DISPUT - Partei DIE LINKE
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DISPUT ISSN 0948–2407 | 67485 Landtagswahlen MITGLIEDER ZEITSCHRIF T DER PARTEI DIE LINKE OK TOBER 2019 2 EURO Die Wahlen in Sachsen und Brandenburg zeigen neue Herausforderungen für DIE LINKE – in Thüringen wird für den Erhalt der Regie- rungsmehrheit gekämpft. 6 Mietenwahnsinn Der Mietendeckel in Berlin kommt, DIE LINKE hat ihre Forderungen der Mieten- kampagne konkretisiert und bundesweit stehen Aktions- phasen und Demos an. 12 Klimapolitik Auch DIE LINKE diskutiert über eine CO2-Steuer – gleichzeitig zur Tagung des Klimakabinetts protestieren Menschen weltweit für Klimagerechtigkeit. 15 Foto: Martin Heinlein
INHALT te Konzepte für eine soziale Klima- und rufen auf: »Kommt nach Thürin- schutzpolitik. Noch kontrovers disku- gen«. Helft, damit Bodo Ramelow tieren wir darüber, ob die Co2-Steuer dort weiter Ministerpräsident blei- ein geeignetes Mittel ist. Die Argu- ben kann. mente pro und contra findest Du auf Zum Abschluss möchte ich euch den Seiten 15 bis 17. noch auf eine Veranstaltung der Für uns waren die Wahlen in Branden- rls und eine Konferenz der LIN- burg und Sachsen wahrlich kein Grund KEN zu Digitalisierung auf Sei- zur Freude. Im Gegenteil. In einer te 26 hinweisen, die am 6./7. De- Situation, in der viele Wähler*innen zember in Berlin stattfindet. verhindern wollten, dass die AfD stärkste Partei wird, gab es einen Sog Thomas Lohmeier ist Leiter des H eute, am Redaktions- auf die jeweilige Ministerpräsidenten- Bereichs Bürgerdialog, Medien schluss, gehen hun- Partei. Gestern haben SPD und Grü- und Öffentlichkeitsarbeit in der derttausende Men- ne in Brandenburg beschlossen, lieber Bundesgeschäftsstelle der LINKEN schen alleine in mit der CDU zu koalieren als mit Rot- in Berlin Deutschland unter Rot-Grün ein soziales Gegenmodell zur dem Motto »#AllefürsKlima« auf GroKo in einem weiteren Bundesland die Straße. Sie wollen eine Klima- auf den Weg zu bringen. Das zeigt: Wer politik, die den menschengemach- SPD und Grüne wählt, läuft Gefahr, DISPUT 10/2019 ten Klimawandel stoppt. Viele von mit der CDU in der Regierung aufzu- euch waren dabei. Einen Bericht wachen. Mehr zu den Wahlen auf den und Bilder findet ihr in dieser Aus- Seiten 6 bis 7. Über den Wahlkampf VOR-GELESEN VON gabe. DIE LINKE hat übrigens gu- in Thüringen berichten wir auf Seite 8 THOMAS -GELESEN VORLOHMEIER VON ??? PE TITION KLIMAP OLITIK Keine Geschenke den Debatte um die CO2-Steuer 15 Hohenzollern! 4 KLIMASTREIK WAHL ANALYSE #AllefürsKlima auf der Straße – Landtagswahlen Brandenburg weltweit für Klimagerechtigkeit 18 und Sachsen 6 INTERNATIONAL WAHLK AMPF Zehn Jahre Kundus: alte Lügen 20 »Kommt nach Thüringen!« 8 FEM.L AB DIE LINKE DEBAT TE Internationaler Austausch So funktioniert antimuslimischer und Vernetzung 22 Rassismus 10 DIGITALKONFERENZ MIE TENDECKEL JEDEN MONAT DIE LINKE will die digitale Zukunft Katrin Lompscher im Interview 12 AUS DEM HAUS 5 mitgestalten 26 PRES SEDIENST 24 MIE TENK AMPAGNE DAS KLEINE BL ABL A 25 Der Parteivorstand hat die FEUILLE TON 27 Forderungen konkretisiert 13 NEU IM KINO 29 KULTUR 30 MIE TENWAHNSINN OK TOBERKOLUMNE 31 Nicole Gohlke im Interview über studentisches Wohnen 14 Foto: Martin Heinlein IMPRESSUM DISPUT ist die Mitgliederzeitschrift der Partei DIE LINKE, herausgegeben vom Parteivorstand, und erscheint einmal monatlich über Neue Zeitungsverwaltung GmbH, Weydingerstraße 14–16, 10178 Berlin REDAKTION Thomas Lohmeier/Nina Rink, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin, Telefon: 030 24009346, disput@die-linke.de GRAFIK UND LAYOUT Herbell, Berlin DRUCK EVERSFRANK BERLIN GmbH | Ballinstraße 15 | Postfach 470355 | 12359 Berlin ABOSERVICE Neues Deutschland, Druckerei und Verlag GmbH, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Telefon: (030) 29 78 18 00 ISSN 0948-2407 REDAKTIONSSCHLUSS HEFT 10: 23.9.2019. DISPUT 11/2019 erscheint am 5. November 2019. 2 DISPUT Oktober 2019
FRAGEZEICHEN Tobias, was ist für dich links? Foto: privat Links heißt für mich soziale Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Frieden, Fairness und Gleichberechtigung gegenüber allen Menschen auf der Welt. Wenn ich Parteivorsitzender wäre … würde ich mehr um junge Mitglieder werben. Al- le Parteien haben einen hohen Altersdurchschnitt, in unserer Partei liegt er bei 55 Jahren. Und ich würde eine friedlichere Diskussionskultur in unserer Gesellschaft fördern. Was regt dich auf? Die Verrohung der Sprache. Es gibt kaum noch vernünftige politische Diskussionen. Fakten werden gebeugt oder es wird gar ganz gelogen. Man regt sich zwar über die Hassprediger in Mosche- en auf, dabei müssen sich hierzulande einige ganz schön an der eigenen Nase zupfen. Wovon träumst du? Von einer friedlichen Welt ohne Waffen. Dass je- der auf Erden ein gutes Auskommen hat. Dass die moderne Sklaverei, von der wir alle in den westlichen Ländern profitieren, beendet wird. Dann träume ich von einem gemeinsamen globalen Klimakonsens. Ich will nicht, dass für unse- re Klimasünden andere Landstriche in der Welt zerstört werden. Wovor hast du Angst? Dass sich die Rechten mit ihren einfachen Antworten weiter durch- setzen. Ich habe vor allem Angst, dass Mauern, Zäune, Tod an den Grenzen und Ausgrenzung noch mehr zur Normalität werden. Außerdem macht mir große Sorgen, dass unsere Politiker massiv angegriffen und eingeschüchtert werden. Damit greift man auch unsere Demokratie an. Wie lautet dein Lebensmot- to? Gemeinsam sind wir stark. Nur so können wir die Probleme der Welt lö- sen. Wo engagierst du dich in der LINKEN? Im Ortverband, aber viel mehr durch politische Diskussionen im Betrieb, im Freundeskreis und im Netz. Nur wenn man mit anderen Menschen redet, kann man einen Konsens finden und dabei vielleicht sogar den linken Gedanken stärken. Tobias Himpenmacher arbeitet seit 12 Jahren als Betriebselektriker bei Fendt und ist dort Schichtleiter. Seit 2008 ist er Mitglied bei der LINKEN. DISPUT fragt jeden Monat ein Mitglied unserer Partei nach dem vollen Ernst im richtigen Leben. DISPUT Oktober 2019 3
PE TITION Nichts zu verschenken Gegen die maßlosen Forderungen der Hohenzollern-Erben hat DIE LINKE bundesweit eine Petition und in Brandenburg eine Volksinitiative gestartet E ntschädigungen in Millio- liche Museen um ihre Kunstschätze mit die Initiative im Landtag vorge- nenhöhe, tausende wertvolle erleichtern und ihnen dann noch die legt werden kann. »Ich bin sehr zu- Kunstschätze aus öffentlichen Darstellung der Rolle der Hohenzol- versichtlich, dass die erforderlichen Museen, Wohnrecht im prunkvol- lern in der Geschichte diktieren. Das Unterschriften schnell zustande len Schloss Cecilienhof und in zwei ist maßlos, das ist geschichtsverges- kommen. In den letzten Tagen ging weiteren Anwesen – die Forderun- sen, das ist nicht akzeptabel. Es darf eine unüberhörbare Welle der Em- gen der Erben der Preußenkönige keine Entschädigung für Nazischer- pörung durch das Land. Wir wollen sind alles andere als bescheiden. Be- gen geben. Darum freue ich mich erreichen, dass hier ein für alle Mal reits seit Jahren verhandeln sie hin- über jede Unterschrift für die Peti- ein Zeichen gesetzt wird: Das Land ter den Kulissen über die Rückgabe tion ›Keine Geschenke den Hohen- wird keine Kultur- und Kunstgüter ihres ehemaligen Eigentums – und zollern‹«. Eine Woche zuvor war in an die Erbengemeinschaft der Ho- forderten immer mehr. DIE LINKE Brandenburg bereits die Volksiniti- henzollern verschenken«, sagte die hat am 12. August 2019 den bundes- ative »Keine Geschenke den Hohen- brandenburgische Landesvorsitzen- weiten Aufruf »Keine Geschenke an zollern« vorgestellt worden. de Anja Mayer. die Erben der Hohenzollern-Dynas- Den Aufruf auf der Internetsei- tie« gestartet. Die Vorsitzende Katja te der LINKEN kann jede und jeder Kipping erklärte dazu: »1933 rühm- Ein für alle Mal ein unterstützen. Alle Brandenburgerin- te sich Kronprinz Wilhelm, Hitler an Zeichen setzen nen und Brandenburger finden dort die Macht verholfen zu haben. 2019 zusätzlich einen Link zur Volksini- wollen die Erben ihre Reichtümer zu- Mindestens 20.000 Bürgerinnen und tiative und Beteiligungsmöglichkei- rück. In Schlössern wohnen, öffent- Bürgern müssen unterschreiben, da- ten. KEINE ESCHENKE KEINE GGESCHENKE DEN OHENZOLLERN! DEN HHOHENZOLLERN! Unterschreibe unseren Aufruf unter: gleft.de/387 4 DISPUT Oktober 2019
AUS DEM HAUS K eine Apokalypse – aber ziert. Wir kämpfen um die Köpfe und doch ein ziemlicher Herzen aller, aber der Kampf um die Schock war das Wahler- Köpfe muss bei den Erreichbaren be- gebnis in Brandenburg und ginnen, um den derzeit Unerreichba- Sachsen für DIE LINKE. ren näher zu kommen. Klar, die Jahre lähmender Kontrover- Als Ostdeutscher verstehe ich die sen sind auch an Sachsen und Bran- langjährigen ostdeutschen Demüti- denburg nicht vorbei gegangen. Dass gungserfahrungen, die Wut über die wir nur noch knapp zweistellig sind, ist marktradikalen Zumutungen, ich ver- gleichwohl ein schwerer Rückschlag. stehe auch die Angst vor sozialem Ab- Das weckt Ängste. Ist die Zeit der Lin- stieg. Aber dagegen hilft nicht, den ken im Osten vorbei? Ist DIE LINKE JÖRG SCHINDLER Partei gewordenen Ellenbogen AfD zu insgesamt in Gefahr? wählen. Die Situation ist ernst. Sie verlangt ei- DIE LINKE muss dagegen die optimisti- ne klare Analyse und entschlossenes Fakten schere, lebensbejahendere Alternative Handeln. Ich warne jedoch vor Panik- zu den sein: Die Partei der sozialen Hoffnung. mache. Schlüsse aus den Wahlnieder- Wir müssen rebellisch und kreativ die lagen müssen wir anhand der Fakten Landtags- Auseinandersetzung bei den Men- ziehen, nicht anhand »gefühlter Wahr- wahlen schen vor Ort führen, um jedes Kran- heiten« oder bereits vorher festgeta- kenhaus, jede Schule, jeden Dorfla- ckerter Meinungen. Schauen wir uns den, Räume für alle. Wir brauchen eine diese Fakten an: neue Widerständigkeit, die von Hoff- Zunächst stelle ich selbstkritisch nung geleitet wird, statt von Angst und fest: Der Bundestrend war negativ. Viertens: Wir haben nicht vor allem an Egoismus. Es gilt, Politik radikaler sozi- Die Gründe dafür habe ich im Beitrag die AfD Stimmen verloren, sondern aler Reformen stärker praktisch zu er- »Auswertung und Perspektiven«1 dar- in alle Richtungen: SPD,CDU, Grüne, den. Hier macht uns unser Handeln in gestellt. Zwar haben wir seitdem wei- FDP, Nichtwählende… Wenn Wählerin- Berlin bei der Einführung eines Mieten- ter an einer unverwechselbar linken nen und Wähler in konträre Richtun- deckels Mut. Das wird durch gute Um- Verknüpfung von Kapitalismuskritik, gen abwandern, ist der Grund Unein- fragewerte, aber auch Wertschätzung Klimaschutz und sozialen Fragen ge- deutigkeit in wahlentscheidenden Fra- bei den Mietern honoriert. Wir zeigen arbeitet. Auch um die bekannten par- gen. »In der allergrößten Not ist der da: Wir kämpfen – ehrlich und vor al- teiinternen Auseinandersetzungen war Mittelweg der Tod«, sagt das Sprich- lem praktisch wirksam. es relativ ruhig geworden. Aber Zu- wort. Hieran sieht man: Wir haben durchaus schreibungen in der Öffentlichkeit än- Fünftens: Die Funktion der LINKEN Aussicht, mit gemeinsamer Anstren- dern sich nur langsam. als Motor für Politik radikaler sozi- gung und anderen Rahmenbedingun- Zweitens: Beide wahlkämpfenden Lan- aler Reformen muss gestärkt wer- gen künftig auch wieder bessere Er- desverbände kämpfen gegen Mitglie- den. In Brandenburg gingen die sozi- gebnisse zu erzielen. derrückgang und mit einem altersbe- alpolitischen Erfolge gegenüber Auf- dingt kleineren Anteil aktiver Mitglie- regerthemen wie Polizeigesetz und Jörg Schindler ist Bundesgeschäfts- der. In Flächenkreisen wäre der Wahl- Braunkohle unter. In Sachsen gab es führer der LINKEN kampf oft ohne die solidarische Hilfe nach Umfragen auch für die künftige anderer Landesverbände und der Bun- Landesregierung kaum eine realisti- desebene kaum zu stemmen gewesen. sche Koalitionsoption. »Ihr habt ja eh Fotos: Mark Mühlhaus/attenzione, Drittens: In beiden Ländern polarisier- nichts zu melden«, bekamen unsere DIE LINKE te die AfD. Davon profitierte jeweils Wahlkämpfenden zu hören. die größte andere Partei – in Branden- Fakt ist auch: Die Antwort auf die burg die SPD, in Sachsen die CDU. Schwäche der Linken liegt nicht bei DIE LINKE hat viel mehr Potenzial als den Wählern der AfD. Wir wissen ihr Stimmenergebnis. Das lässt sich aus Umfragen, dass eine Mehrheit daran ablesen, dass wir mehr Erst- als die AfD insgesamt wegen ihrer Inhal- Zweitstimmen erhalten haben. te wählt und nur eine Minderheit der AfD-Wähler der Auffassung ist, dass 1 PDF: http://gleft.de/39k sie sich zu wenig von Nazis distan- DISPUT Oktober 2019 5
WAHL ANALYSE Druck im Osten Die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen machen deutlich, vor welchen Herausforderungen DIE LINKE steht VON CHRISTINA KAINDL D ie Landtagwahlen in Branden- tes wahlentscheidendes Thema ge- Das Ergebnis der burg und Sachsen haben vie- nannt. Der LINKEN wird hier in Landtagswahlwahl in Sachsen le Superlative produziert: Sie Brandenburg weniger Kompetenz 2019 (in Prozent) im Vergleich brachten die schlechtesten Ergebnis- zugetraut als 2014 (24 statt 30 Pro- zu 2014 se für CDU und SPD (in beiden Län- zent), in Sachsen etwas mehr (27 dern), das schlechteste Ergebnis der statt 25 Prozent und mehr als allen CDU im Osten (in Brandenburg), ein anderen Parteien). Bei der Frage, wer »Rekordtief für die SPD« und auch sich am stärksten für den Osten ein- CDU 32,1 (–7,3) die schlechtesten Ergebnisse der LIN- setzt, liegt DIE LINKE (knapp) vorn. AfD 27,5 (+17,7) KEN. Die Grünen gewinnen in beiden Allerdings spielten für etwa drei DIE LINKE 10,4 (–8,5) Wahlen, allerdings nicht so stark wie viertel der Wählerinnen und Wäh- Grüne 8,6 (+2,9) erwartet. Wahlgewinnerin – aber oh- ler die Ost-West-Unterschiede kei- SPD 7,7 (–4,6) ne Machtoption – ist die Alternati- ne große Rolle mehr (68 Prozent in FDP 4,5 (+0,7) ve für Deutschland (AfD). In beiden Sachsen) – trotzdem wird mehrheit- Sonst. 9,2 (–0,9) Wahlen ist das rechte Lager stärker lich der Einfluss der Westdeutschen geworden, der Anteil der CDU im als zu groß, die Mentalität in Ost und rechten Lager schrumpft. West als unterschiedlich angesehen. Beide Wahlkämpfe waren in den Sowohl bei den größten Sorgen als letzten Wochen und Tagen durch ein auch bei den wahlentscheidenden Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen AfD Themen spielen Umwelt und Klima und der bis dahin stärksten Partei in Brandenburg eine zentrale Rolle, (–7,8 %) als bei der Landtagswahl 2014. – SPD in Brandenburg, CDU in Sach- in Brandenburg mehr als in Sachsen. Sie erreicht bei der Altersverteilung sen – geprägt. So wanderten in Sach- Der LINKEN werden »zu wenig neue Menschen über 60 überdurchschnitt- sen 30.000 Stimmen von der LINKEN Ideen« zugeschrieben, auch von ei- lich, Männer über 70 mit 16 Prozent, und 34.000 von der SPD zur CDU nem nicht geringen Anteil der eige- ältere Männer in Städten am meisten. (und nur 6.000 bzw. 12.000 in die nen Anhängerinnen und Anhänger Bei jungen Wählerinnen und Wählern andere Richtung), in Brandenburg (36 Prozent in Brandenburg). Sieben bleibt sie im Durchschnitt, bei »mit- konnte die SPD 20.000 Stimmen von von zehn Brandenburgerinnen und telalten« liegt sie knapp unter dem der CDU gewinnen (hat allerdings Brandenburgern sehen, dass DIE LIN- Durchschnitt. Überdurchschnittliche 14.000 an sie verloren) und 30.000 KE in den letzten Jahren im Kabinett Ergebnisse erreichte sie bei Rentne- von der LINKEN (von der LINKEN nichts durchgesetzt habe, was son- rinnen und Rentnern (14 %), Erwerbs- zur SPD: 11.000). Die Effekte kön- derlich aufgefallen wäre (selbst bei losen (15 %) und Menschen, die ihre nen auch als »Ministerpräsidenten- 42 Prozent der LINKEN Wählerinnen soziale Situation als schlecht einschät- Bonus« beschrieben werden: 70 Pro- und Wähler findet dieser Satz Zustim- zen (19 %). Hier verhält es sich wie bei zent der Sachsen hielten Kretschmer mung). der regionalen Verteilung: Dort, wo für einen guten Ministerpräsidenten, Ein Blick auf die langfristigen die besten Ergebnisse eingefahren auch 76 Prozent der LINKEN-Anhän- Wahltrends zeigt, dass DIE LINKE wurden, liegen gleichzeitig die höchs- gerinnen und Anhänger. In Branden- sich in zwölf der letzten 22 Wah- ten Einbußen. burg stimmten nur 60 Prozent zu, len gegenüber ihrem vorherigen Er- DIE LINKE erreicht in den kreis- dass »Woidke ein guter Ministerprä- gebnis verbessert hat, bei zehn ver- freien Städten ein Ergebnis von 13,7 sident« sei, aber auch hier sind es 76 schlechtert. Allerdings sind die Ein- Prozent. Den besten regionalen Durch- Prozent der LINKEN Wählerinnen bußen höher als die Zugewinne (und schnitt erreicht sie in der Region Ober- und Wähler. Allerdings erklärt das sie kommen von höheren Ausgangs- land / Spree (13,3 %), das schlechteste nicht in gleicher Weise die Dynamik werten). Die Verluste betreffen alle Ergebnis in der Niederlausitz (9,1 %) der vergangenen Wochen. Die CDU Ostbundesländer außer Thüringen. bzw. den Braunkohleregionen (9,4 %). in Sachsen und die SPD in Branden- In der Grenzregion zu Polen erreicht burg haben die stärksten Zuwächse DIE LINKE leicht überdurchschnittli- von Menschen, die an der Wahl 2014 Brandenburg: che Werte (11,3 %). In leicht schrump- nicht teilgenommen haben – konnten fenden Wahlkreisen schneidet sie et- also ihr Klientel gut an die Urnen mo- Von den 2,08 Millionen Wahlberech- was besser (11,6 %, Erststimmen: 13,9 bilisieren. tigten erreichte DIE LINKE 135.572 %) ab, als in wachsenden (10,6 %) oder Das Thema »soziale Gerechtigkeit« (Zweit-)Stimmen, also 10,7 Prozent. stark schrumpfenden (10,0 %). Im Ber- wird in beiden Wahlen als wichtigs- Das waren rund 50.000 weniger liner Umland liegt sie nur knapp über 6 DISPUT Oktober 2019
dem Durchschnitt (11 %) – hier sind die Grünen überdurchschnittlich. DIE LINKE hat in Brandenburg kein Direktmandat erringen können. Das beste Ergebnis erreichte Hans-Jürgen Scharfenberg in Potsdam II. DIE LIN- KE hat wie bei der letzten Wahl mehr Foto: DIE LINKE. Brandenburg Erst- als Zweitstimmen erringen kön- nen, der Abstand hat sich aber im Ver- chen sich große Sorgen, dass sie ih- kreisen Zweitstimmen, insbesonde- hältnis zu 2014 verringert. ren Lebensstandard nicht mehr wer- re in den Regionen Oberlausitz und den halten können. Chemnitz / Erzgebirge. Trotz ihrer Ein- ■ Wie wird DIE LINKE wahrge- bußen schnitt DIE LINKE in der Regi- Sachsen: nommen? 27 Prozent aller Wählerin- on Leipzig / Nordsachsen vergleichs- nen und Wähler trauen der LINKEN weise am besten ab. In den Groß- DIE LINKE erreicht hier rund 224.000 zu, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, städten erreichte sie insgesamt 13,5 Stimmen, das sind 85.000 (8,5 %) we- das sind zwei Prozent mehr als 2014. Prozent. Von den sächsischen Groß- niger als bei der vergangenen Land- 19 Prozent trauen der LINKEN eine gu- städten erreichte DIE LINKE in Leip- tagswahl. Sie erreicht mit Juliane Na- te Familienpolitik zu und 16 Prozent zig mit 15,9 Prozent das beste Ergeb- gel ein Direktmandat in Leipzig. eine gute Bildungspolitik (2014: 17 %). nis. Die Verluste waren in den säch- Bei den wahlentscheidenden The- Der LINKEN wird von allen Parteien sischen Braunkohlregionen sowie in men lag »soziale Sicherheit« an ers- am stärksten zugetraut, die Interessen Gegenden mit stark schrumpfender ter Stelle (17 %), vor Bildung (14 %), der Ostdeutschen zu vertreten (25 %, Bevölkerung überdurchschnittlich. Wirtschaft und Arbeit (13 %), Zuwan- AfD: 23 %, CDU: 20 %, SPD: 10 %). Dass derung (12 %), Löhne und Rente (11 die Unterschiede zwischen Ost- und %), innere Sicherheit (11 %) sowie Um- Westdeutschland in den letzten Jah- Wie weiter? weltschutz (10 %). Gleichzeitig ma- ren wieder größer geworden sind, se- chen sich 63 Prozent der Befragten hen insgesamt 40 Prozent. Die Wahlergebnisse hängen eng mit Sorgen, dass der Klimawandel die ■ Wer wählte DIE LINKE? Die der Situation in den beiden Ländern Lebensgrundlagen zerstört, 60 Pro- besten Ergebnisse erzielte sie in und der Gefahr zusammen, die AfD zent, dass der Einfluss des Islam in den Altersgruppen der über 60-Jäh- könnte stärkste Partei werden. Das Deutschland zu stark wird – immer- rigen und der unter 25-Jährigen, wo hat eine besondere Dynamik in die hin 44 Prozent der LINKEN-Wählerin- fast jeder Neunte DIE LINKE wähl- Wahlkämpfe gebracht. Einige Heraus- nen und Wähler. Nur 32 Prozent ma- te. Bei Frauen über 70 wurde die forderungen werden deutlich: Wenn LINKE mit 14 Prozent zweitstärks- wir den Trend nicht auf unserer Sei- te Partei nach der CDU (40 %) und te haben, brauchen wir besondere An- Das Ergebnis der vor SPD und AfD (je 10 %). Bei Män- strengungen, um die Menschen, die Landtagswahlwahl in Brandenburg nern über 70 erreichte DIE LINKE uns wählen würden (und das in den 2019 (in Prozent) im Vergleich 15 Prozent. Bei Arbeitslosen erreicht Umfragen angeben), an die Urnen zu zu 2014 DIE LINKE 13 Prozent, bei Rentnern bringen. Wenn die Mitglieder weniger 12 Prozent der Stimmen. Bei denje- werden, ist es doppelt schwierig, gute nigen, die ihre wirtschaftliche Lage Wahlergebnisse zu erreichen und es als »eher schlecht« bezeichnen, er- wird umso wichtiger, die Stärken her- reicht DIE LINKE 12 Prozent (19 Pro- auszustellen und effiziente und effek- SPD 26,2 (–5,7) zent bei denen, die sie als schlecht tive Wahlkampfstrategien zu finden. AfD 23,5 (+11,3) wahrnehmen). Bei formal höher Ge- Mit Blick auf die Alterszusammen- CDU15,6 (–7,4) Grüne 10,8 (+4,6) bildeten erreichte sie mit 13 Prozent setzung der Wählerinnen und Wäh- DIE LINKE 10,7 (–7,9) deutlich bessere Stimmanteile als bei ler brauchen wir in den Ländern drin- BVB/Freie W. 5,0 (+2,3) mittel oder niedrig Gebildeten (9 %). gend eine Jugendoffensive. FDP 4,1 (+2,6) Bei Frauen erreichte sie etwas höhe- Sonst. 4,1 (0,0) re Anteile als bei Männern, mit Aus- Christina Kaindl ist Leiterin des nahme der 35–44-jährigen Frauen. Bereichs Strategie und Grundsatz- ■ Regionale Besonderheiten: fragen der Bundesgeschäftsstelle DIE LINKE verliert in allen 60 Wahl- der LINKEN DISPUT Oktober 2019 7
WAHLK AMPF Im Wahlkampf ist die Unterstützung der gesamten Partei gefragt VON SUSANNE HENNIG-WELLSOW U nter Führung der LINKEN ha- ringer bewertet die Arbeit der Re- wesen nur durch öffentliche Leistun- ben wir in Thüringen in den gierung positiv. Und: Wir haben mit gen entstehen. Das Öffentliche bil- vergangenen fünf Jahren vie- Bodo einen Ministerpräsidenten, der det daher den Kern unserer Landes- les bewegt. Wir finanzieren Arbeit beliebt im Land ist. Würde der Minis- politik. statt Arbeitslosigkeit, wir haben den terpräsident direkt gewählt, würde Auch wenn wir seit 2014 Vieles sozialen Wohnungsbau reaktiviert, sich eine absolute Mehrheit für Bodo erreicht haben, steht noch ebenso wir beleben den öffentlichen Nah- Ramelow entscheiden. viel auf unserem Aufgabenzettel: verkehr in vielen Regionen wieder, Das alles ist nicht nur erfreulich Der komplett beitragsfreie Kinder- wir haben Kitabeiträge gestrichen, für uns, es ist vor allem die Bestäti- garten, der öffentliche Verkehr von wir fördern Menschen mit Behinde- gung dafür, dass wir in Regierungs- Tür zu Tür, der landeseigene sozia- rungen, wir helfen Menschen in be- verantwortung die richtigen Dinge le Wohnungsbau, der Mietendeckel nachteiligten Wohnvierteln, wir un- tun. Und es ist die Aufforderung, die- für die großen Städte, die flächende- terstützen Familien, wir stellen mehr se Politik fortzusetzen. ckende gemeinwohlorientierte Be- Lehrerinnen und Lehrer ein, wir brin- schäftigung, die weitere Integrati- gen mehr Polizistinnen und Polizisten on von geflüchteten Menschen, der auf die Straße, um nur einige Erfol- Starkes vollständige Abbau von Langzeit- ge zu nennen. All das sind wichtige Gemeinwesen arbeitslosigkeit, die Unterbindung Schritte, um das Gemeinwohl zu stär- von Spekulation mit landwirtschaft- ken, Armut abzubauen, gesellschaft- Gesellschaftlicher Zusammenhalt lichen Flächen, die Stärkung der Ge- liche Teilhabe zu ermöglichen. Nichts basiert auf einem funktionierenden sundheitsversorgung – das alles und von dem hätte es ohne uns gegeben! Gemeinwesen: Dazu gehören Schu- mehr haben wir uns für die kom- Die Menschen in Thüringen wis- len, Universitäten, Verkehr, Kinder- menden fünf Jahre vorgenommen. sen das zu schätzen. In aktuellen Um- gärten, Kultureinrichtungen und so fragen führt rot-rot-grün. Die Mehr- weiter. Unter kapitalistischen Ver- heit der Thüringerinnen und Thü- hältnissen kann ein starkes Gemein- Wir haben die Antworten Natürlich haben wir es auch in Thü- ringen mit einer Rechten zu tun, die unsere Politik diffamiert und den Menschen das Blaue vom Himmel lügt. Selbstredend halten wir dage- gen. Und das beste Mittel ist, darü- ber zu sprechen, was die Menschen wirklich bewegt: Kann ich meine Miete morgen noch bezahlen? Wo finde ich eine anständig bezahlte Ar- beit? Bekomme ich im Alter eine gute Pflege? Bleibt unsere Schule im Dorf erhalten? Bekomme ich schnell einen Termin beim Arzt? Auf die Antwor- ten auf solche Fragen kommt es an. Und hier haben wir die eindeutig bes- seren Karten. 8 DISPUT Oktober 2019
Wir sind für den beitragsfrei- en Kindergarten. Was würden CDU und AfD in der Regierung machen? Sie würden wieder Beiträge erheben. Wir bauen den öffentlichen Verkehr aus. CDU und AfD würden das stop- pen. Wir schaffen Polikliniken. CDU und AfD sind strikt dagegen. Wir stellen mehr Lehrer und Polizistin- nen ein. CDU und AfD wollen statt- dessen Stellen streichen. Wir bauen mehr Sozialwohnungen und werden die Mieten in den großen Städten de- ckeln. CDU und AfD propagieren den freien Markt, der aber zu nichts ande- Am 6. September 2019 wurde die Kampagne zur Landtagswahl in Thüringen rem führt als zu explodierenden Mie- vorgestellt. Foto: DIE LINKE. Fraktion im Thüringer Landtag ten und Wohnraummangel. Wir sor- gen für gute Arbeitsbedingungen bei öffentlichen Aufträgen. CDU und AfD Mehr erreichen in Schulen, eine nachhaltige Land- würden das Rad zurückdrehen und wirtschaft, Genossenschaftsbetrie- Niedriglöhne erlauben. Wir setzten Wir zeigen in Thüringen, dass rot- be und dergleichen investieren. Wir Qualitätsstandards in den Kranken- rot-grün nicht nur regieren kann, würden gerne den Pflegenotstand häusern. CDU und AfD würden die- sondern dass dabei auch etwas Po- beseitigen, prekäre Arbeit unterbin- se Vorgaben abschaffen – zum Scha- sitives herauskommt. Das könnte den und Löhne garantieren, die zum den der Patientinnen und Patienten auch im Bund so sein. Und umge- Leben reichen. sowie der Beschäftigten. kehrt könnte r2g im Bund die Vor- Dazu wären der gesellschaftli- Wenn wir so über unsere Politik aussetzungen für LINKE Landespoli- che Reichtum gerechter zu vertei- sprechen, dann liegen die Unterschie- tik stärken. Denn natürlich sind uns len, die Hartz-Gesetze zu überwin- de zwischen uns und denen klar auf derzeit deutliche Grenzen gesetzt. den, die Pflegeversicherung auszu- der Hand. Wer ein soziales Thürin- Statt einige tausend gemeinwohlo- bauen, der gesetzliche Mindestlohn gen will, wo der Gemeinsinn regiert rientierte Arbeitsplätze zu fördern, zu erhöhen, dem ökologischen Um- und nicht der Egoismus; ein Thürin- würden wir gerne allen Erwerbslo- bau Vorfahrt einzuräumen. R2g im gen, das wirtschaftlichen Wohlstand sen die Chance auf eine öffentlich Bund hätte dazu die Chance. Ein mit sozialem Zusammenhalt verbin- finanzierte Beschäftigung einräu- Selbstläufer wäre das nicht, so viel det, der muss die LINKE wählen! Das men. Wir würden gerne mehr Geld ist sicher. Aber es nicht zu versu- ist unsere Botschaft im Wahlkampf. chen, wäre fahrlässig. Und Bodo Ramelow verkörpert Mit der Bestätigung der Regie- diese Botschaft wie kein anderer. Ich rungsmehrheit von r2g in Thürin- habe das einmal in dem Slogan zu- Ihr wollt DIE LINKE. Thüringen gen am 27. Oktober 2019 würden wir sammengefasst: »Bodo oder Barba- im Wahlkampf unterstützen? dem einen deutlichen Schritt näher rei«. Das mag ein bisschen hochge- Sehr gerne! Die Genossinnen kommen. Das ist eine große Aufga- griffen erscheinen. Aber wenn wir und Genossen freuen sich auf be, bei der wir die Hilfe der gesam- uns umschauen, wozu rechte Partei- jede Hilfe. Einfach in der Landes- ten Partei gut gebrauchen können. en heute imstande sind, ist Barbarei geschäftsstelle bei Nicole Grieß- Wer von Euch also Lust und Zeit hat, eine ganz zutreffende Beschreibung: bach melden: uns im Wahlkampf zu unterstützen, Bolsonaro lässt den Regenwald ab- Telefon: 0361.6011154 die und den laden wir gern nach holzen, Trump baut eine Mauer gegen Mobil: 0173.7352078 Thüringen ein. Ihr seid herzlich will- Flüchtende, Orban schafft die Presse- E-Mail: ngriessbach@gmx.net kommen! freiheit ab, Erdogan sperrt politisch oder direkt online registrieren: Andersdenkende weg. Das gilt es in https://wahl2019.die-linke- Susanne Hennig-Wellsow ist Landes- Deutschland zu verhindern und zu- thueringen.de/wahlkampfhilfe vorsitzende der LINKEN in gleich wirkliche Alternativen wähl- Thüringen und Fraktionsvorsitzende bar zu machen. der LINKEN. im Thüringer Landtag DISPUT Oktober 2019 9
DEBAT TE Antimuslimischer Rassismus Die Stigmatisierung von Muslim*innen ist kein Alleinstellungsmerkmal der extremen Rechten VON OZAN ZAKARIYA KESKINKILIÇ Antimuslimischer Rassismus trifft nicht nur praktizierende Muslim*innen, sondern alle, die als solche wahrgenommen werden. Foto:CLAIM/Laurent Hoffmann W er antimuslimischen Ras- den. Antimuslimischer Rassismus ist ersetzen«, heißt es im Wahlprogramm sismus kritisiert, ist mit di- ein Paradebeispiel für diesen Rassis- der Alternative für Deutschland. Die versen Abwehrstrategien mus ohne »Rassen«. Er versucht sich Partei greift auf eine weit verbreitete konfrontiert. Ein Mythos kursiert: durch den Rückgriff auf Kultur und Abwehrstrategie zurück, die sich im Muslim*innen seien an ihrer Aus- Religion gegen Rassismusvorwürfe Besonderen aus der Idee der »Islam- grenzung selbst schuld, bildeten sich zu immunisieren, um Muslim*innen kritik« speist. die Diskriminierung ein, könnten mit und als solche Wahrgenommene zur Dabei handelt es sich um eine in- »legitimer Kritik« nicht umgehen und Zielscheibe von Hass, Gewalt und Dis- strumentelle Metapher, wie die Be- wollten sich »unserer« Gesellschaft kriminierung zu machen – und das zeichnung schon selbst andeutet: Ers- und ihren »westlichen« Werten nicht unter dem Deckmantel der »Islamkri- tens kennt die Wortschöpfung kein anpassen. Oder auch: Der Islam sei ja tik«. Äquivalent, wie etwa eine Christen- gar keine »Rasse«. Doch »Menschen- tumkritik. Zweitens rekurriert der rassen« gibt es ohnehin nicht, wohl Begriff auf eine angebliche Homoge- aber Rassismus. Dieser erfindet »die Deckmantel der nität des Islams. Islamische Pluralitä- Anderen«, indem er auf Basis von »Islamkritik« ten werden geleugnet, stattdessen das phänotypischen, kulturellen und reli- Islambild mit Defiziten angereichert, giösen Zuschreibungen eine unüber- »Einer Diffamierung rationaler Religi- die als genuin islamisch definiert brückbare Differenz zu »uns« behaup- onskritik als ›Islamophobie‹ oder ›Ras- werden. Zu diesem »islamkritischen« tet und die Ungleichbehandlung je- sismus‹ tritt die AfD entgegen. Wir for- Repertoire zählen Frauenunterdrü- ner legitimiert, die als »nicht-deutsch« dern jedermann dazu auf, solche Pole- ckung, Homo- und Transphobie, Anti- und »nicht-europäisch« gedacht wer- mik durch intellektuellen Diskurs zu semitismus, Demokratiefeindlichkeit, 10 DISPUT Oktober 2019
Gewalt und Integrationsunwilligkeit. genommen und adressiert werden. beweisen, dass sie existieren. Zwei- Drittens wird der Islam mit dem Be- Sie gelten als Sinnbild einer von au- tens, weshalb sie existieren.« Ent- griff der Kritik zur »Islamkritik« ver- ßen eingedrungenen Kultur, die mit sprechend werden sie zum Feindbild schmolzen, um die Abwehr als unum- »unserer« inkompatibel scheint. Sol- stilisiert, ihre Stimmen als illegitim gängliche Notwendigkeit zu inszenie- che Vorstellungen der Überfrem- und rückständig verdrängt. Um sich ren. In diesem Dreischritt werden ge- dung und Unterwanderung finden dabei geschickt gegen Rassismusvor- sellschaftliche Probleme islamisiert, in der gesamten Bevölkerung An- würfe zu immunisieren, werden »gu- also der Islam für soziale Missstände klang: Laut der Leipziger Autoritaris- te« Muslim*innen (etwa ohne Kopf- verantwortlich gemacht. Soziale Pro- mus-Studie von 2018 geben 55,8 Pro- tuch oder ohne Praktiken männlicher bleme werden so depolitisiert und zent der Befragten in Deutschland Beschneidung), manchmal liberal ge- aus dem eigenen Verantwortungsbe- an, sich »[d]urch die vielen Muslime nannt, gegen »böse« Muslim*innen reich ausgelagert. Gleichzeitig gilt der hier […] manchmal wie ein Fremder (mit Kopftuch oder mit Praktiken Islam als negative Kontrastfolie, um im eigenen Land« zu fühlen. Sie ge- männlicher Beschneidung), manch- die eigene idealisierte Identität – Wir, hen von »vielen« Muslim*innen aus mal konservativ genannt, instrumen- Deutschland, Europa – zu schaffen und entwerfen sie als »Nicht-Deut- talisiert. und Privilegien für »uns« zu sichern. sche«, die nicht wirklich hierher ge- So funktioniert »Teile-und-Herr- hörten. 44,1 Prozent plädieren gar da- sche«: »Wir« entscheiden über »Gut« für, Muslim*innen die Zuwanderung und »Böse« und spielen die Anderen Demographisches nach Deutschland zu verbieten. Un- gegeneinander aus, um die kollektive Bedrohungsszenario ter LINKE-Wähler*innen sind es 32,9 Verdächtigung »des Islams« und sei- Prozent. ner Angehörigen unter dem Argument »In der Ausbreitung des Islam und der aufgeklärten Differenzierung bei- der Präsenz von über 5 Millionen zubehalten. Muslim*innen gelten kol- Muslimen, deren Zahl ständig wächst, Problem der lektiv ihrer Religion und Kultur nach sieht die AfD eine große Gefahr für Mehrheitsgesellschaft als frauenfeindlich und antidemokra- unseren Staat, unsere Gesellschaft tisch. Sie müssen eine scheinbar li- und unsere Werteordnung«, so die Antimuslimischer Rassismus ist berale Zugehörigkeit und Integrati- AfD weiter. Die Anzahl und Präsenz kein Alleinstellungsmerkmal der ex- on erst beweisen, während für »uns« von Muslim*innen deutet sie als In- tremen Rechten, sondern ein gesell- eine quasi natürliche Unschuldsver- diz einer schleichenden Unterwan- schaftlich hervorgebrachtes Macht- mutung gilt, denn: Deutschsein heißt derung. Im demographischen Bedro- verhältnis. Antimuslimisch-rassis- frei, modern und egalitär, der Islam hungsszenario werden Muslim*innen tische Vorstellungen sind auch in angeblich das genaue Gegenteil. Da- symbolisch ausgebürgert. Muslimisch linken Argumentationen zu finden, mit schreibt sich »unser« Anspruch und deutsch gelten plötzlich als Ge- wenn etwa Schlagworte wie Säkula- auf Überlegenheit in »unschuldige« gensätze. rismus und Aufklärung den Zweck Alltäglichkeit und Normalität ein. In diesem »uns«, das vor Staat, Ge- erfüllen, Muslim*innen als angebli- Statt also von Rassismus Betroffe- sellschaft und Werteordnung ange- che Außenseiter »westlicher« Moder- ne für ihre Ausgrenzungserfahrung führt wird, haben Muslim*innen kon- ne und Freiheit abzugrenzen, Hierar- verantwortlich zu machen, muss der zeptionell keinen Platz. Sie gelten ih- chien zu kreieren und hegemoniale Blick umgekehrt werden. Antimusli- rer Abstammung nach als nicht zuge- Politiken der Umerziehung und Kon- mischer Rassismus ist nicht das Pro- hörig und gefährlich. Dieser Prozess trolle zu begründen. Der Ausschluss blem der Muslim*innen, sondern das der Fremdkonstruktion wird auch muslimischer Frauen mit Kopftuch der weißen deutschen Mehrheitsge- Rassifizierung genannt – Menschen aus dem Berliner öffentlichen Dienst sellschaft. werden auf Basis von phänotypi- unter dem Vorwand staatlicher Neu- schen, kulturellen und religiösen Zu- tralität (»Neutralitätsgesetz«) folgt ge- Ozan Zakariya Keskinkılıç ist Politik- schreibungen als Muslim*innen pro- nau dieser Logik. Gleiches betrifft wissenschaftler und sachverständiges duziert, homogenisiert (»alle gleich«), den gängigen Einwand, Islam und Fe- stellvertretendes Mitglied der »Enquete- dichotomisiert (»anders als wir«) und minismus stünden sich entgegen, be- Kommission Rassismus« im Thüringer essentialisiert (»ihrer Kultur und Re- sonders mit Kopftuch. Muslimische Landtag. Kürzlich erschien sein Buch ligion nach einfach so«). Antimusli- Feministinnen gelten als »Mensch »Die Islamdebatte gehört zu Deutsch- mischer Rassismus betrifft so nicht gewordenes Oxymoron«, wie Kübra land« (Berlin 2019). Er lehrt und forscht nur praktizierende Muslim*innen, Gümüşay es formuliert: »Diese Men- an der Alice-Salomon-Hochschule sondern all jene, die als solche wahr- schen müssen sich erklären. Erstens Berlin. DISPUT Oktober 2019 11
MIE TENDECKEL Berlin betritt Neuland KATRIN LOMPSCHER, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin, schildert im Inter- view den aktuellen Stand in Sachen Mietendeckel und dessen Bedeutung über die Stadt hinaus Die Mieten sind in vielen Städ- Was ist daran neu? rückgehen, dass keiner mehr baut ten teuer – was unterscheidet Dass ein Land seine Gesetzgebungs- und dass in den Bestand nicht mehr den Berliner Wohnungsmarkt kompetenzen für ein öffentlich- investiert wird. Dabei ist der Neu- von anderen? rechtliches Mietpreisrecht im Woh- bau ab 2014 explizit aus den Rege- In Berlin haben sich die Angebots- nungswesen überhaupt nutzt! In lungen ausgenommen. Zum Thema mieten in den letzten zehn Jahren Berlin, aber auch in anderen Groß- Bestandsbewirtschaftung: Eigentü- mehr als verdoppelt – diese Ent- städten hat sich gezeigt, dass die Re- mer kalkulieren Instandhaltungs- wicklung ist im bundesweiten Ver- gelungen auf zivilrechtlicher Grund- kosten in die Bestandsmieten mit gleich beispiellos. Gleichzeitig sind lage nicht greifen: Die Mietpreis- ein, deshalb glaube ich auch nicht, die Einkommen unterdurchschnitt- bremse hat sich bislang aufgrund dass die Bestände künftig nicht lich, weshalb das Verhältnis zwi- mehr saniert werden oder verfallen. schen Einkommens- und Mietent- Kann der Mietendeckel ein Vor- wicklung besonders weit auseinan- bild für andere Städte sein? dergedriftet. Menschen mit geringen Es wird bundesweit sehr genau be- Einkommen finden so kaum noch obachtet, was wir hier in Berlin tun. Wohnungen, die sie sich leisten kön- Auch in anderen Städten entstehen nen. Diejenigen, die bereits in teu- gerade entsprechende Initiativen. ren Wohnungen wohnen, fürchten Der Berliner Mietendeckel könn- bei Mieterhöhungen, ihr Dach über te zum Vorbild werden, denn vie- dem Kopf zu verlieren. le Städte und Kommunen sind auf Welche Bedingungen sind dar- der Suche nach einem Instrument, über hinaus besonders? um den Exzess auf dem Wohnungs- Wir betreten juristisches Neuland, markt etwas entgegenzusetzen. erfahren dafür aber einen großen Was sind die nächsten Schrit- Rückhalt in der Stadtgesellschaft. te? In Berlin gibt es sehr aktive Mieter- Der Entwurf befindet sich aktuell in initiativen und ein großes Interesse der Verbändeanhörung. Diese ha- und auch eine große Erwartung an ben rund zwei Wochen Zeit, sich zu unsere rot-rot-grüne Koalition, dass dem Vorschlag zu positionieren. Par- wir in der Wohnungsfrage tatsäch- allel wurde er an die Fraktionen im lich zukunftsfähige, soziale Antwor- Abgeordnetenhaus, die Senatskanz- ten finden. lei und weitere beteiligte Senatsver- Was sind die zentralen Elemen- waltungen übersandt. Der Senats- te des Mietendeckels? der vielen Ausnahmeregelungen als beschluss ist für Mitte Oktober vor- Zum einen geht es um einen Mieten- weitgehend wirkungslos erwiesen. gesehen, anschließend folgt die Par- stopp für fünf Jahre. Zum anderen Die Möglichkeit, als Land hier einen lamentsbefassung. Wir haben uns um die Definition von Mietobergren- neuen Rahmen zu setzen, ist enorm im Senat und in der Koalition zum zen, die deutlich unterhalb der heu- herausfordernd und wir gehen fest Mietendeckel entschlossen und be- tigen Angebotsmieten liegen. Men- davon aus, dass das Gesetz beklagt kannt, immer in dem im Wissen, schen, die jetzt schon zu viel von ih- werden wird. Denn jenseits der in- dass wir damit Neuland betreten. rem Einkommen für eine überhöhte haltlichen Auseinandersetzung gibt Das Ziel ist, dass das Gesetz Anfang Miete zahlen, sollen einen Antrag es auch eine grundsätzliche Ausei- des nächsten Jahres in Kraft tritt. auf Absenkung bis zur zulässigen nandersetzung darüber: »Darf ein Mietobergrenze stellen können. So Land sowas?« Weitere Infos zum Mietendeckel wollen wir mittelfristig insgesamt Welche Kritik gibt es noch? und Antworten auf häufig wieder ein tragbares Mietniveau eta- Die Kritiker des Mietendeckels be- gestellte Fragen unter: blieren. fürchten, dass die Investitionen zu- https://dielinke.berlin/mietendeckel/ So geht es weiter mit der 12. September 2019: 28. September 2019: 3. Oktober 2019: Mietenkampagne – Gründung des von der LINKEN Mietenpolitischer Ratschlag Demo in Berlin »Richtig deckeln, Aktionen und Termine unterstützten bundesweiten in Hamburg dann enteignen« Aktionsbündnisses »Wohnen ist Menschenrecht« 12 DISPUT Oktober 2019
MIETENKAMPAGNE Konkrete Forderungen Der Parteivorstand hat die Kampagnenforderungen angepasst und ist dem Aktionsbündnis »Wohnen ist Menschenrecht« beigetreten VOM BEREICH KAMPAGNEN UND PARTEIENTWICKLUNG Der Staat muss Wohnungen aufkaufen Wohnen und Vonovia. Du willst ak- und neue bezahlbare, ökologisch mo- tiv werden? Dann melde Dich unter: dernisierte Wohnungen bauen! Die So- mietenkampagne@die-linke.de! zialbindung darf nicht auslaufen! Wir Außerdem ist DIE LINKE dem wollen ein öffentliches Wohnungsbau- Unterstützer*innen-Kreis des bun- programm und gemeinnützige Woh- desweiten »Aktionsbündnis Wohnen nungswirtschaft fördern. ist Menschenrecht!« beigetreten und V or einem Jahr startete DIE Im Rahmen unserer Mietenkam- beteiligt sich an den Bündnisaktivi- LINKE ihre Mietenkampagne pagne stoßen wir Aktivitäten vor Ort täten. Ein breites Netzwerk aus ver- »Bezahlbare Miete statt fetter wie die Gründung von Bündnissen schiedenen Organisationen, Verei- Rendite!«. Durch den Berliner Volks- und Mieterinitiativen an und stär- nen und Initiativen hat sich zum Ziel entscheid »Deutsche Wohnen und Co. ken dabei LINKE (Selbst-)Organisie- gesetzt, sich gemeinsam gegen Spal- enteignen«, der von der LINKEN un- rung von Mieter*innen und deren tung, Verdrängung und Wohnungs- terstützt wird sowie den Beschluss ei- Zusammenarbeit mit LINKEN Gliede- losigkeit und für bezahlbaren Wohn- nes Mietenstopps und Mietendeckels rungen und Kommunal-Fraktionen. raum einzusetzen. in Berlin, hat sich die Diskussion um Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen zum Kampf gegen stei- Städten beziehungsweise Stadtteilen Mehr Informationen zum Aktionsbündnis gende Mieten bundesweit rasant wei- mit großen Beständen von Deutsche unter: https://menschenrecht-wohnen.org. terentwickelt. In Folge dieser Diskus- sion hat der Parteivorstand die poli- tischen Forderungen der bundeswei- ten Mietenkampagne »Bezahlbare Miete statt fetter Rendite!« konkreti- siert. Der Dreiklang –deckeln, enteig- nen, sozial bauen – prägt nun unsere Kampagne. ■ Runter mit den Mieten! Wir wollen einen bundesweiten Stopp für Mieterhöhungen (Mietenstopp) und Obergrenzen für die Mieten (Mie- tendeckel). Die Mietsteigerungen der vergangenen Jahre müssen zurückge- nommen, die Modernisierungsumla- ge muss abgeschafft werden. ■ Vonovia & Co enteignen! Kon- zerne, die nicht sanieren, die Mieten hochtreiben oder ihre Mieter*innen schikanieren, müssen enteignet wer- den. Keine Spekulation mit Wohn- raum an der Börse! Mit Wohnen darf kein Profit gemacht werden. ■ So viel bezahlbaren Wohn- raum bauen, wie gebraucht wird. Es fehlen mindestens fünf Millionen Sozialwohnungen. Wir fordern, dass jedes Jahr mindestens 250.000 Sozial- wohnungen mehr geschaffen werden: Foto: Malte Fiedler Oktober: 10. Oktober 2019: ab 8. November 2019: Herbst: Aktionsphase studentisches Start des von der LINKEN Aktionswoche Vonovia Produkltion neuer Materialien Wohnen unterstützten Volksbegehrens und Give Aways für die »Mietenstopp« in Bayern Mietenkampagne DISPUT Oktober 2019 13
MIE TENWAHNSINN »Desaströse Zustände« NICOLE GOHLKE, hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, spricht im Interview über studentische Wohnungsnot und was DIE LINKE dagegen macht Am 1. Oktober fängt das Winter- WAHNSINN größer und viele Studierende betei- semester an – worauf müssen ligen sich. Studierende sich einstellen? Was muss passieren, damit sich Wer jetzt ein Studium beginnt und ■ Top 3 der teuersten WG- die Situation ändert? ein Zimmer sucht, bekommt in Zimmer: München (600 Euro), Fakt ist: Der Markt und die große den Hochschulmetropolen die vol- Frankfurt am Main (480 Euro) Koalition haben beim bezahlbaren le Wucht der dramatischen Mieten- sowie Hamburg und Stuttgart Wohnungsbau auf ganzer Linie ver- explosion zu spüren. Zehntausende (450 Euro) sagt. Für alle mit niedrigen Einkom- bezahlbare Wohnungen und Wohn- ■ »Unterbringungsquote« in men bedeutet das einen tagtäglichen heimzimmer fehlen. Studentenwerk-Wohnheimen: Kampf, ihre Miete bezahlen zu kön- Was ist die Folge? nur noch 8,5 Prozent nen. Konkret brauchen wir ein So- Die Wartelisten sind voll und Woh- ■ Über 30.000 Studierende auf fortpaket. Erstens: schnellstens zu- nungsbesichtigungen werden zum Wartelisten sätzliche 50.000 Wohnheim-Plätze, Massen-Casting. Viele retten sich in denn aktuell sinkt die Unterbrin- Zwischenmieten, Mehrbettzimmer in gungsquote kontinuierlich. Zweitens: Jugendherbergen oder überteuerte einen Mietendeckel, damit die Ver- Mikroapartments. In Münster musste drängung aus dem regulären Woh- das Studierendenwerk im vergange- Das Problem ist seit Jahren be- nungsmarkt ein Ende hat. Und drit- nen Jahr eine ehemalige Kaserne als kannt – gibt es positive Ent- tens: eine Anhebung des BAföG Notunterkunft anmieten. Wohnen auf wicklungen? auf mindestens 1.050 Euro und An- dem Campingplatz ist in Frankfurt, DIE LINKE kämpft für einen Mieten- passung der Wohnkostenpauscha- Köln und München keine Ausnahme deckel, der in Berlin ab 2020 auch le an das tatsächliche Mitniveau vor mehr. Oft gehen für ein Dach über Studierenden zugutekommen wird. Ort. Dafür streite ich im Bundestag. dem Kopf 400 Euro oder mehr drauf, In den thüringischen Hochschulzen- Doch die Bundesregierung hat erst das kann schon mal bis zu zwei Drit- tren Jena, Erfurt und Weimar sollen kürzlich Verbesserungsvorschläge tel des Monatsbudgets ausmachen. die Mieten für fünf Jahre eingefro- zum BAföG abgeschmettert. Auch Ohne reiche Eltern hast du das Nach- ren und mit einer neuen landeseige- ein Bund-Länder-Hochschulsozial- sehen. nen Baugesellschaft der Wohnungs- pakt wie ihn die Studierendenwer- Wo sind die »Hotspots der Woh- bau angekurbelt werden. Die Protes- ke fordern, ist nicht in Sicht. Mei- nungsnot« für Studierende? te von Mieter*innen werden immer ne Botschaft lautet daher: Bezahlba- Unter den Metropolen führt Mün- res Wohnen gibt es nur mit starken chen: Der durchschnittliche WG- Mieter*innen-Initiativen und Druck Zimmerpreis liegt hier bei 600 Eu- WIR FORDERN von Links. ro. Frankfurt am Main folgt mit 480 Wie geht es weiter? Euro, Hamburg und Stuttgart liegen Gemeinsam mit dem sozialistisch-de- nur knapp dahinter. Wer auf Wohn- ■ 50.000 neue Wohnplätze bei mokratischen Studierendenverband heime privater Investoren hofft, den Studierendenwerken startet DIE LINKE zu Semesterbe- wird mit dem blanken Wahnsinn ■ Mietendeckel in den Hoch- ginn die »Aktionsphase studentisches konfrontiert: In Potsdam verlangen schul-Metropolen Wohnen« und informiert über die Ur- Miethaie für ein möbliertes Apart- ■ BAfög-Wohnkostenpauschale sachen der desaströsen Wohnsitua- ment derzeit fast 600 Euro. Selbst stetig ans Mietniveau anpassen tion. Wir wollen mit Studierenden auf vergleichbar moderaten Woh- über ihre Sorgen, Fragen und Wün- nungsmärkten wie in Leipzig zeich- Die Aktionsphase ist Teil der sche sprechen und den Druck auf die net sich schon jetzt ab, wohin die Mietenkampagne: Bundes- und Landesregierungen er- Reise geht: Hier sind die Mieten in www.miete-bezahlbar.de höhen. Denn es ist höchste Zeit, ge- den letzten zehn Jahren um fast 50 meinsam gegen den Mietenwahnsinn Prozent gestiegen. zu stimmen. Winter: 23. Februar 2020: Ende März 2020: 4./5. April 2020: Verabschiedung Bürgerschaftswahl in Hamburg: bundesweiter Aktionstag der Kreisvorsitzenden- und Mietendeckel in Berlin Mietenpolitik wird ein Mieten-Initiativen Aktionskonferenz in TOP-Thema Düsseldorf 14 DISPUT Oktober 2019
KLIMAP OLITIK Foto: pixabay.com Deutschland hat im Jahr 2017 rund 798 Mio. Tonnen CO2 emittiert. Quelle: Umweltbundesamt Klare Regeln und Alternativen Investitionen, klare Regeln, CO2-Steuer – LINKE Debatte über radikalen Klimaschutz VON CHRISTINA KAINDL D eutschland wird aufgrund der und Schienenproduktion steigt. Das Preisinstruments […] kurz- und ggf. Blockadehaltung der Bundes- schafft neue Industriearbeitsplätze. auch mittelfristig begrenzt« ist. Die regierung die Klimaziele ver- Klare Regeln: Die Autokonzerne Finanzierung des ökologischen Um- fehlen. Ein guter Teil der öffentlichen rechnen gerade die CO2-Bilanz ihrer baus muss die Hauptverursacher Diskussion beschränkt sich aber trotz SUV-Produktion damit schön, dass und Top-Verbraucher treffen und der großen Dringlichkeit auf Konzep- sie einige Elektroautos dazu neh- sie muss sozial gerecht sein: Die te von Preisen, Kaufanreizen und men. DIE LINKE will klare Obergren- meisten Emissionen verursachen Steuern, die Konsumverhalten verän- zen für die Umweltbelastung der je- Konzerne und Reiche. Das ist Kon- dern sollen. Wir müssen sicher auch weiligen Autos. Keine SUVs in den sens in der LINKEN Debatte. Diffe- die Art ändern, wie wir unseren All- Innenstädten und ein Tempolimit, renzen gibt es um die zehn Prozent, tag leben, besonders bei uns im glo- das das Wettrüsten der Autos end- konkret zur CO2-Steuer: Lassen sich balen Norden. »Wir« verbrauchen zu lich überflüssig machen würde. Spä- die sozialen Ungleichheiten im Ver- viele Ressourcen und stoßen zu viel testens 2030 dürfen keine Autos mit brauch durch Rückzahlungen, Bo- CO2 aus. Aber auch hier gilt: Je rei- Verbrennungsmotor mehr neu zuge- ni oder Umverteilung von CO2-Steu- cher die Menschen, desto größer ihr lassen werden. ereinnahmen ausgleichen? Was ge- negativer Einfluss auf die Umwelt. schieht, wenn die Besserverdienen- Greta Thunberg hat daran erinnert, den umgestiegen sind, wo kommen dass fast zwei Drittel der weltweiten Kollektive die Steuereinnahmen her? Sollte CO2-Emissionen von 100 Konzernen Voraussetzungen nicht auch hoher Energieverbrauch verursacht werden. aus umweltfreundlichen Quellen be- Was wirkt? Investitionen in kol- Finanzielle Anreize wie die CO2-Steu- steuert werden? Aber auch: Schießt lektive und klimafreundliche Alter- er können nur eine Ergänzung für sich DIE LINKE aus der Diskussion nativen und klare Vorgaben. Bei- dieser Maßnahmen sein. Wer weit der Klimaproteste? Vermittelt sie spielsweise Investitionen: Wir ma- zur Arbeit pendelt und keine Bahn den Eindruck, dass sie es nicht ernst chen den Öffentlichen Nahverkehr oder gut getakteten und bezahlba- meint mit dem Klimaschutz? kostenfrei und bauen ihn gleich- ren ÖPNV hat, kann das Auto nur Wir müssen die kollektiven Vor- zeitig aus – bessere Verbindungen, stehen lassen, wenn er oder sie Geld aussetzungen schaffen für ein gutes höhere Taktzahlen. Dafür braucht für ein neues (elektrisches) hat. Wer Klima und ein gutes Leben für alle. es öffentliche Investitionen in den zur Miete wohnt, kann gar nichts Eine CO2-Steuer zum Beispiel müss- ÖPNV, zusätzlich 15 Milliarden Eu- über die Ölheizung in der Wohnung te daran gebunden werden, dass es ro pro Jahr. Plus Gelder, die wir von entscheiden. Das Umweltbundes- Alternativen gibt: Nur wenn es kol- den Subventionen von Flugverkehr, amt weist darauf hin, dass »gerade lektive, öffentliche, funktionierende Diesel und Dienstwagen umleiten. in den Sektoren Gebäude und Ver- Alternativen gibt, kann sie einen An- Der zusätzliche Bedarf an Bus-, Bahn kehr die Lenkungswirkung eines reiz zum Umstieg sein. DISPUT Oktober 2019 15
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