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Solarbrief SOLARBRIEF 2 | 2016 Karikatur: Gerhard Mester / sfv Weg mit dem Entwurf für das EEG 2016! Wir brauchen keine Bürokratie, sondern entschlossenes Handeln „Smart Meter“ Untauglich im Störungsfall Klimaschutz Deutschland versagt. Was nötig wäre.
2 Einigkeit in Grundsatzfragen Smart Meter 6.. Radikaler Kurswechsel in der deutschen Energiepolitik 30.. Dezentrale Messkonzepte statt „Smart“ Meter ist notwendig 100 Millisekunden bis zum Blackout Fossil- und Atomenergie schadensgemäß besteuern, Netz- Von Tomi Engel gebühren entfernungsabhängig gestalten, das EEG von 35.. Stand des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung Bürokratie entlasten – die Bürger-Energiewende setzt sich dann am Markt durch. Von Wolf von Fabeck von Smart Meter Was auf Verbraucher und Anlagenbetreiber zukommt 18.. EEG-Umlage begünstigt konventionelle Von Susanne Jung Stromwirtschaft Gemeinsame Protest-Pressemitteilung Internationales Federführung: Wolf von Fabeck 20.. Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) sabotiert die 27.. Palmöl – Eine Industrie mit verheerenden Folgen Energiewende durch Ausbau neuer Stromtrassen für Von Irene Knoke Braunkohle 40.. Der Ölpreis und der Klimawandel Gemeinsame Protest-Pressemitteilung Von Eberhard Waffenschmidt Federführung: Wolf von Fabeck 42.. Kohlekraftwerke im Ausland gefördert von der Bundesregierung Energiewende vorantreiben Von Kathrin Petz 44.. Aus der Frühzeit der globalen Solarwende 3.. Wir brauchen eine überzeugende Alternative 1994: Photovoltaik auf dem Dach der Welt Editorial von Wolf von Fabeck Von Rüdiger Haude 4.. Fatales Versagen der Bundesregierung in Sachen 47.. San Franciscos Solargesetz Klimaschutz Von Scott Wiener Herausforderungen für Deutschland nach der Pariser Klimakonferenz. Von Alfons Schulte Betreiber-Infos 10.. Fehler bei der Ermittlung der EEG-Umlage verhindern die Energiewende 49.. Gewinne aus einer PV-Anlage Ohne Vorrang im Stromhandel lassen sich die Erneuerbaren Einfluss auf Altersbezüge, Sozialversicherungsbeiträge oder nicht durchsetzen – lässt sich der Marktwert von EE- Strom die Besteuerung von Renten? nicht herausfinden. Von Wolf von Fabeck Von Petra Hörstmann-Jungemann 12.. „Hören Sie doch auf, Propaganda zu machen!“ 50.. Bauabzugssteuer auch bei PV-Anlagen relevant Minister Gabriel belehrt den Bundestag über die Energie- Kurzmeldung von Susanne Jung wende. Von Rüdiger Haude 14.. Speichern statt Abregeln! Nachrichten Über aktuelle Zahlen zum Einspeisemanagement. Von Susanne Jung 51.. u.a. zu: Elektro-Fähren; Solar Impulse 2 in Amerika; Erste 17.. Funktionstests zum Einspeisemanagement Power-to-Gas-Siedlung; Bundesregierung plant Stromsteuer Kurzmeldung von Susanne Jung auf Direktverbrauch; EU-Kommission will Atom-Renaissance; Kohlewirtschaft vergeudet Riesenmengen an Trinkwasser; 22.. „Grüne“ Klimasabotage im Wirtschaftsministerium? Solidarfonds Nullverbrauch gestartet. Ein Gastbeitrag von Rainer Baake in der Wochenzeitung Inhaltsverzeichnis DIE ZEIT – und ein nicht abgedruckter Leserbrief von 54.. Leserbriefe Hans-Josef Fell Redaktion: Wolf von Fabeck Internes 24.. SFV-Stellungnahme zur Gemeinsamen Erklärung der 55.. Impressum deutschen Windindustrie vom 1.3.2016 Ausschreibungen im EEG – Ein feindseliger Akt gegen die 56.. Neue SFV-Infostelle in Koblenz eröffnet Erneuerbaren Energien 57.. Infostellen des SFV 39.. Speicher werden immer noch behindert statt 57.. Wer hilft uns bei der neuen Homepage? gefördert 10. Internationale Konferenz zu Speichern für Erneuerbare 58.. SFV-Mitgliederversammlung, Geburtstagsfeier und Energien – IRES 2016 Tagung im November Von Eberhard Waffenschmidt 59.. Mitgliedsantrag Die Mester-Karikatur auf der Rückseite dieses Solarbriefs kann als Plakat (Format DIN A3 oder DIN A2) bestellt werden. Wenden Sie sich an zentrale@sfv.de. Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
3 Wir brauchen eine überzeugende Alternative Editorial Neulich, am 02.06.2016, habe ich in Berlin an der Demonstrati- gibt genügend wichtige Aufgaben der Nächstenliebe. Das on zur Rettung der Energiewende teilgenommen. Sie können Thema Klimawandel aber verschwindet aus dem Bewusstsein mich bei https://www.youtube.com/watch?v=04m5SNav0uE (die Stromkonzerne freut das). Youtube sehen und hören (Mein Beitrag geht dort von Minute 5:30 bis 7:05). Doch wir dürfen beim Thema Klimawandel nicht abschalten, denn der Klimawandel könnte das Ende der Zivilisation be- Während ringsum – sogar schon in Deutschland – der deuten, wenn wir uns nicht zur Wehr setzen. Klimawandel seine ersten Auswirkungen zeigte, herrschte in Berlin schönstes Demo-Wetter: Der Bundestag wird im Sommer ein katastrophales EEG 2016 Sonne und Wind. beschließen: Die Kapitulationserklärung vor der Energiewirt- schaft. Damit stirbt für viele Klimafreunde auch die letzte Die Windanlagen-Hersteller Enercon Hoffnung und sie wenden sich, wie schon gesagt, anderen und Vestas hatten etwa 2.000 Mit- Themen zu. Einige von uns wollen sich damit trösten, dass es arbeiter in grüner oder schwarzer dann aber im Wahljahr 2017 zum Aufstand der Klimafreunde Monteurskluft nach Berlin gebracht. kommen wird. Doch das muss bereits jetzt vorbereitet wer- Der Bauernverband, die Biomasse den. Es genügt nicht, nur die Regierungspolitik abzulehnen und die Anti-AKW-Bewegung stell- und einige Verbesserungen am EEG vorzuschlagen. Es geht ten aktive Gruppen. Von Solarworld um eine Grundsatzentscheidung und für die lohnt sich der war ein großer Wagen mit fahrbarer Einsatz! Bühne und mächtigen Lautsprechern dabei, und viele weitere Umwelt-Or- Im Kern geht es um die Durchsetzung des Verursacherprin- ganisationen zeigten Präsenz. Etliche zips in der Energiepolitik: Wer Schäden verursacht, muss für SFV-Mitglieder nahmen Kontakt zu ihre Beseitigung aufkommen. Die fossilen und atomaren mir auf; auch wieder die wackeren Nordbayern. Wir trugen Energieträger: Kohle, Erdöl, Erdgas und Brennstäbe müssen eine Tafel mit dem Spruch mit Abgaben belegt werden, aus denen die Energiewende finanziert wird. Außerdem müssen Genehmigungshinder- "Speicher, Wind und Sonnenstrom - nisse für die Erneuerbaren Energien beseitigt werden. Dann Weg mit Kohle und Atom" können sich die Erneuerbaren Energien selbständig im Wettbewerb durchsetzen. So weit war alles in Ordnung. Aber was mich bedrückt hat, war die defensive Stimmung. „Energiewende retten“ war der Die Grundzüge eines solchen Programms müssen bereits häufigste Spruch auf den Transparenten. Verzweiflung und VOR der Abstimmung zum EEG 2016 bekannt sein, damit Bitte um Milde beim Reduzieren der Energiewende! die Öffentlichkeit das verlogene Gerede von der „Alterna- tivlosigkeit“ durchschaut. Deshalb lesen Sie den Beitrag Verständlich ist diese Stimmung allemal, denn allein bei der „Radikaler Kurswechsel in der deutschen Energiepolitik“ im Solarenergie sind viele zigtausend Arbeitsplätze verloren Solarbrief auf Seite 6. gegangen. Damit diese Ermutigung die Klimafreunde noch rechtzeitig Die Folgen für die weitere Unterstützung von Sonnen- und vor dem Bundestagsbeschluss erreicht, muss sie rasch ver- Windenergie sind absehbar. Wenn keine Aussicht besteht, die breitet werden. Machen Sie Vorschläge zur Verbesserung an Lage zu ändern, findet man sich ab; das ist menschlich. Man sfv-fabeck@gmx.de und geben Sie den Beitrag weiter, auch verliert das Interesse am Thema und klickt es weg. Wenn die wenn er sicherlich noch in Details verbessert werden wird. Hoffnung stirbt (so weit ist es nun schon), dann lenkt man sich mit der Europameisterschaft ab oder mit irgendwelchen Ihr SFV-Geschäftsführer Skandalen oder man kümmert sich um die Flüchtlinge – es Wolf von Fabeck Editorial Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. 3
4 Fatales Versagen der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz Herausforderungen für Deutschland nach der Pariser Klimakonferenz von Alfons Schulte Wir haben es schon in den letzten Jahren geahnt. Jetzt kön- Autor nen wir es nachlesen: Die bisherigen Anstrengungen der Dipl.-Ing. Alfons Schulte, studierte Nach- Bundesrepublik zur Erreichung der Klimaschutzziele sind richtentechnik an der RWTH Aachen und vollkommen unzureichend. arbeitet heute in einem Unternehmen, das Prüfsysteme und Anlagen für die KFZ- Unter dem Titel „Was bedeutet das Pariser Abkommen für den Elektronik herstellt. Klimaschutz in Deutschland“ hat das New-Climate-Institute Er ist seit 2008 im Vorstand und seit 2014 aus Köln im Auftrag von Greenpeace im Februar diesen erster Vorsitzender des SFV. Jahres eine Kurzstudie erstellt [1]. In der Zusammenfassung heißt es: „Die langfristigen globa- len Klimaschutzziele, die im Pariser Abkommen im Dezember Spiegelt man diese Erfordernisse – und die Bundesregierung 2015 von fast 200 Ländern beschlossen wurden, bedeuten für hat in Paris ja explizit für die Zielsetzung der Konferenz Deutschland erheblich größere Klimaschutzanstrengungen als geworben – an der praktischen Politik und den derzeitigen bisher geplant.“ Zielsetzungen, so ist nicht nur eine Lücke, sondern eine breite Kluft erkennbar. Das New-Climate-Institute hat hierzu Klimaschutzszenarien aus vorhandener Literatur verglichen und diese auf ein für Allein am BMU-Leitszenario, das die Zielsetzung im Strom- ein 1,5°C-Ziel zur Verfügung stehendes CO2-Budget über- bereich beschreibt, wird dies sofort deutlich [2]. Dort ist von tragen. Daraus wurden Schlussfolgerungen für Deutschland mindestens 85% Erneuerbaren bis 2050 die Rede, nicht von gezogen, wobei – in Ermangelung erprobter und akzeptabler 100% vor 2035. Lösungen – Methodiken zum nachträglichen Entzug von CO2 aus der Atmosphäre nicht berücksichtigt wurden. In den Sektoren Gebäudeheizung, Industrie und Verkehr sieht es noch deutlich schlechter aus. Die daraus folgernden Kernaussagen bedeuten für Deutsch- land, dass Deutschland wird – das scheint auch in der Bundesregierung bereits akzeptiert zu werden – das (Zwischen-) Ziel einer Industrieländer wie Deutschland bereits früher als Emissionsminderung von 40% bis 2020 (bezogen auf 1995) 2035 ihre heimischen CO2-Emissionen auf Null senken verfehlen. müssen, der Anteil der Erneuerbaren am Energiemix (Stromer- Über das Jahr 2020 hinaus sieht es nicht besser aus. Sehr zeugung, Gebäudewärme, Industrie und Mobilität) in erhellend sind hierzu die Aussagen von Rainer Baake , Staats- Deutschland vor 2035 bereits 100 Prozent betragen sekretär für Energie im BMWi, der in einem Gastbeitrag für muss, „Die Zeit“ unter dem Titel „Some like it hot“ [3] beschrieben hat, wie Deutschland mit den Pariser Klimaschutzbeschlüssen der Ausstieg aus Braun- und Steinkohle zur Stromer- Dekarbonisierung umgehen solle (vgl. dazu auch S.22f in diesem Heft). Er be- zeugung in etwa bis 2025 abgeschlossen sein muss, schreibt dort zutreffend, dass die Frage beantwortet werden Verkehr vermieden und verlagert werden muss, der müsse, warum „Private auf die Förderung, Vermarktung und Anteil des Verkehrs ohne Verbrennungsmotor erhöht Nutzung fossiler Brennstoffe verzichten sollten“. und eine Abnahme des Individualverkehrs zu Gunsten des öffentlichen Verkehrs in der Größenordnung von Anstatt jedoch gesetzliche Beschränkungen für fossile 10% pro Dekade erfolgen muss, Energieträger ins Spiel zu bringen, formuliert er dann aber: „Deutschland braucht seine Klima- und Energiewendeziele etwa 5% der Gebäude pro Jahr energetisch saniert infolge der Beschlüsse von Paris nicht zu verändern. Es gibt werden und alle Neubauten Nullenergie-Standard einen Konsens unter den im Bundestag vertretenen Parteien, erfüllen müssen, dass wir unsere Treibhausgase bis 2050 um 80 bis 95 Prozent in der Industrie die Energieeffizienz erhöht und die gegenüber 1990 reduzieren wollen. Als Zwischenziele haben Elektrifizierung ausgebaut werden muss und Bundesregierung und Bundestag beschlossen: Minderung der Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent, bis 2030 um 55 Prozent in der Land- und Forstwirtschaft die Emissionen „etwas und bis 2040 um 70 Prozent.“ später“ als die energiebedingten Emissionen auf fast Null gesenkt werden müssen (z.B. durch Biolandbau, Diese Aussagen stehen in eklatantem Widerspruch zu den Er- Reduktion des Konsums tierischer Produkte). kenntnissen, wie sie in der Studie des New-Climate-Institute beschrieben sind. Schon der gesunde Menschenverstand Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
5 sagt jedem von uns, der sich mit der Thematik der menschenver- Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch von derzeit ursachten Treibhausgase beschäftigt hat, dass ein bedeutender rund 33 Prozent auf 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025 und auf 55 bis Unterschied zwischen einem weich formulierten 2-Grad-Ziel 60 Prozent im Jahr 2035 steigen. 2050 soll der Anteil bei mindestens und einer Beschränkung auf 1,5 Grad liegen muss. Wenn schon 80 Prozent liegen. Die erneuerbaren Energien übernehmen daher die von Herrn Baake zitierten Treibhausgasreduktionen bis 2050 langfristig die zentrale Rolle in der Stromerzeugung.“ Das sind nach Expertenmeinung unzureichend (weil nicht vollständig weiterhin die alten, unzureichenden Ziele; sie liegen meilenweit dekarbonisierend) ausgelegt sind, so ist seine These vor dem von den Erfordernissen einer 1,5 Grad-Lösung entfernt, wie sie in der Pariser Konferenz beschlossen wurden und wie sie die Studie des New-Climate-Institute aufzeigt. In der Praxis möchte das BMWi nach der Photovoltaik, die schon jetzt noch nicht einmal den viel zu niedrig angesetzten Ausbaukorridor erreicht, auch die andere zentrale Säule der Energiewende, die Windenergie an Land, in einen viel zu klein be- messenen Plankorridor von bis zu 2.800 MW brutto pro Jahr pressen (obwohl damit zu rechnen ist, dass demnächst aus Altersgründen jährlich über 3.000 MW abgebaut werden müssen). Was bedeutet das für die Glaubwürdigkeit Deutsch- lands als selbsterklärter Vorreiter in Sachen Energie- wende und Klimaschutz? Wir müssen es deutlich formulieren: Die Bundesregierung wird den Erfor- dernissen der Bedrohung durch den Klimawandel absolut nicht gerecht. Sie handelt kurzsichtig und kurzatmig. Von einer die Bevölkerung einbindenden und mitnehmenden Dynamik wie in den Anfangs- jahren des EEG ist nichts mehr zu spüren. Statt- dessen wird die Energiewende mit bürokratischen Hemmnissen und völlig falschen Weichenstellungen erstickt, die Akteursvielfalt (d.h. gerade die aktive Teilnahme möglichst vieler Bürger) wird unter dem fadenscheinigen Argument von Kosteneffizienz stark eingeschränkt und das Feld der Fossilwirtschaft überlassen, die doch schnellstmöglich abgelöst wer- den müsste. Statt die Obergrenzen beim Ausbau der Erneuerbaren endlich aufzuheben, die Speicherein- führung jetzt zu fördern, die extrem klimaschädliche Braunkohle sukzessive aus dem Markt zu nehmen, eine progressive CO2-Besteuerung einzuführen, die energetische Gebäudesanierung verpflichtend zu Abb. aus der zitierten Greenpeace-Studie: Was bedeuten die Langfristziele des Pariser machen und die Zulassung von Fahrzeugen mit Ver- Abkommens („weit unter 2° C“) für Deutschland? brennungsmotoren spätestens 2025 zu verbieten (wie es Norwegen getan hat und wie es weitere EU- Länder bereits erwägen), sind die Bundesregierung Hintergrund der Herausforderungen, ein 1,5-Grad-Ziel einzu- und die sie tragenden Fraktionen weiterhin rückwärtsgewandt halten, völlig abstrus. Hier wird der Bevölkerung eine unverant- und stützen das überkommene fossile Energiesystem weiter. wortliche Beruhigungspille untergeschoben, anstatt endlich den Erfordernissen entsprechend zu handeln. Will Deutschland in Sachen Energiewende wieder ernst genom- men werden, so braucht es eine andere, den zukünftigen Gene- Herr Baake ist Mitglied der Grünen. Unverständlich bleibt, war- rationen und nicht kurzfristigen Gewinninteressen verpflichtete um die Grünen seinen Aussagen nicht deutlich widersprechen. Politik. Fragen wir Bürger unsere parlamentarischen Vertreter Stehen auch sie wie die Regierungsparteien für die vollkommen jetzt nach ihren Antworten. Das Jahr 2017 ist ein Wahljahr! unzureichenden Ziele, wie sie Herr Baake gutheißt? Wo ist die Opposition, deren Aufgabe es in einer parlamentarischen Demokratie doch ist, die Fehler und Defizite im Handeln der Nachweise [1] newclimate.org/2016/02/23/what-does-the- Regierung laut und deutlich aufzuzeigen? paris-agreement-mean-for-climate-protection- in-germany/ [2] www.fvee.de/fileadmin/publikationen/Politische_Papiere_ Zwischenzeitlich wird das BMWi nicht müde, nach außen hin zu anderer/12.03.29.BMU_Leitstudie2011/BMU_Leitstudie2011.pdf vermitteln, die Energiewende gehe weiter und die (völlig un- [3] Gastbeitrag in der Zeit vom 31.03.2016, siehe pdf.zeit.de/2016/13/ klimaschutz-klimagipfel-paris-massnahmen-umsetzung.pdf zureichenden) Klimaziele würden erreicht [4]. Der Referenten- [4] Werbung auf der Webseite des BMWi: www.bmwi.de entwurf des EEG 2016 [5] zeigt jedoch, dass die Regierung den [5] Download unter: www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/P-R/referen- Ausbau der Erneuerbaren scharf abbremsen möchte. So heißt es tenentwurf-aenderung-eeg,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprach in der Einleitung: „Als zentraler Baustein der Energiewende soll der e=de,rwb=true.pdf Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
6 Radikaler Kurswechsel in der deutschen Energiepolitik ist notwendig Fossil- und Atomenergie schadensgemäß besteuern, Netzgebühren entfer- nungsabhängig gestalten, das EEG von Bürokratie entlasten – die Bürger- Energiewende setzt sich dann am Markt durch Federführung: Wolf von Fabeck Warum brauchen wir eine gemeinsame neue Eine neue gemeinsame Strategie ist deshalb vordringlich. Strategie? Der hier vorgelegte Entwurf soll dazu einen Impuls geben. Die deutsche Energiewendepolitik steckt in einer Sackgasse. Wir erhoffen uns die Mitwirkung unserer Leser. Stellen Jede hinzukommende Bestimmung macht sie noch schwer- Sie Fragen, äußern Sie Kritik, machen Sie Verbesserungs- fälliger und verlangsamt den Umstieg auf klimaschonende vorschläge – und geben Sie zu erkennen, was Ihnen ein- Sonnen- und Windenergie. Der Versuch, die Erneuerbaren leuchtet. Ein einfaches "OK" signalisiert uns, dass wir auf Energien gegen die Marktgesetze von Angebot und Nach- dem richtigen Weg sind. Bitte wenden Sie sich an Wolf von frage gegenüber dem unschlagbar billigen Wettbewerber Fabeck, sfv-fabeck@gmx.de, der den Vorschlag beim SFV Atom- und Fossilstrom einzuführen, ist nach anfänglichen federführend bearbeitet. großartigen Erfolgen kläglich gescheitert, weil Regierung und Parlament es nicht wagen, auch den letzten notwendi- gen Schritt zu tun und die Stromerzeuger mit den von ihnen Wind- und Solarstrom müssen die preiswerte verursachten externen Kosten zu belasten. Regelversorgung werden Stattdessen: Unsinnige bürokratische Behinderungen und Wenn Deutschland wirklich schnell aus der fossilen und Schikanen bei der Baugenehmigung, bei der Finanzierung, atomaren Energieversorgung aussteigen will, dann darf abrupte Senkungen der Einspeisevergütung, Probleme bei die Versorgung mit Atom- oder Fossilstrom nur noch ein der Besteuerung. Insbesondere die EEG-Umlage beim Eigen- rasch vorübergehender Notbehelf sein. Dagegen muss die verbrauch oder beim Handel mit Solar- und Windstrom (die Versorgung mit Solar- und Windstrom nach den einfachen verhasste "Sonnensteuer") hat den Bau und Betrieb von Solar- Regeln von Angebot und Nachfrage die Regel werden. Das stromanlagen zu einem mühseligen Unterfangen gemacht. geschieht nicht von alleine. Der sogenannte "freie Markt", Der beeindruckende jährliche Zubau von jeweils über sieben d.h. ein Markt, in dem der Staat nicht für den gerechten Gigawatt in jedem der drei Jahre 2010, 2011 und 2012 wurde Ausgleich der Machtverhältnisse sorgt, ist zukunftsblind. Bei auf jämmerliche eineinhalb Gigawatt im Jahr 2015 gedrückt. den derzeitigen energiepolitischen Rahmenbedingungen Viele Zehntausende von Arbeitsplätzen im Solarbereich wur- würden zuerst sämtliche fossile Lagerstätten ausgebeutet Internalisierungssteuer den vernichtet. Der Bau von Strom- und Energiespeichern und verheizt und die letzten Atomkraftwerke würden bis wurde verhindert und so kommt es zu immer mehr unnötigen zum letzten Tag der ihnen zugestandenen Frist laufen. Grund Abregelungen von Solar- und Windanlagen. dafür sind die bereits vorhandenen Stromerzeugungsanla- gen der konventionellen Stromversorger, die eingespielten Die EEG-Umlage, anfangs dafür gedacht, die Finanzierung Vertriebswege, die fehlenden Strom- und Energiespeicher der EEG-Anlagen sicherzustellen, ist aufgrund mehrerer und – das ist der entscheidendste Grund – die Nichtberück- regulatorischer Fehler [vgl. S.18f in diesem Heft] unaufhalt- sichtigung der externen volkswirtschaftlichen Kosten. sam gestiegen. Siehe dazu auch den leicht verständlichen Youtube-Beitrag von Professor Dr. Eicke Weber, Leiter des Der Preis, mit dem Atom- und Fossilstrom im Großhandel an- Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) Freiburg geboten wird, ist deshalb schlicht und einfach zu niedrig! [vgl S.11 in diesem Heft]. Obwohl die Auszahlungen an die EE-Anlagenbetreiber sich innerhalb der Zeit von 2009 bis Kern des Vorschlags ist es deshalb, die externen Kosten der 2013 nur verdoppelten, wurde fünfmal so viel Geld bei den fossilen und atomaren Energie durch eine CO2-Steuer und Stromkunden abkassiert. Der Anstieg der EEG--Umlage weckt eine erhöhte Brennelemente-Steuer zu internalisieren. in der Öffentlichkeit die Befürchtung, dass die Verteuerung Atom- und Fossilstrom müssen erheblich teurer werden. Dem unvermeidlich und eine Vollversorgung mit Solar- und Wind- Verursacherprinzip muss Geltung verschafft werden. strom unbezahlbar sein würde. So wird sie auch durch die Bundesregierung interpretiert. Die Rechtmäßigkeit von nationalen CO2-Steuern steht außer Frage. Schweden, Frankreich und Großbritannien erheben Das herrschende Chaos unverständlicher, einander teilweise bereits CO2-Steuern – wenn auch bei weitem nicht in der sogar widersprechender gesetzlicher Bestimmungen hat den Höhe, die den immer bedrohlicheren Klima- und Umwelt- Blick dafür getrübt, mit welch einfachen Maßnahmen sich folgen gerecht werden. Weitere Informationen finden sich die in Paris beschlossene Dekarbonisierung beschleunigen in einem Beitrag von Dr. Rüdiger Haude [1]. ließe. Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
7 Steuern auf Fossil- und Atomstrom – man könnte sie auch als allenfalls Probleme für diejenigen Politiker sehen, die z.B. in "Lenkungssteuern, bzw. Lenkungsabgabe" bezeichnen – Süddeutschland den Winkraftausbau verhindert haben und entfalten die gewünschte Wirkung am besten, wenn sie an der nun der Bevölkerung erklären müssen, warum in Regionen mit Quelle, d. h. spätestens beim Stromerzeuger erhoben werden: wenig Windrädern der Strom teurer ist. Beim Braunkohletagebau, beim Kauf neuer Brennelemente, bei der Einfuhr oder Förderung von Erdgas, der Einfuhr oder Förderung von Erdöl ... Nachversteuerung beim grenzüberschreitenden Stromhandel Fossil- und Atomstrom sollen also bereits mit dem zu erwar- tenden Preis ihrer Folgekosten verteuert sein, bevor sie in den Damit die CO2- und Brennelementesteuern die gewünschte marktlichen Wettbewerb eintreten. Diese Lenkungssteuern Wirkung auch im Stromhandel erzielen, müssen sie, wie bereits belasten dann nicht alle, sondern nur die Stromkunden, die auf erwähnt, an der Quelle der Stromerzeugung erhoben werden. Atom- und Fossilstrom nicht verzichten wollen oder können. Das bedeutet, dass sie bereits die ausländischen Stromange- Das ist psychologisch wichtig! bote belasten müssen, bevor der Importstrom im Wettbewerb mit Strom deutscher Stromhersteller steht. Unbedingt muss Die Lenkungsabgabe muss den Atom- und Fossilstrom min- verhindert werden, dass ausländischer unversteuerter Atom- destens so weit verteuern, dass er teurer ist als Wind- oder und Fossilstrom in Deutschland den Strom aus Erneuerbaren Solarstrom aus neuen Anlagen zuzüglich eines Aufschlages Energien unterbietet. Stromimporte aus dem Ausland werden für Speicherung. Die Betreiber neuer Wind- und Solarstrom- deshalb nur als zweiseitige Geschäfte mit Herkunftsnachweisen anlagen können dann ihren Strom zum Vollkostenpreis überall zugelassen, damit eine Nachversteuerung beim Grenzübertritt im Stromhandel anbieten. Sie sind nicht mehr auf Zuschüsse möglich ist. aus dem EEG-Umlagekonto angewiesen und können nach den Regeln von Angebot und Nachfrage den Fossil- und Atomstrom aus dem Markt drängen. Einige Schutzbestimmungen für EEG-Anlagen sind unerlässlich Regionalisierung und Dezentralisierung durch Auch wenn nach der vorgeschlagenen Umstellung die Solar- entfernungsabhängige Netzentgelte und Windanlagen und ihre Speicher sich am Markt durchsetzen können, bedarf es doch noch einiger weniger Schutzbestim- Wind- und Solaranlagen und die dazugehörigen Strom- und mungen, die, soweit noch nicht vorhanden, in das EEG aufge- Energiespeicher können und sollen möglichst verbrauchernah nommen werden müssen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz errichtet werden. Eine VDE-Studie„Der Zellulare Ansatz“ aus dem kann dann auf diese Schutzbestimmungen reduziert werden: Jahr 2015 bestätigt die Vorteile und die Machbarkeit dieses Konzepts. Dessen Vorteile machen sich im Wettbewerb noch mehr bezahlt, wenn der wirtschaftliche Aufwand, Strom über Eine baurechtliche Privilegierung von Solar- und Windan- weitere Entfernungen zu transportieren, in entfernungsabhän- lagen sowie der mit ihnen direkt gekoppelten Stromspei- gigen Netzentgelten berücksichtigt wird. Volkswirtschaftlich cher, selbstverständlich unter Beachtung der emissions- wird damit der Aufwand des Netzausbaus minimiert. schutzrechtlichen Bestimmungen Regionale Endkundenversorger – z.B. Stadtwerke – werden dann Die Anschluss- und Netzausbaupflicht im Verteilnetz nicht nur wegen der Verteuerung von Fossil- und Atomstrom, sondern auch wegen der entfernungsabhängigen Netzgebüh- Die Abnahme- und Vergütungspflicht für Strom aus CO2- ren steigendes Interesse am Bezug von preiswerten Solar- und freien Erneuerbaren Energien und Stromspeichern Windstrom aus der Region haben. Sie können Lieferverträge mit den Solar- und Windanlagen- sowie Speicherbetreibern Eine Steuerbefreiung der Erneuerbaren Energien – befris- der Region abschließen. Eine Teilnahme der Solar- und Wind- tet bis zum Abschluss der erfolgreichen Umstellung auf stromanbieter an einem zentralen Spotmarkt ist dann nicht 100 Prozent CO2-freie Erneuerbare Energien mehr erforderlich. Wind- und Solaranlagenbetreiber, die ihren Strom in das Verteilnetz einspeisen – dort wo ihr Strom auch Ein Benachteiligungsverbot (Diskriminierungsverbot) für verbraucht werden wird – müssen dann nicht mehr mit Groß- CO2-freie Erneuerbare Energien händlern auf der Höchstspannungsebene in Wettbewerb treten, sondern können zweiseitige OTC-Geschäfte (over the counter) Übergangsbestimmungen zum Bestandsschutz von in der Verteilnetzebene abschließen. Diese Entwicklung kann EEG-Altanlagen bei gleichzeitigem Abbau bürokratischer zur Regionalisierung der Stromversorgung führen. Zusätzlich Schikanen – Die Betreiber von Altanlagen können inner- lassen sich Spotmärkte regional einrichten. halb ihrer gesetzlichen Vergütungsdauer noch nicht in den freien Stromhandel entlassen werden, weil sie eine Im Gegensatz dazu hört man häufig (auch aus dem Wirtschafts- höhere Einspeisevergütung zu beanspruchen haben ministerium) die Forderung, es müssten in ganz Deutschland die als die Betreiber von Neuanlagen. Sie erhalten deshalb Großhandelspreise für Strom gleich sein (Forderung nach einer wie gewohnt die ihnen zustehende Einspeisevergütung Preiszone). Eine wirklich schlüssige Begründung wird auffälliger weiterhin aus dem ehemaligen EEG-Umlagekonto, doch Weise nicht genannt. Jedoch wird umgekehrt der Ausbau der dieses wird ausschließlich aus Steuergeldern aufgefüllt. Fernübertragungsnetze damit begründet, dass sonst – horribile Eine Gegenfinanzierung ist mehr als ausreichend durch die dictu – mehrere Preiszonen in Deutschland entstehen würden. Lenkungsabgabe auf Atom- und Fossilstrom gesichert. Wir können bei näherer Betrachtung der Regionalisierung Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
8 Internalisierungs-Steuern zum Ausgleich der ex- gesetzt, dass es "Kipppunkte" gibt, bei deren Überschreitung ternen Kosten – Eilbedürftigkeit und angemessene der Klimawandel sich selbst verstärkt. Die ersten Kipppunkte Höhe? sind bereits erreicht: Hier nur drei Beispiele: Der Permafrost- boden in Sibirien taut auf und lässt die bisher eingefrorenen Bitte nicht verwechseln: Klimagase hochblubbern. Das Eis am Nordpol ist weitgehend weggeschmolzen, so dass die Sommersonnenstrahlen nicht Neben der CO2-Steuer setzt sich der SFV auch weiterhin für eine mehr in den Weltraum zurückgespiegelt werden, sondern das Energiesteuer mit verbundenem Energiegeld ein. Die Energie- Meerwasser erwärmen. Bei weiterer Erwärmung werden die steuer plus Energiegeld dient unter anderem dem Ziel, die Ener- Ozeane kein weiteres CO2 mehr aufnehmen, sondern ihrerseits gieeffizienz zu steigern, Anreize zum Energiesparen zu geben, die CO2 abgeben. Einem mit naturgesetzlichen Zusammenhängen Ausplünderung der Bodenschätze zu stoppen, Arbeitsplätze im wenig vertrauten Laien lässt sich die Situation so beschreiben: Sozialbereich zu schaffen und weiteren Zielen. Das Klima ist wie eine riesige Stehlampe, die ins Kippen geraten Im vorliegenden Beitrag geht es jedoch nicht um die Energie- ist. Je schneller man zupackt, desto größer ist die Chance, das steuer, sondern ausschließlich um die CO2- und Brennelemente- Umkippen noch zu verhindern, Diskutieren hilft da nicht. Die Steuer, die auch als Internalisierungssteuer oder Lenkungsabga- Naturgesetze lassen nicht mit sich verhandeln. be bezeichnet wird. Für die EEG-Umlage im Jahr 2016 prognostiziert das BMWi einen Betrag von 25 Mrd. €. Dieser Betrag ist bekannt und wird Externe Kosten der Stromversorgung sind solche Kosten, die weiter steigen. Er wird bei den "nichtprivilegierten" Stromkunden durch die Stromerzeugung entstehen, die aber den Strom- zwangsweise kassiert, wenn nicht endlich der vorgeschlagene verbrauchern nicht mit dem Strompreis in Rechnung gestellt Kurswechsel in der Energiepolitik erfolgt. werden. Dazu zwei Beispiele: Durch den CO2-Ausstoß bei der Braunkohleverstromung wird Die Höhe der externen Schäden ist nicht präzise anzugeben, der Klimawandel beschleunigt. Extremwetterereignisse treten doch ist sicher, dass sie um Größenordnungen höher liegt als die öfter auf. Die Kosten zur Beseitigung der Klimaschäden bis hin EEG-Umlage, denn der Klimawandel kann die Erde unbewohn- zu den Integrationskosten für "Klimaflüchtlinge" sind externe bar machen, wird furchtbare Fluchtbewegungen verursachen Kosten der fossilen Stromversorgung. und Millionen von Menschen das Leben kosten. Die Folgen des Klimawandels sind schon jetzt dramatisch: Dicht besiedelte Ein zweites Beispiel: Die Behandlung von Nervenerkrankun- Küstenregionen beginnen im Meer zu versinken. Immer größere gen oder Hirnschädigungen kleiner Kinder infolge der hohen Landgebiete werden unfruchtbar. Immer häufiger treten Ext- Quecksilberbelastung der Braunkohleabgase kostet Geld, das remwetterereignisse auf: Hagelschläge, Sturzfluten, Tornados. ebenfalls nicht von den Stromverbrauchern bezahlt wird. Diese Die Todesfälle durch Überhitzung, Erfrieren, Ertrinken oder Ver- Kosten zählen zu den externen Kosten der Versorgung insbe- dursten nehmen zu. Es ist abzusehen, dass der Trend sich in den sondere mit Braunkohlestrom. nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten fortsetzt. Auch auf uns kommen diese Gefahren zu. Wieviel Cent pro Kilowattstunde Die beiden Beispiele lassen erahnen, wie schwierig die genaue Er- ist Dir das Leben Deiner Kinder oder Enkel wert? Ist diese mittlung der externen Kosten ist und welches Streitpotential sich Frage zynisch? Lässt sie sich noch lange verdrängen? bezüglich ihrer Ermittlung auftut. Dazu einige Erwägungen: Es muss endlich eine politische Entscheidung getroffen wer- In der Literatur werden je nach Interessenlage die unterschied- den. lichsten Werte genannt. Aus einer vom damaligem Minister Möllemann (FDP) in Auftrag gegebenen Studie der Baseler Wenn die Höhe der Internalisierungs-Steuer den externen Schä- PROGNOS AG für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), den auch nur annähernd entspricht, wird die Steuer so hoch ergibt sich z.B., dass bei Berücksichtigung aller Folgekosten sein, dass etliche Stromkonzerne rasch insolvent werden. Sie die errechneten Versicherungskosten pro Kilowattstunde können dann nicht einmal mehr die Renaturierung der ausge- Atomstrom reell bis zu 4 DM (ca. 2 €) betragen müssten und kohlten Braunkohletagebaue zahlen oder gar die sogenannten damit völlig irreal wären. Die Grundsatzstudie hat den Titel Ewigkeitskosten erwirtschaften, die sie für die dauerhafte La- "Identifizierung und Internalisierung der externen Kosten der gerung der radioaktiven Abfälle oder für das Leerpumpen der Energieversorgung" [2]. stillgelegten Bergwerke im Ruhrgebiet benötigen. Sollte man aus diesem Grund von einer angemessenen Internalisierungs- Im Auftrag der britischen Regierung erstellte im Jahr 2006 der steuer absehen und die Konzerne deshalb schonen? Sollte man ehemalige Weltbank-Chefökonomen Sir Nicholas Stern den sie für die externen Kosten jetzt nicht verantwortlich machen, sogenannten "Stern-Report" [3]. Von ihm stammt sinngemäß damit sie später einmal die Ewigkeitskosten besser bezahlen die Aussage, die jährlichen Kosten des Klimawandels würden, können? wenn nicht gehandelt wird, dem Verlust von wenigstens 5 % des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Wenn man Man könnte es auch anders sehen: So oder so werden die Kon- eine breitere Palette von Risiken und Einflüssen berücksichtigt, zerne für ihre Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit könnten die Schäden sogar auf 20 % oder mehr des erwarteten nicht oder bestenfalls nur teilweise aufkommen. So oder so globalen Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Mehr als ein Fünftel müssen die Bürger letztlich selber die externen Kosten be- unserer wirtschaftlichen Anstrengungen würde dann dem zahlen. Da ist eine rasche Insolvenz womöglich die ehrlichere Beseitigen von Klimaschäden gelten. Lösung. Die Marktregeln sind hart! Unternehmen und ihre Aktionäre, die in der Hoffnung auf hohe finanzielle Gewinne in Aber die Situation ist sogar noch dramatischer: Seit wenigen "freier unternehmerischer Entscheidung" die Stromerzeugung aus Jahren hat sich in der Klimadiskussion die Erkenntnis durch- Braunkohle oder anderen fossilen Brennstoffen gewählt haben Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
9 und diese trotz dringlicher Warnungen und Appelle fortgesetzt Frage wird möglicherweise bereits in der Vorbereitung der haben, verdienen kein Mitleid. nächsten Bundestagswahl entschieden. Voraussetzung dafür ist wiederum – wie bereits oben erwähnt – dass die Umwelt- Die Fürsorgepflicht für die arbeitslos werdenden Beschäftigten und Klimaschutzorganisationen sich auf eine gemeinsame bei Braunkohle und Atom darf darüber nicht vergessen werden: Strategie einigen. Aber zum nachhaltigen Ausbau neuer Arbeitsplätze wird es erst kommen, wenn der Aufbau der neuen EE-Infrastruktur endlich wieder in Gang kommt. Das ist ein weiteres Argument für eine schnelle Umstellung und hohe Internalisierungs-Abgaben. Nachweise Jedenfalls – die Forderung nach Internalisierung der externen [1] Rüdiger Haude: CO2-Steuer jetzt! In: Solarbrief 1/2016, S.14-16. Online: Kosten [4] durch Besteuerung ist nicht nur moralisch gerecht- www.sfv.de/artikel/co2-steuer_jetzt.htm fertigt, sondern auch eine ökonomisch richtige und wirksame [2] www.zukunftslobby.de/Tacheles/prognstu.html Maßnahme, die in der Volkswirtschaftslehre anerkannt ist. [3] Vgl. www.greenpeace-magazin.de/der-preis-der-zerst%C3%B6rung Man spricht hier auch vom "Verursacherprinzip". Wie weit sie [4] Vgl. www.wirtschaftslexikon24.com/d/internalisierung-externer- sich durchsetzen lässt, hängt davon ab, wie unabhängig der kosten/internalisierung-externer-kosten.htm Gesetzgeber von den betroffenen Konzernen ist, und diese Unterstützende Organisationen Stand: 17.6.2016 Energiewende Landkreis Starnberg e.V. http://www. Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse Für eine de- energiewende-sta.de/ - Dr. Walter Kellner (1. Vorsitzender) zentrale Energiewende – gegen überdimensionierten Energiewendegruppe Münster - Wolfgang Wiemers, Philipp Netzausbau! http://www.stromautobahn.de - Dörte Hamann Kruse (Sprecher der Gruppe) (Sprecherin) pressestelle@stromautobahn.de Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen Energie Eichenzell eG www. BAAK http://baak.anti-atom-bayern.de/ sowie Büfa Regens- eichenzell-energie.de - Lothar Jestädt (Vorstand) burg - Petra Filbeck (1. Sprecherin BAAK, Sprecherin BüfA Landesnetzwerk Bürger-Energiegenossenschaften Hessen Regensburg) e.V. www.laneg-hessen.de - Nils Rückheim (Geschäftsführer) BBEn Bündnis Bürgerenergie https://www.buendnis- nils.rueckheim@laneg-hessen.de buergerenergie.de/buendnis/vorstand/ - Dr. René Mono Landesnetzwerk Bürgerenergiegenossenschaften Rhein- (Vorstandsvorsitzender) land-Pfalz e.V. (LaNEG e.V.) http://www.laneg.de - Dr. Verena Bürger-Energie-Genossenschaft www.beg-58.de - Rolf Ruppert (Vorstand) ruppert@laneg.de Weber (Vorsitzender) rolf.weber@beg-58.de Mittelhessische Energiegenossenschaft (MiEG) www. Bürgerinitiative Leinburg gegen Gleichstromtrassen Für mittelhessische-energiegenossenschaft.de - Diethardt Stamm eine dezentrale Energiewende – gegen überdimensio- (Vorstand) info@mittelhessische-energiegenossenschaft.de nierten Netzausbau! http://www.stromtrasse1601.de - Olaf NE-Solartechnik GmbH & Co KG - Stefan Göb (Geschäfts- Lüttich (Mitglied im Sprecherrat) führer) Bürgerinitiative Megatrasse-VG-Nordendorf https://www. Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) https://www. facebook.com/B%C3%BCrgerinitiative-Megatrasse-VG-Nor- oedp.de/startseite/ - Gabriela Schimmer-Göresz (Bundes- dendorf-287100164801357/ - Anita Dieminger (Sprecherin) vorsitzende) Bürgerinitiative Stiftland sagt „NEIN“ … zu Atom- und Pamina-Solar http://www.pamina-solar.de - Heinz Scharfen- Kohlestromtrassen – „JA“ zur dezentralen Energiewende! berger (Vorstand) info@pamina-solar.de http://www.stiftlandsagtnein.de - Gerald Schmid (1. Sprecher) Solarlokal Kirchhorst www.Solarlokal-Kirchhorst.de - Sieg- stiftlandsagtnein@t-online.de fried Lemke (Sprecher der Solarinitiative Solarlokal Kirchhorst) Bundesverband Christliche Demokraten gegen Atomkraft sielemke@gmail.com (CDAK), CDU/CSU – Mitglieder für die Überwindung der terra-solar e.V. www.terra-solar.de - Kurt Miller (1. Vorsitzen- Kernenergie http://www.castor.de/diskus/gruppen/cdak. der) km@terra-solar.de html - Petra Pauly (CDAK-Sprecherin) und Ulla Veith (Vor- standssekretariat) Umweltfreundliche Energien EN e.V. www.ueen.de - Karl- Heinz Henkel (Vorstand) kh-henkel@versanet.de Energiebündel Kreis Eichstätt e.V. http://www.eb-ei.de/ - Josef Loderer MBA (Univ.) (1. Vorsitzender) UrStrom Mainz eG www.urstrom.com - Christoph Würzbur- ger (Technikvorstand) und Verena Ruppert (stellv. Aufsichts- Energiegenossenschaft Hohe Waid eG www.energiege- ratsvorsitzender) nossenschaft-hohe-waid.de - Dr. Matthias Schütze, Dirk Erdel (Vorstandsmitglieder) info@energiegenossenscaft-hohe- WNV Windenergie Nordeifel e.V. http://www.wnv-info.de/ waid.de - Klaus Pütz (Mitglied des Vorstandes) Energie- und Freizeithof Liebon www.Liebon.de - Andreas Reitmann (Inhaber) Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
10 Fehler bei Ermittlung der EEG-Umlage verhindern die Energiewende Ohne Vorrang im Stromhandel lassen sich die Erneuerbaren nicht durch- setzen – lässt sich der Marktwert von EE- Strom nicht herausfinden von Wolf von Fabeck Strom aus Braunkohle, Steinkohle, Erdgas, Erdöl – kurz ge- Autor Dipl.-Ing. Wolf von Fabeck ist sagt: K-Strom – soll durch Solar- und Windstrom (E-Strom) Geschäftsführer des SFV. ersetzt werden. Dazu müssen einige Probleme gelöst werden, denen man sich bisher nicht ernsthaft gestellt hat. In offizi- Er studierte Maschinenbau an der Tech- nischen Hochschule in Darmstadt; war ellen Verlautbarungen der Bundesregierung heißt es noch, als Berufsoffizier in der Bundeswehr in die Erneuerbaren Energien müssten sich in das bestehende verschiedenen Positionen tätig; den System integrieren. Doch genau mit dieser Forderung wird längsten Teil seiner Dienstzeit arbeitete er das bisherige fossil-atomare System auf ewige Zeit festge- als Dozent an der Fachhochschule des Hee- legt. Die Bundesregierung bekundet damit ihre Absicht, die res in Darmstadt, Lehrfächer Technische Mechanik und Kreiseltechnik und wurde Energiewende NICHT umzusetzen. zum Dekan und Leiter des Fachbereiches Mathematik, Naturwissenschaften und Wer ernsthaft auf Erneuerbare Energien umsteigen will, Datenverarbeitung berufen. Er schied auf muss ein Übertragungs-, Bewertungs-, Finanzierungs- und eigenen Wunsch vorzeitig aus der Bundes- Verteilsystem einführen, das die technischen Eigenschaften wehr aus. 1986 initiierte er die Gründung des Solarenergie-Fördervereins Deutsch- der Erneuerbaren berücksichtigt: land e.V. und ist dort seitdem ehrenamtlich tätiger Geschäftsführer. Sein wichtigstes Die Betreiber von Wind- und Solaranlagen können nicht Thema ist Umwelt- und Klimaschutz durch jederzeit elektrische Energie direkt aus Wind- oder Son- Umstellung der Energiebereitstellung auf nenenergie liefern. 100 Prozent Erneuerbare Energien. Erst durch die Wettervorhersage vor dem Liefertermin gen anzupassen, verkaufen immer noch mit behördlicher ergibt sich der mögliche Lieferumfang. Genehmigung der Bundesnetzagentur (BNetzA) und unter Beobachtung der Markttransparenzstelle für den Großhandel Wind- und Solarstrom muss in großem Umfang gespei- im Bereich Strom und Gas (GWB) sogenannte "Bandlieferun- chert werden. Dies verursacht deutlich höhere Kosten. gen" mit monatelanger konstanter Leistung rund um die Uhr ("base-load") oder jeden Werktag von 8:00 Uhr morgens bis Um uns mit den Problemen vertraut zu machen, untersuchen 20:00 Uhr abends ("peak-load"). Sozusagen handlich verpackt wir einmal die folgende einfache Frage, die sich zukünftig mit rosa Schleifchen und Mengenrabatt. Ein Anachronismus, immer häufiger stellen wird: gegen den die Betreiber von EE-Handelsgesellschaften schon deshalb aufstehen müssten, weil er sie Millionen kostet. Was soll geschehen, wenn gleichzeitig alle drei Sorten: Direkt erzeugter EE-Strom, gespeicherter EE-Strom Oder sind die Zusammenhänge zu kompliziert? sowie K-Strom zwar verfügbar sind, aber nicht alle drei benötigt werden? Die Betreiber der Kohlekraftwerke verpflichten sich am Ter- minmarkt über Monate vorab zur genormten "Bandlieferung" Ökologisch korrekt und im Sinne des Klimaschutzes wäre es, von Elektrizität "base-load" oder "peak-load" an interessierte wenn in einer solchen Konkurrenzsituation ausschließlich Großkunden. Diese ihrerseits verpflichten sich zur Zahlung der EE-Strom – und zwar an erster Stelle der direkt erzeug- eines ausgehandelten Festpreises, den wir hier einmal als te – eingesetzt wird. K-Strom dürfte erst dann und nur in "Kohlestrompreis" bezeichnen. Die Verträge sind bindend. Stromhandel dem Umfang eingesetzt werden, wie unabweisbarer Bedarf Den Kohlekraftwerksbetreibern steht es allerdings frei, sich eine weitere Belastung der Atmosphäre mit weiterem CO2- an Tagen mit viel Wind und Sonne am Spotmarkt mit billi- Ausstoß vertretbar erscheinen lässt – also nur im staatlich gem EE-Strom einzudecken und ersatzweise diesen billig zugelassenen Ausnahmefall. eingekauften EE-Strom zum vereinbarten höheren Kohle- strompreis zu liefern. Ihre eigenen Kohlekraftwerke fahren Diese naheliegende klimaschonende Einsatz-Reihenfolge ist sie derweilen herunter und sparen die Brennstoffkosten. Ein im Stromgroßhandel – 19 Jahre nach dem Kyoto-Beschluss gutes Geschäft! – allerdings immer noch nicht umgesetzt. Die EE-Strombetreiber, die den Strom erzeugt haben, der Die Betreiber rasch regelbarer Kohlekraftwerke, die technisch an Stelle des Kohlestroms geliefert wird, bekommen jedoch durchaus in der Lage wären, ihre Stromproduktion auf die nur den niedrigen Spotmarktpreis, der sogar bis auf Null Viertelstunde genau an die wechselnden Wetterbedingun- oder darunter absinken kann. Geld, das eigentlich ihnen, Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
11 den EE-Stromerzeugern, zustünde, fließt in die Taschen Ökologisch ist es von Vorteil, dass weniger Kohle verbrannt wird. der Kohlekraftwerksbetreiber. Diesen letzten Satz haben wir Aber nachteilig ist es, dass den EE-Anlagen die Einnahmen fehlen, absichtlich fett gedruckt, damit er sich einprägt. und nachteilig ist es schließlich, dass an ihrer Statt die Kohle- kraftwerke höhere Gewinne einfahren. Hier findet sich auch die Es ist für die EE-Stromerzeuger überhaupt kein Trost, wenn wirtschaftliche Erklärung dafür, dass noch nach 2010 acht neue sie hören, dass die Durchschnittspreise von Terminmarkt und Kohlekraftwerke in Deutschland geplant wurden. Die neuen Koh- Spotmarkt sich immer mehr aneinander angleichen, denn diese lekraftwerke sollen ihre Gewinne durch Abschalten machen! Feststellung ergibt im Zusammenhang mit dem geschilderten Vorgang keinen Sinn. Ein unmittelbarer Vergleich ist nicht Ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen: Je mehr So- möglich, denn die Terminmarktpreise ändern sich über Monate lar- und Windanlagen ans Netz gehen, desto mehr werden hinweg nur geringfügig, während die Spotmarktpreise von Vier- die Finanzierungsschwierigkeiten für die EE-Anlagen steigen, telstunde zu Viertelstunde wechseln. Ein "Durchschnittspreis am desto höher steigen die Differenzkosten, desto höher steigt die Spotmarkt" ist so wenig aussagekräftig wie die "durchschnittliche EEG-Umlage, desto höher steigt der Anreiz zum Bau neuer Koh- Pulsfrequenz" eines Herzkranken, dessen Puls bisweilen rast und lekraftwerke, desto länger werden wir auf 100% Erneuerbare zu anderen Zeiten unter 35 Schläge absinkt. Für den Anbieter Energien warten müssen. von Windstrom ist der durchschnittliche Spotmarktpreis unin- teressant. Einzig wichtig ist für ihn, wie hoch der Spotmarktpreis Die EEG-Umlage entwickelt sich zunehmend zu einem dann ist, wenn er viel Windstrom anzubieten hat. Und genau Kohlekraftwerks-Stützprogramm. Geld, das eigentlich den dann sind die Spotmarktpreise regelmäßig im Keller. EE-Stromerzeugern zustünde, fließt in die Taschen der Kohle- kraftwerksbetreiber – nicht erst wenn der Spotmarktpreis zu Ja, ganz recht, das ist der "Merit-Order Effekt". Der schlägt im- Null wird, sondern völlig regelmäßig, wenn der Spotmarktpreis mer dann zu, wenn viel EE-Strom im Spotmarkt-Angebot ist. unter den Brennstoffpreis für Kohlekraftwerke absinkt. Und Doch es kommt noch der oben angedeutete Effekt hinzu: Die das kommt oft vor, jedesmal, wenn die Sonne scheint und der Steinkohlekraftwerksbetreiber (und die Braunkohle- und Atom- Wind weht. kraftwerksbetreiber) haben bereits die meisten Großkunden vorab mit günstigen Dauerverträgen (base-load und peak-load) Und nicht ohne Grund kämpft die fossile Stromwirtschaft so zufrieden gestellt. Diese Großkunden sind vertraglich gebun- verbissen um das Recht, schon langfristig im Voraus ihren Strom den. Sie können aus diesen Verträgen auch nicht aussteigen, verkaufen zu dürfen. um dann den spottbilligen Spotmarktstrom selbst zu kaufen. Diese Großkunden fehlen deshalb am Spotmarkt. Und fehlende Das täten sie nicht, wenn es keinen so großen Vorteil für sie Kunden bei gleichzeitig hohem EE-Stromangebot lassen den brächte. Spotmarktpreis in den Keller stürzen. Wie man hier erkennt, genügt Vorrang bei der EINSPEISUNG Die Kohlekraftwerksbetreiber freut es. So schaffen sie sich selber von EE-Strom nicht. Benötigt wird ein Vorrang auch im Strom- lukrative Gewinnmöglichkeiten am Spotmarkt. handel. Geld, das eigentlich den EE-Stromerzeugern zustünde, fließt Die ökologisch richtige Entscheidung lautet deshalb: in die Taschen der Kohlekraftwerksbetreiber – nicht erst wenn der Spotmarktpreis zu Null wird, sondern regelmäßig, wenn der Erst wenn der gesamte angebotene EE-Strom vollständig Spotmarktpreis unter den Brennstoffpreis für Kohlekraftwerke aufgekauft wurde, darf K-Strom gehandelt werden. Vorabhan- absinkt. del am Terminmarkt und im OTC-Handel gehören verboten. Spotmarkt Only! Es ist erstaunlich, dass dieser Missstand von Seiten der Erneu- erbare-Energien-Branche nicht thematisiert wird. Vielleicht ist Eine noch wirkungsvollere Lösung des Problems schlägt der er zu schwer verständlich? SFV nunmehr gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen in dem Beitrag „Radikaler Kurswechsel in der Energiepolitik“ vor Deshalb noch einmal ausdrücklich die Information: Es handelt (vgl. S.6-9 in diesem Heft). sich nicht nur um den Merit-Order-Effekt, der in aller Munde ist, sondern um eine sich selbst verstärkende Kombination mehrerer Effekte: 1. Steigendes Angebot an EE-Strom bei sonnig-windigem Wetter lässt den Marktpreis am Spotmarkt sinken. 2. Verminderung der Kundenzahl am Spotmarkt durch vorgezogenen Terminmarkthandel (base-load- und peak-load-Angebote) beschleunigt den Spotmarktpreis- Zusammenbruch. 3. Der Spotmarktpreis-Zusammenbruch lässt die EEG-Umlage ins Ungemessene steigen. Screenshot eines interessanten kurzen Youtube-Videos zur EEG- Der Anreiz zur Einsparung des Brennstoffs bei den schnell re- Umlage: Prof. Eicke Weber spricht bei der Feier des 20. Geburtstages der gelbaren Kohlekraftwerken hat drei unterschiedliche Folgen. EWS Schönau, 2014. – https://www.youtube.com/watch?v=VjN_J3QA3RI Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
12 „Hören Sie doch auf, Propaganda zu machen!“ Minister Gabriel belehrt den Bundestag über die Energiewende von Rüdiger Haude Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat am 1. hatte die Bundesregierung 2015 bereits auf ein Fünftel der Juni vor dem Bundestag eine Rede gehalten, in der er die Werte von 2010 bis 2012 zusammengeprügelt; und mit Vereinbarungen verteidigt, die er am Vortag bei einem Tref- dem EEG 2016 soll es nun auch der Windenergie endgültig fen mit den Ministerpräsidenten der Länder hinsichtlich des ans Leder gehen, deren Wachstum im Jahr 2015 mit 3,7 MW weiteren Ausbremsens der Energiewende erzielt hatte. Die bereits ca. 1 GW unter dem des Vorjahgres lag. auf der Homepage der Bundesregierung veröffentlichte Rede [1] ist bemerkenswert – nicht so sehr für den schnoddrigen Der noch relativ erfreuliche Zubau an Windkraftanlagen im Tonfall, den man von Gabriel ja gewohnt ist, sondern für Jahr 2015 hat viel mit der Torschlusspanik von Windanlagen- das Ausmaß an sachlicher Unkenntnis, das in diesem Tonfall bauern angesichts der Gabriel’schen Politik der Abrissbirne zu vorgetragen wird. tun. [4] Denn es ist ja das erklärte Ziel der jetzt anstehenden Gesetzgebung, das Wachstumstempo zu drosseln. Gabriel Gabriel verwendet einen Großteil seiner Rede darauf, Op- brüstet sich mit genau jener Entwicklung, die er bekämpft. positionspolitiker abzukanzeln („Ich kann mir wirklich nicht Das hat schon etwas Unredliches. vorstellen, dass Sie das glauben, was Sie hier erzählen“; „Hören Sie doch auf, Propaganda zu machen!“ usw. usw.). Einige we- Es gibt noch ein zweites – nun ja: Argument – in der Vor- nige Tatsachenbehauptungen sind dazwischengeflochten, bringung des Ministers. „Das ist eines der Probleme: die Syn- die wir überprüfen können. Der Minister behauptet: „Seit der chronisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Schaffung des EEG im Jahr 2000 […] gab es noch nie einen so Infrastrukturausbau.“ In diesem Zusammenhang weist er auf starken Aufwuchs der erneuerbaren Energien wie in den Jah- die zunehmende Abregelung von Erneuerbare-Energien-An- ren 2014 und 2015. Das ist die Realität. […] Die erneuerbaren lagen infolge von Netzüberlastungen hin. Auf den kreativen Energien sind 2014 um zwei Prozent und 2015 um 5,4 Prozent Umgang mit Zahlen, den der Minister hier zeigt, gehen wir gewachsen, zusammen 7,4 Prozent.“ [2] Unter „Aufwuchs“ auf S. 17 in dieser Zeitschrift ein. Zwei weitere Aspekte sind versteht der durchschnittliche Zuhörer den Zubau von hier überdies bemerkenswert. Erstens: Gabriel bleibt eine Anlagenkapazität, und dann ist Gabriels Aussage schlicht Antwort darauf schuldig, warum im Überlastungsfalle nicht falsch. Denn in den beiden genannten Jahren zusammen eher fossile Kraftwerke abgeregelt werden. Er kündigt an: „Ich sind insgesamt ca. 11,7 GW Kapazitäten an Photovoltaik und komme gleich zu Ihrem Argument mit Kohle- und Atomstrom, Windenergie zugebaut worden – kaum mehr, als im Jahre der angeblich die Leitungen verstopft“, doch dieser Ankün- 2012 alleine errichtet wurde. [3] Den Photovoltaik-Zubau digung folgt leider nichts. Nichts außer der Behauptung, „nicht einmal die Fraktion der Grünen“ traue sich, „im Deutschen Bundestag zu sagen, dass wir im Jahr 2021 oder 2022 sämtliche Kohle- und Gaskraftwerke in Nord- deutschland abregeln sollen. Nicht einmal Sie trauen sich das.“ Soll das ein Beleg dafür sein, dass Kohle- und Atomstrom die Leitungen nicht verstopfe? Und wieso eigentlich„sämtliche“? Ist das ein Sachargument, oder ein Popanz? Zweitens ist es bemerkenswert – und traurig – dass in Bundesregierung einer energiepolitischen Debatte im Bundestag der zuständige Minister im Jahre 2016 „Infrastrukturaus- bau“ und Netzausbau als Synonyme denkt. Weisen wir hier nur auf die Speicherförderung hin, die als Infrastrukturmaßnahme so dringend Not täte und die übrigens dafür sorgen könnte, dass der Strom aus Erneuerbaren Energien tatsächlich „beim Kunden ankommt“ – anders als der überdimensionierte Fern- leitungsausbau. Kein einziges Wort von Herrn Gabriel zum Thema „Speicher“! Aller guten Dinge sind drei, wird sich Herr Gabriel ge- sagt haben und flocht (neben der von ihm angeblich verantworteten Beschleunigung der Energiewende, und neben dem Netzausbau, auf den der Ausbau der Erneuerbaren warten müsse) noch ein drittes Argu- Gabriels Rede im Netz. Screeenshot von der Homepage der Bundesregierung, Auschnitt. ment in seine Rede ein: die „dringende Notwendigkeit Solarbrief 2/16 Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
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