Ärzteblatt Baden-Württemberg 09
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Ä r zteblatt
Baden-Württemberg
Amts- und Mitteilungsblatt der ärztlichen Körperschaften | ISSN 0720-3489 | E 1041 | 74. Jahrgang | Gentner Verlag 09 | 2019
Foto: © Josephinum, Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin, Medizinische Universität Wien
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Ä r zteblatt
Baden-Württemberg
Amts- und Mitteilungsblatt der ärztlichen Körperschaften 09 | 2019
Kinesiskop nach Purkinye
Prag um 1860, Hersteller: Ferdinand Dunst Editorial Medizinhistorik
(Opticus in Prag); Material: Holz, Messing, Eisen, 460
Medizinfehler und 470
„Lebensunwertes Leben“
teils schwarz lackiert, Papier, lithographierte und Entschädigungsfonds
handbemalte Bildscheiben; Größe: Pappschachtel
4 x 25,5 x 14 cm, mitgelieferte Bildscheiben 12,5 cm
(Dauerleihgabe des physiologischen Institutes
der Universität Wien)
Jan Evangelista Purkyne beschrieb erstmals 1841 sein Kammern und KV
„Phorolyt“, das er auch „die magische Doppelscheibe“
nannte. Zu dieser Zeit lehrte er Physiologie und Patho-
460
Substitutionsgipfel in Stuttgart
logie in Breslau, von wo er 1849 als Leiter des Physiolo- 461
Vom Medizinstudium
gischen Institutes nach Prag berufen wurde. Das Phoro- zum Arztsein
lyt wurde später in Kinesiskop umbenannt und vom
Prager Optiker Ferdinand Durst in Serie produziert.
Die scheinbar bewegten Bilder entstehen durch die Wirtschaft
Betrachtung der aufeinander folgenden Bilder auf
einer hellen Scheibe durch die Schlitze einer dunklen 471
Neues aus der Finanzwelt
Scheibe. Der rasche und unterbrochene Bilderwechsel
wird im Gehirn des Menschen als Bewegung dessel-
ben Bildes interpretiert. Man nennt dies den strobo-
skopischen Effekt, den schon Simon von Stampfer in
Wien und Joseph Antoine F. Plateau in Gent 1832
Vermischtes
entdeckt hatten. Plateau nannte seinen Apparat 472
Namen und Nachrichten
Phenakistiskop, Stampfer nannte es das Stroboskop
462
Interview: „Wir wollen ein 473
Rückgabe der Kassenzulassung
oder die „die stroboskopischen Zauberscheiben“.
Das Kinesiskop aus der Sammlung des Josephinums moderner Dienstleister sein“
besitzt zwölf lithographierte Bildscheiben im Durch-
messer von 12,5 cm und eine weitere, kleinere und
handgemalte Scheibe, die die Bewegung eines po-
chenden Herzens zeigt. Dies ist insofern interessant, da
belegt ist, dass Purkyne eine solche Scheibe zu Demons-
trationszwecken nutzte. Obwohl dieses Gerät wissen- 474
Smart am Start als Landarzt 4.0
schaftlichen Ursprungs ist, wurde es von Ferdinand
Durst sicher in höherer Auflage zur Vergnügung der 475
Sportweltspiele der Medizin
spätbiedermeierlichen Gesellschaft hergestellt. und Gesundheit
(Text: Simon Weber-Unger, Augenphantom & Kugel-
sucher. Einblicke in die Instrumentensammlung des
475
Liste zu Schwangerschafts
Josephinums) abbrüchen
Das „Josephinum“ in Wien wurde von Kaiser Joseph II 465
MFA: Praxismanager und 476
Weiter steigende Zahlen
als medizinisch-chirurgische Militär akademie ge Fachpersonal in einem an Krebspatienten
gründet und 1785 fertiggestellt. Heute beherbergt
das Josephinum die weltberühmte, aus zirka 1.200 466
Nachruf auf Prof. Dr.
Präparaten bestehende Wachsmodellsammlung, die Ernst Albrecht Moser
josephinische Bibliothek mit medizinischen Schriften
und Publikationen aus dem 15. bis 18. Jahrhundert,
466
Interesse an Allgemeinmedizin
sowie zahlreiche weitere Sammlungen der Medi nimmt zu
zinischen Universität Wien, die die Geschichte der 467
VV-Mitglieder stellen sich vor 477
Fit und gesund
Medizin dokumentieren.
(Folge 5) durch Bits und Bytes
Das Ärzteblatt Baden-Württemberg zeigt in diesem
Jahr einige der schönsten Exponate auf der Titelseite, 468
70 Jahre Freie Berufe –
ermöglicht durch die Baden-Württembergische Bank Säule der Rechtsordnung
(BW-Bank). Die Bank verdeutlicht damit ihre enge Veranstaltungsübersicht
Beziehung zur Medizin und zur Ärzteschaft im 478
Südwesten, nicht zuletzt, weil ihre Beratungsspezia-
listen für Heilberufe seit über 25 Jahren kompetente
Unterstützung und Beratung in allen wirtschaftlichen
Bekanntmachungen
Fragen von Medizinern bieten. 481
Die BW-Bank ist mit 26 Heilberufe-Standorten und
160 Filialen im Land vor Ort. Mehr Informationen zum Impressum
umfangreichen Leistungsangebot für Heilberufler
sowie zu den Kontaktdaten der Heilberufe-Standorte 502
in Ihrer Nähe erhalten Sie unter www.bw-bank.de/
heilberufe, per E-Mail an heilberufe@bw-bank.de
oder telefonisch unter 07 11 / 1 24-4 50 19.
ÄBW 09 • 2019 459
Editorial
Gutachterkommissionen ersparen Patienten und Ärzten langjährige Gerichtsverfahren
Medizinfehler und Entschädigungsfonds
M
edizinische Behandlungen Die Ergebnisse werden systematisch hen die Gerichtsverfahren oft über
sind in aller Regel komplex erfasst und mit den Zahlen der ande- mehrere Instanzen, sodass sie sich
und damit fehleranfällig. ren Gutachterkommissionen und über viele Jahre hinziehen können.
Auch wenn es vielfältige Maßnahmen Schlichtungsstellen zur bundesein- Dies wird zu Recht immer wieder
zur Fehlervermeidung gibt und diese heitlichen Behandlungsfehlerstatistik beklagt. Das liegt aber nicht an den
in den letzten Jahrzehnten systema- aller Ärztekammern in Deutschland Gutachterkommissionen und auch
tisch ausgebaut und verbessert wur- zusammengeführt, die auf der Website nicht an den Ärztinnen und Ärzten,
den: Medizinfehler passieren. Glückli- der Bundesärztekammer abgerufen sondern das ist ein grundlegendes
cherweise selten, auch wenn reiße- werden kann. und wichtiges Merkmal unseres
Dr. Manfred Eissler rische Presseartikel manchmal anderes Diese Fehlererfassung ist vermut- Rechtsstaates.
suggerieren. Bezieht man die Zahl der lich eine der umfangreichsten und In einigen europäischen Ländern
Medizinfehler auf die Zahl aller Be- systematischsten, die es in Bezug auf gibt es Entschädigungsfonds oder
handlungen, dann liegt ihr Anteil weit Medizinfehler überhaupt gibt. Seit auch Härtefallfonds, aus denen
unter einem Promille, selbst wenn man rund zehn Jahren erfolgt zusätzlich die die Betroffenen oder Angehörige
eine große Dunkelziffer mit einbezieht. statische Erfassung der Fehlerbegut- relativ rasch und eher unkompliziert
Seit über vierzig Jahren gibt es in achtung durch den Medizinischen entschädigt werden können, wenn
Baden-Württemberg die Gutachter- Dienst der Krankenversicherung, der ein schwerer Schaden vorliegt und
kommissionen für Fragen der ärzt- zu ganz ähnlichen Zahlen und Auswer- dieser durch die medizinische Be-
lichen Haftpflicht, an die sich Patienten tungen kommt, wie die Auswertungen handlung zustande gekommen ist,
wenden können, wenn sie einen Be- der Ergebnisse der Gutachterkommis- unabhängig davon, ob ein Medizin-
handlungsfehler vermuten. Ungefähr sionen und Schlichtungsstellen. fehler vorliegt. Diese Art der Scha-
600 bis 700 Fälle werden jedes Jahr Durch die Verfahren vor den Kom- densregulierung hat den großen
von den Kommissionen, die organisa- missionen der Ärztekammern soll Vorteil, dass finanzielle Hilfe da ist,
Behandlungsfehler- torisch den vier Bezirksärztekammern sowohl den Patienten als auch den wenn sie gebraucht wird und nicht
Statistik der Bundes angegliedert sind, bearbeitet und betroffenen Ärzten ein nicht selten erst nach vielen Jahren, wenn die
ärztekammer: Fehler- verhandelt. Bei einem Viertel der Fälle langwieriges Gerichtsverfahren er- Gerichtsverfahren abgeschlossen
häufigkeiten erkennen wird ein Fehler bejaht, bei drei Viertel spart werden. Unabhängig vom Er- sind. Allerdings sind die Entschädi-
und Fehlerursachen verneint. Die Verfahren dauern durch- gebnis kann trotzdem jeder Beteiligte gungssummen in aller Regel deutlich
bekämpfen. schnittlich etwas mehr als ein Jahr. den Vorgang auch vor Gericht klären geringer als die Summen, die in
lassen. Meist wird die Beurteilung der Deutschland in vergleichbaren Fällen
Gutachterkommissionen auch von bezahlt werden.
den Gerichten bestätigt. Diese schnelle und unkonventio-
Substitutionsgipfel in Stuttgart Wird ein Behandlungsfehler fest- nelle Hilfe durch einen Entschädi-
gestellt, so kommt es in der Regel zu gungsfonds könnte grundsätzlich
D
ie Sicherstellung der Substitutionsversorgung im Land einer Entschädigung der Betroffenen auch Vorbild für Deutschland werden,
wird immer schwieriger, immer mehr Substitutions durch die Haftpflichtversicherung der wenn auch zunächst noch eine ganze
ärztinnen und -ärzte gehen in Ruhestand und Nach- Ärztin oder des Arztes beziehungs- Reihe rechtlicher und organisato-
wuchsärztinnen und -ärzte sind schwer zu gewinnen. weise der Institution, bei der sie oder rischer Fragen zu klären wäre. Aber
Vor Ort, in den Stadt- und Landkreisen, gerade auch für die er beschäftigt ist. man könnte sich zumindest an funk-
stabil substituierten Patienten, muss die Versorgung weiterhin Ein großes Problem sind die in tionierenden Beispielen in anderen
sichergestellt werden. Hierbei wird künftig die Substitutions- einigen Fachgebieten exorbitant ge- Ländern orientieren. Es gab in den
behandlung zunehmend in interdisziplinären Substitutions- stiegenen Haftpflichtbeiträge der vergangenen Jahren dazu mehrere
ambulanzen, die an Kliniken oder in Zentren für Psychiatrie Ärztinnen und Ärzte. So können die Initiativen im Bundestag und auch
angegliedert sind, organisiert werden müssen, wobei insbe- Prämien bei geburtshilflich tätigen beim Bundesrat, zuletzt 2015 durch
sondere auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ein- Belegärzten aktuell über 60.000 Euro die bayerische Landesregierung. Al-
gebunden sein sollen. Die für die Versorgung Verantwortlichen pro Jahr betragen. Dies ist Folge lerdings ist nach meinem Kenntnis-
kooperieren bei der Organisation der Substitutionsversorgung der besseren medizinischen Versor- stand seitdem nichts Weitergehendes
vor Ort und streben eine zeitnahe Lösung an. gung von Kindern mit Geburtsschä- geschehen. Vielleicht könnte sich ja
Vor diesem Hintergrund findet am 18. September im den, die dadurch länger leben und auch die baden-württembergische
„SpOrt Stuttgart“ (Fritz-Walter-Weg 19, 70372 Stuttgart) ein entsprechend mehr kosten. Aber Landesregierung des Themas anneh-
Substitutionsgipfel statt, zu dem Sozial- und Integrations auch mit der Folge, dass immer men, um es im Bundesrat voranzu-
minister Manne Lucha MdL einlädt. Die Veranstaltung richtet weniger Ärztinnen und Ärzte bereit bringen.
sich an alle Beteiligten, die im Rahmen der Substitution tätig sind, dieses Risiko und die Kosten zu
sind. Träger sind das Ministerium für Soziales und Integration übernehmen. Dr. Manfred Eissler
Baden-Württemberg und die Kassenärztliche Vereinigung Bei schwerwiegenden Fällen, bei Statistikbeauftragter der Landesärztekammer
Baden-Württemberg. denen es unter Umständen um große Baden-Württemberg für
Entschädigungssummen geht, ge- die Gutachterkommissionen
460 ÄBW 09 • 2019
Kammern und KV
Abschlusszeugnis, Ärztliches Gelöbnis und Hutwurf
Vom Medizinstudium zum Arztsein
M
it der feierlichen Übergabe
Foto: AK Examensfeier der Fachschaft Medizin Tübingen
der Abschlusszeugnisse des
Medizinischen Staatsexa-
mens endet das Medizinstudium und
beginnt das Arztsein. Bis vor ein paar
Jahren war dieser Übergang nur durch
die banale postalische Zusendung der
Urkunden gekennzeichnet. Dass nun
viele universitäre Standorte zu einer
feierlichen Übergabe (oft mit anschlie-
ßendem Ballabend) zurückgekehrt
sind, ist vor allem auf die Initiativen
der Studierenden zurückzuführen, die
einen würdigen Abschluss ihres Studi-
ums gewünscht haben. Für die Ärzte-
kammern in Baden-Württemberg
ist es seit Jahren gleichermaßen
Ehre und Verpflichtung, den jungen
Ärztinnen und Ärzten bei den Ab
solventenfeiern zu ihrem Abschluss
zu gratulieren und sie im Kreis der
Ärzteschaft zu begrüßen.
Die Präsidentin der Bezirksärzte- „Hutwurf“ bei der akademischen
kammer Südbaden, Dr. Paula Hezler- Feier der Medizinischen Fakultät Anzeige
Rusch, sagte bei der Examensfeier in der Uni Tübingen
Freiburg: „Ihre Ausbildung ist abge-
schlossen. Der nächste berufliche
management akademie
der Kassenärztlichen Vereinigung
Baden-Württemberg Veranstaltungshinweis
Schritt dürfte für die meisten von teilweise sind auch die frisch ge
Ihnen nun die Weiterbildung zum backenen Ärztinnen und Ärzte
Die Management Akademie der Kassenärztlichen Vereinigung
Facharzt sein. Sie übernehmen dann selbst Veranstalter der Feierlichkeiten
Baden-Württemberg (MAK) lädt gemeinsam mit der Deutschen
Verantwortung nicht nur für sich und integrieren leider die Standesver-
Apotheker- und Ärztebank zu einer Fortbildungsveranstaltung
selbst sondern auch für die Patienten, tretung nicht direkt. Prof. Dr. Christof für Mediziner ein..
die sich Ihnen anvertrauen.“ In Tübin- Hofele, Präsident der Bezirksärzte-
gen betonte Prof. Dr. Marko Wilke, kammer Nordbaden, hat dennoch Veranstaltungstitel:
Präsident der Bezirksärztekammer Digitalisierung im Gesundheitswesen
einen Weg gefunden, auf sein Haus
Südwürttemberg: „Die Ärztekammer und dessen zentrale Bedeutung für Ziele:
ist die Hüterin der Berufsordnung, Weiter- und Fortbildung aufmerksam Der Megatrend der Digitalisierung ist aus dem Gesundheits
der das Genfer Gelöbnis von 2017 als zu machen: Die in Karlsruhe ansässige wesen nicht mehr wegzudenken. Die größten Veränderungen
Präambel vorangestellt ist. Neu ist Kammer hat es geschafft, auf allen sind von der digitalen Vernetzung zu erwarten – wie etwa
hierin insbesondere der Teil, der von Eintrittskarten und in den Programm- der Übertragung von Patientendaten oder der Bereitstellung
elektronischer Patientenakten. In diesem Seminar erfahren Sie,
uns Ärztinnen und Ärzten auch Acht- heften präsent zu sein.
welche Auswirkungen damit für Ihre Praxis verbunden sind,
samkeit für unsere eigene Gesund- Zum Ende der Veranstaltung le-
was Sie unter datenschutzrechtlichen Aspekten beachten müs-
heit fordert. Daher: Brennen Sie für gen die Absolventen üblicherweise sen und welche ausschlaggebende Rolle neben den nationalen
Ihren Beruf und Ihre Patienten, aber gemeinsam das Genfer Gelöbnis ab, Vorschriften vor allem auch das europäische Recht spielt.
achten Sie auch auf sich!“ Südwürtt- in dem die weltweiten ethischen
embergs Kammer-Vizepräsidentin, Standards für die ärztliche Profession Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie
im Internet unter www.mak-bw.de.
Dr. Sophia Blankenhorn, sagte vor niedergelegt sind. Sie bekennen sich
den Absolventen in Ulm: „Mit Aufnah- darin unter anderem dazu, dass die Referent:
me Ihrer ärztlichen Tätigkeit geloben Erhaltung und Wiederherstellung der • Jens Pätzold, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Sie, Ihr Leben in den Dienst der Gesundheit der Patientinnen und Termin und Veranstaltungsort:
Menschlichkeit zu stellen und ver- Patienten das oberste Gebot ihres • 16. Oktober 2019 (15.00 bis ca. 19.00 Uhr)
pflichten sich, Ihren Beruf mit Gewis- Handelns sein soll. Am Ende steht apoBank Tübingen, Herrenberger Str. 85, 72070 Tübingen
senhaftigkeit und Würde auszuüben. dann in der Regel ein fotogener „Hut- Information und Anmeldung:
Ich danke Ihnen dafür.“ wurf“ als schier unvermeidliches • Management Akademie der KV Baden-Württemberg,
Die Absolventenfeiern werden Ritual. Telefon (07 11) 78 75-35 35, Fax (07 11) 78 75-48-38 88,
nicht überall im Land von den Medi- E-Mail: info@mak-bw.de
zinischen Fakultäten ausgerichtet; OE • oder Online-Anmeldung unter www.mak-bw.de
Teilnahmegebühr:
Die Teilnahme ist kostenlos, setzt jedoch eine Anmeldung voraus.
Fortbildungspunkte: 5
Kammern und KV
Interview • Kammerpräsident Dr. Miller blickt auf die ersten Monate im Amt zurück
„Wir wollen ein moderner Dienstleister sein.“
Fotos: Erens
462 ÄBW 09 • 2019
Kammern und KV
A
m 23. Februar 2019 konstituier- Chance. Unser Weiterbildungsaus-
te sich die Vertreterversamm- schuss wird geleitet von Dr. Klaus
lung der Landesärztekammer Baier als Vorsitzendem und seinen
und wählte Präsidium und Vorstand beiden Stellvertretern Prof. Dr. Wolf-
der Körperschaft. ÄBW-Chefredakteur gang Linhart und Carsten Mohrhardt.
Dr. Oliver Erens sprach mit Kammer- Wir Ehrenamtler stimmen uns unter
präsident Dr. Wolfgang Miller über anderem mit Verbänden und mit Ju-
dessen erste Zwischenbilanz nach risten ab, aber auch in den Gremien
sechs Monaten im Amt sowie über der Bundesärztekammer. Unser Ziel
aktuelle und künftige Projekte. sind realistische Vorgaben, die eine
gute Weiterbildung ermöglichen und
Sie sind inzwischen seit einem nicht behindern. Wir wollen vor allem
halben Jahr Präsident der Landes- mehr Flexibilität.
ärztekammer Baden-Württem-
berg. Wie war die erste Zeit? Der Vorstand möchte, dass
Kolleginnen und Kollegen ihre
Dr. Miller: Als neuer Vorstand Paula Hezler-Rusch, Präsidentin in
Landesärztekammer besser
starten wir in eine bewegte Zeit. Ak- Südbaden, Dr. Bärbel Grashoff und
tuell stehen im Bund in der Gesund- wahrnehmen. Wie gelingt das? Markus Haist arbeiten wie ich für eine
heitspolitik nicht weniger als elf Ge- qualifizierte fachärztliche Versorgung
setzesvorhaben an. Auch die Landes- Dr. Miller: Auf Augenhöhe! Das ist im ambulanten Bereich. Hinzu kom-
regierung arbeitet an der Gesund- unsere Chance. Wir reden mit den men in der erweiterten Runde mit
heitsversorgung der Zukunft. Kolleginnen und Kollegen am Ar- den Vizepräsidenten der Bezirksärzte-
Notfallversorgung und Krankenhaus- beitsplatz, auf Station, im OP, in der kammern Dr. Sophia Blankenhorn, Dr.
planung, Menschenrechte und Klima- Praxis nebenan, beim lokalen Quali- Susanna Colopi Glage, Dr. Jürgen de
wandel, medizinischer Fortschritt, tätszirkel. Ärztekammer sind wir alle. Laporte und Dr. Ulrich Voshaar und
Demografie und nicht zuletzt die Ar- Ich wünsche mir, dass jede Ärztin und den Vorsitzenden des Widerspruchs
beitsbedingungen unserer Kolle- jeder Arzt in Baden-Württemberg ausschusses Dr. Frank Reuther und
ginnen und Kollegen in Klinik und den lokalen Ärzteschafts-Vorsitzen- Dr. Ingolf Lenz vier Hausärzte und
Praxis: all das bewegt und betrifft die den persönlich kennt, bei einer zwei Fachärzte mit ganz verschie-
Ärzteschaft – dem stellt sich der Vor- Fortbildung anspricht, mit ihr oder denen Schwerpunkten. In der großen
stand. ihm telefoniert; das sollte idealerwei- Runde besprechen wir die Anliegen
Zwei Tage nach der Wahl waren se auch für das eine oder andere der Kammer und bereiten zusammen
wir in der neuen Funktion zum ersten Vorstandsmitglied der jeweiligen mit der Geschäftsführung die Be-
Mal im Sozialministerium, seither Bezirksärztekammer gelten. Dabei schlüsse des Vorstandes vor.
immer wieder. Gemeinsam mit der sind wir realistisch. Der Beruf ist nicht Wir wollen die Kolleginnen und
Vizepräsidentin, Agnes Trasselli, ha- alles, und es gibt auch Phasen ohne Kollegen vermehrt über die moder-
ben wir unzählige Gespräche geführt engen Kontakt zur Kammer. Wir wol- nen Medien ansprechen. Über 19.000
mit den Ministerien, mit Abgeordne- len aber das Bewusstsein schaffen: Mitglieder erhalten unseren E-Mail-
ten, mit Kassenvertretern, mit der Wenn ich eine Frage zur Berufsaus- Newsletter „Ärztenews“, außerdem
Krankenhausgesellschaft, mit vielen übung habe, wende ich mich an informiert die Kammer per Twitter
Akteuren im Gesundheitswesen – meine Berufsvertretung. Dazu müs- und Instagram, beispielsweise direkt
und vor allem mit ganz vielen Kolle- sen unsere Angebote, aber auch un- aus den Vertreterversammlungen
ginnen und Kollegen. Außerdem hat sere politischen Stellungnahmen und heraus. Auch die Ergebnisse der Wahl-
der Vorstand der Geschäftsstelle der Aktivitäten passen en in den konstituierenden Aus-
Landesärztekammer eine neue Füh- Unser Vorstand ist breit aufge- schusssitzungen haben wir sofort
rung gegeben. Wir wollen ein moder- stellt: Die Vizepräsidentin, Agnes online verbreitet. Wer uns in den So-
ner Dienstleister sein. Dafür braucht Trasselli, steht als Oberärztin in der zialen Medien folgt, ist auf dem Lau-
es neue Ideen. Kinderintensivmedizin in der Maxi- fenden, ohne großen Aufwand.
malversorgung. Die beiden Bezirks-
Die Social-Media-
Sie haben gemeinsam mit dem präsidenten Prof. Dr. Dr. Christof Präsidium und Vorstand möchten
Hofele aus Nordbaden und Prof. Dr. Kanäle der
Vorstand die Novelle der Weiter- die Bezirksärztekammern stär-
Marko Wilke aus Südwürttemberg Landesärztekammer:
bildungsordnung zu einem ken, dabei aber auch die Landes
stellen als gestandene Hochschulleh-
Ihrer Schwerpunkte gemacht.
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ärztekammer nicht schwächen.
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rer die Verbindung zur Wissenschaft
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Was gibt es zu berichten? her, der Basis unserer täglichen Ar- Können Sie das konkretisieren?
beit. Mit Dr. Klaus Baier, dem Präsi-
Dr. Miller: Im letzten Jahr wurde denten in Nordwürttemberg, Dr. Dr. Miller: Am stärksten sind wir, @AerztekammerBW
der Entwurf der Weiterbildungsord- Norbert Fischer, Dr. Robin Maitra und wenn wir unsere Arbeit gut machen.
nung auf dem Deutschen Ärztetag Dr. Doris Reinhardt sichern vier Vor- Den Kolleginnen und Kollegen ist es
beschlossen. Kompetenzen sollen standsmitglieder in ihren Praxen die egal, wer was macht: Es muss laufen.
stärker berücksichtigt werden. Die hausärztliche Versorgung, mit allen Das erfordert klare Zuständigkeiten.
Umsetzung im Land ist eine große Herausforderungen und Chancen. Dr. Gut bedeutet für die Verwaltungsar- AerztekammerBW
ÄBW 09 • 2019 463
Kammern und KV
durch die Entwicklung der neuen handlung in den Haftanstalten voran.
Weiterbildungsordnung, aber auch Eine große Erleichterung für die Ge-
durch ein Umdenken. Wenn wir unser fangenen und für die Kolleginnen und
Haus und unsere Prozesse in Ordnung Kollegen, die für die Versorgung ver-
haben, wenn wir mit einer Stimme antwortlich sind.
sprechen, werden wir als Landesärz- Daneben fragen viele Player in der
tekammer ernst genommen, auch Politik und im Gesundheitswesen
von der Politik. Und die Menschen nach der Einschätzung der Ärztekam-
interessieren sich dafür, was wir den- mer. Das reicht von unseren Abgeord-
ken, wir müssen es nur formulieren. neten im Bundestag und im Landtag
über die Krankenkassen, die Kranken-
Was haben Sie persönlich in den hausgesellschaft, die Landkreise, die
letzten Wochen und Monaten Bürgermeister, die Patientenvertreter,
über unsere Partner im Gesundheits-
erlebt, wem sind Sie begegnet
wesen, die Psychotherapeuten, die
und um welche Themen ging Apotheker, die Zahnärzte, die Verbän-
es dabei? de der medizinischen Fachberufe und
beit: sorgfältig, zügig, verlässlich. Gut unsere eigenen Verbände bis hin zur
heißt im politischen Umfeld: wach- Dr. Miller: Erlebnisse hängen im- Kassenärztlichen Vereinigung.
sam, ausgewogen, aber ebenso ent- mer mit Menschen zusammen. Unser Mit der KV ist das übrigens eine
schlossen. Das allermeiste für die Sozialminister Manfred Lucha weiß, besondere Beziehung. Wir werden
Mitglieder findet auf Ebene der Be- wovon er redet. Er ist klar, verlässlich, gelegentlich „Schwesterkörperschaf-
zirksärztekammern statt: Meldewe- entschlossen. Mit ihm und seinem ten“ genannt. Und es stimmt: Wir
sen, Anträge, zahllose Vorgänge, die Haus arbeiten wir sehr gut zusammen, brauchen uns. Geschwister werden oft
rasch erledigt werden können und egal, ob es um die Weiterbildungsord- zusammen wahrgenommen. Wenn
müssen. Dabei bemühen wir uns um nung geht oder um unsere internen einer etwas sagt, sollte es der andere
Best Practice: „Wie macht Ihr das?“, Abläufe. Hier haben wir großes Glück. wissen. Geschwister wollen nicht im-
darf man schon mal über die Bezirks- Auch Innenminister Thomas Strobl mer genau dasselbe. Sie können sich
grenzen hinweg fragen. schätze ich; er ist zuständig für den auch mal über den Weg streiten, aber
Die neue Wahlperiode hat auch Rettungsdienst und gut informiert, sie verfolgen ein gemeinsames Ziel.
schon Veränderungen gebracht: Die wenn es um die Belange der Bürger Hier bin ich den Vorständen Dr. Nor-
gewählten Kolleginnen und Kollegen geht, bereit neue Wege zu gehen, bert Metke und Dr. Johannes Fechner
treffen sich häufiger als vorher, und gerade in der Notfallversorgung. Mit dankbar für den kurzen Draht. Es hat
auch der Austausch zwischen den Justizminister Guido Wolf bringen wir sich in den letzten Monaten wieder-
Geschäftsstellen ist enger. Einerseits die ausschließliche ärztliche Fernbe- holt bewährt, wenn wir etwa bei Fra-
Beim gemeinsamen
Start: Vorstand und
Präsidium der Landes
ärztekammer und der
Bezirksärztekammern
mit den Geschäfts
führungen
464 ÄBW 09 • 2019
Kammern und KV
gen der GOÄ, bei den Vorschlägen heißt Digitalisierung? Telematik-Infra- rem neuen Geschäftsführer, Armin
zum Impfen und zum TSVG mit einer struktur, Künstliche Intelligenz, elek- Flohr. Wir teilen uns die Arbeit auf
Stimme gesprochen haben. tronische Patientenakte, E-Arztbrief, und stimmen uns ab, unkompliziert.
Dankbar bin ich auch für viele docdirekt, E-AU, GERDA, Gesundheits- In meiner eigenen Praxis in Echter-
Kontakte mit den Medien. Vom Fern- apps, Terminservicestelle, Notfallda- dingen ist jetzt vieles klarer. Die Kol-
sehen und Rundfunk über die Tages- tensatz, virtuelle Leitstelle… das sind legen, unsere Gesundheitsökonomin
zeitungen bis zum Newsletter von ganz verschiedene Begriffe, die oft und die Medizinischen Fachangestell-
MEDI, Hausärzteverband, Marburger durcheinandergeworfen werden. In ten sind ein eingespieltes Team.
Bund und vielen anderen: die Kammer einer Klausurtagung im Oktober wol- Morgens um halb acht fange ich in
ist gefragt und gibt gerne Auskunft. len wir uns mit neuem Schwung um der Sprechstunde an. Und wenn ich
eben diese Themen kümmern. weg muss, geht es ohne mich gut
Geben Sie uns einen Ausblick Zwei von elf Vorstandsmitglie- weiter.
auf die Arbeit des Landesärzte- dern waren im letzten Vorstand dabei, Die tägliche Arbeit mit den Pati-
zwei weitere als Vizepräsidenten in enten möchte ich auf keinen Fall
kammer-Vorstandes in den
Bezirksärztekammern, daneben sind missen. Ich sehe morgens in der
nächsten Monaten? wir viele neue Köpfe, jeder mit seinen Sprechstunde ein Problem und rede
eigenen Erfahrungen, mit seinen ei- nicht selten nachmittags mit den
Dr. Miller: Zuerst kommt die neue genen neuen Ideen. Abgeordneten darüber. So soll es ja
Weiterbildungsordnung. Dann be- auch sein.
schäftigt uns die Fernbehandlung. Bei Wie ist Ihre erste persönliche Bi- Und privat: Die vier Kinder
diesem Thema sind wir in Baden- lanz; wie lässt sich Ihre berufliche sind groß, meine Frau arbeitet als
Württemberg bundesweit an der Spit- Krankenschwester in Teilzeit und hält
Tätigkeit und Ihr Privatleben mit
ze. Auch deswegen wurde ich in der die Familie zusammen. Auch die
Bundesärztekammer in den Vorsitz des dem neuen Ehrenamt verbinden? letzten Jahre war ich ja in ganz ver-
Ausschusses Berufsordnung gewählt. schiedene Funktionen eingebunden.
Was wir als große Landesärzte- Dr. Miller: Ganz ehrlich, ich mache Jetzt ist die Kammer mein Schwer-
kammer machen, hat Gewicht. Beim das total gerne. Das verdanke ich punkt. Und manches kann ich jetzt
Thema Digitalisierung ist zunächst natürlich auch unserer Vizepräsi- sogar besser planen als früher.
eine Standortbestimmung nötig. Was dentin, Agnes Trasselli, und unse- Das passt.
Berufsschulen übergeben Zeugnisse an Medizinische Fachangestellte
MFA: Praxismanager und
Fachpersonal in einem
M
it dem erfolgreichen Ab- Die Bestehensquote in Baden-
schluss ihrer Ausbildung Württemberg lag in diesem Jahr ins-
starten dieses Jahr in Baden- gesamt bei 95 Prozent. Dr. Miller be-
Württemberg insgesamt 1.788 Medi- dankte sich bei allen ehrenamtlich
zinische Fachangestellte ins Berufsle- tätigen Mitgliedern der Prüfungsaus-
ben. Die feierliche Zeugnisübergabe schüsse, ohne die die Abnahme der
war der krönende Abschluss der Prüfungen nicht möglich wäre. „Be-
Ausbildungszeit. So wurden – bei- sonders hervorzuheben ist auch das
spielhaft für alle 25 Berufsschulen in Engagement der ärztlichen Ausbil-
Baden-Württemberg – Ende Juli an der“, lobte Dr. Miller. „Ihre Bereitschaft, 8 von 1.788: Die besten
der Berufsschule in Aulendorf die junge Menschen auszubilden, ist ein südbadischen Kammerbereich weitere Absolventinnen
Prüfungszeugnisse überreicht. Absol- unverzichtbarer Baustein im Rahmen 394 Absolventinnen und Absolventen der Edith-Stein-Schule
ventinnen mit besonders guten Leis- der dualen Ausbildung und gleichzei- ihre Berufsausbildung abgeschlossen. in Aulendorf erhielten
tungen erhielten Preise der Schulen tig ein Weg für die Arztpraxen und Kammerpräsident Dr. Miller freut Preise ihrer Schule
oder der Ärztekammern. Kliniken, sich den eigenen Fachkräf- sich schon heute auf die nächste Ge- beziehungsweise
„Medizinische Fachangestellte tebedarf zu sichern.“ neration Medizinischer Fachange- der Ärztekammer
sind für die ambulante Versorgung Im Kammerbereich Nordwürttem- stellter, die aktuell ihre Ausbildung
unverzichtbar“, betonte Dr. Miller, berg, dem Kammerbereich mit den begonnen haben: „Mit der Berufsaus-
Präsident der Landesärztekammer meisten Berufsschulen, konnten allein bildung zur Medizinischen Fachange-
Baden-Württemberg. „Sie sind erster 605 junge Frauen und Männer losge- stellten haben sie sich für einen zu-
Anlaufpunkt für Patienten und damit sprochen werden. Der Kammerbereich kunftssicheren Beruf mit zahlreichen
Aushängeschild. Außerdem erfüllen Südwürttemberg mit drei Berufsschu- Aufstiegsmöglichkeiten entschieden.
sie viele wichtige Funktionen als Pra- len blickt stolz auf 317 erfolgreiche Der weiterhin große Fachkräfteman-
xismanager und medizinisches Fach- Prüflinge zurück. Im nordbadischen gel bietet viele Möglichkeiten, im
personal in einem.“ Kammerbereich haben 472 und im Arbeitsleben Fuß zu fassen.“
ÄBW 09 • 2019 465
Die baden-württembergische Ärzteschaft trauert um
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dr. h.c. Ernst Albrecht Moser
* 26. 10. 1940 † 25. 7. 2019
Foto: Universität Freiburg
Ernst Moser studierte Physik an den Universitäten Würzburg und München; zum Dr. rer. nat. promovierte er 1973.
Das Studium der Medizin schloss er 1976 ab, Approbation 1977, danach Promotion zum Dr. med. und 1981 Aner-
kennung als Arzt für Nuklearmedizin. Nach wissenschaftlichen und klinischen Tätigkeiten übernahm Dr. Moser 1985
die Leitung der Nuklearmedizinischen Abteilung der Universität München und habilitierte im selben Jahr. 1987 Er-
nennung zum C2 Professor. Ein Jahr später Ernennung zum Professor für Nuklearmedizin und Leiter der Abteilung
für Nuklearmedizin an der Radiologischen Universitätsklinik Freiburg.
Prof. Moser war national und international Mitglied in nahezu sämtlichen wissenschaftlichen Fachgesellschaften
seines Faches. 1992 erhielt er als Auszeichnung die Korrespondierende Mitgliedschaft der Schweizerischen Gesell-
schaft für Radiologie, 1995 die Ehrenmitgliedschaft der Rumänischen Gesellschaft für Endokrinologie, 1998 die Eh-
Prof. Dr. E. A. Moser rendoktorwürde der Universität Jasi in Rumänien. Von 1995 bis 2000 war Prof. Moser Präsident der Deutschen Ge-
sellschaft für Nuklearmedizin. 2008 wurde ihm die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Nuklearme-
dizin verliehen. Nach seiner Emeritierung war er von 2007 bis 2017 in der Nuklearmedizinischen Praxis am Schwabentor in Freiburg tätig.
Neben seinen umfangreichen Tätigkeiten war Prof. Moser das kollegiale Miteinander und die Förderung des ärztlichen Nachwuchses ein
großes Anliegen. 2004 bis 2006 war er Prodekan der Medizinischen Fakultät, langjährig Beauftragter der Medizinischen Fakultät und des
Universitätsklinikums für die akademischen Lehrkrankenhäuser.
Auch berufspolitisch war Prof. Moser in den Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung aktiv. So gehörte er von 2003 bis 2006 dem Weiterbil-
dungsausschuss der Landesärztekammer an und war Vertreter der Universität in Vorstand und Vertreterversammlung der Bezirksärztekam-
mer. 2006 verlieh ihm die Bezirksärztekammer die Albert-Fraenkel-Plakette für seine herausragenden Verdienste um die Ärzteschaft.
Wir danken Prof. Dr. Moser für sein Engagement für die Ärzteschaft. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie. Die baden-württembergische
Ärzteschaft wird ihm ein ehrendes Gedenken bewahren.
Landesärztekammer Baden-Württemberg Bezirksärztekammer Südbaden
Dr. Wolfgang Miller Dr. Paula Hezler-Rusch
Präsident Präsidentin
Koordinierungsstelle wirbt für hausärztlichen Beruf
Interesse an Allgemeinmedizin nimmt zu
D
as Interesse von jungen Ärz- aussendet. Dennoch ist es nicht aus- dung eines der zentralen Themen, um
tinnen und Ärzten, künftig in reichend, um jeden frei werdenden die Versorgung weiterhin zu gewähr-
der Allgemeinmedizin tätig zu Hausarztsitz nachzubesetzen.“ leisten. „Wir wissen, dass viele Arztpra-
werden, nimmt zu. Dies ist ein großes Seit acht Jahren ist die Geschäfts- xen ihre Nachfolge regeln, indem sie
Verdienst der Koordinierungsstelle stelle der Koordinierungsstelle Allge- einen Arzt in Weiterbildung beschäfti-
Allgemeinmedizin, in der die Kranken- meinmedizin bei der KVBW angesie- gen. Denn der junge Arzt oder die
hausgesellschaft, die Landesärzte- delt. Sie hat die Aufgabe, die Beteiligten junge Ärztin bekommt so bereits einen
kammer und die Kassenärztliche Ver- zu vernetzen und entsprechende Ange- Kontakt mit den Patienten, kennt das
einigung Baden-Württemberg (KVBW) bote für die jungen Ärztinnen und Ärzte Praxisteam und die Abläufe.“
ihre Kräfte bündeln, um so für den zu entwickeln. Schließlich dauert die Die KVBW förderte die Weiterbil-
hausärztlichen Beruf zu werben. Weiterbildung zum Allgemeinmedizi- dung im Jahr 2018 mit einem Betrag
Bei der Vorstellung des jüngsten ner etwa 6,5 Jahre und umfasst mehre- von 15,5 Millionen Euro. Die Kranken-
Berichtes der Koordinierungsstelle re Abschnitte, die teilweise in der Klinik kassen beteiligten sich paritätisch mit
Allgemeinmedizin zeigten sich die und teilweise in einer niedergelassenen dem gleichen Betrag an der Finanzie-
Partner von den Ergebnissen erfreut. Praxis stattfinden. „Da ist eine gute rung des Förderprogramms Allge-
Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Abstimmung wichtig, um einen rei- meinmedizin. Dr. Fechner verwies
Landesärztekammer, sagte: „Die zahl- bungslosen Ablauf zu gewährleisten“, auch auf die weiteren Maßnahmen
reichen Maßnahmen der Koordinie- betont Dr. Metke. Ergänzend tragen die zur Förderung von Ansiedlungen. „Mit
rungsstelle, den Hausarztberuf attrak- allgemeinmedizinischen universitären unserem Förderprogramm Ziel und
tiver zu gestalten, tragen erfreulicher- Einrichtungen aus Freiburg, Heidel- Zukunft unterstützen wir die Ansied-
weise Früchte. Die Zahl der Absol- berg, Tübingen und Ulm sowie das lung oder die Übernahme von Arzt-
venten, die sich für die Weiterbildung Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin praxen in Regionen, in denen die
in der Allgemeinmedizin entscheiden, mit Maßnahmen wie Seminartagen, Versorgung gefährdet ist. Ebenso
hat sich in den vergangenen Jahren Train-the-Trainer Schulungen und Men- haben wir gemeinsam mit den Kran-
verdreifacht.“ Der Vorstandsvorsitzen- toring erheblich zur Verbesserung der kenkassen die Vergütungssituation
de der KVBW, Dr. Norbert Metke, Attraktivität des Faches Allgemeinme- der Hausärzte in den vergangenen
pflichtete ihm bei: „Das ist eine über- dizin bei. Jahren deutlich verbessert.“
aus erfreuliche Entwicklung, die ein Für KVBW-Vize Dr. Johannes Fech- Weitere Informationen:
wichtiges Signal für die Versorgung ner ist die Förderung der Weiterbil- www.allgemeinmedizin-bw.de C
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VV-Mitglieder stellen sich vor – Folge 5
Dr. Susanne Bublitz Dr. Dorothee Müller-Müll Dr. Rolf Hartmann Ulrich Geiger Dr. Walter Imrich
Niedergelassene Fachärz- Fachärztin für Allgemein- Allgemeinarzt in Ulm. Seit Niedergelassener Haus- Facharzt für Anästhesiolo-
tin für Allgemeinmedizin medizin, niedergelassen in 25 Jahren in Kammer, KV arzt in Offenburg. Er ist gie und Notfallmedizin am
in Pfedelbach. Sie enga- Freudenstadt. Sie enga- und Hausarztverband in Vorsitzender der Kreisärz- Klinikum Esslingen. In der
giert sich berufspolitisch giert sich berufspolitisch in verschiedenen Positionen teschaft Ortenau, Dele- fünften Legislaturperiode
in der Bezirksärztekam- der Ärzteschaft vor Ort, berufspolitisch engagiert. gierter in der Vertreterver- Delegierter in der Vertre-
mer Nord-Württemberg, sowie in Bezirksärztekam- Dr. Hartmann ist Mitglied sammlung der Bezirks- terversammlung der LÄK
in der Landesärztekam- mer und Vertreterver- des Haushaltsausschusses, und Landesärztekammer und Bezirksärztekammer
mer und als Delegierte des sammlung. Sie ist Mitglied Gutachter und Prüfer hin- und engagiert sich berufs- Nordwürttemberg. Inner-
Hausärzteverbandes Ba- in den Ausschüssen „Wei- sichtlich der Weiterbil- politisch zudem in ver- halb dieser Gremien enga-
den-Württemberg. Als terbildung“ und „Ärz- dung Allgemeinmedizin schiedenen kommunalen giert er sich für die Weiter-
Lehrpraxis der Universität tinnen“ sowie Lehrbeauf- und für MFAs. Wichtig ist Gremien. Seine Schwer- bildung und Notfallmedi-
Heidelberg liegt ihr am tragte der Universität Tü- ihm wertschätzender Um- punktthemen in der Kam- zin. Er ist Mitglied der
Herzen, die Begeisterung bingen. Dr. Müller-Müll gang aller Kolleginnen merarbeit sind Weiterbil- Ausschüsse „Notfallmedi-
für die Allgemeinmedizin setzt sich für die Vereinbar- und Kollegen im haus- und dung und Nachwuchs in zin“ und „Krankenhaus“
an Studierende zu ver keit von Familie und Beruf fachärztlichen Bereich so- Medizin und Pflege. sowie Bezirksvorsitzender
mitteln. und für die ärztliche Wei- wie Nachwuchsförderung des Marburger Bundes von
terbildung ein. in der Medizin. Nordwürttemberg.
Dr. Gisa Weißgerber Mathias Körner Dr. Norbert Metke Dr. Joachim Suder Priv.-Doz. Dr. Jens Thiel
Hausärztliche Internistin, Weiterbildungsassistent Blickt auf viele Jahre in der Niedergelassener Arzt für Internist und Rheumatolo-
südlich von Freiburg nie- für Innere Medizin in Karls- Praxis und der Berufspoli- Kinder- und Jugendmedi- ge. Er engagiert sich be-
dergelassen. Im Vorstand ruhe. Er bringt sich berufs- tik zurück. 26 Jahre war er zin, Naturheilkunde und rufspolitisch in der Bezirks
der Bezirksärztekammer politisch im Bezirk, im als Facharzt für Orthopä- Homöopathie in Tübingen. ärztekammer Südbaden
Südbaden. Mitglied in den Land, im Marburger Bund die, Unfallchirurgie und Vertreter der Sprechenden und in der Vertreterver-
Ausschüssen „Ärztliche und in den Kammern ein. Rehabilitationsmedizin in Medizin, Ärzte in sozialer sammlung der Landesärz-
Weiterbildung“ und „Be- Als Vorstandsmitglied der eigener Praxis niederge- Verantwortung und IPPNW. tekammer. Schwerpunkte
rufsordnung“ der Landes European Junior Doctors lassen. Seit 2011 ist er Vorstandsmitglied der Be- seiner berufspolitischen
ärztekammer. Im Haus vertritt er Assistenzärzte Vorstandsvorsitzender der zirksärztekammer Süd- Arbeit sind die Hochschul-
ärzteverband aktiv. Ihre auf europäischer Ebene. Kassenärztlichen Vereini- württemberg. Engagement medizin sowie Weiterbil-
berufspolitischen Interes- Themenschwerpunkte gung Baden-Württemberg in Ausschüssen der Lan dungsbelange.
sen liegen in der Entwick- sind die Qualität der Wei- und seit vielen Jahren De- desärztekammer, im Pro-
lung von Modellen zur terbildung, Arbeitsbedin- legierter in der Vertreter- jekt „Frühe Hilfen“ der Kas-
Vereinbarkeit von Beruf gungen in der Klinik, Ver- versammlung der Landes senärztlichen Vereinigung
und Familie und der Ver- einbarkeit von Familie und ärztekammer. Dr. Metke ist sowie u. a. für seelische Folge 6
knüpfung von ambulantem Beruf sowie Digitalisierung Mitbegründer des MEDI- Gesundheit, Fort- und Wei- im Oktober-Heft
und stationärem Sektor. im Gesundheitswesen. Verbundes. terbildung, Inklusion. des Ärzteblattes BW
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Landesverband Baden-Württemberg feierte Jubiläum
70 Jahre Freie Berufe – Säule der Rechtsordnung
V
or genau 70 Jahren wurde in
Baden-Württemberg der Lan-
desverband der freien Berufe
gegründet. Zweck des Verbandes war
und ist es, alle berufsübergreifenden
Bestrebungen der Angehörigen der
Freien Berufe in einem allgemeinen
Sinn zu verfolgen und für die Erhal-
Dr. B. Demuth tung und den Ausbau der Freien Be-
rufe einzutreten. Der runde Geburts-
tag des Landesverbandes war Anlass
einer Feierstunde Anfang Juli, die in
den Räumlichkeiten der Ärztekam-
mer in Stuttgart stattfand.
Dr. Björn Demuth, Präsident des
Landesverbandes der Freien Berufe
Baden-Württemberg, betonte in sei-
ner Begrüßung der rund 150 Gäste,
Prof. Dr. W. Ewer dass die Freien Berufe in vielfältiger
Hinsicht einzigartig seien: „Sie sind Prof. Dr. W. Ewer, Dipl.-Oec. N. Leuz, Dr. A. Gräfin Vitzthum, W. Kretschmann,
einem starken Berufsethos und einer Dr. B. Demuth, Dr. T. Tomppert, Dr. W. Miller
ausgeprägten Gemeinwohlorientie-
rung verpflichtet. Der Freie Beruf ist telständischen Betriebe. Sie steuern Fernbehandlung und Telemedizin
in seiner Funktion Treuhänder, aber rund zehn Prozent unseres Bruttoin- einsetzen.
auch Wahrer und Durchsetzer grund- landsproduktes bei und sind weit Der Vortrag von Professor Dr.
rechtlich garantierter Rechte und mehr als ein bloßer Wirtschaftsfaktor. Wolfgang Ewer, Präsident des Bun-
Güter seiner Auftraggeber und damit Denn Sie leisten einen wesentlichen desverbandes der Freien Berufe, war
Garant für dessen individuelle Entfal- Beitrag zum Zusammenhalt und zur überschrieben mit „Freie Berufe:
Prof. Dr. A. Schäfer tungsfreiheit. So dient etwa die Ärz- Innovation in unserer Gesellschaft.“ Freiheit, Fortschritt, Fähigkeiten“.
teschaft der Gesundheit des Einzel- Und weiter: „Gemeinwohlorientie- Er lobte den baden-württember-
nen im Besonderen und der Bevölke- rung gehört zu Ihrer DNA. Wir vertrau- gischen Landesverband unter der
rung im Allgemeinen.“ en uns Ihnen an, beispielsweise in Führung von Präsident Dr. Demuth
Auch Winfried Kretschmann, Mi- gesundheitlichen Fragen. Die Sonder- und Vizepräsident Dr. Klaus Baier (der
nisterpräsident des Landes Baden- stellung der Freien Berufe mit ihrer
W. Kretschmann, Württemberg, lobte die Freien Berufe Verschwiegenheitspflicht ist eine
in seinem Grußwort: „Sie sind zen- wichtige Säule unserer Rechtsord-
Dr. B. Demuth,
Dr. A. Gräfin Vitzthum, traler Konjunktur- und Beschäfti-
gungsanker unseres Landes und ste-
nung. Das muss auch in Zeiten der
Digitalisierung erhalten bleiben.“
Freie Berufe
Dr. T. Tomppert,
Dr. W. Miller, A. Flohr hen für mehr als ein Drittel der mit- Der Ministerpräsident ging in Angehörige Freier Berufe erbrin-
seiner Rede auch auf den Ärzteman- gen aufgrund besonderer beruf-
gel ein und betonte: „Landärzte sind licher Qualifikation persönlich, ei-
wichtig. Wir schaffen daher zusätz- genverantwortlich und fachlich
liche Medizinstudienplätze und lo- unabhängig geistig-ideelle Leis-
cken Studierende mit Stipendien aufs tungen im Interesse ihrer Auf-
Land. Wir helfen ihnen auch mit einer traggeber und der Allgemeinheit.
dicken finanziellen Spritze bei ihrem Ihre Berufsausübung unterliegt in
Wechsel aufs Land. Sie sehen: Unsere der Regel spezifischen berufs-
Freiberufler sind uns lieb und teurer. rechtlichen Bindungen nach
Sie sind unverzichtbar und für viele Maßgabe der staatlichen Gesetz-
Bürger ein Stück Heimat.“ gebung oder des von der jewei-
Auch die Digitalisierung durfte in ligen Berufsvertretung autonom
der Ansprache des Ministerpräsi- gesetzten Rechts, welches die
denten nicht fehlen: „Die Freien Be- Professionalität, Qualität und das
rufe sind Träger und Gestalter des zum Auftraggeber bestehende
digitalen Wandels.“ Das lasse sich Vertrauensverhältnis gewährlei-
gerade bei Ärztinnen und Ärzten gut stet und fortentwickelt.
erkennen, die die Möglichkeiten der
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gleichzeitig Präsident der Bezirksärz- fachlich qualifizierten und kontrol-
tekammer Nordwürttemberg ist): lierten Architekten und Ingenieuren
„Für uns als Bundesverband der frei- erbracht werden dürfen. Den Höchst- HOAI und GOÄ
en Berufe ist es wichtig zu wissen, sätzen stehe entgegen, dass Verbrau-
dass Sie eine gute Wechselbeziehung cher durch Preisempfehlungen hin- Obwohl nationale Hono-
zu den maßgeblichen Entscheidern reichend vor zu hohen Honoraren rarordnungen bereits seit
hier im Land haben.“ Dies zeige sich geschützt werden können. einiger Zeit auf ihre Euro-
beispielsweise auch in der Anwesen- Trotz der immanenten Gefahr, parechtsfestigkeit unter-
heit des Ministerpräsidenten bei der dass künftig beispielsweise auch die sucht werden, und bereits
Feierstunde. Gebührenordnung für Ärzte von Ein- die Festlegung von Min-
Die Freien Berufe stünden für ein griffen durch die EU-Kommission be- desthonoraren für Rechts-
berufliches Bündnis für Ausbildung Ministerpräsident W. Kretschmann troffen sein könnte, sah Professorin anwälte (am Beispiel Itali-
und Fachkräftesicherung, so Professor Schäfer in dem Urteil des Europä- ens) als Einschränkung
Ewer: „Die Werbung für unsere Assi- stungserbringern und bei der Erbrin- ischen Gerichtshofes einen gewissen der Dienstleistungsfrei-
stenzberufe ist vorausschauend. Aber gung von grenzüberschreitenden Erfolg für die Freien Berufe, denn „nur heit gesehen wurde
wir müssen umdenken und sind als Dienstleistungen. Konkret solle die Mindesthonorare können dabei be- (Rechtssachen C-94/04
Ausbilder inzwischen auf dem harten entsprechende Richtlinie dazu die- hilflich sein, ein Absinken der Qualität und C-202/04), dürfte das
Boden der Tatsachen angekommen: nen, Regeln für einen Rechtsrahmen zu vermeiden.“ Urteil des Europäischen
Der Wettbewerb um die besten Köpfe zur Durchführung von Verhältnismä- Zu guter Letzt widmete sich Pro- Gerichtshofes vom 4. Juli
hat längst begonnen; wir sind heute ßigkeitsprüfungen vor der Einfüh- fessorin Schäfer, wie auch ihre Vorred- 2019 nach Auffassung der
in einem Bewerbermarkt.“ Gleichzei- rung neuer Rechts- und Verwaltungs- ner, der Digitalisierung: „Daten, so Bundesärztekammer kei-
tig betonte er: „Die Freien Berufe be- vorschriften festulegen, mit denen heißt es, sind das Öl des 21. Jahrhun- ne Auswirkungen auf die
schäftigen über vier Millionen Men- der Zugang zu reglementierten Beru- derts. Die Freien Berufe können Gebührenordnung für
schen. Wir Freiberufler sind ein gesell- fen oder deren Ausübung beschränkt wachsame Förderer dieses Öls und Ärzte haben, da die ärzt-
schaftlicher Pluspunkt; unsere perso- oder bestehende Vorschriften geän- Partner für ihre Mandanten, Verbrau- liche Gesundheitsversor-
nal-social-responsibility schafft Werte dert werden. Die Richtlinie umfasse cher und Patienten sein, die in digitale gung in Deutschland Ärz-
für die Gesellschaft.“ Und er kritisierte auch den Erlass oder die Änderung Lösungen vertrauen. Die freien Berufe tinnen und Ärzte vorbe-
eine ganze Reihe von Vorstößen der von Berufsregeln im ärztlichen Be- können und müssen dabei vor allem halten ist.
EU-Kommission, die Freien Berufe zu reich und betreffe damit unmittelbar für ausreichende Informationen und
beschränken und sagte unter ande- die Berufszugangs- und Berufsausü- Transparenz über die Leistungskraft
rem: „Der Vertrauensschutz stellt eine bungsregelungen der Ärzte, kritisier- digitaler Lösungen und auch deren
wichtige Grundvoraussetzung für die te Professorin Schäfer. Grenzen in einem digitalen Binnen-
Tätigkeit der Freien Berufe dar. Das Die Festrednerin ging auch auf die markt der Zukunft sorgen.“
Berufsgeheimnis ist für uns konstitu- Honorarordnung der Architekten und
tiv. Wir müssen uns daher ganz ent- Ingenieure (HOAI) ein: Der Europä- OE
schlossen gegen jede Erodierung des ische Gerichtshof hatte wenige Tage
Berufsgeheimnisses wenden.“ zuvor die verbindlichen Mindest- und Anzeige
Verordnungen aus Brüssel war Höchstsätze der HOAI als europa-
auch der Festvortrag „Die europäische rechtswidrig eingestuft. Anlass war
Dimension der Freien Berufe – natio- ein von der EU-Kommission gegen die Veranstaltungshinweis
nalstaatliche Verankerung und euro- Bundesrepublik eingeleitetes Ver-
päische Ausrichtung“ von Professorin tragsverletzungsverfahren gewesen. Die Baden-Württembergische Bank (BW-Bank)
Dr. Anne Schäfer gewidmet. Die Pro- Die Kommission sah in den verbind- in Villingen-Schwenningen veranstaltet im Rahmen
fessorin für Sozial- und Gesundheits- lichen Mindest- und Höchstsätzen ihrer Reihe BW Forum Medicum gemeinsam mit
recht, Verfassungsrecht, Europäisches einen Verstoß gegen die EU-Dienstlei- dem Beratungsunternehmen consanitas eine Informations
Berufsrecht an der Hochschule Fulda stungsrichtlinie und die Niederlas- veranstaltung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte.
widmete sich unter anderem der sungsfreiheit; dies hatte der Gerichts- Titel:
Verhältnismäßigkeitsprüfung vor hof bestätigt. Die Mindestsätze sehe Praxisoptimierung und Mitarbeiterbindung –
dem Erlass neuer Berufsreglementie- der Europäische Gerichtshof nicht als wie Sie mit Fördermitteln Ihren Praxiserfolg verbessern!
rungen. Ziel der Kommission sei die geeignet an, die Qualität von Pla- Referent:
Aufhebung von Wettbewerbshinder- nungsleistungen zu sichern, solange Dipl.-Kaufmann Dominik Brenneis (Inhaber der consanitas-
nissen bei der Mobilität von Dienstlei- diese nicht nur von nachweislich Beratung für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Physiotherapeuten)
Veranstaltungsinhalte:
Informieren Sie sich, wie Sie durch Praxisoptimierung und Mitar-
beiterbindung das Potenzial Ihrer Praxis besser nutzen können.
Erfahren Sie zudem, welche Fördermittel für eine Praxisberatung
für Sie möglich sind, damit Ihnen kein Geld verloren geht.
Termin und Veranstaltungsort:
17. September 2019 um 18.30 Uhr
Hotel Holiday Inn am Schwarzwald-Baar-Klinikum,
Klinikstaße 3/1, 78052 Villingen-Schwenningen
Information und Anmeldung:
BW-Bank Villingen-Schwenningen, Yasmin Würtz,
Telefon (0 77 20) 39 05-24, E-Mail: yasmin.wuertz@bw-bank.de
Teilnahmebedingungen:
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei.Medizinhistorik
Ärzteschaft befasste sich mit industrialisiertem Morden im Nationalsozialismus
„Lebensunwertes Leben“
V
on Mai bis Juli war die Wander- Innerhalb eines Jahres wurden in maßgeblich an der Auswahl des auf
ausstellung der Gedenkstätte Grafeneck 10.654 Menschen mit gei- der Schwäbischen Alb gelegenen
Grafeneck (bei Gomadingen im stigen Behinderungen oder psychi- Schlosses Grafeneck als Tötungsan-
Landkreis Reutlingen) zu Gast im schen Erkrankungen ermordet. Die stalt für die „Aktion T4“ beteiligt und
Stadtmuseum Hornmoldhaus in Bie- Ausstellung in Bietigheim-Bissingen übernahm dann die Leitung der ent-
tigheim-Bissingen. Sie dokumentierte erinnerte an die Opfer und richtete sprechenden regionalen Zentralstelle
die Euthanasie-Verbrechen von 1940 sich gegen das Vergessen in den im württembergischen Innenministe-
und den Umgang mit diesen in der Diskussionen der Gegenwart; ergänzt rium. Er leistete dabei offenbar ohne
Nachkriegszeit seit 1945 bis heute. wurde sie nicht nur durch Informati- Bedenken und in umfassender Weise
onen über NS-Euthanasieopfer aus Beiträge zur Krankenmordaktion:
Foto: Erens
der Region, sondern auch durch eine Stähle unterzeichnete Schreiben, in
Fortbildung der Ärzteschaft Ludwigs- denen die Verlegung von Kranken aus
burg, in deren Fokus der grausame württembergischen Anstalten in die
Krankenmord im Nationalsozialismus Tötungsanstalt Grafeneck angeord-
stand. Nach einer Führung durch die net wurde. Er sah sich dabei als Arzt
Ausstellung zu den Opferschicksalen der Nation, der den Willen Gottes
wurden den rund 100 Ärztinnen und ausführte.
Ärzten im Rathaus drei Vorträge ge- Auf die heutige ärztliche Verant-
boten; in der anschließenden Diskus- wortung, die sich aus der Vergangen-
sion ging es vor allem um die ärztliche heit ergibt, ging das Vorstandsmit-
Verantwortung an diesem dunklen glied und der Menschenrechtsbeauf-
Kapitel der Geschichte. tragte der Landesärztekammer Ba-
Die systematische Ermordung von den-Württemberg, Dr. Robin Maitra,
geistig behinderten und psychisch ein. Nach seiner Beobachtung sei in
erkrankten Menschen sei durch den der jüngeren Generation von Medi-
Die Referenten und In Grafeneck begann im Jahr 1940 Staat hochgradig bürokratisch in zinstudenten und Ärzten vielfach
Organisatoren die sogenannte „Aktion T4“. Namens- einem arbeitsteiligen Verfahren um- Unwissen zu den Geschehnissen im
der Ärztefortbildung gebend für das in der Nachkriegszeit gesetzt worden, erklärte Thomas Nationalsozialismus und der Rolle der
mittlerweile gebräuchliche Kürzel Stöckle von der Gedenkstätte Gra- Ärzteschaft verbreitet. Die systema-
war die in einer damaligen Villa in der feneck. Behinderte wurden als Ballast tische Aufarbeitung der NS-Zeit durch
Tiergartenstraße 4 in Berlin-Mitte angesehen; hinzu kamen rassenhygi- die Ärzteschaft sei leider erst ab 1980
untergebrachte Bürozentrale für die enische Vorstellungen und Überzeu- in Gang gekommen.
Leitung der Ermordung behinderter gungen. Wer etwa an Schizophrenie „Wir haben eine große Verant-
Menschen im gesamten Deutschen litt, in einer Anstalt lebte und nicht wortung geerbt“, sagte Dr. Maitra:
Reich. Die „Aktion T4“ war Teil einer arbeiten konnte, wurde gemeldet und „Es ist eine falsche Annahme, das
stufenweisen Verwirklichung von kam auf die Todesliste. menschliche Leben bewerten zu
Kernzielen der nationalsozialistischen Die grauen Busse fuhren bei der können“, warnte er angesichts
Ideologie, der „Aufartung“ oder „Auf- Ankunft in Grafeneck direkt in einen aktueller Diskussionsthemen wie
nordung“ des deutschen Volkes. von den Nationalsozialisten ange- Sterbehilfe, Gentechnik und Pränatal-
Hierzu gehörten verschiedene Maß- legten Tötungskomplex. Jeder an- diagnostik. Zum Beifall des Auditori-
nahmen – von harmlosen wie kommende Transport wurde ohne ums forderte er, die Auseinanderset-
Ehestandsdarlehen, Kinderbeihilfen, Rücksicht auf die Tageszeit sofort un- zung mit medizinethischen Themen
Steuererleichterungen bis hin zur tersucht und die zur Euthanasie Be- stärker im Medizinstudium zu veran-
In loser Folge veröffent Zuweisung von Siedlerstellen und stimmten sofort vergast. „Es war der kern, zudem sei eine Erinnerungskul-
lichen wir Beiträge über Erbhöfen zur Förderung von rassisch Beginn des industrialisierten Mordens tur für die Opfer der nationalsozialis-
die Rolle der baden- erwünschtem zahlreichem Nach- im Nationalsozialismus“, betonte tischen Krankenmorde heute wich-
württembergischen wuchs. Jede „Beeinträchtigung des Stöckle. Grafeneck sei später Vorbild tiger denn je.
Ärzteschaft im National- deutschen Volkskörpers“ sollte durch für die großen Konzentrationslager Unter dem Eindruck der schwie-
sozialismus. Zuletzt: die gesetzlich geregelte „Verhinde- geworden: „Der Arzt stand an der rigen Thematik und der bewegenden
„Die Täter waren Ärzte“ rung“ der Fortpflanzung von Men- Rampe von Auschwitz und der Weg Vorträge resümierte Kammerpräsi-
(2/2018), „Forschungs schen mit einer echten oder angeb- dorthin ging über Grafeneck.“ dent Dr. Wolfgang Miller: „Es war
projekt zur Kammer lichen Erbkrankheit sowie von sozial Christian Hofmann vom Stadtar- wegen des belastenden Themas kein
historie“ (4/2018), „Ärzte- und rassisch unerwünschten Men- chiv Bietigheim-Bissingen und Initia- ‚schöner‘ Abend, aber es war für die
schaft gedenkt Opfern schen verhindert werden. Mittel war tor der lokalen Stolpersteingruppe Ärzteschaft ein ganz wichtiger
des NS-Regimes“ dazu schließlich das „Ausmerzen“ in ging in seinem Vortrag auf den Par- Abend.“
(2/2019). Form der Vernichtung von „lebens teifunktionär und Arzt Dr. Eugen
unwertem Leben“. Stähle ein. Er war im Oktober 1939 OE
470 ÄBW 09 • 2019Sie können auch lesen
