Schwaches Wachstum Swiss Economics

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Schwaches Wachstum Swiss Economics
Swiss Economics

Schwaches
Wachstum
Monitor Schweiz | 1.Q 2023

      Konjunktur                  Fokus Energiekrise                 Geldpolitik
      Fehlende Wachstumstreiber   Wie die Schweizer Industrie        Höhere Zinsen im Jahr 2023
                                  die Energiekrise meistert
                                                           Swiss Economics | 2.Q 2022             0
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Schwaches Wachstum Swiss Economics
Swiss Economics | 1.Q 2023   2
Schwaches Wachstum Swiss Economics
Editorial

            Sehr geehrte Leserinnen und Leser

            Die Preisstabilität und der Strom aus der Steckdose haben eine Gemeinsamkeit: Man erkennt
            ihren wahren Wert erst, wenn sie nicht mehr da sind. Zwar droht der Schweiz wohl keine lange
            Phase des Verlusts an Preisstabilität, mit Werten von zeitweilig über 3% ist die Inflation aber defi-
            nitiv auch hierzulande ins Bewusstsein zurückgekehrt. Tatsächlich mindert selbst eine vermeintlich
            tiefe Inflation mit der Zeit die Kaufkraft. Mit der gleichen Banknote könnten beispielsweise bei
            einer kontinuierlichen Inflationsrate von 3% nach 20 Jahren nur noch rund halb so viele Güter und
            Dienstleistungen eingekauft werden wie heute. Überhaupt ist Bargeld wegen der Inflation als
            langfristiges Wertaufbewahrungsmittel nur wenig geeignet. Für einen Warenkorb, der im Jahr
            1900 noch CHF 100 kostete, müssten heute beispielsweise mehr als CHF 1’200 ausgegeben
            werden – etwa 90% des Bargeldwerts sind also der Teuerung zum Opfer gefallen. Angesichts
            dieser starken Nebenwirkung der Inflation wird die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leit-
            zins noch weiter erhöhen, wie wir im Geldpolitik-Artikel auf Seite 17 erläutern. Und dies, obwohl
            die Inflation in der Schweiz im Jahresverlauf wieder abnehmen und unter 2% sinken sollte.

            Auch beim Strom konnte der schlimmstmögliche Fall einer Mangellage diesen Winter abgewendet
            werden. Dies war unter anderem glücklichen Umständen wie dem milden und windigen Wetter in
            Europa zuzuschreiben, aber auch der Tatsache, dass das Preissignal Anreize zum Sparen setzte
            und Europa es bisher geschafft hat, drohende Ausfälle in der Stromproduktion mittels Flüssig-
            gasimporten zu vermeiden. Der nächste Winter kommt jedoch bestimmt, und eine verfrühte Ent-
            warnung ist nicht angebracht. Unsere Analyse im Fokus-Artikel ab Seite 12 zeigt anhand ver-
            schiedener Faktoren – wie Energieintensität, Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten so-
            wie indirekte Abhängigkeiten in den Lieferketten und bei den Energieimporten –, welche Bran-
            chen hierzulande gegenüber der Energiekrise besonders exponiert sind und wie die Schweizer
            Industrie als Ganzes im europäischen Kontext abschneidet. So viel vorneweg: Vor 20 Jahren hätte
            die Energiekrise wesentlich grösseren Schaden angerichtet, hat doch die Energieintensität in der
            Schweiz und in Europa seither deutlich abgenommen, unter anderem dank Effizienzsteigerungen
            in der Produktion. Wieder einmal zeigt sich, wie wichtig Innovation und Anpassungsfähigkeit für
            den langfristigen Erfolg sind.

            Die Schweizer Wirtschaft hat sich bislang denn auch dementsprechend robust entwickelt. Im ver-
            gangenen Jahr resultierte ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 2.1%, und selbst im
            schwierigen Schlussquartal 2022 schrumpfte die Wirtschaftsleistung nicht. Derweil dürfte 2023
            für die Schweizer Wirtschaft verhaltener werden, ist doch der Erholungsboom nach der
            Coronakrise vorbei, während die Weltwirtschaft weiterhin durch die Energiekrise, die hohe Inflation
            in den USA und Europa sowie die Zinswende belastet wird. Lesen Sie in unserem Konjunktur-
            Artikel ab Seite 6, warum wir davon ausgehen, dass das Wirtschaftswachstum hierzulande zwar
            unterdurchschnittlich ausfallen wird, aber weiterhin keine Rezession droht.

            Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.

            André Helfenstein                                   Claude Maurer
            CEO Credit Suisse (Schweiz) AG                      Chefökonom Schweiz

                                                                           Swiss Economics | 1.Q 2023          3
Schwaches Wachstum Swiss Economics
Inhalt

Konjunktur                                                                                                      6
Fehlende Wachstumstreiber
Dank des robusten Konsums droht der Schweiz keine Rezession. Das Wirtschaftswachstum
verlangsamt sich im Vergleich zum Vorjahr aber deutlich. Wir prognostizieren für 2023 ein
Wachstum des Bruttoinlandprodukts von 0.8%, nach 2.1% im Jahr 2022.

Konjunktur | Monitor                                                                                            8

Branchen | Monitor                                                                                              9

Fokus Energiekrise                                                                                            12
Wie die Schweizer Industrie die Energiekrise meistert
Die Schweizer Industrie verfügt im Vergleich zu ihrem europäischen Pendant über bessere
Voraussetzungen, um die Energiekrise erfolgreich zu überstehen. Ihre tiefere Energieintensität, ein
geringerer Anteil der Energie- an den Gesamtkosten sowie der hiesige Branchenmix gereichen
der Schweiz zum Vorteil. Mögliche Anfälligkeiten ergeben sich derweil indirekt aufgrund der
Importabhängigkeit in der Wertschöpfungskette und bei der Energieversorgung.

Geldpolitik                                                                                                   17
Höhere Zinsen im Jahr 2023
Da die Inflation unangenehm hoch bleibt, rechnen wir damit, dass die Schweizerische
Nationalbank ihren Leitzins bis im Juni 2023 weiter auf 2.25% anheben wird. Im weiteren
Jahresverlauf und für den grössten Teil des Jahres 2024 dürfte sie ihren Schlüsselsatz unseres
Erachtens unverändert auf diesem Niveau belassen.

Geldpolitik | Monitor                                                                                         18

Immobilien | Monitor                                                                                          19

Credit Suisse Vorlaufindikatoren                                                                              20

Prognosen und Indikatoren                                                                                     22

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Schwaches Wachstum Swiss Economics
Konjunktur

Fehlende Wachstumstreiber
                                                  Dank des robusten Konsums droht der Schweiz keine Rezession. Das Wirtschafts-
                                                  wachstum verlangsamt sich im Vergleich zum Vorjahr aber deutlich. Wir prognostizieren
                                                  für 2023 ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts von 0.8%, nach 2.1% im Jahr 2022.

Robustes Wachstum                                 Trotz Energiekrise, Inflationssorgen und Krieg in der Ukraine ist der Blick in den konjunkturellen
im Jahr 2022, trotz                               Rückspiegel erfreulich: 2022 resultierte ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 2.1%,
verhaltenen                                       und selbst im Schlussquartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung nicht. Die Wertschöpfung in der
Jahresendes                                       Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) war jedoch seit dem 3. Quartal rückläufig, und
                                                  das Wachstum im Dienstleistungssektor verlangsamte sich gegen Jahresende, weshalb die Wirt-
                                                  schaftsleistung im 4. Quartal 2022 insgesamt quasi stagnierte (Abb. 1).

Konsum bleibt                                     Der Ausblick für den privaten Konsum wird einerseits durch eine konsumfreundliche Arbeitsmarkt-
durch                                             lage geprägt. Die Beschäftigung nahm auch im 4. Quartal 2022 stark zu (um 2.4% ggü. Vorjahr),
Arbeitsmarktlage                                  während die Arbeitslosigkeit weiter fiel. Mittlerweile liegt die saisonbereinigte Arbeitslosenquote
gestützt                                          mit 1.9% auf dem tiefsten Stand seit über 20 Jahren, und sie dürfte angesichts des verbreiteten
                                                  Arbeitskräftemangels in den kommenden Monaten nur unwesentlich steigen (Prognose 2023:
                                                  2.2%). Die hohe individuelle Arbeitsplatzsicherheit wirkt sich positiv auf die Konsumentenstim-
                                                  mung aus. Zudem dürfte das Arbeitnehmerentgelt – die Summe aller Löhne und Gehälter – weiter
                                                  zunehmen. Dem ist erstens so, weil auch 2023 mehr Arbeitskräfte in den Erwerbsprozess eintre-
                                                  ten, obwohl sich das Beschäftigungswachstum auf unter 1.0% verlangsamt. Zweitens wechseln
                                                  mehr Arbeitskräfte in besser bezahlte Stellen. Und drittens werden die Löhne für bestehende Stel-
                                                  len um etwas mehr als 2.0% angehoben werden. Gleichzeitig dürfte die Zuwanderung rege blei-
                                                  ben, weshalb sich das Bevölkerungswachstum weiterhin auf rund 1.0% belaufen und folglich den
                                                  Konsum stützen sollte (sogar 1.5% unter Berücksichtigung der Wandlungen aus Schutzstatus S).

Inflation bremst auch                             Anderseits hat das Überschiessen der Inflation die Kaufkraft der Konsumenten gemindert und
hierzulande, …                                    wird die Haushaltsbudgets wohl auch in den kommenden Monaten belasten. Im 2. Halbjahr 2022
                                                  vermochte die Zunahme des Arbeitnehmerentgelts um 2.3% den inflationsbedingten Kaufkraftver-
                                                  lust von 3.2% nicht zu kompensieren – eine in den letzten 30 Jahren nur selten zu beobachtende
                                                  Konstellation (Abb. 2). Angesichts der Anhebung der administrierten Strompreise im Januar 2023
                                                  dürfte die Teuerung zudem auch im 1. Quartal – und in geringeren Mass auch im 2. Quartal –
                                                  über dem Wachstum des Arbeitnehmerentgelts zu liegen kommen, obwohl sie tendenziell sinkt
                                                  (Inflationsprognose: Jahresdurchschnitt 2023 von 2.2%).

Abb. 1: MEM-Industrie schrumpfte im 2. Halbjahr 2022                                                          Abb. 2: Arbeitnehmerentgelt ist preisbereinigt rückläufig
Wertschöpfungsveränderung 2022 ggü. Vorquartal, in CHF Mrd. (real)                                            Veränderung zum Vorjahr, geglättet über zwei Quartale

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                                            1.Q    2.Q        3.Q   4.Q                                                                  Inflation   Arbeitnehmerentgelt
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                                                                                                               8%
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                            MEM-Industrie

                                                     Pharma
             BIP

                                                                          Rest 2. Sektor

                                                                                           Dienstleistungen

                                                                                                               -2%

                                                                                                               -4%
                                                                                                                            1994     1998     2002     2006     2010       2014   2018     2022

Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Bundesamt für Statistik (BFS), Cre-                          Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Bundesamt für Statistik (BFS), Cre-
dit Suisse. Letzter Datenpunkt: 4. Quartal 2022                                                               dit Suisse. Letzter Datenpunkt: 4. Quartal 2022

                                                                                                                                                 Swiss Economics | 1.Q 2023                     6
Schwaches Wachstum Swiss Economics
… insbesondere                        Zudem drückt die ungewohnt hohe Inflation auf die Konsumentenstimmung. In der Konsumenten-
über eine Eintrübung                  befragung vom Januar war die Einschätzung der eigenen finanziellen Lage deutlich negativ.
der Konsumenten-                      Immerhin sind die Inflationserwartungen solide verankert. Das Gros der Konsumenten taxiert
stimmung                              «heute» als keinen guten Zeitpunkt für grössere Anschaffungen. Hätten die Befragten jedoch Be-
                                      denken, dass morgen alles noch teurer wird, würden sie heute möglichst rasch zuschlagen. Insge-
                                      samt wird das Konsumwachstum 2023 deutlich weniger stark sein als 2022 (1.4%, nach 4.0%
                                      im Jahr 2022), zumal auch der Nachholboom nach der Coronapandemie ausläuft.

Schwaches                             Die Exportindustrie wird derweil durch eine schwache Nachfrage aus dem Ausland gebremst. Das
Weltwirtschafts-                      globale Wirtschaftswachstum hat sich abgeschwächt, und wir rechnen für 2023 mit einem
wachstum belastet                     Wachstum unter dem langfristigen Trend. Immerhin haben gewisse Bremsfaktoren in jüngster Zeit
Exportindustrie                       etwas nachgelassen. Die Aufhebung der COVID-19-Beschränkungen in China sollte dem dorti-
                                      gen Wirtschaftswachstum im 1. Halbjahr Auftrieb geben, was sich in der 2. Jahreshälfte auch im
                                      Rest der Welt positiv auswirken dürfte. Zudem wird die Eurozone eine Rezession wohl vermeiden
                                      können, weil sich die Energiesituation etwas entspannt hat. Indessen dürften die hohe Inflation
                                      und die Zinswende dem Wachstum bis auf Weiteres enge Grenzen setzen. Unser Exportbarome-
                                      ter, das den Konjunkturverlauf in den wichtigsten Abnehmerländern der Schweizer Exportindustrie
                                      erfasst, ist jüngst zwar wieder etwas gestiegen, die Vorlaufindikatoren für die Industrie liegen aber
                                      immer noch praktisch überall unterhalb der Wachstumsschwelle (Abb. 3).

Lage im Einkauf                       Auch der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Schweizer Industrie notierte im Februar den zweiten
entspannt sich                        Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, wenn auch vergleichsweise
                                      knapp. Die Produktionsdynamik ist nur leicht negativ, und der Rückgang des Auftragsbestands
                                      hat sich verlangsamt (Abb. 4). Zudem entspannt sich die Einkaufssituation: Nur noch 5% der Un-
                                      ternehmen vermelden längere Wartezeiten als im Vormonat. Dies sind deutlich weniger als noch
                                      im 1. Halbjahr 2022, als wiederholt mehr als 80% der Firmen von längeren Lieferzeiten berichte-
                                      ten. Die bessere Verfügbarkeit von Vorleistungen wirkt sich auch positiv auf die Investitionen in
                                      Maschinen und Anlagen aus, während die höheren Zinsen die Produktion bislang kaum bremsen:
                                      Gemäss Umfrage der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich gaben jüngst nur knapp
                                      7% aller Unternehmen an, dass finanzielle Restriktionen ein Produktionshemmnis darstellten. Die
                                      Zunahme der Exporte und der Ausrüstungsinvestitionen dürfte mit 3% bzw. 1% dieses Jahr aber
                                      unterdurchschnittlich ausfallen.

BIP-Wachstum von                      Insgesamt wird das Wirtschaftswachstum der Schweiz 2023 – entsprechend demjenigen der
0.8% im Jahr 2023                     Weltwirtschaft – deutlich schwächer sein als im Vorjahr, zumal neue Wachstumstreiber fehlen,
                                      während Energiekrise, Inflation und Zinswende bremsend wirken. Zudem dürften das Fehlen in-
                                      ternationaler Grossereignisse im Sport und infolgedessen geringere Lizenzeinnahmen der in der
                                      Schweiz ansässigen Weltverbände das hiesige BIP-Wachstum im laufenden Jahr um 0.3 Prozent-
                                      punkte mindern. Das Risiko einer Rezession bleibt indes dank des robusten Konsums klein.
                                      claude.maurer@credit-suisse.com

Abb. 3: Wachstum in der Industrie beinahe weltweit rückläufig                 Abb. 4: Schweizer PMI für die Industrie knapp unter Wachstums-
                                                                              schwelle
PMI-Heatmap für die Industrie, grün = oberhalb Wachstumsschwelle              Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie und Subkomponenten,
                                                                              Wachstumsschwelle = 50

                  2022                                              2023
                  Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul   Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb   90
Euroz one
                                                                              80
 Frankreich
 Deutschland                                                                  70
 Italien
 Spanien                                                                      60
Grossbritannien
Schweiz                                                                       50

                                                                              40
USA (ISM Index)
                                                                              30
Japan
Australien                                                                    20
                                                                                        PMI Industrie     Produktion     Auftragsbestand      Lieferfristen
                                                                              10
Brasilien
                                                                                2007               2011                2015            2019                   2023
Indien
China
Taiwan

Quelle: Markit, Bloomberg, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Februar 2023    Quelle: Procure.ch, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Februar 2023

                                                                                                               Swiss Economics | 1.Q 2023                        7
Schwaches Wachstum Swiss Economics
Konjunktur | Monitor

Inflation                                                    Konsumentenpreisindex: Umfassende Revision der Gewichtungen
                                                             Veränderung der Gewichtung der LIK-Kategorien, 2023 im Vergleich zu 2022,
                                                             in Prozentpunkten

Zu Jahresbeginn wurde die Gewichtung der verschiedenen        Nahrungsmittel/alkoholfreie Getränke
Komponenten des Landesindex der Konsumentenpreise                                  Gesundheitspflege
(LIK) überarbeitet. Die diesmal vergleichsweise umfangrei-                       Wohnen und Energie
chen Änderungen spiegeln in erster Linie eine Normalisie-               Hausrat und Haushaltsführung
rung der Konsumentengewohnheiten nach der COVID-19-                Alkoholische Getränke und Tabak
Pandemie wider. So nahm die Gewichtung von Restau-                           Nachrichtenübermittlung
rants und Hotels deutlich zu, während die Gewichtung von                                     Unterricht

Lebensmitteln, Gesundheit und Wohnen zurückging. Die         Sonstige Waren und Dienstleistungen

Auswirkungen dieser Revisionen auf die Inflationsrate sind                   Bekleidung und Schuhe
                                                                                                Verkehr
jedoch insgesamt vernachlässigbar. Wir rechnen mit einer
                                                                                    Freizeit und Kultur
Inflationsrate von 2.2% im Jahr 2023 und 1.0% im Jahr
                                                                              Restaurants und Hotels
2024 bzw. – unter Ausschluss der volatilen Energiepreise
– von 1.8% im Jahr 2023 und 1.0% im Jahr 2024.                                                            -2.0    -1.0   0.0     1.0   2.0    3.0     4.0

maxime.botteron@credit-suisse.com                            Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), Credit Suisse
Arbeitsmarkt                                                 Arbeitslosenquote auf Mehrjahrestief
                                                             Arbeitslosenquote in %

In der Schweiz herrscht Vollbeschäftigung. Die Arbeitslo-    4.0
senzahl liegt so tief wie seit rund 20 Jahren nicht mehr.
                                                             3.5
Gleichzeitig vermelden mehr als 40% der Unternehmen,
dass sie Mühe haben, geeignetes Personal zu finden.          3.0

Während die hohe individuelle Arbeitsplatzsicherheit die     2.5
Konsumentenstimmung hebt, bremst die Personalknapp-
                                                             2.0
heit den Kapazitätsaufbau. Angesichts des verhaltenen
Konjunkturausblicks ist derweil von einem leichten Anstieg   1.5
                                                                                 Nicht saisonbereinigt         Saisonbereinigt
der Arbeitslosenquote in der Zukunft auszugehen. Für         1.0
2024 rechnen wir im Durchschnitt mit einer Quote von         0.5
2.4%, nach 2.2% im laufenden Jahr.
                                                             0.0
                                                                2014       2015     2016     2017    2018        2019     2020    2021      2022    2023

claude.maurer@credit-suisse.com                              Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Februar 2023
Zuwanderung                                                  Zuwanderung: Starker Anstieg bei deutschen Staatsbürgern
                                                             Nettozuwanderung der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung nach Nationalität
                                                             (ohne Registerkorrekturen), Anzahl Personen und Wachstum gegenüber Vorjahr in %

Im vergangenen Jahr sind vermehrt deutsche Staatsbürger
                                                             30 000
in die Schweiz eingewandert. Mit einem Saldo von rund                       Letzte 12 Monate                       +68,4%
12'000 wurde ein Wert erreicht, der zuletzt vor über zehn    25 000         Vorjahresperiode
Jahren resultierte. Die langsame Erholung der deutschen                     Durchschnitt seit 2015                                           +15,3%
Wirtschaft nach der Pandemie sowie die wachstumshem-         20 000

menden Effekte der Energiekrise und der Inflation dürften
                                                             15 000
mit ein Grund für diese Entwicklung gewesen sein. Stark                 +43,9%
                                                                                     +32,5%                                      +11,5%
zugenommen haben zudem die Migrationssalden von Bür-         10 000
                                                                                                  +32,9%

gern aus Rumänien, Polen und Kroatien. Für Kroatien gilt
seit dem 1. Januar 2022 die volle Personenfreizügigkeit,      5 000

die jedoch vom Bundesrat durch die Aktivierung der                  0
Schutzklausel per 1. Januar 2023 vorübergehend wieder                        DE            IT             FR         EU übrige     Europa    Drittstaaten
kontingentiert wurde.                                                                                                              übrige

sara.carnazzi@credit-suisse.com                              Quelle: Staatssekretariat für Migration (SEM), Credit Suisse

                                                                                                    Swiss Economics | 1.Q 2023                          8
Branchen | Monitor

Pharmazeutische Industrie                                         Wachstum der Pharmaexporte verlangsamt sich
                                                                  Monatliche Pharmaexporte in CHF Mrd., saisonbereinigt

Die Pharmaexporte waren im 4. Quartal 2022 gegenüber
der Vorjahresperiode rückläufig. Dies war vor allem auf ab-                               Pharma        Warenexporte ohne Pharma
                                                                  30
nehmende Ausfuhren innerhalb Europas, insbesondere nach
Spanien, Deutschland und Italien, zurückzuführen. Die Ex-         25
porte nach China stiegen derweil im Vergleich zum Vorjah-
resquartal weiter. Im 4. Quartal sah sich die Pharmaindustrie     20
erneut vermehrt mit fehlenden Vorprodukten konfrontiert.
                                                                  15
Dies zeigen die Einschätzungen der Lagerbestände von In-
dustrieunternehmen, die von der Konjunkturforschungsstelle        10
der ETH Zürich (KOF) erhoben wurden. Dies könnte sich in
den kommenden Monaten negativ auf den Bestand an Fer-              5

tigprodukten auswirken. Generell erwarten wir aber, dass           0
sich die Pharmaexporte auch in den nächsten Monaten                 2016       2017        2018         2019       2020         2021       2022
stabil entwickeln werden.
meret.muegeli@credit-suisse.com                                   Quelle: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), Credit Suisse

Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM)                    MEM-Exporte verlieren an Schwung
                                                                  Wachstum der MEM-Exporte ggü. Vorjahr, Wachstumsbeitrag nach Ländern

Das Wachstum der MEM-Exporte verlor auch im 4. Quartal
weiter an Schwung. Zwar lagen die Exporte über dem Wert                               Andere   Deutschland         USA     China       Total
                                                                   30%
der Vorjahresperiode, aber nur ganz knapp. Die Ausfuhren in
die USA entwickelten sich weiterhin positiv. Nach Europa im        20%
Allgemeinen und nach Deutschland im Besonderen wurden
                                                                   10%
jedoch weniger MEM-Güter exportiert. Für die kommenden
Monate besteht das Risiko, dass das Wachstum der Exporte            0%
in die USA weiter nachlassen könnte, da sich die dortige In-
dustriestimmung deutlich im negativen Bereich bewegt. Der-        -10%
weil deuten Subindikatoren des Einkaufsmanagerindex auf
                                                                  -20%
eine mögliche Aufhellung der Industriestimmung im Euro-
raum hin. Ein positiver Impuls dürfte mittelfristig von den Lo-   -30%
ckerungen der COVID-19-Massnahmen in China ausgehen.                 1.Q 2016 1.Q 2017 1.Q 2018 1.Q 2019 1.Q 2020 1.Q 2021 1.Q 2022

meret.muegeli@credit-suisse.com                                   Quelle: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), Credit Suisse

Uhrenindustrie                                                    Rekordhohe Uhrenexporte im Jahr 2022
                                                                  Uhrenexporte in CHF Mrd., nach Ländern, saisonbereinigt

Nach einem erfolgreichen 3. Quartal konnten sich die                                  Andere      USA     China      Hongkong      Japan
Uhrenexporte im 4. Quartal 2022 ungefähr auf dem hohen            2500
Niveau halten. Insgesamt war 2022 ein Rekordjahr für die
Uhrenindustrie, trotz des Rückgangs der Ausfuhren in die          2000

wichtigen Abnehmerländer China und Hongkong, die in den
Jahren zuvor Destination für mehr als 20% der Uhrenex-            1500

porte waren. Das Wachstum wurde indessen auch durch die
Ausfuhren in die USA und nach Europa gestützt. In den             1000

kommenden Monaten dürften die Öffnungsschritte in China
                                                                   500
und Hongkong nach COVID-19 der hiesigen Uhrenindustrie
positive Impulse verleihen.
                                                                       0
                                                                        2004   2006     2008   2010     2012      2014   2016    2018     2020    2022

meret.muegeli@credit-suisse.com                                   Quelle: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), Credit Suisse

                                                                                                      Swiss Economics | 1.Q 2023                         9
Branchen | Monitor

Detailhandel                                                      Detailhandelsumsätze in vielen Segmenten rückläufig
                                                                  Nominale Detailhandelsumsätze, saisonbereinigt, im Vergleich zum Vorjahr

Der Schweizer Detailhandel verzeichnete 2022 insgesamt             15%
                                                                                                                                                  2019                            2020                     2021                    2022
                                                                   10%
einen Umsatzrückgang, der hauptsächlich den schwinden
                                                                    5%
Effekten der COVID-19-Pandemie zuzuschreiben war. Unter             0%
dem Strich war die Umsatzentwicklung im Non-Food-Seg-              -5%
ment sowohl auf nominaler als auch realer Basis weniger           -10%
schlecht als im Food/Near-Food-Bereich. Die nominalen             -15%
                                                                                                                                                                                                     Non-Food

Umsätze im Non-Food-Detailhandel fielen um 1.2%, woge-            -20%

                                                                                                                                                     Personal Care/ Gesundheit
                                                                                               Food/Near-Food

                                                                                                                  Non-Food

                                                                                                                              Bekleidung/Schuhe

                                                                                                                                                                                         Haushalt/Wohnen

                                                                                                                                                                                                                  Heimelektronik

                                                                                                                                                                                                                                                                       Freizeit
                                                                                                                                                                                                                                          DIY/Garten/Autozubehör
                                                                                Total
gen im Lebensmittelbereich ein Rückgang von 4.4% resul-
tierte. Für das laufende Jahr erwarten wir ein leichtes
Wachstum der Detailhandelsumsätze, das durch eine weiter-
hin stabile Arbeitsmarktlage und die Zuwanderung gestützt
werden sollte.
meret.muegeli@credit-suisse.com                                   Quelle: GfK, Credit Suisse

Tourismus                                                         Erholung der Übernachtungen in Städten
                                                                  Logiernächte in Tausend, 3-Monats-Durchschnitt, nach Klassifizierung der Touris-
                                                                  musregion

Nach einem erfreulichen Sommer für die Schweizer Touris-                      Zentren und suburbane Gemeinden                                                                    Touristische Gemeinden                                                            andere
musbranche wurden auch im Herbst 2022 Übernachtungs-              5000
zahlen über dem Vorpandemieniveau registriert. Gäste aus
Amerika setzten ihre Besuche in der Schweiz rege fort.            4000

Besonders städtische Gemeinden konnten sich eines Zu-
flusses von Gästen erfreuen. Die dortigen Übernachtungen,         3000

die sich bisher eher schleppend erholt hatten, überstiegen
nun insgesamt ebenfalls das Vorpandemieniveau. Die Lo-            2000

ckerung der COVID-19-Massnahmen in China dürfte in den
                                                                  1000
nächsten Monaten auch Besuche von chinesischen Gästen
wieder ermöglichen. Die Zahl der Gäste aus Asien liegt bis
                                                                        0
dato noch am deutlichsten unter dem Vorpandemieniveau.                   2016                                    2018                                                            2020                                                 2022

meret.muegeli@credit-suisse.com                                   Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), Credit Suisse

Informationstechnologie (IT)                                      Stimmung im IT-Sektor bleibt gedrückt
                                                                  Saldo zwischen Unternehmen, die ihre Geschäftslage als positiv beurteilen, und den-
                                                                  jenigen, die sie als negativ beurteilen, in %, und langfristiger Durchschnitt

Die Stimmung im IT-Sektor liegt noch immer unter ihrem                                  Erbringung von IT-Dienstleistungen                                                          Langfristiger Durchschnitt
langfristigen Durchschnitt. Der Saldo zwischen den Unter-         80

nehmen, die ihre Geschäftslage als positiv einschätzen, und       70
denjenigen, die sie als negativ einschätzen, belief sich im       60
4. Quartal 2022 auf 30%. Die Schwäche im Industriesektor
                                                                  50
spielt bei der aktuell unterdurchschnittlichen Beurteilung
sicherlich eine wichtige Rolle. Auch der Fachkräftemangel,        40

der sich in der Branche jüngst zugespitzt hat, dürfte Einfluss    30
auf die Einschätzung der IT-Dienstleister haben. Sobald sich      20
der Ausblick für die Industrie verbessert, dürfte sich folglich
                                                                  10
auch die Stimmung in der IT-Branche wieder aufhellen.
                                                                   0
                                                                       2009             2011                    2013          2015                                     2017                                2019                       2021

meret.muegeli@credit-suisse.com                                   Quelle: Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF), Credit Suisse

                                                                                                                             Swiss Economics | 1.Q 2023                                                                                                                           10
Swiss Economics | 1.Q 2023   11
Fokus Energiekrise

Wie die Schweizer Industrie
die Energiekrise meistert
                                      Die Schweizer Industrie verfügt im Vergleich zu ihrem europäischen Pendant über
                                      bessere Voraussetzungen, um die Energiekrise erfolgreich zu überstehen. Ihre tiefere
                                      Energieintensität, ein geringerer Anteil der Energie- an den Gesamtkosten sowie der
                                      hiesige Branchenmix gereichen der Schweiz zum Vorteil. Mögliche Anfälligkeiten
                                      ergeben sich derweil indirekt aufgrund der Importabhängigkeit in der Wertschöpfungs-
                                      kette und bei der Energieversorgung.

Energiekrise löst                     Die Energiekrise und der damit einhergehende Anstieg der Gas- und Strompreise haben Beden-
Bedenken über Wett-                   ken hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Europa geweckt. Die europäischen Gas-
bewerbsfähigkeit                      notierungen stiegen letztes Jahr auf Rekordwerte und trieben folglich die Produktionskosten in
der Industrie aus, …                  Europa deutlich in die Höhe, insbesondere im Vergleich zu anderen Produktionsstandorten wie
                                      den USA. Diese Entwicklung könnte – neben kurzfristigen Herausforderungen für die Unterneh-
                                      men – auch längerfristige strukturelle Folgen für den Industriestandort Europa und die Schweiz mit
                                      sich bringen, sei dies in Form einer Verlagerung gewisser Produktionsschritte oder erhöhter An-
                                      reize für Energieeffizienzgewinne.

… und dies trotz                      Die Gaspreise sind indes jüngst dank des milden Winters, deutlicher Einsparungen beim Ver-
jüngst sinkender                      brauch sowie höherer Flüssiggaslieferungen wieder gesunken (Abb. 1). Daher dürften sogar die
Gaspreise                             Aussichten für den kommenden Winter nicht mehr ganz so schlecht sein. Im Endeffekt sind je-
                                      doch nicht nur die Preisentwicklungen per se für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Be-
                                      deutung, sondern auch die Unsicherheiten rund um die Energieversorgung. Die folgende Analyse
                                      zeigt anhand verschiedener Faktoren – wie Energieintensität, Anteil der Energiekosten an den Ge-
                                      samtkosten sowie indirekte Abhängigkeiten in den Lieferketten und bei den Energieimporten –,
                                      welche Branchen hierzulande gegenüber der Energiekrise besonders exponiert sind und wie die
                                      Schweizer Industrie als Ganzes im europäischen Kontext abschneidet.

Schweizer Industrie                   Die Energieintensität der Produktion ist sicherlich einer der wichtigsten Faktoren zur Beurteilung
weniger                               des energieseitigen Exposure einer Volkswirtschaft. Positiv hervorzuheben ist, dass die Schweizer
energieintensiv                       Industrie generell weniger energieintensiv ist als ihre europäischen Pendants, sie braucht also
                                      weniger Energie, um ihre Wertschöpfung zu produzieren. Zudem hat die Energieintensität des
                                      verarbeitenden Gewerbes in der Schweiz und in Europa in den letzten 20 Jahren deutlich abge-
                                      nommen (Abb. 2). Dies kann einerseits auf Energieeffizienzverbesserungen der einzelnen Bran-
                                      chen zurückgeführt werden, andererseits aber auch auf eine Veränderung der Branchenzusam-
                                      mensetzung innerhalb der Industrie.
Abb. 1: Rekordhohe Gaspreise in Europa sind jüngst wieder gesun-              Abb. 2: Energieintensität im verarbeitenden Gewerbe europaweit
ken                                                                           rückläufig
TTF Futures, Lieferung am nächsten Tag, EUR/MWh,                              Energieintensität im verarbeitenden Gewerbe, in Megajoule/USD (Kaufkraftparität
                                                                              2015)
350                                                                                   Schweiz      Deutschland      Italien   Frankreich      Grossbritannien
                                                                              7
300
                                                                              6
250
                                                                              5
200
                                                                              4

150                                                                           3

100                                                                           2

 50                                                                           1

                                                                              0
   0
                                                                               2000               2005                2010                 2015                 2020
  06/2020       12/2020       06/2021       12/2021       06/2022   12/2022

Quelle: Refinitiv Datastream. Letzter Datenpunkt: 27.02.2023                  Quelle: Internationale Energieagentur (IEA). Letzter Datenpunkt: 2020

                                                                                                                 Swiss Economics | 1.Q 2023                       12
Branchenmix                                    In der Schweiz hat sich der Wertschöpfungsanteil der energieintensiven Industriebranchen1 in den
 der Schweiz                                    letzten 20 Jahren deutlich von 34% auf 24% verringert. Dies ist insbesondere auf das Wachstum
 ist vorteilhaft                                der vergleichsweise weniger energieintensiven Pharmabranche zurückzuführen, auf die nunmehr
                                                27% der hiesigen Industriewertschöpfung entfallen. Auch in anderen europäischen Ländern ist
                                                der Wertschöpfungsanteil der energieintensiven Industriebranchen in den letzten Jahren gesun-
                                                ken. Allerdings sind die energieintensiven Branchen in der Schweiz für die Wertschöpfung deutlich
                                                weniger bedeutend, der Schweizer Branchenmix gereicht der Wirtschaft also zum Vorteil.

Gewisse Effizienz-                              Diese Energieintensität der Industrie könnte sich infolge des von der Energiekrise ausgehenden
gewinne sind                                    Drucks weiter verringern. Eine tiefere Energieintensität würde idealerweise nicht nur auf Verände-
durchaus möglich                                rungen der Sektorenzusammensetzung beruhen, sondern auf eigentlichen energieseitigen Effizienz-
                                                steigerungen in der Produktion. Dadurch könnte die Industrie auf dem europäischen Kontinent ihre
                                                preislichen Nachteile mildern. Auf solche Effizienzgewinne deuten Umfrageergebnisse des ifo Insti-
                                                tuts in Deutschland hin: 75% der dortigen Industriefirmen konnten ihren Gasverbrauch senken,
                                                ohne ihre Produktion zu drosseln (Abb. 3). Solche Effizienzgewinne könnten einigen Branchen län-
                                                gerfristig durchaus zum Vorteil gereichen. Anfangs der 2010er-Jahre, als das aufkommende Fra-
                                                cking in den USA zu einer Kluft zwischen den Gaspreisen in den USA und Europa führte, kursierten
                                                nämlich ähnliche Sorgen in Bezug auf einen Wettbewerbsfähigkeitsverlust der europäischen Indust-
                                                rie. Eine Analyse der Europäischen Kommission (2014)2 zeigt aber, dass das verarbeitende Ge-
                                                werbe in Europa insgesamt nicht signifikant an Bedeutung verlor, weil die Europäische Union (EU)
                                                ihre Energieintensität in dieser Zeit weiter verringerte. Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes be-
                                                schleunigte sich jedoch der bereits bestehende Trend einer Umstrukturierung weg von energiein-
                                                tensiven Sektoren, während Letztere in den USA tendenziell expandierten. Diese Entwicklung
                                                spricht zwar einerseits für die Beschleunigung von energetischen Effizienzgewinnen, sie signalisiert
                                                aber andererseits auch eine erhöhte Anfälligkeit energieintensiver Sektoren.

Anteil von Strom- und                           In der aktuellen Energiekrise ist nebst der Energieintensität vor allem auch die Frage von Bedeu-
Gaskosten an                                    tung, wie relevant die Gas- und Stromkosten für die Produktion eines Sektors sind. Denn der Ef-
Gesamtkosten ist in                             fekt höherer Gas- und Strompreise variiert je nach Grösse dieses Anteils. Unsere auf Input-Out-
der Schweiz relativ                             put-Tabellen (WIOD) basierende Analyse zeigt, dass Gas und Strom im verarbeitenden Gewerbe
gering                                          in der Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Ländern einen eher kleinen Kostenanteil
                                                haben. Auf Branchenebene gibt es ebenfalls deutliche Unterschiede – der Anstieg der Energie-
                                                kosten trifft also nicht alle Branchen gleichermassen. Die Papierbranche weist den höchsten Kos-
                                                tenanteil von Gas und Strom auf (6.7%), gefolgt von den Bereichen sonstige nichtmetallische
                                                Produkte (3.9%), Metallerzeugung/-bearbeitung (3.7%), sowie Kokerei, Mineralölverarbeitung
                                                und Chemie (2.8%). In der Mehrzahl der Sektoren, inklusive der für die Schweizer Wertschöpfung
                                                wichtigen, beträgt der Kostenanteil indes weniger als 1% (Abb. 4). Auch hier schneidet die
                                                Schweiz im Vergleich zu Europa gut ab.

Abb. 3: Gaseinsparungen mehrheitlich ohne Produktionsdrosselung                                                 Abb. 4: Kostenanteil von Strom und Gas in wichtigen Industriesek-
möglich                                                                                                         toren tiefer
ifo-Industrieumfrage in Deutschland: Konnte in den letzten sechs Monaten Gas ge-                                Anteil der Gas- und Stromkosten im Output sowie Wertschöpfungsanteile in der
spart werden?                                                                                                   Schweiz, in %

         Ja, ohne Produktionsdrosselung     Ja, mit Produktionsdrosselung          Nein     Weiss nicht                                7%
                                                                                                                                                 Papier
                              Druck              45                                40               10 5
                            Textilien                 60                                26             15                              6%
                             Chemie                   60                             17       10       13                                           Metallerzeugung
                  Metallerzeugnisse                    62                               22          11 5                                            und -bearbeitung
                                                                                                                Gas- und Stromkosten

                    Metallerzeugung                    63                                   35              2
                                                                                                                                       5%
Sonstige nicht-metallische Produkte
                                                                                                                                                      Sonstige nichtmetallische
                                                            71                             14        14 1
      Gummi- und Kunststoffwaren                              77                                17        6                            4%                    Produkte
          Datenverarbeitungsgeräte                            78                                  19       3                                                               Kokerei,
                              Möbel                            80                               8     7 5                                                            Mineralöl, Chemie
             Elektrische Ausrüstung                            81                                11      8                             3%
                              Papier                            82                                12      6                                          Gummi,
                      Maschinenbau                              82                              4 9 5                                  2%           Kunststoff
                              Autos                              85                                5 3 7
                      Holz und Kork
                                                                                                                                                                       Nahrungsmittel
                                                                 86                                   14
                              Leder                                90                                   10                             1%                         Metallerzeugnisse     Datenverarbeitung, Pharma
        Nahrungsmittel & Getränke                                  90                                  5 5
                           Getränke
                                                                                                                                                          Möbel   Maschinenbau               Uhren
                                                                        99                                  1
                                                                                                                                       0%
                         Bekleidung                                     100
                                                                                                                                            0%            1%         2%         3%            4%         5%         6%
                                        0      20              40             60             80           100                                                              Wertschöpfung

Quelle: ifo Institut                                                                                            Quelle: World Input-Output Database (WIOD), Bundesamt für Statistik (BFS)

                                                1
                                                  Als energieintensive Branchen in der Industrie gelten die Herstellung von Holz, Papier, Druckerzeugnissen,
                                                chemischen Erzeugnissen, Metallerzeugnissen, Gummi- und Kunststoffwaren und sonstigen nichtmetalli-
                                                schen Produkten sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung.
                                                2
                                                  Europäische Kommission (2014): Energy Economic Developments in Europe (Part 1): The Recent Devel-
                                                opment of US Shale Gas and its Impact on EU Competitiveness.
                                                                                                                                                                       Swiss Economics | 1.Q 2023                   13
Keine fiskalische                                   Die Schweiz hat im Gegensatz zu zahlreichen anderen europäischen Ländern wie Deutschland,
Unterstützung in der                                Frankreich, Italien und Grossbritannien aber keine staatlichen Unterstützungspakete für ihre Un-
Schweiz                                             ternehmen geschnürt. Energieintensive Sektoren werden in weiten Teilen Europas vom Staat un-
                                                    terstützt und dadurch vor den steigenden Kosten geschützt. Da die Schweizer Industrie wie erläu-
                                                    tert weniger energieintensiv ist und von einem vorteilhaften Branchenmix profitiert, wäre eine
                                                    grossangelegte fiskalische Unterstützung hierzulande indessen auch weniger sinnvoll. Dennoch
                                                    dürften die wenigen energieintensiven Branchen in der Schweiz zurzeit verstärkt leiden, zumal ihre
                                                    europäischen Konkurrenten subventioniert werden. Insgesamt sind sich die Schweizer Branchen
                                                    aufgrund der starken Währung und hoher Löhne jedoch daran gewöhnt, anpassungsfähig und
                                                    innovativ zu reagieren. Dies dürfte ihnen auch in der aktuellen Energiekrise zugutekommen.

In Wertschöpfungs-                                  Zusätzlich zu den direkten Kosten kann der Effekt einer Mangellage oder gestiegener Preise auch
kette anfallende                                    indirekt über die Lieferketten durchsickern, insbesondere wenn Produzenten von Inputfaktoren
indirekte Kosten nicht                              ihre Kostensteigerungen weitergeben. Dieser indirekte Kostenanteil von Gas und Strom ist in der
zu vernachlässigen                                  Schweiz deutlich höher als der direkte, was die Bedeutung von globalen Inputs und Wertschöp-
                                                    fungsketten unterstreicht (Abb. 5). Diese indirekte Importabhängigkeit darf folglich bei kleinen,
                                                    offenen Volkswirtschaften wie der Schweiz nicht vernachlässigt werden. Insbesondere Deutsch-
                                                    land weist tiefere indirekte Kosten (4.1%) auf als die Schweiz (4.8%) und ist solchen Effekten
                                                    folglich weniger stark ausgesetzt. Im Gegensatz dazu weisen Frankreich, Grossbritannien und
                                                    Italien noch höhere indirekte Kostenanteile auf (5.9%, 6.2% bzw. 6.7%).

Schweiz mit relativ                                 Doch nicht nur die Energiekosten spielen für die Unternehmen eine Rolle, sondern auch die Ver-
hoher Energie-                                      fügbarkeit von Energie und die Stabilität der Versorgung. Zu starke Abhängigkeiten von gewissen
abhängigkeit                                        Ländern erhöhen die Verletzlichkeit einer Wirtschaft und können somit auch die Energiestabilität
vom Ausland                                         beeinflussen. Diese Energieabhängigkeit vom Ausland lässt sich aber in der Schweiz nur schwer
                                                    verhindern, da unser Land kaum über Rohstoffe verfügt. Nicht zuletzt daher ist die Wettbewerbs-
                                                    fähigkeit hierzulande umso wichtiger. Die Schweiz bezieht rund 70% der Energie aus ausländi-
                                                    schen Quellen. Im Vergleich dazu beträgt die Energieimportabhängigkeit in Deutschland rund
                                                    60%, in Frankreich 44% und in Italien 73% (Abb. 6). Im Gesamtdurchschnitt beträgt die Abhän-
                                                    gigkeit von Energieimporten in der EU 55%, die Schweiz ist also stärker auf Energieimporte ange-
                                                    wiesen als der Rest Europas. In den letzten 15 Jahren hat sich diese Kennzahl in der Schweiz
                                                    jedoch verringert, wogegen sich die Energieabhängigkeit vom Ausland beispielsweise in Deutsch-
                                                    land in den vergangenen Jahren tendenziell akzentuiert hat. In der Schweiz ist die Energieabhän-
                                                    gigkeit hauptsächlich auf fossile Energieträger (Rohöl, Erdölprodukte und Gas, Anteil von 69% im
                                                    Jahr 2021) sowie auf Kernbrennstoffe (29%) zurückzuführen. Der Import von Strom macht nur
                                                    einen kleinen Teil aus. Insgesamt ist die Schweiz ein Nettoexporteur von Strom, im Winter ist sie
                                                    jedoch auf Importe angewiesen.

Abb. 5: Indirekte Kosten von Gas und Strom deutlich höher als die                             Abb. 6: 70% der Energie in der Schweiz sind importiert
direkten
Anteile der direkten und indirekten Strom- und Gaskosten im Schweizer Output, in %            Energieimportabhängigkeit ausgewählter europäischer Länder, in %

                                        Direkte Kosten   Indirekte Kosten                              Schweiz    Deutschland     Frankreich    Italien   Grossbritannien
            Sonstiger Fahrzeugbau                                                             100%
                              Möbel
Maschineninstallation und -reparatur
                      Maschinenbau                                                             80%
                               Auto
     Datenverarbeitung und Uhren
                  Metallerzeugnisse                                                            60%
                            Pharma
                              Druck
            Elektrische Ausrüstung                                                             40%
                            Textilien
                         Holz, Kork
                     Nahrungsmittel                                                            20%
                 Gummi, Kunststoff
                            Chemie
    Kokerei, Mineralölverarbeitung                                                               0%
 Metallerzeugung und -bearbeitung
                      Glas, Keramik
                             Papier                                                            -20%
                                        0%   2%    4%    6%   8%    10% 12% 14% 16% 18% 20%           1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 2020

Quelle: World Input-Output Database (WIOD)                                                    Quelle: Bundesamt für Energie (BFE), Statistisches Amt der Europäischen Union
                                                                                              (Eurostat). Letzter Datenpunkt: 2021

                                                                                                                                Swiss Economics | 1.Q 2023                    14
Energiehandels-                       Das in die Schweiz importierte Rohöl stammte im Jahr 2022 hauptsächlich aus den USA (33%),
strukturen sind                       Nigeria (33%) und Kasachstan (15%). Erdölprodukte werden mehrheitlich aus Deutschland
vielschichtig, …                      (59%) importiert, gefolgt von Einfuhren aus den Niederlanden (12%) und Frankreich (10%). Die
                                      Gasimporte stammten ebenfalls hauptsächlich aus Deutschland (65%) und aus Frankreich (24%).
                                      Diese Energieimporte basieren allerdings auf vielschichtigen Handelsstrukturen, die durch das Ur-
                                      sprungsland und die sich daraus ergebende Transportroute geprägt sind, sodass sich auch hier
                                      indirekte Abhängigkeiten ergeben.

… wodurch sich                        Viele der in die Schweiz exportierenden Länder wie Deutschland sind selbst von Energieimporten
weitere indirekte                     abhängig, wie Abbildung 6 illustriert. Die Ausfuhren basieren also nicht nur auf selbst geförderten
Abhängigkeiten                        Primärenergieträgern, sondern widerspiegeln auch Transportrouten oder Weiterverarbeitungsstati-
ergeben                               onen. So wird beispielsweise Rohöl in europäischen Raffinerien verarbeitet und dann exportiert
                                      (Abb. 7). Insbesondere bei Erdgas konzentrierte sich die Abhängigkeit der Schweiz – über einen
                                      Umweg durch Deutschland – bis vor Kurzem ebenfalls stark auf Russland. Im Zuge des Russland-
                                      Ukraine-Konflikts haben sich die Importstrukturen Europas bei Gas (Abb. 8) und Öl jedoch deut-
                                      lich verändert. Indirekt hat sich dadurch auch die Schweizer Energieimportabhängigkeit diversifi-
                                      ziert. Grosse Teile des nun reduziert fliessenden russischen Erdgases werden in Europa nun mit
                                      Importen von Flüssigerdgas (LNG) kompensiert, sodass Europa mittlerweile zum weltweit grössten
                                      Importeur von LNG geworden ist. Die USA sind heute der wichtigste LNG-Lieferant Europas und
                                      haben damit Katar auf den zweiten Platz verdrängt.

Tiefe                                 Die Analyse dieser unterschiedlichen Faktoren zeigt, dass energieintensive Sektoren mit hohen
Energieintensität und                 Gas- und Stromkostenanteilen auch in der Schweiz spürbar von der Energiekrise betroffen sind. Die
Diversifikation                       Schweizer Industriebranchen sind jedoch aufgrund der tieferen Energieintensität und der geringeren
als Schlüsselfaktoren                 Relevanz der Gas- und Stromkosten generell besser positioniert als ihre europäischen Pendants.
                                      Der Branchenmix bietet dem verarbeitenden Gewerbe in der Schweiz als Ganzes ebenfalls einen
                                      gewissen Schutz, da die energieintensiven Branchen für die Wertschöpfung weniger bedeutend
                                      sind. Aufgrund der Importabhängigkeit der Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft ergeben sich
                                      aber indirekte Vulnerabilitäten, sei es in der Wertschöpfungskette oder bei der Energieversorgung.
                                      Gerade mit Blick auf Letztere ist die Schweiz im Vergleich zu vielen EU-Ländern stärker exponiert.
                                      Schlussendlich können diese indirekten Abhängigkeiten aber auch von Vorteil sein: Hierzulande
                                      wurden zwar keine Fiskalmassnahmen umgesetzt, die Schweizer Industrie dürfte aber letztlich eben-
                                      falls von den positiven Effekten in der Wertschöpfungskette profitieren, die sich aufgrund der
                                      Massnahmen in anderen europäischen Ländern ergeben.

                                      meret.muegeli@credit-suisse.com

Abb. 7: Abhängigkeiten bei Energieimporten zeigen sich indirekt            Abb. 8: Russisches Gas wird in Europa zunehmend mit Flüssig-
                                                                           gasimporten ersetzt
Herkunft von Erdöl und Erdölprodukten, 2021, in %                          Wöchentliche Gaslieferungen nach Herkunft, in Milliarden Kubikmeter

                                                                            12

                                                                            10

                                                                             8

                                                                             6

                                                                             4

                                                                             2

                                                                             0
                                                                            01/2021         07/2021            01/2022           07/2022         01/2023
                                                                                                 Flüssigerdgas (LNG)
                                                                                                 Russland
                                                                                                 Norwegen
                                                                                                 Nordafrika/Aserbaidschan
                                                                                                 Gasproduktion Grossbritannien und Niederlande

Quelle: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), Eurostat            Quelle: Bloomberg, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 27.02.2023

                                                                                                             Swiss Economics | 1.Q 2023                    15
Swiss Economics | 1.Q 2023   16
Geldpolitik

Höhere Zinsen im Jahr 2023
                                       Da die Inflation unangenehm hoch bleibt, rechnen wir damit, dass die Schweizerische
                                       Nationalbank ihren Leitzins bis im Juni 2023 weiter auf 2.25% anheben wird. Im
                                       weiteren Jahresverlauf und für den grössten Teil des Jahres 2024 dürfte sie ihren
                                       Schlüsselsatz unseres Erachtens unverändert auf diesem Niveau belassen.

Inflationsdruck auf                    Wie erwartet schnellte die Inflationsrate in der Schweiz im Januar 2023 auf 3.3% gegenüber dem
breiterer Front ...                    Vorjahr (YoY) nach oben, nachdem sie sich im Dezember 2022 noch auf 2.8% YoY belaufen
                                       hatte. Diese Beschleunigung war weitgehend der Strompreiserhöhung zuzuschreiben, die im
                                       August des letzten Jahres angekündigt worden war, obschon die tatsächliche Erhöhung mit
                                       25.5% YoY leicht unter dem damals kommunizierten Wert von 27.0% YoY blieb. Etwas überra-
                                       schender war demgegenüber die Beschleunigung der Inflation im Februar auf 3.4% YoY sowie
                                       der Anstieg der Kerninflationsrate (welche die Preise für Energie und saisonale Produkte ausklam-
                                       mert) auf 2.4% YoY. Darüber hinaus hat der Inflationsdruck an Breite gewonnen. Rund 40% des
                                       Konsumentenpreisindex verzeichnen derzeit Preisanstiege von mindestens 2.0% YoY (Abb. 1).
                                       Generell erwarten wir, dass sich die Inflation in den kommenden Monaten wieder abschwächen
                                       wird. Denn erstens sollte die Energiekomponente (ohne Strom) angesichts des Rückgangs der
                                       Erdgaspreise und der relativ stabilen Ölpreise immer weniger zur Teuerung beitragen. Zweitens
                                       sollte die Normalisierung der Lieferzeiten im globalen Industriesektor, die einer geringeren Nach-
                                       frage und einer höheren Produktion zu verdanken ist, dafür sorgen, dass der Inflationsdruck auf
                                       importierte Güter nachlässt. Allerdings dürfte der Inflationsdruck auf inländische Produkte gemäss
                                       unserer Prognose anhalten. In diesem Kontext werden die Wohnungsmieten voraussichtlich
                                       schneller steigen als in der jüngsten Vergangenheit, was schnell fallenden Leerstandsraten, der
                                       Weitergabe der Inflation und einer höchstwahrscheinlich anstehenden Erhöhung des Referenzzins-
                                       satzes im Juni zuzuschreiben ist. Letztere würde es den Vermietern erlauben, die Mieten um bis zu
                                       3.0% anzuheben, vorausgesetzt, sie haben bisher alle Senkungen weitergegeben. Dies dürfte für
                                       knapp die Hälfte der Immobilienbesitzer zutreffen.

... erfordert höhere                   Vor diesem Hintergrund sind weitere Leitzinserhöhungen durch die Schweizerische Nationalbank
Zinsen                                 (SNB) unseres Erachtens unerlässlich. Wir erwarten, dass die SNB ihren Leitzins im März um
                                       0.75 Prozentpunkte (Pp) auf 1.75% und im Juni um 0.50 Pp auf 2.25% anheben wird. Unsere
                                       Prognose liegt damit über den Erwartungen der von Bloomberg im Februar 2023 befragten Öko-
                                       nomen und auch über dem, was die Finanzmärkte bis Juni 2023 eingepreist haben (Abb. 2). Pa-
                                       rallel zu den Zinserhöhungen wird die SNB unseren Erwartungen zufolge weiterhin Fremdwährun-
                                       gen verkaufen. Laut unseren Schätzungen hat die SNB seit September 2022 rund CHF 43 Mrd.
                                       an Fremdwährungsreserven veräussert, was rund 5.5% des jährlichen Bruttoinlandprodukts der
                                       Schweiz entspricht.
                                       maxime.botteron@credit-suisse.com
Abb. 1: Inflationsdruck auf breiterer Front                                        Abb. 2: Hohe Erwartungen bezüglich Anhebung des SNB-Leitzinses
Anteil des Konsumentenpreisindex, der eine Inflationsrate von 2.0% YoY oder mehr   In %. Die Bloomberg-Umfrage wurde zwischen dem 3. und 9. Februar 2023 durch-
verzeichnet                                                                        geführt. Die Finanzmarkterwartungen werden aus den 3-monatigen SARON Index
                                                                                   Futures abgeleitet; Stand vom 6. März 2023.

60                                                                                      SNB-Leitzins                        Prognose Credit Suisse
                                                                                        Bloomberg-Umfrage (Mittelwert)      Finanzmarkterwartungen
50                                                                                  2.50
                                                                                    2.25
                                                                                    2.00
40                                                                                  1.75
                                                                                    1.50
                                                                                    1.25
30                                                                                  1.00
                                                                                    0.75
                                                                                    0.50
20                                                                                  0.25
                                                                                    0.00
                                                                                   -0.25
10
                                                                                   -0.50
                                                                                   -0.75
 0                                                                                 -1.00
  2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022                               01.2022     07.2022     01.2023     07.2023     01.2024       07.2024

Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), Credit Suisse                               Quelle: Schweizerische Nationalbank (SNB), Bloomberg, Credit Suisse

                                                                                                                   Swiss Economics | 1.Q 2023                  17
Geldpolitik | Monitor

SNB-Gewinn                                                    Niedrige Rendite der SNB-Fremdwährungsreserven
                                                              In % p.a.

Die SNB wies für 2022 einen Verlust von CHF 132 Mrd.           10
aus, weshalb keine Gewinnausschüttung an den Bund und
die Kantone erfolgt. Trotz der reichlichen Gewinne, die in      5
den letzten Jahren angehäuft wurden, müsste die SNB un-
seren Schätzungen zufolge 2023 einen Gewinn von rund            0
CHF 50 Mrd. erwirtschaften, um 2024 eine Ausschüttung
zu erlauben. Ein Gewinn in dieser Höhe würde indessen
                                                               -5
einer Rendite von 6.2% auf den Fremdwährungsreserven
der SNB entsprechen, die klar über der durchschnittlichen
                                                              -10
jährlichen Rendite von 0.8% in den letzten zehn Jahren                     Rendite auf Fremdwährungsreserven in CHF
liegen würde. Darüber hinaus wird der Zinsaufwand im lau-                  Durchschnittliche Rendite 2013 bis 2022
fenden Jahr nach oben schnellen, weil die SNB ihren Leit-     -15
                                                                     2013     2014     2015    2016     2017      2018    2019     2020    2021     2022
zins kontinuierlich erhöht. Zum aktuellen Zeitpunkt scheint
die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnausschüttung im Jahr
2024 folglich gering.
maxime.botteron@credit-suisse.com                             Quelle: Schweizerische Nationalbank (SNB), Credit Suisse
SNB Bills                                                     Wachsendes Interesse ausländischer Investoren an SNB Bills
                                                              Inhaber von Depotkonten – Geldmarktinstrumente in CHF, nach Domizil, in CHF Mrd.

Parallel zur Erhöhung ihres Leitzinses und zum Verkauf von          In der Schweiz ansässig                   Nicht in der Schweiz ansässig
                                                                    Begebene SNB Bills
Fremdwährungsreserven entzieht die SNB dem Bankensys-
                                                              120
tem Liquidität. Ein Instrument, über das sie zu diesem
Zweck verfügt, ist die Emission von Schuldverschreibungen,    100
sogenannten SNB Bills. Per Ende Dezember 2022 hatte die
                                                               80
SNB derartige Bills im Umfang von fast CHF 100 Mrd. be-
geben. Um Banken und andere Anleger dazu zu bewegen,           60
von Barmitteln in SNB Bills umzuschichten, bezahlt die
                                                               40
Notenbank einen attraktiven Zins auf diesen Instrumenten.
Aus diesem Grund kaufen nicht nur in der Schweiz ansäs-        20
sige, sondern auch nicht hier wohnende Anleger SNB Bills,
                                                                 0
was Kapitalzuflüsse in die Schweiz generiert. Derartige Zu-       2010         2012       2014           2016            2018       2020          2022
flüsse können unter Umständen zu einer Aufwertung des
CHF beitragen.
maxime.botteron@credit-suisse.com                             Quelle: Schweizerische Nationalbank (SNB), Credit Suisse
COVID-19-Kredite                                              Rückzahlung von COVID-19-Krediten hat sich verlangsamt
                                                              COVID-19-Kredite, in CHF Mrd.

Die Rückzahlung von COVID-19-Krediten hat sich seit un-        18           16.9                  6.7
serem letzten Update beträchtlich verlangsamt. Seit dem        16
30. November 2022 wurden CHF 157 Mio. an COVID-19-             14
Krediten getilgt, wogegen im Zeitraum davor (1. September
                                                               12
bis 30. November 2022) CHF 622 Mio. zurückerstattet                                                                       0.8                 9.5
                                                               10
worden waren. Die Ausfälle stiegen von CHF 658 Mio. auf
CHF 763 Mio., während CHF 24.2 Mio. (+ CHF 3.5 Mio.)            8

aus zuvor ausgefallenen Krediten zurückgewonnen werden          6
konnten.                                                        4

                                                                2

                                                                0
                                                                          31.07.2020          Zurückbezahlt          Ausgefallen           01.03.2023

maxime.botteron@credit-suisse.com                             Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Credit Suisse

                                                                                                   Swiss Economics | 1.Q 2023                           18
Immobilien | Monitor

Wohneigentum                                                   Bisher geringe Abschwächung des Preiswachstums
                                                               Preisentwicklung mittleres Segment; gestrichelte Linien: Durchschnitt 2000 – 2021
                                                                                            Jahreswachstum Einfamilienhäuser
Aufgrund des knappen Angebots sind die Preise von Wohn-        10%                          Jahreswachstum Eigentumswohnungen
eigentum bis vor Kurzem stark gestiegen, der Zenit des          8%
                                                                                            Mittelwert Einfamilienhäuser
                                                                                            Mittelwert Eigentumswohnungen
Preiswachstums wurde jedoch im Sommer 2022 über-
                                                                6%
schritten. Mit einem Plus von 5.2% bei Eigentumswohnun-
gen und von 5.5% bei Einfamilienhäusern verharrte das           4%
Preiswachstum im 4. Quartal 2022 dennoch auf hohem Ni-          2%
veau. Für die kommenden Quartale erwarten wir wegen des
                                                                0%
anhaltenden Nachfragerückgangs zwar eine deutliche Ab-
schwächung des Preiswachstums, das sehr knappe Ange-           -2%
bot wird die Preise aber stützen, weshalb wir 2023 noch        -4%
nicht mit einem Rückgang rechnen. Für das laufende Jahr
                                                               -6%
erwarten wir einen Preisanstieg von 0.5% bei Eigentums-              2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022
wohnungen und von 1.5% bei Einfamilienhäusern.
thomas.rieder@credit-suisse.com                                Quelle: Wüest Partner. Letzter Datenpunkt: 4. Quartal 2022
Mietwohnungen                                                  Mieten wird deutlich teurer
                                                               Jahreswachstumsraten Mietpreisindizes und Entwicklung Referenzzinssatz
                                                                6%
Die fortschreitende Verknappung von Mietwohnungen, die                                                          Angebotsmieten (Wüest Partner)
                                                                                                                Abschlussmieten (Wüest Partner)
durch die hohe Nachfrage und die verhaltene Bautätigkeit        5%
                                                                                                                Mietpreisindex BFS
bedingt ist, dürfte den Aufwärtsdruck auf die Marktmieten       4%                                              Referenzzinssatz (inkl. Prognose)
nochmals erhöhen. 2023 werden die Angebotsmieten vo-            3%
                                                                                                                                     03/2024
raussichtlich um insgesamt 3.0% steigen. Aufgrund einer         2%
erstmaligen Anhebung des hypothekarischen Referenzzins-         1%
satzes von 1.25% auf 1.50%, die wir für Juni erwarten,          0%
können ausserdem die Mieten bestehender Vertrags-ver-                                                                                     06/2023
                                                               -1%
hältnisse um 3.0% erhöht werden – vorausgesetzt, frühere
                                                               -2%
Senkungen wurden an den Mieter weitergegeben. Zusam-
                                                               -3%
men mit der Inflation, die zu 40% auf die Mieter überwälzt
werden kann, könnte dies unter dem Strich zu Mietpreisan-      -4%
                                                                  2006     2008     2010   2012      2014   2016    2018     2020     2022     2024
stiegen von 4.0% im Bestand führen.
fabian.waltert@credit-suisse.com                               Quelle: Wüest Partner, Bundesamt für Wohnungswesen (BWO), Bundesamt für Sta-
                                                               tistik (BFS), Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 4. Quartal 2022
Wohnungsmarkt                                                  72% ziehen in einem Radius von maximal zehn Kilometern um
                                                               Kumulative Bevölkerungsanteile nach Umzugsdistanz, in km, für alle Altersklassen

In der Schweiz ziehen jedes Jahr über 800’000 Personen         100%
                                                                             3 – 17
um – also mehr als jeder Zehnte der Bevölkerung. Obwohl         90%          21 – 26
junge Erwachsene zwischen 18 und 34 Jahren nur 21% der          80%          30 – 34
                                                                             38 – 49
Bevölkerung stellen, machen sie 43% aller Umzüge aus. In-       70%          53 – 64
des entscheidet nicht nur das Alter darüber, wie oft und wo-    60%
                                                                             65+
                                                                             Total
hin wir umziehen. Ausländer ziehen zum Beispiel öfters um,      50%
und Frauen ziehen im Durchschnitt klar früher als Männer        40%
von zu Hause aus. In der Regel wird in der Schweiz klein-       30%
                                                                                                                           Gleiche Gemeinde
räumig umgezogen: Nur 28% ziehen im Mittel weiter weg           20%
als zehn Kilometer. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass        10%
                                                                                                                           Gleiches Quartier
72% der Nachfrage für ein Wohnbauprojekt aus einem Um-                                                                     Direkte Nachbarschaft
                                                                 0%
kreis von zehn Kilometern oder weniger stammen.                    0.001          0.01       0.1            1         10            100        1000

manuel.bolz@credit-suisse.com                                  Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 2021

                                                                                                   Swiss Economics | 1.Q 2023                      19
Credit Suisse Vorlaufindikatoren

Purchasing Managers’ Index (PMI)                               Industriekonjunktur
                                                               Purchasing Managers’ Index > 50 = Wachstum

Einkaufsmanager stehen am Anfang des Produktionspro-           70
zesses. Der PMI nutzt diesen Vorlauf zur Prognose der Kon-     65
junktur. Er basiert auf einer monatlichen Umfrage, die
                                                               60
procure.ch – der Fachverband für Material und Einkauf –
durchführt. Die Einkaufsmanager beantworten acht Fragen        55
zu Produktion, Auftragsbestand, Einkaufsmenge, Einkaufs-       50
preis, Lieferfristen, Einkaufslager, Verkaufslager und Be-
                                                               45
schäftigung. Sie geben an, ob die Aktivitäten höher, gleich
oder tiefer als im Vormonat ausgefallen sind. Aus den pro-     40
zentualen Anteilen der Antworten, die «höher» und «gleich»
                                                               35
lauten, werden die Subindizes berechnet, wobei der Anteil
der «gleich»-Antworten nur zur Hälfte einfliesst. Der PMI      30
                                                                 2001       2004      2007         2010     2013      2016       2019     2022
liegt zwischen 0 und 100, wobei ein Wert über 50 eine ex-
pandierende Aktivität im Vergleich zum Vormonat bedeutet.
                                                               Quelle: procure.ch, Credit Suisse

Credit Suisse Exportbarometer                                  Exporte
                                                               In Standardabweichungen, Werte > 0 = Wachstum

Das Credit Suisse Exportbarometer nutzt die Abhängigkeit        4
der Exporte von der Nachfrage auf den ausländischen Ex-         3
portmärkten. Zur Konstruktion des Exportbarometers wer-
                                                                2
den Vorlaufindikatoren für die Industrie in den 28 wichtigs-
ten Abnehmerländern zusammengetragen. Die Werte dieser          1
Vorlaufindikatoren werden mit dem Exportanteil des jeweili-     0
gen Landes gewichtet. Das Exportbarometer verdichtet die
                                                               -1
Informationen zu einem einzigen Indikator. Da es sich um
standardisierte Werte handelt, wird das Exportbarometer in     -2
Standardabweichungen angegeben. Die Nulllinie entspricht
                                                               -3
der Wachstumsschwelle. Das langfristige Durchschnitts-
wachstum der Schweizer Exporte von knapp 5% liegt bei 1.       -4
                                                                 2000          2004          2008           2012          2016          2020

                                                               Quelle: PMIPremium, Credit Suisse

CS CFA Society Switzerland Indikator                           Konjunktur
                                                               Saldo der Erwartungen, Werte > 0 = Wachstum

Finanzanalysten sind am Puls der Wirtschaft. Zusammen mit       100
der CFA Society Switzerland führen wir seit 2017 eine mo-        80
natliche Befragung von Finanzanalysten durch: die Finanz-        60
markt-Umfrage Schweiz1. Die Analysten werden nicht nur           40
nach ihrer Einschätzung zur aktuellen und zukünftigen kon-       20
junkturellen Lage und zur Inflationsrate gefragt, sondern           0
auch um ihre Einschätzungen hinsichtlich Finanzmarktthe-
                                                                -20
men wie der Aktienmarktentwicklung oder der Zinsprogno-
                                                                -40
sen gebeten. Der eigentliche CS CFA Society Switzerland
                                                                -60
Indikator stellt den Saldo der Erwartungen bezüglich des
                                                                -80
Verlaufs der Schweizer Konjunktur in den kommenden sechs
Monaten dar.                                                   -100
                                                                   2006     2008      2010    2012        2014     2016   2018    2020     2022
1
    2006 bis 2016 als Credit Suisse ZEW Indikator publiziert   Quelle: CFA Society Switzerland, Credit Suisse

                                                                                                   Swiss Economics | 1.Q 2023                     20
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