Örtlich begrenzter Prostatakrebs - Ein Ratgeber für Betroffene - Krebsinformationsdienst

 
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Örtlich begrenzter Prostatakrebs - Ein Ratgeber für Betroffene - Krebsinformationsdienst
Örtlich begrenzter
Prostatakrebs
Ein Ratgeber für Betroffene   2
Örtlich begrenzter Prostatakrebs - Ein Ratgeber für Betroffene - Krebsinformationsdienst
2

    Impressum

    Herausgeber                               Autor
    Krebsinformationsdienst (KID)             Dr. med. Petra Laibach-Kühner
    Deutsches Krebsforschungszentrum          Krebsinformationsdienst, DKFZ Heidelberg
    (DKFZ)
                                              Redaktion
    Im Neuenheimer Feld 280                   Dr. med. Kristine Kranzhöfer,
    D-69120 Heidelberg                        Dr. med. Andrea Penzkofer
                                              Krebsinformationsdienst, DKFZ Heidelberg
    Telefon: 0800 – 420 30 40
    kostenfrei, täglich 8 bis 20 Uhr          Verantwortlich
    krebsinformationsdienst@dkfz.de           Dr. med. Susanne Weg-Remers
    www.krebsinformationsdienst.de            Leiterin des Krebsinformationsdienstes,
    © Krebsinformationsdienst, Deutsches      DKFZ Heidelberg
    Krebsforschungszentrum 2020
                                              Layout
    Diese Broschüre wurde mit freundlicher    Laura Streib
    Unterstützung durch den Verein zur
    Förderung der Krebsinformation e.V.       Druck
    produziert.                               Druckpress GmbH, Leimen
                                              Bildnachweis
    Mehr über die Arbeitsweise des Krebsin-   Titelfoto, S. 38, 61, 71:
    formationsdienstes finden Sie unter:      © DKFZ, Gudrun-Holde Ortner, Heidelberg
    https://www.krebsinformationsdienst.      Abbildung Seite 7:
    de/wirueberuns.php                        © MediDesign Frank Geisler
                                              Abbildungen S. 14/15:
                                              © DKFZ
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Inhaltsverzeichnis
Worum es geht
Was ist die Prostata?							 6
Was ist Prostatakrebs?						                 8
Was sind die Ursachen von Prostatakrebs?				 8
Zahlen und Fakten zum Prostatakrebs					     9
Verdacht auf Prostatakrebs      					 10

Diagnose: Örtlich begrenzter Prostatakrebs
Was heißt örtlich begrenzter Prostatakrebs?				                12
Stadienunterscheidung bei örtlich begrenztem Prostatakrebs		   14
Kann man die Bösartigkeit einschätzen?				                     16
Einstufung der Rückfallwahrscheinlichkeit					                 17

Behandlung von örtlich begrenztem Prostatakrebs
Mögliche Vorgehensweisen        					                          19
• Aktive Überwachung – was versteht man darunter?              20
• Abwartendes Beobachten – was ist damit gemeint?			           21
• Operation								                                            23
• Bestrahlung von außen						                                  25
• Moderne Techniken der Bestrahlung von außen			               27
• Bestrahlung von innen						                                  28
• Hormonentzugstherapie						                                  30
• Andere Behandlungsverfahren					                             32
Unerwünschte Wirkungen und Folgen der Behandlung			            33
Vorgehen je nach Rückfallwahrscheinlichkeit				                36

Eine gute Entscheidung für die Behandlung treffen
Was sollten Sie bei der Entscheidung berücksichtigen?          39
Wann kommt welche Strategie für Sie infrage?			                40
Vor- und Nachteile der verschiedenen Vorgehensweisen			        42
Vergleichende Übersicht der Vorgehensweisen			                 48
Wie entscheiden?							                                        54
Behandlung in einer Studie?						                              55

Zusätzliche Hilfen
Weitere Informationen und Ansprechpartner				      56
Erklärungen von Fachbegriffen						 62
Quellennachweis							 72
Fragen an den Arzt 						                     Beilage
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4   Prostatakrebs | Einführung

Worum es geht

•   Diese Broschüre richtet sich an Männer, bei denen die
    Diagnose eines örtlich begrenzten Prostatakarzinoms
    gestellt wurde. Wenn Sie mehr über die Erkrankung,
    über mögliche Vorgehensweisen und Behandlungs-
    formen wissen, können Sie aktiv mitwirken, die für Sie
    beste Entscheidung zu treffen.

•   Die Broschüre richtet sich auch an Angehörige und
    Freunde von Betroffenen, die diese bei der Entschei-
    dung unterstützen möchten.

•   Die Informationen stützen sich auf Inhalte der aktu-
    ell gültigen deutschen und europäischen ärztlichen
    Leitlinien (1, 2). Sämtliche Quellen finden sich im Quel-
    lennachweis. Im Text wird mit fortlaufenden Ziffern
    darauf hingewiesen.

•   Im Vergleich zu vielen anderen Krebsarten wächst
    Pros­tatakrebs meist sehr langsam. Es können also
    viele Jahre vergehen, bevor sich ein Tumor durch
    Symptome bemerkbar macht, und vielleicht kommt es
    zu Lebzeiten des betroffenen Mannes auch gar nicht
    dazu.

•   Das Vorgehen bei örtlich fortgeschrittenen Tumoren,
    Krankheitsrückfällen nach zunächst erfolgreicher
    Behandlung (Rezidiv) und die Behandlungsmöglich-
    keiten beim Vorliegen von Streuherden (Metastasen)
    in anderen Organen werden hier nicht beschrieben.
    Auch auf Lebensführung, mögliche komplementäre
    Therapien und Nachsorge/Rehabilitation geht diese
    Broschüre nicht ein.
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Die Zahl der jährlichen Neudiagnosen von Prostatakrebs hat
sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren

mehr als verdoppelt.
Durch Früherkennungsmaßnahmen werden
immer mehr Prostatakrebse entdeckt.

                                                               Vor- und Nachteile
•   Durch den Einsatz moderner Verfahren zur Früherken-        der möglichen
    nung, insbesondere durch die Bestimmung des PSA-           Vorgehensweisen
    Werts im Blut, wird Prostatakrebs immer häufiger in        kennen und im
    einem frühen Stadium entdeckt, in dem er noch keine        eigenen Interesse
                                                               mitentscheiden
    Krankheitszeichen verursacht: Der Tumor ist auf die
    Prostata begrenzt und noch nicht über die Grenzen
    des Organs hinaus gewachsen. Man spricht dann von
    einem örtlich begrenzten Prostatakrebs.

•   Die frühe Diagnose von örtlich begrenztem Prostata-
    krebs kann von Vorteil sein: Durch Operation oder
    Bestrahlung ist fast immer eine Heilung möglich. Eine
    frühe Diagnose kann aber auch Nachteile bergen: Viel-
    leicht hätte sich der Tumor nie als Krankheit bemerkbar
    gemacht, weil er wenig bösartig ist und langsam oder
    gar nicht wächst. Eine Behandlung wäre womöglich
    überflüssig.

•   Bei örtlich begrenztem Prostatakrebs sind verschie-
    dene Vorgehensweisen möglich. Ist die Diagnose
    gestellt, haben Sie ausreichend Zeit, sich ausführlich
    zu informieren und sich mit Ärzten verschiedener
    Fachrichtungen zu beraten. Die Diagnose ist kein me-
    dizinischer Notfall, der sofortiges Handeln notwendig
    machen würde!

•   Nur wenn Sie alle Möglichkeiten mit ihren jeweiligen
    Vor- und Nachteilen kennen, können Sie herausfinden,
    welche für Sie am besten „passt“.

•   Diese Broschüre bietet Ihnen Informationen zu den
    verschiedenen Vorgehensweisen bei örtlich begrenztem
    Prostatakrebs und zu den jeweiligen Vor- und Nachteilen.
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6   Prostatakrebs | Einführung

Was ist die Prostata?

Die Prostata ist eine Drüse. Sie ist Teil
der männlichen Fortpflanzungsorgane
und bildet eine Flüssigkeit, die den
Samenzellen beim Samenerguss bei-
gemischt wird.

Die Prostata liegt im Becken hinter
dem Schambein und umschließt die
Harnröhre direkt unterhalb der Harn-
blase. Nach hinten grenzt sie an die
Wand des Enddarms. Die dem Darm
zugewandten Anteile der Prostata
sind mit dem Finger vom Enddarm
her tastbar. Die gesunde Prostata hat
etwa die Form und Größe einer Kas-
tanie. Durch den Verlauf der Harnröhre
wird sie in zwei Lappen gegliedert. Die
Prostata ist von einer bindegewebigen
Kapsel umschlossen.
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Harnblase

Schambein                                                Enddarm
                                                      Samenblase

                                                             After
Harnröhre

Hoden
Nebenhoden

Harnblase
                                                      Samenblase
Innerer Blasen-
schließmuskel                                          Samenleiter
                                                          Prostata
Prostata                                            Prostatakapsel

Harnröhre                                          Äußerer Blasen-
                                                    schließmuskel
                                          (Beckenbodenmuskulatur)

Längsschnitt durch das männliche Becken
und Ausschnittvergrößerung der Prostata
8   Prostatakrebs | Einführung

Was ist Prostatakrebs?

Prostatakrebs, fachsprachlich Prostata-
karzinom, entsteht, wenn Zellen in der    Krebs ist nicht ansteckend
Prostata entarten und beginnen, sich
unkontrolliert zu teilen. Sie vermehren   Krebs wird nicht wie eine Infekti-
sich schneller als normale Körperzel-     onskrankheit übertragen. Es können
len: ein Tumor entsteht. Diese bös-       zwar Tumorzellen oder Teile davon
artigen Tumoren können zerstörend         in die Samenflüssigkeit (Ejakulat)
in die Umgebung einwachsen. Es            gelangen, aber sie können sich nicht
können sich einzelne Krebszellen lö-      in einem anderen Körper einnisten.
sen und über Lymphgefäße und Blut-        In der Literatur ist nirgends be-
bahnen in andere Organe gelangen.         schrieben, dass Partnerinnen oder
Dort können Tochtergeschwülste            Partner von Prostatakrebspatienten
(Absiedlungen, Streuherde, Metasta-       häufiger an Tumoren des Unterleibs
sen) entstehen. Am häufigsten sind        erkranken. Intime und sexuelle Kon-
Metastasen von Prostatakrebs in be-       takte mit Prostatakrebspatienten
nachbarten Lymphknoten und in den         stellen kein Risiko dar.
Knochen.

Was sind die Ursachen von
Prostatakrebs?
Die Ursachen für die Entstehung von
Prostatakrebs sind noch nicht genau
bekannt. Wichtigster „Risikofaktor“ ist
das Alter. Eindeutig ist auch die Rolle
des männlichen Geschlechtshormons
Testosteron: Das Hormon fördert
das Wachstum sowohl normaler
wie entarteter Prostatazellen. Ohne
Testosteroneinfluss entwickelt sich
kein Prostatakrebs. Auch eine erbli-
che Veranlagung kann die Entstehung
begünstigen. Ob die Ernährung die
Wahrscheinlichkeit zu erkranken be-
einflusst, ist noch nicht geklärt..
9

Zahlen und Fakten zum
Prostatakrebs
•   In Deutschland erhielten im Jahr           •   PSA-Screening führt zu soge-
    2016 rund 60.000 Männer die                    nannten Überdiagnosen, das sind
    Diagnose Prostatakrebs (3).                    Diagnosen von nicht behandlungs-
•   Prostatakrebs ist damit die häu-               bedürftigen Veränderungen. Sie
    figste Krebserkrankung bei Män-                bringen dem Betroffenen neben
    nern.                                          der seelischen Belastung durch
•   Die meisten Männer sind bei der                die Krebsdiagnose möglicherwei-
    Diagnose zwischen 70 und 80                    se Nebenwirkungen und Folgen
    Jahre alt. Erkrankungen vor dem                von medizinischen Maßnahmen
    50. Lebensjahr sind sehr selten.               ein, aber keinen Nutzen für seine
•   Die Zahl der jährlichen Diagno-                Gesundheit oder ein längeres Le-
    sen von Prostatakrebs nimmt                    ben.
    seit 2011 wieder ab, nachdem sie           •   Führt das PSA-Screening dazu, dass
    über fast 20 Jahre lang angestie-              weniger Männer an Prostatakrebs
    gen war. Dies wird darauf zurück-              sterben? Große internationale Un-
    geführt, dass der PSA-Test (siehe              tersuchungen konnten diese Frage
    Seite 10) zur Früherkennung von                bisher nicht eindeutig beantwor-
    Prostatakrebs inzwischen weni-                 ten.
    ger häufig angewendet wird als
    noch vor Jahren (3).
•   Durch die regelmäßige Bestim-
    mung des PSA-Werts im Blut bei
    beschwerdefreien Männern –
    man bezeichnet das als Screening
    – werden auch viele langsam
    wachsende, „harmlose“ Pros-
    tatakrebse festgestellt, die den
    Betroffenen zu Lebzeiten nie Be-
    schwerden bereitet hätten. Ohne
    Früherkennungsuntersuchung
    würden diese Tumoren nicht ent-
    deckt.
                 In Ländern der westlichen
            Welt entsteht bei etwa 40 von
                100 Männern im Lauf ihres
                Lebens ein Karzinom in der
               Prostata, etwa 10 erkranken
           mit Beschwerden und 3 von 100
                       sterben daran (3, 4).
10   Prostatakrebs | Einführung

Verdacht auf Prostatakrebs

In frühen Stadien verursacht Prosta-       •   Mit einem einfachen Test lässt
takrebs keinerlei Beschwerden. Meist           sich die PSA-Konzentration im Blut
weckt entweder ein verdächtiger PSA-           bestimmen. Je höher der Wert ist,
Wert oder ein auffälliger Befund bei ei-       desto eher muss man von einem
ner ärztlichen Tastuntersuchung vom            Prostatakarzinom als Ursache aus-
Enddarm aus den Verdacht auf ein               gehen. Umgekehrt ist allerdings
Prostatakarzinom.                              auch bei sehr niedrigen Werten
Die PSA-Wert-Bestimmung im Blut                Prostatakrebs nicht sicher auszu-
und die Tastuntersuchung kann jeder            schließen.
Arzt durchführen.                          •   Der Nutzen des PSA-Tests zur
                                               Früherkennung von Prostatakrebs
Manchmal entdeckt der Pathologe                wird daher unter Experten kri-
Prostatakrebs auch zufällig bei einer          tisch diskutiert. Wissenswertes zur
Gewebeuntersuchung (Tumorstadien               Früh­erkennung von Prostata­krebs
T1a und T1b, siehe Seite 14). Dies kann        findet man im Informationsblatt
beispielsweise der Fall sein, wenn der         des Krebsinformationsdienstes un-
Urologe Prostatagewebe wegen ei-               ter www.krebsinformationsdienst.
ner gutartigen Prostatavergrößerung            de/service/iblatt/iblatt-psa-test.pdf.
operativ entfernt.                         •   Ein PSA-Wert unter 4 ng/ml gilt
                                               als normal.
                                           •   Ein PSA-Wert von 4 ng/ml oder
PSA-Test                                       höher gilt als krebsverdächtig
(PSA = Prostata-spezifisches Antigen)          und sollte grundsätzlich kurzfris-
                                               tig kontrolliert werden. Achtung:
•    PSA ist ein Eiweiß, das sowohl von        Damit die Werte vergleichbar
     normalen Prostatazellen als auch          sind, muss der Arzt immer dieselbe
     von Prostatakrebszellen gebildet          Messmethode anwenden.
     wird. Geringe Mengen von PSA
     sind auch bei gesunden Männern
     im Blut nachweisbar, bei Erkran-
     kungen der Prostata und insbe-
     sondere bei Prostatakrebs kann
     der Wert aber ansteigen.
11

Tastuntersuchung der Prostata

Die Prostata sitzt unterhalb der Harn-       Hierbei geht der Arzt systematisch vor:
blase und grenzt nach hinten direkt          Er entnimmt gezielt Biopsien aus ver-
an den Enddarm (Rektum). Deshalb             schiedenen Anteilen der Prostata, in
kann sie der Arzt vom Enddarm aus            denen am häufigsten Krebs auftritt.
gut mit dem Finger (digital) abtasten        In der Bildgebung auffällige Bereiche
– der Fachbegriff dafür lautet digitale      werden zusätzlich gezielt biopsiert,
rektale Untersuchung (DRU).                  ebenso verdächtige Tastbefunde.

Mit der Tastuntersuchung wird aller-         Auch mit einer Biopsie werden nicht
dings nur ein Drittel der tatsächlich        alle Tumoren entdeckt. In etwa zwei
vorhandenen Prostatakarzinome ent-           von zehn Fällen liegt trotz eines un-
deckt.                                       auffälligen Biopsiebefundes Prostata-
                                             krebs vor (negative Biopsie).

Biopsie
                                             Ergänzende Untersuchungen
Wenn mindestens eines der folgen-
den Kriterien vorliegt, empfiehlt die        Die Biopsie und die Ultraschallunter-
Leitlinie die Entnahme von Prostata-         suchung der Prostata führt ein Urolo-
gewebe und die Untersuchung auf              ge durch.
Krebszellen (Biopsie):
                                             Nach einer negativen Biopsie kommt
•   durch Kontrolluntersuchung be-           auch eine Kernspin- oder Magnet-
    stätigter PSA-Wert von 4 ng/ml           resonanz-Tomografie (MRT) infrage,
    oder höher;                              um die Lage des Tumors genauer zu
•   verdächtiger Tastbefund bei der          bestimmen. Bei der Erstuntersuchung
    DRU;                                     ist die MRT bislang kein Standard.
•   auffälliger PSA-Anstieg im Ver-
    gleich zu einer vorausgegange-           Bei Verdacht auf einen örtlich fortge-
    nen Bestimmung.                          schrittenen und rasch wachsenden
                                             Tumor sind weitere Untersuchungen
Die Biopsie erfolgt unter örtlicher Betäu-   notwendig. Auf solche fortgeschrit-
bung. Die kurzzeitige Einnahme eines         tenen Stadien geht diese Broschüre
Antibiotikums beugt Infektionen vor.         nicht ein.
Der Arzt entnimmt in der Regel zehn bis
zwölf Gewebeproben mit einem Biop-
siegerät. Den Eingriff führt er entweder
vom Enddarm oder vom Damm aus
durch (transrektal oder transperineal).
12   Prostatakrebs | Diagnose

Diagnose:
Örtlich begrenzter Prostatakrebs
Was heißt örtlich begrenzter Prostatakrebs?

Örtlich oder lokal begrenzter Prostatakrebs bedeutet, dass
der Tumor noch nicht in benachbarte Gewebe eingewach-
sen ist, keine Lymphknoten befallen und keine Fernmetas-
tasen gebildet hat.

Der Krebs wächst nur innerhalb der Prostata und hat die
dünne Kapsel, die die Drüse außen umschließt, nicht durch-
brochen. Nach der sogenannten TNM-Klassifikation zur Sta-
dienbeschreibung (siehe Seite 13) werden diese Tumoren mit
T1a bis T2c bezeichnet.

Falls bei Ihnen ein solcher Befund erhoben wurde, kann Ih-
nen diese Broschüre helfen, zusammen mit Ihrem Arzt die
für Sie besten Entscheidungen zu treffen.
13

  Beschreibung des Tumorstadiums

  Das Tumorstadium beschreibt Größe und Ausdehnung
  des Tumors in der Prostata sowie eine mögliche Aus-
  breitung auf benachbarte Gewebe, Lymphknoten oder
  entfernte Organe. Zur einheitlichen Dokumentation
  wird das international gültige TNM-System benutzt:

  •    T steht dabei für den Ausgangs- oder Primärtumor.
       Eine begleitende Zahl definiert seine Größe und
                                                                              Das weitere
       Ausdehnung: von T1 als geringster Ausdehnung bis
                                                                              Vorgehen und
       hin zu T4. Die einzelnen T-Stadien werden durch den                    die Behandlungs-
       Zusatz a, b oder c noch näher beschrieben, wobei                       möglichkeiten
       die Tumorgröße von a nach c zunimmt.                                   hängen ganz
                                                                              wesentlich vom
  •    N steht für Lymphknoten (lat. Nodus, Knoten): N0
                                                                              Tumorstadium ab.
       bedeutet, dass keine Lymphknoten befallen sind,
       N1 bedeutet Lymphknotenbefall.
  •    M beschreibt das Fehlen (M0) oder Vorhandensein
       (M1) von Metastasen in anderen Körperorganen.

  Aus diesen Angaben ergibt sich das Tumorstadium.
  Wenn es auf Befunden der Voruntersuchungen beruht,
  wird den Angaben in der Regel ein „c“ für engl. „clinical“
  (klinisch) vorangestellt. Eine exakte Einstufung des
  Tumorstadiums erhält man aber eigentlich nur, wenn
  der Tumor operiert und das entfernte Gewebe genau
  untersucht wurde. Eine TNM-Einstufung, die nach der
  Operation erfolgt ist, erkennt man am vorangestellten
  kleinen „p“ (für pathologisch).

Auf den folgenden beiden Seiten finden Sie eine grafische Darstellung der
verschiedenen Krankheitsstadien bei örtlich begrenztem Prostatakrebs.
Fortgeschrittene Stadien ab T3 sind nicht dargestellt, sie sind nicht Thema
dieser Broschüre.
14   Prostatakrebs | Diagnose

Stadienunterscheidung bei örtlich
begrenztem Prostatakrebs

T1: Klinisch nicht in Erscheinung tretender Tumor, weder tastbar,
noch mit bildgebenden Verfahren sichtbar

                 T1a
                                                                      Harnblase
 Zufälliger Befund
    (z. B. bei Gewe-                                                 Harnblasen-
  beuntersuchung       innerer Blasen-                                     wand
   nach operativer     schließmuskel
 Behandlung einer      rechter Prostatalappen                linker Prostatalappen
gutartigen Prosta-
                       Prostatakapsel                                     Tumor
  tavergrößerung).
   Krebsanteile im
    entnommenen        äußerer Blasenschließmuskel                     Harnröhre
   Gewebe bis 5 %      (Beckenboden-
                       muskulatur)

             T1b
   Wie T1a, aber
    mehr als 5 %
 Krebsanteile im
 entnommenen
        Gewebe

               T1c
      Tumorherde
    in einem oder
   beiden Lappen
     durch Biopsie
 festgestellt, z. B.
wegen erhöhtem
         PSA-Wert
15

T2: Der Tumor ist tastbar und auf die Prostata begrenzt.

                                                           T2a
                                                           Tumor nimmt
                                                           höchstens die
                                                           Hälfte eines
                                                           Lappens ein

                                                           T2b
                                                           Tumor nimmt
                                                           mehr als die Hälfte
                                                           eines Lappens ein,
                                                           ist aber auf einen
                                                           Lappen begrenzt

                                                           T2c
                                                           Tumornachweis in
                                                           beiden Lappen
16   Prostatakrebs | Diagnose

Kann man die Bösartigkeit
einschätzen?

Der Gleason-Score als Maß für die
Aggressivität des Tumors

Bei der Untersuchung von Gewebe-            Da für Biopsiebefunde die niedrigste
proben aus der Prostata begutachtet         Ziffer 3 ist, ergibt sich als niedrigster
ein Pathologe, ob und wie viele der         Score-Wert eine 6 (3 + 3). Dabei sind
entnommenen Proben Krebszellen              zwei Wachstumsmuster gleich häu-
enthalten. Er stellt auch fest, ob Krebs­   fig vertreten. Ein niedriger Score-Wert
zellen nur in einem oder in beiden          von 6 beschreibt einen wenig aggres-
Lappen der Prostata nachweisbar sind.       siven Tumor, der langsam wächst und
Außerdem bestimmt er das Wachs-             eher nicht in andere Organe streut.
tumsmuster des entarteten Gewebes.          Ein hoher Score zwischen 8 und 10
Daraus lassen sich Rückschlüsse auf         (zum Beispiel 4 + 5) bedeutet, dass es
die Aggressivität (Bösartigkeit) des        sich um einen aggressiven, zur Streu-
Tumors ziehen. Den verschiedenen            ung neigenden Tumor handelt. Am
Wachstumsmustern, den sogenann-             häufigsten sind Gleason-Scores von 6
ten Gleason-Graden, werden Ziffern          und 7, wobei 6 eine niedrige und 7 eine
von 1 bis 5 zugeordnet: etwa eine 1,        mittlere Wahrscheinlichkeit für ein
wenn das Tumorgewebe dem gesun-             rasches Tumorwachstum erwarten
den Gewebe sehr ähnlich ist, dagegen        lässt. Der Score 4 + 3 ist dabei ungüns-
eine 5, wenn es sehr geringe Ähnlich-       tiger zu werten als 3 + 4, weil im ers-
keit mit normalem Prostatagewebe            ten Fall der Anteil eines aggressiveren
zeigt. Wachstumsmuster dazwischen           Wachstumsmusters (Gleason-Grad 4)
erhalten die Ziffern 2 bis 4.               überwiegt, im zweiten Fall die weniger
                                            aggressiven Anteile (Gleason-Grad 3).
Bösartige Tumoren der Prostata sind
in der Regel nicht einheitlich zusam-       Seit 2017 gehört zum pathologi-
mengesetzt. Der Pathologe bestimmt          schen Befundbericht auch die Gra-
die zwei am häufigsten in den Proben        duierungs-Gruppe nach ISUP, der
nachweisbaren Wachstumsmuster und           internationalen Gesellschaft für uro-
ordnet ihnen die zutreffenden Ziffern       logische Pathologie (International
zu. Die erste entspricht dem vorherr-       Society of Urological Pathology). Man
schenden Wachstumsmuster, die zwei-         unterscheidet fünf Gruppen, wobei
te dem zweithäufigsten. Zählt man           von Gruppe 1 bis Gruppe 5 der Bösar-
beide Werte, also die beiden häufigsten     tigkeitsgrad zunimmt. Die ISUP-Gra-
Gleason-Grade, zusammen, erhält man         duierung leitet sich aus dem Gleason-
den sogenannten Gleason-Score.              Score ab.
17

Einstufung der Rückfallwahr-
scheinlichkeit

Das ermittelte Tumorstadium und die                  weiteren Krankheitsverlaufs: Bitte be-
Biopsie-Ergebnisse (Gleason-Score, Tu-               achten Sie aber, dass es sich dabei um
moranteil in den Proben) lassen die                  eine statistische Größe handelt, die
Ausdehnung und die Wachstumsei-                      für Sie nicht zutreffend sein muss.
genschaften des Tumors abschätzen.
Diese Befunde und der PSA-Wert bei                   Auch ist die Risikoeinstufung nicht
Diagnosestellung geben wiederum                      sicher: Die Erkrankung kann ausge-
Hinweise, wie hoch die Wahrschein-                   dehnter und aggressiver sein, als die
lichkeit für ein Fortschreiten der Er-               Untersuchungsergebnisse vermuten
krankung oder für einen Rückfall nach                lassen. Sicher kann die Situation nur
erster Behandlung in etwa ist. Beim                  nach Operation der Prostata und mi-
örtlich begrenzten Prostatakrebs un-                 kroskopischer Begutachtung des ge-
terscheidet man drei Risikogruppen:                  samten entfernten Gewebes beurteilt
                                                     werden.

Niedriges Risiko – mittleres Risiko –                Wenn Sie einschätzen möchten, wie
hohes Risiko                                         hoch bei Ihnen die Wahrscheinlichkeit
                                                     für einen Rückfall ist, sprechen Sie mit
Die Zuordnung zu einer dieser Risi-                  Ihrem Arzt.
kostufen erlaubt eine orientierende
Abschätzung des wahrscheinlichen

 Risikoeinstufung des örtlich begrenzten Prostatakarzinoms
 (nach deutscher Leitlinie)

 Niedriges Risiko                 Mittleres Risiko                 Hohes Risiko

 PSA bis                          PSA über                         PSA über
 10 ng/ml                         10 bis 20 ng/ml                  20 ng/ml

 und*                             oder**                           oder**
 Gleason-Score                    Gleason-Score 7                  Gleason-Score
 bis 6                                                             8 und höher

 und*                             oder**                           oder**
 klinisches Stadium               klinisches Stadium               klinisches Stadium
 T1 bis T2a                       T2b                              T2c

* und bedeutet, dass alle drei Kriterien zutreffen müssen
** oder bedeutet, dass jedes einzelne Kriterium schon alleine zu der Einstufung führt
18   Prostatakrebs | Behandlung

Behandlung von örtlich
begrenztem Prostatakrebs

Ziele: langes Leben, gute Lebensqualität

•    Aktive Überwachung – was versteht man darunter?

•    Abwartendes Beobachten – was ist damit gemeint?

•    Operation

•    Bestrahlung von außen

•    Moderne Techniken der Bestrahlung von außen

•    Bestrahlung von innen

•    Hormonentzugstherapie

•    Andere Behandlungsverfahren
19

Mögliche Vorgehensweisen

Bei Ihnen wurde örtlich begrenzter          •   In höherem Lebensalter oder wenn
Prostatakrebs festgestellt. Nun gilt es         andere gesundheitliche Probleme
zu überlegen, wie das weitere Vorge-            im Vordergrund stehen, kann viel-
hen aussehen soll. Sie haben verschie-          leicht auch abwartendes Beobach-
dene Möglichkeiten.                             ten (englisch: „Watchful Waiting“)
                                                ein passender Weg sein.
•   Sie können eine Behandlung wäh-         •   In bestimmten Fällen kann eine
    len, die vor allem das Ziel der Hei-        Hormonentzugstherapie am bes-
    lung verfolgt („potenziell kurativ“).       ten geeignet sein.
    Dabei wird die Prostata entweder
    durch eine Operation vollständig        Welcher Weg für Sie der beste und
    entfernt (radikale Prostatektomie)      geeignetste ist, hängt von Ihrem
    oder durch eine Bestrahlung von         Alter, dem Tumorstadium und der
    außen oder eine Bestrahlung von         Aggressivität des Tumors, von mögli-
    innen zerstört (perkutane Strah-        chen Begleiterkrankungen und nicht
    lentherapie, Brachytherapie). Al-       zuletzt von Ihren persönlichen Vor-
    lerdings ist ein späterer Rückfall      stellungen von Lebensqualität ab.
    nicht gänzlich ausgeschlossen.
    Und man muss bedenken: Die              Auf den folgenden Seiten sind alle
    Therapien sind mit Nebenwirkun-         hier erwähnten Behandlungen und
    gen verbunden, die die Lebens-          Vorgehensweisen beschrieben. Sie
    qualität erheblich beeinträchtigen      finden Informationen zu Nutzen und
    können.                                 Nachteilen, soweit es dazu verlässliche
•   Deshalb kann es auch sinnvoll sein,     Daten gibt, und über bestehende
    eine vorläufig abwartende Strate-       Unsicherheiten.
    gie zu verfolgen und den Tumor
    und sein Verhalten regelmäßig
    zu kontrollieren. Dieses Vorgehen
    nennt man aktive Überwachung
    (englisch: „Active Surveillance“).
    Vielleicht wird eine Behandlung
    niemals notwendig. Wenn doch,
    besteht weiterhin die Chance auf
    Heilung.
•   Bislang weiß man noch nicht, mit
    welcher der vier genannten Be-
    handlungsstrategien man Männer
    mit örtlich begrenztem Prostata-
    krebs am besten heilen kann.
20   Prostatakrebs | Behandlung

Aktive Überwachung
(„Active Surveillance“) –
was versteht man darunter?                 Praktische Durchführung

Das Verhalten des Tumors wird              In den ersten beiden Jahren nach der
in kurzen Abständen kontrolliert.          Diagnose erfolgen alle drei Monate
Eine Behandlung (z. B. Operation           Kontrolluntersuchungen, danach bei
oder Bestrahlung der Prostata) er-         gleichbleibendem PSA-Wert alle
folgt zunächst nicht. Sie ist vielleicht   sechs Monate. Sie umfassen eine
überhaupt nicht notwendig. Diese           Tastuntersuchung vom Enddarm aus
Strategie der aktiven Überwachung          (digitalrektale Untersuchung, DRU)
erspart vielen Männern eine mit            und eine Blut­  entnahme zur PSA-
Nebenwirkungen belastete Behand-           Bestimmung.
lung. Sie kommt für Männer mit wenig
aggressivem Prostatakarzinom infrage.      Zusätzlich wird die Prostata sowohl
                                           bildgebend als auch feingeweblich
Die ärztliche Leitlinie definiert, für     kontrolliert. Als bildgebendes Ver-
welche Patienten die aktive Überwa-        fahren wird die Kernspin- oder Magnet­
chung infrage kommt:                       resonanz-Tomografie (MRT) eingesetzt.

•    PSA-Wert bis 10 ng/ml                 •   Bei Patienten, die noch keine
•    Gleason-Score 6 (3 + 3) und kleiner       MRT der Prostata erhalten haben,
•    Tumorstadium cT1 bis cT2a                 sollte die MRT innerhalb von 6
•    Tumor in höchstens zwei von ins-          Monaten nach Diagnosestellung
     gesamt 10 bis 12 Gewebeproben             erfolgen. Zeigt die MRT einen
     (Stanzen)                                 auffälligen Befund, sollte der Arzt
•    Höchstens 50 % Tumoranteil in             aus dem verdächtigen Prostata-
     den „positiven“ Proben                    bereich gezielt Gewebeproben
                                               (Biopsien) entnehmen. Unabhän-
Bei Anzeichen für ein Fortschreiten            gig vom MRT-Befund wird die sys-
der Erkrankung oder auf Wunsch des             tematische Biopsie der gesamten
betroffenen Mannes kann jederzeit              Prostatadrüse wiederholt (siehe
eine Behandlung durch Operation                Seite 11).
oder Bestrahlung mit dem Ziel der          •   Bei Patienten, bei denen bereits
Heilung eingeleitet werden.                    im Vorfeld eine MRT mit geziel-
                                               ten und systematischen Biopsien
                                               durchgeführt wurde, ist eine Kon-
                                               trolluntersuchung mit erneuter
                                               MRT und Gewebeentnahme nach
                                               12 Monaten erforderlich.
21

                                       Abwartendes Beobachten
                                       („Watchful Waiting“) –
                                       was ist damit gemeint?

Unter Active Surveillance sind für     Da Prostatakarzinome, besonders sol-
alle Patienten in regelmäßigen Ab-     che mit niedrigem Gleason-Score (siehe
ständen weitere Kontrollbiopsien       Seite 16), häufig sehr langsam oder gar
notwendig. In den ersten drei Jahren   nicht wachsen und lange Zeit keiner-
entnimmt der Arzt Proben alle 12 bis   lei Beschwerden verursachen, ist bei
18 Monate, danach bei gleichblei-      Männern in höherem Lebensalter auch
bendem Befund alle drei Jahre. Die     „abwartendes Beobachten“ möglich.
Untersuchungen zeigen, ob sich
die biologischen Eigenschaften des     Die Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs
Tumors verändert haben und ob der      für sie „lebensgefährlich“ wird, ist im
Tumor gewachsen ist.                   Vergleich zu anderen Gesundheitspro-
                                       blemen bei älteren Menschen gering.
                                       Deshalb kann man ihnen eine Behand-
                                       lung ersparen, die häufig Nebenwirkun-
                                       gen mit sich bringt, aber in der Mehrzahl
                                       der Fälle keinen Nutzen hat. Entscheidet
                                       man sich für abwartendes Beobachten,
                                       erfolgen auch keine speziellen Kontroll-
                                       untersuchungen, wie etwa PSA-Mes-
                                       sungen oder Biopsien der Prostata.

                                       Falls irgendwann Beschwerden durch
                                       den Krebs auftreten (z. B. Schmer-
                                       zen durch Tumorabsiedlungen in den
                                       Knochen), gibt es wirksame Möglich-
                                       keiten, sie zu behandeln. Das weitere
                                       Fortschreiten der Erkrankung lässt
                                       sich damit in der Regel über längere
                                       Zeit aufhalten. Eine Heilung ist dann
                                       allerdings nicht mehr zu erreichen.

                                       Auch bei Männern mit ernsthaften
                                       anderen Erkrankungen, etwa des
                                       Herz-Kreislauf-Systems, kann die Stra-
                                       tegie des abwartenden Beobachtens
                                       sinnvoll sein. Für sie wäre eine Opera-
                                       tion vielleicht zu risikoreich.
22   Prostatakrebs | Behandlung

Aktive Überwachung                         Abwartendes Beobachten
(„Active Surveillance“) in Kürze           („Watchful Waiting“) in Kürze

•    Eine Behandlung erfolgt zunächst      •     In höherem Lebensalter oder wenn
     nicht.                                      andere gesundheitliche Probleme
•    Der Tumor wird in regelmäßigen              im Vordergrund stehen, kann es
     Abständen durch gezielte Un-                besser sein, nur abzuwarten und
     tersuchungen kontrolliert: Tast-            keine Kontrolluntersuchungen vor-
     untersuchung vom Darm aus,                  nehmen zu lassen.
     PSA-Bestimmung im Blut, Gewe-         •     Treten Beschwerden auf, können
     beentnahmen aus der Prostata.               diese meist lange und wirksam
•    Bildgebung mittels Kernspin- oder           behandelt werden. Eine Heilung
     Magnet­r esonanz-Tomograf ie                ist dann aber nicht mehr möglich.
     (MRT)
•    Bei Anzeichen für ein Fortschrei-
     ten der Erkrankung ist Behand-
     lung mit heilender Absicht möglich.

                                               Nicht zu verwechseln:
                                               „Aktives Überwachen“ und
                                               „Abwartendes Beobachten“

                                               Im Unterschied zur „Aktiven Über-
                                               wachung“ werden beim „Abwar-
                                               tenden Beobachten“ keine spezi-
                                               ellen Untersuchungen im Hinblick
                                               auf den Prostatakrebs durchge-
                                               führt, auch kein PSA-Test. Manche
                                               Ärzte sagen auch „Abwartendes
                                               Beobachten“, wenn sie eigentlich
                                               „Aktive Überwachung“ meinen.
                                               Entscheidend ist also nicht, wie das
                                               Vorgehen genannt wird, sondern
                                               was damit gemeint ist: regelmäßige
                                               Kontrollen des Tumors oder schlich-
                                               tes Abwarten. Fragen Sie Ihren Arzt,
                                               wie das Vorgehen genau aussehen
                                               soll, wenn er Ihnen zum Abwarten
                                               rät.
23

Operation

Die Operation, auch als radikale Pros-      Entfernt werden die gesamte Prostata
tatektomie bezeichnet, kommt bei al-        und die Samenblasen, ebenso der Teil
len Männern mit örtlich begrenztem          der Harnröhre, der durch die Prostata
Prostatakarzinom infrage, unabhängig        verläuft, und der innere Schließmus-
von der Wahrscheinlichkeit für einen        kel zwischen Blase und Harnröhre. Der
Rückfall der Erkrankung.                    untere Teil der Harnröhre wird danach
                                            wieder mit der Blase verbunden. Als
•   Am häufigsten erfolgt der Ein-          Folge der Operation können Harn­
    griff durch einen Längsschnitt im       inkontinenz und Beschwerden beim
    Unterbauch zwischen Nabel und           Wasserlassen auftreten.
    Schambein (Os pubis, deshalb die
    Bezeichnung retropubische radi-         Bei kleinen Tumoren ist es möglich, die
    kale Prostatektomie).                   beidseits der Prostata verlaufenden
•   Eine andere Möglichkeit ist die         Gefäß-Nerven-Bündel, die für die Erek-
    Operation vom Damm (Perineum)           tion wichtig sind, zu erhalten. Bei grö-
    her (perineale radikale Prostatek-      ßeren Tumoren wäre dadurch jedoch
    tomie). Bei dieser Technik ist aller-   der Heilungserfolg gefährdet. Dann
    dings die gleichzeitige Entnahme        sollten sie, zumindest auf der vom
    der in der Nähe der Prostata gele-      Tumor befallenen Seite, mit entfernt
    genen Lymphknoten nicht möglich.        werden. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt
    Wenn dies, wie bei einer höheren        darüber, ob er ein nervenschonendes
    Rückfallwahrscheinlichkeit, für nö-     Operieren für möglich hält. Gemein-
    tig erachtet wird, ist dafür ein ge-    sam mit ihm können Sie abwägen, ob
    sonderter Eingriff erforderlich.        Sie für die Chance auf Potenzerhalt
•   Immer mehr Kliniken bieten inzwi-       eine erhöhte Rückfallwahrscheinlich-
    schen auch die als „minimal-inva-       keit in Kauf nehmen würden.
    siv“ bezeichnete „Schlüsselloch-
    Operation“ oder laparoskopische         Falls die Ergebnisse der Voruntersu-
    Operation an (laparoskopische ra-       chungen für eine höhere Rückfallwahr-
    dikale Prostatektomie). Durch klei-     scheinlichkeit (siehe Seite 17) sprechen,
    ne Einschnitte in der Bauchdecke        werden zusätzlich die Lymphknoten in
    werden die erforderlichen Instru-       der Umgebung der Prostata entfernt
    mente sowie eine Vergrößerungs-         und auf Tumorbefall untersucht. Sind
    optik in das Operationsgebiet           Lymphknoten befallen, ist eventuell
    eingeführt. Die derzeit modernste       eine zusätzliche Behandlung erforder-
    Entwicklung auf dem Gebiet der          lich. In diesem Fall handelt es sich um
    laparoskopischen Prostatektomie         ein örtlich fortgeschrittenes Prostata-
    ist die Roboter-assistierte Opera-      karzinom.
    tion.
24   Prostatakrebs | Behandlung

Hauptziel der Operation ist die rest-
lose Entfernung des Tumorgewebes            Radikale Prostatektomie in Kürze
(R0-Resektion). Zu den Zielen gehören
außerdem der Erhalt der Harnkon-            •   Bei kleinen, auf die Prostata
tinenz und der Erhalt der Erektions­            begrenzten Tumoren ist die
fähigkeit. Allerdings gelingt das nicht         Operation für alle Patienten
immer.                                          eine Behandlungsmöglichkeit,
                                                unabhängig von der Rückfall-
Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose und         wahrscheinlichkeit.
dauert etwa zwei bis vier Stunden. Die      •   Die Prostata kann über ver-
meisten Patienten müssen nur einige             schiedene Zugangswege ope-
Tage bis maximal zwei Wochen im                 rativ entfernt werden, die Er-
Krankenhaus bleiben. Bis die Nähte an           gebnisse sind gleichwertig.
der Harnröhre verheilt sind, leitet ein     •   Die für die Erektion zuständi-
in die Blase eingelegter Katheter den           gen Nerven werden möglichst
Harn vorübergehend nach außen ab.               geschont, wenn dadurch der
                                                Heilungserfolg nicht gefährdet
Nach den derzeit vorliegenden Erfah-            wird.
rungen und Studienergebnissen sind          •   Konnte der Tumor komplett
die Behandlungserfolge aller hier be-           entfernt werden, ist die Chance
schriebenen Operationsverfahren bei             auf Heilung hoch.
örtlich begrenzten Tumoren gleich-
wertig. Auch Nebenwirkungen und
langfristige Folgen, vor allem Harnin-
kontinenz und Potenzverlust, unter-
scheiden sich nicht wesentlich. Es liegen
allerdings noch keine aussagekräftigen
Langzeitergebnisse zum Vergleich der
einzelnen Verfahren vor.

Gesichert ist, dass die Erfahrung des
operierenden Arztes für den Hei-
lungserfolg wie auch für die Wahr-
scheinlichkeit von Nebenwirkungen
und Folgen eine große Rolle spielt.
Inzwischen gibt es in Deutschland
zahlreiche Prostatazentren, die auf die
Behandlung von Prostatakrebs spezia-
lisiert sind (siehe Seite 59).
25

Bestrahlung von außen

Ziel der Strahlentherapie ist es, die      Die Strahlentherapie erfolgt ambu-
Tumorzellen so zu schädigen, dass          lant. Sie erstreckt sich in der Regel
sie ihre Fähigkeit zur Teilung verlieren   über sieben bis neun Wochen. An
und zugrunde gehen.                        fünf Tagen in der Woche wird jeweils
                                           ein kleiner Teil der geplanten Ge-
Die Bestrahlung der Prostata von au-       samtstrahlendosis (Maßeinheit Gray,
ßen durch die Haut – fachsprachlich        Abk. Gy) verabreicht. Die einzelne Dosis
perkutan – hat beim örtlich begrenz-       beträgt 1,8 bis 2,0 Gy, die Gesamtdo-
ten Prostatakrebs ähnliche Langzeit-       sis mindestens 74 bis ungefähr 80 Gy.
ergebnisse wie eine Operation, die         Jede Sitzung dauert etwa 15 Minuten,
Heilungschancen sind vergleichbar.         die eigentliche Bestrahlung jeweils
Sie kommt zur Behandlung von Män-          nur wenige Minuten.
nern mit organbegrenztem Prostata-
krebs aller Risikogruppen infrage.         Bei einzelnen Patienten kann die Ge-
                                           samtbestrahlungszeit auch verkürzt
Die Bestrahlung erfolgt mit einem so-      und die Gesamtdosis verringert wer-
genannten Linearbeschleuniger. Die         den. Der Arzt spricht dann von einer
heute übliche dreidimensionale, in-        hypofraktionierten Bestrahlung.
tensitätsmodulierte und bildgesteu-
erte Bestrahlungstechnik ermöglicht        Ist die Rückfallwahrscheinlichkeit (sie-
es, die Strahlung zielgenau und hoch-      he Seite 17), erhöht, kann eine zusätzli-
dosiert zu verabreichen (siehe Seite       che Hormonentzugstherapie sinnvoll
27). So gelingt es, gesundes Gewebe        sein. Bei der Entscheidung dafür oder
bestmöglich zu schonen. Die Neben-         dagegen sollten Arzt und Patient über
wirkungen und Folgen an den angren-        Vor- und Nachteile sprechen. Die ärzt-
zenden Organen Harnblase, Harnröhre        lichen Leitlinien empfehlen folgendes
und Enddarm sind dadurch deutlich          Vorgehen:
geringer als früher.
                                           •   Patienten mit niedrigem Risiko
Bei der Bestrahlung liegen Sie auf einer       benötigen keine zusätzliche Hor-
Liege unter dem Bestrahlungsgerät,             monentzugstherapie.
das die Strahlen gezielt auf die vorbe-    •   Bei Patienten mit mittlerem Ri-
rechnete Region abgibt. Lagerungs­             siko sollte eine kurzzeitige Hor-
hilfen unterstützen das Stillliegen.           monentzugstherapie über vier bis
                                               sechs Monate erfolgen.
Dies ist wichtig, um die Zielgenauigkeit   •   Patienten mit hohem Risiko sol-
der Bestrahlung nicht zu gefährden.            len eine Hormonentzugstherapie
Von der Bestrahlung selbst spüren Sie          über zwei bis drei Jahre erhalten.
nichts.
26   Prostatakrebs | Behandlung

Bestrahlung von außen in Kürze

•    Bei kleinen, auf die Prostata
     begrenzten Tumoren ist die
     Bestrahlung von außen eine
     Behandlungsmöglichkeit, die un-
     abhängig von der Rückfallwahr-
     scheinlichkeit für alle betroffe-
     nen Männer infrage kommt.
•    Eine genaue Bestrahlungspla-
     nung sorgt dafür, dass die höchs-
     te Dosis den Tumor erreicht und
     das umgebende gesunde Gewe-
     be bestmöglich geschont wird.
•    Ist die geschätzte Rückfallwahr-
     scheinlichkeit erhöht, kann eine
     zusätzliche Hormonentzugs-
     therapie von Nutzen sein.
•    Bei der Bestrahlung liegen Sie
     auf einer Liege unter dem Be-
     strahlungsgerät, einem Linear-
     beschleuniger, der gezielt Strah-
     len auf das berechnete Zielge-
     biet abgibt.
•    An fünf Tagen pro Woche er-
     halten Sie eine Teildosis („Frak-
     tion“), bis die geplante Gesamt-
     dosis erreicht ist. Die Gesamtbe-
     handlungszeit erstreckt sich in
     der Regel über sieben bis neun
     Wochen.
•    Jede Sitzung dauert etwa eine
     Viertelstunde, die eigentliche Be-
     strahlung nur wenige Minuten.
27

Moderne Techniken der
Bestrahlung von außen
Intensitätsmodulierte
Radiotherapie (IMRT)

Mit der IMRT lässt sich das gesunde         bestrahlen und gleichzeitig umgeben-
Gewebe in der Umgebung des Tumors           des gesundes Gewebe bestmöglich zu
noch besser schonen, auch bei höhe-         schonen. Laut Leitlinien soll die IGRT
ren Strahlendosen. Das gilt vor allem       die MRT ergänzen (1, 2).
für die Schleimhaut des Enddarms. Wie
der Name sagt, kann die Intensität der
Strahlung für jeden einzelnen Zielbe-       Protonentherapie
reich sehr fein eingestellt (moduliert)
werden. Dadurch gelingt die Bestrah-        Die Protonentherapie ist eine Form der
lung des eigentlichen Tumors mit hö-        Teilchen- oder Ionenbestrahlung. Pro-
heren Strahlendosen, ohne das um-           tonen sind positiv geladene Kerne von
gebende Gewebe stärker zu belasten.         Wasserstoffatomen. Sie werden auf
Den Leitlinien zufolge soll die             eine hohe Geschwindigkeit beschleu-
IMRT als bevorzugte Bestrahlungstech-       nigt und können dann sehr zielgenau
nik eingesetzt werden (1, 2). Die Technik   auf den Tumor gelenkt werden. Proto-
ist zeitlich und technisch aufwändiger      nenstrahlen belasten die Haut an der
als die herkömmliche (dreidimensiona-       Eintrittsstelle und das auf dem Weg
le) Bestrahlung mit Linearbeschleuni-       zum Tumor durchstrahlte Gewebe
ger. In Deutschland gilt die Methode        sehr wenig und geben ihre gesamte
inzwischen als neuer Standard.              Energie im berechneten Zielgebiet –
                                            also im Tumor – ab. Dies ist besonders
                                            bei solchen Tumoren von Vorteil, die in
Bildgesteuerte Radiotherapie (engl.         enger Nachbarschaft zu sehr strahlen-
„Image Guided Radiotherapy“, IGRT)          empfindlichem Gewebe liegen. Das ist
                                            bei Prostatakrebs der Fall.
Während der Behandlung kann der
Tumor seine Größe und Lage verän-           Den bisherigen Studienergebnissen
dern. Die IGRT dient dazu, diese Ver-       zufolge hat die Protonenbestrahlung
änderungen während der Therapie in          des örtlich begrenzten Prostatakarzi-
Echtzeit zu erkennen und auszuglei-         noms keine Vorteile gegenüber ande-
chen. Dafür wird das Bestrahlungs-          ren Verfahren der Strahlentherapie.
gerät mit einem bildgebenden Gerät          Ist eine Protonentherapie geplant,
kombiniert, z. B. mit einem Compu-          sollten Patienten im Vorhinein die
tertomografen (CT). Ziel der IGRT ist       Kostenübernahme mit ihrer Kranken-
es, den Tumor noch zielgenauer zu           kasse klären.
28   Prostatakrebs | Behandlung

Bestrahlung von innen
Brachytherapie mit Seeds
und Afterloading

Brachytherapie (griech. brachy = kurz)     jeden Patienten individuell berechnet
bedeutet Kurzdistanz-Strahlenthera-        und hängen von der Größe der Pros-
pie. Die Bestrahlung erfolgt von in-       tata ab. Die Seeds bleiben dauerhaft in
nen, indem Strahlenquellen an den          der Prostata.
Tumor herangebracht werden. Man
unterscheidet zwei verschiedene Ver-       Der Eingriff erfolgt in Rückenmarksnar-
fahren der Prostata-Brachytherapie:        kose oder in Vollnarkose und dauert
                                           ein bis zwei Stunden. Die Behandlung
•    die dauerhafte Einlage von kleinen,   ist im Prinzip ambulant möglich, in
     in Kapseln eingebetteten Strahlen-    der Regel bleiben die Patienten aber
     quellen („Seeds“), die langsam über   ein bis zwei Tage in der Klinik.
     längere Zeit ihre Strahlung abge-
     ben („Low-Dose-Rate“-Brachythe-       Die gezielte Strahlung zerstört den
     rapie: LDR-Brachytherapie)            Tumor von innen heraus. Der in
•    die vorübergehende kurzzeitige Ein-   Deut­ schland verwendete Jod-125-
     lage von Strahlenquellen (Nachlade-   Strah­ler wirkt sehr zielgenau auf den
     verfahren, Afterloading, „High-Do-    Tumor. Schon an der Haut ist die Ab-
     se-Rate“ oder HDR-Brachytherapie)     strahlung kaum messbar und in zwei
                                           Meter Abstand nicht mehr nachweis-
                                           bar. Die Seeds strahlen etwa zwölf
Brachytherapie mit                         Monate lang. In den ersten zwölf Wo-
Seeds – LDR-Brachytherapie                 chen ist die Strahlung am intensivsten.

Bei der „Seed-Implantation” werden         Generell wird kein Patient entlassen,
unter Ultraschallkontrolle bis zu 80       der für seine Umgebung ein Risiko
etwa reiskorngroße Strahlenquellen         darstellen würde. Trotzdem sollten
(engl. „Seeds“: Körner), radioaktives      Patienten über die Strahlung aufge-
Jod-125 oder Palladium-103, in die         klärt sein, vor allem wenn sie sehr
Prostata eingebracht. Dies geschieht       engen körperlichen Umgang mit Ver-
über Hohlnadeln, die mithilfe eines        wandten haben. Häufig wird Patien-
Koordinatenzielsystems durch die           ten geraten, für einige Wochen keine
Haut des Damms an genau voraus-            Kleinkinder auf den Schoß zu nehmen
berechnete Positionen in der Pros-         und zu Schwangeren einen Abstand
tata eingeführt werden. Durch diese        von ca. 1 bis 2 m zu halten.
Nadeln hindurch werden die Seeds an
ihren Zielort platziert. Die Anzahl der    Wichtig ist die sogenannte „Nachpla-
Seeds und ihre Verteilung werden für       nung“: nach vier bis sechs Wochen
29

sollte eine Computertomografie er-          „zurückgefahren“. Der Eingriff dauert
folgen („Post-Implantations-CT“), um        etwa eine Stunde, die eigentliche Be-
die Lage der Seeds zu kontrollieren.        strahlung etwa 10 Minuten.
Wenn notwendig, werden dann Kor-            Die Behandlung erfolgt in rücken-
rekturen vorgenommen.                       marksnaher örtlicher Betäubung der
                                            unteren Körperhälfte (Spinalanästhe-
Laut ärztlicher Leitlinie ist die Brachy-   sie) oder in Vollnarkose. Sie findet
therapie mit Seeds für Patienten mit        meist zweimal im Abstand von einer
örtlich begrenztem Prostatakrebs mit        Woche statt. Anschließend erhält der
niedriger Rückfallwahrscheinlichkeit        Patient noch eine Bestrahlung von
geeignet (siehe Seite 17).                  außen. Die Dosis dieser perkutanen
                                            Bestrahlung ist wegen der vorangegan-
Für Patienten mit mittlerer Rückfall-       genen inneren Bestrahlung niedriger
wahrscheinlichkeit (siehe Seite 17) ist     (Gesamtdosis etwa 40 bis 50 Gy) und
sie dagegen derzeit nicht zu empfeh-        kann in kürzerer Zeit (in etwa vier bis
len, weil zu den Behandlungserfolgen        fünf Wochen) verabreicht werden.
in dieser Situation keine gesicherten
Erkenntnisse vorliegen. Bei hoher           Die Kombination von Afterloading und
Rückfallwahrscheinlichkeit (siehe Sei-      perkutaner Bestrahlung kommt bei
te 17) kommt die Brachytherapie mit         örtlich begrenztem Prostatakarzinom
Seeds nicht infrage.                        mit mittlerer und insbesondere für Pa-
                                            tienten mit hoher Rückfallwahrschein-
                                            lichkeit (siehe Seite 17) in Betracht.
Nachladeverfahren („Afterloading“)
– HDR-Brachytherapie                        Für den Nutzen einer begleitenden
                                            Hormonentzugstherapie fehlt derzeit
Eine weitere Form der Brachytherapie        der wissenschaftliche Nachweis.
(Kurzdistanzbestrahlung) ist die Nach-
lade- oder „Afterloading“-Technik, die
ergänzend zu einer Bestrahlung von
außen eingesetzt werden kann. Durch
Kanülen werden vom Damm aus Strah-
lenquellen, meist radioaktives Iridi-
um-192, für kurze Zeit in die Prostata
eingebracht.

Nach einer entsprechend der Dosispla-
nung genau berechneten Zeit wird die
Strahlenquelle wieder aus der Prostata
30   Prostatakrebs | Behandlung

                                          Hormonentzugstherapie
 Brachytherapie in Kürze
                                          Prostatakrebszellen benötigen für
•    Bei der Seed-Technik werden
                                          ihr Wachstum das männliche Ge-
     kleine, radioaktive Körnchen
                                          schlechtshormon Testosteron. Es wird
     (Seeds) über Hohlnadeln in die
                                          vor allem in den Hoden, in geringen
     Prostata eingebracht („implan-
                                          Mengen auch in der Nebennierenrin-
     tiert“) und bleiben dauerhaft
                                          de gebildet. Verhindert man die Bil-
     dort.
                                          dung von Testosteron oder blockiert
•    Der Eingriff kann ambulant
                                          seine Wirkung, so nimmt man den
     oder stationär in Voll- oder Teil-
                                          Krebszellen einen wichtigen Anreiz
     narkose erfolgen.
                                          zur Vermehrung. Das Tumorwachs-
•    Eine strahlenbedingte Gefähr-
                                          tum wird gebremst.
     dung anderer Personen be-
     steht nicht.
                                          Die operative Entfernung beider Ho-
•    Die Seed-Implantation kommt
                                          den schaltet die Hormonproduktion
     bei örtlich begrenztem Prosta-
                                          dauerhaft und unumkehrbar aus. Mit
     takrebs mit niedriger Rückfall-
                                          bestimmten Medikamenten, soge-
     wahrscheinlichkeit in Betracht.
                                          nannten GnRH-Analoga, lässt sich die
•    Die Nachlade- oder Afterloa-
                                          Testosteronbildung ebenfalls hemmen.
     ding-Technik kann bei mittle-
                                          Sie werden monatlich oder alle drei
     rer und besonders bei hoher
                                          beziehungsweise sechs Monate als
     Rück fallwahrscheinlichkeit
                                          Depotspritze verabreicht. Hier ist die
     in Kombination mit einer Be-
                                          Wirkung allerdings umkehrbar: Lässt
     strahlung von außen einge-
                                          man die Medikamente weg, produzie-
     setzt werden. Die Behandlung
                                          ren die Hoden erneut Hormone. An-
     erfolgt in Kurznarkose zweimal
                                          tiandrogene, eine andere Gruppe von
     im Abstand von einer Woche.
                                          Medikamenten, unterdrücken nicht
     Die perkutane Bestrahlung
                                          die Bildung, sondern die Wirkung von
     schließt sich an.
                                          Testosteron. Der Effekt auf die Tumor-
                                          zellen ist der gleiche: Der Wachstums-
                                          reiz durch das Hormon entfällt. Anti-
                                          androgene werden in Tablettenform
                                          verabreicht.

                                          Alleinige Hormonentzugstherapie

                                          Alleinige Hormonentzugstherapie kann
                                          Prostatakrebs nicht heilen. Sie wird
                                          in erster Linie bei fortgeschrittener
31

Erkrankung und bei Vorliegen von Me-       verbessern und den Behandlungser-
tastasen eingesetzt, wenn Operation        folg festigen. Die Hormonentzugsthe-
oder Bestrahlung nicht möglich oder        rapie kann vor der Strahlentherapie
nicht erfolgversprechend sind.             (neoadjuvant) oder zeitgleich dazu
                                           beginnen. Wichtig ist die gleichzeitige
Bei älteren Männern oder bei Vorliegen     Hormon- und Strahlenbehandlung, da
von schweren Begleiterkrankungen           der Hormonentzug die Tumorzellen
kann sie aber auch bei örtlich begrenz-    empfindlicher für die Strahlen macht:
tem Prostatakrebs ausnahmsweise            Es sterben mehr Tumorzellen ab. Je
infrage kommen. Ob sich dadurch das        nach Behandlungsplan wird die Hor-
Fortschreiten der Erkrankung verlang-      monentzugstherapie nach Abschluss
samen und das Leben verlängern lässt,      der Bestrahlung (adjuvant) fortgesetzt.
ist aber noch nicht eindeutig geklärt.
Auf jeden Fall muss man die mögli-         Dabei sollte sich die Gesamtdauer der
chen Nebenwirkungen der Hormon-            Hormonentzugstherapie nach der Ein-
entzugstherapie bei der Entscheidung       schätzung der Rückfallwahrschein-
berücksichtigen.                           lichkeit (siehe Seite 17) richten.

Falls Sie sich gemeinsam mit Ihrem         Ergänzend zur Operation des örtlich
Arzt für das „Abwartende Beobach-          begrenzten Prostatakarzinoms hat die
ten“ (siehe Seite 21) entschieden haben,   Hormonentzugstherapie den vorlie-
kann es sein, dass im weiteren Verlauf     genden Studien zufolge keinen Nutzen.
Beschwerden durch den Tumor auftre-
ten. In dieser Situation ist der Hormon-
entzug eine bewährte Behandlungs-            Hormonentzugstherapie in Kürze
methode.
                                             •   Eine alleinige Hormonentzugs-
Bei Männern mit einer voraussicht-               therapie kommt beim örtlich
lichen Lebenserwartung von min-                  begrenzten Prostatakarzinom
destens zehn Jahren hat die alleinige            nur ausnahmsweise infrage.
Hormonentzugstherapie keinen Stel-           •   Eine die Strahlentherapie be-
lenwert.                                         gleitende Hormonentzugsthe-
                                                 rapie kann bei Patienten mit
                                                 erhöhter Rückfallwahrschein-
Begleitende Hormonentzugstherapie                lichkeit den Behandlungserfolg
                                                 verbessern.
Ergänzend zur Strahlentherapie ein-          •   Zusätzlich zur Operation des
gesetzt, kann eine zeitlich befristete           örtlich begrenzten Prostatakarz-
Hormonentzugstherapie bei Patienten              inoms wird die Hormonentzugs-
mit erhöhter Rückfallwahrscheinlich-             therapie nicht empfohlen.
keit die Wirksamkeit der Bestrahlung
32   Prostatakrebs | Behandlung

Andere Behandlungsverfahren

Verständlicherweise wird auch nach
neuen Behandlungsmethoden ge-
sucht, die wenig belastend, aber wirk-
sam sind. Einige solche minimal-inva-
siven Behandlungsverfahren werden
manchmal als Alternative zu Opera-
tion oder Strahlentherapie angeboten.
Dazu zählen beispielsweise:

•    Hyperthermie (Hitzebehandlung)
•    Kryotherapie (Kältetherapie)
•    Fokussierter Ultraschall (HIFU)
•    Photodynamische Therapie (VTP:
     Tumor versorgende Blutgefässe
     werden mit Medikamenten, die
     durch Laserlicht aktiviert werden,
     geschädigt)
•    Irreversible Elektroporation (IRE:
     Zellmembranen werden mit kur-
     zen elektrischen Pulsen durchlö-
     hert)

Allerdings weiß man noch nicht, ob
diese Methoden langfristig ebenso
wirksam sind wie Operation oder
Bestrahlung. In Deutschland werden
Hyperthermie, Kryotherapie, HIFU,
VTP und IRE als Erstbehandlung des
örtlich begrenzten Prostatakarzinoms
deshalb nach wie vor als experimen-
tell eingestuft. Die gesetzliche Kran-
kenversicherung übernimmt die Kos-
ten in der Regel nicht.
33

Unerwünschte Wirkungen und
Folgen der Behandlung
Alle auf den vorangehenden Seiten        Bei aktiver Überwachung (siehe Seite
beschriebenen Behandlungsverfah-         20) ist nicht mit solchen Beeinträch-
ren und Vorgehensweisen, auch die        tigungen zu rechnen, sofern sie nicht
aktive Überwachung und das ab-           vorher schon bestanden oder sich aus
wartende Beobachten, können uner-        anderen Gründen entwickeln. Dage-
wünschte Begleiterscheinungen und        gen kann die Sorge, dass der Tumor
Folgen haben. Diese unterscheiden        unbemerkt weiterwächst und dann
sich allerdings teils beträchtlich, so   schlechter behandelbar ist, für Be-
dass Sie sich bei Ihrer Entscheidung     troffene selbst und nahe Angehörige
für ein bestimmtes Vorgehen auch         bedrückend sein. Auch die wiederhol-
davon leiten lassen sollten, welche      ten Kontrollbiopsien sind belastende
Nebenwirkungen Ihnen am ehesten          Eingriffe.
akzeptabel erscheinen.
                                         Wenn Sie sich gemeinsam mit Ihrem
Als die schwerwiegendsten Neben-         Arzt für abwartendes Beobachten
wirkungen und Folgen von Operation       (siehe Seite 21) entschieden haben,
und Bestrahlung empfinden die meis-      nehmen Sie in Kauf, dass die Krankheit
ten Patienten:                           früher oder später möglicherweise
                                         fortschreitet und dann Beschwerden
•   die Beeinträchtigung der Sexu-       verursacht. Mit dieser Unsicherheit
    alfunktion durch Einschränkung       zu leben, ist vielleicht schwierig für
    oder Verlust der Erektionsfähig-     Sie. Andererseits vermeiden Sie be-
    keit (erektile Dysfunktion, ED)      handlungsbedingte Nebenwirkungen.
•   unfreiwilligen Urinabgang (Harnin-   Eventuell im Verlauf auftretende Be-
    kontinenz) und Harnentleerungs-      schwerden können meist gut behan-
    störungen                            delt werden. In seltenen Fällen kann
•   Dick- und Enddarmbeschwerden         es aber sein, dass der Tumor sehr ag-
    (Entzündungen, häufiger Stuhl-       gressiv und schnell wächst und dann
    drang, Schmerzen, Blutungen)         doch lebensbedrohlich wird.
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