen und transpa­                         cken ohne Bieterverfahren oder Konzeptaus­
Berlin (SILB) zusammengefasst. Im Jahr 2015                      renten Liegenschaftspolitik in Berlin. In Koope­                   schreibung. Die Direktvergabe erfolgt in der
erfolgte die Fusion mit dem Liegenschafts­                       ration mit den Senatsverwaltungen und den                          Regel zum Verkehrswert und musste durch
fonds Berlin und eine Ausweitung der Aufga­                      Bezirken werden insgesamt etwa 5.700                               den Steuerungsausschuss (aus Senatsverwal­
ben. Aktuell werden von der BIM mit über                         Grundstücke (bebaut und unbebaut, genutzt                          tung für Finanzen und Senatsverwaltung für

98
ERTRAGSWERT BERECHNUNG
Stadtentwicklung und Wohnen) beschlossen                       Im Ertragswertverfahren wird der Wert einer                      gekennzeichnet. 64 Prozent des Fachvermö­
werden. Die Direktvergabe kann als Verkauf                     in der Regel vermieteten oder verpachteten                       gens sind Gewässer und Grünflächen und 25
oder in Erbbaurechten erfolgen und ist stets                   Immobilie auf Basis der erzielten Erträge                        Prozent sind Verkehrsflächen.08
mit einer vertraglichen Nutzungsvereinbarung                   ermittelt. Der Ertragswert umfasst dabei den                     08 Senatsverwaltung für Finanzen: „Transparente Liegen­
verbunden. Im Gegensatz zu Bieterverfahren                     Barwert der zukünftigen Überschüsse aus                          schaftspolitik“, berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/liegenschaften/
                                                                                                                                transparente­liegenschaftspolitik/artikel.702602.php
oder Konzeptausschreibungen können Direkt­                     Einnahmen und Aufwand. Berechnungswege

                                                                                                                                G
                                                                                                                                (Stand: 13.8.19)
vergaben eine zielgruppenspezifische Grund­                    der Ertragswertberechnung werden in der
stücksnutzung ermöglichen (z. B. durch die                     Wertermittlungsverordnung (§§ 15 bis 20)
Direktvergabe an einen in der Nachbarschaft                    geregelt: Ertragswertverfahren unterschei­
verankerten sozialen Bauträger).                               den zwischen Grundstücks­ und Gebäude­

E
                                                               sachwert und stellen die tatsächlichen
                                                               Erträge aus der Vermietung der Immobilie ins                     GUTACHTERAUSSCHUSS
                                                               Zentrum der Berechnung. Als konservativer                        Der Gutachterausschuss für Grundstücks­
                                                               Multiplikator zur Preisermittlung bei Verkäufen                  werte in Berlin ist als selbstständiges und
                                                               gilt das zwölf­ bis dreizehnfache der Jahres­                    unabhängiges Gremium auf der Grundlage
EN­BLOC­PRIVATISIERUNG                                         nettokaltmiete. Bei spekulativen Immobilien­                     des Baugesetzbuches für die Ermittlung von
Die Privatisierung von Wohnungen in der                        geschäften liegt der Kaufpreis oft beim zwan­                    Grundstückswerten und für sonstige Werter­
Bundesrepublik erfolgte im Unterschied zu                      zig­ bis dreißigfachen der jährlich zu erwar­                    mittlungen zuständig. Zentrales Instrument
den Wohnungsprivatisierungen in anderen                        tenden Mieterträge.07                                            für die Arbeit des Gutachterausschusses ist
Ländern nicht als Übertragung von Eigen­                       07   „Das Ertragswertverfahren – Ihre Immobilie bewerten“, in:   die Kaufpreissammlung, die alle Verträge
tumsrechten an einzelne Nutzer*innen (z. B.                    realbest, realbest.de/immobilienverkauf/immobilienbewertung/     umfasst. Dadurch entsteht die Verpflichtung,
                                                               ertragswertverfahren (Stand: 13.8.19); „Wertermittlungs­
Right to Buy in Großbritannien oder Privati­                   verordnung“, in: Die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte    Eigentum an einem Grundstück gegen Ent­
                                                               im Land Brandenburg, gutachterausschuss­bb.de/xmain/wertv.
sierungen in osteuropäischen Ländern), son­                    htm (Stand: 13.8.19)
                                                                                                                                gelt, auch im Wege des Tausches, zu übertra­
dern als Verkauf großer Wohnportfolios. Das                                                                                     gen oder ein Erbbaurecht zu begründen. Der

                                                               F
größte Berliner Verkaufspaket umfasste knapp                                                                                    Gutachterausschuss ermittelt auf dieser Basis
67.000 Wohneinheiten beim Verkauf der GSW                                                                                       die Verkehrswerte der Grundstücke in Berlin
an ein Finanzkonsortium aus Whitehall                                                                                           und veröffentlicht regelmäßig Marktanalysen
(Goldman Sachs) und Cerberus für einen                                                                                          zu den Immobilientransaktionen in Berlin.09
Gesamtpreis von etwa 2 Milliarden Euro                                                                                          09  Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin:
(davon 1,6 Milliarden Euro übernommene                         FACHVERMÖGEN                                                     „Gutachterausschuss“, berlin.de/gutachterausschuss/service/
                                                                                                                                glossar/artikel.158282.php (Stand: 13.8.19)
Zahlungsverpflichtungen aus Krediten). Der                     Als Fachvermögen zählen neben Gewässer,

                                                                                                                                H
tatsächlich zu zahlende Kaufpreis von 405                      Grün­ und Verkehrsflächen vor allem Verwal­
Millionen Euro entsprach etwa 6.200 Euro je                    tungsgebäude, Schulen, Kitas, Sportplätze
Wohnung beziehungsweise 96 Euro pro                            und Kultureinrichtungen sowie Wissen­
Quadratmeter.06                                                schafts­ und Forschungseinrichtungen, die
06   Senatsverwaltung für Finanzen: „Senat stimmt Verkauf      eigentumsrechtlich dem Land Berlin zugeord­
von GSW zu“, in: 25.5.04, berlin.de/rbmskzl/aktuelles/
pressemitteilungen/2004/pressemitteilung.48073.php
                                                               net sind und von öffentlichen Verwaltungen                       HAUSHALTS KONSOLIDIERUNG
(Stand: 13.8.19); Andrej Holm: „Institutionelle Anbieter auf   oder landeseigenen Unternehmen genutzt                           Als Haushaltskonsolidierung werden finanz­
deutschen Wohnungsmärkten – neue Strategien der
Wohnungsbewirtschaftung“, in: Informationen zur Raum­
                                                               werden. Etwa 420 Quadratkilometer der ins­                       politische Strategien bezeichnet, die im Kern
entwicklung 5/6 (2010), bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentli­     gesamt 890 Quadratkilometer Fläche des                           auf eine Reduzierung des Schuldenstandes
chungen/IzR/2010/5_6/Inhalt/DL_Holm (Stand: 13.8.19)
                                                               Landes Berlin befinden sich im Eigentum des                      und der Nettoneuverschuldung zielen. Strate­
                                                               Landes. 93 Prozent davon dienen der Ver­                         gien der Haushaltskonsolidierung umfassen
                                                               waltung zur Erfüllung von Aufgaben der                           die Reform der Ausgaben, der Einnahmen
                                                               Daseinsvorsorge und sind als Fachvermögen                        und der Institutionen und werden oft zu einem

                                                                                                                                                                                             99
neoliberalen Umbau staatlicher Institutionen                   existierten, wurden innerhalb einer Dekade                   wurde als Ersatzberechtigte für die Fälle
genutzt. In Berlin war seit dem Bekanntwerden                  in teils mehrstufigen Fusionen zu 7 landes­                  anerkannt, in denen die jüdischen Berechtig­
des Bankenskandals von 2001 bis 2016 die                       eigenen Wohnungsunternehmen zusammen­                        ten keinen Antrag auf Wiedergutmachung
Haushaltskonsolidierung das jeweils zentrale                   gefasst. Durch diesen haushaltspolitischen                   gestellt hatten. Die Grundstücke mit erfolg­
Ziel der Regierungskoalitionen und legitimierte                Trick mussten die landeseigenen Wohnungs­                    reichen Rückübertragungen werden in der
unter anderem die umfangreiche Privatisie­                     unternehmen insgesamt über 600 Millionen                     Regel verkauft, so dass die Verkaufseinnah­
rung öffentlicher Unternehmen und Liegen­                      Euro an das Land Berlin abführen und diese                   men oder Entschädigungssummen an
schaften.11                                                    Summen durch Kreditaufnahmen und Woh­                        Antragsteller des Goodwill Fund oder deren
11  Bertelsmann Stiftung (Hg.): Elemente einer nachhaltigen    nungsverkäufe refinanzieren.13                               Erben verteilt oder zur Förderung von Pro­
Haushaltskonsolidierung – Vorschläge für eine Reformagenda,
                                                               13 Harald Wolf: RotRot in Berlin – 2002 bis 2011: eine
                                                                                                                            grammen der Sozialfürsorge zugunsten von
Gütersloh 2006, bertelsmann­stiftung.de/fileadmin/files/BSt/
Publikationen/GrauePublikationen/GP_Elemente_einer_            (selbst)kritische Bilanz, Hamburg 2016, S. 257 f.            NS­Opfern genutzt werden konnten. Von
nachhaltigen_Haushaltskonsolidierung.pdf (Stand: 13.8.19);
Benedict Ugarte Chacón: Berlin Bank Skandal – Eine Studie zu
                                                                                                                            landesweit knapp 125.000 Ansprüchen auf
den Vorgängen um die Bankgesellschaft Berlin, Münster 2012     INVESTITIONSVORRANG                                          Immobilien­ und Betriebsvermögen wurden
                                                               Das      Investitionsvorranggesetz  (InVorG)                 über 16.000 zugunsten der Jewish Claims
                                                               ermöglichte in den 1990er­Jahren in Ost­                     Conference entschieden.15
HÖCHSTPREIS GEBOT                                              deutschland und Ostberlin Investitionen in                   15   „Rückerstattung von Vermögenswerten und offene
Bei Immobilienverkäufen im Bieterverfahren                     Immobilien mit noch nicht abgeschlossenen                    Verfahren“, in: Claims Conference, Mai 2017, claimscon.de/
                                                                                                                            unsere­taetigkeit/nachfolgeorganisation/rueckerstattung­
erhält in der Regel das höchste Gebot den                      Rückübertragungsverfahren. Das Gesetz                        von­vermoegenswerten­und­offene­verfahren.html (Stand:
                                                                                                                            13.8.2019); Bundesamt für Justiz: Gesetz zur Regelung
Zuschlag. Dabei werden Grundstücke oder                        ermöglichte die beschleunigte Verwertung                     offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG) § 1
Immobilien zeitlich befristet ohne einen festen                restitutionsbehafteter Immobilien. Es sollte                 Geltungsbereich, gesetze­im­internet.de/vermg/__1.html
                                                                                                                            (Stand: 13.8.2019)
Kaufpreis angeboten. Kaufinteressierte kön­                    durch die Umwandlung von Rücküber­

                                                                                                                            K
nen in einer festgelegten Frist ein Gebot abge­                tragungsansprüchen in Entschädigungs­
ben. Eigentümer*innen können nach Ablauf                       regelungen die befürchteten Investitions­
der Bieterzeit das Höchstgebot annehmen,                       blockaden in ehemals volkseigenen Grund­
ablehnen oder auf dessen Grundlage Preis­                      stücken und Immobilien überwinden. Bis
verhandlungen führen. Der Liegenschafts­                       Mitte 1994 wurden über 3.600 Investitions­
fonds Berlin nutzte für den Verkauf von knapp                  vorrangbescheide erteilt.14                                  KALKULATORISCHE KOSTEN
über 5.500 Grundstücken und Immobilien                                                                                      Kalkulatorische Kosten sind sogenannte
                                                               14   Bundesamt für Justiz: Gesetz über den Vorrang für
allein zwischen 2001 und 2011 überwiegend                      Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem        budgetunwirksame Kosten der Bezirkshaus­
das Bieterverfahren zum Höchstpreisgebot                       Vermögensgesetz, www. gesetze­im­internet.de/invorg/index.   halte und umfassen sowohl fiktive Summen
                                                               html#BJNR012680992BJNE00350 2301 (Stand: 13.8.2019);
für die Privatisierung öffentlicher Liegenschaf­               Bundesamt für Finanzen: Die Regelung offener Vermögens­      für die Abschreibung von Gebäuden als auch
                                                               fragen, www.bundesfinanz ministerium.de/Content/DE/
ten. Insgesamt wurden durch den Ausverkauf                     Standard artikel/Themen/Oeffentliche_Finan zen/Vermoegens­
                                                                                                                            fiktive Zinsen, die aus Gebäuden und Grund­
über 2 Milliarden Euro eingenommen.12                          recht_und_Entschae digungen/regelung­offener­vermoe          stücken abgeleitet werden könnten. Leerste­
                                                               gensfragen.html (Stand: 13.8.19)
                                                                                                                            hende, unternutzte oder besonders werthal­

                                                               J
12   Liegenschaftsfonds Berlin: „Liegenschaftsfonds Berlin
erhält durch Kompetenzerweiterung größeren Vermarktungs­                                                                    tige Grundstücke und Gebäude im Fachver­
spielraum“, 12.1.2015, berlin.de/rbmskzl/aktuelles/
pressemitteilungen/2005/pressemitteilung.43350.php                                                                          mögen der Bezirke wurden so unmittelbar
(Stand: 13.8.19)
                                                                                                                            haushaltswirksam. Dies verstärkte den Druck,

I
                                                                                                                            die Immobilien an den Liegenschaftsfonds
                                                                                                                            abzuführen, um die kalkulatorischen Kosten
                                                               JEWISH CLAIMS CONFERENCE                                     aus den bezirklichen Haushaltsbilanzen zu
                                                               Die Conference on Jewish Material Claims                     streichen. Sie sind ein Element der Ende der
                                                               Against Germany (JCC) ist ein Zusammen­                      1990er­Jahre eingeführten Reform der Kom­
IN­SICH­VERKÄUFE                                               schluss jüdischer Organisationen und vertritt                munalfinanzierung. Diese ersetzte die alte Ein­
Als In­Sich­Verkäufe werden die Fusionen                       seit 1951 Entschädigungsansprüche jüdischer                  gaben­Ausgaben­Buchführung durch eine
landeseigener Wohnungsbaugesellschaften                        Opfer des Nationalsozialismus und Holocaust­                 Kosten­Leistungs­Budgetierung.16
in Berlin bezeichnet, da die Zusammen­                         Überlebender. Das Gesetz zur Regelung                        16 Jens­Peter Heuer: Die Budgetierung der Bezirkshaushalte
schlüsse als „Verkäufe“ verbucht wurden, de­                   offener Vermögensfragen (VermG), das für                     – Über die Grundlagen, Verfahren, Ergebnisse und Probleme
                                                                                                                            des Systems der Finanzierung der Berliner Bezirke, Berlin 2013,
ren Kaufpreise zur Vermögensaktivierung an                     die Rückgabe von Enteignungen aus DDR­                       S. 13 ff., kommunalpolitik­berlin.de/pdf/kpf_Heuer_Budgetierung_
                                                                                                                            Bezirkshaushalte_2013.pdf (Stand: 13.8.19)
das Land Berlin abgeführt werden mussten.                      Zeiten konzipiert war, wurde entsprechend
Die über 20 landeseigenen Wohnungsbauge­                       auch auf Enteignungen von NS­Verfolgten
sellschaften, die zu Beginn der 1990er­ Jahre                  angewendet. Die Jewish Claims Conference

100
KOORDINIERUNGSAUSSCHUSS
INNENSTADT (KOAI)
Der Koordinierungsausschuss für innerstäd­
                                                                     M
                                                                     MIETERPRIVATISIERUNG
                                                                     Die im Rahmen der Altschuldenhilfe vorgese­
                                                                                                                                          O
                                                                                                                                          OBJEKTRENDITE
                                                                                                                                          Als Objektrendite wird in der Immobilienwirt­
tische Investitionen (KOAI) war ein informelles                      henen Privatisierungen von mindestens 15                             schaft das Verhältnis zwischen dem Rein­
Beratungsgremium von Entscheidungs­                                  Prozent der öffentlichen und genossen­                               ertrag und den Anschaffungskosten einer
trägern verschiedener Berliner Senatsverwal­                         schaftlichen Wohnungsbestände in Ost­                                Immobilie bezeichnet. Der Reinertrag ergibt
tungen, der Treuhandanstalt, des Bundes­                             deutschland sollten vorrangig an die Mieter­                         sich aus den kalkulierten Mieteinnahmen
finanzministeriums und des Amtes zur Rege­                           *innen erfolgen. Wegen der wirtschaftlichen                          abzüglich der Ausgaben für den Unterhalt
lung offener Vermögensfragen. Zwischen 1991                          Unsicherheiten in den 1990er­Jahren war die                          des Gebäudes und der Steuerlast. Die
und 1993 stimmte es in 14 Sitzungen die be­                          Bereitschaft zum Wohnungskauf bei den                                Anschaffungskosten setzen sich in der Regel
schleunigte Vergabe von innerstädtischen                             meisten ostdeutschen Mieter*innen nicht                              aus Kaufpreis und Kaufnebenkosten zusam­
Filetgrundstücken an deutsche und interna­                           besonders stark ausgeprägt. Von den bis                              men. Beim Vergleich von Immobilien nach
tionale Investoren ab. Ohne jede demokrati­                          2004 verkauften Wohnungen gingen in ganz                             ihren Objektrenditen wird eine vollständige
sche Kontrolle und unter dem Radar der Öf­                           Ostdeutschland nur 20 Prozent an Mieter­                             Finanzierung des Erwerbs von Immobilien aus
fentlichkeit entwickelte sich der KOAI zum                           haushalte – in Berlin lag die Quote mit 5 bis 6                      Eigenmitteln angenommen.21
zentralen Instrument, mit dem „metropolen­                           Prozent noch deutlich darunter. Der Gesetz­                          21 Helmut Keller: Praxishandbuch Immobilienanlage –
dienliche“ Investitionen in die Ostberliner City­                    geber reagierte auf die fehlende Kaufbereit­                         Bewertung Finanzierung Steuern, Wiesbaden 2013; FMH
                                                                                                                                          Finanzberatung: „Objektrendite“, lexikon­baufinanzierung.fmh.
Bereiche gelenkt wurden. Insgesamt wurden                            schaft und erweiterte die Privatisierungs­                           de/objektrendite; „Objektrendite“, Online­Lexikon der
                                                                                                                                          Immobilien Zeitung, lexikon.immobilien­fachwissen.de/index.
mehr als 50 Großprojekte an den sonst übli­                          möglichkeiten auf Zwischenerwerbermodelle                            php?UID =547250911&ATOZ=O&KEYWORDID=8444
chen Restitutionsverfahren und Planungs­                             und ermöglichte es ab dem Jahr 2000 sogar,                           (Stand: 13.8.19)

                                                                                                                                          P
vorläufen vorbei auf den Weg gebracht.17 Die                         die Altschuldenauflagen mit Abrissen zu ver­
Politik des KOAI stand für die Vision, Berlin zu                     rechnen.19
einer „Europäischen Dienstleistungsmetro­                            19 „Privatisierung – Wohnungeigentümer weniger radikal?“,
pole“ zu entwickeln.                                                 in: MieterEcho 255 (Januar/Februar 1996), bmgev.de/miet­
                                                                     erecho/255/255­02.htm (Stand: 13.8.19); Harald Simons et al.:
17   Karin Lenhardt: „‚Bubble­politics‘ in Berlin – Das Beispiel     Altschuldenhilfe und Stadtumbau – Analyse der bisherigen
des Koordinierungsausschuß für innerstädtische Investitionen:
eine ‚black box‘ als Macht­ und Entscheidungszentrale“, in: Prokla
                                                                     Wirkungen der Altschuldenhilfe für den Stadtumbau Ost
                                                                     und des zukünftigen Bedarfs an einer weiteren Entlastung,
                                                                                                                                          POTENTIALWERTERMITTLUNG
                                                                     Endbericht, Berlin 2010, empirica­institut.de/fileadmin/Redaktion/   Der Begriff der Potentialwertermittlung wurde

L
110 (1998), S. 51 ff. sowie eine gekürzte Fassung in diesem Heft
                                                                     Publikationen_Referenzen/PDFs/empi194hslb.pdf
                                                                     (Stand: 13.8.19); GdW Bundesverband deutscher Wohnungs­              2012 von der Initiative Stadt Neudenken in
                                                                     unternehmen (Hg.): Wohnungswirtschaftliche Daten und                 die Berliner Diskussion gebracht, um die
                                                                     Trends 2004/2005 – Zahlen und Analysen aus der Jahresstatistik
                                                                     des GdW, Köln/Bonn 2004, S. 170                                      stadtentwicklungspolitischen Konsequenzen

                                                                     N
                                                                                                                                          der üblichen Wertermittlungsverfahren offen­
                                                                                                                                          zulegen. Der Potentialwert von Immobilien
LIEGENSCHAFTSFONDS                                                                                                                        basiert auf der Einschätzung künftiger
Die Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co.                                                                                                  Erträge unter den Bedingungen der besten
KG wurde im Jahr 2000 gegründet und über­                                                                                                 und höchsten Nutzung eines Grundstücks.
nahm ab dem Jahr 2001 die Verwaltung und                             NOTLAGEN VERKAUF                                                     Übersteigt dieser Potentialwert die aktuelle
Vermarktung öffentlicher Grundstücke, die                            Die Privatisierung der landeseigenen GSW                             Ertragslage beträchtlich, löst diese Ertrags­
aus dem Treuhandvermögen des Landes                                  mit ihren etwa 67.000 Wohnungen an ein                               lücke einen Veränderungsdruck auf die
Berlin an den Liegenschaftsfonds übertragen                          Konsortium mit den internationalen Fonds­                            Grundstücksnutzung und schließt Nutzungen
wurden. Die Aufgabe bestand im Kern darin,                           gesellschaften (Whitehall, Goldman Sachs,                            ohne Ertragsmaximierung de facto aus.22
die nicht unmittelbar genutzten Grundstücke                          Cerberus) gilt bis heute als wohnungspoliti­                         22 Matthew Griffin (Team 11; Initiative StadtNeudenken)
und Immobilien des Landes und der Bezirke                            scher Tabubruch der rot­roten Regierungs­                            hat den Begriff der Potentialwertermittlung im Rahmen der
                                                                                                                                          Veranstaltung „Potential: Wertermittlung – Workshop zur
zu verkaufen, um die Verkaufserlöse für die                          koalition (2001–11), weil erstmals nicht nur                         Berliner Liegenschaftspolitik“, die am 3.11.12 in der Galerie
                                                                                                                                          dorisberlin­Kunst stattfand, kritisch verwendet; Vgl. mit der
Haushaltskonsolidierung zu nutzen. Der Lie­                          Wohnungsbestände, sondern eine komplette                             Verwendung des Begriffs hier: Felix Silomon­Pflug: „Die
genschaftsfonds hat bis zu seiner Auflösung                          Gesellschaft privatisiert wurde. Insbesondere                        Verwaltung der unternehmerischen Stadt – (K)ein Thema in
                                                                                                                                          der geographischen Stadtforschung?!“, in: sub\urban –
2014 knapp 10.000 Grundstücke und Immo­                              die PDS (heute: Die Linke) geriet angesichts                         zeitschrift für kritische stadtforschung Band 6, Heft 2/3:
bilien mit einer Gesamtfläche von fast 1.500                         dieser größten Privatisierung im Bereich der                         Stadt von oben (November 2018), S. 49–68

Hektar (entspricht rund 2.100 Fußballfeldern)                        Wohnungsversorgung unter enormen Recht­
verkauft und dafür etwa 2,3 Milliarden Euro                          fertigungsdruck und begründete den Verkauf
an das Land Berlin abgeführt.18                                      mit der prekären Haushaltslage und dem hohen
18 Vgl. Senatsverwaltung für Finanzen: „Beteiligungsberichte
                                                                     Schuldenstand der landeseigenen Wohnungs­
2004–15“, berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/downloads/                unternehmen als „Notlagenverkauf“.20
artikel.7206.php (Stand: 13.8.19); Liegenschaftsfonds Berlin:
2001–2011 Faszination des Wandels – Der Liegenschaftsfonds           20 Michail Nelken: „Verkauf der GSW – Kein Not­, aber
Berlin, Sonderausgabe, Berlin 2011, yumpu.com/de/document/           ein Notlagenverkauf“, 16.4.04, michail­nelken.de/wp­content/
read/5942893/2001­2011­faszination­des­wandels­liegen­               uploads/2017/03/gsw­verkauf_EF_1.pdf (Stand: 13.8.19)
schaftsfonds­berlin (Stand: 13.8.19)                                                                                                                                                                  101
Q
QUERSUBVENTIONIERUNG
Bezeichnung für den Ausgleich von Minder­
                                                S
                                                SCHENKUNGSHÄUSER
                                                1993 übertrug das Land Berlin auf Beschluss                       der Grunderwerbssteuerbefreiung bei Gesell­
einnahmen durch Ertragsüberschüsse in           des Berliner Abgeordnetenhauses bis dahin                         schaftsverkäufen soll statt wie bisher bei 95
anderen Objekten oder Wohnungen. Im Ideal­      von den Bezirken verwaltete Wohnhäuser an                         Prozent künftig bei 90 Prozent der Geschäfts­
typus einer Quersubventionierung werden         die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaf­                         anteile liegen.
preisgünstige Mietwohnungen zu Mietpreisen      ten. Insgesamt wurden 613 Häuser im Rah­                          24 Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung
unterhalb der tatsächlichen Kosten durch        men eines sogenannten Einbringungsvertra­                         auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lisa Paus, Christian
                                                                                                                  Kühn (Tübingen), Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter
teuer vermietete Luxuswohnungen mitfinan­       ges mit Sanierungsverpflichtungen an die                          und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Share Deals am
                                                                                                                  deutschen Portfoliomarkt, 11.4.17, dip21.bundestag.de/
ziert. Die immobilienwirtschaftliche Perspek­   Wohnungsbaugesellschaften gegeben. Für                            dip21/btd/18/119/1811919.pdf (Stand: 13.8.19)
tive von Quersubventionierungen bleibt in der   257 Häuser haben sich die Wohnungsbauge­                          25 Reiner Reichel: „Streit um Steuerschlupfloch“, in:
                                                                                                                  Handelsblatt online, 10.11.17, handelsblatt.com/finanzen/
Logik objektweiser Betrachtung gefangen         sellschaften von den Rückübertragungsan­                          steuern­recht/steuern/grunderwerbsteuer­share­deals­
und verzichtet auf eine bestandsübergrei­       sprüchen des Landes mit einer Zahlung von                         sollen­weniger­attraktiv­werden/20570118­2.html
                                                                                                                  (Stand: 13.8.19)
fende Kalkulation bewirtschaftungsnotwen­       insgesamt etwa 100 Millionen Euro befreit.

                                                                                                                  T
diger Einnahmen. Die regelmäßig erzielten       Für 127 Häuser, die 1993 an die GSW über­
Überschüsse aus bereits abbezahlten Woh­        tragen wurden, hat das Land seine Auflas­
nungsbeständen bleiben bei solchen Kalku­       sungsvormerkungen beim Verkauf der GSW im
lationen meist unberücksichtigt und der         Jahr 2004 gelöscht und ohne jede Gegenleis­
Begriff der Quersubventionierung soll einen     tung auf die ursprünglich vereinbarten Ansprü­
Gewinn­ und Einnahmeverzicht suggerieren,       che auf Belegungsbindungen verzichtet.23                          TREUHAND
der bei einer Betrachtung der Unternehmens­     23 „‚GSW23‘ und Kotti & Co als Modellprojekte für Wohnen in       Am 1. März 1990 als Anstalt zur treuhänderi­
bilanz eher gering ausfallen würde.             Selbstverwaltung statt Deutsche Wohnen“, GSW23Blog,               schen Verwaltung des Volkseigentums noch

R
                                                30.8.2013, gsw23blogsport.eu/blog (Stand: 13.8.19); Bezirksver­
                                                ordnetenversammlung Friedrichshain­Kreuzberg von Berlin:          in der DDR gegründet, entwickelte sich die
                                                Drucksache DS/0260/ IV, August 2013, gsw23.blogsport.eu/
                                                files/2013/08/ds0260_vzk_gsw23haeuser.pdf (Stand: 13.8.19);
                                                                                                                  Treuhandanstalt nach dem Beitritt der DDR
                                                Abgeordnetenhaus Berlin: Kleine Anfrage des Abgeordneten          zur Bundesrepublik zu einer Riesenbehörde
                                                Dr. Michail Nelken (Die Linkspartei.PDS) – Verschenkt das Land
                                                Rechte an Wohnungen?, 24.4.06, pardok.parlament­berlin.de/        mit 3.500 Mitarbeiter*innen und wurde zum
                                                starweb/adis/citat/VT/15/KlAnfr/ka15­13459.pdf (Stand: 13.8.19)   zentralen Instrument der Abwicklung der
RESTITUTION                                                                                                       industriellen Infrastruktur in Ostdeutschland.
Mit dem Einigungsvertrag über den Beitritt                                                                        Ziel der Treuhandanstalt war eine möglichst
der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23      SHARE DEAL                                                        schnelle Privatisierung der über 8.000 ehema­
des Grundgesetzes wurde im Anhang III auch      Als Share Deals werden Transaktionen von                          ligen DDR­Betriebe. Die etwa 150.000 Woh­
eine „Gemeinsame Erklärung der beiden           Gesellschaften mit Grundbesitz bezeichnet,                        nungen in Ostdeutschland, die den Betrieben
deutschen Regierungen zur Klärung offener       bei denen bis zu 95 Prozent der Geschäfts­                        zugeordnet waren, wurden in der Regel sepa­
Vermögensfragen“ mit angenommen. Dort           anteile verkauft werden. Weil nicht das ganze                     rat verwertet und ergänzten neben den ver­
wurden das Prinzip der Restitution und damit    Grundstück, sondern Anteile (shares) ver­                         kauften Wohnungen der Altschuldenhilfe und
die Rückgabe von enteigneten Grundstücken       kauft werden, fallen nach gegenwärtiger                           den Restitutionsverfahren die vereinigungs­
sowie die Aufhebung der staatlichen Zwangs­     Rechtslage bei diesen Geschäften keine                            bedingten Privatisierungen im Bereich der
verwaltung verankert. Betroffen waren in den    Grunderwerbssteuern an. Nach Schätzungen                          Wohnungsversorgung.26
Städten und Gemeinden fast alle bereits vor     des hessischen Finanzministeriums werden                          26 „Kreditwirtschaft – Beteiligungspolitik und Vermögens­
1949 bebauten Grundstücke, aber auch            durch Share Deals bundesweit Steuerzahlun­                        aktivierung“, in: Jura­Magazin, juramagazin.de/68488.html;
                                                                                                                  Joachim Oellerich: „Erst abgezockt, dann verscherbelt:
Gartengrundstücke, Ferienhäuser und Ähnli­      gen in der Höhe von etwa einer Milliarde Euro                     Die Destruktion der kommunalen Wohnungswirtschaft in
                                                                                                                  Berlin – vor der rot­roten Koalition“, in: Berliner Mieter­
ches. Bis zum Jahr 2004 wurden in den dafür     pro Jahr umgangen.24 Bei den 555 von der                          Gemeinschaft online, bmgev.de/politik/wohnungspolitik/
eigens geschaffenen Ämtern zur Regelung         Bundesregierung registrierten Transaktionen                       berliner­wohnungspolitik­2 (Stand: 13.8.19); Annette
                                                                                                                  Fugmann­Heesing: „Kein Allheilmittel zur Haushaltssanierung“,
offener Vermögensfragen (ARoV) für über 2       größerer Wohnungspakete (mit mehr als 800                         in: Der Tagesspiegel online, 27.9.97, tagesspiegel.de/wirtschaft/
Millionen Grundstücke Rückübertragungs­         Wohnungen) zwischen 2009 und 2016 wurde                           immobilien/kein­allheilmittel­zur­haushaltssanierung/20322.html
                                                                                                                  (Stand: 13.8.19)
ansprüche gestellt. In Berlin wurden 175.000    fast jede dritte Wohnung der insgesamt 3,3
Anträge auf Rückübertragung von Grund­          Millionen gehandelten Wohneinheiten ohne
stücken gestellt. Die kommunalen Woh­           Grunderwerbssteuer verkauft.25 Im Zuge der
nungsunternehmen in Ostberlin mussten           aktuellen Grundsteuerreform soll auch die
etwa 50.000 Wohnungen im Zuge der Resti­        steuerrechtliche Betrachtung von Share
tutionsverfahren abgeben.                       Deals neu geregelt werden: Der Grenzwert

102
U
UMSATZZAHLEN
Umsatzzahlen sind eine zentrale Kennzahl
                                                                W
                                                                WOHNUNGSPRIVATISIERUNG
                                                                In Berlin wurden seit der Wiedervereinigung
                                                                                                                                Y
                                                                                                                                YIELD TO WORST
                                                                                                                                Yield to Worst (YTW) ist eine wirtschaftliche
zur Analyse von Immobilienmärkten. Der                          insgesamt fast 320.000 Wohnungen aus den                        Maßeinheit zur Beurteilung von Anlagerisiken
Gutachterausschuss für Grundstückswerte                         Beständen der landeseigenen Wohnungs­                           von Investitionen und bedeutet sinngemäß
in Berlin erfasst alle Immobilientransaktionen                  baugesellschaften privatisiert. Das entspricht                  „Rendite bis zum schlechtesten Zeitpunkt“.
und gibt in seinen regelmäßig veröffentlichten                  einem Anteil von 54 Prozent des öffentlichen                    Kern der YTW­Berechnungen ist die Abschät­
Marktanalysen einen Überblick zur Anzahl                        Wohnungsbestandes von 1990. Das Privati­                        zung des Ausfallrisikos bei der Berechnung
der Verkäufe und zu den Jahresumsätzen.                         sierungsgeschehen umfasste 122.000 Woh­                         erwarteter Renditen. Im Bereich der Immobi­
Zwischen 1991 und 2018 wurden Immobilien­                       nungen, die im Rahmen der Bestandsprivati­                      lienwirtschaft hängt das Ausfallrisiko unmit­
verkäufe von insgesamt 66.000 unbebauten                        sierung von den Wohnungsbaugesellschaf­                         telbar von allgemeinen Marktentwicklungen
und 134.000 bebauten Grundstücken doku­                         ten verkauft wurden, 99.000 Wohnungen, die                      und den politischen Rahmensetzungen (etwa
mentiert. Die Umsätze summieren sich auf                        im Zuge der Anteilsverkäufe von Gehag und                       Mietpreisregulierung oder Steuerrecht) ab.30
einen Gesamtumsatz von knapp 220 Milliarden                     GSW an internationale Investmentgesell­                         30   „Yield to Worst im Bezug auf die Renditemessung“,
Euro. Hinzu kommen noch 485.000 Verkäufe                        schaften gingen, 52.000 landeseigene Woh­                       deutschefxbroker.de/yield­worst­renditemessung (Stand:
                                                                                                                                13.8.19)
von Eigentumswohnungen im Gesamtumsatz                          nungen in Ostberlin, die durch Rückübertra­

                                                                                                                                Z
von 71 Milliarden Euro. Mit einem Jahresum­                     gungsansprüche im Rahmen der Restitution
satz von fast 19 Milliarden Euro war das Jahr                   privatisiert wurden, und 46.000 Wohnungen,
2018 bisher das Jahr mit den höchsten                           die durch die Altschuldenhilferegelungen ver­
Umsatzzahlen für den schlichten Wechsel                         kauft werden mussten.29
von Eigentumstiteln, aus denen die Nutzungs­                    29   Andrej Holm: „Privatisierung der Berliner Wohnungsbau­
und Erlösrechte abgeleitet werden.27                            gesellschaften: Verlauf – Umfang – Folgen“, bmgev.de/filead­
                                                                min/redaktion/downloads/privatsierung/konferenz­
                                                                                                                                ZWISCHENERWERBER
27 Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin:           dokumentation/praesentationen/praesentation­andrej­holm.pdf     Da die Privatisierungsverpflichtungen der
                                                                (Stand:13.8.2019); Joachim Oellerich: „Erst abgezockt, dann
Pressemitteilung vom 18.2.19 – Berliner Immobilienmarkt 2018:
                                                                verscherbelt: Die Destruktion der kommunalen Wohnungswirt­
                                                                                                                                Altschuldenhilferegelungen durch die ur­
nachlassende Preisdynamik, berlin.de/gutachterausschuss/_
assets/amarktinformationen/amarktanalyse/04­02­010­1812.pdf     schaft in Berlin – vor der rot­roten Koalition“, in: Berliner   sprünglich geplante Mieterprivatisierung nur
(Stand: 13.8.19)                                                MieterGemeinschaft online, bmgev.de/politik/wohnungspolitik/
                                                                                                                                schleppend umgesetzt werden konnten, er­

V                                                               X
                                                                berliner­wohnungspolitik­2 (Stand: 13.8.19)
                                                                                                                                möglichte die Bundesregierung ab 1995
                                                                                                                                auch den Verkauf an sogenannte Zwischen­
                                                                                                                                erwerber. Die Verkäufe an Zwischenerwerber
                                                                                                                                wurden als Altschuldenhilfe­Privatisierung
                                                                                                                                angerechnet, wenn die Zwischenerwerber
VERMÖGENSAKTIVIERUNGSPOLITIK X FÜR EIN U                                                                                        vertraglich zusicherten, in mindestens 40
Die sogenannte Aktivierung der öffentlichen                     Die Redewendung, „jemandem ein X für ein                        Prozent der Wohnungen der „Veräußerungs­
Vermögen war seit 1995 unter Finanzsenatorin                    U vorzumachen“ steht für den Versuch, die                       verpflichtung zugunsten der Mieter“ nachzu­
Annette Fugmann­Heesing (SPD) ein Kernbe­                       tatsächlichen Absichten zu vertuschen und                       kommen und einen Verkauf an die Mieter­
standteil der Berliner Haushaltspolitik. Insbe­                 das Gegenüber zu täuschen. Die Geschichte                       haushalte vorzubereiten. Erst wenn diese
sondere durch die Privatisierung öffentlicher                   des Ausverkaufs der öffentlichen Liegen­                        Privatisierungsquoten bis 2003 nicht erfüllt
Grundstücke, Immobilien und Unternehmen                         schaften in Berlin wurde von einer Reihe rhe­                   werden konnten, durften die Bestände weiter­
sollten Deckungslücken im Haushalt geschlos­                    torischer Täuschungsversuche begleitet. Statt                   verkauft werden. Die Vorkaufsrechte der
sen werden. Die Vermögensaktivierung wurde                      Privatisierungsabsichten deutlich zu benen­                     Mieter*innen blieben meist bestehen. Promi­
zudem als Instrument für ein offensives                         nen wurden in den letzten Jahren Verwirrung                     nentes Beispiel des Zwischenerwerber­
Standortmarketing gesehen und sollte durch                      stiftende Begriffe wie „Vermögensaktivierung“,                  modells in Berlin ist die Karl­Marx­Allee.31
„zielgerichtete Verkäufe von Landesvermögen“                    „progressive Entstaatlichung“, „Portfoliobe­                    31 Stefan Gesterkamp: Wohnungsprivatisierung in den
nationale und internationale unternehmerische                   reinigung“ oder auch die „Wiederherstellung                     neuen Ländern – Mieterprivatisierung und Modelle mieternaher
                                                                                                                                Privatisierung, Berlin/Heidelberg 1998, S. 181 ff.; Ralf Schönball:
Kompetenz sowie technisches Know­how                            dezentraler Wettbewerbsstrukturen“ in die                       „Was aus den landeseigenen Wohnungen wurde“, in: Der
                                                                                                                                Tagesspiegel online, 23.2.19, tagesspiegel.de/berlin/nach­der­
nach Berlin locken.28                                           öffentlichen Debatten eingeführt.                               privatisierung­karl­marx­allee­rueckkauf­auf­umwegen
                                                                                                                                /24025260­2.html (Stand: 13.8.19)
28 Wilhelm Hinrichs: „Entwicklung der Wohnverhältnisse in
Ost­ und Westdeutschland in den neunziger Jahren“, in: WZB
Discussion Paper FS III 99–409 (1999), S. 10; Birgit Sander:
„Anpassungsprozesse in der ostdeutschen Wohnungswirtschaft
– Analyse und Bewertung“, in: Kieler Diskussionsbeiträge
224/225 (1994), S. 17 f.

                                                                                                                                                                                             103
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