Zwischen KMK und Corona - die Bildungsministerin im Interview - des VBE Rheinland-Pfalz
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Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020 Zeitschrift des Verbandes Bildung und Erziehung Rheinland-Pfalz 08.06.2020 / 71. Jahrgang Mehr Gerechtigkeit wa(a)gen. Damit Lehrer nicht sitzen bleiben. Zwischen KMK und Corona – die Bildungsministerin im Interview > Junger VBE: Rund um den Mutterschutz Teil 2 > Digitale Bildung: Wie Präsenz- und Fernunterricht gelingen können
Mitgliederservice Inhalt Editorial Leitartikel 3 Magazin 4 Die Sommerferien Aktuell 7 stehen vor der Tür – Thema Personalräte & Co. 10 17 Zeit zum Junger VBE 18 Durchatmen Seniorinnen und Senioren 20 Fix- und Endpunkt eines jeden Schuljahres sind die Som- In eigener Sache 23 merferien, die – glücklicherweise unangetastet – vor der Tür stehen. Zeit zum Durchatmen, möge man meinen. Recht 25 Doch nicht zu tief. Und nur mit Mundschutz. Und in jedem Fall unter Berücksichtigung des Mindestabstands. Gut Infos & Technik 27 desinfiziert, versteht sich! Wir gratulieren 29 Ihnen brummt davon der Kopf? Uns auch. Daher der Appell: Digitale Bildung 31 Atmen Sie sorgenlos durch, entspannen Sie sich von den VBE-Bundesverband 34 letzten Wochen und denken Sie für ein paar Momente nicht an Corona, wenn Sie – vielleicht auch erst mal nur in Ge- Literatur für Lehrer/-innen 36 danken – am Strand liegen oder die höchsten Berggipfel Zum Schluss ... 38 erklimmen. Dann kann auch das nächste Schuljahr kom- men. Um es mit den Worten der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zu sagen: „Wir werden über diese Zeit kom- IMPRESSUM men. Wir müssen aber auch Perspektiven geben, Lösungen finden, die alltagstauglich sind.“ Nehmen wir sie beim Wort 8. Juni 2020, 71. Jahrgang und setzen wir auf die Politik, dass sie einen Fahrplan für Herausgeber: Verband Bildung und Erziehung (VBE), Landes- die Zeit nach den Sommerferien erstellt. verband Rheinland-Pfalz, Adam-Karrillon-Str. 62, 55118 Mainz, Telefon: 0 61 31-61 64 22, Telefax: 61 64 25, info@vbe-rp.de Sollte er nicht fertig werden, dann vertrauen Sie auf Ihre Redaktion: Elisa Engert ele (Chefin vom Dienst), e.engert@ eigenen Fähigkeiten, die Sie bisher jahrelang gut durch vbe-rp.de, Dr. Markus Bachen mb (Veranstaltungen/Regio- nales), m.bachen@vbe-rp.de, Frank Handstein fh (Reportage/ Ihren Beruf gebracht haben und mit denen Sie auch zu- Recht), f.handstein@vbe-rp.de, Marlies Kulpe mkl (Bildungs- künftig für die Arbeit in der Schule gerüstet sein werden politik/Rubriken), m.kulpe@vbe-rp.de, Johannes Müller jm – egal wie außergewöhnlich die Umstände sein mögen. (Personalräte/Recht), j.mueller@vbe-rp.de, Klaus Schmidt kfs (Reportage/Berufspolitik/Zum Schluss), k.schmidt@vbe-rp.de Ihre RpS-Redaktion Verlag: VBE Bildungs-Service GmbH, Adam-Karrillon-Str. 62, 55118 Mainz Liebe Kolleginnen und Kollegen, Fotos/Grafik: Fotostudio Roeder: Titel, S. 3, 4, 5, 6, 10, 12, 13, 14, 17, 25, VBE Verlag: 7, Verlag dup-de Gruyter: 7, Georg Be- nek: 15, VBE-Archiv: 16, 19, 24, 40, Silke Leicht: 20, Fabio Pria- Irren ist menschlich – vor allem, wenn um uns herum no: 31, 32, 33, SMART Technologies: 33, Gerstenberg: 36, Klett der Ausnahmezustand herrscht. Leider ist uns bei der Kinderbuch: 36, 37, Moritz Verlag: 37. Produktion des Terminers für das Schuljahr 2020/21 (sowohl A2 als auch A3) ein Fehler unterlaufen. Die RpS erscheint zehnmal im Jahr. Für VBE-Mitglieder ist der ezugspreis durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Nicht B mitglieder bestellen beim Verlag zum Preis von 4,80 Euro viertel- Bitte beachten Sie bei Ihrer Planung, dass die jährlich einschließlich Vermittlungsgebühren. Pfingstferien vom 25. Mai bis 2. Juni 2021 dauern und am 3. Juni 2021 Fronleichnam als gesetzlicher Feier- Redaktionsschluss: 08.07.2020 für Heft 8-2020 tag zu berücksichtigen ist. Den Inhalt namentlich gezeichneter Artikel verantworten deren Verfasser. Nachdruck ist nur mit Zustimmung der Redaktion Wir bitten diesen Fehler vielmals zu entschuldigen! Für und Quellenangabe zulässig. Für unverlangt eingesandte alle, die den Terminer käuflich erwerben, bieten wir Manuskripte besteht keine Gewähr. einen Preisnachlass an – einen Neudruck vermeiden Gesamtherstellung, Anzeigenverwaltung: Wilke Mediengruppe wir aus Rücksicht auf unsere Umwelt. GmbH, Oberallener Weg 1, 59069 Hamm, E-Mail: info@ wilke-mediengruppe.de Wir hoffen auf Ihr Verständnis und wünschen Ihnen ISSN: 1869 3717 alles Gute für das kommende Schuljahr! Die nächste RpS erscheint am 10. August 2020. Bleiben Sie gesund! Ihre VBE Bildungs-Service GmbH 2 Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020
Corona als Weckruf – Leitartikel was in der Bildungspolitik besser werden muss Die Corona-Krise bestimmt derzeit unseren Alltag in allen Im Nachteil sind auch die Lehrkräfte in Teilzeit: Nicht Lebensbereichen – sie hält uns aber auch den Spiegel vor s elten als Klassenleitung eingesetzt, investieren sie in und zeigt auf, was in unserem Bildungssystem schief Zeiten von Homeschooling genauso viel Zeit wie ihre Voll- läuft. Es gilt jetzt, endlich der Wahrheit ins Gesicht zu zeit-Kolleginnen und -Kollegen. Die Mehrfach- blicken, die Baustellen anzupacken und unsere Schulen belastung einfach halbieren? Auf Telefonate mit für die Zukunft zu rüsten! Eltern und Kindern verzichten? Ein Erklärvideo auf das halbe Pensum kürzen? Undenkbar. Die Corona ist – bildungspolitisch gesehen – in erster Linie von uns geforderten Entlastungsstunden für ein Offenbarungseid für die schleppende Digitalisierung. Teilzeitlehrkräfte in Klassenleitung? Scheinbar Selbst über die Landesgrenzen hinaus zeigen sich die ebenso undenkbar … D efizite. Aus purer Verzweiflung wurde sogar daten- schutzrechtlich fragwürdige Software wie WhatsApp oder Den politisch Verantwortlichen fehlt schlicht die Skype zeitweise zur Kommunikation zwischen Lehrkräf- Praxiserfahrung – ebenso aber auch der Mut, ten, Eltern und Schülerinnen und Schülern erlaubt – in Praxisexpertinnen und -experten mit ins Boot Ermangelung einer zeitgemäßen Ausstattung. Inzwi- zu holen. Oder warum verzweifeln derzeit so schen wird den Kolleginnen und Kollegen zwar eine viele Schulleitungen an der Umsetzung des sichere Software für Videokonferenzen zur Verfügung H ygieneplans, der an der Praxis vorbei gestellt, das allein ist aber nur ein Bruchteil, um der digi- geschrieben wurde? Die Schulleitungen geben Lars Lamowski talen Rückständigkeit entgegenzuwirken. Der Landes derzeit ihr Bestes, alle Vorgaben umzusetzen – regierung fehlt der Mut, sich zu entscheiden – und zwar auch wenn diese sich ständig ändern –, und rei- für eine landeseinheitliche digitale Grundausstattung, ben sich beim Versuch auf, noch sämtlichen Erwartungs- einen Mindeststandard für alle Schulen – weg von zeit- haltungen gleichzeitig gerecht zu werden. Was ergibt es für fressenden individuellen Konzepten der Schulen und einen Sinn, wenn Schülerinnen und Schüler in überfüllten Schulträger, die bei Antragstellung vorliegen sollen. Bussen zur Schule fahren, sie aber in den Klassenräumen Das würde die Ausstattung wesentlich beschleunigen, den Abstand von anderthalb Metern einhalten müssen? viel Geld sparen und auch den Support sowie den Daten- Der Hinweis, bei überfüllten Notgruppen die überzähligen schutz zentral steuerbar sicherstellen. Kinder einfach in die Klassen des gerade stattfindenden Präsenzunterrichts zu stecken, widerspricht komplett der Abseits der Digitalisierung hat sich gezeigt, dass die Forderung, eine Durchmischung der Schülergruppen zu Grundhaltung der politisch Verantwortlichen gegenüber verhindern. Ein Anruf in einer Schule hätte genügt, um die den Lehrkräften nicht stimmt: Erst auf massiven Druck Probleme zu benennen und gemeinsam Lösungen zu des VBE kam das Land seiner Arbeitsschutzverpflichtung finden. Der direkte Draht zu den Praktikern vor Ort muss nach und stellte schließlich auch den Lehrkräften zukünftig zur Selbstverständlichkeit werden. Mund-Nasen-Masken. Dabei ist die Versorgung mit Masken nur eine traurige Metapher dafür, dass Lehrkräfte Die Kolleginnen und Kollegen haben mit der jetzigen schon vor Corona völlig unzureichend ausgestattet U msetzung des Hygieneplans ihre Belastungsgrenze wurden: Der Computer als täglich genutztes Werkzeug, komplett überschritten. Das Nebeneinander von Präsenz- um Unterricht vor- und nachzubereiten, Zeugnisse zu und Fernunterricht bei parallelem Einsatz in Notgruppen schreiben, Gespräche zu protokollieren usw., ist bis heute und massiv erhöhter Aufsichtsverpflichtung ist vielleicht Privatsache. Das Land verlässt sich auf die private noch bis zu den Sommerferien zu stemmen, danach nicht Anschaffung der Arbeitsgeräte – und nimmt in Kauf, dass mehr! Das Bildungsministerium muss jetzt eine klare Per- der so hoch gehängte Datenschutz nicht eingehalten spektive liefern: unangetastete Sommerferien, keinen wird. Es ist an der Zeit, alle Lehrkräfte technisch so aus weiteren Einsatz der Lehrkräfte in der Notbetreuung – zustatten, dass sie ihren Beruf professionell ausüben und nicht zuletzt ein durchdachtes Konzept und Strate können. Was nützen Milliarden, um Schülerinnen und gien für das neue Schuljahr 2020/21! Der VBE bleibt dran Schüler mit Computern auszustatten, wenn die Lehrkräfte – mit Biss! hinterherhinken?! Lars Lamowski stellv. Landesvorsitzender Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020 3
Schulen bemängeln digitale Ausstattung: „Noch im Mittelalter“ Magazin Nach den Erfahrungen mit Fernunterricht in der Corona- gogischen Landesinstituts, Birgit Pikowsky. Oft hätten sie Krise haben die Schulleitungen in einer Umfrage des nur über Handytarife mit begrenzter Datenmenge Zugriff rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums zusätzlichen auf das Internet. Bedarf für die digitale Infrastruktur angemeldet. Die Aus- stattung der Schulen lasse noch zu wünschen übrig, sag- „Wir werden weiterhin die Rahmenbedingungen für te Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) Mitte Mai in igitales Lernen verbessern“, kündigte Hubig an. Rund d Mainz zu Ergebnissen einer Befragung von mehr als 1.200 38.000 mobile Computer würden jetzt aus Landesmitteln Schulleitungen in Rheinland-Pfalz. Der Leiter der Integ- zur Ausleihe für Schülerinnen und Schüler bereitgestellt, rierten Gesamtschule Mainz-Bretzenheim, Roland die zu Hause keine Endgeräte hätten. Hinzu kommen nach Wollowski, sagte: „Wir sind noch im Mittelalter, da geht Angaben der Ministerin weitere Computer, die über die digital herzlich wenig. Der Netzwerkausbau ist immer kommunalen Schulträger bereitgestellt und mit Mitteln noch in der Planung.“ Die Umfrage habe gezeigt, dass des Bundes finanziert werden – bundesweit sind dafür Schülerinnen und Schüler bezüglich digitaler Endgeräte 500 Millionen Euro angekündigt. schlecht ausgestattet seien, sagte die Leiterin des Päda- dpa/RED Fernunterricht in der Coronakrise erreicht etliche Schüler nicht In der Coronakrise konnten viele Schülerinnen und Schüler Bei den Kommunikationsmedien setzen die Schulen vor in Deutschland digital nicht erreicht werden. Das ist das allen noch auf die E-Mail (66 Prozent), gefolgt vom Ergebnis einer Auswertung des „Schul-Barometers“, die Mobiltelefon (Anruf oder Nachricht), Website der Schule und Anfang Mai vom Institut für Bildungsmanagement und Bil- Online-Plattformen wie Moodle. Im Rahmen der Studie dungsökonomie der Pädagogischen Hochschule Zug in der wurden mehr als 7.000 Menschen aus dem Schulbetrieb Schweiz veröffentlicht wurde. Nur etwas mehr als die Hälf- – darunter 655 Schulleiter – aus Deutschland, Österreich te der befragten Schulmitarbeiter gaben an, quasi alle und der Schweiz befragt. Unter den drei Nachbarländern Schülerinnen und Schüler erreicht zu haben. 14 Prozent schneidet Deutschland bei der technischen Ausstattung der Schulmitarbeiter gaben an, dass immerhin zehn Pro- der Schule am schlechtesten ab. 56 Prozent der befrag- zent der Kinder und Jugendlichen nicht über das Internet ten Schulmitarbeiter aus der Bundesrepublik glauben erreichbar gewesen seien. Zwölf Prozent meinten, dass 15 nicht, dass die technischen Kapazitäten an der Schule für bis 20 Prozent digital nicht kontaktierbar waren. 14 Pro- webbasierte Lehr- und Lernformate ausreichen. Nur zent erklärten, dass 25 bis 50 Prozent digital nicht ange- 24 Prozent meinen, dass die Voraussetzungen erfüllt sprochen werden konnten. Bei acht Prozent der Befragten sind. In den beiden Alpenstaaten liegt der Anteil deutlich war die Erreichbarkeit besonders schlecht. Hier konnte höher (Österreich 54 Prozent, Schweiz 57 Prozent). zu 50 und 100 Prozent kein digitaler Kommunikationsweg zu den Schülerinnen und Schülern aufgebaut werden. dpa/RED 4 Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020
Gericht: Lehrerin muss auch ohne ausgefeilten Hygieneplan zurück Magazin Rubrik Eine Grundschullehrerin aus Hessen muss einer Die Kammer sah das anders: Die betreffende Schule habe G erichtsentscheidung zufolge auch ohne einen aus sehr wohl Vorkehrungen getroffen, „um eine Gefährdung gefeilten Hygieneplan an ihre Schule zurückkehren. Das der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte hinrei- Frankfurter Verwaltungsgericht lehnte ihr sogenanntes chend zu minimieren“. Es handelt sich zwar um eine Einzel- Eilrechtsschutzbegehren ab. Die Entscheidung der für fallentscheidung, dürfte aber bundesweit in ähnlichen Fällen Beamtenrecht zuständigen Kammer wurde am Mittwoch Beachtung finden. Dem Gericht zufolge kann die Antragstel- zugestellt. Die verbeamtete Lehrerin wollte verhindern, lerin nicht erwarten, „mit einem bis ins Letzte ausgefeilten dass sie zum Präsenzunterricht herangezogen wird. Sie Hygieneplan eine Null-Risiko-Situation in der Schule anzu- argumentierte, Land und Schulamt hätten bisher keinen treffen“. Sie kann gegen den Beschluss noch Beschwerde hinreichenden Hygieneplan und kein hinreichendes beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen. A rbeitsschutzkonzept vorgelegt. (Aktenzeichen 9 L 1127/20.F) dpa/RED Lehrerverband: Schichtbetrieb bis weit ins nächste Schuljahr Der Deutsche Lehrerverband rechnet damit, dass in Seit Ende April läuft der Schulbetrieb unter strengen Deutschlands Schulen auch noch lange nach den Som- ygienevorgaben wieder an. Meidinger sprach von einer H merferien nur Unterricht im Schichtbetrieb möglich sein „Riesenherausforderung“, die noch größer werde, wenn wird. Zwar habe man die Ferien, um sich organisatorisch alle Schüler wieder zurück seien. Der Verbandschef besser aufzustellen, sagte Verbandspräsident Heinz- schätzt, dass ein Viertel der rund elf Millionen Schüler Peter Meidinger im Sender ntv. Den Schichtbetrieb größere Probleme bekommen könnten. Dabei handele es zwischen Präsenzunterricht an der Schule und Lernen zu sich um Kinder an Förderschulen oder solche, die Hause werde man aber mit Sicherheit auch im nächsten schlecht Deutsch sprechen oder keine Unterstützung der Schuljahr noch haben – „solange die Abstandsregeln Eltern haben. gelten müssen, und die werden ja gelten müssen, bis ein Impfstoff da ist. Das kann sich noch weit ins nächste dpa/RED Schuljahr hineinziehen.“ Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020 5
Ökonomen fordern Plan für langfristiges Vorgehen in Schulen und Kitas Magazin Fast 100 Wirtschaftswissenschaftler haben in einem Auf- issenschaftler und Experten verschiedener Wirtschafts- W ruf konkrete Planungen für das weitere Vorgehen in forschungsinstitute und Hochschulen. Schulen und Kitas bis ins nächste Schuljahr hinein gefor- dert. Wegen der monatelangen Schließungen würden Die Experten warnen davor, dass durch Bildungsbrüche auch dann noch nicht alle Vorgaben der normalen Lehr- wegen der monatelangen Schließungen für die Betroffe- pläne erfüllbar sein, heißt es in dem Papier unter dem nen das Risiko von Arbeitslosigkeit und Gehaltseinbußen Titel „Bildung ermöglichen!“, das am Dienstag veröffent- im späteren Leben steige, was auch zu Einbußen im Wirt- licht wurde. „Dementsprechend sollten die Lehrpläne schaftswachstum führe. In dem Papier fordern sie des- aller Fächer für das kommende Schuljahr einer kritischen halb „umfassende Maßnahmen (...), um frühkindliche Prüfung unterzogen und entsprechend systematisch aus- und schulische Bildung in Deutschland sofort in ange- gedünnt werden.“ Unterzeichnet haben den Aufruf passtem Format für alle Altersgruppen anzubieten“. Allen Schülern müsse zu Hause das Lernen mit entsprechender technischer Ausstattung und fachlicher Unterstützung ermöglicht werden. Wo das nicht gehe, müsse es eine „Notbeschulung“ geben. Lehrkräfte sollten zudem mit Blick auf digitalen Unterricht schnellstmöglich geschult werden. Für Kita-Kinder fordern die Wissenschaftler zunächst „ altersgerechtes Fördermaterial“ zum Vorlesen, Malen und Spielen und regelmäßige Kontakte zwischen Eltern, Kindern und Erziehern über Videoanrufe oder Telefonate. Im nächsten Schritt müsse dann umgehend der Besuch von Kitas und Schulen allen Kindern und Jugendlichen zumindest zeitweise wieder ermöglicht werden. dpa/RED Kinderärzte: Schulen und Kitas schneller öffnen Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat vor „Seit Mitte März sind Millionen von Kindern von sozialen den Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel und den Kontakten ausgesperrt. Da muss man doch den Beweis Ministerpräsidenten mehr Tempo bei der Kita- und Schul antreten, dass das notwendig und sinnvoll ist“, sagte öffnung gefordert. „Kitas und Grundschulen müssen – bei Fischbach. Inzwischen sei nachgewiesen, dass Kinder klugen Maßnahmen zum Infektionsschutz – schneller wie- deutlich seltener krank würden als Erwachsene. Bundes- der geöffnet werden“, sagte Präsident Thomas Fischbach familienministerin Franziska Giffey appellierte an die der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Das mag Lehrern und Bundesländer, sich auf einen Zeitplan zur Öffnung der Erziehern einiges abverlangen. Aber es ist allemal besser, Kitas zu einigen. „Ich hoffe, dass sich die Länder auf kon- als die Kinder in ihren vier Wänden verkümmern zu lassen. krete Zeitpunkte für die nächsten Stufen verständigen – Und das würde passieren.“ Kritik übte Fischbach an den die erweiterte Notbetreuung und auch den eingeschränk- bundesweit unterschiedlichen Regelungen: „Es streiten ten Regelbetrieb in den Kitas und in der Kindertages nicht nur die Länderchefs untereinander, auch jeder Land- pflege“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der rat und Bürgermeister bastelt sich eigene Regeln. Dadurch Funke Mediengruppe. verlieren wir wertvolle Zeit zum Schaden der Kinder und Jugendlichen und ohne jeden epidemiologischen Sinn.“ dpa/RED 6 Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020
Junge Muslime. Aktuell Erfolge in Kitas, Schulen und der Jugendhilfe Fragen zum Islam und zu Muslimen brennen vielen pädago- täglichen Berufsalltag mit jungen Muslim*innen erzielen gischen Fachkräften offensichtlich auf den Nägeln, auch, um können: Behindert oder fördert die Herkunft Erfolge? selbst nicht in kulturalistische und rassistische Fallen zu Welche Einstellungen haben muslimische Jugendliche zu tappen. Dennoch fragen sie sich täglich, wie „ihre“ jungen Religion und Demokratie? Welches Gottes- und Menschen- Muslim*innen ticken und inwieweit deren Religion, die bild haben sie? Gibt es in muslimischen Familien besondere Familie, die Peers, das Internet, die islamischen Vereine und Erziehungsziele? Was passiert in Koranschulen? Kennt der Verbände, Strömungen innerhalb des Islam sowie Erfahrun- Islam Sorgerecht und Sorgepflicht für Kinder? Gibt es gen von Ablehnung ihr Verhalten prägen. muslimische Frauenrechts- und Reformbewegungen, die Verhalten beeinflussen? Wie funktioniert der Cyber-Islam? Alle, die täglich mit Muslimen und Muslimas arbeiten, wollen Welche Haltungen nimmt der Islam zu „modernen“ Themen in ihrem Berufsalltag und mit ihnen gut klarkommen. Denn wie Umweltschutz, Medizinethik und Kapitalismuskritik ein? diese Kinder und Jugendlichen sind keine wandelnden Sind interreligiöse Projekte zielführend? Sind Pop-Muslime Korane, sie legen vielmehr Wert darauf, in ihrer vielschich schlafende Dschihadisten? tigen Identität und nicht nur mit ihrem Religionsmerkmal wahrgenommen und respektiert zu werden – auch wenn dieses oft dominant positioniert wird. Muslimische Kinder und Jugendliche oder deren Eltern wol- len ihre Religionsrechte auch in Bildungseinrichtungen durchsetzen. Das ist ihr gutes Recht. Die hiermit verbunde- nen Wahrnehmungen Dritter verstärken aber nicht selten Grenzziehungen. Die können jedoch durch Kenntnisse über- einander sowie Informationen über religiöse Hintergründe überwunden werden. Ohne Versuche aller, über Hürden zu springen, Unkenntnis zu überwinden, Grenzen einzureißen und neue Wege zu gehen, gelingt kein Miteinander. Das ist für Erfolge allerdings unverzichtbar, auch in Kitas, Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe. Und genau hierum geht es: sich im Bildungsbereich Heraus- forderungen durch „den anderen“ und „das Fremde“ zu Alle Anregungen, Antworten, Tipps und Konfliktlösungen stellen, deren vielfältige Lebenswelten kennenzulernen, sind in zwei Bücher eingemündet, die unverzichtbar für die miteinander zu reden und aufeinander zu hören. Das Wich- Praxis und für Praktiker in Kitas, Schulen und der Jugend tigste: Wer Unbekanntem, Nichtgeläufigem ausweicht und hilfe sind. Auch wenn die Bücher in unterschiedlichen Verla- Konflikte zu vermeiden sucht oder ihre Lösung auf die lange gen erschienen und unterschiedlich teuer sind, ergänzen sie Bank schiebt, verschärft sie. einander in vielerlei Hinsicht, weil die alltäglichen Fragen sowie Konflikte häufig eng miteinander verzahnt sind. Weil sich Pädagog*innen, die in Kitas, Schulen und Einrich- tungen der Jugendhilfe arbeiten, diesen Aufgaben stellen Dr. Klaus Spenlen, Erziehungs- und Sozialwissenschaftler; wollen, haben sie mir deshalb über Jahre zahllose Fragen tätig als Islam- und Migrationsforscher an der Heinrich- zum Islam, zur Glaubenspraxis und zu Konflikten, die sich Heine-Universität – HHU – Düsseldorf. hieraus ergeben können, gestellt. Per E-Mail, in Fortbil dungen, bei Vorträgen. Mein Ziel war es, Puzzleteile und Sondieren, abwägen, handeln – Schule und Islam: Sozialisationsfaktoren über das, was Pädagog*innen VBE-Verlag, Dortmund 2019, 9,70 €. beschäftigt und „den“ Islam und Muslim*innen betrifft, zusammenzutragen. Wie ticken junge Muslime? Verlag dup / De Gruyter, Berlin 2019, 29,95 €. Herausgekommen sind Lösungen für Konflikte sowie belast- bare Antworten auf Fragen, wie Pädagog*innen Erfolge im Klaus Spenlen/RED Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020 7
INKLUSIVA Aktuell findet digital statt Die für den 10. und 11. September an der Johannes ten. Hier sehen wir große Chancen für das Thema“, ergänzt Gutenberg-Universität Mainz geplante INKLUSIVA 2020, die Stephan Heym, Geschäftsführer des ZsL Mainz. „Wir 3. Inklusionsmesse Rheinland-Pfalz, findet aufgrund der arbeiten auf Hochtouren an den technischen Umsetzungs- aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19- möglichkeiten, bei denen Datenschutz und Barrierefreiheit Pandemie nun digital statt. Dies teilten die beiden Veran- von vornherein mitgedacht und umgesetzt werden. Zudem stalter*innen, die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe legen wir großen Wert auf die Kooperation mit der Uni Behinderter Rheinland-Pfalz e. V. (LAG Selbsthilfe) und versität Mainz, da hier auch das Themenfeld der digitalen das Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter und barrierefreien Lehre leuchtturmartig mit aufgegriffen Menschen, Mainz e. V. (ZsL Mainz), nun mit. werden könnte.“ „Geplant ist, einige Vorträge über einen Livestream anzu- Ziel der INKLUSIVA ist es, das vielfältige Engagement im bieten, Webinare auszurichten und vorproduzierte Videos Feld der Inklusion sichtbar zu machen und so zu mehr auf einem gemeinsamen Online-Auftritt zu veröffentlichen. Bewusstsein und dem gemeinsamen Miteinander von Men- Dabei soll die Beteiligung von interessierten Zuschauerin- schen mit und ohne Behinderungen beizutragen. So arbei- nen und Zuschauern nicht zu kurz kommen. So wird es die tet die INKLUSIVA mit guten Beispielen und Vorzeige Möglichkeit des direkten digitalen Austauschs geben. projekten – immer vor dem Hintergrund, Lösungen für un- Initiativen, Organisationen und öffentliche Stellen haben terschiedliche gesellschaftliche Bereiche deutlich zu darüber hinaus die Möglichkeit, ihre inklusiven Projekte und machen und so voneinander zu lernen. Die INKLUSIVA Aktivitäten online zu präsentieren und über einen Videochat findet alle zwei Jahre statt. Das Angebot ist kostenlos. mit den anderen Teilnehmenden in den Dialog zu gelan- gen“, berichtet die Projektleitung Judith Kunz. An der diesjährigen digitalen INKLUSIVA kann über folgen- den Link teilgenommen werden: www.inklusiva.info „Die aktuelle Corona-Situation zeigt uns, wie wichtig es ist, digitale Angebote für alle nutzbar und barrierefrei zu gestal- inklusiva/RED Bedeutung und Beitrag der Berufsbildung in der Corona-Krise Beschäftigte mit einer beruflichen Qualifikation tragen in er- ihnen gebührt – und dies nicht nur in Krisenzeiten. Die der- heblichem Umfang zur Systemerhaltung der Volkswirtschaft zeitige Diskussion über Sonderzahlungen und eine lang in Deutschland und zur Sicherung elementarer Grund fristig bessere Entlohnung geht in die richtige Richtung.“ bedürfnisse bei. Dies belegt nach Auffassung von Präsident Friedrich Hubert Esser eine aktuelle Veröffentlichung des In Krisen wie der aktuellen Corona-Pandemie, aber auch bei Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). „Die berufliche Natur- und technischen Katastrophen oder dem Ausfall Bildung bildet das Rückgrat der Wirtschaft und der Versor- lebensnotwendiger Systeme, soll die Arbeit in sogenannten gung der Bevölkerung. Gerade die in der Berufsbildung ver- systemrelevanten Berufen sichergestellt werden. Nach mittelten Qualifikationen und Kompetenzen tragen mit dazu Berechnungen des BIBB auf Datenbasis des Mikrozensus bei, überlebenswichtige Bereiche der Volkswirtschaft zu von 2015 arbeiten etwa 8 Millionen Menschen in solchen sichern. Jedoch brauchen wir Berufe, die helfen und Struk- systemrelevanten und infrastrukturkritischen Berufen und turen erhalten, nicht nur in der Krise. Alle Akteure der beruf- Branchen. lichen Bildung sind aufgefordert, diese Berufe künftig noch attraktiver und anerkannter zu machen und ihnen die Dazu gehören zum Beispiel Berufe im Energie-, Wasser- und gesellschaftliche Anerkennung zukommen zu lassen, die Entsorgungssektor, in der Ernährung und Hygiene, in der 8 Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020
I nformationstechnik und Telekommunikation, im Gesund- Auf der Website www.bibb.de hat das Bundesinstitut für heits-, Finanz- und Wirtschaftssektor, im Transport- und Ver- erufsbildung außerdem eine Themenseite über die mög B kehrsbereich, in den Medien, in der staatlichen Verwaltung lichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die beruf Aktuell sowie in Schulen und der Kinder-, Jugend- und Behinderten- liche Bildung sowie die Arbeits- und Ausbildungsmarkt hilfe. Insgesamt wird die Hauptlast der systemrelevanten entwicklung erstellt. Tätigkeiten von beruflich Qualifizierten getragen. BiBB/RED Handlungsempfehlungen für die Bildungspolitik: GI startet „Offensive Digitale Schultransformation “ Gemeinsam mit einem breiten Netzwerk aus Wissenschaft, den Bildungsauftrag der Schulen umzusetzen. Doch zeigt Zivilgesellschaft und Wirtschaft hat die Gesellschaft für die aktuelle Situation auch, dass die Bildungsrepublik Informatik e. V. (GI) die „Offensive Digitale Schultransforma- Deutschland die digitale Transformation ihrer Schulen tion“ ins Leben gerufen und fordert die Bildungspolitik in sträflich vernachlässigt hat. Spätestens jetzt sollte allen klar der Corona-Krise zum Handeln auf. sein: Es braucht mehr Anstrengungen seitens der Politik und konkrete Maßnahmen, um diesen Rückstand aufzu Vor dem Hintergrund der Corona-Krise hat die Gesellschaft holen. Dazu gehört unter anderem die verpflichtende für Informatik gemeinsam mit dem Bitkom, dem eco Ver- informatische und digitale Grundbildung in der Breite der band der Internetwirtschaft, dem Deutschen Lehrerverband Lehrkräfteaus- und -weiterbildung, verpflichtender Infor sowie zahlreichen weiteren Partnerinnen und Partnern die matikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler und mehr „Offensive Digitale Schultransformation“ (#OdigS) gestar- IT-Fachpersonal für die Schulen, das digitale Infrastrukturen tet. Mit ihr wollen die beteiligten Organisationen aus Wis- aufbauen und dauerhaft pflegen kann.“ senschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einen konstruk- tiven Beitrag zur aktuellen Diskussion um „digitale“ Bil- Mit der Offensive nehmen sich die Initiatoren vor, nicht nur dungspolitik leisten. Im Rahmen der Initiative haben kurzfristige Antworten auf die Krise zu entwickeln, sondern unterschiedliche Bildungsexpertinnen und -experten sieben mittel- und langfristige Impulse für eine sinnvolle digitale konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik formuliert, Schultransformation zu setzen, die dazu beiträgt, Schülerin- um zentrale Herausforderungen und offensichtlich gewor- nen und Schüler zu mündigen Gestalterinnen und Gestal- dene Schwächen des aktuellen Bildungswesens zu adres- tern einer zunehmend automatisierten, vernetzten und sieren. digitalen Lebenswelt zu machen. Prof. Dr. Hannes Federrath, Präsident der Gesellschaft für Die Initiatoren laden weitere Organisationen und ge Informatik und Mitinitiator der Initiative: „Die Corona-Krise sellschaftliche Akteure dazu ein, sich der Offensive ist ein nun seit zwei Monaten andauernder Stresstest für anzuschließen und sie unter www.offensive-digitale- das deutsche Bildungssystem. Dabei kehrt er das Beste schultransformation.de mitzuzeichnen. hervor, was es zu bieten hat: engagierte Lehrkräfte und Eltern, die auch unter widrigsten Bedingungen versuchen, Gesellschaft für Informatik/RED Nut daf zen Sie beq ü ue r gan der m Seit z akt e 23 A ue Sind Ihre Mitgliedsdaten noch aktuell? einf usgabe llen ac – tre h he zur nnen raus- Haben Sie eine Beförderung bekommen? Haben Sie auf eine Teilzeitstelle gewechselt? Sind Sie momentan ück u schi nd in Elternzeit – oder in Pension gegangen? Dann denken Sie bitte daran, uns diese Veränderungen mitzuteilen. cke Denn alle Mitglieder des VBE Rheinland-Pfalz, deren Beschäftigungsumfang bei 75 Prozent oder weniger n! liegt, profitieren von vergünstigten Mitgliedsbeiträgen. Umgekehrt sind alle, die auf eine volle Stelle oder in eine höhere Besoldungsgruppe gewechselt haben, verpflichtet, den entsprechenden Beitrag zu zahlen. Das ist wichtig, denn: Nur bei korrekter Beitragszahlung haben Sie auch Anspruch auf die Leistungen des VBE Rheinland-Pfalz – allen voran den Versicherungsschutz! Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020 9
Thema Gefühlt haben wir erst gestern ein Interview mit der rheinland-pfälzischen Ministerin für Bildung, Dr. Stefanie Hubig, geführt. Tatsächlich liegt es aber auch schon wieder anderthalb Jahre zurück – höchste Zeit also, noch einmal nachzuhaken, wie es aktuell um die Bildungspolitik bestellt ist. Auch hier dominiert das Coronavirus: Nicht nur thematisch, sondern auch organisa torisch mussten wir uns dem Virus und seinen Auswirkungen geschlagen geben. Auf- grund der Kontaktbeschränkungen konnten wir die Fragen leider nicht persönlich stel- len. Für die Beantwortung der Fragen bedankt sich die RpS-Redaktion sehr herzlich und freut sich auf den persönlichen Austausch, sobald er wieder möglich ist! RED Die Bildungsministerin im Interview Die Corona-Pandemie hat die Welt, Deutschland, aber Tage die Server so hochgefahren, dass die anfänglichen auch die Schulen des Landes völlig unvorbereitet ge- Probleme mit den immensen Zugriffszahlen ausgeräumt troffen. Da ist klar, dass es vorab keine Blaupausen gab, werden konnten. wie mit dieser Situation umgegangen werden muss/ kann. Sie nehmen sicherlich eine Evaluation der getrof- Weil die Frage nach der digitalen Ausstattung in diesen fenen Maßnahmen vor – welche Aspekte sehen Sie als Tagen auch eine Frage der Bildungsgerechtigkeit ist, gelungen, welche als verbesserungswürdig an, wenn haben wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzen Sie auf die letzten Wochen zurückblicken? verbänden 25.000 Laptops und 12.000 Tablets bereit gestellt, die an Schülerinnen und Schüler ohne digitale Das, was wir in den vergangenen Wochen erlebt haben, Endgeräte ausgeliehen werden können. war ein echter Stresstest für die gesamte Schulgemein- schaft. Und ich bin ehrlich gesagt sehr froh, mit wie viel Darüber hinaus habe ich mich als KMK-Präsidentin dafür Engagement und Kreativität unsere Schulen und unsere stark gemacht, dass wir Länder 100 Millionen Euro kurz- Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Eltern und die fristig aus dem Digitalpakt für das digitale Lernen und Schülerinnen und Schüler die Zeit der Schulschließungen Lehren zur Verfügung gestellt bekommen. Das war ein angegangen sind. wichtiger Schritt. Der Bund hat jetzt noch einmal 500 wei- tere Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die wir für Mit Blick auf die vergangenen Wochen haben wir gemein- digitale Endgeräte nutzen können. Dafür werden wir un- sam mit dem Pädagogischen Landesinstitut eine Befra- ter anderem Geräte anschaffen, die wir an Schülerinnen gung unter Schulleitungen gemacht. Weil wir – mit Blick und Schüler ausleihen können. auf diese völlig neue Situation – auch Schlüsse für die Zukunft ziehen wollen. Wenn Corona ein Gutes hat, dann Noch lässt uns das Coronavirus nicht los – führt uns sicher, dass wir einen enormen Schub in der Digitalisie- letztlich aber auch vor Augen, wo es in Schulen hakt. rung unserer Schulen erleben. Auch diejenigen, die Zum Beispiel an den Schulbaurichtlinien oder auch den bisher eher verhalten waren, haben sich auf den Weg Hygienemaßnahmen. Welche Konsequenzen ziehen Sie gemacht und das ist sehr gut so. diesbezüglich aus Corona? Wie möchten Sie die Hygiene an Schulen verbessern? Und vor allem: Wie bringen Sie Gefühlt mussten von heute auf morgen viele Lehrkräfte die Schulträger dazu, in die erforderlichen Maßnahmen sowie Kinder und Jugendliche auf digitales Lehren und wie Desinfektionsmittel und Schutzmasken zu inves Lernen umstellen. Abseits von überlasteten Servern, die tieren? das immense Telefon- und Videokonferenzaufkommen ebenfalls unerwartet traf, traten Baustellen zutage, die Das Land, die Schulträger, die Schulaufsicht und alle an im Zuge der Digitalisierung angegangen werden Schule Beteiligten arbeiten seit Wochen sehr gut zusam- müssen. Welche Verbesserungen streben Sie hier an men – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes tagtäg- und wie lassen diese sich unter Nutzung der Mittel aus lich. Wir finden gemeinsam Lösungen für Themen, die für dem Digitalpakt stemmen? alle neu sind. Der Landkreistag hat uns beispielsweise mit Blick auf die Schüler um eine Lösung für die Masken- Unsere Systeme waren nie dafür ausgelegt, den Unter- pflicht in Schulbussen gebeten. In der Folge haben wir richt zu ersetzen. Aber in genau diese Situation kamen 150.000 Einwegmasken bereitgestellt, die die Busfahrer wir Mitte März. Die Zugriffszahlen hatten sich binnen an Schüler ausgeben können, die ihre Maske vergessen kurzer Zeit verzwanzigfacht. Das Pädagogische Landes haben. Wir stimmen uns engmaschig ab und wir sehen institut, das für Systeme wie Moodle oder die Schulbox uns als Verantwortungsgemeinschaft. Dazu gehört Kritik, zuständig ist, hat schnell reagiert und innerhalb weniger aber auch Augenmaß und Verantwortung. Und ich will es Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020 11
an dieser Stelle auch einmal ganz deutlich sagen: Man Auch in der Zwischenzeit ermöglicht die aktuelle Schul- kann mit Blick auf all die Menschen, die seit dem 16. März baurichtlinie im Bereich der Planung und Ausgestaltung in Kliniken, in Pflegeheimen oder aber in Sonderschich- der Räume sehr viel Flexibilität und modernes Bauen. Die ten im Supermarkt oder an der Kasse arbeiten, nicht allen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion berät die Schul- Ernstes behaupten, die Landesregierung gefährde Leib träger bei jedem Schulbauprojekt von der Planung bis hin und Leben der Lehrkräfte. zur Förderung umfassend. Wir gehen bei den Schulöffnungen in sehr verantwor- Viele unserer Mitglieder kontaktieren uns, weil sie oder tungsvollen Schritten vorwärts, kleinteilig und mit meh- ihre Angehörigen vorerkrankt sind bzw. zur Risiko reren Wochen Abstand und ganz viel Flexibilität vor Ort, gruppe gehören. Wie kommen Sie Ihrer Fürsorgepflicht sodass wir das Infektionsgeschehen im Blick behalten gegenüber besonders Gefährdeten / chronisch Kranken und der räumlichen und personellen Situation in der ein- nach? (Natürlich betrifft dies auch Schülerinnen und zelnen Schule gerecht werden können. Das tun wir in Schüler) direkter Abstimmung mit den Beteiligten. Der offene Brief des VBE war aus meiner Sicht da wenig hilfreich. Alle Lehrkräfte und alle Schülerinnen und Schüler, die vorerkrankt sind und zu den Risikogruppen gehören oder Die Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag eine mit Angehörigen aus Risikogruppen zusammenleben, längst überfällige Novellierung der Schulbaurichtlinien können von zu Hause aus arbeiten. Der Gesundheits- vorgenommen. Können die Schulen auf grundlegende schutz steht selbstverständlich an erster Stelle. Änderungen hoffen, sodass künftig die räumlichen Vor- aussetzungen zur Erfüllung des Bildungsauftrages Zwischen Corona und dem Alltagsgeschäft gibt es so gegeben sein werden? inige Punkte, über die sich Länder scheinbar nicht e einig werden können: Welche Vor- oder auch Nachteile Die Schulbaurichtlinie muss überarbeitet werden, keine sehen Sie als KMK-Präsidentin darin, das Kooperations- Frage. Denn: Schule hat sich verändert. Neben der Lern verbot eventuell wieder zu lösen, um einheitliche umgebung Schule muss durch die Ganztagsschule auch Entscheidungen herbeizuführen zu können? die Lebensumgebung Schule beim Bau mitgedacht und mitgeplant werden. Darüber hinaus gilt es, nachhaltig zu Die KMK arbeitet im Moment so eng zusammen wie bauen. Das werden wir umsetzen, aber es muss auch gut selten zuvor. Wir stimmen uns häufig mehrmals in der vorbereitet sein. Woche ab, und zwar auf allen Ebenen. Wir brauchen der- 12 Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020
Thema zeit einen Rahmen und eine gewisse Flexibilität für regio- tung unserer Demokratie und den Wert Europas deutlich nale Gegebenheiten. Diesem Umstand wird die KMK in zu machen. Mit unseren Richtlinien zur Europabildung im Sachen Corona gerecht. allgemein- wie berufsbildenden Bereich leisten wir dazu einen wichtigen Beitrag. Das gilt aber auch für viele weitere Themen abseits von Corona. Wir müssen das Rad nicht 16 Mal innerhalb der Bereits in unserem letzten gemeinsamen Interview im Länder neu erfinden, wir arbeiten deshalb an vielen Stellen Dezember 2018 war die Akademisierung der Gesell- zusammen und schaffen Synergien. Das empfinde ich als schaft Thema. Leider hat sich an diesem Trend nicht viel sehr bereichernd. verändert. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bil- Im Januar wurde Ihnen die Präsidentschaft der KMK dung voranzutreiben, nicht zuletzt um die Realschule übergeben – gut ein Drittel Ihrer Amtszeit ist inzwischen plus zu stärken, die ja auch Ihnen am Herzen liegt? vergangen. Was möchten Sie als Vorsitzende der KMK in Ihrer Amtszeit anstoßen? Welche Ziele haben Sie sich Wir haben mit unserer Informationskampagne zur Real- gesetzt? Welche bildungspolitischen Impulse möchten schule plus in den vergangenen Jahren die richtigen Im- Sie auf den Weg bringen? Welchen Einfluss auf Ihre pulse gesetzt. Die Schülerzahlen steigen dort, das ist Die Bildungsministerin im Interview Vorsätze hatte dabei die Corona-Krise? sehr gut. Auch der starke Akzent auf der Berufs- und Studienorientierung in Rheinland-Pfalz ist enorm hilf- In der aktuellen Situation ist unser rheinland-pfälzisches reich. Wir müssen unseren Jugendlichen die ganze Breite Motto „Europa (er-)leben und gestalten“ natürlich ein ihrer beruflichen Möglichkeiten aufzeigen, zum Beispiel wenig in den Hintergrund gerückt. Wir mussten uns um auch im Bereich MINT (Mathematik, Informatik, Natur- die Organisation des diesjährigen Abiturs kümmern, die wissenschaften und Technik). Das tun wir, aber wir sind Schulschließungen sowie zuletzt die schrittweisen Öff- noch lange nicht am Ziel. Ich werde mich weiter und bei nungen planen und die dazugehörigen Konzepte vor jeder Gelegenheit für die Gleichwertigkeit von beruflicher legen. Darüber hinaus gibt es Großthemen wie beispiels- und allgemeiner Bildung einsetzen. weise den Bildungsrat. Dennoch ist unser Motto aktueller denn je: Die Personenfreizügigkeit ist eingeschränkt, Ver- Erfreulicherweise schafft es Rheinland-Pfalz noch immer, schwörungstheorien kursieren und in Großstädten Planstellen mit gut ausgebildeten Lehrkräften zu beset- demonstrieren Menschen gegen die aktuellen Einschrän- zen. Doch auch das wird zunehmend schwieriger, insbe- kungen, Fernsehteams und Journalisten werden ange- sondere in ländlichen Regionen bzw. vor allem in den För- feindet. Deshalb ist es gerade in diesen Zeiten besonders derschulen des Landes. Im Norden von Rheinland-Pfalz wichtig, unseren Schülerinnen und Schülern die Bedeu- werden bis dato keine Förderschullehrkräfte ausgebildet. Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020 13
Die Regulierung kurzfristigen Ver- tretungsbedarfes ist ein Dauerthe- ma und Anlass heftiger Kritik unter- schiedlicher Gruppierungen, die die vorliegenden Daten aufgrund des Erhebungsverfahrens als unrealis- tisch und beschönigend bewerten. Werden Sie dennoch daran festhal- ten? Wir haben 41.000 Lehrkräfte und wir werden immer kurzfristigen Ver tretungsbedarf haben, den wir gut regulieren. Die Erhebung und die Darstellung unserer Daten sind transparent und sie entsprechen der Darstellungsweise der anderen Länder, die auch solche Daten über- haupt veröffentlichen. Die Redu zierung des Vertretungsbedarfs ist mir wichtig – genau wie die Be dingungen, unter denen Vertre tungslehrkräfte arbeiten. Mit der Durchbezahlung unserer Vertre- tungslehrkräfte in den Sommerferien haben wir hier einen großen Schritt gemacht. Eine heterogene Schülerklientel und ein hoher Anspruch an guten, differenzierten Unterricht stellen Lehrkräfte vor große Herausforde- rungen. Vielseitige Absprachen in Teams und an runden Tischen, Koope- rationen mit außerschulischen Ein- richtungen, aufwendige Dokumen- tationen und ein gestiegener Anteil an Erziehungsaufgaben und Eltern- beratung führen neben neu hinzu- gekommenen Aufgaben zu Arbeits- verdichtung. Multiprofessionelle Teams können Lehrkräfte entlasten und ihnen Zeit für ihr Kerngeschäft, das Unterrichten, verschaffen. Wel- Mit welchen Maßnahmen beabsichtigen Sie gegenzu che Möglichkeiten sehen Sie, Schulteams in dieser Wei- steuern? Welche Chancen sehen Sie, dass im Zuge der se auszubauen? Neustrukturierung der Universität Koblenz auch ein Lehr- stuhl für Sonderpädagogik eingerichtet wird? Schule steht vor vielfältigen Aufgaben und Herausforde- rungen und da sind Teams, die aus verschiedenen Profes- Es freut mich sehr, dass wir steigende Studierenden- und sionen bestehen, sicherlich die Zukunft. Genau deshalb Anwärterzahlen im Bereich Förderschullehramt haben. haben wir in den letzten Jahren die Mittel für die Schul Ein wichtiger Schritt in dieser Hinsicht war auch, dass wir sozialarbeit an allgemein- wie berufsbildenden Schulen zu Beginn des Jahres die Teildienststelle für das Studien- auf insgesamt 10 Millionen Euro aufgestockt. Darüber seminar in Wallertheim eingerichtet haben. In der Mitte hinaus gibt es den Unterstützungsfonds des Landes von des Landes fehlte bislang genau ein solcher Standort, an zehn Millionen Euro, über die die Kommunen unter ande- dem Förderschullehrkräfte ausgebildet werden. Darüber rem Integrationshelferinnen und -helfer und Schulsozial- hinaus machen wir mit unseren Vorabzusagen durch die arbeit finanzieren können, das sind also insgesamt ADD sehr gute Erfahrungen. Es gilt, die Lehrkräfte, die wir 20 Millionen Euro jedes Jahr. Und ich werde mich weiter gut ausgebildet haben, in unserem Land zu halten und für multiprofessionelle Teams einsetzen. noch deutlich mehr zu gewinnen. 14 Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020
Thema Die Anpassung der Schulsekretariatsstunden an den ge- tegie, die Durchbezahlung der Vertretungskräfte, die stiegenen Verwaltungsaufwand der Schulen, bedingt ita-Novelle, die Novelle des Schulgesetzes, das Pflege- K beispielsweise durch inklusiven Unterricht und den Aus- berufereformgesetz, der starke Ausbau der Schulsozial- bau von Ganztagsschulen, tut dringend not. Wie können arbeit an allgemein- und berufsbildenden Schulen, die Schulträger unterstützt werden? Unterrichtsversorgung, die wir jedes Jahr verbessert haben – die Reihe kann noch fortgesetzt werden. Nicht Wir haben unseren großen allgemeinbildenden Schulen zuletzt gehört auch der Vorsitz der Kultusminister zum neuen Schuljahr die Möglichkeit eröffnet, mehr Ver- konferenz dazu, den ich – auch wenn es gerade beson waltungskräfte einstellen zu können. Dafür geben sie dere Zeiten sind – sehr gerne innehabe. einen Teil ihrer Anrechnungsstunden ab. Dieses Modell wurde vorab mit sieben Schulen getestet und von den Dr. Stefanie Hubig wurde am 15. Dezember 1968 in Frankfurt am Schulleitungen für gut befunden. Ich bin sicher, dass das Main geboren. 2008 ging sie nach Mainz. Hier war die studierte der richtige Weg ist, um Entlastung zu schaffen. Juristin in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei als Referentin für die Koordinierung der Justizangelegenheiten des Landes sowie Ihr persönliches Fazit nach vier Jahren Amtszeit: Was für Verfassungsrecht zuständig. Ein Jahr später übernahm sie die konnten Sie in Ihrer Zeit als Bildungsministerin in Leitung der Abteilung Strafrecht im Ministerium der Justiz und für Die Bildungsministerin im Interview Rheinland-Pfalz voranbringen? Würden Sie dieses Amt Verbraucherschutz. 2014 folgte sie dem Ruf nach Berlin und arbei- mit Ihren Erfahrungen von heute erneut antreten? tete dort als Staatssekretärin und Amtschefin im Bundes Freuen Sie sich vielleicht sogar auf eine zweite Wahl ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. periode als Bildungsministerin? Am 18. Mai 2016 ernannte Ministerpräsidentin Malu Dreyer sie zur Bildungsministerin zu sein ist keine einfache, aber eine Ministerin für Bildung. sehr schöne Aufgabe. Mir war und ist dabei sehr wichtig, dass wir die Herausforderungen, die sich der Schul Im Jahr 2020 übernahm Stefanie Hubig die Präsidentschaft der gemeinschaft stellen, gemeinsam mit der gesamten Kultusministerkonferenz mit den Worten: „Bildungspolitik ist Schulfamilie angehen und dabei kritisch, aber konstruktiv Zukunftspolitik und alle Länder stehen hier vor ähnlichen Heraus- und wertschätzend miteinander umgehen. Wir haben in forderungen. Der eingeschlagene Weg hin zu mehr Vergleich den vergangenen vier Jahren die Ziele des Koalitions barkeit und zur gemeinsamen Qualitätsentwicklung muss deshalb vertrags schon weitestgehend erfüllt und vieles zusätz- weitergehen. Daneben werde ich einen politischen Schwerpunkt lich auf den Weg gebracht und umgesetzt. Dazu gehören bei der Stärkung der Europabildung in Schule und Ausbildung unter anderem die Wechselprüfung II, die Stärkung der setzen. Wir brauchen mehr denn je viele laute Stimmen für ein Demokratiebildung und der Schülerrechte, die MINT-Stra- starkes, freies und friedliches Europa.“ Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020 15
Pädagogische Fachkräfte = Pädagogische Fachlehrer. Wir bringen Bildung in Bewegung PF als Fachlehrer in die EG 10. Pädagogische Fachkräfte im Schuldienst sind Lehrkräfte mit abgeschlossener und fachspezifischer Berufs- ausbildung. Wir fordern die Vergütungs- anpassung durch Angebote zur Aufstiegs- fortbildung sowie Anrechnungsstunden für pädagogische Fachkräfte in allen Schulformen. 16 Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020
Kleiner Leitfaden für neu gewählte Personalratsmitglieder Rubrik & Co. Anfang Personalräte „Aller ist (nicht) schwer!“ (Teil 33) Nachdem die Personalratswahlen ihren Abschluss gefun- Um diese Aufgaben pflichtgemäß durchführen zu kön- den haben, gibt es – vor allem für neu gewählte Personal- nen, ist der Personalrat „rechtzeitig, fortlaufend, umfas- räte – viele Fragen dazu, was so alles auf sie zukommt send und anhand der Unterlagen von der Schulleitung zu und wie die künftige Personalratsarbeit funktioniert. Im unterrichten“. Diese „Unterrichtung hat sich auf sämt Folgenden sollen nun in loser Reihenfolge wichtige liche Auswirkungen der von der Dienststelle (sprich B egriffe aus dem Landespersonalvertretungsgesetz Schule) erwogenen Maßnahmen auf die Beschäftigten zu (LPersVG), das ja die gesetzliche Grundlage bildet, erläu- erstrecken“, wie z. B. „auf die Folgen für Arbeitsplätze, tert werden. Die Redaktion würde sich freuen, wenn dies Arbeitsbedingungen, Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation auf Interesse stößt; noch offene Fragen werden gerne und Qualifikationsanforderungen. So heißt es im § 69 nach Möglichkeit beantwortet. des Landespersonalvertretungsrechts (LPersVG). Vor den Sommerferien gibt es für den Örtlichen Personal- rat (ÖPR) immer eine Menge zu tun. So sollte er auf jeden Fall ein Gespräch mit der Schulleitung vereinbaren, in dem es vor allem um die Situation der Schule zurzeit und im neuen Schuljahr geht. Angesichts der Coronakrise gibt es bestimmt erhöhten Fragebedarf. Wie hat der Schulbetrieb bis jetzt funktio- niert? Wie viele Kolleg/-innen stehen zurzeit und künftig für den Präsenzunterricht zur Verfügung? Gibt es Verän- derungen an der Unterrichtsorganisation? Gibt es genug Masken, ausreichend Desinfektionsmittel? Wie sieht die räumliche Situation aus? Ebenso steht auch der Personalbedarf insgesamt zur Dis- Auf Verlangen hat die Schulleitung die erwogene Maß- kussion. Gibt es Überhänge an der Schule, haben wir zu nahme mit dem Personalrat zu beraten.“ Festzustellen ist wenige Lehrkräfte? Kommen Lehrkräfte aus der Elternzeit also, dass die Schulleitung den Personalrat bereits im zurück? Wie sieht es mit den Vertretungslehrkräften aus? Vorfeld über sämtliche Maßnahmen, die eine Auswirkung Werden diese nahtlos verlängert oder müssen sie sich auf die Beschäftigten haben (z. B. Stundenplan, Vertre- arbeitslos melden? Kommen Lehramtsanwärter/-innen? tungsplan, Klassenverteilung, Baumaßnahmen, Arbeits- Gibt es dadurch Personalüberhänge? Wie entwickeln sich und Gesundheitsschutz), zu informieren und sich mit ihm die Schülerzahlen? Wie geht es mit der Ganztagsschule darüber zu besprechen hat. weiter? Festzustellen ist, dass die Schulleitung eine Informa Sie sollten als ÖPR klären, wer von Ihnen in den Sommer- tionspflicht gegenüber dem ÖPR besitzt. Es besteht eine ferien an den einzelnen Tagen zur Verfügung steht, um Bringschuld, die Schulleitung muss von sich aus tätig die ÖPR-Post in Empfang zu nehmen und zu sichten. Da werden. Je umfassender die Information läuft, desto es in den Schreiben der ADD bzw. BPR in der Regel um problemloser die Zusammenarbeit. Terminsachen (z. B. bei Versetzungen, Abordnungen) geht, kann die eingegangene Post nicht irgendwo gela- Bei Maßnahmen, die Auswirkungen auf die Kolleg/-in- gert werden. Es wäre schade, wenn durch Fristversäum- nen, z. B. bei Versetzungen, haben, ist der ÖPR frühzeitig nisse wegen nicht rechtzeitig eingesehener Post Mit einzubinden, nicht erst, wenn die Entscheidung unmittel- bestimmungsrechte verloren gehen könnten. bar bevorsteht. Falls Sie an einer PES- oder GTS-Schule als ÖPR tätig Vollzieht sich ein Entscheidungsprozess in mehreren sind, dann sind Sie an Ihrer Schule für diesen Personen- Etappen, z. B. bei baulichen Maßnahmen, so muss der kreis (Ausnahme sog. Honorarverträge) unmittelbar zu- ÖPR über jeden einzelnen Schritt informiert werden. ständig und entsprechend zu beteiligen. Zusammengestellt von Johannes Müller Rheinland-pfälzische Schule 06/07–2020 17
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