RWTH insight - RWTH Aachen University

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RWTH insight
Universitätszeitung                                                                                                                                                                  1+2, 2017 18
                                                                                                           Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter konstruieren mit Laserstrahlen ein futuristisches Musikinstrument.

Licht wird zu Musik
                                                                                                           Foto: Peter Winandy

Der Laser hat seinen Siegeszug durch die              schreibung auf die Suche nach Studierenden, die      können wir beispielsweise auch klassische                       wie die Laserharfe weiterentwickelt werden könn-
Labore, Fabriken und Schlafzimmer dieser Welt         im Rahmen einer Projekt- oder Bachelorarbeit ein     Stücke aufführen“, erklärt König. Voraussetzung                 te: beispielsweise zu einem Instrument für meh-
angetreten, er ist aus dem heutigen Alltag nicht      solches Instrument bauen sollten. Drei Monate        für die Projektmitarbeit war eine musikalische                  rere Spieler mit dem Klang eines kompletten Or-
mehr wegzudenken. Auch zu Unterhaltungs-              später war der Prototyp einsatzbereit und wurde      Vorbildung und das Beherrschen eines Musik-                     chesters oder eine Erweiterung des Tonumfangs
zwecken wird Laserlicht gerne verwendet. So           während der RWTH-Wissenschaftsnacht „5 vor           instrumentes. König selbst spielt Elektro-Gitarre               durch Halbtöne. Es könnten ebenfalls zusätzliche
sind in der New Age Musikszene Laserharfen            12“ im November öffentlich präsentiert. Die Harfe    und Schlagzeug, Jan Maetschke Kirchenorgel,                     Lichteffekte eingebaut werden, die im Takt der
bereits vertraute elektronische Instrumente. Zu       beruht auf einer etwa ein Quadratmeter großen        Johannes Rinck Klavier, Robert Beseler Klarinet-                Musik einsetzen.
den bekanntesten Künstlern zählt der Franzose         Plattform. Im Inneren der schwarzen Kiste ver-       te und Jonas Rachner Geige. Marcel Prochnau                     König und Prochnau planen, im Rahmen der
Jean-Michel Jarre. Nachdem der Diplom-Ingeni-         birgt sich aufwändige Technik. Dort werden zu-       und Nicole Grubert, die ihre Bachelorarbeit über                RWTH-Exkursionswoche neuen interdisziplinä-
eur Georg König eines seiner Videos sah, initiierte   nächst Laserstrahlen produziert und auf Spiegel      die Technik der Laserharfe schreibt, spielen kein               ren Teams die Chance zu bieten, Laserharfen zu
er an der RWTH die Konstruktion einer Laser-          gelenkt, die dann zwölf Strahlen senkrecht durch     Instrument. Sie beherrschen aber die Technik                    erstellen. Und die derzeit aktive Gruppe möchte
harfe. Das war machbar am Lehrstuhl für Tech-         ein Glasfenster der Plattform schicken. Eine         der Apparatur: Ziel von Studentin Grubert ist,                  noch Live-Auftritte mit der Laser-Harfe absolvie-
nologie Optischer Systeme (TOS), wo König als         Optikeinheit mit den drei Grundfarben Rot, Gelb      die Laserharfe deutlich kleiner und kompakter                   ren. Einen Künstlernamen – angelehnt an den
wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig ist. TOS         und Blau sowie zwei Farbfilter ermöglichen es,       zusammenzusetzen, um sie besser handhaben                       Institutsleiter des Lehrstuhls für Technologie
und die Lehrstühle für Lasertechnik, für Digitale     die Laserstrahlen in allen Farben darzustellen.      und transportieren zu können.                                   Optischer Systeme – hat das Ensemble schon in
Additive Produktion und das Fraunhofer-Institut       Unterschiedliche Farbkombinationen bedeuten                                                                          petto: „Professor Loosens monochromatisches
für Lasertechnik bilden gemeinsam ein führendes       auch verschiedene Klänge, etwa Geigen- oder          „Professor Loosens monochromatisches                            Lichtorchester“.
Zentrum für Auftragsforschung und -entwicklung        Gitarrentöne, aber auch Schlagzeug-Beats.            Lichtorchester“                                                                                     Helga Hermanns
im Bereich Lasertechnik. Das bot ideale Voraus-       Gespielt wird die Harfe von einer oder mehreren      „Mit der Laserharfe lässt sich vieles ausprobie-
setzungen für das Projekt Laserharfe.                 Personen mit den Handflächen. Sobald man die         ren, was auch im Studium wichtig ist“, betont
                                                      fächerförmig ausgesandten Laserstrahlen unter-       Prochnau. „Dazu gehören die Programmierung,
Projekt- und Bachelorarbeit                           bricht, wird dies von Fotodioden erkannt. Die        das Kombinieren und Lenken der Laserstrahlen
König und sein Kollege Marcel Prochnau machten        eigentlichen Töne erzeugt ein Computer, auf dem      und das Vornehmen mechanischer Einstellun-
sich im Sommer vergangenen Jahres per Aus-            die Ton-Kombinationen programmiert sind. „So         gen.“ Die Gruppe hat noch eine Reihe von Ideen,

Weniger Stickoxide
Um Emissionen wie Stickoxide und Ruß zu               das Institut für Technische und Makromolekulare      lauf, da sie aus Kohlendioxid hergestellt werden                nen OMEx im Vergleich zu fossilem Diesel mit
reduzieren, entwickeln RWTH-Wissenschaftler           Chemie. Die Zusammenarbeit wurde im „Power-          können. Hierzu wird das Kohlendioxid mit Was-                   deutlich niedrigeren Rußemissionen, wodurch
alternativen Kraftstoffen aus regenerativen Quel-     to-Fuel“-Projekthaus und im Exzellenzcluster         serstoff in maßgeschneiderte Kraftstoffe umge-                  sich niedrigere Stickoxidemissionen realisieren
len. Im Kopernikus-Projekt „Power-to-X“ steht         „Tailor-Made Fuels from Biomass“ etabliert. Stu-     wandelt. Wenn der Wasserstoff aus erneuerbaren                  lassen. Damit lassen sich Stickoxid- und Ruß-
die ganzheitliche ökologische Bewertung des           dienergebnisse veröffentlichte jetzt das Magazin     Energien hergestellt wird, sind diese Kraftstoffe               emissionen reduzieren.
alternativen Kraftstoffs Oxymethylenether, kurz       „Energy & Environmental Science“.                    nahezu klimaneutral. Oxymethylenether, kurz
OMEx, im Fokus. Beteiligt sind die Lehrstühle         Gewöhnliche Kraftstoffe erzeugen bei der Ver-        OMEx, sind eine Gruppe dieser maßgeschnei-
Technische Thermodynamik, Systemverfahrens-           brennung das Treibhausgas Kohlendioxid. Alter-       derten Kraftstoffe. Bedingt durch ihre molekulare                        http://pubs.rsc.org/en/content/
technik und Verbrennungskraftmaschinen sowie          native Kraftstoffe schließen den Kohlenstoffkreis-   Struktur und den hohen Sauerstoffanteil verbren-                         articlelanding/2017/ee/c7ee01657c

                                                                                                                                                                                                                              |1
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Das Aldenhoven Testing Center bietet acht Streckenelemente
                                                                                                                                                                                         für Forschung, Entwicklung und Absicherung von einzelnen
                                                                                                                                                                                         Systemen und Gesamtfahrzeugen.
                                                                                                                                                                                         Foto: Peter Winandy

                                                                                                                                                                                         Feldversuche im öffentlichen Verkehr
                                                                                                                                                                                         Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
                                                                                                                                                                                         erproben neue Entwicklungen aber auch in Feld-
                                                                                                                                                                                         versuchen im öffentlichen Verkehr: Informiert
                                                                                                                                                                                         wurde unter anderem über das Projekt PARIS,
                                                                                                                                                                                         das parallele Implementierungsstrategien für
                                                                                                                                                                                         hoch-automatisiertes Fahren untersucht. Das
                                                                                                                                                                                         Center for integrative Traffic investigation (CiTi)
                                                                                                                                                                                         baut im ersten Schritt eine Verkehrsdatenbank
                                                                                                                                                                                         auf, um letztlich die Ebene des Gesamtverkehrs
                                                                                                                                                                                         zu erschließen. Inhalt des Projektes KoMoD ist

Future Mobility Lab
                                                                                                                                                                                         ein digitales Testfeld, in dem neue Technologien
                                                                                                                                                                                         auf Straßen in Düsseldorf getestet werden kön-
                                                                                                                                                                                         nen.
                                                                                                                                                                                         Präsentiert wurde auch das Forschungsprojekt
                                                                                                                                                                                         SpeedE: Gefördert von der Hans Hermann
                                                                                                                                                                                         Voss-Stiftung macht es das Innovationspotenzial
Über 100 Automobilexperten nahmen an einem             Intelligente Straßenkreuzung                                     genten Ampeln, Sensoren und Kommunikations-                      rein elektrisch angetriebener Fahrzeuge erlebbar.
Tag der offenen Tür des Future Mobility Lab der        „Aus Mitteln der Exzellenzinitiative haben wir im                infrastruktur, dem Mobilfunk-Testfeld 5G Mobility                Das Fahrzeug wurde als Plattform im Institut für
RWTH zu Beginn des Wintersemesters teil. Im            Rahmen eines Verbundprojekts eine intelligente                   Lab von Vodafone und der Galileo-Forschungs-                     Kraftfahrzeuge gemeinsam mit Partnern aus For-
Aldenhoven Testing Center – kurz ATC genannt –         Straßenkreuzung errichtet. Sie wird jetzt um ein                 umgebung automotiveGATE erleben. Gezeigt                         schung und Industrie sukzessive aufgebaut. Die
machten RWTH-Teams deutlich, was im Bereich            urbanes Szenario für vernetztes und automatisier-                wurden Funktionen wie das fahrerlose Parken in                   Plattform bietet die Basis, um innovative Kompo-
zukünftiger Mobilität bei Kooperation aller relevan-   tes Fahren erweitert“, berichtete Eckstein. Das                  Parkhäusern, das sogenannte Valet-Parken, oder                   nenten, Systeme und Funktionen zu entwickeln,
ten Fachdisziplinen möglich ist.                       Projekt CERM – Kurzform für Center for Europe-                   auch vernetzte Systeme zur Verbesserung der                      auf Gesamtfahrzeugebene zu integrieren und in
Mitglieder des Future Mobility Lab sind Institute      an Research on Mobility – umfasst eine flexible                  Sicherheit von Fußgängern. So liefern beispiels-                 Fahrversuchen subjektiv und objektiv zu bewer-
beziehungsweise Lehrstühle mehrerer Fakultäten         IT-Infrastruktur für vernetzte und automatisierte                weise intelligente Straßenlaternen oder spezielle                ten. SpeedE vereint ein Steer-by-Wire-System mit
und das Human-Computer Interaction Center.             Mobilität. Es ermöglicht die Erprobung neuer                     Road-Side-Units Fahrzeugen zusätzliche Informa-                  bis zu 90 Grad Lenkwinkel. Gesteuert wird durch
„So werden die breiten Kompetenzen unserer             Fahrfunktionen, die Analyse und Bewertung der                    tionen über Verkehrsfluss und -dichte. Mit Sensor-               Sidesticks, wie sie in der Luftfahrt bereits etabliert
Hochschule im Bereich der Mobilitätsforschung          Nutzerinteraktion und -akzeptanz wie auch die                    fusion lässt sich ein deutlich besseres Modell der               sind. Die Architektur und die offenen Schnittstellen
zusammengeführt. Das gilt auch für die hier in         Simulation von Funkübertragungen. Darauf auf-                    Umgebung erzeugen, eine wichtige Vorausset-                      des SpeedE machen eine schnelle Integration und
Aldenhoven entstandene Infrastruktur, die wir          bauend schafft das Projekt CERMcity eine städ-                   zung für das automatisierte Fahren. „Wir arbeiten                Erprobung von Entwicklungen beispielsweise aus
über viele Jahre zusammen gestaltet haben“, be-        tische Testumgebung für automatisiertes Fahren.                  in einem Netzwerk von Partner der Hochschule                     den Bereichen intelligente Antriebe, Thermomana-
tonte Professor Lutz Eckstein, Leiter des RWTH-        Damit lassen sich die komplexen Herausforderun-                  und aus der Industrie, die nicht mehr allein aus                 gement oder automatisiertes Fahren möglich.
Instituts für Kraftfahrzeuge. Das ATC bot den ein-     gen innerstädtischer Kreuzungen für die zuneh-                   dem Automobilsektor kommen, sondern zum                           					 ky
drucksvollen Rahmen für Live-Demonstrationen           mend automatisierten Fahrfunktionen darstellen.                  Beispiel Experten für Mobilfunkinfrastruktur sind“,
mit Fahrzeugen und für interaktive Präsentationen.     Die Besucher konnten eine Kreuzung mit intelli-                  sagte Eckstein.                                                            www.futuremobilitylab.de

Ministerin sieht RWTH auf gutem Kurs
„Die RWTH Aachen ist eine exzellente Hochschule
in NRW“, betonte Isabel Pfeiffer-Poensgen, Minis-
terin für Kultur und Wissenschaft des Landes
Nordrhein-Westfalen, bei ihrem offiziellen Antritts-
besuch in der RWTH. Die gebürtige Aachenerin
diskutierte mit dem Rektorat die Entwicklung der
Hochschulen in Land und Bund. Sie gratulierte
zu den ersten Resultaten in der neuen Exzellenz-
strategie, in Forschungs- wie Lehrfragen sowie
zu den Fortschritten des Projektes RWTH Aachen
Campus. „Die nordrhein-westfälischen Universi-
täten sind für die Exzellenzstrategie hervorragend
aufgestellt, die erste Entscheidung zeigt, wie
leistungsstark der Forschungsstandort ist“, sagte
Pfeiffer-Poensgen.
„Wir blicken der Zusammenarbeit optimistisch
entgegen. Die Hochschule hat große Erwartungen
in Bezug auf einen notwendigen Bürokratieabbau.
Die Entscheidungsprozesse müssen beschleunigt
und Aufbruch aus dem Stillstand bei der Ent-
wicklung des Campus West unterstützt werden“,
kommentierte Rektor Ernst Schmachtenberg.
„Mit den jüngst von der Ministerin formulierten
Schwerpunkten in den Bereichen Digitalisierung
in Lehre und Forschung sowie beim Bauen und
Investieren an Hochschulen und Universitätskli-
niken sehen wir wichtige Themen im Fokus, mit          Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (3. von links) mit Kanzlervertreter Thomas Trännapp, Prorektor Professor Malte Brettel, Rektor Professor Ernst Schmachtenberg, Prorektorin
denen wir uns an der RWTH schon lange intensiv         Professorin Doris Klee und Prorektor Professor Aloys Krieg (von links).
beschäftigen.“                                         Foto: Andreas Schmitter

Neubesetzung des Hochschulrats                         Neu in dem Gremium sind Professorin Artemis                      mentelle Tumorforschung in der Pädiatrie, Goethe-                Hochschulrat wurden Dr. Bernd Bohr, Vorsitzen-
Bei ihrem Besuch verabschiedete die Ministerin         Alexiadou (Humboldt-Universität Berlin, Professur                Universität Frankfurt, Mitglied des Wissenschafts-               der des Hochschulrats (ehem. Geschäftsführer
den scheidenden Hochschulrat und begrüßte die          für Englische Sprachwissenschaften und stellv.                   rats), Dr. Waltraud Kreutz-Gers (Kanzlerin Uni-                  der Robert Bosch GmbH und Vorsitzender des
neuen Mitglieder des Gremiums. Der Hochschul-          Direktorin, Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprach-                   versität Mainz), Professorin Ingrid Mertig (Profes-              Unternehmensbereichs Kraftfahrzeugtechnik) und
rat wirkt unter anderem an der Wahl des Rektora-       wissenschaft), Dr. Roland Busch (Chief Techno-                   sur für Theoretische Physik, MLU Halle), Christine               Dr. Robert G. Gossink (Aufsichtsratsvorsitzender
tes mit und führt Aufsicht über dessen Geschäfts-      logy Officer und Mitglied des Vorstands der                      Peters (Projekt- & Qualitätsmanagement Fasern                    der Uniklinik RWTH Aachen). Die Amtszeit des
führung. Auch ist seine Zustimmung zum Hoch-           Siemens AG), Professor Koenraad Debackere                        und Membranen bei der Evonik Fibres GmbH)                        Gremiums beträgt fünf Jahre, der Bestellungszeit-
schulentwicklungsplan, den Zielvereinbarungen          (Universität Leuven, Economics), Professorin                     und Professor Georg Rosenfeld (Vorstand                          raum beginnt am 28. November 2017 und dauert
und dem Wirtschaftsplan erforderlich.                  Simone Fulda (Direktorin des Instituts für Experi-               Fraunhofer-Gesellschaft). Wiederbestellt in den                  bis zum 27. November 2022.

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RWTH insight - RWTH Aachen University
Extremtests für Satelliten
Die Thermal-Vakuum-Kammer des Instituts für
Strukturmechanik und Leichtbau SLA der RWTH
ist ein zweimal zwei Meter großer, liegender
Edelstahl-Zylinder und wirkt auf den ersten Blick
recht unspektakulär. Allerdings kann es in dieser
Kammer sehr heiß und auch sehr kalt werden –
denn es ist möglich, sie auf minus 180 Grad ab-
zukühlen oder auf plus 180 Grad aufzuheizen.
Mit der Kammer lassen sich Eigenschaften und
Verhalten von Komponenten oder von komplet-
ten Satelliten unter Weltraumbedingungen testen,
indem sie mehreren Temperaturzyklen ausge-
setzt werden. Im Weltall kann man die Tempe-
ratur wegen des Vakuums nicht messen, man
nimmt eine Temperatur von drei Kelvin – unge-
fähr minus 270 Grad – an. Wenn Sonnenlicht auf
das Material trifft, wird es andererseits schnell
extrem heiß. Jeder Satellit im Weltall muss des-
halb ein eigenes Kühl- und Heizsystem haben
und ist dennoch extremen Temperaturschwan-
kungen ausgesetzt.
Im iBOSS-3-Projekt – Kurzform für Intelligentes
Baukastenkonzept für das On-Orbit-Satelliten-
Servicing – entwickelt das SLA zusammen mit
dem RWTH-Institut für Mensch-Maschine-Inter-
aktion, dem Institut für Luft- und Raumfahrt der
Technischen Universität Berlin, dem Forschungs-
zentrum Informatik in Karlsruhe, dem RIF Institut
für Forschung und Transfer e.V. in Dortmund
und der Joerg Kreisel International Consultant in
Aachen einen modularen Satelliten. Seine Kom-       Die Thermal-Vakuum-Kammer des Instituts für Strukturmechanik und Leichtbau SLA testet Satelliten unter Weltraumbedingungen.
ponenten sollen austauschbar sein. Bislang tra-     Foto: Peter Winandy
gen Satelliten beim Ausfall eines einzigen Sys-
tems zum Anwachsen des Weltraummülls bei,
oder sie müssen kontrolliert zum Absturz ge-        wurden: Dazu gehören Infrarotlampen, die das                  Bevor die Anlage im vergangenen Jahr in Betrieb                 die Forschung bereit. Die Thermal-Vakuum-Kam-
bracht werden.                                      Sonnenlicht simulieren und ein temperierbarer                 ging, waren im Institut an der Wüllnerstraße                    mer steht nicht nur den Mitgliedern des iBOSS-
                                                    Alu-Tisch. Auf ihm können einzelne Komponen-                  einige Umbauten erforderlich: Da mit flüssigem                  3-Projekts, sondern weiteren interessierten
Besondere Ausstattung im RWTH-Institut              ten und Materialproben aufgeheizt und abge-                   Stickstoff gekühlt wird, mussten Rohre eingefügt                RWTH-Einrichtungen zur Verfügung.
Die Kammer des SLA soll wie ähnliche Einrichtun-    kühlt werden – mit Hilfe einer Kryopumpe unter                werden, damit der nötige Druck für den flüssigen                			                              Rauke Bornefeld
gen zur Satellitenqualifizierung genutzt werden.    extremen Vakuum-Bedingungen. Eine außerhalb                   Zustand aufrecht erhalten werden kann. Seit
Besonders ist in Aachen aber die Ausstattung,       liegende Infrarotkamera kann durch das spezielle              Juni ist die Kammer einsatzfähig, sie wurde in                         Anna Häming, +49 241 80-96833
die nach den Vorgaben des Instituts eingebaut       Saphirglas Wärmeflüsse aufnehmen.                             mehreren Durchläufen getestet und ist jetzt für                        anna.haeming@sla.rwth-aachen.de

NASA-Experte
                                                                                                                                                  William H. Gerstenmaier gab Mitte Dezember im Hörsaalgebäude C.A.R.L.
                                                                                                                                                  einen Ausblick auf die Entwicklung der bemannten Raumfahrt. Der Associate
                                                                                                                                                  Administrator for Human Exploration and Operations der US-Raumfahrtbe-
                                                                                                                                                  hörde NASA referierte zum Thema „From the International Space Station

Gerstenmaier referierte
                                                                                                                                                  to Mars – The future of manned Space Exploration“. Der Raumfahrtexperte
                                                                                                                                                  sprach vor vollbesetzten Rängen, der öffentliche Vortrag wurde sogar noch
                                                                                                                                                  in einen weiteren Hörsaal übertragen.
                                                                                                                                                  Der Besuch von Gerstenmaier in der RWTH hatte einen aktuellen Hinter-
                                                                                                                                                  grund: Das Alpha-Magnet-Spektrometer-Experiment, kurz AMS genannt,
                                                                                                                                                  wurde zu bedeutenden Teilen am I. Physikalischen Institut unter Leitung von
                                                                                                                                                  Professor Stefan Schael entwickelt und gebaut. Seit 2011 umkreist das AMS
                                                                                                                                                  in 400 Kilometer Höhe die Erde und zeichnet kontinuierlich Teilchen aus der
                                                                                                                                                  kosmischen Strahlung auf. Mit einer Bauzeit von 15 Jahren, Kosten von 1,5
                                                                                                                                                  Milliarden US-Dollar und einem Gewicht von sieben Tonnen ist es das größte
                                                                                                                                                  Experiment zur Grundlagenforschung auf der Raumstation.

                                                                                                                                                  Neues Kühlsystem für das AMS-Experiment
                                                                                                                                                  Nun steht eine der kompliziertesten Aktionen an, die die NASA bisher im
                                                                                                                                                  Weltraum durchgeführt hat. Drei der vier Pumpen des Kühlsystems von AMS
                                                                                                                                                  sind ausgefallen. Um den langfristigen Betrieb von AMS sicherzustellen, soll
                                                                                                                                                  ein neues Kühlsystem in Außeneinsätzen montiert werden – keine leichte
                                                                                                                                                  Aufgabe, da die Astronauten mit ihren sogenannten Fausthandschuhen acht
                                                                                                                                                  nur sechs Millimeter dicke Kühlleitungen durchtrennen und anschließend
                                                                                                                                                  wieder mit dem neuen Kühlsystem verbinden müssen. Dieses Gerät, etwa
                                                                                                                                                  so groß wie ein Kühlschrank, wird zurzeit am I. Physikalischen Institut unter
                                                                                                                                                  Beteiligung von internationalen Forschergruppen aus den USA, Italien, China,
                                                                                                                                                  Taiwan, Spanien und der NASA entwickelt und getestet.
                                                                                                                                                  Der emeritierte RWTH-Professor Klaus Lübelsmeyer koordiniert die Arbeiten
                                                                                                                                                  in Aachen, während in den USA die Astronauten schon für den schwierigen
                                                                                                                                                  Einsatz im Weltraum, der Anfang 2019 geplant ist, trainieren. Gerstenmaier
                                                                                                                                                  informierte sich über den Stand der Aachener Aktivitäten – das Leben der As-
                                                                                                                                                  tronauten ist nun zum zweiten Mal nach 2011 schließlich auch von der „Bau-
                                                                                                                                                  kunst“ der Aachener Physiker abhängig. Die Reparatur soll die Lebensdauer
                                                                                                                                                  des AMS bis 2028 verlängern, dem möglichen Ende des Betriebs der ISS.
Foto: Andreas Schmitter                                                                                                                                                                                                       red

                                                                                                                                                                                                                               |3
RWTH insight - RWTH Aachen University
Das IKS|Lab verfügt über 36 Lautsprecher nebst Subwoofern
                                                                                                                                                             und über eine VR-Anlage, so dass 3D-Audioformate und
                                                                                                                                                             360-Grad-Video-Content wiedergegeben werden können.
                                                                                                                                                             Foto: Peter Winandy

                                                                                                                                                             ker und Musikliebhaber Jax, erste Kontakte mit
                                                                                                                                                             den städtischen Musikern aufzunehmen. „Wir
                                                                                                                                                             sahen die faszinierende Möglichkeit, räumliche
                                                                                                                                                             Audiosignale mit professioneller Klangqualität
                                                                                                                                                             aufzuzeichnen.“

                                                                                                                                                             Innnovative Aufzeichnungstechniken
                                                                                                                                                             Letztlich wurden drei Konzerte aufgezeichnet:
                                                                                                                                                             Brahms Requiem im Aachener Dom, Mahlers 9.
                                                                                                                                                             Sinfonie im Aachener Eurogress – beide noch
                                                                                                                                                             mit dem damaligen Generalmusikdirektor Kazem
                                                                                                                                                             Abdullah. Es folgte dann Mahlers 2.Sinfonie im
                                                                                                                                                             Eurogress, nun mit Justus Thorau am Dirigen-
                                                                                                                                                             tenpult. Eingesetzt wurden für die Aufnahmen
                                                                                                                                                             das räumliche Mikrofonsystem Eigenmike des
                                                                                                                                                             Forschungsinstituts mh acoustics LLC, USA.
                                                                                                                                                             Es besteht aus 32 Mikrofonkapseln auf einer
                                                                                                                                                             Kugeln von acht Zentimetern Durchmesser und
                                                                                                                                                             einem 360-Grad-Kamerasystem. Die binauralen
                                                                                                                                                             Ton-Aufzeichnungen erfolgten mit einem Kunst-
                                                                                                                                                             kopf, einer Nachbildung eines menschlichen

Surrounded
                                                                                                                                                             Kopfes, mitsamt GoPro-Kameras. Für das Pro-
                                                                                                                                                             jekt hat die HEAD acoustics GmbH aus Herzo-
                                                                                                                                                             genrath zusätzliche Kunstkopfmesssysteme aus
                                                                                                                                                             ihrem Produktportfolio bereitgestellt.

                                                                                                                                                             IKS | Lab bietet viele Nutzungen
                                                                                                                                                             Das Resultat sind Aufnahmen mit authentischem

by Sound
                                                                                                                                                             Klang, entstanden sehr nah am Dirigenten. Es
                                                                                                                                                             ist ein Audiodokument mit allen kleinen Fehlern,
                                                                                                                                                             die in jedem Konzert vorkommen können, ohne
                                                                                                                                                             dass ein Tonmeister das Werk glättet. Für die
                                                                                                                                                             Dirigenten und das Orchester waren die Aufnah-
                                                                                                                                                             men nie dagewesene Zeugnisse ihrer Arbeit.
                                                                                                                                                             Die Tätigkeit des IKS beginnt erst nach den
                                                                                                                                                             Aufnahmen mit deren Reproduktion und Aufbe-
                                                                                                                                                             reitung: „Der Schlüssel ist die Entkopplung von
Das Cello scheint zum Greifen nah, und doch          der Institutsforschung, angesiedelt in der Fakul-   Auflösung. Indem zukünftige Kommunikations-         Aufnahme und Wiedergabe“, berichtet die aka-
kann man es nicht berühren. Sein Klang aber ist      tät für Elektrotechnik und Informationstechnik,     technik der natürlichen intuitiven Wahrnehmung      demische Direktorin des IKS, Dr.-Ing. Christiane
äußerst präsent und förmlich spürbar, während        sind seit jeher die Kommunikationstechnik, die      räumlicher Tonszenen entgegenkommt, können          Antweiler. „Alle Mikrofonsignale der Aufnahmen
die 2. Sinfonie von Mahler dargeboten wird. Der      digitale Sprach- und Audioverarbeitung oder die     Inhalte und Emotionen besser transportiert und      werden konvertiert und für die Wiedergabe
neue Abhörraum mit dem Namen IKS|Lab des             Codierung von Sprach- und Audiosignalen. Seit       erlebbar gemacht werden“, erklärt Jax. Der          entsprechend umgerechnet.“ Die enstandenen
RWTH-Instituts für Kommunikationssysteme,            der Berufung des Institutsleiters Professor Dr.     Schritt nach Stereo und Dolby Surround werde        interaktiven 360-Grad-Videos mit 3D-Audio seien
kurz IKS genannt, verschafft ein Erlebnis mitten-    Peter Jax im Jahr 2015 liegt ein Fokus auf der      nicht bestimmt durch die Zahl der Lautsprecher,     weltweit in dieser Qualität sicherlich einmalig.
drin: Wer die Virtual-Reality-Brille aufsetzt und    Audiosignalverarbeitung für immersive Audiosys-     sondern neue akustische Signale werden Grund-       Das IKS|Lab bietet aber noch weit mehr Nut-
die Musik aus 36 Lautsprechern mit zusätzlichen      teme – dazu gehören unter anderem dreidimen-        lage für bislang nicht erreichte Qualitäten. „Wir   zungen als die Demonstration der Qualität eines
Subwoofern hört, fühlt sich vom Orchester und        sionale Audioformate, binaurale Hörgerätetechnik    arbeiten an der Unabhängigkeit von der Zahl         Orchesters. Das Labor wird für formale Hörtests,
einer Klangwolke umgeben. Die Brille mit 360-        oder immersive Konferenzsysteme. Immersion          der Lautsprecher“, betont Jax.                      Messzwecke und für die Forschung an Echtzeit-
Grad-Videocontent und die 3D-Audioformate            bedeutet dabei das Eintauchen des Betrachters       Die Kooperation begann vor einem Jahr: Jax          systemen für immersive Tonformate eingesetzt.
simulieren bei Kopfdrehungen unmittelbare Nähe       und Zuhörers in eine reproduzierte Szenerie.        war Gast bei einem Konzert im Manfred-Weck-         Weltweit gebe es nur wenige Abhörräume dieser
nicht nur zum Cello, sondern ebenso zu den                                                               Haus des WZL – einer Aufführung im Rahmen           Art, betont Antweiler.
Violinisten oder anderen Akteuren.                   „Emotionen werden erlebbar“                         des Music Lab, ein Veranstaltungsformat der                                      Thorsten Karbach/red
Dieser Genuss der meisterhaften Sinfonie wird        „Die neuartigen Technologien übertreffen deut-      RWTH mit dem Sinfonieorchester, bei dem in
möglich durch eine Kooperation des IKS mit dem       lich die konventionelle Stereo- und Surround-       Forschungsstätten der Hochschule gespielt wird.             https://www.iks.rwth-aachen.de/
Sinfonieorchester Aachen. Die Schwerpunkte           Wiedergabe, das gilt vor allem für die räumliche    Das war Anlass für den Kommunikationstechni-                forschung/audio/

Genius Loci-Preis für die RWTH
Die RWTH erhielt den erstmals vergebenen             Qualitätsmanagementsystem entwickelt und            eine kompetenzorientierte, forschungsgeleitete      Higher Education einzusetzen. Sowohl die RWTH
Genius Loci-Preis für Lehrexzellenz. Ausgelobt       die Prozesse rund um das Studium von der Ein-       und praxisbezogene Ausbildung von hochqualifi-      als auch die TH Köln wurden bereits 2009 im
wird dieser deutschlandweite institutionelle Preis   schreibung über Klausuranmeldung bis zum            zierten und verantwortungsbewussten Absolven-       „Wettbewerb Exzellente Lehre“ des Stifterver-
für exzellente Lehre durch den Stifterverband        Abschlusszeugnis entscheidend verbessert. Wir       tinnen und Absolventen an. Das von der RWTH         bandes und der Kultusministerkonferenz der
für die Deutsche Wissenschaft. Die Aachener          wollen insbesondere durch den Dialog zwischen       verfolgte Ziel, 75 Prozent der Studierenden zum     Länder ausgezeichnet. Die damals prämierten
Hochschule verfüge über eine umfassende ins-         Lehrenden und Studierenden noch besser wer-         Studienabschluss zu führen, sei zwar sehr ambi-     Lehrkonzepte wurden laut Stifterverband konse-
titutionelle Lehrstrategie und setze diese bei der   den“, so Krieg. Jetzt werde der Fokus auf Inter-    tioniert, aber auf diesem Weg erreichbar.           quent weiterentwickelt und waren Grundlage für
Gestaltung der Curricula oder der Qualifizierung     nationalisierung und Unterrichtsmethodik gelegt.    Vergeben wird der Genius Loci-Preis für Lehr-       die nun gewürdigten Strategien. „Das ständige
der Lehrenden beispielhaft um, so die Jury.          Ein Schwerpunkt sei die Digitalisierung, die alle   exzellenz in zwei Kategorien. In der Kategorie      Bemühen um Lehrexzellenz ist an diesen beiden
„Diese Auszeichnung ist eine Wertschätzung der       Bereiche von Studium und Lehre durchdringt.         Fachhochschulen wird die Technische Hoch-           Hochschulorten deutlich spürbar“, sagt Dr. Volker
bisher geleisteten Arbeit. Die Bewertung durch                                                           schule Köln ausgezeichnet, mit der die RWTH         Meyer-Guckel als stellvertretender Generalsekre-
ein externes Expertengremium zeigt uns, dass         „Weiterentwicklung der exzellenten Lehre“           in Lehrfragen seit Jahren erfolgreich zusammen-     tär des Stifterverbandes.
wir auf dem richtigen Weg sind. Sie ist gleichzei-   Seitens des Stifterverbandes heißt es, die RWTH     arbeitet. Die beiden ausgezeichneten Hoch-                                                        tka
tig Ansporn, diese Anstrengungen fortzusetzen“,      habe mit einer sehr durchdachten Lehrstrategie      schulen erhalten je 10.000 Euro. Das Preisgeld
kommentiert Professor Aloys Krieg, Prorektor         überzeugt, die sich klar in die Gesamtstrategie     ist zweckgebunden und für die Einladung eines
für Lehre. „Wir haben in den letzten Jahren ein      der Hochschule einfüge. Die Universität strebe      Visiting Scholar of Teaching and Learning in

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RWTH insight - RWTH Aachen University
Simulationen in Echtzeit
In den letzten Jahrzehnten gab es immense             durch den Wärmeeintrag zerstört werden, gleich-
Fortschritte bei der Modellierung physikalischer      zeitig will man angrenzendes gesundes sowie
Prozesse, auf dem Gebiet des Hochleistungs-           andere Gewebestrukturen wie etwa Nerven und
rechnens und bei der Entwicklung numerischer          Blutgefäße schonen. Da sich die Wärme im Ge-
Verfahren sowie moderner Rechnerarchitekturen.        webe ausbreitet, erfordern beide Verfahren eine
Die wissenschaftliche Herausforderung ist heute       sehr genaue Behandlungsplanung zur Berech-
jedoch nicht weniger anspruchsvoll und komplex.       nung der Temperaturverteilung.
Dazu gehört zum Beispiel, den Einfluss von Un-
sicherheiten in den Eingangsdaten oder Modell-        Mathematische Methoden sind erforderlich
parametern zu charakterisieren und das Verhal-        Viele Aspekte der Therapien und ihrer Auswir-
ten des Systems zu regeln oder zu optimieren,         kungen sind noch nicht ausreichend erforscht.
möglicherweise sogar in Echtzeit. Mit diesen          Wesentlich sind Vorplanung und Echtzeitopti-
Themen befasst sich eine Forschungsgruppe in          mierung des Verlaufs der Behandlung. Bei der
interdisziplinärer Kooperation unter Leitung von      RF-Ablation stellen sich zum Beispiel die Fragen:
Professorin Karen Veroy-Grepl im AICES, dem           Wo kann die Sonde optimal platziert werden?
Aachen Institute for Advanced Study in Compu-         Wie viele Sonden sollten benutzt werden, und
tational Engineering Science der RWTH.                welche Leistung sollte jede Sonde einbringen?
                                                      Lässt sich der Tumor zerstören, ohne die be-
Schonende Krebstherapie                               nachbarten Organe und das gesunde Gewebe
Ein Beispiel unter vielen Anwendungen ist die         wesentlich zu schädigen? Kann die Behand-
Optimierung der Krebstherapie. Es gibt zwei           lungsplanung möglichst schnell auf unterschied-
Therapien, die auf die Zerstörung eines Tumors        liche Patienten angepasst werden? Und schließ-
mittels Wärmeeintrag abzielen. Die Hyperther-         lich: Wie kann während der Behandlung in Echt-               Professorin Karen Veroy-Grepl und Denise Degen optimieren die Temperaturverteilung bei einer Tumortherapie in einem
mie-Behandlung kommt bei größeren inoperab-           zeit auf sich ändernde Bedingungen reagiert                  Prostatamodell.
len Tumoren zum Einsatz. Dabei wird der Tumor         werden? Mathematische Methoden sind nötig,                   Foto: Peter Winandy
durch elektromagnetische Wellen, die über Appli-      um schnell und effizient die Temperaturverteilung
katoren außerhalb des Körpers in den Tumor ge-        im Gewebe zu berechnen und diese durch die                   verlässlich sein muss. Im AICES werden daher
leitet werden, für ungefähr eine Stunde auf eine      Optimierung des Wärmeeintrags zu beeinflussen.               effizient berechenbare Fehlerschranken oder
Temperatur von bis zu 43 Grad Celsius erwärmt.                                                                     -abschätzungen für die niedrig-dimensionale
Die zweite Behandlungsart ist die Radiofrequenz-      Forschung im AICES                                           Approximation entwickelt. Die sehr niedrigen Be-
induzierte Thermotherapie, kurz RF-Ablation ge-       Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler                 rechnungskosten und Fehlerschranken erlauben                     Die Forschung wird gemeinsam mit Wissen-
nannt. Sie wird bei kleineren Tumor-Arealen von       entwickeln hierzu Verfahren der Modellreduktion,             es, Simulationen sehr schnell durchzuführen und                  schaftlerinnen und Wissenschaftlern von
drei bis fünf Zentimeter genutzt. Bei diesem Ver-     bei denen sie die sogenannten Approximationen                gleichzeitig den Approximationsfehler explizit zu                Philips Research Eindhoven und weiteren
fahren wird eine Sonde direkt in oder nahe an         als Näherungsverfahren verwenden. Ziel ist, die              überwachen. Für die Anwendung in der Krebs-                      Einrichtungen von RWTH und Uniklinik RWTH
den Tumor geführt. Durch sie werden Radiofre-         Lösung hochdimensionaler Systeme schnell und                 therapie ist Ziel, die Behandlungsplanung in Echt-               Aachen durchgeführt. Ein ausführlicherer
quenzwellen eingebracht, die das Tumorgewebe          effizient berechnen zu können. Die Herausfor-                zeit durchzuführen. Sie lässt sich dann während                  Beitrag aller Beteiligten ist veröffentlicht in:
auf mehr als 60 Grad Celsius erhitzen und durch       derung bei Modellreduktionsverfahren besteht                 der Behandlung so korrigieren, dass die Grenz-                   RWTH THEMEN
thermische Ablation zerstören. Beide Verfahren        darin, dass die Berechnung der Approximation                 werte für die Temperaturverteilung im Gewebe                     „Computational Science & Engineering“
haben dasselbe Ziel: Schadhaftes Gewebe soll          nicht nur kostengünstig, sondern vor allem auch              garantiert eingehalten werden.

Robotik im Schülerlabor
Roboter sind an vielen Orten im Einsatz – in der      Schüler ist abhängig, welche Programmierspra-                montagnachmittags Jugendliche ab zwölf Jah-                     len Angebote während der Konstruktions- und
Fertigung, der Logistik, der Rettung oder auch        che genutzt wird: Jüngere arbeiten mit der we-               ren. Begeistert für das Thema Robotik möchten                   Programmierphasen. Dabei werden Teamwork,
im Operationssaal. Das RoboScope, eines von           niger anspruchsvollen EV3, ältere mit JAVA oder              sie auch eigene Ideen für die World Robot Olym-                 Flexibilität und Kreativität gefördert und Kompe-
acht RWTH-Schülerlaboren, will Kinder und             Phython. Eine Schlange kann anschließend                     piad umsetzen. „Der olympische Gedanke zählt:                   tenzen im Problemlösen, Argumentieren und
Jugendliche für die Robotertechnik begeistern.        klappern, rasseln und zuschnappen, ein Fahr-                 Obwohl sie im letzten Jahr nicht zu den Siegern                 digitaler Werkzeugnutzung ausgebaut. Das bietet
Betreut wird es von IMA/ZLW & IfU mit dem dort        zeug einen vorgegebenen Parcours mit Hinder-                 gehörten, sind sie wieder mit Engagement bei                    uns die Gelegenheit, im Studium Gelerntes um-
angesiedelten Lehrstuhl für Infomationsmanage-        nissen bewältigen oder in einem Katastrophen-                der Sache“, betont Nor Nabil.                                   zusetzen, und dass sowohl im didaktischen wie
ment im Maschinenbau.                                 gebiet nach Verschütteten suchen. „Die Lehrer-               Er studiert Englisch und Mathe für das Lehramt                  auch im technischen Bereich.“
Dank Förderung der Initiative „Zukunft durch In-      innen und Lehrer vereinbaren telefonisch einen               für Gymnasien und Gesamtschulen. Lehramts-                      Das RoboScope veranstaltet 2018 wieder einen
novation.NRW“ (zdi) können mit RoboScope seit         Termin für ihre Schülergruppe, vertreten sind                studierende können sich die Kursbetreuung im                    Wettbewerb, in den vergangenen Jahren gab es
2010 verschiedene Formate angeboten werden.           alle Schulformen. Überwiegend kommen die Teil-               Schülerlabor für das technisch orientierte außer-               jeweils rund 100 Teilnehmerinnen und Teilneh-
„Eingeladen sind Klassen, Arbeitsgemeinschaf-         nehmerinnen und Teilnehmer aus Aachen und                    schulische Praktikum im Bereich der Kinder-                     mer. In diesem Jahr wird erstmals in Kooperation
ten und weitere Interessierte. Unsere Angebote        der Region, aber auch aus weiterer Entfernung                und Jugendarbeit im Studienmodul Faszination                    mit dem BMBF-geförderten Projekt „Exzellentes
lassen sich auf unterschiedliche Altersstufen und     in Nordrhein-Westfalen“, erläutert Deppe.                    Technik anrechnen lassen. Nabil begleitet mit                   Lehren und Lernen in den Ingenieurwissenschaf-
Gruppengrößen abstimmen“, so Gergana Deppe,                                                                        derzeit sechs weiteren studentischen Hilfskräften               ten“ (ELLI) ein Kurs mit humanoiden Robotern
Projektleiterin des RoboScope. „Unser ganz-           Praktikum für Lehramtsstudierende                            im Team das RoboScope: „Wesentlich für die                      angeboten. Er ermöglicht ein Programmieren mit
heitlicher und handlungsorientierter Lernansatz       In der offenen Roboter AG treffen sich jeweils               Schülerinnen und Schüler sind die experimentel-                 Symbolen und mit modernen Programmierspra-
als außerschulischer Lernort unterstützt in der                                                                                                                                    chen wie Python.
Berufsorientierung. Wir bieten den Schülerinnen
und Schülern in einer forschungsnahen Lernum-                                                                                                                                      Kurse für Sehbehinderte und Blinde
gebung zudem einen Einblick in eine Universität“,                                                                                                                                  „In jüngster Vergangenheit haben wir Angebote
erläutert die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Aus-                                                                                                                                für Flüchtlinge durchgeführt. Wir arbeiten auch
gehend vom zentralen Themenfeld Robotik wer-                                                                                                                                       regelmäßig gemeinsam mit ELLI mit Schulen für
den auf diesem Wege Einblicke in ingenieur- und                                                                                                                                    sehbehinderte und blinde Menschen zusam-
naturwissenschaftliche Disziplinen wie Informatik,                                                                                                                                 men“, so Deppe. Die Barrierefreiheit soll nicht
Maschinenbau, Elektrotechnik, Biotechnologie,                                                                                                                                      nur spielerisch Einblicke in die Robotik-Welt
Mathematik und Physik vermittelt.                                                                                                                                                  bieten, sondern gleichzeitig eine Ausbildung oder
                                                                                                                                                                                   ein Studium im MINT-Bereich für Menschen mit
Konstruieren und Programmieren                                                                                                                                                     Handicaps als Option aufzeigen.
In den Roboterkursen, die zwischen vier und                                                                                                                                        „Damit diese ihre spezifischen Hilfsmittel von
sechs Stunden dauern, wird zunächst mit Lego-                                                                                                                                      Lupe bis Computer mit Sprachausgabe nutzen
Mindstorms gearbeitet. Diese programmierbaren                                                                                                                                      können, fahren wir mit unseren Materialien in die
Legosteine werden mit technischen Teilen wie                                                                                                                                       Schulen. Kontinuierlich evaluieren wir unsere
Zahnräder und Achsen, Elektromotoren und                                                                                                                                           Maßnahmen. Die positiven Rückmeldungen der
Sensoren verbaut. So entstehen je nach Auf-                                                                                                                                        mehr als 3.000 Schülerinnen und Schüler, die in
gabenstellung in Zweier-Teams beispielsweise                                                                                                                                       den vergangenen Jahren unsere Kurse besucht
Schlangen, Krokodile, Gabelstapler und Ret-                                                                                                                                        haben, belegen die Notwendigkeit solcher Pro-
tungsroboter.                                                                                                                                                                      gramme“, betont Deppe.
Die gemeinsam erstellten Konstruktionen werden                                                                                                                                                                     Angelika Hamacher
dann durch Programmierung aktiv. Vom Alter            Roboter kommunizieren mit den Schülerinnen und Schülern im Labor RoboScope.
und den Vorkenntnissen der Schülerinnen und           Foto: Peter Winandy

                                                                                                                                                                                                                                         |5
RWTH insight - RWTH Aachen University
war für das RWTH-Team immer von großer              ten Gebiet, das flächenmäßig deutlich kleiner ist
                                                                                                                            Wichtigkeit, dass die Studierenden in dem Dritt-    als die fünf ursprünglichen Dörfer, war dies kaum
                                                                                                                            mittelprojekt experimentelle Erfahrungen machen     umzusetzen. Die Forderung, die Grünflächen
                                                                                                                            konnten. Sie sollten in den Verfahren oder bei      möglichst frühzeitig anzulegen, sollte daher auf
                                                                                                                            den Entwürfen verschiedene Methoden und neue        jeden Fall aufgegriffen werden.
                                                                                                                            Herangehensweisen ausprobieren, um so schon         Unterschiedliche Vorstellungen gab es auch
                                                                                                                            erste Professionalität entwickeln zu können.        bezüglich der Lage der jeweiligen Hausgrund-
                                                                                                                            Die Arbeit in der Tagebaulandschaft unterschied     stücke: „Unsere Idee war, dass es in den Dörfern
                                                                                                                            sich deutlich von der üblichen Arbeit von Archi-    Raum für neue Nachbarschaften gäbe, beispiels-
                                                                                                                            tekten und Stadtplanern, so Westerheide.            weise auf Grundstücken, die wie ein Hof ange-
                                                                                                                            Zunächst musste ein gemeinsamer Standort für        ordnet sind. Aber die meisten Betroffenen wollten
                                                                                                                            die rund 1.100 Bewohnerinnen und Bewohner           ein freistehendes Haus in Südlage“, berichtet
                                                                                                                            der fünf Dörfer gefunden werden. In einem           Stefan Krapp. „Und möglichst nicht nahe an der
                                                                                                                            moderierten Planungsverfahren wurden 2011/12        Kirche, weil deren Glocke zu laut ist“, ergänzt
                                                                                                                            insgesamt sieben Flächen auf ihre Eignung als       Westerheide schmunzelnd.
                                                                                                                            Umsiedlungsstandort geprüft und vergleichend
                                                                                                                            gegenübergestellt. Ende November 2012 wählten       Konzepte für die Dorfentwicklung
                                                                                                                            die Umsiedler in einem eindeutigen Votum den        Nach Vorliegen des rechtskräftigen Bebauungs-
                                                                                                                            Standort Erkelenz-Nord aus.                         plans ist das RWTH-Institut weiterhin beteiligt:
                                                                                                                                                                                Es wurde beauftragt mit der Erstellung des „Dorf-
                                                                                                                            Unterschiedliche Sicht von Planern                  innenentwicklungskonzeptes für Venrath und
                                                                                                      Foto: Peter Winandy   und Bürgern                                         Kaulhausen“. Diese Dörfer liegen direkt am Rand
                                                                                                                            Eine Beteiligung der Umsiedler an der Planung       des Tagebaus Garzweiler II, was das Orts- und

Verlorene Erde
                                                                                                                            erfolgte einerseits durch den Bürgerbeirat und      Landschaftsbild unwiederbringlich verändern
                                                                                                                            andererseits durch die Beteiligung im Rahmen        wird. Die Menschen hier müssen bis etwa 2050
                                                                                                                            der Aufstellung des Bebauungsplanes. Während        mit Belastungen wie Staub, Lärm und hohen
                                                                                                                            dieser Prozesse habe sich herausgestellt, dass      Sichtschutz-Wällen leben. Studierende erarbeite-

oder Chance?
                                                                                                                            sich die professionelle Sicht von den Vorstellun-   ten Vorschläge, wie man die Wälle positiv nutzen
                                                                                                                            gen der Bürger oft unterschied, berichten die       kann – beispielsweise für künftige Hotelbauten
                                                                                                                            Wissenschaftler. Das zeigte sich beispielsweise     mit Blick auf den geplanten Tagebausee, als Tun-
                                                                                                                            bei der Gestaltung von Straßen, Plätzen und         nel für Straßen oder als Wander- und Kletterge-
                                                                                                                            Grundstücken im neuen Dorf: „Wir erfuhren in        biet für Erholungssuchende.
Im Wintersemester referierte Professor Rolf                   ländlich geprägten Raum im Bereich des Braun-                 den vielen Gesprächen und in den Planungs-          „Die Prozesse zeigen insgesamt, dass sich in
Westerheide, stellvertretender Leiter des RWTH-               kohletagebaus Garzweiler II. Gemäß Braunkohle-                Werkstätten, dass die Menschen vielfach nicht       den vergangenen zehn Jahren die Planungspa-
Instituts für Städtebau und Landesplanung, vor                plan ist die Umsiedlung der Orte bis 2016 vorzu-              mehr das typische Dorf mit einer Kirche und         radigmen sehr verändert haben. Regionaltypi-
der Architektenkammer NRW zum Thema                           bereiten und bis 2028 abzuschließen.“ Unter dem               Läden im Zentrum wollten, sondern eine mehr         sches Bauen hat kaum noch eine Bedeutung“,
„Verlorene Erde oder Chancen der Erneuerung?“                 Gesichtspunkt der Sozialverträglichkeit sah der               ländliche Siedlung.“ Von Bedeutung war aber         resümiert Westerheide. „Das liegt sicher auch
Damit gab er einen Überblick über ein gemeinsa-               Plan eine gemeinsame Umsiedlung vor. Damit                    eine gute Erreichbarkeit der Einkaufszentren in     an unserem Baurecht, das vieles erlaubt wie ein
mes Projekt seines Instituts mit einem Aachener               sollte die Identität der Ortschaften und Dorfge-              Erkelenz-Nord und Rath-Anhoven, die durch           Nebeneinander eines finnischen Blockhauses
Planungsbüro, dass mit der planerischen Vor-                  meinschaften gewahrt bleiben.                                 eine Busverbindung und ausreichend Fahrradab-       neben einem tempelartigen Gebäude.“ So ex-
bereitung der Umsiedlung von fünf Dörfern eine                                                                              stellplätze an den Bushaltestellen sichergestellt   trem sei es allerdings nicht im Umsiedlungsgebiet
gewaltige Herausforderung darstellte.                         Planen in Tagebaulandschaften                                 werden sollte.                                      Erkelenz-Nord zugegangen. Trotz vieler Diskus-
Die Ausgangssituation wird im Abschlussbericht                Fünf Jahre lang engagierten sich seitens des                  Eine besondere Anforderung war für die Planer       sionen und Zugeständnisse hätten die Planer
der Projektgruppe beschrieben: „Die Erkelenzer                RWTH-Instituts Westerheide, der wissenschaft-                 die Umsetzung der Wünsche der Bürger nach           ihren Grundentwurf eines neuen Zuhauses für
Dörfer Keyenberg, Kuckum, Unter-, Oberwestrich                liche Mitarbeiter Stefan Krapp sowie weitere                  verloren gegangenen Naturräumen mit Wald und        fünf Dörfer doch umsetzen können.
und Berverath liegen östlich der Innenstadt im                Kolleginnen und Kollegen in dem Projekt. Dabei                Wasser für die Naherholung. In einem begrenz-                                                   HH/ky

Stefan Krapp, Sanaz Kashi und Professor Rolf Westerheide mit Umsiedlungsplänen für den Bereich des Braunkohletagebaus.
Foto: Peter Winandy

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RWTH insight - RWTH Aachen University
Talentscouts bahnen den Weg
Der weiße Zettel, auf dem Immunologie steht,                                                                                                                                     Begleitung bis zum Berufseinstieg
kommt ganz nach oben. Bioreaktortechnik                                                                                                                                          Die Namensgleichheit mit den Talentscouts, die
wandert nach unten, findet also kein Interesse.                                                                                                                                  begabte junge Sportler und Sportlerinnen identifi-
Mathe wird in die Mitte sortiert. Annika ordnet                                                                                                                                  zieren, ist kein Zufall. „Der DFB hat ein sehr gutes
die verschiedenfarbigen Zettel entlang einer                                                                                                                                     Fördersystem entwickelt, das bis nach unten in
Schnur: Sie stehen für die Module der Studien-                                                                                                                                   die Vereine reicht. Da gibt es Parallelen. Unsere
gänge Biologie und Biotechnologie an der RWTH                                                                                                                                    Stadien sind die Schulen“, sagt der Erfinder des
und es ist Annikas persönliches Ranking. Sie                                                                                                                                     Konzepts für den Bildungsbereich, Suat Yilmaz.
macht im nächsten Jahr das Abitur am Aachener                                                                                                                                    Die Definition von Talent ist breit: Leistungsstärke,
Geschwister-Scholl-Gymnasium und hat schon                                                                                                                                       aber auch soziale Intelligenz oder Engagement
genaue Vorstellungen davon, was danach folgen                                                                                                                                    zählen dazu. Wichtig ist hier jedoch auch, den
soll. Ihr Talentscout Janette Zakrzewski hilft ihr                                                                                                                               Lebenskontext der Jugendlichen zu berücksich-
bei der Feinjustierung – Biologie oder Biotechno-                                                                                                                                tigen. Viele von ihnen wohnen beengt, machen
logie, die Uni oder die Fachhochschule?                                                                                                                                          den Haushalt, betreuen jüngere Geschwister,
Seit April 2017 sind fünf Talentscouts der RWTH                                                                                                                                  pflegen kranke Angehörige oder jobben neben-
und der Fachhochschule Aachen aktiv. Angesie-                                                                                                                                    bei, erzählt Zakrzewski. Manche Eltern verstün-
delt sind sie bei der Studienberatung der jeweili-                                                                                                                               den die Interessen ihrer Kinder nicht oder übten
gen Hochschule, finanziert werden sie aus einem                                                                                                                                  Druck aus, schneller von der Schule abzugehen
landesweiten Programm für Talentförderung. Sie                                                                                                                                   und Geld zu verdienen. Lehrer trauten ihnen
kooperieren mit Berufkollegs, Gymnasien und                                                                                                                                      wenig zu und sie sich selbst oft auch nicht. „Ein
Gesamtschulen in der Städteregion Aachen und                                                                                                                                     Notenschnitt von 2,5 unter diesen Umständen ist
in den Kreisen Düren, Heinsberg und Euskirchen.                                                                                                                                  uns genauso viel wert wie ein Einser-Abitur.“
Die Zielgruppe sind Jugendliche aus nichtaka-                                                                                                                                    Die Lehrkräfte der Schulen werden deshalb vorab
demischen Familien. Solche wie Annika, die als                                                                                                                                   informiert, wer gesucht wird. Vorschläge machen
Erste in ihrer Familie studieren will, jedoch nicht                                                                                                                              zudem die Schüler selbst wie auch Studierende,
auf elterliches Know-how und Kontakte zählen           Talentscouting – Janette Zakrzewski im Gespräch mit Nurullah über seine möglichen Zukunftspläne.                          die einst auf dieser Schule waren, Flüchtlingshel-
kann. 77 Prozent der Akademikerkinder studie-          Foto: Peter Winandy                                                                                                       fer oder Jugendorganisationen. Ergebnisoffenheit
ren, aber nur 23 Prozent des nichtakademischen                                                                                                                                   ist dann Prinzip: Auch wenn Ingenieure und Infor-
Nachwuchses, so die 20. Sozialerhebung des                                                                                                                                       matiker gebraucht werden, kann eine Ausbildung
Deutschen Studierendenwerks.                                                                                                                                                     doch die bessere Option für manche Jugendliche
                                                                                                                                                                                 sein. Die Begleitung durch die Scouts setzt in der
Eine Million Euro für die RWTH                                                                                                                                                   Oberstufe ein und endet erst mit dem Berufsein-
Das Talentscouting wurde an der Westfälischen                                                                                                                                    stieg. Sie stehen auch während des Studiums zur
Hochschule Gelsenkirchen in den Jahren 2009                                                                                                                                      Seite: Mal geht es um den BAföG-Antrag oder
bis 2011 entwickelt. Inzwischen beteiligen sich                                                                                                                                  um ein Stipendium, mal um Begleitkurse oder um
17 Hochschulen daran. Die Talentscouts sind an                                                                                                                                   Praktikumsplätze.
mehr als 250 Schulen in NRW unterwegs, um
geeignete Jugendliche ausfindig zu machen und                                                                                                                                    „Auf Schatzsuche gehen“
zu unterstützen. Das NRW-Zentrum für Talentför-                                                                                                                                  Manche Jugendliche wie die resolute Annika
derung bereitet die Scouts ein Jahr lang berufs-                                                                                                                                 brauchen nur zusätzliche Information und ein
begleitend auf ihre Aufgabe vor. Das Land fördert                                                                                                                                paar Kontakte. Die Schülerin wälzt bereits seit
das Programm mit 30 Millionen Euro bis Ende                                                                                                                                      einem halben Jahr Berufsratgeber und hat schon
2020. Auf die RWTH entfällt eine Million Euro.                                                                                                                                   einen Infotag an der Hochschule besucht. „Ande-
Annika schiebt nachdenklich noch ein paar                                                                                                                                        re sind noch recht konfus in ihren Vorstellungen:
Blätter hin und her. Alles, was man im Reagenz-                                                                                                                                  Da muss man auf Schatzsuche gehen“, sagt
glas herstellen kann, findet sie spannend, das                                                                                                                                   Zakrzewski.
Produkt aus dem industriellen Reaktor hingegen                                                                                                                                   Intensiver eruieren muss sie etwa mit Nurullah:
weniger: „Ich will ins Labor, in die Forschung und                                                                                                                               Der 18-jährige Mitschüler von Annika hat erst
Entwicklung. Aber bloß nicht die ganze Zeit am                                                                                                                                   vage Zukunftspläne. Er mag eigentlich alle Fä-
PC sitzen und dies auswerten und jenes forma-                                                                                                                                    cher, Mathe und Biologie stehen bei ihm grund-
tieren.“ Annika mag es gern visuell, Zakrzewski                                                                                                                                  sätzlich hoch im Kurs, allerdings abhängig von
hat für sie die Inhalte der Studiengänge in Stich-                                                                                                                               den behandelten Themen. Das Schriftliche macht
worten auf Zettel geschrieben. Die 31-Jährige                                                                                                                                    ihm schon mal Probleme, „aber das Mündliche
war früher Biologie-Lehrerin: „Die Arbeit mit den                                                                                                                                haut mich fast überall raus“. Er hat auch schon
Schülerinnen und Schülern ist beim Scouting viel                                                                                                                                 früh gern konstruiert, beispielsweise mit Lego.
individueller“, sagt sie begeistert. Zurzeit betreut                                                                                                                             Deshalb erwägt Nurullah, Architekt oder Bauinge-
sie 35 Talente, aber es werden schnell mehr.                                                                                                                                     nieur zu werden. Zakrzewski bietet ihm an, dass
Der Kontakt wird auch über Mail und WhatsApp                                                                                                                                     sie zusammen nach den Themen suchen, die ihn
gepflegt, regelmäßig und freiwillig. „Unsere Türen                                                                                                                               besonders interessieren. „Wir durchforsten jedes
sind offen. Sie melden sich, wenn sie etwas            Annika vom Geschwister-Scholl-Gymnasium in Aachen interessiert sich für ein Biologiestudium und möchte später möglichst   Fach und schauen, was deine Stärken sind, und
brauchen. Wenn das Pflicht wäre, verliert es den       in der Forschung arbeiten.                                                                                                wie sie zu den jeweiligen Studieninhalten passen.“
Charme.“                                               Foto: Peter Winandy                                                                                                                                  Matilda Jordanova-Duda

Modellprojekt zur Gewalt
Raufbold, Hitzkopf, Schlägertyp, Rabauke – alle        Ausschlaggebend für die Beantragung des Pro-                   Täterprogrammen durchgeführt wird, ermittelt,              und eine Face-to-Face Modellberatung, als erste
diese Begriffe haben zwei Dinge gemein: Es sind        jektes waren die Ergebnisse der Vorgängerstu-                  ob sich der hohe Anteil gewaltbetroffener Männer           Anlaufstelle zur Verfügung. Zudem richteten die
Bezeichnungen für Personen, die ihr Tempera-           die. Anhand von 5.000 anonym ausgefüllten                      in klinischen Kontexten bestätigen lässt. Darüber          Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen
ment nicht unter Kontrolle haben, und der Genus        Fragebögen ermittelten die Wissenschaftlerinnen                hinaus ist von Interesse, welche Formen der Ge-            Beratungsraum im Eingangsbereich Uniklinik
ist maskulin. Männer sind oft „die Täter“, wenn es     und Wissenschaftler, dass von den männlichen                   walt erfahren wurden und welche Gesundheits-               RWTH Aachen ein, der den Betroffenen Zugang
um Gewalt geht. Dass Männer aber häufiger als          Teilnehmern rund 38 Prozent verschiedene Arten                 und Risikobelastungen daraus resultieren. Zudem            zu schneller Hilfe ermöglicht. Eine begleitende
allgemein angenommen auch Opfer von Gewalt             von Gewalt erfahren hatten. Im Rahmen des                      sollen gewaltausübende Beziehungspartner, die              Evaluationsforschung dient dem Zweck, die Ak-
sind, ist Anlass für Studien an der Uniklinik          G.M.G.R.-Projektes sollen diese Erkenntnisse                   ein Täterproramm durchlaufen, nach potenziellen            zeptanz und einen Vergleich der Effektivität der
RWTH Aachen.                                           nun verifiziert und differenziert werden. Beteiligt            eigenen Gewalterfahrungen befragt werden. Ziel             Unterstützungskonzepte zu liefern.
Das Modellprojekt „G.M.G.R. – Gewaltbetroffene         ist die Organisation GESINE, die im Jahre 2004                 ist es, bedarfsgerechte Hilfeprogramme zu ent-             				                                            red
Männer: Gesundheits- und Risikoverhalten“              in Trägerschaft von Frauen helfen Frauen EN e. V.              wickeln, die an die Anforderung der betroffenen
untersucht seit Mitte 2016 die Häufigkeit, Art und     gegründet wurde. Sie engagiert sich seitdem                    Männer angepasst sind.                                             Beratung.gmgr.de
Auswirkung von Gewalt gegenüber Männern.               für die gezielte Gesundheitsförderung nach                     Die Schwierigkeit besteht darin, dass diese sel-
RWTH-Professorin Ute Habel, leitende Psycholo-         Gewaltwiderfahrnissen.                                         tener Beratungsstellen aufsuchen, um das Er-
gin an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie                                                                     lebte aufzuarbeiten. Die Maßnahmen müssen da-
und Psychosomatik und Forscherin in der Sekti-         Prävalenzanalyse und Anlaufstelle                              her auf die spezifischen Bedürfnisse der Männer
on JARA Brain leitet das Projekt. Gefördert wird       Eine Prävalenzanalyse, die an verschiedenen Kli-               abgestimmt werden. Während der Projektlauf-
es durch die Europäische Union und das Land            niken der Städteregion Aachen und des Ennepe-                  zeit steht ein webbasiertes Beratungsangebot,
NRW.                                                   Ruhr-Kreises sowie aus Bewährungshilfen und                    bestehend aus einem Live-Chat, Informationen

                                                                                                                                                                                                                                   |7
RWTH insight - RWTH Aachen University
Neu Berufene
Dr. rer. nat. Florian Amann ist seit Oktober 2017 Universitätsprofessor für das Fach Ingenieurgeologie
und Umweltmanagement der Fakultät für Georessourcen und Materialtechnik der RWTH Aachen
University. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich instabile Talflanken, Tunnelbau und
Geomechanik.

geboren              am 26. Mai 1975 in Regensburg

Ausbildung
1998 bis 2002        Studium der Geologie an der FAU Erlangen-Nürnberg
2006                 Promotion

Berufliches
2002 bis 2007        Projektingenieur bei der Pöyry Infra/ Energy AG, Zürich
2007 bis 2015        Senior Scientist am Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der ETH Zürich
2015 bis 2017        Wissenschaftlicher Leiter „Deep Underground Geothermal Laboratory“, ETH Zürich

Persönliches
Familie              verheiratet, drei Kinder
Freizeit             Familie, Skifahren, Boxen, Laufen, Biken

„Die erste Nacht am Galgen ist die schlimmste.“                                                             Florian Amann

                                                                                                         Dr. oec. Julia Bendul ist seit August 2017 Universitätsprofessorin für das Fach Management von
                                                                                                         Industrie 4.0 der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der RWTH Aachen University.
                                                                                                         Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Gestaltung sowie Planung und Steuerung von Produktions-
                                                                                                         und Logistiknetzwerken, dem Management digitaler Supply Chains sowie Geschäftsmodellinnovation.

                                                                                                         geboren            am 4. Januar 1983 in Verden/Aller

                                                                                                         Ausbildung
                                                                                                         2002 bis 2007      Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit den Schwerpunkten
                                                                                                                            Produktionstechnologie und Verfahrenstechnik an den Universitäten
                                                                                                                            Bremen und Tokyo;
                                                                                                                            Diplom in Bremen
                                                                                                         20011              Promotion an der Universität St. Gallen, Schweiz

                                                                                                         Berufliches
                                                                                                         2005 bis 2008      Projektleiterin bei der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V.
                                                                                                         2008 bis 2011      Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Logistikmanagement,
                                                                                                                            Universität St. Gallen
                                                                                                         2012 bis 2013      Beraterin für operative Exzellenz, Porsche Consulting GmbH, Bietigheim-Bissingen
                                                                                                         2013 bis 2017      Associate Professor für Network Optimization in Production and Logistics,
                                                                                                                            Jacobs University Bremen

                                                                                                         Persönliches

     Julia Bendul
                                                                                                         Freizeit           Dressurreiten, Klettern, Rudern

                                                                                                         „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen,
                                                                                                         hätten sie gesagt: schnellere Pferde.” (Henry Ford)

Dr. phil. Florian Hartmann ist seit Juni 2017 Universitätsprofessor für das Fach Wissensdiskurse des
Mittelalters der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen University (Heisenberg-Professur). In seiner
Forschung geht es um die situationsgebundene soziale Etablierung von neuem Wissen, um seine
Verbreitung, Akzeptanz oder Ablehnung und um die Wechselwirkung von sozialem Umfeld und Wissen
jeglicher Art. Außerdem beschäftigt er sich mit der Kommunikation, insbesondere mit dem Brief im
Verlauf des Mittelalters.

geboren           am 6. September 1975 in Ratzeburg

Ausbildung
1997 bis 2002     Studium der Geschichte, klassischen Philologie (Latein) und Erziehungs-
                  wissenschaften an der Universität Bonn und der Humboldt-Universität zu Berlin
2005              Promotion an der Universität Bonn
2012              Habilitation zur Reglementierung verbaler Kommunikation im sozialen Kontext ebda.

Berufliches
2004 bis 2007     Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn
2007 bis 2010     Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Rom
2011 bis 2017     Akademischer Rat auf Zeit an der Universität Bonn
2013 bis 2016     Lehrstuhlvertretungen an der TU Chemnitz, der RWTH und der FAU

Persönliches
Familie           verheiratet und drei Kinder: Titus (9), Cosimo (6) und Philon (3)

                                                                                                            Florian Hartmann
Freizeit          Joggen und Zeit mit der Familie verbringen, meist Fußball spielend,
                  im Freien aufhaltend

„Everything is going to be fine in the end. If it‘s not fine it‘s not the end.” (Oscar Wilde)

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