Datenschutz - quo vadis? - Deutsche Vereinigung für Datenschutz ...

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Datenschutz - quo vadis? - Deutsche Vereinigung für Datenschutz ...
1/2009
32. Jahrgang
                            ISSN 0137-7767
                                                                        9,00 Euro
         Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.

                                                                                               Datenschutz - quo vadis?
                                                     www.datenschutzverein.de

                                                                                    BDSG-Änderung ■ Kreditkartendaten im Christstollenpaket ■ Daten-
                                                                                    schutzskandale durch unzureichende Datenschutzgesetze ■
                                                                                    Informationen bei Datenschutzvorfällen ■ Neue Befugnisse
                                                                                    des BKA ■ Datenschutznachrichten ■ Buchbesprechungen ■
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Inhalt

Karin Schuler                                                        Werner Hülsmann
Gut gemeint …           				                                   4     EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist
                                                                     auf eine geeignete Rechtsgrundlage gestützt                 15

Klaus-Jürgen Roth                                                    Werner Hülsmann:
Die Kreditkartendaten im Christstollenpaket                    6     Die neuen Befugnisse des Bundeskriminalamtes                16

Ingrid Pahlen-Brandt                                                 Sönke Hilbrans
Datenschutzskandale durch unzureichende                              Vor dem Ende einer kurzen Allianz?		                        18
Datenschutzgesetze				                                         8

                                                                     Datenschutznachrichten			                                   20
Marit Hansen                                                         Deutsche Datenschutznachrichten		                           20
Information bei Datenschutzvorfällen: Ja, bitte!            12       Internationale Datenschutznachrichten		                     31
                                                                     Technik-Nachrichten				                                     36
Karin Schuler                                                        Rechtsprechung				                                          37
Pseudo-Transparenz bei Datenschutzvorfällen:
Nein, danke!					                                           14       Buchbesprechung				                                         39

        Der Redaktion der Zeitschrift IT-Grundschutz, SecuMedia Verlag, vielen Dank für die Einwilligung zum Abdruck
             des Beitrages von Karin Schuler (Seite 4). Auch der TITANIC-Redaktion vielen Dank, siehe Seite 44.

                                                Hinweis an unsere LeserInnen:
                                       Dieses Heft enthält das Register des Jahres 2008.
                       Bitte beachten Sie die Beilage des Haufe Verlages und des Datakontext-Verlages.

 Termine
 Sonntag, 19. April 2009                                             Mittwoch, 3. Juni 2009
 DVD-Vorstandssitzung in Frankfurt/M                                 BTQ-Datenschutz-Fachtagung 2009
 (Interessierte DVD-Mitglieder möchten sich bitte                    Arbeitnehmerdatenschutz - aktuell!
 bei der Geschäftsstelle melden)                                     Hannover, weitere Informationen unter www.btq.de

 Mittwoch, 22. April 2009                                            Mittwoch, 15. Juli 2009
 RFID - heimliche Kontrolle per Chip!                                Nominierungsschluss für die BigBrotherAwards 2009
 Kassel , Beratungsstelle für Technologiefolgen und Qualifizierung   Nähere Informationen unter www.bigbrotherawards.de/nominate
 weitere Informationen siehe unter www.btq-kassel.de
                                                                     Dienstag - Donnerstag, 15. - 17. September 2009
 Dienstag - Donnerstag, 12. - 14. Mai 2009                           Gläserne Belegschaften
 Das novellierte Bundesdatenschutzgesetz                             Tagung dtb-Kassel
 Tagung SoliSeminar in Düsseldorf                                    weitere Informationen unter www.dtb-kassel.de
 weitere Informationen unter www.soliseminar.de
                                                                     Freitag, 16. Oktober 2009
 Dienstag - Donnerstag, 12. - 14. Mai 2009                           Verleihung der Big Brother Awards
 11. Deutscher IT-Sicherheitskongress –                              Bielefeld, weitere Informationen unter www.bigbrotheraward.de
 „Sichere Wege in der vernetzten Welt“ in Bonn-Bad Godesberg
 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
 Nähere Informationen unter www.bsi.de (Rubrik Veranstaltungen)

2                                                                                                  DANA • Datenschutz Nachrichten 1/2009
Datenschutz - quo vadis? - Deutsche Vereinigung für Datenschutz ...
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               DANA
  Datenschutz Nachrichten                 Editorial
           ISSN 0137-7767
         32. Jahrgang, Heft 1

             Herausgeber                  LIDL, Deutsche Bahn, Telekom, Airbus und diverse Callcenter; um
       Deutsche Vereinigung für           nur die Spitze des Versagensberges zu nennen. Bei einem gravieren-
        Datenschutz e.V. (DVD)
           DVD-Geschäftstelle:
                                          den Datenschutzverstoß erwischt treten die Unternehmenssprecher
   Bonner Talweg 33-35, 53113 Bonn        und manchmal die Chefs – auch wenn sie dann zurücktreten – vor
            Tel. 0228-222498              die Mikrofone und versprechen, künftig das Datenschutzrecht
   E-Mail: dvd@datenschutzverein.de
      www.datenschutzverein.de
                                          150%-tig einzuhalten. Kaum ist das Bußgeld für den letzten Verstoß
                                          bezahlt, greift irgendwo jemand in eine Mülltonne und fördert
         Redaktion (ViSdP)                Vermerke mit Gesundheitsdaten von Beschäftigten zu Tage. Oops,
             Hajo Köppen
     c/o Deutsche Vereinigung für         LIDL did it again!
        Datenschutz e.V. (DVD)              Die Datenschutzskandale der letzten Zeit schreien geradezu nach
  Bonner Talweg 33-35, 53113 Bonn         einer grundlegenden Erneuerung des Datenschutzrechts. Aber auch
      dana@datenschutzverein.de
    Den Inhalt namentlich gekenn-         Politik und Gesetzgeber verhalten sich eher zwiespältig: Vor den
  zeichneter Artikel verantworten die     Mikrofonen hui, in den Gesetzentwürfen eher pfui. Über einige
          jeweiligen Autoren.             diese „Huis“ und „Pfuis“ wird in dieser DANA berichtet und auch
          Layout und Satz                 kontrovers diskutiert.
           Sascha Hammel,                                                                       Hajo Köppen
            35398 Gießen
         Hammelwood@web.de

                 Druck
      Wienands Printmedien GmbH
   Linzer Str. 140, 53604 Bad Honnef
   wienandsprintmedien@t-online.de
          Tel. 02224 989878-0              Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe:
          Fax 02224 989878-8

             Bezugspreis                   Karin Schuler
    Einzelheft 9 Euro. Jahresabonne-       Beraterin für Datenschutz und IT-Sicherheit
   ment 32 Euro (incl. Porto) für vier     Stellv. Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Datenschutz
  Hefte im Jahr. Für DVD-Mitglieder ist    schuler@datenschutzverein.de
          der Bezug kostenlos.
   Ältere Ausgaben der DANA können         Klaus Jürgten Roth
  teilweise noch in der Geschäftsstelle    roth.licht@web.de
        der DVD bestellt werden.
                                           Ingrid Pahlen-Brandt
               Copyright
                                           Datenschutzbeauftragte der Freien Universität Berlin
  Die Urheber- und Vervielfältigungs-
    rechte liegen bei den Autoren.         pahlen@zedat.fu-berlin.de
    Der Nachdruck ist nach Geneh-
    migung durch die Redaktion bei         Marit Hansen
   Zusendung von zwei Belegexem-           Stellv. Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein
  plaren nicht nur gestattet, sondern      marit.hansen@datenschutzzentrum.de
  durchaus erwünscht, wenn auf die
  DANA als Quelle hingewiesen wird.        Werner Hülsmann
                                           Dipl. Inform., selbständiger Datenschutzberater Konstanz,
              Leserbriefe                  Vorstandsmitglied des Forums InformatikerInnen für Frieden
   Leserbriefe sind erwünscht, deren
                                           und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V. sowie der
   Publikation sowie eventuelle Kür-
      zungen bleiben vorbehalten.
                                           Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) e. V.
                                           huelsmann@datenschutzverein.de
             Abbildungen
      Titelbild: Frans Jozef Valenta       Sönke Hilbrans
       Rückseite: Titanic Magazin          Rechtsanwalt, Berlin
                                           Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz
                                           hilbrans@diefirma.de

DANA • Datenschutz Nachchrichten 1/2009                                                                     3
Datenschutz - quo vadis? - Deutsche Vereinigung für Datenschutz ...
Datenschutz - quo vadis?

Karin Schuler

Gut gemeint …
Kommentar zu den Änderungen des BDSG
Nach     zahlreichen     Datenschutz-          Fast kann man sich schon gar nicht       Werbeverbänden vielfältige Ausnahmen
verletzungen bei großen deutschen            mehr erinnern, dass es einst eine          vom       Grundprinzip     abschwatzen
Unternehmen im vergangenen Jahr,             Initiative zur Modernisierung des          lässt. Ein Novum im deutschen
wurden die Stimmen nach gesetz-              Datenschutzrechts gab. Der heutige         Datenschutzrecht stellt das Vorhaben
lichen Konsequenzen immer lau-               unzumutbare und für Normalbürger           einer Meldepflicht dar. Hierdurch
ter. Dezember 2008 wurde das                 völlig unverständliche gesetzliche         wird bei Datenschutzverstößen die
Bundesdatenschutzgesetz novelliert –         Flickenteppich sollte in ein moder-        verantwortliche Stelle verpflichtet,
die Kritik daran reißt aber nicht ab.        nes Datenschutzrecht aus einem Guss        Aufsichtsbehörde und Betroffene zu
                                             überführt werden. Der Gesetzgeber          informieren. Diese Pflicht soll auch
IT-Fachleute,       Revisoren         und    hat in mehr als einer Legislaturperiode    im Geltungsbereich des Telemedien-
Wirtschaftsprüfer kennen den Vorgang:        Versprechungen zur Umsetzung ge-           und des Telekommunikationsgesetzes
Jahrelang hat man auf Missstände hin-        macht. Geschehen ist bis heute jedoch      Anwendung finden. Vorbilder für die-
gewiesen und Verbesserungsvorschläge         nichts. Stattdessen werden nun am al-      se Regelung finden sich vor allem in
gemacht – ohne Erfolg. „Zu teuer, zu         ten Flickwerk weitere Läppchen ange-       US-amerikanischen Staaten. Es gibt
umständlich, nicht durchsetzbar“ schall-     näht, um die immer größer werdenden        allerdings unter Datenschützern ei-
te es einem von den Verantwortlichen         dünnen Stellen und Löcher notdürftig zu    nen Dissens darüber, wie wirksam
entgegen. Schließlich kommt es, wie          stopfen.                                   diese Maßnahme die Folgen von
es kommen musste: der Misstand pro-                                                     Datenschutzverstößen mildern kann.
duziert einen kleinen oder größe-                                                          Die vorgesehene Erhöhung der
ren Skandal und plötzlich wimmelt            Flickwerk BDSG                             Bußgelder geht einher mit einer
es nur so von Einsichtigen. Hektische                                                   Erweiterung des Bußgeldkatalogs,
Betriebsamkeit wird öffentlich zelebriert    Immerhin sind diese Flicken an der rich-   der nun beispielsweise auch die feh-
und weder Geld noch Aufwand werden           tigen Stelle angebracht, sie betreffen     lende, unvollständige oder fehlerhaf-
gescheut, um den entstandenen Schaden        die am lautesten in der Öffentlichkeit     te Auftragserteilung bei Outsourcing
so schnell wie möglich zu begrenzen          beklagten Kritikpunkte. So wird end-       (Auftrags-DV) mit Bußgeld belegt.
und für die Zukunft Vergleichbares aus-      lich der Kündigungsschutz des be-          Die vorgesehenen Bußgeldbeträge
zuschließen.                                 trieblichen    Datenschutzbeauftragten     werden etwas erhöht – der eigentliche
  Auch Datenschützer haben seit lan-         (bDSB) verbessert, um diesen in sei-       Qualitätsgewinn besteht allerdings in
gem mit diesem Muster zu kämpfen.            ner Weisungsfreiheit und fachlichen        der vorgesehenen Option, diese Beträge
Die heftigen Datenschutzskandale der         Unabhängigkeit zu stärken. Das ist         weiter zu erhöhen, wenn nur so der
letzten Zeit haben im Sommer 2008 so-        durchaus zu begrüßen, auch wenn nach       durch den Verstoß erlangte Gewinn ab-
gar das Bundesministerium des Innern         Meinung vieler Fachleute die jetzt ver-    geschöpft werden kann.
(BMI) zu öffentlich demonstrierter           einbarten Änderungen in der Stellung          Das ebenfalls in der Novellierung un-
Betriebsamkeit gezwungen. Leider weiß        des bDSB bei weitem noch nicht aus-        tergebrachte     Datenschutzauditgesetz
man, dass hektische Betriebsamkeit nach      reichen. Das bisher in den Bereichen       wird weniger in der Öffentlichkeit als in
Skandalen und großem öffentlichem            Werbung, Adresshandel und Markt- und       der Fachwelt diskutiert. Grundsätzlich
Druck meist nicht zu den besten, effizien-   Meinungsforschung       vorherrschende     ist zu begrüßen, dass das seit Jahren
testen und angemessensten Maßnahmen          Widerspruchsprinzip (opt out: solange      im § 9a des BDSG angelegte Gesetz
führt. Auch das BMI bildet da keine          der Betroffene nicht widersprach, durf-    nun doch endlich noch initiiert wurde.
Ausnahme, wie man den verschiedenen          ten seine Daten genutzt werden), soll      Analysiert man jedoch, was nach Jahren
Stadien der Referentenentwürfe und den       grundsätzlich dem Einwilligungsprinzip     der Fachdiskussion und Erfahrungen
heißen Diskussionen entnehmen konnte.        weichen (opt in: Daten des Betroffenen     mit     privaten     und    öffentlichen
Selbst nach mehreren Kommentierungs-         dürfen nur nach und mit seiner aus-        Datenschutzaudits in diesen Entwurf
und Nachbesserungsrunden stellt der          drücklichen Einwilligung verwendet         eingeflossen ist, kann man nur ernüch-
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung          werden). Die Qualität der endgültigen      tert sein. Der Text trägt mehr als deut-
des Datenschutzaudits und zur Änderung       Regelung wird nur dann akzeptabel sein,    lich die Handschrift eines Autors, der
datenschutzrechtlicher Vorschriften vom      wenn der Gesetzgeber sich nicht wieder     weder praktische Erfahrung mit Audits
10.12.2008 ein wildes Flickwerk dar.         von den erbosten Adresshandels- und        noch Kenntnis über die in den letz-

4                                                                                             DANA • Datenschutz Nachrichten 1/2009
Datenschutz - quo vadis? - Deutsche Vereinigung für Datenschutz ...
Datenschutz - quo vadis?

ten Jahren geführten Fachdiskussionen         sachlich korrekt prüfen. Man darf sich            bestimmtes System missbräuchlich
hat: vermutlich eine der typischen            fragen, ob es wohl häufig vorkommen               für die datenverarbeitende Stelle
Auswirkungen des eingangs beschrie-           wird, dass eine vom Kunden bezahl-                insgesamt genutzt wird.
benen Schnellschusseffekts.                   te Kontrollstelle im Falle unzureichen-
                                              den Datenschutzniveaus ein Siegel ver-        •   Erteilte Zertifikate müssen ein
Ungeeigneter                                  sagt. Das gewählte einstufige Konstrukt,          Mindestmaß an Vergleichbarkeit zu-
Gegenstand                                    bei dem keine Trennung zwischen                   lassen, da sie sonst für Verbraucher
                                              Sachverständigen und der auditieren-              oder sonstige Interessenten nur von
   Beispielhaft seien zwei wesentli-          den Stelle besteht, hat nicht zu Unrecht          geringem Wert sind.
che Kritikpunkte herausgegriffen:             in Fachkreisen den Ruf eines leicht kor-
Gegenstand des Audits sollen so-              rumpierbaren und daher letztlich wert-        •   Es sollte ein einziges, gleiches
wohl Datenschutzkonzepte verant               losen Modells.                                    Zertifikat für alle Arten von daten-
wortlicher Stellen als auch informa-                                                            verarbeitenden Stellen geben, das
tionstechnische Einrichtungen von             Anforderungen                                     eine gute Datenschutzorganisation
Anbietern sein. Damit ist der mögliche                                                          und ein hohes Datenschutzniveau
Gegenstand eines Audits jedoch inhalt-        Besser wäre es, nach bewähr-                      bescheinigt. Eine Aufteilung von
lich nicht annähernd ausreichend de-          tem Modell und an internationalen                 Zertifikaten nach Branchen, Größe
finiert. Wegen der Einschränkung auf          Zertifizierungsnormen         ausgerichtet,       der Stelle oder Art der Daten-
Datenschutzkonzept und informations-          in einem zweistufigen Verfahren eine              verarbeitung würde eine für den
technische Einrichtungen ließen sich          unabhängige Zertifizierungsstelle auf             Verbraucher nicht überblickbare
weder Webportale noch Online- Shops           der     Grundlage       eines    Sachver-         Zersplitterung zur Folge haben.
auditieren – Anwendungen, deren               ständigengutachtens über die Zerti-
Datenschutzstandard Verbraucher heut-         fikatsvergabe entscheiden zu las-             •   Bei der Gestaltung eines Daten-
zutage ganz besonders interessiert. Auch      sen. Wenn es nicht gelingt, mit einem             schutzaudits sollten bisherige
mindert die Einschränkung auf das Audit       Auditgesetz der Sache angemessene                 systematische und strukturie-
des Datenschutzkonzepts – ohne eine zu-       Rahmenbedingungen zu schaffen, so                 rende Arbeiten (z. B. Rossnagel,
mindest stichprobenartige Überprüfung         scheint die Gefahr groß, dass ein resul-          Rechtgutachten zum Datenschutz-
der Umsetzung – den Wert des erteilten        tierendes Zertifikat in der Öffentlichkeit        audit 1999) berücksichtigt werden.
Zertifikats immens: Papier ist geduldig       als nicht aussagekräftig wahrgenommen
und das wahre Datenschutzniveau zeigt         wird. Ein solches Gesetz sollte folgende      •   Sowohl die Durchführung der
sich in der betrieblichen Umsetzung.          Vorgaben umsetzen:                                Zertifizierung als auch die Ak-
   Insbesondere ist fragwürdig, dass                                                            kreditierung der Gutachter sollte
der vorliegende Entwurf im Ergebnis           •   Der Gegenstand des Audits, also               durch eine Stelle erfolgen,
vorsieht, das freiwillige Zertifikat be-          das Prüfobjekt, sollte vorrangig die          die Erfahrung in der inter-
reits für die eigentlich selbstverständ-          Datenschutzorganisation der daten-            nationalen     Normierung      von
liche, bloße Gesetzeseinhaltung zu er-            verarbeitenden Stelle sein.                   Zertifizierungsprozessen mitbringt,
teilen. Dies transportiert nicht nur eine                                                       aber nicht selbst am Wettbewerb
falsche Botschaft, sondern stellt auch        •   Ein Zertifikat (als Bescheinigung             teilnimmt.
keinen Wert für Verbraucher dar. Der              eines erfolgreichen Audits) darf
Gesetzentwurf sieht vor, dass in einem            nur bei Erreichen eines hohen             •   Begutachtung und Zertifizierung
bürokratisch aufwändigen, inhaltlich              Datenschutzniveaus erteilt werden.            sollen durch voneinander unab-
jedoch wirkungslosen Verfahren eine               Die alleinige Erfüllung der gesetz-           hängige Instanzen erfolgen (zwei-
verantwortliche Stelle das Führen ei-             lichen Vorgaben ist nicht zertifizie-         stufiges Modell). Da ein schludri-
nes Auditsiegels anmelden kann. Eine              rungsfähig.                                   ges und unambitioniertes Gesetz
Überprüfung durch die zuständige                                                                die Idee eines Datenschutzaudits
Kontrollstelle erfolgt erst nachträglich      •   Die Durchführung eines Daten-                 in der Öffentlichkeit dauerhaft dis-
und richtet sich nicht zuletzt nach deren         schutzaudits ist für die datenver-            kreditieren wird, erscheint derzeit
Arbeitsbelastung und der Einschätzung             arbeitende Stelle freiwillig.                 ein vorläufiger Verzicht auf ein
der Sensibilität der verwendeten Daten.                                                         Auditgesetz als die bessere Lösung.
Die Kontrollstelle soll dafür einerseits      •   Die     Zertifizierung    einzelner
„angemessen“ von der verantwortlichen             Organisationseinheiten oder An-
Stelle bezahlt werden, hat aber anderer-          wendungen der           datenverar-
seits die Verpflichtung, jede Stelle zu au-       beitenden Stelle ist nicht wün-           Quelle: Nachdruck aus
ditieren die dies wünscht. Gleichzeitig           schenswert, weil die Aussagekraft         IT-Grundschutz Informationsdienst
soll sie den Kunden, der sie für diese            sehr begrenzt ist und die Gefahr          Nr. 2, Februar 2009, Seite 6 - 8,
Leistung bezahlt hat, unabhängig und              besteht, dass das Zertifikat für ein      ISSN 1862-4375

DANA • Datenschutz Nachrichten 1/2009                                                                                            5
Datenschutz - quo vadis? - Deutsche Vereinigung für Datenschutz ...
Datenschutz - quo vadis?

Klaus-Jürgen Roth

Die Kreditkartendaten im Christstollenpaket
                                          Sprecher des Bundesbeauftragten für den       der Rückseite der Kreditkarte angege-
Das Postpaket                             Datenschutz und die Informationsfreiheit      ben werden muss.“ Trost versprach der
                                          (BfDI) bekräftigte, dass es nicht den ak-     Umstand, dass im konkreten Fall die
Das Jahr 2008 war das Jahr der klei-      tuellen Sicherheitsvorschriften entspre-      Bank voll für die Verluste hätte haftbar
nen und der großen Datenlecks – von       che, wenn die LBB solche Datenmengen          gemacht werden können und die LBB
Callcenter über Kontodaten bis Telekom    auf Mikrofiches speichert.                    ihre Einstandsbereitschaft auch signa-
und T-Mobile. Überall suppten unbeab-        Mikrofiches sind nicht gerade ein          lisierte. Die beteiligten Firmen hatten
sichtigt oder bewusst unzulässig per-     moderner, aber wohl ein nützlicher            sich zuvor gegenüber ihren KundInnen
sonenbezogene Daten heraus – aus          Datenträger. In den 30er Jahren des letzten   schon sensibilisiert gezeigt. Die LBB
CD-ROM, dem Internet oder über son-       Jahrhunderts wurde der Mikrofilm in der       hatte sich am 26.09.2008 an Kundinnen
stige elektronische Datenträger. Kurz     Schweiz erfunden, daraus wurden später        gewandt, Atos am 04.12.2008, wo-
vor Weihnachten wurde uns dann von        die Mikrofiches. Dabei handelt es sich        nach es „zur Zeit“ und „vermehrt“ zu
der Frankfurter Rundschau (FR) die ul-    um Filmfolien im Karteikartenformat,          Kreditkartenmissbrauch im Internet
timative analoge Jahresendgeschichte      auf denen sich große Datenmengen in           gekommen sei. Ein Sprecher der
beschert. Sie berichtete, dass ihr        Miniaturform speichern lassen. Sie sind       LBB bestätigte, dass sich die Zahl der
am Tag zuvor in einem Postpaket           geeignet, Texte oder Bilder fotografisch      Missbrauchsfälle seit anderthalb Jahren
Zehntausende von Kreditkartendaten        für die Nachwelt zu erhalten. Mit spezi-      weltweit und auch bei der LBB deut-
auf Mikrofiches in einem Postpaket zu-    ellen Lesegeräten können die verfilmten       lich erhöht habe, insbesondere im letz-
gespielt worden seien. Auf den Fiches     Schriftstücke auf einfache Weise vergrö-      ten Quartal 2008. Bezüglich der per
waren auch Geheimnummern ent-             ßert werden. In Deutschland liegen zahl-      Kuriersendung verloren gegangenen
halten sowie Namensangaben mit            reiche kulturgeschichtlichen Dokumente        Daten konnte aber kein Missbrauch
Kreditkartendaten (Adresse, Karten- und   auf Mikrofiche im Barbarastollen im           festgestellt werden. Doch sollen sich
Kontonummer) und Kontobewegungen          Schwarzwald. Durch die digitalen              Kreditkartenbesitzer an die FR gewandt
(Bezahlvorgänge, Rücküberweisungen,       Speichermedien sind Mikrofiches im-           und von illegalen Abbuchungen bis zu
Abwicklungen zwischen Banken und          mer mehr in Vergessenheit geraten, bis        5.000 Euro von ihren Konten berich-
Firmen). Die Daten, die LBB sprach        der aktuelle Kreditkartendaten-Skandal        tet haben; nachdem sie - wie darge-
schließlich von 130.000 betroffenen       sie wieder ans Tageslicht beförderte. Die     stellt - von der LBB oder Atos über die
Kreditkartenbesitzenden, waren hochak-    LBB und Atos nutzten offensichtlich die-      Unregelmäßigkeiten informiert worden
tuell und stammten teilweise vom August   ses Medium, das in Sachen Haltbarkeit         waren. Es war aber nicht nachzuwei-
2008. Enthalten war im Paket auch eine    und Lesbarkeit (im Zweifel mit einer          sen, dass die illegalen Abbuchungen et-
Rechnung des Finanzdienstleisters Atos    Lupe) digitalen Formaten überlegen            was mit den außer Kontrolle geratenen
Worldline (AWL) an die Landesbank         ist. Nicht überlegen sind Mikrofiches         Mikrofiches zu tun hatten.
Berlin (LBB). Die Landesbank Berlin       in Sachen Sicherheit. Daher kündigte             Der LBB-Sprecher Marcus Recher
ist mit ca. 1,95 Mio. KundInnen der       Atos zwei Tage nach Bekanntwerden             bestätigte, dass PINs auf den verlore-
bundesweit größte Kreditkartenanbieter    des Datenlecks an, es werde künf-             nen Mikrofiches gespeichert seien. Es
und wickelt für eine Vielzahl von an-     tig CompactDiscs (CD) mit verschlüs-          handele sich aber um Nummern, die
deren Banken und Finanzanbietern das      selten Daten nutzen. Mittelfristig            nie aktiviert wurden, da sie nicht hät-
Kreditkartengeschäft ab. Betroffen wa-    plane das Unternehmen außerdem                ten zugestellt werden können, z.B. weil
ren daher von dem Datenleck auch          Veränderungen in seiner Fahrzeugflotte.       die Empfänger unbekannt verzogen wa-
KundInnen vom ADAC über Amazon            Für Transporte heikler Daten sollten          ren. Sie würden zur Vernichtung an die
bis XBox von Microsoft. Die FR-           künftig „Sicherheitsfahrzeuge“ einge-         Bank zurückgeschickt: „Wir können ab-
Redaktion übergab das Paket der           setzt werden.                                 solut ausschließen, dass eine aktivierte
Polizei für weitere Ermittlungen.                                                       PIN abhanden gekommen ist, die mit
                                          Kreditkartendaten                             einem laufenden Konto verbunden ist.“
Mikrofiches                                                                             Schon am Wochenende hatten Tausende
                                          Tatsächlich sind diese Daten von höch-        Kunden der Berliner Sparkasse, die auch
In einem ersten Kommentar mein-           ster Sensibilität, wie der Stellvertreter     LBB-Kreditkarten herausgibt, versucht,
te der Berliner Datenschutzbeauftragte    des BlnBDI, Hanns-Wilhelm Heibey,             ihre Konten zu sperren und über Stunden
(BlnBDI) Alexander Dix, es sei „äu-       bestätigte: „Damit könnte man im              so das Callcenter lahmgelegt        .
ßerst ungewöhnlich“, dass Mikrofiches     Internet überall alles kaufen, wofür
durch die Gegend geschickt würden. Ein    nicht ausdrücklich die Prüfnummer auf

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Datenschutz - quo vadis?

Mutmaßungen                                  Piltz, forderte Firmen auf, offen zu le-    ADAC oder die Fluggesellschaft Air
                                             gen, „wenn sie die Verarbeitung sensibler   Berlin. Den wenigsten KundInnen
Über die Hintergründe des Vorgangs be-       Daten auf andere, externe Unternehmen       ist bewusst, wieviele und welche
stand zunächst völlige Unklarheit. Die       übertrügen“.                                Unternehmen im Hintergrund beteiligt
Polizei in Frankfurt vermutete zunächst,        Der BfDI Peter Schaar warf der LBB       sind. Eine zentrale Rolle spielt dabei
dass das Paket verloren wurde. „Erste        vor, sie habe „offensichtlich kein ef-      die Firma Atos Wordline mit ihren zwei
Ermittlungen haben ergeben, dass der         fektives Schutzsystem“ bei der              deutschen Niederlassungen, eine davon
Inhalt des Pakets vollständig ist, so dass   Verarbeitung der Daten gehabt. In ei-       in Frankfurt-Niederrad. Atos ist Teil des
nicht sicher ist, ob die Daten tatsächlich   ner eilig einberufenen Sitzung des          französischen Konzerns Atos Origin.
in die Hände unberechtigter Personen         Datenschutzausschusses des Berliner         Dieser Konzern setzt mit seinen welt-
gelangt sind.“ Es liege keine Erpressung     Abgeordnetenhauses kritisierte auch         weit 50.000 Mitarbeitenden jährlich
vor. Über die Motive könne nur speku-        Daniel Holzapfel vom BlnBDI die             5,8 Mrd. Euro um. Atos wickelt elek-
liert werden. In Berliner Polizeikreisen     LBB. Aus den von der LBB vorgeleg-          tronische Vorgänge ab, SMS-Angebote,
wurde die Vermutung geäußert, es han-        ten Verträgen lasse sich nicht erkennen,    Krankenkartendatenverwaltungen      oder
dele sich um einen Trittbrettfahrer, da es   dass die Bank ihre Sorgfaltspflichten       eben die Zahlungsabwicklung mit
bereits kurz zuvor ein Datenleck gege-       gewahrt habe. Ungewöhnlich sei, dass        Kreditkarten und verwaltet natür-
ben habe. Als möglich galt auch, dass        der Finanzdienstleister offensichtlich      lich auch die verwendeten Daten.
ein Wichtigtuer sich in den Medien           durch ein selbst gewähltes externes         Banken und Sparkassen haben ihr
in Szene setzen sollte. Eine weitere         Unternehmen kontrolliert werde. Damit       Kreditkartengeschäft weitgehend aus-
Überlegung war, dass jemand auf ein          werde die LBB ihrer Verantwortung für       gelagert. Sie bestimmen zwar die
gefährliches Leck beim Datentransfer         den heiklen Umgang mit nahezu 2 Mio.        Konditionen und Zahlungsvorgänge. Die
hinweisen wollte.                            Kreditkarten nicht gerecht. Ein LBB-        Durchführung erfolgt aber durch Firmen
   Die Politik reagierte umgehend. So        Sprecher konterte, dass Atos „mehrfach      wie Atos oder dem US-amerikanischen
forderte der Vorsitzende des Bundestags-     zertifiziert“ sei und „hohe Standards“      Konzern First Data. Diese Spezialisten
Innenausschusses Sebastian Edathy eine       unterhalte.                                 bündeln gewaltige Datenmengen, ver-
Pflicht, Kundendaten immer zu ver-              Die Regelungen zur Sicherheit bei        fügen über die nötigen Technologien
schlüsseln und jeden Zugriff zu protokol-    Datentransporten sind nicht gera-           und Rechenzentren und können so die
lieren. Die innenpolitische Sprecherin       de die neuesten. Es gibt da lediglich       Leistungen billiger erbringen.
der Grünen, Silke Stokar, kritisierte die    den § 9 BDSG, der keine spezifischen           Die Frankfurter Polizei tappte bei der
Banken, die ihren Kunden einen sorgsa-       Anforderungen enthält außer der, dass       Fahndung nach den Verursachern zu-
men Umgang mit Geheimnummern ab-             die Daten nicht von Unbefugten les-         nächst im Dunkeln. Sie bestätigte, dass,
verlangten, „während sie selbst völlig       bar sein dürfen. Von Verschlüsselung        entgegen früherer Angaben der LBB,
ungesichert und unverschlüsselt Massen       ist darin keine Rede. Dass Daten nicht      auch PIN-Angaben im Fund enthalten
von Daten durch die Gegend schicken“.        in gesicherten Behältern, sondern in        waren. Die LBB bestätigte und erläuter-
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries      Pappkartons durch die Gegend gefah-         te, dass es sich dabei um acht Umschläge
(SPD) forderte eine „lückenlose“             ren werden, ist zwar, so Heibey, üb-        von „Adressrückläufern“ handele. Die
Aufklärung. Der Vorfall zeige, „dass         lich und zugleich zumindest befremd-        Polizei vernahm die beiden Kurierfahrer.
uns das Thema Datenschutz weiter in-         lich: „Man war bisher der Meinung,          Nach FR-Informationen handelte es sich
tensiv beschäftigen wird“. Sie kriti-        dass das ausreicht; diese Meinung hat       um Angestellte der in Neuenstein ansäs-
sierte die Kontrollen der Länder. Diese      sich geändert.“ Die LBB habe ihm ver-       sigen Firma General Logistics Systems
müssten ihre Datenschutzbehörden             sichert, „künftig bei allen Transporten     (GLS), die von Atos beauftragt wor-
personell besser ausstatten, da-             Änderungen        vorzunehmen“.       Als   den war, die Daten von Frankfurt nach
mit sie ihren Aufgaben gerecht wer-          Realitätsbeschreibung, nicht Prognose,      Berlin zu transportieren.
den könnten. Unionsfraktionsvize             stellte Rouven Schellenberg von der            Das kurz vor Heiligabend präsentierte
Wolfgang Bosbach plädierte für eine          FR fest: „Die Unternehmen bauen ihre        Ermittlungsergebnis hörte sich dann
rasche Verabschiedung der geplan-            Geschäftsfelder meist wesentlich schnel-    doch sehr nach Weihnachtsgeschichte
ten Datenschutzreform, da damit bun-         ler aus als die Schutzwälle für die Daten   an: Die Frankfurter Staatsanwaltschaft
desweit ein Datenschutzauditverfahren        ihrer Kunden. Wo Marketing, Vertrieb        gab bekannt, dass Atos den Kurierdienst
begründet werde. So könnten Firmen,          und Verkauf schon meist 2.0-Qualität        damit beauftragt habe, sechs Pakete mit
die ihren Kunden besondere Sicherheit        erreicht haben, da wird der Datenschutz     den Mikrofiches an die Landesbank zu
garantieren, eine Gütesiegel erhal-          noch oft in 1.0-Manier organisiert.“        schicken. Der Kurierdienst hatte ein
ten. Nicht ganz sachbezogen verlangte           Der Verlust der Kreditkartendaten        Subunternehmen mit dem Transport
Petra Pau aus dem Vorstand der Linken        warf ein Licht auf die Verwaltung und       unterbeauftragt. Die Unterkuriere soll-
„ein Moratorium für alle elektronischen      Abrechnung mit diesen Karten: Mehr          ten auch ein Paket eines Stuttgarter
Großprojekte, die den Datenschutz ge-        als JedeR vierte Deutsche hat eine          Elektronikunternehmens         an     den
fährden“. Die innenpolitische Sprecherin     Kreditkarte. Ausgebende Stellen sind        Chefredakteur der FR mit einem
der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela           nicht immer Banken, sondern z.B. der        Christstollen transportieren. Beim

DANA • Datenschutz Nachrichten 1/2009                                                                                          7
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Datenschutz - quo vadis?

Sortieren sei den Kurieren das Paket mit    „Der Fall konnte dank des engagier-       wundert, dass der Stuttgarter Absender
dem Stollen in die Hände gefallen. Die      ten und personalintensiven Einsatzes      nicht zum brisanten Inhalt des Pakets
Kollegen, 27 und 35 Jahre alt, öffne-       des zuständigen Fachkommissariats         passte. FR-Chefredakteur Uwe Vorkötter
ten es „und nahmen den Inhalt an sich“.     schnell geklärt werden, das noch nie      kommentierte: „Unter Genussaspekten
Um ihren Diebstahl zu vertuschen,           mit so großem Personalaufwand den         wäre mir der Stollen lieber gewesen,
klebten sie auf eines der sechs für die     Diebstahl eines Weihnachtsstollens zu     unter journalistischen Aspekten waren
LBB bestimmten Pakete das Etikett des       ermitteln hatte.“ Den Fahrern werde nun   es die Mikrofiches.“ Er warnte aber da-
Christstollen-Päckchens, das dann die       der „Diebstahl einer geringen Sache“      vor, den Fall nun ins Lächerliche zu zie-
FR erreichte. Die anderen 5 Pakete ka-      und eventuell das „Unterdrücken ei-       hen. Er zeige, wie leicht sensible Daten
men in Berlin an: Staatsanwaltschafts-      ner Postsendung“ zur Last gelegt. Von     an Unbefugte gelangen können.
Sprecherin      Doris    Möller-Scheu:      Beginn an hätten sich die Ermittler ge-

 Ingrid Pahlen-Brandt

 Datenschutzskandale durch unzureichende
 Datenschutzgesetze
Datenschutz in Deutschland ist Not          sind in der Diskussion. Nicht hinrei-     des Datenschutzes: Die Forderungen
leidend. Die Skandale der jüngsten          chend Beachtung geschenkt wird jedoch     nach sicherer Datenverarbeitung und
Vergangenheit     offenbarten     diesen    seinen Versäumnissen beim Erlass von      Datenschutzkontrolle knüpfen lediglich
Mangel des Schutzes personenbezo-           Erlaubnisnormen. Fehler werden bei-       an die jeweiligen Erlaubnisse an, denn
gener Daten. Aktuell die Datenschutz-       spielhaft am Berliner Hochschulgesetz     nur bei sicherer Datenverarbeitung lässt
Affäre der Deutschen Bahn AG.               dargestellt.                              sich die Einhaltung der Erlaubnisse ge-
   Vorwürfe trafen regelmäßig die                                                     währleisten. Auch die Kontrolle ist auf
Verantwortlichen in Firmen. Der             Rechtliche                                die Erlaubnisse als Vorgaben, deren
Skandal um die Rasterfahndung bei           Ausgangssituation in                      Einhaltung zu kontrollieren ist, ange-
der Deutschen Bahn gipfelte in der                                                    wiesen.3
Rücktrittsforderung gegen ihren Chef,
                                            Berlin - Verfassung von
gegen Hartmut Mehdorn.1                     Berlin                                    Berliner
   Doch es sind nicht die verantwort-                                                 Hochschulgesetz
lichen Personen allein, die gescholten      In Berlin genießt das informatio-
werden sollten. Mit verantwortlich ist      nelle   Selbstbestimmungsrecht     so-    Scheinbar hat der Berliner Hoch-
insbesondere der Gesetzgeber, der zu        gar Verfassungsrang. In Artikel 33        schulgesetzgeber seine Aufgabe zur
lange seinen Verpflichtungen nicht oder     der Verfassung von Berlin (VvB)
nur unzulänglich nachgekommen ist:          ist es als Grundrecht festgeschrie-        3 Die Gesamtheit der technischen,
   Die Versäumnisse des Gesetzgebers be-    ben. Personenbezogene Daten dür-             rechtlichen und organisatorischen
züglich wirksamer Datenschutzkontrolle      fen hiernach nur mit Erlaubnis verar-        Maßnahmen zur Gewährleistung nur
– ihnen kommt die zentrale Rolle bei den    beitet werden; erlauben kann sie der         erlaubter Verarbeitung von personen-
                                                                                         bezogenen Daten wird mit dem Begriff
Skandalen zu – sind bereits beschrie-       Betroffene, aber auch der Gesetzgeber,
                                                                                         „Datenschutz“ bezeichnet. Geschützt
ben2, seine Versäumnisse beim Schutz        sofern    dies    im   überwiegenden         wird das Recht des Einzelnen, selbst
von Verbrauchern und Arbeitnehmern          Allgemeininteresses erforderlich ist.        über die Preisgabe und Verwendung
                                            Erlaubnisse bilden so das Rückgrat           seiner     Daten      zu    bestimmen.
1 WELT Online vom 16. Januar 2009;                                                       Anknüpfungspunkt sind Daten, doch
  Reuters vom 5. Februar 2009                  DuD 2007, 24ff.; Lehren aus der           geschützt wird durch die Gewährleistung
2 Ingrid Pahlen-Brandt, Sind      Daten-       aktuellen Telekom-Affaire HU-Mit-         dieses Freiheitsrechts die demo-
  schutzbeauftragte zahnlose Papiertiger?      teilungen 201, S. 4f.                     kratische Ordnung der Gesellschaft.

8                                                                                           DANA • Datenschutz Nachrichten 1/2009
Datenschutz - quo vadis?

Regelung der Verarbeitung Personen be-     denn die von ihm durch die Verfassung         hat die Verfassung offen gelassen, wel-
zogener Daten an Hochschulen wahrge-       aufgetragene Entscheidung, ob eine            che Verarbeitung welcher Daten zu
nommen, denn er hat in § 6 Abs. 1 Satz     Verarbeitung von Daten im überwie-            welchen Zwecken im überwiegen-
1 Berliner Hochschulgesetz (BerlHG)        genden Allgemeininteresse liegt, kann         den Allgemeininteresse liegt. Diese
Zwecke4 aufgezählt, zu denen ihre          nur anhand konkreter Daten entschie-          Entscheidung muss der Gesetzgeber
Erhebung, Speicherung und Nutzung          den werden. Anhand der Erlaubnis zur          treffen.
durch die Hochschulen zulässig ist; § 6    Verarbeitung personenbezogener Daten             Durch sein gesetzgeberisches Ver-
Abs. 1 letzter Satz BerlHG verpflichtet    in Benutzungsregelungen wird dies             säumnis versagt er allen Mitgliedern der
die Hochschulen zur Datensparsamkeit.      deutlich:                                     Hochschule den ihnen grundgesetzlich
                                             § 6 Abs. 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 BerlHG         garantierten Schutz des informationellen
Ermächtigung der                           sieht die Verarbeitung personenbe-            Selbstbestimmungsrechts; Datenschutz
Hochschulen                                zogener Daten zur Benutzung von               bleibt ihnen versagt.
                                           Einrichtungen der Hochschulen vor.
Die Hochschulen sollen die Verarbeitung    Benutzungsregelungen können jedoch            Richtlinie oder Satzung
personenbezogener Daten zu den in          mit unterschiedlicher Intensität in das
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 8 BerlHG genann-      informationelle Selbstbestimmungsrecht        § 6 b Abs. 2 Satz 1 BerlHG stellt
ten Zwecken in Satzungen regeln, so-       der Benutzer eingreifen. Die Verarbeitung     Satzungen und Richtlinien in folgender
weit sie zum Erlass von Satzungen be-      des Namens kann ausreichend sein,             Formulierung nebeneinander:
fugt sind, im Übrigen durch Richtlinie     eventuell ergänzt um Geburtsdatum oder          „Die Hochschulen regeln die
(§ 6b Abs. 2 S. 1 und 2 BerlHG).5 § 6 b    Matrikelnummer. Gedacht werden könn-          Verarbeitung personenbezogener Daten
Abs. 2 Satz 3 BerlHG bestimmt u.a. aus-    te aber auch an die Verarbeitung eines        zu den in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 8
drücklich, dass insbesondere die Art der   Fotos. Chipkarten, versehen mit RFID-         genannten Zwecken in Satzungen, so-
zu verarbeitenden Daten zu regeln ist.     Chip, könnten eingesetzt werden; ge-          weit sie zum Erlass von Satzungen be-
  Der Verzicht des Gesetzgebers auf die    fordert werden könnten Fingerabdrücke         fugt sind, im Übrigen durch Richtlinien.
Bestimmung der Art der zu verarbeiten-     oder sogar ein Irisscan.                      Sie regeln insbesondere die Art der zu
den Daten für die jeweiligen Zwecke          In der Entscheidung über den Zweck          verarbeitenden Daten….“
stellt ein gravierendes Versäumnis dar,    einer Verarbeitung liegt – das ist hier gut     Diese Formulierung erweckt den
                                           zu sehen – nicht zugleich die wertende        Eindruck, dass die Art der Daten in
4 Folgende Zwecke sind hier erfasst:       Entscheidung, dass das überwiegen-            zulässiger Weise sogar in Richtlinien
• Nr. 1 zum Zugang, zur                    de Allgemeininteresse die Verarbeitung        bestimmt werden dürften. Das stün-
        Durchführung des Studiums,         auch biometrischer Daten erlaube. Aber        de jedoch im Widerspruch zu dem
        zur Prüfung und zur Promotion,     auch das Verbot der Verarbeitung bio-         Charakter von Richtlinien mit le-
• Nr. 2 Organisation von 		                metrischer Daten zu diesem Zwecke ist         diglich interner Wirkung; als bloße
        Forschung und Studium              mit der Entscheidung über den Zweck           Verwaltungsvorschriften können sie
• Nr. 3 Aufgaben nach dem                  noch nicht getroffen. Die gebotene            Eingriffe nicht wirksam erlauben.7
        Hochschulstatistikgesetz           Entscheidung ist noch offen, wenn le-
• Nr. 4 Evaluation von 		                  diglich der Zweck bestimmt wird.              Hochschulautonomie -
        Forschung und Studium                Auch durch die Verpflichtung zur            Wissenschaftsfreiheit
                                           Datensparsamkeit hat der Gesetzgeber
• Nr. 5 Feststellung der Eignung und
        Leistung von Mitgliedern der       nicht die von ihm geforderte wer-             Auch der Hinweis auf die Hoch-
        Hochschule durch Organe,           tende      Entscheidung         getroffen;    schulautonomie kann den Berliner
        Gremien oder Kommissionen          Datensparsamkeit betrifft die Quantität       Gesetzgeber nicht entlasten. Zwar kön-
        der Hochschule                     der zu verarbeitenden Daten.                  nen sich grundsätzlich Erlaubnisse
• Nr. 6 Benutzung von Einrichtungen          Der Staat erfüllt durch die Gesetzge-       aus    Satzungsregelungen     ergeben,
        der Hochschulen                    bung seine Aufgabe, Hüter des                 doch - neben der soeben dargestell-
• Nr. 7 Durchführung von Aufgaben der      Gemeinwohls gegenüber Gruppen-                ten ausdrücklichen Forderung in der
        akademischen Selbstverwaltung      interessen zu sein.6 Das Gesetz-              Verfassung von Berlin nach einer
• Nr. 8 zum Einsatz von
                                           gebungsverfahren gewährleistet einen          Entscheidung durch den Gesetzgeber
        Steuerungsinstrumenten, in         öffentlichen Willensbildungsprozess           selbst - sprechen hochschulrechtliche
        besonderen Zielvereinbarungen,     unter Abwägung der verschiedenen,             Besonderheiten gegen die Zulässigkeit
        Leistungsbewertungen,              häufig widerstreitenden Interessen.           von Einschränkungen des informatio-
        Mittelvergabesystemen              Dieses Verfahren ist in der Demokratie        nellen Selbstbestimmungsrechts durch
• Nr. 9 Evaluierung der Umsetzung          üblich für die Regelung von Fragen des        Satzungen der Hochschulen.
        des Gleichstellungsauftrages       Zusammenlebens, die in der Verfassung            Für das Bundesverfassungsgericht
5 Richtlinien können als Regelungen        offen gelassenen sind. Bezogen auf das        ist es für die Anerkennung von au-
  mit lediglich interner Wirkung           informationelle Selbstbestimmungsrecht        tonom gesetzten Regelungen mit
  Eingriffe nicht wirksam erlauben.
  Auf sie wird im Folgenden daher                                                        7 Simitis u. a. BDSG 5. Auflage 2003,
  nicht eingegangen.                       6   BVeErfGE 33, 125 (158)                      Simitis zu § 1 Rdnr. 98

DANA • Datenschutz Nachrichten 1/2009                                                                                            9
Datenschutz - quo vadis?

Eingriffscharakter wichtig, dass sie                                                    ser Regelungen bis zum 31. Dezember
das Ergebnis eines demokratischen
                                            Grenzen der                                 2006 fordert. Gleichwohl fehlen die-
Willensbildungsprozesses im Inneren         Wissenschaftsfreiheit                       se notwendigen Regelungen in gro-
der Organisation sind.8 Diese demo-                                                     ßem Umfang in Berlin. Angesichts der
kratische Legitimation fehlt jedoch den     Aus der Wissenschaftsfreiheit folgt         Tatsache, dass die Verarbeitung zu den
Hochschulsatzungen aufgrund der ge-         die Pflicht des Staates, durch geeigne-     in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 8 BerlHG
setzlich geregelten Vorrangstellung der     te organisatorische Maßnahmen da-           genannten Zwecken fortwährend ge-
Hochschullehrer.                            für zu sorgen, dass das Grundrecht der      schieht, ist das Fehlen sehr erstaunlich,
   Das Berliner Hochschulgesetz ge-         freien wissenschaftlichen Betätigung        denn die Praxis der Verarbeitung von
währt den Professoren ein bestimmen-        soweit unangetastet bleibt, wie das         Personendaten wäre ja lediglich in eine
des Übergewicht in den Akademischen         unter Berücksichtigung der an-              Regelung zu gießen. 14
Senaten,      in    Fachbereichs-     und   deren      legitimen     Aufgaben     der       Fehlendes Interesse der treibenden
Institutsräten (vgl. § 60 BerlGH zu         Wissenschaftseinrichtungen und der          Kräfte an den Hochschulen an daten-
Akademischen Senaten, § 70 BerlHG           Grundrechte der verschiedenen Be-           schutzgemäßen Zuständen ist sicher
zu Fachbereichsräten und § 75 BerlHG        teiligten möglich ist; die einzelnen        einer der Gründe dieses datenschutz-
für die Institutsräte). In diesen Gremien   Träger des Grundrechts, also jedenfalls     rechtlichen Missstands. Hinzu kommt
haben sie stets eine Stimme mehr als die    die Professoren, haben einen Anspruch       die inhaltliche Ferne dieser Regelung
anderen in den Gremien vertretenen drei     auf organisatorische Maßnahmen zum          zur Wissenschaft. Die Bestimmung der
Statusgruppen9 gemeinsam.                   Schutze des grundrechtlich gesicherten      Daten, deren Verarbeitung im über-
   Demokratische Prinzipien werden          Freiheitsraumes.11                          wiegenden Allgemeininteresse zu den
so eingeschränkt und ein gerechter             Die Wissenschaftsfreiheit gilt je-       in § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlHG genann-
Interessenausgleich ist unter diesen        doch nicht ohne Grenzen, auch weist         ten Zwecken liegt, hat keinen unmittel-
Umständen nicht gewollt. Es besteht         das Bundesverfassungsgericht bereits        baren Bezug zu den Kernaufgaben der
dadurch die Gefahr, dass aus Gründen        in seinem Hochschulurteil hin.12 Die        Hochschulen, dem Forschen und der
der Praktikabilität Freiheitsrechte der     Verpflichtung des Staates, das irgend       Lehre. So bedeutete dies eine Entlastung
übrigen Hochschulangehörigen ein-           erreichbare Maß an Freiheit der wis-        der Hochschulen und somit einen
geschränkt werden.                          senschaftlichen Tätigkeit zu verwirkli-     Gewinn, wenn der Gesetzgeber seine
   In der Facharztentscheidung10 hat das    chen, trifft auf die natürlichen Grenzen,   Aufgabe endlich selbst wahrnähme.
Bundesverfassungsgericht eine solche        die sich aus dem Zusammentreffen der
Versuchung für Verwaltungen beschrie-       Anliegen mehrerer Grundrechtsträger         Verordnungs-
ben. Es führt hier zur Ermächtigung         und aus Rücksicht auf andere wich-          ermächtigung
zum Erlass von Verordnungen aus, dass       tige Gemeinschaftsinteressen erge-
dieser Versuchung der Verwaltung –          ben. Hierfür steht auch die Feststel-       § 6 b Abs. 1 BerlHG ermächtigt
in Verordnungen praktisch-effiziente        lung des Bundesverfassungsgerichts,         die für Hochschulen zuständige
Regelungen auf Kosten der Bürger zu         „Wissenschaftsfreiheit ist kein Recht       Senatsverwaltung zur Regelung der
treffen – Artikel 80 Abs. 1 Satz 2 GG       …, das eine … Verfügungsmacht               Verarbeitung personenbezogener Daten
dadurch Rechnung trägt, dass es die         über den Freiheitsstatus der übrigen        durch eine Rechtsverordnung zu den
Bestimmung von Inhalt, Zweck und            Hochschulmitglieder gewährt“.13             in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 115 genann-
Ausmaß vom Gesetzgeber selbst for-             Hochschulrechtliche Besonderheiten       ten Zwecken. Es handelt sich um
dert. Eine vergleichbare ausdrück-          erlauben es dem Gesetzgeber so-             den Zugang, die Durchführung des
liche Vorgabe zur Einschränkung             mit nicht, seine Befugnis zur Ein-          Studiums, um Prüfung und Promotion.
der Satzungsautonomie enthält die           schränkung des informationellen Selbst-     § 6 b Abs. 1 Satz 2 BerlHG fordert auch
Verfassung von Berlin – wie auch das        bestimmungsrechts den Hochschulen zu        hier, insbesondere die Art der zu verar-
Grundgesetz - nicht. Gleichwohl gilt        übertragen.                                 beitenden Daten und die Löschfristen zu
die Wissenschaftsfreiheit, aus der die                                                  regeln.
Bestimmungen zur Hochschulautonomie         Gewinn für die                                Wie bereits oben festgestellt, hat der
abgeleitet werden, nicht ohne Grenzen.      Hochschulen                                 Gesetzgeber selbst neben den Zwecken,
                                                                                        zu denen personenbezogene Daten ver-
                                            Zwar ist die Verpflichtung der              arbeitet werden dürfen, auch die Art
8 Beschluss der Ersten Senats vom           Hochschulen rechtswidrig, doch dem          der für diese Zwecke zu verarbeiten-
  13. Juli 2004 – 1BvR 1298, 1299/94,       Wortlaut des Gesetzes nach sind sie
  1332/95,      613/97      Notarkassen,    zum Erlass von Regelungen verpflich-        14 Vgl. Wettern, M.; Lerherevulation an
  BVerfGE 33, 125 – Facharztentscheidung    tet. Diese Pflicht besteht seit dem            Hochschulen, DANA 1/2008, 18 ff.
                                            6. Dezember 2004, das den Erlass die-          zum Regelungsdefizit in Niedersachsen
9 Neben den Hochschullehrern gibt                                                       15 Die Senatsverwaltung wird zudem zum
   es die Gruppen der wissenschaftlichen    11 VerfGE 35, 79,149 (Hochschulurteil)         Erlass einer Verordnung ermächtigt be-
   Mitarbeiter, der Studierenden und der    12 BVerfGE 35,79, 147f.                        züglich der Verarbeitung der Daten
   sonstigen Mitarbeiter.                                                                  durch die Studierendenschaft. Bleibt hier
                                            13 BVerfGE 56,79, 163
10 BVerGE 33, 125                                                                          außer Betracht.

10                                                                                            DANA • Datenschutz Nachrichten 1/2009
Datenschutz - quo vadis?

den Daten selbst festzusetzen. Der          die Entlastung von der Pflicht, wissen-        genwärtig auch dadurch, dass das Fehlen
Gesetzgeber hat für jedes Merkmal zu        schaftsferne Regelungen zu erlassen            von Erlaubnisregelungen ohne Folgen
entscheiden, ob seine Verarbeitung für      – als auch dem Datenschutz gedient.            bleibt. Sein Ziel, die Gewährleistung
den beabsichtigten Zweck im überwie-        Für die Hochschulgremien sind die zu           der Rechte und Freiheiten der Einzelnen
genden Allgemeininteresse erforder-         treffenden Entscheidungen offensicht-          im Interesse der Aufrechterhaltung
lich ist. Der Verordnungsgeber ist nicht    lich vollkommen unerheblich, andern-           freiheitlicher    und     demokratischer
befugt, wirksame Erlaubnisse zu Ein-        falls hätten Sie innerhalb der vergan-         Verhältnisse, würde nur allzu leicht
griffen in das Grundrecht der informa-      genen vier Jahre ihre Regelungspflicht         vergessen werden. Oder ist dieser Fall
tionellen Selbstbestimmung zu regeln.       erfüllt16. Werden die Gremien zum              vielleicht sogar bereits eingetreten?
   Das     Berliner    Hochschulgesetz      Erlass von Regelungen verpflichtet, an           Doch nicht nur für den Hoch-
verstößt durch diese Verordnungs-           denen sie offensichtlich nicht interessiert    schulbereich ist       der Gesetzgeber
ermächtigung zugleich gegen Artikel         sind, so schwächt das den Datenschutz,         aufgerufen zu prüfen, ob er alles
64 Abs. 1 Satz 2 VvB, nach dem eine         der dann als störende Formalie wahrge-         Notwendige geregelt hat. Versäumnisse
wirksame Ermächtigung die Regelung          nommen werden kann, der Regelungen             der beschriebenen Art gilt es auch in
von Inhalt, Zweck und Ausmaß im             fordert, die keinen interessieren.             anderen Bereichen zu finden und nicht
ermächtigenden Gesetz selbst ver-           Geschwächt wird der Datenschutz ge-            nur in Berlin zu beheben.
langt. Hieran mangelt es, wenn dem          16 Wäre die Übertragung der Satzungs-
Verordnungsgeber lediglich Zwecke              befugnis nicht bereits aus anderen
benannt werden und die Regelung der            Gründen rechtswidrig, könnte angesichts
Art dem Verordnungsgeber übertragen            der langen Dauer der Untätigkeit an die
wird.                                          Verwirkung       des      Rechts      der
                                               Satzungsgebung zu denken sein. Am
                                               2. Dezember 2004 beschloss der
Fazit                                          Gesetzgeber das Gebot, Regelungen
                                               bis zum 31. 12. 2006 zu treffen. Die
Schnell sollte der Gesetzgeber tätig wer-      Hochschulen hatten somit zwei Jahre
den, um den Mitgliedern der Hochschule         hierfür Zeit. Bis heute sind bereits vier
                                               Jahre vergangen, ohne dass an den
Datenschutz zu gewähren. Hiermit wäre          Berliner Hochschulen Regelungen in
sowohl den Hochschulen – diesen durch          nennenswertem Umfang ergangen sind.

   Meldepflicht bei Datenschutzpannen: Ja, bitte oder nein, danke?

   Als im August 2008 Meldungen über den Diebstahl von 41 Millionen Kreditkarten-Nummern
   in den USA hierzulande durch die Presse gingen, forderte der Bundesdatenschutzbeauftragte
   Peter Schaar, US-Amerikanischem Beispiel folgend, die Einführung einer Meldepflicht für
   Unternehmen bei Datenmissbrauch. In den USA gibt es in 44 Bundesstaaten eine Meldepflicht
   für Unternehmen, denen Personendaten gestohlen wurden.
     Macht eine solche Informationspflicht bei Datenschutzpannen auch im deutschen
   Datenschutzrecht Sinn oder trägt sie zur Verbesserung des Datenschutzes eher nichts bei?
   Mit dieser Fragestellung beschäftigen sich die beiden folgenden Beiträge von Marit Hansen
   und Karin Schuler, wobei die Autorinnen zu unterschiedlichen Antworten kommen.

DANA • Datenschutz Nachrichten 1/2009                                                                                          11
Datenschutz - quo vadis?

Marit Hansen

Informationen bei Datenschutzvorfällen: Ja, bitte!

Nach den Datenschutzgesetzen sind           sche und organisatorische Maßnahmen         konkrete Handlungsempfehlungen zur
Daten verarbeitende Stellen für die         Datenschutzpannen bereits im Vorfeld        Schadensminimierung gegeben werden.
von ihnen verarbeiteten personen-           zu verhindern (Schneier 2009). Um            Ähnliche Überlegungen stammen auch
bezogenen       Daten     verantwortlich.   im Fall einer Datenschutzpanne sowie        aus der Arbeit in den EU-Projekten
Ziel der Datenschutzgesetzgebung in         der verpflichtenden Benachrichtigung        „PRIME – Privacy and Identity
Deutschland ist die Gewährleistung          den Vertrauensverlust bei den Kunden        Management for Europe“1 (2004-2008)
des Rechts auf informationelle              zu minimieren, werden in zahlreichen        und PrimeLife2 (2008-2011), in denen
Selbstbestimmung für jeden Menschen:        Unternehmen präventiv Notfallpläne er-      Konzepte und Prototypen für ein nutz-
Jeder soll wissen können, wer was wann      arbeitet. Statistiken aus den USA zeigen    ergesteuertes Identitätsmanagement ent-
über ihn weiß (BVerfG 1983). Dies           übrigens, dass mehr Kunden abwan-           wickelt wurden und werden:
ist nur möglich, wenn die geforder-         dern, wenn ein Datenskandal ungesteu-         Herzstück des PRIME-Identitäts-
te Transparenz nicht nur die planmäßi-      ert durch die Medien veröffentlicht wird    managementsystems ist nutzerseitig der
ge Datenverarbeitung betrifft, sondern      (Hanloser 2009).                            sogenannte „Data Track“, in dem mit-
auch im Fall von Sicherheitsvorfällen          Auch für Deutschland, wo im              gespeichert wird, welche Transaktionen
und Datenschutzpannen die Information       Entwurf zur Novelle des Bundes-             der Nutzer abgewickelt hat, bei de-
darüber umfasst, welche der eigenen         datenschutzgesetzes ebenso wie bei          nen seine personenbezogenen Daten
Daten in unberechtigte Hände gelangt        der Umsetzung der EU-Vorgabe im             eine Rolle spielten. Der „Data Track“
sind.                                       Medienrecht Informationspflichten bei       gibt also Anhaltspunkte darüber, was
   So forderte im November 2008 die         Datenschutzpannen vorgesehen sind,          der Transaktionspartner über einen
Konferenz der Datenschutzbeauftragten       wird eine solche bußgeldbewehrte            weiß. Diese Grundfunktionalität wur-
des Bundes und der Länder, „alle verant-    Verpflichtung Wirkung in vermutlich         de nicht nur um einen Abgleich mit
wortlichen Stellen – grundsätzlich auch     zwei Richtungen entfalten: Erstens          den serverseitigen Datenschutz-Policies
alle öffentlichen Stellen – gesetzlich zu   werden Unternehmen stärker versu-           und erste Ansätze zur automatisierten
verpflichten, bei Verlust, Diebstahl oder   chen, gar nicht erst Datenschutzpannen      Rechtewahrnehmung erweitert, sondern
Missbrauch personenbezogener Daten          entstehen zu lassen – in vielen der         es wurde auch ein „Security Feed“ inte-
unverzüglich die hiervon betroffenen        jüngsten Datenskandale waren die            griert, mit dem sich Sicherheitsvorfälle
Bürgerinnen und Bürger und die zustän-      Datensicherheitsmaßnahmen mangel-           melden und an den Nutzer kommunizie-
digen Aufsichts- oder Kontrollbehörden      haft gewesen. Und zweitens wird we-         ren ließen (Nageler 2006, Hansen et al.
sowie     gegebenenfalls      auch    die   niger vertuscht werden, weil dies ein       2007), siehe Abb. 1.
Öffentlichkeit zu unterrichten. Dies        erhebliches Bußgeld nach sich ziehen          In der Praxis könnte es diver-
entspricht ihrer datenschutzrechtlichen     kann – hier sind die Aufsichtsbehörden      se Newsfeeds mit Informationen
Verantwortung und ermöglicht es den         gefragt.                                    zu Datenschutzpannen und Sicher-
Betroffenen, negative Konsequenzen             Die für Deutschland diskutierten         heitsrisiken geben, die in einem stan-
solcher Datenschutzpannen abzuwenden        Mitteilungs- und Benachrichtigungs-         dardisierten Format Meldungen an
oder einzugrenzen.“ (DSB-Konferenz          pflichten sollen zunächst auf be-           diejenigen Nutzer weiterleiten wür-
2008).                                      sonders sensible Daten, z.B. im             den, die den jeweiligen Newsfeed
   Dass eine solche Informationspflicht     Bereich Medizin oder bei Bank- und          abonniert hätten. Verfasser dieser
nicht unrealistisch ist, zeigen die         Kreditkarteninformationen, beschränkt       Meldungen könnten beispielsweise
Erfahrungen aus den USA, wo sog.            werden, da man bei einer Ausdehnung         die verantwortlichen Daten verarbei-
„Security Breach Notification Laws“         auf weniger sensible Fälle einen kon-       tenden Stellen, Computer Emergency
in der Mehrheit der Staaten gelten,         traproduktiven Abstumpfungseffekt bei       Response Teams, Online-Redaktionen
die die Unternehmen verpflichten, bei       den Betroffenen fürchtet. Wichtig ist bei   oder beliebige Organisationen oder
Datenschutzpannen die Betroffenen           dem Umfang der Benachrichtigung von         Einzelpersonen sein, die mit einer di-
– oder falls dies nicht möglich ist, die    Betroffenen, dass sie nach Möglichkeit      gitalen Signatur die Authentizität
Öffentlichkeit – zeitnah zu informieren.    abschätzen können sollen, von wem           der Meldungen bestätigten würden.
Dabei wirkt diese Verpflichtung nicht       welche rechtswidrige Nutzung ihrer          Das Identitätsmanagementsystem des
nur im nachgelagerten Bereich, son-         Daten droht und ob gegenwärtig eine
dern sie motiviert Unternehmen dazu,        konkrete Gefahr besteht (Hanloser           1 http://www.prime-project.eu/
durch Datensparsamkeit sowie techni-        2009). Ebenso sollen den Betroffenen        2 http://www.primelife.eu/

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