DISPUT - Partei DIE LINKE

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DISPUT - Partei DIE LINKE
DISPUT
                                                          ISSN 0948–2407 | 67485

                                                  Landtagswahlen
MITGLIEDER ZEITSCHRIF T DER PARTEI DIE LINKE
OK TOBER 2019 2 EURO                           Die Wahlen in Sachsen und
                                               Brandenburg zeigen neue
                                               Herausforderungen für DIE
                                               LINKE – in Thüringen wird
                                               für den Erhalt der Regie-
                                               rungsmehrheit gekämpft. 6

                                                 Mietenwahnsinn
                                               Der Mietendeckel in Berlin
                                               kommt, DIE LINKE hat
                                               ihre Forderungen der Mieten-
                                               kampagne konkretisiert und
                                               bundesweit stehen Aktions-
                                               phasen und Demos an. 12

                                                       Klimapolitik
                                               Auch DIE LINKE diskutiert
                                               über eine CO2-Steuer –
                                               gleichzeitig zur Tagung des
                                               Klimakabinetts protestieren
                                               Menschen weltweit für
                                               Klimagerechtigkeit. 15

                                                          Foto: Martin Heinlein
DISPUT - Partei DIE LINKE
INHALT

                                                         te Konzepte für eine soziale Klima-                       und rufen auf: »Kommt nach Thürin-
                                                         schutzpolitik. Noch kontrovers disku-                     gen«. Helft, damit Bodo Ramelow
                                                         tieren wir darüber, ob die Co2-Steuer                     dort weiter Ministerpräsident blei-
                                                         ein geeignetes Mittel ist. Die Argu-                      ben kann.
                                                         mente pro und contra findest Du auf                       Zum Abschluss möchte ich euch
                                                         den Seiten 15 bis 17.                                     noch auf eine Veranstaltung der
                                                         Für uns waren die Wahlen in Branden-                      rls und eine Konferenz der LIN-
                                                         burg und Sachsen wahrlich kein Grund                      KEN zu Digitalisierung auf Sei-
                                                         zur Freude. Im Gegenteil. In einer                        te 26 hinweisen, die am 6./7. De-
                                                         Situation, in der viele Wähler*innen                      zember in Berlin stattfindet.
                                                         verhindern wollten, dass die AfD
                                                         stärkste Partei wird, gab es einen Sog                        Thomas Lohmeier ist Leiter des

 H
                  eute, am Redaktions-                   auf die jeweilige Ministerpräsidenten-                        Bereichs Bürgerdialog, Medien
                  schluss, gehen hun-                    Partei. Gestern haben SPD und Grü-                            und Öffentlichkeitsarbeit in der
                  derttausende Men-                      ne in Brandenburg beschlossen, lieber                         Bundesgeschäftsstelle der LINKEN
                  schen alleine in                       mit der CDU zu koalieren als mit Rot-                         in Berlin
                  Deutschland unter                      Rot-Grün ein soziales Gegenmodell zur
    dem Motto »#AllefürsKlima« auf                       GroKo in einem weiteren Bundesland
    die Straße. Sie wollen eine Klima-                   auf den Weg zu bringen. Das zeigt: Wer
    politik, die den menschengemach-                     SPD und Grüne wählt, läuft Gefahr,                                    DISPUT 10/2019
    ten Klimawandel stoppt. Viele von                    mit der CDU in der Regierung aufzu-
    euch waren dabei. Einen Bericht                      wachen. Mehr zu den Wahlen auf den
    und Bilder findet ihr in dieser Aus-                 Seiten 6 bis 7. Über den Wahlkampf                                         VOR-GELESEN VON
    gabe. DIE LINKE hat übrigens gu-                     in Thüringen berichten wir auf Seite 8                                    THOMAS  -GELESEN
                                                                                                                                        VORLOHMEIER
                                                                                                                                            VON ???

PE TITION                                                                                                          KLIMAP OLITIK
Keine Geschenke den                                                                                                Debatte um die CO2-Steuer 15
Hohenzollern! 4
                                                                                                                   KLIMASTREIK
WAHL ANALYSE                                                                                                      #AllefürsKlima auf der Straße –
Landtagswahlen Brandenburg                                                                                        weltweit für Klimagerechtigkeit 18
und Sachsen 6
                                                                                                                   INTERNATIONAL
WAHLK AMPF                                                                                                        Zehn Jahre Kundus: alte Lügen 20
»Kommt nach Thüringen!« 8
                                                                                                                   FEM.L AB DIE LINKE
DEBAT TE                                                                                                           Internationaler Austausch
So funktioniert antimuslimischer                                                                                   und Vernetzung 22
Rassismus 10
                                                                                                                   DIGITALKONFERENZ
MIE TENDECKEL                                               JEDEN MONAT                                            DIE LINKE will die digitale Zukunft
Katrin Lompscher im Interview 12                            AUS DEM HAUS 5                                         mitgestalten 26
                                                            PRES SEDIENST 24
MIE TENK AMPAGNE                                            DAS KLEINE BL ABL A 25
Der Parteivorstand hat die                                  FEUILLE TON 27
Forderungen konkretisiert 13                                NEU IM KINO 29
                                                            KULTUR 30
MIE TENWAHNSINN                                             OK TOBERKOLUMNE 31
Nicole Gohlke im Interview über
studentisches Wohnen 14                                                                                            Foto: Martin Heinlein

IMPRESSUM DISPUT ist die Mitgliederzeitschrift der Partei DIE LINKE, herausgegeben vom Parteivorstand, und erscheint einmal monatlich über Neue Zeitungsverwaltung GmbH,
Weydingerstraße 14–16, 10178 Berlin REDAKTION Thomas Lohmeier/Nina Rink, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin, Telefon: 030 24009346, disput@die-linke.de
GRAFIK UND LAYOUT Herbell, Berlin DRUCK EVERSFRANK BERLIN GmbH | Ballinstraße 15 | Postfach 470355 | 12359 Berlin ABOSERVICE Neues Deutschland, Druckerei
und Verlag GmbH, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Telefon: (030) 29 78 18 00 ISSN 0948-2407
REDAKTIONSSCHLUSS HEFT 10: 23.9.2019. DISPUT 11/2019 erscheint am 5. November 2019.

2                                                                                                                                              DISPUT Oktober 2019
DISPUT - Partei DIE LINKE
FRAGEZEICHEN

                  Tobias,
                  was ist für
                  dich links?

                                                                                                  Foto: privat

                  Links heißt für mich soziale Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Frieden, Fairness
                  und Gleichberechtigung gegenüber allen Menschen auf der Welt. Wenn ich
                  Parteivorsitzender wäre … würde ich mehr um junge Mitglieder werben. Al-
                  le Parteien haben einen hohen Altersdurchschnitt, in unserer Partei liegt er
                  bei 55 Jahren. Und ich würde eine friedlichere Diskussionskultur in unserer
                  Gesellschaft fördern. Was regt dich auf? Die Verrohung der Sprache. Es gibt
                  kaum noch vernünftige politische Diskussionen. Fakten werden gebeugt oder
                  es wird gar ganz gelogen. Man regt sich zwar über die Hassprediger in Mosche-
                  en auf, dabei müssen sich hierzulande einige ganz schön an der eigenen Nase
                  zupfen. Wovon träumst du? Von einer friedlichen Welt ohne Waffen. Dass je-
                  der auf Erden ein gutes Auskommen hat. Dass die moderne Sklaverei, von der
                  wir alle in den westlichen Ländern profitieren, beendet wird. Dann träume ich
                  von einem gemeinsamen globalen Klimakonsens. Ich will nicht, dass für unse-
                  re Klimasünden andere Landstriche in der Welt zerstört werden. Wovor hast
                  du Angst? Dass sich die Rechten mit ihren einfachen Antworten weiter durch-
                  setzen. Ich habe vor allem Angst, dass Mauern, Zäune, Tod an den Grenzen und
                  Ausgrenzung noch mehr zur Normalität werden. Außerdem macht mir große
                  Sorgen, dass unsere Politiker massiv angegriffen und eingeschüchtert werden.
                  Damit greift man auch unsere Demokratie an. Wie lautet dein Lebensmot-
                  to? Gemeinsam sind wir stark. Nur so können wir die Probleme der Welt lö-
                  sen. Wo engagierst du dich in der LINKEN? Im Ortverband, aber viel mehr
                  durch politische Diskussionen im Betrieb, im Freundeskreis und im Netz. Nur
                  wenn man mit anderen Menschen redet, kann man einen Konsens finden und
                  dabei vielleicht sogar den linken Gedanken stärken.
                  Tobias Himpenmacher arbeitet seit 12 Jahren als Betriebselektriker bei Fendt und ist dort
                  Schichtleiter. Seit 2008 ist er Mitglied bei der LINKEN.

                                                                                     DISPUT fragt jeden Monat ein Mitglied
                                                                                     unserer Partei nach dem vollen Ernst im
                                                                                     richtigen Leben.

DISPUT Oktober 2019                                                                                                            3
DISPUT - Partei DIE LINKE
PE TITION

Nichts zu verschenken
Gegen die maßlosen Forderungen der Hohenzollern-Erben hat DIE LINKE bundesweit
eine Petition und in Brandenburg eine Volksinitiative gestartet

E
      ntschädigungen in Millio-         liche Museen um ihre Kunstschätze        mit die Initiative im Landtag vorge-
      nenhöhe, tausende wertvolle       erleichtern und ihnen dann noch die      legt werden kann. »Ich bin sehr zu-
      Kunstschätze aus öffentlichen     Darstellung der Rolle der Hohenzol-      versichtlich, dass die erforderlichen
Museen, Wohnrecht im prunkvol-          lern in der Geschichte diktieren. Das    Unterschriften schnell zustande
len Schloss Cecilienhof und in zwei     ist maßlos, das ist geschichtsverges-    kommen. In den letzten Tagen ging
weiteren Anwesen – die Forderun-        sen, das ist nicht akzeptabel. Es darf   eine unüberhörbare Welle der Em-
gen der Erben der Preußenkönige         keine Entschädigung für Nazischer-       pörung durch das Land. Wir wollen
sind alles andere als bescheiden. Be-   gen geben. Darum freue ich mich          erreichen, dass hier ein für alle Mal
reits seit Jahren verhandeln sie hin-   über jede Unterschrift für die Peti-     ein Zeichen gesetzt wird: Das Land
ter den Kulissen über die Rückgabe      tion ›Keine Geschenke den Hohen-         wird keine Kultur- und Kunstgüter
ihres ehemaligen Eigentums – und        zollern‹«. Eine Woche zuvor war in       an die Erbengemeinschaft der Ho-
forderten immer mehr. DIE LINKE         Brandenburg bereits die Volksiniti-      henzollern verschenken«, sagte die
hat am 12. August 2019 den bundes-      ative »Keine Geschenke den Hohen-        brandenburgische Landesvorsitzen-
weiten Aufruf »Keine Geschenke an       zollern« vorgestellt worden.             de Anja Mayer.
die Erben der Hohenzollern-Dynas-                                                   Den Aufruf auf der Internetsei-
tie« gestartet. Die Vorsitzende Katja                                            te der LINKEN kann jede und jeder
Kipping erklärte dazu: »1933 rühm-            Ein für alle Mal ein               unterstützen. Alle Brandenburgerin-
te sich Kronprinz Wilhelm, Hitler an               Zeichen setzen                nen und Brandenburger finden dort
die Macht verholfen zu haben. 2019                                               zusätzlich einen Link zur Volksini-
wollen die Erben ihre Reichtümer zu-    Mindestens 20.000 Bürgerinnen und        tiative und Beteiligungsmöglichkei-
rück. In Schlössern wohnen, öffent-     Bürgern müssen unterschreiben, da-       ten.

    KEINE   ESCHENKE
    KEINE GGESCHENKE
    DEN   OHENZOLLERN!
    DEN HHOHENZOLLERN!
           Unterschreibe unseren
           Aufruf unter: gleft.de/387

4                                                                                                   DISPUT Oktober 2019
DISPUT - Partei DIE LINKE
AUS DEM HAUS

K
             eine Apokalypse – aber                                                  ziert. Wir kämpfen um die Köpfe und
             doch ein ziemlicher                                                     Herzen aller, aber der Kampf um die
             Schock war das Wahler-                                                  Köpfe muss bei den Erreichbaren be-
             gebnis in Brandenburg und                                               ginnen, um den derzeit Unerreichba-
             Sachsen für DIE LINKE.                                                  ren näher zu kommen.
Klar, die Jahre lähmender Kontrover-                                                 Als Ostdeutscher verstehe ich die
sen sind auch an Sachsen und Bran-                                                   langjährigen ostdeutschen Demüti-
denburg nicht vorbei gegangen. Dass                                                  gungserfahrungen, die Wut über die
wir nur noch knapp zweistellig sind, ist                                             marktradikalen Zumutungen, ich ver-
gleichwohl ein schwerer Rückschlag.                                                  stehe auch die Angst vor sozialem Ab-
Das weckt Ängste. Ist die Zeit der Lin-                                              stieg. Aber dagegen hilft nicht, den
ken im Osten vorbei? Ist DIE LINKE                     JÖRG SCHINDLER                Partei gewordenen Ellenbogen AfD zu
insgesamt in Gefahr?                                                                 wählen.
Die Situation ist ernst. Sie verlangt ei-                                            DIE LINKE muss dagegen die optimisti-
ne klare Analyse und entschlossenes                           Fakten                 schere, lebensbejahendere Alternative
Handeln. Ich warne jedoch vor Panik-                          zu den                 sein: Die Partei der sozialen Hoffnung.
mache. Schlüsse aus den Wahlnieder-                                                  Wir müssen rebellisch und kreativ die
lagen müssen wir anhand der Fakten                          Landtags-                Auseinandersetzung bei den Men-
ziehen, nicht anhand »gefühlter Wahr-                         wahlen                 schen vor Ort führen, um jedes Kran-
heiten« oder bereits vorher festgeta-                                                kenhaus, jede Schule, jeden Dorfla-
ckerter Meinungen. Schauen wir uns                                                   den, Räume für alle. Wir brauchen eine
diese Fakten an:                                                                     neue Widerständigkeit, die von Hoff-
Zunächst stelle ich selbstkritisch                                                   nung geleitet wird, statt von Angst und
fest: Der Bundestrend war negativ.          Viertens: Wir haben nicht vor allem an   Egoismus. Es gilt, Politik radikaler sozi-
Die Gründe dafür habe ich im Beitrag        die AfD Stimmen verloren, sondern        aler Reformen stärker praktisch zu er-
»Auswertung und Perspektiven«1 dar-         in alle Richtungen: SPD,CDU, Grüne,      den. Hier macht uns unser Handeln in
gestellt. Zwar haben wir seitdem wei-       FDP, Nichtwählende… Wenn Wählerin-       Berlin bei der Einführung eines Mieten-
ter an einer unverwechselbar linken         nen und Wähler in konträre Richtun-      deckels Mut. Das wird durch gute Um-
Verknüpfung von Kapitalismuskritik,         gen abwandern, ist der Grund Unein-      fragewerte, aber auch Wertschätzung
Klimaschutz und sozialen Fragen ge-         deutigkeit in wahlentscheidenden Fra-    bei den Mietern honoriert. Wir zeigen
arbeitet. Auch um die bekannten par-        gen. »In der allergrößten Not ist der    da: Wir kämpfen – ehrlich und vor al-
teiinternen Auseinandersetzungen war        Mittelweg der Tod«, sagt das Sprich-     lem praktisch wirksam.
es relativ ruhig geworden. Aber Zu-         wort.                                    Hieran sieht man: Wir haben durchaus
schreibungen in der Öffentlichkeit än-      Fünftens: Die Funktion der LINKEN        Aussicht, mit gemeinsamer Anstren-
dern sich nur langsam.                      als Motor für Politik radikaler sozi-    gung und anderen Rahmenbedingun-
Zweitens: Beide wahlkämpfenden Lan-         aler Reformen muss gestärkt wer-         gen künftig auch wieder bessere Er-
desverbände kämpfen gegen Mitglie-          den. In Brandenburg gingen die sozi-     gebnisse zu erzielen.
derrückgang und mit einem altersbe-         alpolitischen Erfolge gegenüber Auf-
dingt kleineren Anteil aktiver Mitglie-     regerthemen wie Polizeigesetz und           Jörg Schindler ist Bundesgeschäfts-
der. In Flächenkreisen wäre der Wahl-       Braunkohle unter. In Sachsen gab es         führer der LINKEN
kampf oft ohne die solidarische Hilfe       nach Umfragen auch für die künftige
anderer Landesverbände und der Bun-         Landesregierung kaum eine realisti-
desebene kaum zu stemmen gewesen.           sche Koalitionsoption. »Ihr habt ja eh   Fotos: Mark Mühlhaus/attenzione,
Drittens: In beiden Ländern polarisier-     nichts zu melden«, bekamen unsere        DIE LINKE
te die AfD. Davon profitierte jeweils       Wahlkämpfenden zu hören.
die größte andere Partei – in Branden-      Fakt ist auch: Die Antwort auf die
burg die SPD, in Sachsen die CDU.           Schwäche der Linken liegt nicht bei
DIE LINKE hat viel mehr Potenzial als       den Wählern der AfD. Wir wissen
ihr Stimmenergebnis. Das lässt sich         aus Umfragen, dass eine Mehrheit
daran ablesen, dass wir mehr Erst- als      die AfD insgesamt wegen ihrer Inhal-
Zweitstimmen erhalten haben.                te wählt und nur eine Minderheit der
                                            AfD-Wähler der Auffassung ist, dass
1 PDF: http://gleft.de/39k                  sie sich zu wenig von Nazis distan-

DISPUT Oktober 2019                                                                                                           5
DISPUT - Partei DIE LINKE
WAHL ANALYSE

Druck im Osten
Die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen machen deutlich, vor welchen
Herausforderungen DIE LINKE steht VON CHRISTINA KAINDL

D
        ie Landtagwahlen in Branden-     tes wahlentscheidendes Thema ge-         Das Ergebnis der
        burg und Sachsen haben vie-      nannt. Der LINKEN wird hier in           Landtagswahlwahl in Sachsen
        le Superlative produziert: Sie   Brandenburg weniger Kompetenz            2019 (in Prozent) im Vergleich
brachten die schlechtesten Ergebnis-     zugetraut als 2014 (24 statt 30 Pro-     zu 2014
se für CDU und SPD (in beiden Län-       zent), in Sachsen etwas mehr (27
dern), das schlechteste Ergebnis der     statt 25 Prozent und mehr als allen
CDU im Osten (in Brandenburg), ein       anderen Parteien). Bei der Frage, wer
»Rekordtief für die SPD« und auch        sich am stärksten für den Osten ein-
                                                                                           CDU 32,1 (–7,3)
die schlechtesten Ergebnisse der LIN-    setzt, liegt DIE LINKE (knapp) vorn.
                                                                                           AfD 27,5 (+17,7)
KEN. Die Grünen gewinnen in beiden       Allerdings spielten für etwa drei                 DIE LINKE 10,4 (–8,5)
Wahlen, allerdings nicht so stark wie    viertel der Wählerinnen und Wäh-                  Grüne 8,6 (+2,9)
erwartet. Wahlgewinnerin – aber oh-      ler die Ost-West-Unterschiede kei-                SPD 7,7 (–4,6)
ne Machtoption – ist die Alternati-      ne große Rolle mehr (68 Prozent in                FDP 4,5 (+0,7)
ve für Deutschland (AfD). In beiden      Sachsen) – trotzdem wird mehrheit-                Sonst. 9,2 (–0,9)
Wahlen ist das rechte Lager stärker      lich der Einfluss der Westdeutschen
geworden, der Anteil der CDU im          als zu groß, die Mentalität in Ost und
rechten Lager schrumpft.                 West als unterschiedlich angesehen.
    Beide Wahlkämpfe waren in den        Sowohl bei den größten Sorgen als
letzten Wochen und Tagen durch ein       auch bei den wahlentscheidenden
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen AfD         Themen spielen Umwelt und Klima
und der bis dahin stärksten Partei       in Brandenburg eine zentrale Rolle,      (–7,8 %) als bei der Landtagswahl 2014.
– SPD in Brandenburg, CDU in Sach-       in Brandenburg mehr als in Sachsen.      Sie erreicht bei der Altersverteilung
sen – geprägt. So wanderten in Sach-     Der LINKEN werden »zu wenig neue         Menschen über 60 überdurchschnitt-
sen 30.000 Stimmen von der LINKEN        Ideen« zugeschrieben, auch von ei-       lich, Männer über 70 mit 16 Prozent,
und 34.000 von der SPD zur CDU           nem nicht geringen Anteil der eige-      ältere Männer in Städten am meisten.
(und nur 6.000 bzw. 12.000 in die        nen Anhängerinnen und Anhänger           Bei jungen Wählerinnen und Wählern
andere Richtung), in Brandenburg         (36 Prozent in Brandenburg). Sieben      bleibt sie im Durchschnitt, bei »mit-
konnte die SPD 20.000 Stimmen von        von zehn Brandenburgerinnen und          telalten« liegt sie knapp unter dem
der CDU gewinnen (hat allerdings         Brandenburgern sehen, dass DIE LIN-      Durchschnitt. Überdurchschnittliche
14.000 an sie verloren) und 30.000       KE in den letzten Jahren im Kabinett     Ergebnisse erreichte sie bei Rentne-
von der LINKEN (von der LINKEN           nichts durchgesetzt habe, was son-       rinnen und Rentnern (14 %), Erwerbs-
zur SPD: 11.000). Die Effekte kön-       derlich aufgefallen wäre (selbst bei     losen (15 %) und Menschen, die ihre
nen auch als »Ministerpräsidenten-       42 Prozent der LINKEN Wählerinnen        soziale Situation als schlecht einschät-
Bonus« beschrieben werden: 70 Pro-       und Wähler findet dieser Satz Zustim-    zen (19 %). Hier verhält es sich wie bei
zent der Sachsen hielten Kretschmer      mung).                                   der regionalen Verteilung: Dort, wo
für einen guten Ministerpräsidenten,        Ein Blick auf die langfristigen       die besten Ergebnisse eingefahren
auch 76 Prozent der LINKEN-Anhän-        Wahltrends zeigt, dass DIE LINKE         wurden, liegen gleichzeitig die höchs-
gerinnen und Anhänger. In Branden-       sich in zwölf der letzten 22 Wah-        ten Einbußen.
burg stimmten nur 60 Prozent zu,         len gegenüber ihrem vorherigen Er-          DIE LINKE erreicht in den kreis-
dass »Woidke ein guter Ministerprä-      gebnis verbessert hat, bei zehn ver-     freien Städten ein Ergebnis von 13,7
sident« sei, aber auch hier sind es 76   schlechtert. Allerdings sind die Ein-    Prozent. Den besten regionalen Durch-
Prozent der LINKEN Wählerinnen           bußen höher als die Zugewinne (und       schnitt erreicht sie in der Region Ober-
und Wähler. Allerdings erklärt das       sie kommen von höheren Ausgangs-         land / Spree (13,3 %), das schlechteste
nicht in gleicher Weise die Dynamik      werten). Die Verluste betreffen alle     Ergebnis in der Niederlausitz (9,1 %)
der vergangenen Wochen. Die CDU          Ostbundesländer außer Thüringen.         bzw. den Braunkohleregionen (9,4 %).
in Sachsen und die SPD in Branden-                                                In der Grenzregion zu Polen erreicht
burg haben die stärksten Zuwächse                                                 DIE LINKE leicht überdurchschnittli-
von Menschen, die an der Wahl 2014                      Brandenburg:              che Werte (11,3 %). In leicht schrump-
nicht teilgenommen haben – konnten                                                fenden Wahlkreisen schneidet sie et-
also ihr Klientel gut an die Urnen mo-   Von den 2,08 Millionen Wahlberech-       was besser (11,6 %, Erststimmen: 13,9
bilisieren.                              tigten erreichte DIE LINKE 135.572       %) ab, als in wachsenden (10,6 %) oder
    Das Thema »soziale Gerechtigkeit«    (Zweit-)Stimmen, also 10,7 Prozent.      stark schrumpfenden (10,0 %). Im Ber-
wird in beiden Wahlen als wichtigs-      Das waren rund 50.000 weniger            liner Umland liegt sie nur knapp über

6                                                                                                      DISPUT Oktober 2019
DISPUT - Partei DIE LINKE
dem Durchschnitt (11 %) – hier sind
die Grünen überdurchschnittlich.
DIE LINKE hat in Brandenburg kein
Direktmandat erringen können. Das
beste Ergebnis erreichte Hans-Jürgen
Scharfenberg in Potsdam II. DIE LIN-
KE hat wie bei der letzten Wahl mehr                                                             Foto: DIE LINKE. Brandenburg
Erst- als Zweitstimmen erringen kön-
nen, der Abstand hat sich aber im Ver-   chen sich große Sorgen, dass sie ih-       kreisen Zweitstimmen, insbesonde-
hältnis zu 2014 verringert.              ren Lebensstandard nicht mehr wer-         re in den Regionen Oberlausitz und
                                         den halten können.                         Chemnitz / Erzgebirge. Trotz ihrer Ein-
                                             ■ Wie wird DIE LINKE wahrge-           bußen schnitt DIE LINKE in der Regi-
                        Sachsen:         nommen? 27 Prozent aller Wählerin-         on Leipzig / Nordsachsen vergleichs-
                                         nen und Wähler trauen der LINKEN           weise am besten ab. In den Groß-
DIE LINKE erreicht hier rund 224.000     zu, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen,   städten erreichte sie insgesamt 13,5
Stimmen, das sind 85.000 (8,5 %) we-     das sind zwei Prozent mehr als 2014.       Prozent. Von den sächsischen Groß-
niger als bei der vergangenen Land-      19 Prozent trauen der LINKEN eine gu-      städten erreichte DIE LINKE in Leip-
tagswahl. Sie erreicht mit Juliane Na-   te Familienpolitik zu und 16 Prozent       zig mit 15,9 Prozent das beste Ergeb-
gel ein Direktmandat in Leipzig.         eine gute Bildungspolitik (2014: 17 %).    nis. Die Verluste waren in den säch-
    Bei den wahlentscheidenden The-      Der LINKEN wird von allen Parteien         sischen Braunkohlregionen sowie in
men lag »soziale Sicherheit« an ers-     am stärksten zugetraut, die Interessen     Gegenden mit stark schrumpfender
ter Stelle (17 %), vor Bildung (14 %),   der Ostdeutschen zu vertreten (25 %,       Bevölkerung überdurchschnittlich.
Wirtschaft und Arbeit (13 %), Zuwan-     AfD: 23 %, CDU: 20 %, SPD: 10 %). Dass
derung (12 %), Löhne und Rente (11       die Unterschiede zwischen Ost- und
%), innere Sicherheit (11 %) sowie Um-   Westdeutschland in den letzten Jah-                           Wie weiter?
weltschutz (10 %). Gleichzeitig ma-      ren wieder größer geworden sind, se-
chen sich 63 Prozent der Befragten       hen insgesamt 40 Prozent.                  Die Wahlergebnisse hängen eng mit
Sorgen, dass der Klimawandel die             ■ Wer wählte DIE LINKE? Die            der Situation in den beiden Ländern
Lebensgrundlagen zerstört, 60 Pro-       besten Ergebnisse erzielte sie in          und der Gefahr zusammen, die AfD
zent, dass der Einfluss des Islam in     den Altersgruppen der über 60-Jäh-         könnte stärkste Partei werden. Das
Deutschland zu stark wird – immer-       rigen und der unter 25-Jährigen, wo        hat eine besondere Dynamik in die
hin 44 Prozent der LINKEN-Wählerin-      fast jeder Neunte DIE LINKE wähl-          Wahlkämpfe gebracht. Einige Heraus-
nen und Wähler. Nur 32 Prozent ma-       te. Bei Frauen über 70 wurde die           forderungen werden deutlich: Wenn
                                         LINKE mit 14 Prozent zweitstärks-          wir den Trend nicht auf unserer Sei-
                                         te Partei nach der CDU (40 %) und          te haben, brauchen wir besondere An-
Das Ergebnis der                         vor SPD und AfD (je 10 %). Bei Män-        strengungen, um die Menschen, die
Landtagswahlwahl in Brandenburg          nern über 70 erreichte DIE LINKE           uns wählen würden (und das in den
2019 (in Prozent) im Vergleich           15 Prozent. Bei Arbeitslosen erreicht      Umfragen angeben), an die Urnen zu
zu 2014                                  DIE LINKE 13 Prozent, bei Rentnern         bringen. Wenn die Mitglieder weniger
                                         12 Prozent der Stimmen. Bei denje-         werden, ist es doppelt schwierig, gute
                                         nigen, die ihre wirtschaftliche Lage       Wahlergebnisse zu erreichen und es
                                         als »eher schlecht« bezeichnen, er-        wird umso wichtiger, die Stärken her-
                                         reicht DIE LINKE 12 Prozent (19 Pro-       auszustellen und effiziente und effek-
          SPD 26,2 (–5,7)                zent bei denen, die sie als schlecht       tive Wahlkampfstrategien zu finden.
          AfD 23,5 (+11,3)
                                         wahrnehmen). Bei formal höher Ge-          Mit Blick auf die Alterszusammen-
          CDU15,6 (–7,4)
          Grüne 10,8 (+4,6)              bildeten erreichte sie mit 13 Prozent      setzung der Wählerinnen und Wäh-
          DIE LINKE 10,7 (–7,9)          deutlich bessere Stimmanteile als bei      ler brauchen wir in den Ländern drin-
          BVB/Freie W. 5,0 (+2,3)        mittel oder niedrig Gebildeten (9 %).      gend eine Jugendoffensive.
          FDP 4,1 (+2,6)                 Bei Frauen erreichte sie etwas höhe-
          Sonst. 4,1 (0,0)               re Anteile als bei Männern, mit Aus-          Christina Kaindl ist Leiterin des
                                         nahme der 35–44-jährigen Frauen.              Bereichs Strategie und Grundsatz-
                                             ■ Regionale Besonderheiten:               fragen der Bundesgeschäftsstelle
                                         DIE LINKE verliert in allen 60 Wahl-          der LINKEN

DISPUT Oktober 2019                                                                                                        7
DISPUT - Partei DIE LINKE
WAHLK AMPF

Im Wahlkampf ist die Unterstützung der gesamten Partei gefragt
VON SUSANNE HENNIG-WELLSOW

U
        nter Führung der LINKEN ha-     ringer bewertet die Arbeit der Re-       wesen nur durch öffentliche Leistun-
        ben wir in Thüringen in den     gierung positiv. Und: Wir haben mit      gen entstehen. Das Öffentliche bil-
        vergangenen fünf Jahren vie-    Bodo einen Ministerpräsidenten, der      det daher den Kern unserer Landes-
les bewegt. Wir finanzieren Arbeit      beliebt im Land ist. Würde der Minis-    politik.
statt Arbeitslosigkeit, wir haben den   terpräsident direkt gewählt, würde          Auch wenn wir seit 2014 Vieles
sozialen Wohnungsbau reaktiviert,       sich eine absolute Mehrheit für Bodo     erreicht haben, steht noch ebenso
wir beleben den öffentlichen Nah-       Ramelow entscheiden.                     viel auf unserem Aufgabenzettel:
verkehr in vielen Regionen wieder,         Das alles ist nicht nur erfreulich    Der komplett beitragsfreie Kinder-
wir haben Kitabeiträge gestrichen,      für uns, es ist vor allem die Bestäti-   garten, der öffentliche Verkehr von
wir fördern Menschen mit Behinde-       gung dafür, dass wir in Regierungs-      Tür zu Tür, der landeseigene sozia-
rungen, wir helfen Menschen in be-      verantwortung die richtigen Dinge        le Wohnungsbau, der Mietendeckel
nachteiligten Wohnvierteln, wir un-     tun. Und es ist die Aufforderung, die-   für die großen Städte, die flächende-
terstützen Familien, wir stellen mehr   se Politik fortzusetzen.                 ckende gemeinwohlorientierte Be-
Lehrerinnen und Lehrer ein, wir brin-                                            schäftigung, die weitere Integrati-
gen mehr Polizistinnen und Polizisten                                            on von geflüchteten Menschen, der
auf die Straße, um nur einige Erfol-                       Starkes               vollständige Abbau von Langzeit-
ge zu nennen. All das sind wichtige                   Gemeinwesen                arbeitslosigkeit, die Unterbindung
Schritte, um das Gemeinwohl zu stär-                                             von Spekulation mit landwirtschaft-
ken, Armut abzubauen, gesellschaft-     Gesellschaftlicher Zusammenhalt          lichen Flächen, die Stärkung der Ge-
liche Teilhabe zu ermöglichen. Nichts   basiert auf einem funktionierenden       sundheitsversorgung – das alles und
von dem hätte es ohne uns gegeben!      Gemeinwesen: Dazu gehören Schu-          mehr haben wir uns für die kom-
   Die Menschen in Thüringen wis-       len, Universitäten, Verkehr, Kinder-     menden fünf Jahre vorgenommen.
sen das zu schätzen. In aktuellen Um-   gärten, Kultureinrichtungen und so
fragen führt rot-rot-grün. Die Mehr-    weiter. Unter kapitalistischen Ver-
heit der Thüringerinnen und Thü-        hältnissen kann ein starkes Gemein-                    Wir haben die
                                                                                                  Antworten
                                                                                 Natürlich haben wir es auch in Thü-
                                                                                 ringen mit einer Rechten zu tun, die
                                                                                 unsere Politik diffamiert und den
                                                                                 Menschen das Blaue vom Himmel
                                                                                 lügt. Selbstredend halten wir dage-
                                                                                 gen. Und das beste Mittel ist, darü-
                                                                                 ber zu sprechen, was die Menschen
                                                                                 wirklich bewegt: Kann ich meine
                                                                                 Miete morgen noch bezahlen? Wo
                                                                                 finde ich eine anständig bezahlte Ar-
                                                                                 beit? Bekomme ich im Alter eine gute
                                                                                 Pflege? Bleibt unsere Schule im Dorf
                                                                                 erhalten? Bekomme ich schnell einen
                                                                                 Termin beim Arzt? Auf die Antwor-
                                                                                 ten auf solche Fragen kommt es an.
                                                                                 Und hier haben wir die eindeutig bes-
                                                                                 seren Karten.

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DISPUT - Partei DIE LINKE
Wir sind für den beitragsfrei-
en Kindergarten. Was würden CDU
und AfD in der Regierung machen?
Sie würden wieder Beiträge erheben.
Wir bauen den öffentlichen Verkehr
aus. CDU und AfD würden das stop-
pen. Wir schaffen Polikliniken. CDU
und AfD sind strikt dagegen. Wir
stellen mehr Lehrer und Polizistin-
nen ein. CDU und AfD wollen statt-
dessen Stellen streichen. Wir bauen
mehr Sozialwohnungen und werden
die Mieten in den großen Städten de-
ckeln. CDU und AfD propagieren den
freien Markt, der aber zu nichts ande-   Am 6. September 2019 wurde die Kampagne zur Landtagswahl in Thüringen
rem führt als zu explodierenden Mie-     vorgestellt. Foto: DIE LINKE. Fraktion im Thüringer Landtag
ten und Wohnraummangel. Wir sor-
gen für gute Arbeitsbedingungen bei
öffentlichen Aufträgen. CDU und AfD                 Mehr erreichen               in Schulen, eine nachhaltige Land-
würden das Rad zurückdrehen und                                                  wirtschaft, Genossenschaftsbetrie-
Niedriglöhne erlauben. Wir setzten       Wir zeigen in Thüringen, dass rot-      be und dergleichen investieren. Wir
Qualitätsstandards in den Kranken-       rot-grün nicht nur regieren kann,       würden gerne den Pflegenotstand
häusern. CDU und AfD würden die-         sondern dass dabei auch etwas Po-       beseitigen, prekäre Arbeit unterbin-
se Vorgaben abschaffen – zum Scha-       sitives herauskommt. Das könnte         den und Löhne garantieren, die zum
den der Patientinnen und Patienten       auch im Bund so sein. Und umge-         Leben reichen.
sowie der Beschäftigten.                 kehrt könnte r2g im Bund die Vor-          Dazu wären der gesellschaftli-
    Wenn wir so über unsere Politik      aussetzungen für LINKE Landespoli-      che Reichtum gerechter zu vertei-
sprechen, dann liegen die Unterschie-    tik stärken. Denn natürlich sind uns    len, die Hartz-Gesetze zu überwin-
de zwischen uns und denen klar auf       derzeit deutliche Grenzen gesetzt.      den, die Pflegeversicherung auszu-
der Hand. Wer ein soziales Thürin-       Statt einige tausend gemeinwohlo-       bauen, der gesetzliche Mindestlohn
gen will, wo der Gemeinsinn regiert      rientierte Arbeitsplätze zu fördern,    zu erhöhen, dem ökologischen Um-
und nicht der Egoismus; ein Thürin-      würden wir gerne allen Erwerbslo-       bau Vorfahrt einzuräumen. R2g im
gen, das wirtschaftlichen Wohlstand      sen die Chance auf eine öffentlich      Bund hätte dazu die Chance. Ein
mit sozialem Zusammenhalt verbin-        finanzierte Beschäftigung einräu-       Selbstläufer wäre das nicht, so viel
det, der muss die LINKE wählen! Das      men. Wir würden gerne mehr Geld         ist sicher. Aber es nicht zu versu-
ist unsere Botschaft im Wahlkampf.                                               chen, wäre fahrlässig.
    Und Bodo Ramelow verkörpert                                                     Mit der Bestätigung der Regie-
diese Botschaft wie kein anderer. Ich                                            rungsmehrheit von r2g in Thürin-
habe das einmal in dem Slogan zu-          Ihr wollt DIE LINKE. Thüringen        gen am 27. Oktober 2019 würden wir
sammengefasst: »Bodo oder Barba-           im Wahlkampf unterstützen?            dem einen deutlichen Schritt näher
rei«. Das mag ein bisschen hochge-         Sehr gerne! Die Genossinnen           kommen. Das ist eine große Aufga-
griffen erscheinen. Aber wenn wir          und Genossen freuen sich auf          be, bei der wir die Hilfe der gesam-
uns umschauen, wozu rechte Partei-         jede Hilfe. Einfach in der Landes-    ten Partei gut gebrauchen können.
en heute imstande sind, ist Barbarei       geschäftsstelle bei Nicole Grieß-     Wer von Euch also Lust und Zeit hat,
eine ganz zutreffende Beschreibung:        bach melden:                          uns im Wahlkampf zu unterstützen,
Bolsonaro lässt den Regenwald ab-          Telefon: 0361.6011154                 die und den laden wir gern nach
holzen, Trump baut eine Mauer gegen        Mobil: 0173.7352078                   Thüringen ein. Ihr seid herzlich will-
Flüchtende, Orban schafft die Presse-      E-Mail: ngriessbach@gmx.net           kommen!
freiheit ab, Erdogan sperrt politisch      oder direkt online registrieren:
Andersdenkende weg. Das gilt es in         https://wahl2019.die-linke-              Susanne Hennig-Wellsow ist Landes-
Deutschland zu verhindern und zu-          thueringen.de/wahlkampfhilfe             vorsitzende der LINKEN in
gleich wirkliche Alternativen wähl-                                                 Thüringen und Fraktionsvorsitzende
bar zu machen.                                                                      der LINKEN. im Thüringer Landtag

DISPUT Oktober 2019                                                                                                      9
DISPUT - Partei DIE LINKE
DEBAT TE

Antimuslimischer Rassismus
Die Stigmatisierung von Muslim*innen ist kein Alleinstellungsmerkmal der
extremen Rechten VON OZAN ZAKARIYA KESKINKILIÇ

Antimuslimischer Rassismus trifft nicht nur praktizierende Muslim*innen, sondern alle, die als solche wahrgenommen werden.
Foto:CLAIM/Laurent Hoffmann

W
          er antimuslimischen Ras-         den. Antimuslimischer Rassismus ist        ersetzen«, heißt es im Wahlprogramm
          sismus kritisiert, ist mit di-   ein Paradebeispiel für diesen Rassis-      der Alternative für Deutschland. Die
          versen Abwehrstrategien          mus ohne »Rassen«. Er versucht sich        Partei greift auf eine weit verbreitete
konfrontiert. Ein Mythos kursiert:         durch den Rückgriff auf Kultur und         Abwehrstrategie zurück, die sich im
Muslim*innen seien an ihrer Aus-           Religion gegen Rassismusvorwürfe           Besonderen aus der Idee der »Islam-
grenzung selbst schuld, bildeten sich      zu immunisieren, um Muslim*innen           kritik« speist.
die Diskriminierung ein, könnten mit       und als solche Wahrgenommene zur              Dabei handelt es sich um eine in-
»legitimer Kritik« nicht umgehen und       Zielscheibe von Hass, Gewalt und Dis-      strumentelle Metapher, wie die Be-
wollten sich »unserer« Gesellschaft        kriminierung zu machen – und das           zeichnung schon selbst andeutet: Ers-
und ihren »westlichen« Werten nicht        unter dem Deckmantel der »Islamkri-        tens kennt die Wortschöpfung kein
anpassen. Oder auch: Der Islam sei ja      tik«.                                      Äquivalent, wie etwa eine Christen-
gar keine »Rasse«. Doch »Menschen-                                                    tumkritik. Zweitens rekurriert der
rassen« gibt es ohnehin nicht, wohl                                                   Begriff auf eine angebliche Homoge-
aber Rassismus. Dieser erfindet »die                   Deckmantel der                 nität des Islams. Islamische Pluralitä-
Anderen«, indem er auf Basis von                         »Islamkritik«                ten werden geleugnet, stattdessen das
phänotypischen, kulturellen und reli-                                                 Islambild mit Defiziten angereichert,
giösen Zuschreibungen eine unüber-         »Einer Diffamierung rationaler Religi-     die als genuin islamisch definiert
brückbare Differenz zu »uns« behaup-       onskritik als ›Islamophobie‹ oder ›Ras-    werden. Zu diesem »islamkritischen«
tet und die Ungleichbehandlung je-         sismus‹ tritt die AfD entgegen. Wir for-   Repertoire zählen Frauenunterdrü-
ner legitimiert, die als »nicht-deutsch«   dern jedermann dazu auf, solche Pole-      ckung, Homo- und Transphobie, Anti-
und »nicht-europäisch« gedacht wer-        mik durch intellektuellen Diskurs zu       semitismus, Demokratiefeindlichkeit,

10                                                                                                         DISPUT Oktober 2019
Gewalt und Integrationsunwilligkeit.       genommen und adressiert werden.             beweisen, dass sie existieren. Zwei-
Drittens wird der Islam mit dem Be-        Sie gelten als Sinnbild einer von au-       tens, weshalb sie existieren.« Ent-
griff der Kritik zur »Islamkritik« ver-    ßen eingedrungenen Kultur, die mit          sprechend werden sie zum Feindbild
schmolzen, um die Abwehr als unum-         »unserer« inkompatibel scheint. Sol-        stilisiert, ihre Stimmen als illegitim
gängliche Notwendigkeit zu inszenie-       che Vorstellungen der Überfrem-             und rückständig verdrängt. Um sich
ren. In diesem Dreischritt werden ge-      dung und Unterwanderung finden              dabei geschickt gegen Rassismusvor-
sellschaftliche Probleme islamisiert,      in der gesamten Bevölkerung An-             würfe zu immunisieren, werden »gu-
also der Islam für soziale Missstände      klang: Laut der Leipziger Autoritaris-      te« Muslim*innen (etwa ohne Kopf-
verantwortlich gemacht. Soziale Pro-       mus-Studie von 2018 geben 55,8 Pro-         tuch oder ohne Praktiken männlicher
bleme werden so depolitisiert und          zent der Befragten in Deutschland           Beschneidung), manchmal liberal ge-
aus dem eigenen Verantwortungsbe-          an, sich »[d]urch die vielen Muslime        nannt, gegen »böse« Muslim*innen
reich ausgelagert. Gleichzeitig gilt der   hier […] manchmal wie ein Fremder           (mit Kopftuch oder mit Praktiken
Islam als negative Kontrastfolie, um       im eigenen Land« zu fühlen. Sie ge-         männlicher Beschneidung), manch-
die eigene idealisierte Identität – Wir,   hen von »vielen« Muslim*innen aus           mal konservativ genannt, instrumen-
Deutschland, Europa – zu schaffen          und entwerfen sie als »Nicht-Deut-          talisiert.
und Privilegien für »uns« zu sichern.      sche«, die nicht wirklich hierher ge-           So funktioniert »Teile-und-Herr-
                                           hörten. 44,1 Prozent plädieren gar da-      sche«: »Wir« entscheiden über »Gut«
                                           für, Muslim*innen die Zuwanderung           und »Böse« und spielen die Anderen
      Demographisches                      nach Deutschland zu verbieten. Un-          gegeneinander aus, um die kollektive
    Bedrohungsszenario                     ter LINKE-Wähler*innen sind es 32,9         Verdächtigung »des Islams« und sei-
                                           Prozent.                                    ner Angehörigen unter dem Argument
»In der Ausbreitung des Islam und                                                      der aufgeklärten Differenzierung bei-
der Präsenz von über 5 Millionen                                                       zubehalten. Muslim*innen gelten kol-
Muslimen, deren Zahl ständig wächst,                Problem der                        lektiv ihrer Religion und Kultur nach
sieht die AfD eine große Gefahr für         Mehrheitsgesellschaft                      als frauenfeindlich und antidemokra-
unseren Staat, unsere Gesellschaft                                                     tisch. Sie müssen eine scheinbar li-
und unsere Werteordnung«, so die           Antimuslimischer Rassismus ist              berale Zugehörigkeit und Integrati-
AfD weiter. Die Anzahl und Präsenz         kein Alleinstellungsmerkmal der ex-         on erst beweisen, während für »uns«
von Muslim*innen deutet sie als In-        tremen Rechten, sondern ein gesell-         eine quasi natürliche Unschuldsver-
diz einer schleichenden Unterwan-          schaftlich hervorgebrachtes Macht-          mutung gilt, denn: Deutschsein heißt
derung. Im demographischen Bedro-          verhältnis. Antimuslimisch-rassis-          frei, modern und egalitär, der Islam
hungsszenario werden Muslim*innen          tische Vorstellungen sind auch in           angeblich das genaue Gegenteil. Da-
symbolisch ausgebürgert. Muslimisch        linken Argumentationen zu finden,           mit schreibt sich »unser« Anspruch
und deutsch gelten plötzlich als Ge-       wenn etwa Schlagworte wie Säkula-           auf Überlegenheit in »unschuldige«
gensätze.                                  rismus und Aufklärung den Zweck             Alltäglichkeit und Normalität ein.
    In diesem »uns«, das vor Staat, Ge-    erfüllen, Muslim*innen als angebli-         Statt also von Rassismus Betroffe-
sellschaft und Werteordnung ange-          che Außenseiter »westlicher« Moder-         ne für ihre Ausgrenzungserfahrung
führt wird, haben Muslim*innen kon-        ne und Freiheit abzugrenzen, Hierar-        verantwortlich zu machen, muss der
zeptionell keinen Platz. Sie gelten ih-    chien zu kreieren und hegemoniale           Blick umgekehrt werden. Antimusli-
rer Abstammung nach als nicht zuge-        Politiken der Umerziehung und Kon-          mischer Rassismus ist nicht das Pro-
hörig und gefährlich. Dieser Prozess       trolle zu begründen. Der Ausschluss         blem der Muslim*innen, sondern das
der Fremdkonstruktion wird auch            muslimischer Frauen mit Kopftuch            der weißen deutschen Mehrheitsge-
Rassifizierung genannt – Menschen          aus dem Berliner öffentlichen Dienst        sellschaft.
werden auf Basis von phänotypi-            unter dem Vorwand staatlicher Neu-
schen, kulturellen und religiösen Zu-      tralität (»Neutralitätsgesetz«) folgt ge-      Ozan Zakariya Keskinkılıç ist Politik-
schreibungen als Muslim*innen pro-         nau dieser Logik. Gleiches betrifft            wissenschaftler und sachverständiges
duziert, homogenisiert (»alle gleich«),    den gängigen Einwand, Islam und Fe-            stellvertretendes Mitglied der »Enquete-
dichotomisiert (»anders als wir«) und      minismus stünden sich entgegen, be-            Kommission Rassismus« im Thüringer
essentialisiert (»ihrer Kultur und Re-     sonders mit Kopftuch. Muslimische              Landtag. Kürzlich erschien sein Buch
ligion nach einfach so«). Antimusli-       Feministinnen gelten als »Mensch               »Die Islamdebatte gehört zu Deutsch-
mischer Rassismus betrifft so nicht        gewordenes Oxymoron«, wie Kübra                land« (Berlin 2019). Er lehrt und forscht
nur praktizierende Muslim*innen,           Gümüşay es formuliert: »Diese Men-            an der Alice-Salomon-Hochschule
sondern all jene, die als solche wahr-     schen müssen sich erklären. Erstens            Berlin.

DISPUT Oktober 2019                                                                                                            11
MIE TENDECKEL

Berlin betritt Neuland
KATRIN LOMPSCHER, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin, schildert im Inter-
view den aktuellen Stand in Sachen Mietendeckel und dessen Bedeutung über die Stadt hinaus

Die Mieten sind in vielen Städ-          Was ist daran neu?                          rückgehen, dass keiner mehr baut
ten teuer – was unterscheidet            Dass ein Land seine Gesetzgebungs-          und dass in den Bestand nicht mehr
den Berliner Wohnungsmarkt               kompetenzen für ein öffentlich-             investiert wird. Dabei ist der Neu-
von anderen?                             rechtliches Mietpreisrecht im Woh-          bau ab 2014 explizit aus den Rege-
In Berlin haben sich die Angebots-       nungswesen überhaupt nutzt! In              lungen ausgenommen. Zum Thema
mieten in den letzten zehn Jahren        Berlin, aber auch in anderen Groß-          Bestandsbewirtschaftung: Eigentü-
mehr als verdoppelt – diese Ent-         städten hat sich gezeigt, dass die Re-      mer kalkulieren Instandhaltungs-
wicklung ist im bundesweiten Ver-        gelungen auf zivilrechtlicher Grund-        kosten in die Bestandsmieten mit
gleich beispiellos. Gleichzeitig sind    lage nicht greifen: Die Mietpreis-          ein, deshalb glaube ich auch nicht,
die Einkommen unterdurchschnitt-         bremse hat sich bislang aufgrund            dass die Bestände künftig nicht
lich, weshalb das Verhältnis zwi-                                                    mehr saniert werden oder verfallen.
schen Einkommens- und Mietent-                                                       Kann der Mietendeckel ein Vor-
wicklung besonders weit auseinan-                                                    bild für andere Städte sein?
dergedriftet. Menschen mit geringen                                                  Es wird bundesweit sehr genau be-
Einkommen finden so kaum noch                                                        obachtet, was wir hier in Berlin tun.
Wohnungen, die sie sich leisten kön-                                                 Auch in anderen Städten entstehen
nen. Diejenigen, die bereits in teu-                                                 gerade entsprechende Initiativen.
ren Wohnungen wohnen, fürchten                                                       Der Berliner Mietendeckel könn-
bei Mieterhöhungen, ihr Dach über                                                    te zum Vorbild werden, denn vie-
dem Kopf zu verlieren.                                                               le Städte und Kommunen sind auf
Welche Bedingungen sind dar-                                                         der Suche nach einem Instrument,
über hinaus besonders?                                                               um den Exzess auf dem Wohnungs-
Wir betreten juristisches Neuland,                                                   markt etwas entgegenzusetzen.
erfahren dafür aber einen großen                                                     Was sind die nächsten Schrit-
Rückhalt in der Stadtgesellschaft.                                                   te?
In Berlin gibt es sehr aktive Mieter-                                                Der Entwurf befindet sich aktuell in
initiativen und ein großes Interesse                                                 der Verbändeanhörung. Diese ha-
und auch eine große Erwartung an                                                     ben rund zwei Wochen Zeit, sich zu
unsere rot-rot-grüne Koalition, dass                                                 dem Vorschlag zu positionieren. Par-
wir in der Wohnungsfrage tatsäch-                                                    allel wurde er an die Fraktionen im
lich zukunftsfähige, soziale Antwor-                                                 Abgeordnetenhaus, die Senatskanz-
ten finden.                                                                          lei und weitere beteiligte Senatsver-
Was sind die zentralen Elemen-                                                       waltungen übersandt. Der Senats-
te des Mietendeckels?                    der vielen Ausnahmeregelungen als           beschluss ist für Mitte Oktober vor-
Zum einen geht es um einen Mieten-       weitgehend wirkungslos erwiesen.            gesehen, anschließend folgt die Par-
stopp für fünf Jahre. Zum anderen        Die Möglichkeit, als Land hier einen        lamentsbefassung. Wir haben uns
um die Definition von Mietobergren-      neuen Rahmen zu setzen, ist enorm           im Senat und in der Koalition zum
zen, die deutlich unterhalb der heu-     herausfordernd und wir gehen fest           Mietendeckel entschlossen und be-
tigen Angebotsmieten liegen. Men-        davon aus, dass das Gesetz beklagt          kannt, immer in dem im Wissen,
schen, die jetzt schon zu viel von ih-   werden wird. Denn jenseits der in-          dass wir damit Neuland betreten.
rem Einkommen für eine überhöhte         haltlichen Auseinandersetzung gibt          Das Ziel ist, dass das Gesetz Anfang
Miete zahlen, sollen einen Antrag        es auch eine grundsätzliche Ausei-          des nächsten Jahres in Kraft tritt.
auf Absenkung bis zur zulässigen         nandersetzung darüber: »Darf ein
Mietobergrenze stellen können. So        Land sowas?«                                Weitere Infos zum Mietendeckel
wollen wir mittelfristig insgesamt       Welche Kritik gibt es noch?                 und Antworten auf häufig
wieder ein tragbares Mietniveau eta-     Die Kritiker des Mietendeckels be-          gestellte Fragen unter:
blieren.                                 fürchten, dass die Investitionen zu-        https://dielinke.berlin/mietendeckel/

So geht es weiter mit der     12. September 2019:             28. September 2019:               3. Oktober 2019:
Mietenkampagne –              Gründung des von der LINKEN     Mietenpolitischer Ratschlag       Demo in Berlin »Richtig deckeln,
Aktionen und Termine          unterstützten bundesweiten      in Hamburg                        dann enteignen«
                              Aktionsbündnisses »Wohnen ist
                              Menschenrecht«

12                                                                                                         DISPUT Oktober 2019
MIETENKAMPAGNE

Konkrete Forderungen
Der Parteivorstand hat die Kampagnenforderungen angepasst und ist dem Aktionsbündnis
»Wohnen ist Menschenrecht« beigetreten VOM BEREICH KAMPAGNEN UND PARTEIENTWICKLUNG

                                         Der Staat muss Wohnungen aufkaufen      Wohnen und Vonovia. Du willst ak-
                                         und neue bezahlbare, ökologisch mo-     tiv werden? Dann melde Dich unter:
                                         dernisierte Wohnungen bauen! Die So-    mietenkampagne@die-linke.de!
                                         zialbindung darf nicht auslaufen! Wir       Außerdem ist DIE LINKE dem
                                         wollen ein öffentliches Wohnungsbau-    Unterstützer*innen-Kreis des bun-
                                         programm und gemeinnützige Woh-         desweiten »Aktionsbündnis Wohnen
                                         nungswirtschaft fördern.                ist Menschenrecht!« beigetreten und

V
        or einem Jahr startete DIE          Im Rahmen unserer Mietenkam-         beteiligt sich an den Bündnisaktivi-
        LINKE ihre Mietenkampagne        pagne stoßen wir Aktivitäten vor Ort    täten. Ein breites Netzwerk aus ver-
        »Bezahlbare Miete statt fetter   wie die Gründung von Bündnissen         schiedenen Organisationen, Verei-
Rendite!«. Durch den Berliner Volks-     und Mieterinitiativen an und stär-      nen und Initiativen hat sich zum Ziel
entscheid »Deutsche Wohnen und Co.       ken dabei LINKE (Selbst-)Organisie-     gesetzt, sich gemeinsam gegen Spal-
enteignen«, der von der LINKEN un-       rung von Mieter*innen und deren         tung, Verdrängung und Wohnungs-
terstützt wird sowie den Beschluss ei-   Zusammenarbeit mit LINKEN Gliede-       losigkeit und für bezahlbaren Wohn-
nes Mietenstopps und Mietendeckels       rungen und Kommunal-Fraktionen.         raum einzusetzen.
in Berlin, hat sich die Diskussion um    Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf
Maßnahmen zum Kampf gegen stei-          Städten beziehungsweise Stadtteilen     Mehr Informationen zum Aktionsbündnis
gende Mieten bundesweit rasant wei-      mit großen Beständen von Deutsche       unter: https://menschenrecht-wohnen.org.
terentwickelt. In Folge dieser Diskus-
sion hat der Parteivorstand die poli-
tischen Forderungen der bundeswei-
ten Mietenkampagne »Bezahlbare
Miete statt fetter Rendite!« konkreti-
siert. Der Dreiklang –deckeln, enteig-
nen, sozial bauen – prägt nun unsere
Kampagne.
    ■ Runter mit den Mieten! Wir
wollen einen bundesweiten Stopp
für Mieterhöhungen (Mietenstopp)
und Obergrenzen für die Mieten (Mie-
tendeckel). Die Mietsteigerungen der
vergangenen Jahre müssen zurückge-
nommen, die Modernisierungsumla-
ge muss abgeschafft werden.
    ■ Vonovia & Co enteignen! Kon-
zerne, die nicht sanieren, die Mieten
hochtreiben oder ihre Mieter*innen
schikanieren, müssen enteignet wer-
den. Keine Spekulation mit Wohn-
raum an der Börse! Mit Wohnen darf
kein Profit gemacht werden.
    ■ So viel bezahlbaren Wohn-
raum bauen, wie gebraucht wird.
Es fehlen mindestens fünf Millionen
Sozialwohnungen. Wir fordern, dass
jedes Jahr mindestens 250.000 Sozial-
wohnungen mehr geschaffen werden:        Foto: Malte Fiedler

Oktober:                      10. Oktober 2019:                ab 8. November 2019:        Herbst:
Aktionsphase studentisches    Start des von der LINKEN         Aktionswoche Vonovia        Produkltion neuer Materialien
Wohnen                        unterstützten Volksbegehrens                                 und Give Aways für die
                              »Mietenstopp« in Bayern                                      Mietenkampagne

DISPUT Oktober 2019                                                                                                    13
MIE TENWAHNSINN

»Desaströse Zustände«
NICOLE GOHLKE, hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag,
spricht im Interview über studentische Wohnungsnot und was DIE LINKE dagegen macht

Am 1. Oktober fängt das Winter-                                  WAHNSINN          größer und viele Studierende betei-
semester an – worauf müssen                                                        ligen sich.
Studierende sich einstellen?                                                       Was muss passieren, damit sich
Wer jetzt ein Studium beginnt und          ■ Top 3 der teuersten WG-               die Situation ändert?
ein Zimmer sucht, bekommt in               Zimmer: München (600 Euro),             Fakt ist: Der Markt und die große
den Hochschulmetropolen die vol-           Frankfurt am Main (480 Euro)            Koalition haben beim bezahlbaren
le Wucht der dramatischen Mieten-          sowie Hamburg und Stuttgart             Wohnungsbau auf ganzer Linie ver-
explosion zu spüren. Zehntausende          (450 Euro)                              sagt. Für alle mit niedrigen Einkom-
bezahlbare Wohnungen und Wohn-             ■ »Unterbringungsquote« in              men bedeutet das einen tagtäglichen
heimzimmer fehlen.                         Studentenwerk-Wohnheimen:               Kampf, ihre Miete bezahlen zu kön-
Was ist die Folge?                         nur noch 8,5 Prozent                    nen. Konkret brauchen wir ein So-
Die Wartelisten sind voll und Woh-         ■ Über 30.000 Studierende auf           fortpaket. Erstens: schnellstens zu-
nungsbesichtigungen werden zum             Wartelisten                             sätzliche 50.000 Wohnheim-Plätze,
Massen-Casting. Viele retten sich in                                               denn aktuell sinkt die Unterbrin-
Zwischenmieten, Mehrbettzimmer in                                                  gungsquote kontinuierlich. Zweitens:
Jugendherbergen oder überteuerte                                                   einen Mietendeckel, damit die Ver-
Mikroapartments. In Münster musste                                                 drängung aus dem regulären Woh-
das Studierendenwerk im vergange-      Das Problem ist seit Jahren be-             nungsmarkt ein Ende hat. Und drit-
nen Jahr eine ehemalige Kaserne als    kannt – gibt es positive Ent-               tens: eine Anhebung des BAföG
Notunterkunft anmieten. Wohnen auf     wicklungen?                                 auf mindestens 1.050 Euro und An-
dem Campingplatz ist in Frankfurt,     DIE LINKE kämpft für einen Mieten-          passung der Wohnkostenpauscha-
Köln und München keine Ausnahme        deckel, der in Berlin ab 2020 auch          le an das tatsächliche Mitniveau vor
mehr. Oft gehen für ein Dach über      Studierenden zugutekommen wird.             Ort. Dafür streite ich im Bundestag.
dem Kopf 400 Euro oder mehr drauf,     In den thüringischen Hochschulzen-          Doch die Bundesregierung hat erst
das kann schon mal bis zu zwei Drit-   tren Jena, Erfurt und Weimar sollen         kürzlich Verbesserungsvorschläge
tel des Monatsbudgets ausmachen.       die Mieten für fünf Jahre eingefro-         zum BAföG abgeschmettert. Auch
Ohne reiche Eltern hast du das Nach-   ren und mit einer neuen landeseige-         ein Bund-Länder-Hochschulsozial-
sehen.                                 nen Baugesellschaft der Wohnungs-           pakt wie ihn die Studierendenwer-
Wo sind die »Hotspots der Woh-         bau angekurbelt werden. Die Protes-         ke fordern, ist nicht in Sicht. Mei-
nungsnot« für Studierende?             te von Mieter*innen werden immer            ne Botschaft lautet daher: Bezahlba-
Unter den Metropolen führt Mün-                                                    res Wohnen gibt es nur mit starken
chen: Der durchschnittliche WG-                                                    Mieter*innen-Initiativen und Druck
Zimmerpreis liegt hier bei 600 Eu-                            WIR FORDERN          von Links.
ro. Frankfurt am Main folgt mit 480                                                Wie geht es weiter?
Euro, Hamburg und Stuttgart liegen                                                 Gemeinsam mit dem sozialistisch-de-
nur knapp dahinter. Wer auf Wohn-          ■ 50.000 neue Wohnplätze bei            mokratischen Studierendenverband
heime privater Investoren hofft,           den Studierendenwerken                  startet DIE LINKE zu Semesterbe-
wird mit dem blanken Wahnsinn              ■ Mietendeckel in den Hoch-             ginn die »Aktionsphase studentisches
konfrontiert: In Potsdam verlangen         schul-Metropolen                        Wohnen« und informiert über die Ur-
Miethaie für ein möbliertes Apart-         ■ BAfög-Wohnkostenpauschale             sachen der desaströsen Wohnsitua-
ment derzeit fast 600 Euro. Selbst         stetig ans Mietniveau anpassen          tion. Wir wollen mit Studierenden
auf vergleichbar moderaten Woh-                                                    über ihre Sorgen, Fragen und Wün-
nungsmärkten wie in Leipzig zeich-         Die Aktionsphase ist Teil der           sche sprechen und den Druck auf die
net sich schon jetzt ab, wohin die         Mietenkampagne:                         Bundes- und Landesregierungen er-
Reise geht: Hier sind die Mieten in        www.miete-bezahlbar.de                  höhen. Denn es ist höchste Zeit, ge-
den letzten zehn Jahren um fast 50                                                 meinsam gegen den Mietenwahnsinn
Prozent gestiegen.                                                                 zu stimmen.

Winter:                      23. Februar 2020:               Ende März 2020:                4./5. April 2020:
Verabschiedung               Bürgerschaftswahl in Hamburg:   bundesweiter Aktionstag der    Kreisvorsitzenden- und
Mietendeckel in Berlin       Mietenpolitik wird ein          Mieten-Initiativen             Aktionskonferenz in
                             TOP-Thema                                                      Düsseldorf

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KLIMAP OLITIK
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                                                                                                                    Deutschland hat
                                                                                                                   im Jahr 2017 rund

                                                                                                               798 Mio.
                                                                                                                      Tonnen CO2
                                                                                                                       emittiert.
                                                                                                                          Quelle:
                                                                                                                      Umweltbundesamt

                    Klare Regeln und Alternativen
                    Investitionen, klare Regeln, CO2-Steuer – LINKE Debatte über radikalen Klimaschutz
                    VON CHRISTINA KAINDL

                    D
                           eutschland wird aufgrund der       und Schienenproduktion steigt. Das      Preisinstruments […] kurz- und ggf.
                           Blockadehaltung der Bundes-        schafft neue Industriearbeitsplätze.    auch mittelfristig begrenzt« ist. Die
                           regierung die Klimaziele ver-         Klare Regeln: Die Autokonzerne       Finanzierung des ökologischen Um-
                    fehlen. Ein guter Teil der öffentlichen   rechnen gerade die CO2-Bilanz ihrer     baus muss die Hauptverursacher
                    Diskussion beschränkt sich aber trotz     SUV-Produktion damit schön, dass        und Top-Verbraucher treffen und
                    der großen Dringlichkeit auf Konzep-      sie einige Elektroautos dazu neh-       sie muss sozial gerecht sein: Die
                    te von Preisen, Kaufanreizen und          men. DIE LINKE will klare Obergren-     meisten Emissionen verursachen
                    Steuern, die Konsumverhalten verän-       zen für die Umweltbelastung der je-     Konzerne und Reiche. Das ist Kon-
                    dern sollen. Wir müssen sicher auch       weiligen Autos. Keine SUVs in den       sens in der LINKEN Debatte. Diffe-
                    die Art ändern, wie wir unseren All-      Innenstädten und ein Tempolimit,        renzen gibt es um die zehn Prozent,
                    tag leben, besonders bei uns im glo-      das das Wettrüsten der Autos end-       konkret zur CO2-Steuer: Lassen sich
                    balen Norden. »Wir« verbrauchen zu        lich überflüssig machen würde. Spä-     die sozialen Ungleichheiten im Ver-
                    viele Ressourcen und stoßen zu viel       testens 2030 dürfen keine Autos mit     brauch durch Rückzahlungen, Bo-
                    CO2 aus. Aber auch hier gilt: Je rei-     Verbrennungsmotor mehr neu zuge-        ni oder Umverteilung von CO2-Steu-
                    cher die Menschen, desto größer ihr       lassen werden.                          ereinnahmen ausgleichen? Was ge-
                    negativer Einfluss auf die Umwelt.                                                schieht, wenn die Besserverdienen-
                    Greta Thunberg hat daran erinnert,                                                den umgestiegen sind, wo kommen
                    dass fast zwei Drittel der weltweiten                    Kollektive               die Steuereinnahmen her? Sollte
                    CO2-Emissionen von 100 Konzernen                   Voraussetzungen                nicht auch hoher Energieverbrauch
                    verursacht werden.                                                                aus umweltfreundlichen Quellen be-
                       Was wirkt? Investitionen in kol-       Finanzielle Anreize wie die CO2-Steu-   steuert werden? Aber auch: Schießt
                    lektive und klimafreundliche Alter-       er können nur eine Ergänzung für        sich DIE LINKE aus der Diskussion
                    nativen und klare Vorgaben. Bei-          dieser Maßnahmen sein. Wer weit         der Klimaproteste? Vermittelt sie
                    spielsweise Investitionen: Wir ma-        zur Arbeit pendelt und keine Bahn       den Eindruck, dass sie es nicht ernst
                    chen den Öffentlichen Nahverkehr          oder gut getakteten und bezahlba-       meint mit dem Klimaschutz?
                    kostenfrei und bauen ihn gleich-          ren ÖPNV hat, kann das Auto nur            Wir müssen die kollektiven Vor-
                    zeitig aus – bessere Verbindungen,        stehen lassen, wenn er oder sie Geld    aussetzungen schaffen für ein gutes
                    höhere Taktzahlen. Dafür braucht          für ein neues (elektrisches) hat. Wer   Klima und ein gutes Leben für alle.
                    es öffentliche Investitionen in den       zur Miete wohnt, kann gar nichts        Eine CO2-Steuer zum Beispiel müss-
                    ÖPNV, zusätzlich 15 Milliarden Eu-        über die Ölheizung in der Wohnung       te daran gebunden werden, dass es
                    ro pro Jahr. Plus Gelder, die wir von     entscheiden. Das Umweltbundes-          Alternativen gibt: Nur wenn es kol-
                    den Subventionen von Flugverkehr,         amt weist darauf hin, dass »gerade      lektive, öffentliche, funktionierende
                    Diesel und Dienstwagen umleiten.          in den Sektoren Gebäude und Ver-        Alternativen gibt, kann sie einen An-
                    Der zusätzliche Bedarf an Bus-, Bahn      kehr die Lenkungswirkung eines          reiz zum Umstieg sein.

                    DISPUT Oktober 2019                                                                                                 15
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